Cover

Verkaufs- und Führungstrainings - gänzlich überschätzt


Mythos Verkaufs- und Führungs-Seminare
Dr. Fred Anton

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die positiven Effekte bisheriger Trainings

3. Die Werbeaussagen der Trainingsanbieter – Dichtung und Wahrheit

4. Der Einkaufsprozess bei Trainings – die Einkäufer sind den Shows der Trainer nicht
gewachsen

5. Zur Qualifikation der Trainer – Die Froschperspektive bestimmt das Gesamtbild

6. Praxistransfer – Fehlanzeige; warum Trainings heute nichts bewirken

7. Spaßfaktor und Schmusepädagogik bestimmen den Trainingsalltag - auf Anstrengung wird verzichtet

8. „Training“ darf man die heutigen Veranstaltungen eigentlich gar nicht nennen. Unter
welchen Umständen hätten sie diese Bezeichnung verdient?

9. Welche Inhalte wären für Trainings besonders gut geeignet?

10. Wie würde es aussehen, wenn ein erfolgreicher Trainingsprozess und weniger der
finanzielle Profit bei Trainings im Vordergrund stünde?


1. Einleitung



Sie sind erfolgreicher Verkäufer? Sie führen Mitarbeiter? Sie wollen im Unternehmen aufsteigen? Sie überlegen, wie Sie sich über das Fachliche hinaus zusätzlich qualifizieren können?
Dann haben Sie sicher schon eines der vielen Seminarangebote genutzt. Oder Sie machen sich zumindest Gedanken, ob Sie nicht einmal zu einem Verkaufs-, Führungs- oder Kommunikationstraining gehen sollten.
Das ist ganz logisch, denn die Fähigkeit, Produkte zu verkaufen oder Mitarbeiter zu führen – das lernt man nicht an der Schule oder an der Universität. Diese Themen sind eine Domäne der Weiterbildung. 
Inzwischen pfeifen es die Spatzen von den Dächern: 

Wer heute erfolgreich im Beruf sein will, für den reicht Fakten- und Ablaufwissen nicht mehr aus. Neben der Intellektuellen Intelligenz geht es heute zusätzlich um die „Emotionale“ oder „Soziale“ Intelligenz. Es geht darum, sich selbst und andere zu motivieren, mit den eigenen und den Gefühlen des anderen gekonnt umzugehen, soziale Beziehungen und Akzeptanz aufzubauen, Kommunikationsprozesse optimal zu gestalten.

Eine nahezu unüberschaubare Szene von hunderten von Seminarveranstaltern bietet hier Unterstützung an. Und bei diesen die Spreu vom Weizen zu trennen, das ist auch für Einkaufsprofis nicht leicht. 
Denn es „beißt sich die Katze in den Schwanz“: Man will etwas lernen, weil man keine Ahnung davon hat, müsste aber davon Ahnung haben, um den Anbieter beurteilen zu können. 
Versprochen wird in den Anzeigen der Anbieter viel – „Mythos Verkaufs- und Führungs-Seminare“ wird Ihnen jedoch aufzeigen: Die heutige Trainingsszene ist leider kaum in der Lage, ihre vollmundigen Werbeversprechen einzulösen. 

1. Seminar-Inhalte taugen oft nur begrenzt: 
Die angeblichen „Erfolgsfaktoren“ und „Geheimnisse der Spitzenverkäufer" entpuppen sich bei näherem Hinsehen oft als Binsenwahrheiten und Gutmenschen-Eigenschaften. „Aus der Praxis für die Praxis – Rezepte“ sind zwar prinzipiell gut, sie greifen aber oft zu kurz und sie können keinesfalls so generell angewandt werden wie behauptet.

2. Die tollen Übungen entlarven sich oft als unterhaltsame Spiele für Erwachsene mit nur zweifelhaftem Lerneffekt.

3. Die Trainer sind oft wenig für ihre Seminartätigkeit qualifiziert. 
Eine geregelte Ausbildung gibt es für sie nicht, jeder darf sich „Management-Trainer“ oder „Unternehmensberater“ nennen und braucht nicht einmal einen Gewerbeschein. Viele Trainer haben - wenn überhaupt - nur eine Schmalspur-Trainer-Ausbildung durchlaufen und arbeiten deshalb aus der Froschperspektive.

4. Die gängigen Trainings-Methoden lassen kaum Verhaltensverbesserungen bei den Teilnehmern zu. 
Denn bei zehn bis zwölf zu Trainierenden im Seminar erhalten nur einzelne Teilnehmer Übungsmöglichkeiten. Ein für Verhaltenstrainings unverzichtbares, individuelles Videofeedback mit anschließender erneuter Übungsmöglichkeit für jeden Teilnehmer bleibt generell aus. Dazu reicht die veranschlagte Zeit nicht.

Die in den oben genannten vier Punkten bereits skizzierte, fundamentale Kritik von „Mythos Verkaufs- und Führungs-Seminare“ kann in acht Thesen weiter differenziert werden:

These 1
Vollmundige Werbeaussagen der Trainer versprechen Leistungen und Trainingseffekte, die in der veranschlagten Zeit nicht erbracht werden können.

These 2
Seminar-Einkäufer sind zu wenig qualifiziert, um die Spreu vom Weizen am Seminarmarkt trennen zu können. Sie lassen sich von den Shows der Seminarverkäufer blenden. 

These 3
Trainer sind für ihre Tätigkeit viel zu wenig qualifiziert.

These 4
Die Erfolgskontrolle von Seminaren bezieht sich auf den Spaßfaktor und nicht auf den Lernerfolg der Teilnehmer.

These 5
Kurzweilige Unterhaltung steht bei Seminaren inhaltlich im Vordergrund.

These 6
Die gängige Trainingspraxis lässt Verhaltensverbesserungen nicht zu.

These 7
Die Erkenntnisse der Psychologie und Soziologie werden praktisch ignoriert.

These 8
Persönlichkeits-Training wird als Geschäft und nicht als Pädagogischer Prozess verstanden.


Die Konsequenz für Sie:
Wenn Sie bisher keine Seminare besucht haben – ist es also nicht so schlimm. 
Und wenn Sie welche besucht haben, besteht auch kein großes Problem. Denn hängen geblieben ist meist nur wenig - also auch wenig Unsinn, wenn es davon reichlich gab. 


„Mythos Verkaufs- und Führungs-Seminare“ kritisiert in den genannten acht Thesen die derzeitige Theorie und Praxis von Trainings für Verkauf, Führung, Kommunikation. Hierbei wird nachgewiesen, dass - aus pädagogischer Sicht geurteilt - überwiegend das Steinzeitniveau die Tagesordnung bestimmt – auch gemessen an der Vielzahl von vorliegenden, wirklich hilfreichen Erkenntnissen der relevanten Bezugswissenschaften. 
Aber die Darstellung erschöpft sich nicht nur in Kritik. Es wird auch aufgezeigt, wie gutes Training inhaltlich und methodisch aussehen kann.

Der Aufbau der Darstellung orientiert sich am Vorgehen eines Trainings-Interessierten, der nach einem guten Seminar sucht.
Es beginnt mit den vollmundigen Werbeaussagen in Anzeigen und mit den Kontakten zu einigen Anbietern. 
Danach sehen wir uns die gängigen Methoden der Seminarerfolgskontrolle an, denn Inhalte und Methoden spiegeln immer das wider, was kontrolliert wird. Wir sehen uns also die Inhalts- und Qualitätskontrolle an, um die derzeit aktuellen Inhalte kennenzulernen, mit denen wir uns danach beschäftigen. 
Anschließend fragen wir nach geeigneten Methoden der Vermittlung im Training.
Den Abschluss bilden Thesen zu geeigneten innovativen Inhalten sowie der Entwurf der Vision eines Trainingsprozesses, der auch erwachsenenpädagogischen Maßstäben genügt.

Die Kritik wäre jedoch überzogen, würde man an dem, was bisher an Trainings veranstaltet wurde, kein gutes Haar lassen. Natürlich war das Geld, das bisher für Trainings ausgegeben wurde, nicht aus dem Fenster geworfen. 
Es gilt die Faustformel, die auch auf die Werbung angewendet wird: Etwa die Hälfte des Geldes wurde verschwendet, man weiß nur nicht, welche Hälfte. 
Scherz beiseite, vor der Kritik und den Verbesserungsempfehlungen wird hier zunächst gewürdigt, was bisher in Seminaren geleistet wurde. 
Und die darin beschriebenen positiven Effekte haben viel bewirkt. Diese Effekte werden auch weiterhin positive Wirkung entfalten.


Mein Name ist Fred Anton, Jahrgang 1949 aus Hamburg. Von der Ausbildung her bin ich Diplom-Pädagoge mit dem Schwerpunkt Erwachsenenbildung und habe 1989 in Lüneburg mit einer Dissertation zum Thema "Verkaufstraining" promoviert. 
Ich war viele Jahre als Verkäufer im Bereich Fertighäuser und Immobilien tätig. Später war ich als Verkaufsleiter und Geschäftsführer auch mit Führungsaufgaben betraut. 
Seit 1986 führe ich mit einem Team Trainings durch für kleine, mittlere und auch namhafte Großunternehmen (näheres siehe im Internet unter www.anton.de).


2. Die positiven Effekte heutiger Trainings



Wenn die Kritik in „Mythos Verkaufs- und Führungs-Seminare“ ohne jede Einschränkung derart massiv ausfallen würde, dann fragt man sich sofort: Kann es denn möglich sein, dass alle bisher blind waren und nur der Dr. Anton die Weisheit mit Löffeln gegessen hat? 
Und die Trainerprofis wären natürlich beleidigt, würde man kein gutes Haar an dem lassen, was sie derzeit leisten. 
Wer lässt sich schon gern als „Dünnbrettbohrer“ und „Flachflieger“ mit „Schmalspur-Ausbildung“ diffamieren. Wer freut sich, wenn sein beruflicher Blickwinkel als „Froschperspektive“ bezeichnet wird?

Auch für die Nachfrager von Trainings lesen sich die Thesen dieses Buches wie eine Publikums- oder Kundenbeschimpfung. 
Waren sie bisher etwa zu blöd, um den Etikettenschwindel der Trainer zu durchschauen? 
Sind sie Scharlatanen und Quacksalbern auf den Leim gegangen?

An dieser Stelle - also gleich zu Anfang der Ausführungen - möchte ich einem großen Missverständnis vorbeugen: 
Es geht mir nicht darum, mir Frust von der Seele zu schreiben und alles in Bausch und Bogen zu verdammen. Das wäre völlig falsch, unangemessen, überzogen.

In vielen Unternehmen sitzen auf der Einkäuferseite gut ausgebildete und versierte Personen, die Trainer qualifiziert beurteilen können. 
Es ist durchaus möglich, dass hier Wirtschaftspädagogen, Diplom-Pädagogen oder –Psychologen tätig sind, die selbst schon an vielen Seminaren teilgenommen haben.
Es wäre völlig überzogen, auch diese Einkäufer als für ihre Tätigkeit unqualifiziert zu bezeichnen.

