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Still und leise setzte ich mich auf den weißen Stuhl im großen Zimmer. Nichts tat ich lieber als mich in diesen Stuhl zu setzen und eine Zeitschrift zu lesen. Auch wenn viele meiner Freundinnen sagten, ich wäre doch sehr eigen und verrückt, machte ich das immer wieder nach Lust und Laune und bildete mir nichts auf dieses Geschwätz ein. Die Tasse Tee auf dem kleinen Tischchen neben dem Stuhl, schlürfte ich nebenbei aus. Die langweilige Tapete in meinem Zimmer wollte ich zwar schon oft überstreichen, aber bis jetzt bin ich nicht dazu gekommen und meine Eltern hätten das sowieso nie erlaubt. Ich bin 14 Jahre alt und - auch wenn es nicht danach aussieht - ein Partygirl. Was niemand weiß: ich will damit zeigen wie verschiedene Aktivitäten, die eigentlich nicht zusammenpassen, trotzdem unter einen Hut passen. Meine Hausaufgaben hatte ich wie immer gleich nach der Schule erledigt und meine Jeans mit grünem Nietengürtel hatte ich auf den Boden geschmissen und mir gleich eine Jogginghose angezogen. Meine Mutter kam herein, störte mich bei meiner Zeitschrift und schimpfte: "Luisa, räum bitte deine Klamotten endlich weg und ich leg dir dein Skateboard hier hin!", meine Mutter legte das neue Skateboard direkt neben die Tür und ging. Wie oft muss ich ihr denn noch erklären, dass sie die Tür bitte ganz zu machen soll, wenn sie mein Zimmer verlässt?! Sie scheint es nicht zu verstehen, aber warum sollte ich mir darüber den Kopf zerbrechen, wenn es größere Probleme gibt. Ich widmete mich wieder der Zeitschrift und dem Tee und laß von einem Quiz mit einer Kreuzfahrt als Hauptgewinn. Sofort beantwortete ich die Fragen und füllte das Teilnehmeformular aus. Ich schnitt die Seite entlang der punktierten Linien aus und legte sie auf den kleinen Tisch. Auf den folgenden Seiten befanden sich Kochrezepte und Ratgeber für Gesundheit. Auf der 16. Seite der Zeitschrift laß ich die News von der vergangenen Woche und blätterte anschließend weiter zum Kapitel mit den Fashiontrends. Leopardenmuster, Lachsfarbe und Fellweste musste man diesen Monat tragen, um "in" zu sein. Für mich war das nichts. Immer diese Gebundenheit an die Masse. Ich bleib lieber bei meinem Stylechaos, das sich aus Skaterstyle, Emostyle und Basics zusammensetzt. Bis jetzt war das für alle meine Freunde und Bekannten kein großes Problem, dass ich immer das anhabe, worauf ich Lust habe. Nachdem ich die Zeitschrift durchgeblättert hatte und einzelne Artikel gelesen hatte, trank ich meinen Tee aus und zog mir meine Jacke an. Eigentlich war ich ja mit ein Paar Mädchen meiner Klasse verabredet, aber weil die jetzt alle für den nächsten Mathetest lernen wollten, ging ich zum skaten. Trödelnd lief ich durch mein Zimmer und suchte verzweifelt nach dem neuen Board. Als ich die Suche kurze Zeit später aufgab und aus meinem Zimmer laufen wollte, stolperte ich über das neue Skateboard. Ich schaute es kurz böse an und hob es hoch. Ich war noch nicht aus dem Haus, als meine Mutter wieder rief: "Luisa, bitte bleib nicht zu lange draußen." Zügig lief ich zur Tür hinaus auf die lange Straße.
Unser Haus steht in einer Nebenstraße der Hauptstraße, zentral gelegen, mit Parkanlage und Supermarkt in der Nähe. Mit dem Skateboard bin ich meist schneller in der Stadt wie meine Mutter mit dem Auto, ungefähr 5 Minuten brauche ich und solange braucht meine Mutter um das Auto an zu lassen und unsere kleine Straße bis in die Hauptstraße zu fahren.
Meine Freundinnen wohnen auch nicht weit von hier entfernt.
Ich stand auf der Straße und überlegte, wo ich denn jetzt hinfahren sollte. Erst wollte ich irgendwo hinfahren, aber dann kam mir die Idee, zu Hannah zu fahren und zu fragen, ob sie nicht Lust auf eine Runde um den Häuserblock hat. Sofort machte ich mich auf den Weg und fuhr den kleinen Fußgängerweg zwischen den Mehrfamilienhäusern entlang. Um mich herum standen diese Häuser und als ich damals endlich rechnen und schreiben und lesen konnte, rannte ich hier herum, zählte die Häuser und schrieb mir auf, was wann in welchem Haus geschah. Früher waren es zwölf solcher Häuser, aber inzwischen sind es schon fünfzehn. Als wir alle noch klein waren war das Leben einfach immer leicht und jetzt hat man nur noch Probleme am Hals und vieles hat sich geändert.
In einem der Häuser wohnt Hannah und als ich an diesem Haus ankam klingelte ich erst einmal.
"Ja?", hörte ich die Stimme von Hannah's Mutter Silvia. "Luisa. Ist die Hannah da?", antwortete ich schnell und erwartete eigentlich eine ordentliche Antwort, bekam jedoch eine Gegenfrage, was ich denn von ihr wolle. Ich war nicht darauf vorbereitet, solche Fragen zu beantworten, aber trotzdem schleuderte ich die Antwort regelrecht heraus:"Ich wollte mit ihr eine Runde Skateboard um den Häuserblock fahren." Lange Stille kam und kurz dachte ich, dass sie die Sprechanlage ausgeschaltet hat, aber zum Glück meldete sich Hannah gleich. Wir besprachen uns und kamen dann zur Entscheidung, auf ihrem Dachboden ein bisschen auszumisten, weil sie das von ihrer Mutter aus machen sollte. Sie ließ mich zur Tür herein und ich stürmte die Treppen hoch. An ihrer Wohnung angekommen stellte ich mein Skateboard ab und gemeinsam gingen wir die restlichen Treppen bis in den Dachboden herauf. Hier oben kannte ich mich nicht aus und folgte deshalb Hannah bis zu ihrem Abteil. Viele der anderen Abteile waren mit Planen oder Decken von innen abgehängt, wahrscheinlich weil sie geheime Dinge vor neugierigen Leuten wie mich verstecken mussten. Andere Abteile hatten keinen Sichtschutz und da ergriff ich die Möglichkeit durch die Spalten der Metallgitter zu blicken. Oft sah ich nur alte Möbelstücke, Bücher und Kartons, aber ab und zu standen dort Sachen, die ich mir gerne näher angesehen hätte. Hier oben war alles verstaubt und von Spinnweben umgeben. Wenige der Abteile standen leer. Hannah sperrte gerade die Gittertür zu ihrem Dachbodenabteil auf und wollte reingehen, hielt aber einen Moment inne. Als ich sie anstupste machte sie einen Schritt in den Raum. Vor lauter Erstaunen, was für Dinge sich hier versteckten, stand ich starr im Türrahmen. Links und rechts von mir stand jeweils ein Regal und an der Wand gegenüber von mir stapelten sich Kartons. Der Raum war nicht größer als zwei Quadratmeter und die leicht flackernde Lampe und die zwei dunklen