Versuch(ung)
Ja, manchmal da beißt sie sich fest die Zeit, verbeißt sich wie ein Hund an einem zu großen Knochen. Dann schleicht sie schattenhaft durch die Schubladen der Erinnerung, ist neugierig bis geht nicht mehr, will alles genau sehen und nichts außer Acht lassen. Aber denk nur ja nicht, dass sie die Ordnung wahrt, die sie vorfindet.
Sie verbeißt sich in deinen Augen, rot unterlaufen sind sie schon, Du wirkst so, als wärest Du dabei, Dein Gesicht zu verlieren. So kalt und unerbittlich wie die Zeit siehst Du selbst fast aus. Aber das liegt an dem Licht, an dem furchtbaren, viel zu hellen Neonlicht.
Du hörst die Uhr ticken, siehst wie die Zeiger sich bewegen, doch die Zeit will nicht gehen, will nicht loslassen, so als hätte sie Angst, Dich allein zu lassen. Wie schrecklich begründet ist ihre Angst. Wie oft hast Du am Abgrund gestanden und sagtest stolz: so gleich werde ich fliegen. An Dir lag es nicht, dass nie etwas daraus wurde.Du warst immer nur enttäuscht und wütend auf Dich selbst: zu dumm, mir das Leben zu nehmen, das waren dann Deine Worte. Eindruck hast Du damit auf keinen gemacht.
Du siehst verbissen aus, nicht so als würdest Du Dich darüber freuen,
dass die Zeit Dich nichtallein läßt mit Deinen Selbstvorwürfen. Du bist fremd geworden, bist mir fast zum Fremden geworden. Ich erkenne Dich kaum noch und frage mich: bist Du es wirklich.
Jetzt sitzt Du so stoned da wie das Mädchen auf dem berühmten Foto nach dem Woodstock-Festival. Kannst Du Dich noch daran erinnern, dass Du mal die Welt verändern und Berge versetzen wolltest. Schon lange ist kein Glanz in Deinen Augen, keine Begeisterung in Deinen Bewegungen, alles ist schlaff, erstarrt, versteinert.
Ich will Dich zum Leben erwecken, will dass Du Dich wieder für etwas begeistern kannst, wieder lachen kannst.Und wenn ich vor Dir in die Knie gehe und zwischen Deine Schenkel krieche, ich will, dass Du lebst.
Tag der Veröffentlichung: 11.03.2010
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