Andererseits ist es kein Geheimnis, dass auf der Einkäuferseite überwiegend Personen anzutreffen sind, die eine eher kaufmännische Ausbildung haben und in pädagogischer, psychologischer, sozialwissenschaftlicher Sicht kaum vorgebildet sind. 

Diese Bezugswissenschaften werden jedoch für einen Trainingsprozess relevant, wenn er „State of the Art“ sein will. 
Der hochqualifizierte Einkäufer müsste meiner Meinung nach Sozialwissenschaften studiert haben, um das Angebot qualifiziert beurteilen zu können.


Ähnliches gilt für die Qualifikation der Trainer: Es gibt hier hervorragende Praktiker, die keinerlei Studium absolviert haben und über ein Naturtalent als Trainer verfügen. Sie behandeln die Teilnehmer als gleichberechtigte Teilnehmer. Ihnen gelingt es, komplizierte Sachverhalte verständlich darzustellen – ohne unerlaubt zu verkürzen und zu vereinfachen. Sie gestalten Feedbackprozesse in der Sache nachvollziehbar und aus psychologischem Aspekt rücksichtsvoll …
Diese Trainer, die sich auch oft zusätzlich intensiv weiterbilden, sind mit der Kritik natürlich nicht gemeint.

Gemeint sind vielmehr jene, die glauben mit Trainings eine schnelle Mark machen zu können. Sie besuchen einige Seminare, kopieren die Teilnehmerunterlagen mit einigen Änderungen, fügen ihren Briefkopf ein und bieten selbst Seminare an. 

Gemeint sind auch all jene, die trotz guter Qualifikation und obwohl sie es besser wissen müssten, sich dem Markt angepasst haben und viel versprechen – ohne es in derart kurzer Trainingszeit auch halten zu können.

Nun kommt schnell der Einwand: Der Markt filtert hier doch schnell aus und trennt die Spreu vom Weizen … 

Das setzt jedoch wiederum qualifizierte Einkäufer voraus. Und die sind Mangelware. 
Hier gibt es überwiegend Praktiker, die einem akademisch gebildeten (Verkaufs-) Trainer eher skeptisch gegenüberstehen – besonders, wenn er auch noch Pädagogik studiert hat. 
Bei manchem Verkaufsleiter, der mit der Trainerauswahl beauftragt wird, schleicht sich ein Misstrauen ein: Spricht dieser Quasi-Lehrer denn auch die Sprache meiner Verkäufer? Ist das nicht alles viel zu theoretisch, was aus dessen Mund kommt? Hat der denn überhaupt mal verkauft? Weiß der, worum es beim Verkaufen eigentlich geht?

So macht oft der Praktiker das Rennen, der besser Qualifizierte bleibt auf der Strecke.

Der Hauptkritikpunkt von „Mythos Verkaufs- und Fürhrungs-Seminare“ liegt jedoch darin, dass derzeit die Qualitätskontrolle von Trainings völlig unzureichend ist. Es wird nicht überprüft, ob die Teilnehmer Lernziele erreicht haben. Stattdessen wird nach dem Seminar erfragt, ob alles auch Spaß gebracht hat. 
Deshalb bleiben Trainings auf dem Niveau von Unterhaltungsveranstaltungen stehen. Trainer mit Tiefgang, die von den Teilnehmern Anstrengungen verlangen, werden abgewählt.

Aber vorerst Schluss mit der Kritik, es sollen ja jetzt die bisherigen positiven Effekte genannt werden:

Die Guten werden immer besser
Die Trainings heute sind keinesfalls „für die Katz“.
Zunächst einmal profitieren alle diejenigen in den heutigen Trainings, die immer schon nach Lern- und Wachstumschancen gesucht haben. 
Das beginnt bereits bei der Seminarauswahl. Sie suchen nach Seminaren, in denen sie Neues lernen und wachsen können.
In den Trainings selbst machen sie sich Notizen und fragen nach. Wenn der Trainer Freiwillige sucht, die bei einer Übung mitmachen wollen, dann melden sie sich zuerst. So gehören sie zu den wenigen, die durch eigenes Üben lernen. Denn die Zeit dafür, dass alle üben, reicht meist nicht aus.
Sie sind es auch, die wirklich versuchen, nach dem Seminar Erkenntnisse in die Praxis umzusetzen.

Ein Beispiel: 
In einem Zeitmanagement-Seminar gibt der Trainer den Tipp, eine Woche lang alle Tätigkeiten einmal zu notieren, um festzustellen, womit man denn so seine Zeit den lieben langen Tag verbringt. 
Nur eine solche Bestandsanalyse würde helfen, Zeitdieben oder schlechten Angewohnheiten auf die Schliche zu kommen. 
Es ist wie bei einer Nahrungsumstellung mit Hilfe der Weight-Watcher (siehe weight-watcher.de): Man muss Tag für Tag aufschreiben, was man denn nun tatsächlich trinkt und isst – als Grundlage für die Veränderung von Gewohnheiten. 

Das hört sich einfach an und für Essen und Trinken ist es das vielleicht auch – hier muss man eigentlich „nur“ wirklich ehrlich sein. 
Bei einem Manager ist jedoch aus Aufschreiben der Tagesaktivitäten gar nicht so einfach. Wie macht man das mit Telefonaten, Besprechungen etc.? Der Tag besteht ja aus zig kleinen Einzelaktivitäten …

Das Ergebnis: Im nächsten Training haben von 10 Teilnehmern höchstens 2 bis 3 tatsächlich den Tipp, eine Zeitinventur zu machen durchgeführt. Aber diese 20 bis 30 % haben es immerhin gemacht. 
Und man kann meiner Erfahrung nach insgesamt sagen: 20 bis 30 % der Teilnehmer profitieren derzeit von Trainings. Sie arbeiten engagiert und selbstbestimmt, sie verfügen auch über die erforderliche Selbstdisziplin, um sich Ziele zu setzen und die Umsetzung durchzuhalten, wenn es holperig wird und sich Widerstände zeigen.

Die Schattenseite: Die Leistungsunterschiede zwischen den Mitarbeitern fallen immer weiter auseinander, die guten werden besser, die schlechten profitieren kaum.


Training ist eine Sozialleistung und fördert die Identifikation mit dem Unternehmen.
Machen wir uns nichts vor: Trainings werden nicht als freiwillige Sozialleistung veranstaltet. Zum einen erhofft sich jedes Unternehmen positive Lerneffekte – und die gibt es durchaus, wie oben dargestellt. 
Zum anderen wird von Bewerbern schon im Einstellungsgespräch gefragt, ob das Unternehmen denn auch Weiterbildungsmaßnahmen anbietet. 
Im Wettbewerb um gute Mitarbeiter ist es also eine Notwendigkeit, ab und zu solche Seminare zu veranstalten, die nicht nur auf fachliche Weiterbildung gerichtet sind.

Es gehört nun natürlich zum guten Ton, solche Seminare nicht in den eigenen Firmenräumen stattfinden zu lassen. Stattdessen empfehlen sich spezialisierte Seminarhotels, und davon gibt es inzwischen viele. 
Man ist dort darauf eingerichtet, Seminarräume mit angenehmer Atmosphäre bereitzuhalten und die Seminargäste rund um die Uhr kulinarisch zu verwöhnen. Nach der Seminaranstrengung laden Schwimmbad und Sauna zum Relaxen ein und dass neben den Speisen auch die Getränkerechnung übernommen wird, ist inzwischen selbstverständlich.

Das freut natürlich alle Mitarbeiter, die an solchen Veranstaltungen teilnehmen dürfen. Man genießt den Luxus, den man sich selbst nicht leisten würde und dankt es natürlich dem Unternehmen. 

Identifikation und positive Beziehung zum eigenen Unternehmen werden also gefördert, die Bereitschaft, sich nach einer anderen Stelle umzusehen, wird verringert.


Der Erfahrungsaustausch mit Kollegen wird gefördert, die soziale Verankerung verringert die Fluktuation, das Frustventil wird geöffnet
Immer wieder bestätigen Teilnehmer: Das wichtigste am ganzen Seminar waren die Pausen. Hier konnte man sich mit den Kollegen einmal nach Herzenslust austauschen. 

Waren es Frust und Enttäuschung über unpopuläre Unternehmensentscheidungen, Umstrukturierungen, Kundenerlebnisse – hier hat man gleichgesinnte Zuhörer, die einen verstehen und vor allem, die auch zuhören ohne abzuwiegeln oder das Interesse nur vorheucheln. 
Die anderen haben ähnliches erlebt und sind vielleicht genauso sauer. Das hat kathartische Wirkung. Es ändert zwar nichts, man hat sich aber etwas von der Seele gesprochen und gemeinsames Leid ist bekanntlich halbes Leid.

Dieses wechselseitige Verständnis führt auch zu intensiven sozialen Bindungen zwischen den Kollegen und verringert dadurch die Fluktuation in einem Unternehmen.

Es geht aber nicht nur darum, sich etwas vom Herzen zu reden. Kollegen haben oft Tipps, wie man mit bestimmten Problemen weiterkommen könnte. Sie haben sich etwas ausgedacht, um Kunden besser anzusprechen, einen Wettbewerb mit Mitarbeitern zu veranstalten, sich gegenüber der Unternehmensleitung durchzusetzen. 

Hier setzen viele Trainer an und holen solche Erfahrungsaustauschrunden auch ins Seminargeschehen hinein. 


Der verschwiegene, externe Trainer fördert die Offenheit des Erfahrungsaustausches
Da trifft es sich auch gut, dass der Trainer Externer ist und nicht in die Unternehmenshierarchie eingebunden wurde. Ja, bei vielen Trainern steht sogar in den Geschäftsbedingungen, dass sie dem Auftraggeber nichts aber auch gar nichts darüber verraten dürfen, was welcher Teilnehmer im Seminar gesagt hat. Das wird dann zum Seminarbeginn den Teilnehmern mitgeteilt: Hier ist ein Mitarbeiterversteher, der auch dichthält.
Diese Effekte sind nicht zu unterschätzen. Von sich aus machen die Unternehmen viel zu selten Erfahrungsaustauschrunden. Ja, manchen Führungskräften ist es schon nahezu suspekt, wenn sich ihre „Unterstellten“ mit gleichrangigen Kollegen treffen und austauschen. Da könnte sich was zusammenbrauen, was dann aus den Fugen gerät … Daher ist man eher reserviert. 

Wenn aber ein guter Trainer das macht, dem man auch augenzwinkernd deutlich gemacht hat, was man von ihm erwartet und wer ihn letzten Endes bezahlt, dann kann man darauf hoffen, dass sich die Palastrevolte in Grenzen hält.


Die Grenzen der positiven Effekte
Im Vordergrund stehen also Wohlfühlerlebnisse, Lerneffekte auf freiwilliger Basis und der Erfahrungsaustausch mit Kollegen. Die Identifikation mit dem Unternehmen und die soziale Integration werden gefördert. 