Regale machen es dunkel. Hannah fuhr mit einem Finger über eine freie Stelle des Regals und zeigte mir den schmutzigen Finger. Ich sah mich um und bemerkte eine kleine Schachtel. Sie war mit einem Stoff von pinker Seide überzogen und auf dem Deckel waren viele kleine Steinchen aufgeklebt. Ich griff nach dieser Schachtel und wollte sie Hannah zeigen, die mit dem Rücken zu mir am anderen Regal stand, aber die pinke Schachtel klebte am Regal fest. Ohne etwas dabei zu denken drehte ich meinen Kopf zu Hannah, aber die war zu vertieft in die Suche nach etwas brauchbarem, also stöberte ich in einem der Kartons. Hannah's alte Verkleidungskiste. Ein Prinzessinenkleid. Endlich beachtete sie mich und ich zeigte ihr meinen Fund, aber anscheinend intressierte sie das nicht. Sie schaute an mir vorbei und starrte auf ein Büchlein. Sie sprang zum Büchlein und blätterte darin einige Zeit, bis ich sie fragte, ob ich auch mit lesen dürfe. Schnell klappte sie das Büchlein zu so als ob sie mir etwas verheimlichen wollte. Aber ich hatte schon mehrere Sätze gelesen bevor ich sie ansprach. Es ging da gerade um ein junges Paar, das längere Zeit zusammen war und sich trennen musste, weil der Junge fremd gegangen war. Hannah stellte das Buch zurück in das Regal und drehte sich weg. Ich sah wie eine leichte Traurigkeit in ihr Gesicht stieg. Ich schwieg, aber tief in mir wollte ich wissen, was sie hat. Manchmal ist es eben besser, wenn man schweigt auch wenn es einem unendlich schwer fällt. Und jetzt trat das ein, was ich befürchtet hatte. Hannah fing das Schluchzen an und ließ sich auf den Boden sinken. Sie weinte fürchterlich, so hatte ich sie noch nie weinen sehen, aber ich kenne sie ja auch noch nicht solange. Zwei Jahre höchstens. Ich versuchte sie zu trösten, aber ich fand nicht die richtigen Worte. Ihre Tränen liefen ihr über die Wangen und ihre Augen röteten sich. Meine Zunge wollte etwas fragen, aber es stoppte mich etwas. Ich konnte sie nicht ansehen, ich schaffte es nicht und so musste ich mich wegdrehen, obwohl es mir sehr schwer fiel. Ich schnappte mir das Büchlein und ehe ich es aufschlagen konnte wurde es mir von Hannah aus der Hand gerissen. Mittlerweile hat sie sich ihre Tränen weggewischt und musterte mich mit dem verweinten Gesicht. Ich wollte sie fragen, was los ist, aber ich bekam immer noch kein Wort heraus. Als ob sie meine Gedanken lesen könnte erklärte sie mir die Situation und gespannt hörte ich zu, was sie unter Tränen erzälte.
Es ging um einen Jungen, vermutlich der in dem Büchlein. Sein Name war Tobias und er war ihr Freund. Sie schien glücklich und hoffte es geht ewig so weiter, aber es hörte auf, als sie erfuhr, dass er mit anderen Mädchen rummachte. Hannah war nur noch am Boden zerstört und es war hart für sie diese Enttäuschung zu überwinden. Sie hatte so eine Wut auf diesen Jungen, den sie liebte, aber sie konnte ihn nicht hassen. Irgendwann hatte sie es endlich geschafft, ihn aus ihrem Herzen zu verbannen und endlich konnte sie wieder glücklich sein, aber dieser Junge hatte tiefe Wunden in ihr Herz gebracht und so schnell vergisst man das nicht. Damals hat niemand ihre Trauer verstanden und keiner konnte sich denken, wie sie sich fühlte.
Hannah weinte wieder und jetzt konnte ich sie trösten, denn ich fand die richtigen Worte.
Ich hatte trotzdem noch eine Frage. Ich fragte sie leise, aber so dass sie es genau verstehen konnte:"Ist dieses Büchlein dein Tagebuch gewesen?" Sie schluchtze und drückte mir das Buch in die Hand. Es war ganz mit schwarzem Seidenstoff überzogen und nicht sehr groß, gerade so, dass es die ganze Handfläche verdeckt. Eigentlich wollte ich es nicht aufschlagen, aber ich musste einfach. Auf der ersten Seite stand: Hannah's Tagebuch!
Ich fing an zu lesen und es fiel mir nicht sehr leicht meine Tränen zu stoppen. Schließlich musste ich mich neben Hannah auf den Boden fallen lassen und gemeinsam brachen wir in Tränen aus. Eine ganze Weile laß ich noch in ihrem Tagebuch und wenige Stellen laß ich laut vor. Sie hatte bei manchen Einträgen ihre Gefühle mit alltäglichen Dingen verglichen und ab und zu einen nachdenklichen Spruch darunter geschrieben. Auf einer Seite sieht man wie die Tinte verwischt ist, sie hat sicher geweint als sie das verfasste. Zu dieser Zeit fehlte ihr die Unterstützung von wahren Freunden, die hätte sie von mir bekommen können, aber leider kannten wir uns zu dieser Zeit noch nicht. Ich wollte jetzt dringender als je zuvor, dass ich Vergangenes noch einmal neu machen kann und dann würde ich ihr beistehen und immer für sie da sein. Ich wünschte, ich könnte die tiefen Wunden in ihrem Herz verhindern, aber es ist alles vorbei. Niemand war für sie da und jetzt zeigen sich die Folgen. Sie tut mir leid.
Beide saßen wir da und weinten und jeder fühlte für jeden mit. Und ab diesem Zeitpunkt wurden wir die allerbesten Freunde für's Leben.
Nach einer langen Weile hatten wir uns ausgeheult und lachten fröhlich über die verschiedenen Gegenstände, die auf dem Dachboden zu finden waren. Ich hatte noch nie soviel Spaß wie an diesem Tag. Die Zeit auf dem Dachboden verging wie im Flug, nachdem wir zusammen geweint hatten. Die Dämmerung setzte ein und ich sollte langsam los. Bevor ich mich aber verabschieden konnte, bekam ich eine dankende Umarmung von Hannah. Sie lächelte und ihre Augen glitzerten von den Tränen. Froh und munter gingen wir die Stufen vom Treppenhaus hinunter bis zu ihrer Wohnungstür. Hannah sperrte die Tür auf und ich nahm schnell mein Skateboard und rannte die restlichen Stufen hinunter. Mir kam Frau Weser entgegen, eine alte Frau. Sie trug einen roten langen Mantel und läuft mit einem Krückstock. Ich mochte sie sehr gern und unterhielt mich öfter mit ihr, aber jetzt war ich zu sehr in Eile um mit ihr zu reden. Ich stürmte an ihr vorbei und sagte hallo, aber sie hatte es vermutlich nicht gehört, weil sie mir nicht antwortete. Die Tür wollte gerade ins Schloß fallen, als ich sie mit einem schnellen Griff wieder aufzog. Inzwischen war in den Fenstern der Häuser Licht zu sehen und die Starßenlaternen erhellten die kleinen Wege zu den Häusern.
