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Wie eine Welle brach die Panik über uns herein, brach über uns zusammen, tauchte uns unter. Überall rannten Jungendliche umher, versuchten, sich aus dem Schulgebäude zu drängen. Sie schrieen und schmetterten ihre Taschen zu Boden. Ich tat dasselbe. Was hätte ich denn auch sonst machen sollen? Alle wollten aus dem Gymnasium raus, wollten fliehen. Der Alarm schrillte stetig in einem hohen, ohrenbetäubenden Ton. Doch er war kaum zu hören, in dem Lärm, den die panische Masse veranstaltete. Ich hatte das Gefühl, die Menge würde sich nicht vom Fleck bewegen. Hastig wandte ich mich um und steuerte eines der Fenster an. Ich blickte hinab in die Tiefe. Nein. Es war zu hoch, um hinauszuspringen. Ich würde mir mit ziemlicher Sicherheit das Genick brechen. Ich kehrte zum Gedränge zurück und versuchte erneut, mir einen Weg durch die Menschenmasse zu bahnen, doch ich scheiterte. Endlich, nach einer Ewigkeit, wie es mir schien, bewegte sich die Menge voran. Alle rannten, stießen ihre Mitschüler beiseite und brüllten. Pfeilschnell schoss ich nach vorne, bevor sich wieder ein Stau bildete. Wie alle es taten, hastete ich die Treppen hinunter. Jemand stieß mich an und ich krachte gegen dass Geländer der Stufen. Wütend blickte ich mich um, doch jeder dieser Menschen könnte gegen mich gerannt sein. Ich schnaubte zornig, und hetzte weiter. Schließlich war ich auf der letzten der Treppen angelangt. Auf halben Weg jedoch, rempelte mich wieder jemand von der Seite an. Ich verlor das Gleichgewicht, taumelte für einen kurzen Moment, dann fiel ich. Ich kam hart mit dem Kopf auf und rollte den Rest der Stufen hinunter. Dumpfer Schmerz durchzuckte meinen Schädel. Ich blinzelte, meine Sicht war verschwommen. Ich versuchte mich aufzurappeln, doch es wollte mir nicht so recht gelingen. Während ich hilflos dalag strömten weiterhin Schüler in Massen an mir vorbei, keiner kümmerte sich um mich. Alle wollten nur noch weg, raus aus der Schule, raus aus der Stadt. Langsam driftete ich ab, konnte mich nicht mehr gegen die Ohnmacht wehren...

„ Jannis! Jannis, wach auf! Die Schule wird gleich abgeschlossen und dann bist du hier eingesperrt! Du musst jetzt hier raus!“ Jemand rüttelte an mir. Ich blinzelte und öffnete meine Augen. Langsam kehrten meine Sinne wieder, und ich bemerkte die Stille im Schulgebäude. Ich hatte das Gefühl, als wäre ich unter Wasser getaucht, wo alle Geräusche dumpf und fern klangen. Wieder ertönte die Stimme. „ Jannis!“ Ich blickte mich um. Neben mir hockte Herr Teffke, mein Mathelehrer. Er blickte mich besorgt an. „ Was... Was ist passiert?“, fragte ich mit schwacher Stimme. „ Der Störfall im Atomkraftwerk! Heute morgen, deshalb auch der Alarm, du weist schon!“, erwiderte er. „ Aber-!“
„ Komm schon Jannis, ich kann dich hier nicht einfach liegen lassen, aber du musst jetzt mit mir kommen, sonst habe ich keine andere Wahl als dich zurückzulassen!“, sagte er mit eindringlicher Stimme. Ich nickte beklommen. Er packte mich am Arm und zerrte mich hoch. Dann rannte er in Richtung Ausgang, ich stolperte hinter ihm her. Endlich kam die große Tür in Sicht. Plötzlich jedoch realisierte ich, dass sie gerade dabei war, geschlossen zu werden. Wir wurden immer schneller, doch bevor wir etwas tun konnten, fiel die Tür ins Schloss. Ich stolperte und hielt an, konnte einfach nicht verstehen was gerade passiert war. Herr Teffke ließ meinen Arm los, stürzte zur Tür und hämmerte dagegen. Schließlich öffnete sie jemand. Ich erhaschte einen Blick auf den Hausmeister. Völlig verdattert stammelte er: „ Herr Teffke, Jannis! Was- ich meine wie-“, er brach ab, und blickte uns erschrocken an. Dann schüttelte er den Kopf und meinte: „ Ich müsst hier raus, aber schnell! Die halbe Stadt ist schon leer!“ Mein Lehrer murmelte etwas Unverständliches und winkte mich zu sich. Ich rannte zu ihm.
„ Wo wohnst du?“, fragte mich Herr Teffke, „ Soll ich dich mitnehmen? Ich habe ein Auto.“ „ Nein“, erwiderte ich, „ Ich wohne vielleicht Zehn Minuten zu Fuß von hier aus.“ Er nickte, und murmelte: „ Pass auf dich auf, Jannis.“ Dann wandte er sich um und lief zu seinem Wagen. Ich begab mich auf den Nachhauseweg. Plötzlich fiel mir ein, was der Hausmeister gesagt hatte: „ Die halbe Stadt ist schon leer!“
Ich begann zu rennen. Auf den Straßen war Chaos pur. Autos fuhren auf der falschen Spur oder auf dem Gehweg, die Leute hasteten einfach wo es ihnen beliebte, Menschen brüllten. Ich stolperte über etwas Weiches. Als ich mich danach umblickte, erfasste mich die pure Angst. Ich war über einen Mann gestolpert. Um ihn herum war eine Blutlache, und als er den Mund öffnete, quoll die rote Flüssigkeit zwischen seinen Lippen hervor. Ich hätte ihm helfen sollen. Einen Notarzt rufen sollen, oder ihn mit mir zerren, doch der Schock war zu groß. Ich ließ ihn einfach liegen, rannte blind von ihm weg, in Richtung meines Zuhauses, wo dieser Alptraum sicher ein Ende nehmen würde. Ich schoss über die Straße. Aus dem Augenwinkel sah ich etwas Blaues, Großes auf mich zurasen, vielleicht ein Auto. Ich konnte nicht mehr stoppen. Ich hörte noch einen Aufprall, spürte dumpfen Schmerz meinen Körper erfassen, dann legte sich eine sanfte Schwärze über mein Bewusstsein...

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Tag der Veröffentlichung: 21.08.2011

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