Die Erinnerungen an die Schule mit ihren unerfreulichen Begleiterscheinungen: Versagensängste, Prüfungsdruck, Frust, Misserfolgserlebnisse sind unerwünscht. Deshalb wird auch nicht überprüft, ob die Teilnehmer bestimmte Lernziele erreicht haben. Beobachtungen und Tests sind unüblich, ja sie werden von vielen Trainern als unmöglich abgelehnt. Kann man denn überhaupt Einstellungs- und Verhaltensänderungen testen? (Dazu später ausführliche Antworten.) 
Eine solche Wirkungskontrolle beißt sich ja auch mit der oben angekündigten Zusicherung, dass der Trainer nichts aber auch gar nichts über das Seminargeschehen ohne Zustimmung der Teilnehmer nach außen dringen lässt.

Da trifft es sich dann gut, dass zum Schluss des Seminars nicht der Trainer die Teilnehmer sondern umgekehrt die Teilnehmer den Trainer beurteilen.
Und wenn der Trainer die ganze Zeit freundlich und unterhaltend war, dann hat er gute Chancen, positiv beurteilt zu werden und Folgeaufträge zu bekommen.

Ob sich bei den Teilnehmern etwas getan hat, ob und was sie gelernt haben und insbesondere, ob sie jetzt ihren beruflichen Alltag besser meistern können, das wird nicht getestet sondern danach werden die Teilnehmer nur gefragt: 
„War das Seminar praxisbezogen?“. Selten wird die Frage gestellt: „Was konkret wollen Sie jetzt besser machen?“

Dadurch besteht die Gefahr, dass Unternehmen meinen, etwas gemacht zu haben und damit auch alles getan zu haben. 
Nur getan und gemacht wurde vieles, aber es ist wenig oder nichts passiert …
Man muss also eigentlich überall wieder bei null anfangen, wenn man das Ziel hat, die Qualifikation nachhaltig zu verbessern.
In den folgenden Abschnitten geht es darum, wie Trainings aussehen müssten, um bessere Effekte zu produzieren. 

Wenn ich hier und da etwas provokant formuliere, so geht es mir auf keinen Fall darum, Trainer oder Auftraggeber zu beleidigen. Einer meiner Kritikpunkte richtet sich z. B. darauf, dass in Trainings zu wenig geübt wird. 

Ein Beispiel: 
Vielleicht werden im Training noch die Namen der vier Ohren im gängigen „Vier-Ohren-Kommunikationsmodell“ (nach Schulz von Thun, siehe „Quellen“) an zwei Beispielen vorgestellt. 
Es ist aber nur selten in Seminaren anzutreffen, dass die Teilnehmer nun selbst üben müssen, Kommunikationssituationen gemäß den vier Aspekten einer Nachricht zu analysieren. 

Bei der Vielzahl der Inhalte, die den Auftraggebern für das Seminar versprochen wurde, bleibt für solche Übungen keine Zeit. 

Ich könnte nun die Kritik natürlich höflich formulieren und nach „mehr Übungsmöglichkeiten“ rufen. Ich werde jedoch eher von heute praktiziertem durchgängigem „Dünnbrettbohren“ sprechen. Damit bezeichne ich zwar indirekt Trainer und Teilnehmer als „Dünnbrettbohrer“, nehme das jedoch aus Gründen der Stimulanz in Kauf. 

Der Leser soll auch bei einem Sachbuch wie diesem wach bleiben, deshalb will ich ihn emotional ansprechen und aufschrecken. Ich bitte deshalb Kollegen und potentielle Kunden höflich um Nachsicht für den provozierenden Schreibstil.


3. Die Werbeaussagen der Trainingsanbieter – Dichtung und Wahrheit




These 1
Vollmundige Werbeaussagen der Trainer versprechen Leistungen und Trainingseffekte, die in der veranschlagten Zeit nicht erbracht werden können.

In drei Tagen zur ganzheitlich gebildeten Führungskraft?
Unternehmen werden regelmäßig von Trainingsfirmen angeschrieben und zu Seminaren eingeladen.
Typisch hierfür ist die Einladung der in der Szene recht bekannten Birkenbihl-Gruppe GmbH zum Seminar „Rekrutierung von Gewinnertypen“ (1). 

Hier wird versprochen, dass man in einem Ein-Tages-Seminar für immerhin knapp 800 Euro je Person lernt, wie man „bei der Mitarbeitersuche ... ab sofort nur noch Spitzenleute einstellt.“
Aber nicht nur für Bewerbungsgespräche und dazugehörige Testverfahren wird man an einem Tag optimal gerüstet - zusätzlich lernt man angeblich auch noch, „wie man leistungsstarke Teams zusammenstellt“ und „wie man Mitarbeiter individuell richtig herausfordert“. 

Nebenbei erhält man konkrete Hinweise für „Optimales Selbst-Coaching“ mit Tipps für die eigene Persönlichkeitsentfaltung. 

Der angekündigte Trainer Frank M. Scheelen „ist ein international erfolgreicher Unternehmer und Trainer. sowie exklusiver Lizenznehmer von INSIGHTS-MDI“. Das sei ein „...ganzheitliches Rekrutierungs- und Beurteilungsinstrument“ und zeige dem Teilnehmer, „die Fertigkeiten des Einzelnen als auch die Wesensart sowie Einstellungen und Werte“.

Dass derart komplexe Lernziele angeblich an einem einzigen Tag vermittelt werden können, grenzt meines Erachtens an ein Wunder und setzt die Anwendung des „Nürnberger Trichters“ voraus. 
Zumindest müssen bei derart kurzer Trainingszeit ganz erhebliche Abstriche gemacht werden an die Qualität der Ergebnisse.

Zum Ausbildungs- und Werdegang des Trainers werden neben den aufgeführten unbewiesenen Behauptungen keine Ausführungen gemacht. 

Inwieweit das INSIGHTS-MDI wissenschaftlichen Maßstäben für Testverfahren genügt, dazu werden ebenfalls keine Angaben gemacht. 

Zugegebenermaßen sind derartige Ein-Tagesveranstaltungen mit zig oder hunderten 
Teilnehmern nur ein kleiner Teil des schillernden Seminarmarktes. 
Wer aktiv für sich selbst oder für sein Unternehmen ein Seminar sucht, der wird mit Sicherheit in der Zeitschrift „managerSeminare“ fündig oder im Internet unter www.managerseminare.de. 
Hier wird monatlich eine Vielzahl von offenen oder unternehmensspezifischen Seminaren geordnet nach Themengebieten angeboten (z. B. Persönlichkeitsentwicklung, Mitarbeiterführung, Verkauf, Teambildung, Coaching, Konfliktmanagement, Train the Trainer). 
Aber auch hier dominiert eine ausgesprochene Schnellkurs-Schiene. 
Hahn + Hartmann (2) bietet zum Beispiel „(Team-) Führung an: „Konzepte von MA-Führung kennen lernen, Anforderungen an und Aufgaben von Führungskräften erarbeiten, die verschiedenen Führungsstile hinterfragen, und den eigenen reflektieren, die Themen Motivation, Gruppenprozesse und Teamzusammensetzung transparent und für den Berufsalltag umsetzbar machen, den Ist-Zustand des eigenen Teams untersuchen, Einführungs-, Ziel- und Konfliktgespräche üben, Videoaufzeichnungen, Rollenspiele, Selbsttests...“ Und das alles an zwei Tagen für 700 Euro je Teilnehmer. Da ist es schon die positive Ausnahme, dass Frau Hahn nur sechs Teilnehmer je Seminar zulässt, Standard sind durchweg 12 Teilnehmer. 

Zwei bis Drei-Tages-Seminare sind Standard im Angebot. Es wird suggeriert, dass sich in derart kurzer Zeit Führung oder Verkauf lernen lassen. 

Die Firma Huthware bietet z. B. das „SPIN-Verkaufstraining“ an (3), drei Tage für immerhin 1.650 Euro je Teilnehmer. 12 sind zugelassen, somit ein erstrebter Tagesumsatz von 6.600 Euro für einen Trainer. Hier wird versprochen, die „erfolgsrelevanten Verhaltensweisen im komplexen Verkauf“ zu trainieren, basierend auf den Ergebnissen „mehrjähriger internationaler Forschungsprojekte“.

Das umfassendste angebotene Seminar zum Thema „Verkaufen“ ist „Das Aus- und Weiterbildungskonzept für Verkäufer“ der Fa. Heitsch und Partner (4). Hier werden vier Bausteine von je zwei Tagen für 12 Teilnehmer angeboten zu 3.300 Euro je Teilnehmer (beim Tagesumsatz für Heitsch von 4.950 Euro beinahe ein Schnäppchenpreis).

Folgende einfache Rechnung lässt erhebliche Zweifel daran aufkommen, dass in der versprochenen Zeit wirklich Verhalten trainiert werden kann: 

Ein Rollenspiel für den Ausschnitt aus einem Bewerbungs- oder Verkaufsgespräch dauert mit kurzer Vorbereitung mindestens 10 Minuten. Die Videobetrachtung mit Stopps und Feedback braucht ca. 20 Minuten, das sind 30 Minuten je Teilnehmer. Bei 12 Teilnehmern sind also 6 Zeitstunden erforderlich. Das ist beinahe ein ganzer Seminartag – für ein einziges Rollenspiel, ohne vorherige Einleitung, ohne vorherige Vermittlung der relevanten Inhalte, die im Rollenspiel geübt werden sollten.

Zusätzlich muss nach dem ersten Rollenspiel noch eine Wiederholung in einer zweiten Runde erfolgen, um die Verbesserungen gemäß Feedback umzusetzen zu können. 
Allein hierfür würden also ein zweiter ganzer Trainingstag benötigt - ohne dass noch Zeit bliebe, vorher und nachher Input zu geben, um zu vermitteln, um was es im Gespräch eigentlich geht und welche Verhaltensziele hier umgesetzt werden sollen (Weitere Ausführungen hierzu im Kapitel 8).

Schmalspur-Schnellschuss-Seminare wie sie derzeit an der Tagesordnung sind, können also gar nicht Übungsmöglichkeiten bieten für jeden Teilnehmer. Sie können alle Themen nur oberflächlich streifen. Vertiefungs- und Übungsmöglichkeiten bleiben aus, eine Verhaltensverbesserung kann gar nicht stattfinden.

Manipulationstechniken zu Spitzenpreisen?
Aber noch weitere „Besonderheiten“ heutiger Seminarpraxis werden deutlich: Zum einen ist der Preis der Seminare im Vergleich zu allen sonstigen Weiterbildungsmöglichkeiten relativ hoch bis ausgesprochen teuer. 

Für manche Trainer ist der Preis ein Beweis für die hohe Qualität der Seminare. War bei dem Motivationstrainer Jürgen Höller der Tagessatz von angeblich bis zu 22.000 Euro noch mit seiner Bekanntheit zu erklären, so fragt man sich, warum ein relativ unbekannter Dr. Pack angeblich 7.500 Euro Tagessatz realisiert (5).

Das ist nur damit zu erklären, dass Herr Pack und Konsorten versprechen, in ihren Seminaren die „Erfolgsgeheimnisse der Spitzenverkäufer“ (6) zu verraten. 

Ganz offen oder durch die Blume wird den zukünftigen Teilnehmern von Seminaren versprochen, dass sie Manipulationstechniken lernen, um Kunden zum Kauf zu verführen oder um aus den Mitarbeitern das letzte herauszupressen. 