Ich klingelte an unserer Haustür und sah durch die Glastür den Schatten meines Vaters. Er machte mir auf und erzählte von seinem langen Arbeitstag in der Kanzlei. Erst hat er die abgestürtzte Internetverbindung wieder hergestellt, dann hat er sein Büro geputzt und dann hat er seine Arbeit endlich einmal ordentlich und pünktlich verlassen und war anschließend noch einkaufen. Die Einkaufstüte stand noch im Flur und es ragten mehrere Packungen Gummibärchen heraus. Mein Vater sah, dass ich die Tüte anstarrte und meinte: "Die sind nicht nur für dich. Die habe ich extra gekauft um nicht jeden zweiten Tag eine neue kaufen zu müssen." Enttäuscht lief ich an ihm vorbei und rannte in mein Zimmer. Mein Skateboard lag mitten im Zimmer, als meine Mutter voller Elan die Tür aufstieß und losschrie:" Räum jetzt endlich dein Zimmer auf, das wird ja immer mehr Chaos auf dem Boden!" Genervt verließ sie mein Zimmer ohne die Tür zuzumachen, so wie es eben immer wieder vorkam. Ich hatte ein Argument, mein Zimmer nicht auf zu räumen, nein, ich hatte sogar zwei: wenn ich es jetzt auräumen würde, würde es morgen wieder so aussehen und wenn meine Mutter nie die Tür zumacht, obwohl man ihr das immer wieder sagt, dann muss ich auch nicht mein Zimmer aufräumen, obwohl sie es dauernd sagt.
Ich saß wieder in diesem bequemen Stuhl, aber es war einfach alles anders. Es war so öde und langweilig, fast schon deprimierend. Draußen war es jetzt schon dunkel und die Lichter der Häuser waren das einzige Licht, das die Stadt so hell erleuchten ließ, denn der Mond war von den Wolken verdeckt. Ich bemerkte den Zettel des Preisausschreibens und weil mir jetzt diese verdammte Kreuzfahrtreise egal war, zeriss ich diesen Zettel vor Wut. Es brannt ein mir wie ein Feuer, es zerstörte mich und ab jetzt änderte sich mein Leben. Eigentlich hatte ich alles, was ich brauchte, aber ich musst etwas ändern. Wie ein Zwang. Ich hatte am heutigen Tag eine neue wunderbare Freundin für's Leben gefunden, aber doch fühlte ich mich leer an diesem Abend. Ich starrte aus dem Fenster, aber alles, was ich sehen konnte, war nicht wie immer. Es war einfach trist und grau und wenn man die Sterne gesehen hätte, wüsste ich, was jetzt in einem der großen Häuser geschieht. Sie würde weinen, sie würde sich an alles erinnern und sie würde so tun als ob alles in Ordnung wäre, obwohl es sie innerlich zerbrechen würde. Hannah würde nicht lachen, nicht schreien sondern leise in sich hinein weinen, damit keiner merkt, wie schrecklich sie leidet. Ich musste zu ihr, meine Beine wollten sich bewegen, aber mein Verstand hielt mich zurück, mein Herz wollte, dass ich sie tröste, aber mein Gehirn sagte mir, dass es falsch wäre. Ich hörte auf mein Herz und nahm mein Skateboard. Ich rannte die Treppen hinunter, zog meine Jacke an und rannte aus der Haustür, dabei überhörte ich die Rufe meiner Eltern. Sie wollten mich aushalten, aber bis sie an die Tür gerannt kamen, war ich schon im Häuserpark verschwunden. Mein Handy klingelte, es war meine Mutter, ich drückte sie weg und als ich an Hannah's Haus ankam, klingelte ich und ihre Mutter machte mir auf.
Das Treppenhaus ließ meine schnellen Schritte lauter wirken, als sie waren. Meine Beine liefen fast von selbst und schneller als ich je eine Treppe hochgerannt bin. Silvia stand in der Tür und ihr Gesichtsausdruck zeigte mir, dass das eingetreten war, was ich befürchtet hatte. Sie lies mich herein und ich stürmte in Hannah's Zimmer und da saß sie auf ihrem Bett. Leise weinte sie und ihre Hände hielt sie vor ihr Gesicht. Sie wischte sich die Tränen ab und wollte mir ihr fröhliches Gesicht zeigen, aber sie konnte es nicht verbergen. Ich schloß die Tür hinter mir und setzte mich neben sie. Sie tarrte mich an und ich sah in ihre nassen Augen. Die Schminke völlig verwischt und die Hände nass. So starrte sie mich an und ich merkte, dass sie mich etwas fragen wollte, jedoch bekam sie kein Wort heraus. Ich sagte ihr, warum ich gekommen bin und es schien ihr ein kleiner Stein vom Herzen gefallen zu sein. Sie versuchte mir zu erklären, was los ist, und es war das, was ich vermutet hatte. Es ging um die Geschichte in dem Büchlein, um diesen Jungen, der ihr Leben verändert jatte. Der Himmel lockerte sich auf und man konnte den Mondschimmer und wenige Sterne betrachten. Das war der Auslöser dafür, dass sie erneut das Weinen anfing. Ich dachte an die Geschichte und versetzte sie in meine Lage, was hätte ich getan, wenn mir so etwas passiert wäre, hätte ich tagelang geweint, hätte ich gelacht oder hätte ich Briefe darüber geschrieben.? Ich konnte es mir nicht vorstellen, dshalb fühlte ich mit Hannah mit und langsam liefen Tränen über meine Wangen. Wir saßen gemeinsam vor dem Fenster, weinten still und leise und vergaßen alles andere um uns herum. Die Wolken wanderten und die Bäume wehten im Wind.
Hannah's Mutter kam leise herein und sagte mir, dass meine Mutter angerufen habe. Ich fuhr leicht deprimiert und mit Tränen in den Augen nach hause. Mein Vater stand schon in der Tür als ich vom kleinen Fußgängerweg auf unsere Straße gefahren kam. Glücklich sah er nicht aus, aber er sah auch nicht so aus als ob er mich gleich richtig ausschimpfen wird. Um auf Nummer siher zu gehen stürmte ich schnell an ihm vorbei in mein Zimmer.
Später am Esstisch war ich still und meine Eltern wollten wissen, warum ich nichts sagte. Ich schwieg sie an, denn ich wollte nicht, dass sie merken, was am Abend geschehen ist. Ich versuchte mein Brot so schnell wie ich konnte zu essen, um gleich wieder in mein Zimmer zu können, aber die Bissen vielen mir nicht leicht und deshalb dauerte es länger bis ich fertig war. Immer wieder wollte ich erzählen, was passiert ist, aber ich dachte jedesmal an die Folgen, wie es wohl ist, wenn sie wissen, dass ich mit anderen mitfühle. Sie werden sagen, dass ich keine Angst haben muss, dass mir so etwas passiert, solange ich keinen Freund habe. Aber ich wollte doch einen Freund, ich wollte einen richtigen Freund so wie Felix. Ich vermisse ihn öfter, aber weil wir noch Kumpels sind, ist es nicht weiter tragisch. Ich habe keine Angst, dass mir so etwas auch wieder fahren könnte, denn wenn es passiert, dann muss man damit leben und das gehört einfach dazu. Wenn Felix das mit mir gemacht hätte, hätte ich es nicht verstanden, aber jetzt, wo ich weiß, wie man damit umgehen muss, würde es mir leichter fallen, es zu verkraften.
Endlich hatte ich den letzten Bissen geschafft und rannte in mein Zimmer, klappte den Laptop auf und fuhr ihn hoch. Eingeloggt in Facebook sah ich eine Nachricht von Felix und eine von Hannah.

