sacrificium intellectus
„das können wir nicht verstehen,
das müssen wir einfach glauben.“
Recht zu entscheiden
über Grenzen des Verstehens
Recht zu behaupten
Einfachheit des Glaubens
das Opfer des Verstandes
Kollekte oder Klingelbeutel
das Wort vom fröhlichen Geber
Fragen vergegenwärtigen sich
wofür soll ich denn danken
wer vermißt mich denn in der Kirche
wo Fragen beantwortet werden
die keiner stellt keiner versteht
Redlichkeit Glaubwürdigkeit geopfert
Tradition vor dem Zeitgeist gerettet
aber Kind in den Brunnen gefallen
wie war das noch mit dem Mühlstein
und dem Meer wo es am tiefsten ist
um Gottes willen ist der Kopf mehr
als der Korken damit es nicht in den Hals regnet
laß den Glauben den Verstand befragen
der Verstand hält das aus
2
3. Dezember 1996
Ausdruck von Kultur
hausaltäre eingerahmt
von gummibaum zur rechten
und zimmerlinde zur linken
daneben wird angerichtet
auf altdeutscher eiche
die familienbibel mit goldschnitt
sichtbar hinter glas
noch kann man es sich leisten
kultur zu haben
23. Dezember 1996
Frage
wer will denn lesen oder hören
meine ungehaltenen Worte
wem bin ich denn wichtig genug
daß er ausgerechnet für mich
kostbare Zeit übrig haben sollte
mütterlicher Zeigefinger lauert
erhoben hinter mir
hast du schon wieder Nasenbluten
oder warum trägst du die Nase so hoch
wie oft habe ich dir schon gesagt
Brust raus Bauch rein Kinn auf die Brust
hast du einen Stock verschluckt
oder warum gehst du wie ein General
mit diesen Blagen spielst du mir nicht
die sind nicht der rechte Umgang für dich
Selbständigkeit und Fragen stellen unerwünscht
konnte nur zu Folgen führen, wegen denen
andere sich meiner schämen mußten
verinnerlichte Unmündigkeit
kindlich frommes Gehorchen
als ob das wollen reichen würde
all diesen Ballast über Bord zu werfen
als ob es nur Scham wäre
nicht nackt dastehen zu wollen
und doch ist da ein Wissen
nur wie neugeboren finde ich zu mir selbst
Kulturgut
was lange gärt, wird endlich Wut
Wut im Bauch, Wut in der Faust.
Aus dem Fenster gehalten
den miesen Lehrer
das schreiende Kind .
So Zuwendung erpressend.
Wut, grenzenlos geworden
schlägt um
in verzehrenden Haß.
Im Gasthaus zur trüben Aussicht
fand ich diese Gedanken
bei dem Versuch, Muscheln
mit Messer und Gabel zu essen.
Einsicht
Hilf- und sinnlos der Versuch,
einzuschlagen die Scheibe
eines Feuermelders
in einer Fata Morgana
Frage
Ersetz eine Versicherung den Schaden mir,
wenn durch Brandstiftung in Flammen aufgeht
mein Wolkenkuckucksheim?
Notwendiges Übel
Exhibierte Gewalt befriedigt
Voyeure des Grauens
Schulterklopfen
moralische Aufrüstung
dankbar für jeden Anlaß
des Überlegenen Rolle
spielen zu können
Aufmerksamkeit
Da sagt einer am frühen Morgen,
jeder solle sich selber leben
und keine Rolle spielen.
Wer aber keine Rolle spielt,
wer nicht darstellen kann,
was er für die Gesellschaft sein soll,
der bleibt hinter dem Vorhang,
der spielt keine Rolle mehr,
versinkt in selbstverschuldeter
Bedeutungslosigkeit.
Von Liebe war keine Rede
in der Morgenandacht.
Einwand
„Mach´s doch besser, meckern kann jeder.“
Was hätte denn ich zu sagen
Wert der Aufmerksamkeit kaum Wacher
Vom Ärgernis des Weckers und der fehlenden Brötchen
Von dem Schaden, den der Sturm nicht angerichtet
Von den schlaflosen Stunden, den Ängsten der Nacht
Von der Alltagsroutine und der vergrabenen Sorge
Von den Zielen und Hoffnungen, die man sich selbst verboten
Von alle dem und vielleicht auch davon,
was trotz allem auf einen guten Tag hoffen läßt.
Von alle dem und vielleicht auch davon,
was davor bewahrt, sich am Ende selber verraten und verkauft zu haben.
Von alle dem und vielleicht auch davon,
daß es einen gibt der sagt: ich mag dich, ich verlasse dich nicht.
23. Dezember 1996
Auskunft
Berauscht von Freude
Begeistert vom Leben
Außer sich vor Hoffnung
Sprachloses Lieben
Und doch nicht vergessen
Ausgeteiltes und
Empfangenes Leid
Texte: sämtliche Rechte liegen beim Autor
Tag der Veröffentlichung: 23.11.2009
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