Die Unwissenheit der Einkäufer von Seminaren bezüglich psychologischer Erkenntnisse wird genutzt. Es wird suggeriert, dass man die Kunden hypnotisieren oder in Trance versetzen und zum Kauf verführen kann. 
Das wäre natürlich toll. Und das Beste: Nach dem Trance-Kauf bestätigen sich die Kunden dann angeblich auch noch in ihrem Verhalten. Sie finden es toll, dass sie gekauft haben und können vom Verkäufer auch noch als „aktive Vollreferenz“ gebraucht werden, die in ihrem Bekanntenkreis Werbung macht und Folgekunden wirbt. Dann ist ein solches Seminar natürlich für den Einzelnen hunderte von Euro je Tag an Investition Wert.

Der bekannte Trainingssenior Max-Meier-Maletz behauptet, dass Ausgaben für Trainings eine betriebswirtschaftlich sinnvolle Investition darstellen, die sich mit mehreren 100 % jährlich rentiert und hat dies angeblich untersucht und nachgewiesen (7). 

Wer jedoch fragt, mit welchen Methoden er diese Ergebnisse ermittelt hat, wird einigermaßen ernüchtert. Meier-Maletz hat nach den Seminaren die Verkaufsleiter der teilnehmenden Verkäufer nach erlebten Umsatzsteigerungen befragt und daraus Hochrechnungen gemacht. 
Überprüft wurden diese Umsatzsteigerungen von ihm allerdings nicht.


Trainings mit Jojo-Effekt
Wer von Trainingsunternehmen Unterlagen anfordert und fragt, was konkret in den Seminaren gemacht wird, der erfährt nur die „Themen“, die angeblich behandelt werden. 

Vermittelte Inhalte oder gar Quellen für Inhalte oder Lernzielkataloge sind heute in Prospekten nicht zu finden. 
Das ist natürlich klar, denn dann man würde man ja schon die vielen Geheimnisse ohne Bezahlung im Vorfeld verraten...

Kein Hinweis findet sich auch darauf, dass in den Seminaren nur Anregungen gegeben werden können, dass zusätzlich harte Arbeit und mühsames Umlernen erfolgen muss. 

Man kann das heutige Vorgehen der Seminaranbieter mit den Diäten für Übergewichtige vergleichen: Es werden immer wieder neue Diäten verkündet, mit denen man angeblich in wenigen Tagen die überflüssigen Pfunde verlieren kann. 
Viele Diäten funktionieren jedoch gar nicht oder sind sogar nach ernährungswissenschaftlichen Erkenntnissen gefährlich. Dass die Diät zusätzlich schwierig zu praktizieren ist und von vielen gar nicht durchgehalten wird, das wird verschwiegen. Auch vor dem Jojo-Effekt wird nicht gewarnt, dass man die Pfunde bald wieder drauf hat, da man in alte Verhaltensgewohnheiten zurückfällt.

Eine grundlegende Ernährung-/Verhaltensumstellung - das einzig nachhaltig richtige - ist von den Diät-/Trainingsanbietern eigentlich gar nicht gewünscht. 

Diese würde nachhaltig Veränderung und Erfolg bringen – aber natürlich kein lebenslanges Geschäft für Trainer. 
Sie erfordert eine schonungslose Ist-Analyse, das Erkennen eigener Fehler und Schwächen, das Neulernen relevanter Inhalte, das Verlernen liebgewordener schlechter Gewohnheiten und das Training des erlernten Verhaltens in immer wieder neuen Alltagssituationen. Oft ist hier der Einzelne überfordert, da z. B. seine Selbstdisziplin nicht ausreicht (Selbsthilfegruppen könnten unterstützen). 
Oft ist es auch erforderlich, dass sich die Rahmenbedingungen ändern müssen (Stichwort: Organisationsentwicklung im Unternehmen), da sie das alte, falsche Verhalten immer wieder begünstigen.


4. Der Einkaufsprozess bei Trainings – die Einkäufer sind den Shows der Trainer nicht
gewachsen



These 2
Seminareinkäufer sind zu wenig qualifiziert, um die Spreu vom Weizen am Seminarmarkt trennen zu können. 
Sie lassen sich von den Shows der Seminarverkäufer blenden. 

Wer heute nach einem guten Seminaranbieter sucht, der hat es nicht leicht. Jeder Trainingsveranstalter darf sich "Trainer", "Management-Trainer", "Unternehmensberater" nennen. Eine erfolgreich abgeschlossene Berufsausbildung ist hierfür nicht notwendig. Der Seminaranbieter ist vom Status her „Privatlehrer“ und damit Freiberufler. Er braucht nicht einmal einen Gewerbeschein.
(Die Trainer pochen auch gern auf diesen Status, da sie dadurch die Gewerbesteuer sparen.)

Der Gesetzgeber hielt es bisher nicht für nötig, einen Mindeststandard an Ausbildung für Trainer zu definieren. Er sah bisher wenig Gefahr für die Teilnehmer. Erst in allerletzter Zeit ändert sich die Einschätzung langsam und es wird deutlich, dass Seminare auch großen Schaden bei den Teilnehmern anrichten können (8). 

Beim Club Aldiana musste eine Clubchefin gehen, nachdem sich viele Clubgäste beim Feuerlauf über glühende Kohlen die Füße verbrannt hatten. Qutdoor-Trainings enden nicht selten mit Verletzungen. 

Psychotherapeuten berichten vermehrt über Klienten mit Depressionen bis zu Schizophrenie - nachdem sie an den Psychokursen der selbsternannten Erfolgstrainer Höller à la Höller teilgenommen hatten und in der frustrationsreichen Wirklichkeit hart aufgeschlagen waren (8). 

Die Stiftung Warentest hat jetzt auch damit angefangen, Persönlichkeitstrainings unter die Lupe nehmen. Das erste Ergebnis bestätigt die oben genannten Kritikpunkte. Im Beitrag „Supermann in zwei Tagen?“ (test 6/2003) (9) wird festgestellt, dass zu Phantasiepreisen Effekte versprochen werden, die in der kurzen Zeit nicht erreicht werden können.

Aber vorerst bleibt es so: Wer einen Klempner beschäftigen will, der hat es leichter als der Trainersucher. Schließlich darf in Deutschland nur derjenige Handwerksdienste anbieten, der einen Meister oder neuerdings zumindest einen Gesellenbrief besitzt.

Zeitschriften wie managerSeminare versuchen mit „Trainer-Checklisten“ die Lücke zu füllen. Aber dort wie auch an anderer Stelle finden sich als „Anforderungen an Trainer“ überwiegend inhaltsleere Gutmenscheneigenschaften, die kaum überprüft werden können: Pädagogisches Geschick, Frustrationstoleranz, situationsangemessenes Verhalten ...

Nicht allzu lange ist es her, dass Trainer sich nach DIN ISO 9001/2 zertifizieren ließen, um sich als „die guten Trainer“ zu profilieren. Nur: Es wurde den Auftraggebern schnell deutlich, dass eine derartige Zertifizierung nur etwas über die Qualität der Geschäftsabläufe aussagt. Z. B. wird klar definiert, nach wie viel Klingelzeichen ein Telefonat anzunehmen ist. 

Die Qualität der Seminarinhalte oder die Trainerqualifikation wurde und wird mit DIN-ISO nicht zertifiziert. Einfach gesagt: Es wird die Qualität der Dose, nicht die des Inhalts gemessen.

Eine weitere Möglichkeit, gute von weniger guten Trainern zu unterscheiden, ist die Frage, ob sie in einem Berufsverband Mitglied sind.
Der namhafteste Verband in Deutschland ist der BDVT („Berufsverband Deutscher Trainer und Verkaufsförderer). Der BDVT bietet seinen Mitgliedern eine Vielzahl von Veranstaltungen an und bemüht sich um ein hohes Niveau. Wer Mitglied werden will, muss ein Aufnahmeverfahren durchlaufen.
Auch deshalb behauptet der BDVT, dass die Mitgliedschaft ist seinem Verband ein „Gütesiegel“ sei (10). Letzten Endes lebt dieser Verband jedoch von Aufnahmegebühren und Mitgliedsbeiträgen. Er ist also versucht, möglichst viele Mitglieder aufzunehmen und zu behalten. Entsprechend niedrig sind deshalb auch die geforderten Zugangsvoraussetzungen. Ein Studium wird nicht verlangt. Eine kontinuierliche Weiterbildung muss ebenfalls nicht nachgewiesen werden. 

Da es (angeblich) heute keine geregelte Berufsausbildung zum Trainer gibt, bleibt den Nachfragenden am Trainingsmarkt nur übrig, die Berufserfahrung des Bewerbers abzuklopfen. Wer also erfolgreich verkauft und/oder geführt hat, der scheint für diese Trainingsinhalte geeignet. Wenn er dann zusätzlich noch eine Art „Trainerausbildung“ mitgemacht hat, dann ist das beinahe mehr als genug. 

Für eine Lehrtätigkeit braucht man in Deutschland generell keine Ausbildung.
Wir sehen an allen Ecken und Enden, dass eine pädagogische Ausbildung überflüssig ist - warum soll sie für Trainer notwendig sein? An Volkshochschulen und Sprachschulen sind viele Nichtpädagogen tätig. Fahrschule, Computerkurs, Fitness, Ernährung - selten unterrichten hier Pädagogen. Selbst an der Universität wird davon ausgegangen, dass ein Professor neben seinem Fachwissen keinerlei pädagogische Ausbildung braucht, um zu unterrichten. Bei der Ausbildung für Gymnasiallehrer stellt Pädagogik ein Nebenfach mit nur wenigen Stunden dar, nur die Grundschullehrer studieren umfangreich Pädagogik. 

Und warum sollte ein Diplom-Pädagoge ein guter Trainer sein? Zumal allgemein bekannt ist, dass deutsche Universitäten zum Forscher und nicht zum Praktiker ausbilden. Es ist also keinesfalls sichergestellt, dass ein Diplom-Pädagoge auch gut trainieren kann.

Zusätzlich definieren sich die Sozialwissenschaftler nicht gerade als ausgesprochene Freunde der Wirtschaft. 
In der Pädagogik läuft eine nicht endende Diskussion um den Bildungsbegriff und die Unterschiede zwischen Allgemein- und Berufsbildung. Hierbei ist natürlich klar, dass Allgemeinbildung viel angesehener ist als die auf Gewinnoptimierung der Unternehmen gerichtete Berufsbildung. 

Wenn es dann auch noch darum geht, mehr zu verkaufen und damit den Konsumenten zu übervorteilen oder die Mitarbeiter besser auszubeuten, dann ist bei vielen Pädagogen schon aus berufsethischen Gründen Schluss.

Wenn da nicht die Gruppe der Wirtschaftspädagogen wäre. Hier findet sich eine kleine, von Pädagogenkollegen wenig angesehene Schar derjenigen, die Berufsschullehrer ausbilden. Und der Beruf mit den meisten Auszubildenden ist der Kaufmann/Kauffrau im Einzelhandel. 
Immerhin 240 Unterrichtsstunden werden hier dem Thema „Beratung und Verkauf“ gewidmet (11). 
Somit ist „Warenverkaufskunde“ und ihre Didaktik tatsächlich Forschungs- und Lehrgegenstand Deutscher Universitäten. 
Das blieb in der Weiterbildungsszene der Deutschen Wirtschaft jedoch bisher weitgehend unbemerkt.