Felix: Weißt du, dass ich dich oft vermisse, dass ich oft an dich denke und dass ich dich gerne wieder sehen würde? Hier in Köln ist es zwar schön, aber ich vermisse dich unendlich sehr, wenn ich alleine in der Schule sitze, wenn ich mit meinen neuen Freunden in der Stadt bin. Du fehlst mir und ich verspreche dir, wenn ich Ferien habe, dann komm ich dich in Berlin besuchen.
Ich liebe dich.

Ich musste ihm schreiben, dass ich ihn auch vermisse und dass ich mich freue, wenn er kommt und dass es mir gut geht. Ich liebe ihn immer noch und ich will ihn gerne sehen und seine Hand nehmen und mit ihm durch die Berliner Innenstadt laufen, so wie wir es noch in der Zeit gemacht haben, in der er noch hier in Berlin wohnte.
Ich bin froh, dass wir uns beide einer Meinung waren als es um eine fernbeziehung ging, wir entschieden uns beide dagegen, aber die Liebe. ist immer noch da.

Hannah schrieb: Danke, dass du den heutigen Tag so schön gemacht hast. Wir haben geweint, aber es waren keine Tränen der Trauer und Enttäuschung, es waren Tränen von Freude und gestorbener Liebe. Danke Luisa, ich hab dich lieeb.

