Schnell hatte ich meine Jacke angezogen und die Tür hinter mir zugeschlagen. Ich lief zu meinem Auto, steckte den Schlüssel ins Schloss und schon sprang der Motor heulend an. Mir gingen Tausend Gedanken durch den Kopf: „Warum jetzt? Warum er? Das kann doch gar nicht wahr sein!“ Die Nachricht davon, dass mein bester Freund einen Autounfall gehabt hatte, hatte mich erreicht, als ich zu Hause in meinem Büro am Arbeiten war. Tränen der Verzweiflung liefen meine Wangen hinunter und tropften auf meine Hose. Ich konnte das alles nicht glauben. Zum ersten Mal hatte mein Leben Struktur angenommen und dann wurde wieder alles kaputt gemacht. Als ob jemand Spaß daran hätte Leben zu zertrampeln, auf ihnen herum zuspringen und sich dann am Leid der Einzelnen zu erfreuen. Ich hatte gerade erst eine neue Arbeitsstelle gefunden und mir einen neue Wohnung leisten können. Alles lief gut. Keine Probleme mit Arbeitgebern, Mitarbeitern oder Nachbarn. Ein friedliches Leben. Aus der Bahn geworfen. „Was wenn ich zu spät komme? Was wenn er schon tot ist?“ Ich trat noch einmal mehr aufs Gas und überschritt die Geschwindigkeitsgrenzen deutlichst. Ich erblickte einen Blitzer, aber es war mir egal. So egal, dass ich nicht auch nur einen Gedanken daran verschwendete, was es kosten würde oder ob ich meinen Führerschein verlieren würde. Plötzlich kam ein Gedanke in mir hoch und lies mich nicht mehr los: „Was wenn er tot ist und du ihm nichts mehr sagen kannst? Was hast du ihm als letztes gesagt? Was waren deine letzten Worte?“ Das letzte mal das wir uns gesehen hatten, war schon drei Wochen her. Wir hatten uns sehr heftig gestritten und uns die schlimmsten Dinge an den Kopf geworfen. Es hatte mit einer Kleinigkeit angefangen und war dann aus dem Ruder gelaufen. Jedes kleinste Detail wurde hervorgeholt und dem anderen vorgehalten. Jeder noch so kleine Fehler. Zuletzt hatte ich die wütend meine Jacke von der Wand genommen und ihm gesagt, dass er das Letzte sei und dass ich ihn nicht wiedersehen wolle. Seitdem hatten wir kein weiteres Wort mehr miteinander gewechselt. Mir wurde ganz schlecht bei dem Gedanken, dass er sterben würde ohne dass ich mich bei ihm entschuldigt hatte. Vor dem Krankenhaus hielt ich mit quietschenden Reifen an und lies meinen Wagen einfach im Halteverbot stehen. Ich rannte durch die Eingangstür zum Empfangstresen. Ich nannte den Namen meines Freundes und wurde zum Wartesaal vorm Operationssaal verwiesen. Atemlos kam ich dort an und schaute mich nach einem Arzt um, der mir weiterhelfen könnte. Gerade wurde die OP-Tür aufgestoßen und ein Mann mit weißem Kittel kam heraus. Ich eilte zu ihm und fragte ihn nach meinem Freund, doch alles, was ich als Antwort bekam, war ein „Es tut mir aufrichtig Leid“ verbunden mit einem Kopfschütteln.
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Tag der Veröffentlichung: 18.11.2012
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