Hier scheint man den Berufspädagogen insgesamt wenig zuzutrauen. Ein großes multinationales Unternehmen fragte bei mir an, um die Führungskräfteausbildung neu zu organisieren. 
Derjenige, der mich hier seinem Chef und Entscheider vorstellte, impfte mich vorher: „Sagen Sie auf keinen Fall, dass Sie Pädagoge sind.“ Das verriet ich dann auch nicht. 
Mein Ansprechpartner legte mir dann eine umfangreiche Studie des Unternehmens vor, in der in umfangreichen Workshops die „Kompetenzen von Führungskräften“ beschrieben und systematisiert wurden. Ich durfte das Werk mit nach Hause nehmen, um auf seiner Grundlage ein Seminarkonzept zu entwickeln. 

Es stellte sich heraus, dass dieses multinationale Unternehmen mit zigtausend Mitarbeitern die Erkenntnisse der relevanten Bezugswissenschaften schlicht und einfach gänzlich ignorierte. Das Konzept der „Schlüsselqualifikationen“ z. B. nach dem Wirtschaftspädagogen Reetz fand sich nicht (12). Auch Fehlanzeige bei den Ansätzen anderer Pädagogen oder Psychologen Deutscher Universitäten. 
Man hatte das Rad neu erfunden und dilettierte entsprechend. 

Ich hätte wissen sollen, dass ich mir dezente Hinweise auf solche Lücken hätte sparen können... Den Auftrag bekam natürlich ein anderer. 

Wer heute Seminare einkauft, hat meist eine kaufmännische Ausbildung oder ist Praktiker. Seminareinkäufer haben nur selten Sozialwissenschaften oder gar Pädagogik studiert. Inhalte für die Vermittlung der entscheidenden Schlüsselqualifikationen liefern jedoch vornehmlich die Bezugswissenschaften Pädagogik, Psychologie und Soziologie. Wer eines dieser Fächer studiert hat mit dem Abschluss „Diplom“ der hat dann auch Statistik und Methoden der Empirischen Sozialforschung gelernt (13). Er ist dann in der Lage zu überprüfen, ob Seminarinhalte zumindest dem aktuellen Stand der Forschung nicht widersprechen. 

Dann hätten solche Anbieter keine Chance mehr, die behaupten, ihre Inhalte wären wissenschaftlich überprüft.
Damit könnte man bezüglich der Inhalte die Spreu vom Weizen trennen. Ob jedoch methodisch „up to date, state of the art“ trainiert wird, das kann nur ein Einkäufer feststellen, der die Methoden der Erwachsenenbildung studiert hat. Er müsste die Anbieter in Trainings beobachten, um zu sehen, ob sie fit sind.

Sofern diese Maßstäbe angelegt werden, wird heute praktisch kein einziges Seminar mit angemessenen Methoden ausgewählt. Fehleinkäufe sind deshalb Standard. 

Noch schlimmer: Auch diejenigen Anbieter, die eigentlich eine gute Arbeit liefern könnten, haben sich dem Schaumschläger-Standard angepasst. Sie haben sich auf das niedrige Niveau eingestellt und liefern selbst auch nur noch Schnelldiäten, behaupten an einem Tag die Welt verändern zu können (siehe These 4 und 5).

Die mangelnde Kenntnis der Einkäufer wird systematisch ausgenutzt. Die meisten Seminaranbieter haben fertige Konzepte, die auf die individuelle Kundensituation im Schnellschritt adaptiert werden. 

Im schlimmsten Fall wird nur das Kundenlogo in den Teilnehmerunterlagen ausgewechselt. Es wird jedoch Maßarbeit versprochen (und berechnet) mit Bedarfsanalyse, Konzeption, Auswertung.

Bei Großunternehmen eingebürgert hat sich folgendes Auswahlverfahren bei der Suche nach Trainingsfirmen: Aus Zeitschriften wie managerSeminare werden einige Anbieter ausgesucht, die besonders viel behaupten, z. B. maximale Erfolge in wenig Zeit mit bewährtem System (hier hilft oft ein eingetragenes Warenzeichen als Verkaufshilfe). 

Der Einkäufer kontaktet die ausgesuchten Unternehmen und schildert dann im Telefonat oder schriftlich den Trainingsbedarf. Der Trainer schickt daraufhin ein schriftliches Konzept (möglichst farbig) mit vielen Versprechungen. 

Wer viel verspricht und einen optisch guten Eindruck macht, wird zur entscheidenden Präsentation eingeladen. In ihr sitzen auf der Einkaufsseite zukünftige Teilnehmer, deren Führungskräfte, die Einkäufer - alles also nach o.g. Maßstäben für die Trainerauswahl unqualifizierte Teilnehmer.

Auf der Verkäuferseite tauchen nun vorbereitete Showexperten auf. Sofern größere Aufträge winken, werden für diese Präsentationen - ähnlich wie beim Ringen um Werbebudgets - keine Kosten gescheut, es geht schließlich um Tagessätze bis zu 5000 Euro und Aufträge mit sechsstelligem Budget. 

Videoclips, Präsente, Gags am laufenden Band unterhalten die Zuschauer. Wer die beste Show macht, der bekommt den Auftrag.

Bei mittelständischen Unternehmen ist der getriebene Aufwand meist geringer, hier haben auch viele Trainingsanfänger eine Chance. 
Die Unternehmen werden kalt kontaktet und in einem standardisierten Verkaufsgespräch bearbeitet. 
Im Hochdruckverkauf werden Aufträge akquiriert. Zum Seminar kommt jedoch als Trainer meist nicht der Hochdruckverkäufer - der könnte manchem Unternehmen durchaus etwas beibringen - sondern stattdessen der freundliche Trainer, der nun unterhaltende Spiele für Erwachsene gestaltet (siehe These 3).


5. Zur Qualifikation der Trainer – Die Froschperspektive bestimmt das Gesamtbild




These 3
Management-Trainer sind heute Entertainer.
Für eine pädagogische Tätigkeit sind sie nicht qualifiziert.

Für Management-Trainer gibt es keine geregelte Ausbildung. Jeder kann sich „Trainer“ oder „Berater“ nennen. Die Tätigkeit wirkt interessant: Man arbeitet in guten Seminarhotels mit interessierten Teilnehmern zu attraktiven Konditionen. Beste Basis also auch dafür, eine schnelle Mark zu machen – Tagessätze von durchschnittlich Euro 2.000 winken. Dafür muss man in Berufen, die ebenfalls keine Ausbildung voraussetzen, einen ganzen Monat arbeiten. 

Schnell sind Visitenkarten und Selbstdarstellung gedruckt und mit vielen Behauptungen versehen, die teilweise die Grenze zur Hochstapelei überschreiten: 
Wer ein Psychologiebuch gekauft und das Inhaltsverzeichnis gelesen hat, der hat natürlich „Psychologie studiert“. 

Es fehlt dann eigentlich nur noch die Trainerqualifikation. Zum einen ist natürlich die Praxis der beste Lehrmeister - und viele Trainer preisen auch diese „Qualifikation“ mit „aus der Praxis für die Praxis“ an. Natürlich hat man bisher einmal erfolgreich verkauft und eignet sich deshalb zum Verkaufstrainer. 
Auch Führungsaufgaben hat doch eigentlich jeder schon einmal übernommen - und sei es, dass er einige Arbeiten an seine Kinder delegiert hat.

Dann sollte man schnell noch ein paar offene Seminare anderer Anbieter besuchen. Die ausgegebenen Teilnehmerunterlagen lassen sich trefflich für das eigene Angebot „verfremden“. 
Meist handelt es sich in den Seminaren sowieso eher um Spiele („Übungen“ genannt), die auch in preiswerten Büchern reichlich abgedruckt sind (siehe z. B. www.trainerbuch.de). So hat man in ein paar Wochen ein Komplett-Angebot parat und kann nahezu alle Themenbereiche abdecken.

Will man sich mit weiteren Insignien der Qualifikation schmücken, so kann man sich noch zum Trainer ausbilden lassen. 
Dafür gibt es viele Anbieter. Eine 15-Tage-Ausbildung reicht dem BDVT (Berufsverband Deutscher Trainer und Berater), um sich „BDVT geprüfter Trainer und Berater“ nennen zu dürfen (14). 
Die Fa. Sonnenholzer bietet das für 5.900 ¤ an, Dauer: neun Wochenenden. Unter www.sonnenholzer.de schreibt Dieter A. Sonnenholzer, dass er eine technische Ausbildung hat, Betriebswirt ist und „Trainerausbildungen“ hat, wo und welche, darüber schweigt er (15). 

Im GABAL-Verlag ist ein vom BDVT unterstütztes Buch erschienen „Trainerkarriere - Wie Sie als Trainer erfolgreich und selbständig werden und bleiben“. Auf 464 Seiten erfährt man für 79 Euro alles über das Trainerdasein vom Marketing bis zur Buchhaltung (16). 

Ganz gut ist es auch, wenn man sich als Trainer durch Publikationen bekannt macht. Die Zeitschriften acquisa, managerSeminare etc. sind gern bereit, Artikel freier Autoren zu publizieren. Die Anforderungen an das Niveau solcher Artikel sind sehr unterschiedlich. Teilweise erscheinen dort exzellente Veröffentlichungen, tlw. aber auch Artikel auf geringem Niveau, so dass auch reine Praktiker gute Aussichten auf Veröffentlichung haben. Das liegt eben auch daran, dass das Leserniveau sehr heterogen ist.


Die etablierten Trainer haben natürlich erkannt, dass ihnen aus den geringen Eintrittsbarrieren viel Konkurrenz erwächst und auch schwarze Schafe nicht nur eine Ausnahmeerscheinung sind. Einige versuchen, mit den Neueinsteigern ein Geschäft zu machen, indem man ihnen Trainerausbildungen verkauft und man ihnen damit suggeriert, sie erhielten so einen leichten Einstieg in den Markt. 
Der Knackpunkt für neue Trainer ist jedoch die Akquisition. Im mittelständischen Bereich lässt sich mit einem gut aufgebauten Verkaufsgesprächs-Konzept punkten. Wer hier akquisitionsstark ist, kann sein Geld verdienen und hat durch den Verkauf der eigenen Seminare zumindest sein Verkaufstalent bewiesen.

Schwieriger ist es jedoch, bei größeren Unternehmen Fuß zu fassen. Hier wird nach Referenzen gefragt, es werden gute Trainer weiterempfohlen. In Großunternehmen finden eigentlich nur solche Trainer eine Basis, die schon eine gewisse Routine entwickelt haben und sich als Trainer bewährt haben.

In den folgenden beiden Thesen werden wir uns mit der Erfolgskontrolle für Seminare und mit den Inhalten befassen. Hier werden wir feststellen, dass - wie oben schon angerissen - kein besseres Verhalten trainiert wird. Im Vordergrund der Trainings stehen Spiele, die als „Übungen“ bezeichnet werden und eher unterhaltenden Charakter haben.