Ihr schrieb ich nur zurück, dass ich ihrer Meinung bin und dass sie immer kommen kann, wenn sie etwas braucht.

Felix war online und wir schrieben ein paar Nachrichten und machten aus, dass er die nächsten Ferien kommt und wir gemeinsam die Tage verbringen werden und dass er auch einmal bei mir übernachten kann. Ich freute mich so sehr darüber und wusste, dass es auf jeden Fall eine schöne Ferienwoche wird.
Der nächste Tag war ein Samstag und ich konnte endlich wieder ausschlafen. Die Sonne weckte mich jedoch schon um 8:00 Uhr und ich musste mich bis zum gemeinsamen Frühstück, das meist erst um 11:00 Uhr beginnen konnte, weil meine Eltern solange schliefen, allein vergnügen. Also ging ich in Facebook, checkte meine Nachrichten, hörte Musik und langweilte mich. Keiner hatte mir etwas geschrieben und ich bekam wie immer mehrere Einladungen zu City-Ville. Es nervt mich langsam, aber was will man tun. Mein Handy klingelte, weil ich eine SMS bekam. Von Selina. Sie wollte nur wissen, ob ich heute auch mit auf den Ausflug unseres Volleyballvereins komme, aber ich musste ihr absagen. Ich hatte keine Lust unsere Mannschaft außerhalb des Trainings zu treffen und ich wollte erst recht nicht Selina sehen.
Die Zeit bis zum Frühstück ging schnell vorbei. Zum Glück, denn ich hatte Hunger bekommen in der Zeit, wo ich warten musste. Die große Auswahl an Leckereien kam mir da gerade recht: ein großer Teller mit verschiedenen Wurstsorten, ein Eieromlett, Butter, Nutella, Honig, Marmelade, frische Äpfel und Bananen, Jogurth, Cornflakes und natürlich frische Brötchen. Immer samstags gab's dieses große Büffett, weil das schon immer in unserer Familie eine Tradition war. Nach jedem dieser Frühstücke war ich satt und brauchte bis abends kein Essen mehr.
Nach dem Essen rief ich bei Laura an. Ich wollte endlich mit ihr wieder Sakteboard fahren und jetzt muss ich hoffen, dass ihr Gips nicht noch länger dran bleiben muss. Sie hat sich im Schulsport die Hand gebrochen und konnte jetzt sieben Wochen ihre Hand nicht benutzen. Und wie ich vermutet hatte muss sie auch noch eine Woche ohne Gips den Arm schonen. Genervt wendete ich mich ab und fuhr mit meinem Skateboard wieder nach Haus und auf dem Weg sah ich meine Nachbarin mit ihren Einkäufen. Sie ist eine Frau mittleren Alters, aber wer sie nicht kennt könnte denken, dass sie noch um die 25 ist. Sie besitzt einen Kosmetikladen in der Innenstadt und hat sich vor zwei Jahren von ihrem Mann geschieden. Es gab immer mal wieder kleine Streitigkeiten, die sich dann zu größeren Problemen entwickelten. In diesen Streitigkeiten ging es oft um ihr Äußeres, wenn sie aus dem Haus geht. Ihr Mann meinte immer:" Jetzt schau dir mal die vorbei laufenden Frauen an. Die haben eine anständige Hose an und keine tausend Kosmetikartikel in ihre Haut eingearbeitet. Schatz, du solltest einfach dein Alter so zeigen und dich nicht 20 Jahre jünger machen."
Sie wollte garantiert nicht, dass es durch so ein schnell behebliches Thema auseinander geht, aber hörte trotzdem nicht auf ihren Mann.
Tjaa und dann irgendwann ist er gegangen, einfach abgehauen und hat ihr einen Brief geschrieben, den sie uns gezeigt hatte:

