Cover

Ein toller Hecht

Also, es muss so Mitte Dezember gewesen sein. Es war schon richtig winterlich gewesen, doch das Tauwetter hatte Löcher in den Schnee und in das Eis auf den Seen und Teichen gefressen. So richtig schmuddelig war das Wetter. Zu Höchstleistungen hatte keiner so richtig Lust, jedenfalls von uns Tieren keiner. Die Menschen machten sich furchtbar viel Stress, hängten Hunderte von Stromfressern in die Straßen und an die Häuser. Manche dieser Beleuchtungen sah ja ganz schön aus. Aber die meisten Menschen achteten gar nicht so genau darauf, ob es die Beleuchtung vom vorigen Jahr war oder eine andere. Sie hasteten mit Taschen und Paketen durch die Gegend, stießen mal hier und mal dort an, manche nannten das schon anstößig oder Anstoß erregend. Diese konsumfreudige Zeit mit Stress im Qudrat nennen die Menschen Advent. Wer oder was da ankommen soll, wissen die meisten nicht so genau.

Vor ein paar Tagen war ich ja auch noch ein Mensch, aber über Nacht hat mich so ein amerikanischer Zauberer in einen Hecht verwandelt. Ehrlich gesagt, ganz wohl fühle ich mich nicht in meiner Schuppenhaut. Da wäre ich doch lieber ein Elch geworden mit einem schönen dicken Winterfell. Aber mich hat keiner gefragt, wie ich es denn gerne hätte. Am Teichufer stehen immer mehr Menschen mit großen Angel, sehen fast aus wie Hochseefischer. Dabei haben sie es offensichtlich auf mich abgesehen. Zwischen den Anglern stehen kleine Hozschilder, auf denen dumme Sprüche für Gescheiterte stehen, wie: Quasselstrippen sind Menschen, die sich gerne reden hören, aber nichts zu sagen haben. Also, wenn mich einer Quasselstrippe nennen würde, dann, dann würde ich aber so richtig zubeißen. Aber, mit uns armen Viechern können die es ja machen.
Was aber noch viel schlimmer ist; der Teich ist so überfüllt, dass ich kaum Platz zum Schwimmen habe. Hunderte von Autorinnen und Autoren schnattern in diesem eiskalten Wasser um die Wette.
Manche krallen sich aneinander in der Hoffnung, sich gegenseitig wärmen zu können. Manche sehen schon so blau aus, als würden sie im nächsten Augenblich erfrieren und untergehen. Diese Menschen sind keine, die freiwillig baden gehen oder untertauchen wollen. Auch sie wurden nicht gefragt, ob sie in diesen Teich wollten. Vermutlich sind sie von dem selben Zauberer dahin verfrachtet worden. Einige, die es geschaftt haben, die steile Böschung zu überwinden und an Land zu krabbeln, fingen sofort an, fürchterlich zu schimpfen. Ich nehme an, sie redeten so hitzig, um ihre Kälte so schnell wie möglich wieder los zu werden.
Gerade eben kam ein Agent des Zauberers vorbei, schüttelte sehr auffällig seinen Kopf und erweckte so die nötige Aufmerksamkeit: Ihr lieben, lieben Kinder, Menschenkinder versteht sich, da hat euch der Große Bruder Zauberer einen so wunderschönen Teich geschenkt, und ihr, ihr seid nur dabei zu meckern und zu klagen. Dem einen ist das Wasser zu kalt, dem anderen zu nass, dem dritten zu tief, der vierte meckert darüber, dass ein paar Algen im Wasser sind. Wieder einer beschwert sich über die Seerosen, die er nur sehen kann, die ihn aber überhaupt nicht stören. Ich denke, ihr wollt Schriftsteller sein, dann muss euch auch in jeder Lebenslage etwas Positives einfallen, das ist doch wohl da Mindeste, was man von euch Schreiberlingen erwarten kann.
Trotz der Eiseskälte, die während seiner erbaulichen Rede noch größer geworden wae, fing das Wasser an zu kochen vor lauter Wut und Entrüstung über so viel Zynismus. „Einer schrie ganz verzweifelt und enttäuscht: „wenn es um euer Geschäft geht, dann geht ihr über Leichen.“

Obwohl irgenwie übertrieben, fand dieser Aufschrei allgemeine Zustimmung. Und wäre der Agent nicht schnellsten in und mit seinem Auto verschwunden, er hätte sich auch im Wasser wieder gefunden.
Irgend so ein Superwitzbold kam mit einem großen Schild ans Ufer, erzählte was von einem sehr gefährlichen Hecht, der jedem, der ihm zu nahe käme, ins Bein beißen würde und er sei verpflichtet,
darauf hinzuweisen, dass das Baden in diesem Teich verboten und als Ordnungswidrigkeit bestraft würde. Auf dem Schild steht bis heute: "Baden strengstens verboten. Hechtgefahr".

Dieser dusselige Befehlsempfänger meint wohl, ich sei der Kapperstorch, von wegen ins Bein beißen
Nun ja, freiwillige Feuerwehr und Tauchsportverein leisteten Amtshilfe; alle Menschen wurden aus dem Teich geholt und erkennungsdienstlich behandelt.
Und ich zieh mich jetzt auch zurück, denn da kommt Klein Knut, der Eisbär, der gleich mit einem Hechtsprung ganz freiwillig in den Teich kommt. Aber der hat Fische zum Fressen gern. Also Tschüss denn.
.


Impressum

Texte: Die Fotos sind ausnahmsweise von Google "geklaut".
Tag der Veröffentlichung: 17.12.2010

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Allen, denen das Wasser bis zum Hals steht.

Nächste Seite
Seite 1 /