Wer hier erfolgreich als Trainer fungiert, der hat lediglich seine Spielleiter- oder Entertainer-Qualifikation bewiesen. Keineswegs hat er sich als Gestalter eines pädagogischen Prozesses bewährt.

Wenn, wie in den folgenden Ausführungen gefordert, Persönlichkeits-Training sich zu einer Qualifikationsmaßnahme mausern soll, dann reichen die oben genannten Fähigkeiten als Entertainer nicht aus. 

Die neuen Mindestanforderungen für Trainer
Es stellt sich die Frage, welche Mindestqualifikation für pädagogische Trainer gefordert werden sollte. 
Für die Ausbildung an Schule und Hochschule wird heute als Mindestvoraussetzung ein Hochschulabschluss verlangt.
Allerdings gibt es auch eine Vielzahl von Ausbildungen, vom Tanzunterricht bis zum Segelschein, die von Praktikern gestaltet wird. Auch bei Hochschullehrern wird keine pädagogische Qualifikation verlangt - hier stellt jedoch die Lehre nur einen Teil der Berufstätigkeit dar, im Vordergrund steht an deutschen Universitäten die Forschung.

Der Anspruch der Management-Trainer besteht darin, für die beruflichen Aufgaben zu qualifizieren. Hierfür müssen geeignete Inhalte gefunden und die Methoden der Erwachsenenbildung eingesetzt werden. 

Am besten geeignet sind hierfür die Ausbildungen zum Diplompädagogen oder Diplompsychologen. 
Wer über diese Ausbildung nicht verfügt, der sollte zumindest unter Anleitung eines Akademikers o. g. Fachrichtung arbeiten. 

Ich möchte an dieser Stelle sagen, dass ich einige Praktiker kenne, die über keinen akademischen Abschluss verfügen und heute eine hervorragende Arbeit leisten. Sofern jedoch mit einer wirklichen Qualifikationsmaßnahme im Training ernst gemacht wird, werden auch diese guten Trainer um eine intensive Weiterbildung nicht herumkommen - sofern Sie über den Entertainer hinauswachsen wollen.

Ein pädagogischer Trainer muss geeignete Inhalte finden, z. B. um die Kommunikationsfähigkeit zu verbessern. Er muss die Methoden der empirischen Sozialforschung studiert haben, um zu prüfen, ob die angebotenen Inhalte zumindest dem Wissenschaftsprinzip entsprechen. Sie dürfen also dem Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse zumindest nicht widersprechen.

Zusätzlich müssen das Persönlichkeit- und Situationsprinzip beachtet werden (als Einstieg hierzu z. B. Reetz: Wirtschaftsdidaktik). Solche Bücher verwenden eine Begrifflichkeit, die zum Verständnis ein Studium voraussetzen (17).

Von den Praktikern wird immer wieder behauptet, ein Studium sei viel zu theorielastig, die Erkenntnisse seien für die Praxis nicht verwendbar. Hier wird zum einen deutlich, dass Menschen über Inhalte urteilen, die sie garnicht kennen. Grundlage jeder Theoretischen Reflexion 1. Grades ist die Praxis.

Auch wird gegen Studierte das Argument eingesetzt, sie sprächen nicht die Sprache der Teilnehmer und würden von diesen gar nicht verstanden. 
Diese Argumente sind reine Schutzbehauptungen, um von der Unzulänglichkeit der eigenen Ausbildung abzulenken. Würde man der Argumentation folgen, dann dürfte kein Lehrer von seinen Schülern verstanden werden.

Fazit: 
Für einen pädagogischen Management-Trainer ist der erfolgreiche Abschluss eines Pädagogikstudiums mit dem Schwerpunkt Erwachsenenbildung die Mindestvoraussetzung.



6. Praxistransfer – Fehlanzeige; warum Trainings heute nichts bewirken




These 4 - Die Erfolgskontrolle von Seminaren betrifft den Spaßfaktor.
Der Lernerfolg der Teilnehmer wird nicht überprüft.

Wenn man die Qualität eines Produktes oder Prozesses beurteilen will, dann ist es entscheidend, welche Instrumente hierfür eingesetzt werden. 

Bei Bildungsveranstaltungen werden normalerweise zunächst Lernziele definiert. Dann werden Tests konstruiert, mit deren Hilfe man überprüfen kann, ob die Lernziele erreicht wurden.

Wer zum Beispiel den Sportbootführerschein See machen möchte, der findet hierzu 342 mögliche Fragen und mit den Fragen 343 bis 362 auch noch 19 Kartenaufgaben und ihre Lösungen. 
Die Lektüre dieses Tests vermittelt einen guten Eindruck davon, was in der Ausbildung gemacht wird (18).

Wer bei Persönlichkeits-Trainings nach den Methoden der Erfolgskontrolle fragt, der wird überrascht sein. Es werden nahezu nie die Lernerfolge bei den Teilnehmern überprüft. Schriftliche Tests bezüglich kognitiver Inhalte (erlangtes Wissen) finden praktisch nicht statt. 
Mündliche Prüfungen finden ebenfalls selten statt. 
Standardisierte Beobachtungen anhand definierter Kriterien ebenfalls nicht. Letztere wären für die Überprüfung des Erfolgs von Verhaltenstrainings ein geeignetes Instrument.

Nicht der Trainer misst den Lernerfolg bei den Teilnehmern - stattdessen beurteilen die Teilnehmer den Trainer nach vagen Kriterien. 
Die Teilnehmer dürfen ankreuzen: 
Das Seminar hat mir insgesamt gefallen: sehr gut - gut - mittel - ausreichend - nicht. 
In ähnlicher Weise sind die Aussagen anzukreuzen:
Die Praxisbezogenheit der Inhalte beurteile ich mit...
Der Umfang der Inhalte...
Die Qualität der Teilnehmerunterlagen...
Die eingesetzten Methoden...
Die Rahmenbedingungen (Hotel, Verpflegung)

Insgesamt wird also nur beurteilt, ob das Seminar den Teilnehmern gefallen hat. 

Die vermittelten Inhalte können die Teilnehmer nicht beurteilen, weil sie die Lernziele nicht kennen und auch nicht wissen, welche Inhalte für welche Ziele geeignet sind. 
Beim Thema „Kommunikation“ könnte hier z. B. ein erfahrener Kommunikationspsychologe ein angemessenes Urteil bezüglich der Inhalte abgeben.

Auch die Qualität der angewandten Methoden können Teilnehmer nicht beurteilen, weil sie gar nicht mit den gängigen Methoden der Erwachsenenbildung vertraut sind. Ein in Supervision erfahrener Diplom-Pädagoge könnte hier als Beobachter qualifiziert urteilen.

Die Teilnehmer können also nur aussagen, ob ihnen der Trainer und das Seminar insgesamt gut oder nicht zugesagt haben, sie müssen ihrem Gefühl vertrauen, da ihnen objektive Kriterien fehlen. 

Für den Trainer sind gute Beurteilungen die Existenzgrundlage. Nur gute Beurteilungen versprechen Folgeaufträge. 
Das hat für die Teilnehmer zunächst den unzweifelhaften Nutzen, dass sie mit einer ausgesprochenen Wertschätzung behandelt werden. In der Schule haben sie dagegen oft Geringschätzung und Herabsetzung erlebt. Somit werden die Seminare zunächst einmal als angenehm erlebt, denn der Trainer achtet auf eine gute Beziehung zu den Teilnehmern. Er arbeitet gemäß alle Regeln von Dale Carnegie: „Wie man Freunde gewinnt“.

Dieses Trainerverhalten ist aber nur auf den ersten Blick ausschließlich positiv. Wer erinnert nicht aus der Schule den Lehrer, der ins Plaudern gerät - man konnte dann wunderschön träumen oder unterm Tisch Comics lesen. Gefürchtet war der fordernde Pädagoge, bei dem es richtig anstrengend war. Aber Hand aufs Herz, bei ihm wurde am meisten gelernt?

Der auf gute Beurteilungen angewiesene Trainer wird den Teilnehmern mit Respekt und Wertschätzung begegnen, das ist gut.
Unangenehme und anstrengende Seminare werden jedoch konsequent abgewählt werden und deshalb vermieden.

Deshalb wird darauf verzichtet, die Teilnehmer auf Fehler aufmerksam zu machen. Keiner liebt Kritik, also gibt es praktisch keine. Stattdessen wird gelobt ohne Ende. 
So gesehen ist es zum Beispiel nicht verwunderlich, dass Videoaufzeichnungen in angeblichen Verhaltenstrainings selten eingesetzt werden. Es wird den Ängsten der Teilnehmer vor Videoaufzeichnungen nachgegeben. 
Bei Videoaufzeichnungen könnte man Fehler, die sich eingestellt haben, sofort transparent machen. 
Außerdem sind solche Aufzeichnungen ungewohnt und werden allein deshalb schon als unangenehm erlebt. Eigentlich müsste zunächst eine Desensibilisierung stattfinden und die Teilnehmer müssten nach Videoaufzeichnungen verlangen, da sie erkannt haben, welch gutes (Selbst-) Feedbackinstrument diese hergeben können.

Niemand würde einem Piloten eine Boeing 757 anvertrauen, wenn er hierauf nicht trainiert wurde. Bei Verkäufern und Führungskräften ist das anders. Sie werden meist ohne systematische Kommunikationsschulung auf ihre Mitarbeiter oder Kunden losgelassen. Es besteht bei den Unternehmen offenbar die Hoffnung, in der Praxis werde der Mitarbeiter lernen: Learning by Doing. 

Das Problem ist jedoch, dass bei schlechtem Kommunikationsverhalten kein Feedback der Mitarbeiter oder Kunden kommt. Die Mitarbeiter machen zu, die Kunden wenden sich ab - und Führungskraft/Verkäufer merken gar nicht, dass ihr Fehlverhalten schuld daran ist, wenn der Verkauf scheitert oder ein frustrierter Mitarbeiter kündigt. 

Sie suchen hierfür andere Gründe – außerhalb ihrer Verantwortung. Denn ein absolut menschliches Programm bei Misserfolg heißt: „Die anderen sind schuld“. So wird die Möglichkeit vertan, aus Fehlern zu lernen, ein Teufelskreis dreht sich.

Im Tennis oder Golf sieht man sofort, was man falsch gemacht hat. Bei der Kommunikation ist die Praxis keineswegs der beste Lehrmeister. 

Zum Beispiel wird auf einen Angriff intuitiv mit Verteidigung oder Gegenangriff reagiert. Stattdessen wäre Zuhören angesagt, das Wiedergeben des Gehörten mit eigenen Worten. 
Nun stellt sich die Frage, wann wird man zum Beispiel als Verkäufer angegriffen, das ist doch eigentlich sehr selten!? 
Nicht zu glauben, aber jede Äußerung des Kunden kann von einem Verkäufer als Angriff erlebt werden. Denn in jeder Aussage teilt der Sender dem Empfänger implizit mit, was er von ihm oder seinen Argumenten hält. Ein Kundeneinwand wird oft als Kritik verstanden. 

Der Interessent für das Fertighaus sagt zum Beispiel. „Ach, das Haus ist aus Holz.“ Der Verkäufer argumentiert, dass es genauso stabil ist wie ein Steinhaus. 