Schatz, es tut mir leid,
aber du hättest dich ändern sollen. Dann würde ich dich vor allen Leuten in den Arm nehmen und ihnen zeigen, dass ich die schönste Frau habe, aber so wie du immer aussahst bin ich einfach nicht stolz darauf. Und wenn die Liebe noch so stark zu dir ist, ich kann das nicht mehr ertragen und bitte denk nicht, ich will dich vergessen, denn ich liebe dich noch so wie am Anfang. In einer Ehe sollten Kompromisse gemacht werden und auf Probleme eine gemeinsame Lösung gefunden werden. Du hast es leider nicht geschafft in dieser Zeit, die ich dir gegeben habe, mit mir eine gemeinsame Lösung für dein Aussehen zu finden. Es tut mir unendlich Leid. Wenn du dich doch ändern solltest, kannst du mich bei meinen Eltern besuchen kommen und mich davon überzeugen, dass ich wieder stolz mit dir durch die Straßen laufen kann.
Ich liebe dich.
Dein Mann.

Sie überlegte lange darüber nach, was sie denn jetzt tun soll. Und am Ende stellte sie fest, dass sie auch ohne ihren Mann leben kann und so leitete sie die Scheidung ein. Am Gerichtstermin waren sie und ihr Mann ein letztes Mal vereint in einem Raum. Von da an wollte sie ihn nie wieder sehen und sie hat ihn bis jetzt auch nie wieder gesehen. Traurig war sie nicht darüber ihn zu verloren zu haben, aber manchmal sehnte sie sich nach einem Mann wie ihn an ihrer Seite. Sie kam oft zu uns zu Besuch, weil sie so alleine war, und erzählte uns von ihrem Leben. Ich glaube, sie sieht uns als zweite Familie.
Ich sah sie auf dem Gehweg laufen und grüßte sie freundlich. Sie grüßte zurück und fing an zu reden. Eigentlich wollte ich ja nur schnell grüßen, aber man kann ihren Rededurst eben mit nichts überwinden. Kaum sieht sie einen meiner Familie, muss man sich mindestens zehn Minuten Zeit nehmen. " Weißt du, als ich so alt war wie du", dieser Satz kam bei jedem Beginn einer neuen Geschichte, zumindest bei denen, wo sie annähernd so alt war wie ich, " da wusste ich noch nicht, was wahre Liebe heißt und wofür man Freunde braucht. Ich dachte immer, Freunde sind Menschen mit denen du spielen kannst, wenn dir langweilig ist, aber in Wirklichkeit waren es Menschen, die für dich etwas ganz besonderes sind. Sie wissen viel über dich, aber haben dich deshalb trotzdem lieb. Sie beschützen dich vor bösen Taten und wollen nur dein Bestes. Und vergiss niemals, dass Freunde, die du verlierst, deine Feinde werden könnten. Also pass auf, wenn sie dich verlassen, dass sie dich nicht hintergehen können." Ich hatte keine Ahnung, was ich darüber denken soll. Will sie eine Freundin von mir sein, will sie mir sagen, dass meine Freunde Feinde werden und sich gegen mich verbünden? Ich versteh es nicht. Ich verabschiedete mich und fuhr schnell nach Hause. Dort angekommen erzählte ich erst einmal, dass ich Frau Gruber, die Nachbarin, gesehen habe, dann ging ich in mein Zimmer, loggte mich in Facebook ein und checkte meine Nachrichten. Felix hat wieder geschrieben:

Ich freu mich so, dich wieder zu sehen. Wir müssen bitte auch dringend was mit Kate machen. Ich vermisse dich und ich kann die Zeit nicht überstehen bis ich dich sehe. Noch zwei Wochen und ich komm zu dir!!.
ich liebe dich .