Er hat also einen Zweifel an der Stabilität der Bauweise herausgehört. Nur durch Nachfragen hätte er festgestellt, dass der Kunde das gar nicht meinte. Der Interessent wollte vielleicht nur zum Ausdruck bringen, dass er ökologisch interessiert ist und die Holzbauweise sehr gut findet!

Wird dem Seminarteilnehmer derartiges Fehlverhalten vorgeführt, so ist das für viele Teilnehmer unerfreulich. 
Sie fühlen sich vor den anderen Teilnehmern blamiert und rechtfertigen ihr Verhalten: „So was habe ich in meiner Praxis noch nicht erlebt.“
So ein Seminar ist natürlich nicht so gut...

So werden in den derzeitigen Trainings die Teilnehmer nur mit Spielen unterhalten und in ihrem bisherigen Verhalten überwiegend bestätigt. Wenn die Teilnehmer gefragt werden, was sie denn Neues gelernt hätten, hört man meist: „Vieles war schon bekannt, aber gut, dass es einmal wieder aufgefrischt wurde...“

Nicht nur auf Kritik wird verzichtet. Zusätzlich wird in derzeitigen Trainings auf jederlei Anstrengung verzichtet, kurzweilige Unterhaltung steht um Vordergrund. 

Die Teilnehmer lernen vielleicht das vielschichtige „Hellwigsche Wertequadrat“ (Schulz von Thun, 19) kennen, um Führungseigenschaften besser beurteilen zu können. Das wäre schon sensationell. Denn im Vordergrund derzeitiger Trainings stehen noch veraltete, eindimensionale Modelle...

Bei diesem Modell wird der positiven Fähigkeit „Durchsetzungsfähigkeit“ z. B. ihr positiver Gegenspieler „Kompromissfähigkeit“ gegenübergestellt. Negativ sind die jeweiligen Übertreibungen: „Dirigismus“ und „Konsenssucht“.

Verzichtet wird jedoch auf notwendige 10 bis 20 Übungen, in denen das Modell auf weitere Eigenschaften angewendet werden muss, um es wirklich beherrschen zu können. 

Oder ihnen wird das Harvard-Konzept des Verhandelns vorgestellt (Fisher, Ury 1996). Der Teufel steckt aber im Detail (20). 
Was sind denn nun „kongruente“, „rivalisierende“ bzw. „komplementäre“ Interessen? 
Was ist das eigentliche Problem, über das verhandelt wird?

Das vom Trainer vorgestellte vorbereitete Beispiel ist nachvollziehbar. Das Modell aber nun auf zehn Verhandlungssituationen im eigenen Bereich anzuwenden, das ist schwer, Fehler drohen.
Es fällt vielen schon schwer, Verhandlungssituationen als solche überhaupt zu erkennen und zu definieren. Sind sie so selten? Es wird nicht erkannt, dass z. B. ein Vertrag letzten Endes das Ergebnis einer Vielzahl von zu verhandelnden Problemen enthält.

So wird auf Beispiele aus dem Kreis der Teilnehmer oft verzichtet. Der Trainer liefert eventuell selbst noch ein zweites Beispiel, man hat ja außerdem noch weitere Themen im Programm (ein Teufelskreis, siehe These 1).

Zusätzlich wird auf die Überprüfung des Praxistransfers verzichtet. Im Seminar mag der Teilnehmer im Rollenspiel durchaus gelernt haben, wie man Besprechungen gestaltet, in denen die Mitarbeiter ausführlich zu Wort kommen. 
Zurückgekehrt in den Berufsalltag wird jedoch die Besprechung wieder zur reinen Verkündigungsveranstaltung - angeblich ist der Zeitdruck Schuld - oder ist es vielleicht die Befürchtung, der Flut der Mitarbeiterangriffe nicht gewachsen zu sein? 

Die Vision
Wenn Training als Weiterbildung verstanden werden will/soll, dann müssen vorher Lernziele/Inhalte in Form von Lehrplänen definiert werden. Zusätzlich müssen Tests und andere Instrumente entwickelt werden, um zu überprüfen, ob diese Lernziele erreicht wurden und auch im Berufsalltag umgesetzt werden.


Abschließend noch ein kritisches Wort zu den angeblichen Erfolgsmessungen für Seminare, bei denen anschließend angeblich ein viel höherer Umsatz, geringerer Krankheitsstand, weniger Fluktuation etc. gemessen wurde.
Mir ist bisher keine Untersuchung bekannt, in der mit wissenschaftlichen Maßstäben nach heutigem Standard zuverlässig gearbeitet wurde. Hierfür wäre es z. B. erforderlich, in einer Kontrollgruppe ebenfalls ein Seminar zu veranstalten mit anderem Inhalt. Allein das Messen von Umsatz und alle Kontrollmaßnahmen führen schon zu einem geänderten Verhalten. 
Auch muss man solchen Untersuchungen mit besonderer Skepsis begegnen, da sie natürlich mit dem Interesse veranstaltet werden, positive Effekte zu beweisen.

Ein Negativbeispiel hierfür sind die bereits erwähnten Untersuchungen von Max Meier Maletz (21). Er berichtet von angeblichen Umsatzsprüngen von mehr als 100 % und berechnet zweistellige Renditen für die Trainingsinvestition.
Nach den Methoden der Untersuchung befragt, stellte sich heraus, dass sie lediglich auf Schätzungen befragter Verkaufsleiter basieren, echte Umsatzbeobachtungen und der Vergleich mit Kontrollgruppen fanden gar nicht statt.
Die Mühe, die sich Meier-Maletz gegeben hat und der gesamte Ansatz ist natürlich zu würdigen. Wer jedoch nach dem Interesse des Forschenden fragt, der wird schnell feststellen, dass Meier-Maletz Trainer ist und deshalb keinesfalls neutral. Untersuchungsergebnisse, die eine Wirksamkeit von Seminaren nachweisen, haftet auf diesem Hintergrund natürlich der Verdacht an, für Werbemaßnahmen herhalten zu müssen.

Besonders skeptisch muss man sein, wenn Lernzielüberprüfungen mit ethischen Begründungen zurückgewiesen werden. Es stand lange in den Geschäftsbedingungen, die den BDVT-Mitgliedern empfohlen wurden „Berichte über die Teilnehmer finden nicht statt“. 

Wenn gewünscht könnten solche Berichte anonymisiert gegeben werden. Andererseits will manches Unternehmen auch gerne erfahren, bei welchen Mitarbeitern die Seminare auf fruchtbaren Boden fallen, bei welchen nicht. Wenn dadurch die Seminare zum Instrument der Personalauswahl würden, dann wird ihre Akzeptanz bei den Mitarbeitern und zukünftigen Teilnehmern drastisch zurückgehen. Trainer befürchten Umsatzeinbrüche und wehren sich speziell aus diesem Grund gegen solche Transparenz.
Die jetzige Kultur, den Unternehmen nichts Konkretes über die Lerneffekte mitzuteilen belegt, dass dort eher im Sinne einer kathartischen Wirkung therapeutisch und unterhaltend gearbeitet wird.

Typisch für die aktuelle Szene ist: Wenn positive Effekte auftreten, werden sie als Seminareffekte interpretiert. Das Bedauern des unzureichenden Transfers ist jedoch an der Tagesordnung. 
Der Misserfolg wird jedoch nicht auf die mangelnde Seminarqualität zurückgeführt. Vielmehr werden mehr Seminare empfohlen und zusätzlich die Einbindung der gesamten Belegschaft in Seminare. 

Entweder sind die Führungskräfte schuld. Sie müssen dann ebenfalls trainiert werden, um die Umsetzung der Seminarinhalte zu fördern. Oder es ist der Innendienst, der unzureichend zuarbeitet. Sind dann alle trainiert und versprochene Erfolge bleiben trotzdem aus (mehr Umsatz, mehr Gewinn), dann liegt es an der schlechten Organisation, an den Rahmenbedingungen des Unternehmens. 
Also müssen Organisationsentwicklung her, z. B. innovative Beurteilungssysteme sowie eine Reform des Entlohnungssystems. 
Einmal im Unternehmen tut sich für den Trainer und Berater eine Lebensaufgabe auf...


7. Spaßfaktor und Schmusepädagogik bestimmen den Trainingsalltag - auf Anstrengung wird verzichtet



These 5 - Kurzweilige Unterhaltung steht bei Seminaren inhaltlich im Vordergrund.

Training kann nicht heißen, dass vom Trainer stundenlange Vorträge gehalten werden. Stattdessen sollten Aktivitäten der Teilnehmer im Vordergrund stehen.
Wer die gängigen Trainings analysiert, wird feststellen, dass hier oft Gruppenarbeit gemacht wird, in denen Inhalte erarbeitet und später der Gesamtgruppe vorgestellt werden. Das ist im Prinzip gut. 
Nur werden in dieser Form keine neuen Erkenntnisse vermittelt und eingeübt - stattdessen wird das vorhandene Wissen der Teilnehmer gehoben. Im günstigen Fall findet hier ein konstruktiver Erfahrungsaustausch statt.

Oft werden jedoch sogenannte „Übungen“ durchgeführt, in denen die Teilnehmer in der Gruppe eine Aufgabe lösen sollen. Zum Beispiel erhalten sie zwei Bögen Flipchartpapier, Klebematerial und ein Ei. Aufgabenstellung: Mit dem Material etwas entwickeln, was verhindert, dass das Ei bei einem Sturz aus zwei Metern Höhe zerstört wird. 

Wenn nun behauptet wird, dass hiermit Kreativität und die Fähigkeit zur Zusammenarbeit im Team gefördert werden, dann wird man das sicher nicht bestreiten. Es stellt sich jedoch die Frage, inwieweit hier die Fähigkeit gefördert wird, beruflichen Anforderungen besser gewachsen zu sein. 
Bei genauem Hinsehen entpuppen sich die Übungen generell als Spiele mit zweifelhaftem Nutzen. Es gelten alle Gegenargumente, die auch gegen die „formale Bildung“ aufgeführt werden. Bekanntlich fördert Lateinunterricht das logische Denken.

Da wundert es nicht, dass auch gute Gründe gefunden werden, Teilnehmer auf einen Segeltörn zu schicken. Man könnte Sie auch gleich in den Robinson-Club fahren lassen. Dort wird sicher auch viel gelernt: Knüpfen neuer Kontakte, Smalltalk, Zeitmanagement, um die vielen Aktivitäten zu planen. Oder man veranstaltet eine Fahrradrallye mit kreativen Aufgabenstellungen. Das kräftigt auch noch den Körper.

Ein Mangel an Spielen gibt es nicht. Im spezialisierten Windmühle-Verlag finden sich Bücher mit hunderten Anleitungen zu allen gewünschten Themenbereichen.

Es stellt sich nun die Frage, was denn von den Trainern für neue Inhalte vermittelt werden und inwieweit diese trainiert werden. 
Das Niveau lässt sich an folgendem Beispiel illustrieren: Das Buch „Die Mäusestrategie“ hielt sich wochenlang in der Sachbuch-Bestsellerliste des „Spiegel“. Der „sensationelle“ Inhalt des ganzen Buches: Sofern sich die Umgebung ändert, sollte man sich anpassen und sich nicht darüber ärgern. Darauf wäre man ohne Hilfe sicherlich nicht selbst gekommen ...(22).