Ich vermisse ihn, aber ich glaube nicht so sehr wie er mich. Ich schreibe einfach mal nichts zurück und hoffe, dass in den nächsten zwei Wochen nicht mehr allzu viele dieser Nachrichten herein schneien. Achja apropos schneien, der letzte Schnee ist endlich weg und es wird langsam Frühling. Wird ja auch Zeit, immerhin ist es ja schon Mitte März.
Ich saß wieder auf meinem Stuhl in meinem Zimmer und schaute aus dem Fenster. Meine Gedanken schwirrten immer wieder um den Satz - Vergiss niemals, dass Freunde, die du verlierst, deine Feinde werden können-. Ich verstehe das nicht, ich bin mir sicher, dass meine Freunde mich niemals verlassen werden, denn sowas machen Freunde einfach nicht. Vielleicht hatte Frau Gruber solche Freunde, aber ich doch nicht.
Die Zeit verging und es wurde langsam wieder dunkel. Morgen ist Sonntag und endlich seh ich meine Tante wieder, die am Nachmittag zu Besuch kommen wollte. Immer wenn sie kam, brachte sie mir ein kleines Geschenk mit. Sie wohnt in Dresden und kommt deshalb nur 4-5 Mal im Jahr zu uns. Sie ist die Schwester von meiner Mutter und heißt Claudia. Ich mag sie gern, nicht nur wegen dem Geschenk, sondern weil man sie immer nur lächeln sieht. Sie ist einfach immer gut drauf und kann ziemlich gut kochen. Wenn ich Glück habe kommt morgen auch noch kurz meine Oma vorbei, die wohnt ja nicht weit von hier. Mit Oma Katharina und Tante Claudia zusammen an einem Tisch zu sitzen beansprucht schwer die Lachmuskeln und meistens passiert dann noch eine kleine Katastrophe. Sei es eine Tasse Kaffee, die umgeschüttet wird, sei es ein abgebrochener Absatz vom Schuh oder sei es eine leere Autobatterie. All das und noch mehrere Ereignisse passierten schon einmal.
Das Frühstück viel eher schmal aus, denn wir wollten gemeinsam mit Tante Claudia zum Essen in das chinesische Restaurant mit dem unaussprechlichen Namen. Oma Katharina ging mit und zusammen saßen wir an einem runden Tisch mit einer Drehscheibe wie es bei Chinesen traditionell ist. Claudia liebt chinesisches Essen und die Kultur der Schlitzaugenmenschen, so nannte sie die Bewohner des asiatischen Kontinents, sehr. Die kleine Frau mit einer Blümchenschürze bediente uns und sie war in dem Restaurant die einzige Bedienung, die nur gebrochenes deutsch konnte, alle anderen konnten entweder flüßig deutsch reden oder jedenfalls besser als diese Bedienung, die übrigens My Linh hieß. Claudia strahlte über's ganze Gesicht als sie den Restaurantbesitzer, Ko Ying, den sie schon seit sie 18 Jahre alt war, kannte. Er kam zu uns herüber und begrüßte uns mit einem typisch chinesischen Gruß. Claudia freute sich darüber sehr und unterhielt sich kurze Zeit mit Ko Ying. Als sie das Gespräch abgeschloßen hatten, gingen wir alle gemeinsam zum Buffett und Ko Ying erklährte uns die verschiedenen Gerichte in den Schalen. Jeden Tag gab es bei ihm ein neues Gericht, das drei Wochen zum testen im Buffett steht und wenn es gut läuft, dann wird es als neues Gericht auf die Speisekarte gesetzt. Ko Ying verschwand wieder in seinem Büro, nachdem er uns das Buffett ausfühlich gezeigt hatte. Nach und nach hatten wir uns alle einen Teller zusammengerichtet und gingen wieder zum Tisch. Die Getränke standen auch schon auf der Drehscheibe und der einzige, der sich nichts vom Buffett sondern von der Karte geholt hatte, war mein Vater. Er bestellte sich Hühnchen in Süßsauer-sauce mit gebratenem Reis. Das Essen war lecker und dann gingen wir nach Hause. Zu Hause angekommen, bekam ich das Geschenk von Claudia. Es befand sich in einem hellblauen Karton mit einer schwarzen Schleife zugebunden. Meine Augen wurden immer größer, während ich das Geschenk aufmachte. Langsam hob ich dann den Deckel des hellblauen Kartons hoch und musste erst einmal meinen Mund zu bekommen, der sich vor Erstaunen geöffnet hatte. Das liebevoll eingepackte Geschenk ist ein Armband aus dem Afrikashop. Ich war mit meiner Tante damals in diesem Laden als ich sie besucht habe. Das Armband habe ich damals ewig angestarrt, aber es war mir einfach zu teuer und ich hatte Angst, dass meine Mutter es mir nicht erlaubt hätte. Ab jetzt trug ich es jeden Tag und werde es nie wieder runter machen. Der Tag verging und meine Tante fuhr wieder nach Hause. Der nächste Schultag war wie gewöhnlich, aber wir haben einen neuen Mitschüler bekommen. Nico war sein Name. Er war sehr hübsch und dann musste er sich auch noch neben mich setzen, weil kein anderer Platz frei war und Emilie krank war. Er sah mein neues Armband und fragte mich: "Woher hast du das?" Ich antwortete ihm: "Von meiner Tante. Sie wohnt in Dresden und hat es mir gestern mitgebracht." Wir schwiegen und als ich ihn von oben nach unten gemustert habe, sah ich, dass er genau das selbe Armband wie ich hat. Er musste lächeln als er mich anschaute. Die Haare einfach wuschig durcheinander und seine Augen waren blau. Ich hoffe nur, dass er keine Freundin hatte, denn ich würde ihn schon gerne um ein Date bitten. Zwar nicht jetzt aber in den nächsten Tagen, wenn sich eine Möglichkeit ergibt. Den ganzen Schultag lang schaute er mich an und lächelte. Als ich dann im Bus nach hause saß, schaute ich verträumt durch den Bus. Da fiel mir sein Gesicht in den Blick. Er saß nicht weit von mir weg und sah mich an. Er winkte mir und gab mir ein Zeichen, dass ich mich neben ihn setzen soll. Ich packte meine Tasche und setzte mich auf den freien Platz neben ihn. Wir unterhielten uns über den heutigen Schultag und ich erzählte ihm das wichtigste über unsere Klasse und meine Mitschüler. Gespannt hörte er mir zu und fiel mir kurz danach ins Wort. Er musste aussteigen und zur Verabschiedung umarmte er mich. Mein Herz klopfte, denn ich hätte das nicht erwartet. Bin ich froh, dass Emilie noch krank ist. Ich mag sie schon sehr gern, aber in solchen Situationen kann sie und ich sehr egoistisch sein. Ich saß strahlend im Bus und stieg wenig später auch aus. Fast hüpfend ging ich zur Haustür und klingelte. Meine Mutter machte mir auf und ihr fiel sofort meine gute Laune auf. Sie fragte nicht nach, aber ich hatte sie sofort damit angesteckt. Sie lief lächelnd zu meinem Vater und flüsterte ihm leise etwas zu. Leider zu leise, denn ich verstand nichts. Ich saß am Esstisch und ließ mir die Currywurst schmecken, die meine Mutter für mich gemacht hat. Anschließend musste ich sofort in Facebook und nach Nico suchen. Zum Glück hat unsere Lehrerin den vollen Namen gesagt, denn da fällt mir die Suche ziemlich leicht. Kurze Zeit später hatte ich ihm eine Freundschaftsanfrage gesendet. Ich machte meine Hausaufgaben und konnte es kaum erwarten, zu schauen ob er sie angenommen hat. Tatsächlich, die Freundschaftsanfrage wurde akzeptiert. Ich sah mir seine Fotos an und war erstaunt darüber, dass auf fast jedem Foto ein Mädchen mit ihm abgebildet war. Immer wieder zweifelte ich daran, dass er mich mag, denn wenn er so viele Mädchen kannte, war ich nur eine von denen. Diese Nacht konnte ich kaum schlafen, immer wieder gingen mir die Bilder durch den Kopf und immer wieder kam der Moment hoch, als ich ihn umarmt hatte. Ob das morgen genauso läuft, fragte ich mich. Bestimmt hat er da schon längst wieder vergessen, dass er mich umarmt hat und wenn Emilie wieder da ist, dann wird sich sowieso alles ändern. Auf der Busfahrt in die Schule wartete ich vergeblich darauf, dass Nico einsteigt. Vermutlich wurde er gefahren oder ist heute mit dem Rad gefahren. Aber auch als ich im Klassenzimmer saß war er noch nicht da und kam auch nicht mehr. Enttäuscht fuhr ich nach der Schule nach Hause. War er krank oder hatte er keine Lust auf Schule? Zu gern wüsste ich, was passiert ist. Emilie war heute immer noch nicht in der Schule und es hätte sich bestimmt eine einfache Chance ergeben mit ihm eine Verabredung ab zumachen, aber er war nicht da. Genervt stieg ich aus, aß zu hause mein Essen und verschwand in meinem Zimmer. Meine Eltern waren nicht zu hause und hatten so nicht gemerkt, dass meine Laune total am Boden war. In Facebook schrieb ich ihm eine Nachricht:

Heei, warum warst du denn heute nicht in der Schule ?

Kurz darauf kam die Antwort:

Hei, meine Mutter hatte ziemlich viel wegen dem Umzug zu tun und deshalb hat sie mich kurzfristig vom Unterricht befreit, damit ich ihr helfen kann, aber morgen komm ich wieder.

Na ein Glück. Mir fiel ein Stein vom Herzen und meine Laune ging bergauf. Bei der Gelegenheit musste ich ihn sofort um eine Verabredung bitten. Er sagte zu und ich wusste, morgen wird ein wunderbarer Tag, obwohl ich Angst hatte, dass Emilie Stress macht, wenn sie das mitkriegt.
Am nächsten Tag nach der Schule trafen Nico und ich uns im Park in der Nähe meiner Wohnsiedlung. Wir gingen den Kiesweg entlang und vergaßen alles um uns herum. Irgendwann setzten wir uns auf eine Parkbank und sahen den Kindern auf dem Spielplatz zu. Ein kleiner Junge sah uns und rannte zu unserer Bank. Er lächelte uns an. Wir fragten uns, wo seine Mutter wohl ist. Ich nahm den Jungen auf den Schoß und Nico und ich spielten ein bisschen mit ihm. Eine halbe Stunde verging, doch es kam keine Mutter und kein Vater. Niemand vermisste einen kleinen Jungen. Es wurde uns zu seltsam, deshalb haben Nico und ich beschlossen, alle erwachsenen zu fragen, ob sie den Jungen vermissten. Aber keiner der Eltern kannte den Jungen, also nahmen wir ihn mit zu mir. Unterwegs fragten wir ihn nach seinem Namen, Boris hieß der kleine und er war 5 Jahre alt. Meine Mutter verständigte die Polizei, während wir alle zusammen am Tisch saßen. Einige Zeit später kam die Polizei und versuchte etwas über Boris herauszufinden. Boris erzählte dem netten Polizisten, wo er wohnt. Sofort

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Tag der Veröffentlichung: 09.02.2011

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