Der Spitzentrainer Dr. Pack, der Tagessätze von 7.500 Euro fordert, verrät im „sensationellen Dr. Pack-Report“ „Die wirklichen Geheimnisse der MLM-Millionäre“ (das sind Spitzenverkäufer, die nach Bernie Cornfelds Schneeballsystem arbeiten). 
An erster Stelle steht das größte Erfolgsgeheimnis „Fleiß, Fleiß und nochmals Fleiß“. 
An zweiter Stelle „Ausdauer, Ausdauer und nochmals Ausdauer“, m. E. Banalität pur (vgl. Anmerkung (6), S. 3).

Wenn es um das Thema „Verkaufen“ geht, dann gibt es seit Goldmanns Bestseller „Wie man Kunden gewinnt“ wenig Neues (23). Das Verkaufsgespräch wird hier als Aufgabe gesehen, die mit Techniken zu meistern ist. 
In der Aufwärmphase gilt es eine gute Beziehung herzustellen und dem Kunden Honig um den Mund zu schmieren. 
Eine Neuauflage Dale Carnegies „Wie man Freunde gewinnt“ (23). 

Bei der Präsentation des Produktes geht es darum, dem Kunden nicht nur die Merkmale aufzuzeigen, sondern auch den Nutzen. Denn auf den kommt er natürlich nicht selbst, weil er recht dumm ist. 

Wenn dann Einwände kommen, dann gibt es die schönen Einwandbehandlungstechniken. Zum Beispiel „ja – aber“ oder psychologisch geschickter „ja – und“ und als Krönung die Bumerang-Technik, da fliegt dem Kunden der Einwand als Gegenargument um die Ohren. 

Zum Geschäftsabschluss hilft die Abschlusstechnik. 
Immer wieder dabei, die „Ja-Straße“: Der Verkäufer fasst alle vom Kunden als positiv erlebten Punkte zum Schluss des Gespräches als geschlossene Suggestivfrage zusammen und stellt zum dann die Frage nach dem Auftrag. 
Funktioniert nach dem Prinzip: 
Sagen Sie mal fünf Mal hintereinander rot rot rot rot rot
Welche Farbe hat Blut: rot
Bei welcher Farbe gehen Sie über die Kreuzung? Bei ... 
Na, reingefallen?

Zum Thema „Führung“ sind die publizierten Hinweise für besseres Verhalten meist recht oberflächlich: 
Angelika Höcker, mehrfache Trägerin des „Internationalen Deutschen Trainingspreises“ (verliehen vom BDVT) schreibt im „BDVT-Journal“ zum Thema „Neue Führungskräfte braucht das Land“, was die Führungskräfte machen müssen, um erfolgreich zu sein: 
„1. Hochmut vermeiden, 2. Bereit sein, zu lernen...“ (24)

Wenn Forschungsergebnisse herangezogen werden, dann oft aus zweifelhaften Quellen.
Udo Krauß, Inhaber des Warenzeichens der „Well-Life Balance-Methode“ schrieb im BDVT-Journal über ein für ihn sehr wichtiges Forschungsprojekt und dessen Ergebnisse(25): 

„Anfang dieses Jahrhunderts erforschte der Journalist Napoleon Hill die Gesetze der Erfolgreichen und Großen. 20 Jahre lang befragte er 16.000 Männer und Frauen. Eines der wichtigsten Ergebnisse: 95 % der Befragten wiesen Misserfolge auf, weil Sie kein definiertes Lebensziel hatten. Die anderen 5 % waren die Erfolgreichen und Glücklichen“. 

Kein Wort darüber, welche Methoden zur Forschung eingesetzt wurden und warum gerade ein Journalist sich als Forscher bewähren könnte, keine Quellenangabe.

Dieses Niveau mutet der BDVT seinen Mitgliedern zur eigenen Weiterentwicklung zu. 

Wenn hier im schlimmsten Fall Binsenweisheiten als Geheimnisse verkauft werden, dann sind angeblich wissenschaftliche Systeme wie das „Hermann Dominanz Instrument“ oder gar das „Struktogramm“ von erheblich problematischerer Natur. 

Mit gerade einmal zwei Dutzend Fragen kann man beim Struktogramm seinen eigenen Charakter einschätzen und mit ein bisschen Übung angeblich auch den Charakter des Gegenübers, sei es Kunde oder Mitarbeiter. Ist der Persönlichkeit erst einmal das Etikett angeklebt, gibt es einfache Rezepte für den Umgang (26). 

Es versteht sich von selbst, dass der Test eher den Methoden empirischer Forschung spottet als genügt. Kein Wort auch über die Gefahr unzulässiger Etikettierungen. 
Das Struktogramm wird auch heute noch verkauft und eine Lizenzierung zum Struktogramm-Trainer angeboten. 
Ähnliche Schmalspur-Lizenzierungen gibt es für „Situatives Führen“ nach Blanchard oder für „NLP“ nach Grinder.

Blanchards Führungskonzept hat der Augsburger Psychologieprofessor Oswald Neuberger das Prädikat „Unzulässige Vereinfachung“ verliehen (27). 

Psychologen verlangen, dass die Techniken der Neuro-Linguistischen-Programmierung (NLP) ausschließlich in die Hände studierter Psychologen gehören, um Negativfolgen zu vermeiden (28).
In letzter Zeit häufen sich die Warnungen vor Schäden, die selbsternannten Psychotrainer anrichten können. Die Kritiker berichten von Fällen, in denen ehemalige Teilnehmer in Depressionen und Schizophrenie gestürzt wurden (29).

Wenn sich ein Trainer anbietet, der psychologisch orientierte Inhalte vermitteln will, dann lassen Sie sich nachweisen, dass er an einer anerkannten Hochschule Psychologie mit Abschluss studiert hat - sonst lieber Finger weg!


8. „Training“ darf man die heutigen Veranstaltungen eigentlich gar nicht nennen. Unter welchen Umständen hätten sie diese Bezeichnung verdient?


These 6 - Die gängige Trainingspraxis lässt Verhaltensverbesserungen gar nicht zu.

Beispiel Bewerbungsgespräch:
Die Hauptaufgabe dieses Gespräches besteht darin, die zukünftige Tätigkeit zu beschreiben und natürlich insbesondere, den Bewerber kennenzulernen.
Was eignet sich hier besser als Fragen und aktives Zuhören. Stellen wir uns vor, das soll trainiert werden.

Günstig wäre es, im Training zunächst zu vermitteln, welche Art von Fragen es gibt und wie aktives Zuhören denn nun aussehen soll.

Die folgenden Frageformen sollten bekannt sein:
Offene und geschlossene Frage,
Suggestivfrage,
rhetorische Frage.

Untrainiert würde eine Führungskraft die Bewerberin für eine Agentur zum Beispiel fragen:

„Ihr Beruf hat Ihnen sicherlich Spaß gebracht?“

Ja – um was für eine Frageform handelt es sich hier bloß?

Genau betrachtet handelt es sich nicht um eine Frage. Jede Äußerung kann jedoch als Aufforderung an den Gesprächspartner verstanden werden, sich zu äußern. Man könnte von einer „indirekten Frage“ sprechen.

Das Beispiel wäre also nach diesen Definitionen eine indirekte, geschlossene Suggestivfrage. Hätten Sie es gewusst?

Sicherlich nicht gerade die Idealform, um einen Bewerber zum Sprechen zu ermuntern. Er könnte einfach „Ja“ sagen, das wär's dann. Und nicht wenige Interviewer würden dann den Fehler nicht bei sich suchen und der schlechten Fragetechnik – nein, der Bewerber war besonders redefaul oder sogar „introvertiert“ – und damit natürlich wenig geeignet.

Wie könnte die Frage umformuliert werden – in eine offene Frage?

„Was hat Ihnen bei Ihrem Beruf bisher besonders Spaß gebracht?“

Nehmen wir an, die Bewerberin war bisher Friseuse und antwortet:

„Ja also, dass ich mit Kollegen zusammenarbeiten konnte, fand ich gut, ich hatte auch eine angenehme Chefin, dann gab es Weiterbildungsmöglichkeiten und ich konnte die Arbeitszeit flexibel einteilen.

Die nächste Frage des Interviewers, die auf seinem Vorbereitungszettel steht:

„Hatten Sie irgendwelche Hobbys?“

Der aufmerksame Leser merkt: Wieder eine geschlossene Frage!

Aber noch schlimmer, der Interviewer stellt diese Frage, sie steht schließlich auf seinem Zettel. Was hätte er sonst machen gönnen?

Ja, richtig, eine Ergänzungsfrage stellen. 
Aber Hand aufs Herz, welche denn? 
Die Bewerberin hat vier Punkte genannt, die ihr bei ihrem Beruf bisher Spaß brachten. Erinnern Sie noch die vier Punkte? 
Nein?

Ohne Notizen geht das auch gar nicht. Und ich wundere mich auch immer wieder, wie wenige Notizen in Bewerbungsgesprächen gemacht werden!

Nebenbei, Notizen machen ist äußerst schwierig. Die vier Punkte in Stichworten festzuhalten setzt ein hohes Abstraktionsvermögen voraus und muss generell erst einmal trainiert werden. Das ist übrigens auch der Grund, warum viele keine Notizen machen. Sie können es nicht. Und wenn sie es machen würden, dann käme diese Unfähigkeit heraus, welche Blamage.

Außerdem kommen sie sich komisch vor, wenn sie etwas mitschreiben. Was denkt denn dann der Bewerber? Und Notizen machen, damit gibt man doch zu, dass man ein schlechtes Gedächtnis hat.

Viele psychologisch begründete Motive, auf Notizen zu verzichten - obwohl Sie unverzichtbar sind.

Die Lernziele:
Offene Fragen stellen
Zuhören und Notizen machen
Ergänzungsfragen stellen
sind am Beispiel deutlich geworden.

Es reicht nun nicht, das den Seminarteilnehmern mitzuteilen und darauf zu hoffen, sie werden es umsetzen.
Jeder Teilnehmer sollte eine eigene Übungsmöglichkeit bekommen.
Und diese Übung sollte per Video aufgezeichnet werden.
Sonst wird endlos diskutiert, was für eine Frage er denn nun gestellt hatte, wie viele und welche Hobbys die Bewerberin genannt hatte.

Außerdem geht es im Training meist nicht nur um derart einfache Lernziele. Wenn der Bewerberin z. B. die zukünftige Tätigkeit verständlich präsentiert werden soll, dann sind die Verständlichmacher nach dem Hamburger Verständlichkeitsmodell anzuwenden:
Struktur, Gliederung,
Einfachheit,
Kürze, Prägnanz,
Stimulanz,
Visualisierung (Schulz von Thun) (30).

Inwieweit der zu Trainierende die Lernziele umsetzt kann nur anhand einer Videoaufzeichnung beobachtet werden.

Ein Bewerbungsgespräch dauert ggf. eine halbe Stunde, ein Ausschnitt ca. 10 Minuten. Wird dieser Ausschnitt angesehen und besprochen, so sind 30 Minuten hierfür normal.
Je Teilnehmer würden also ca. 45 Minuten benötigt, eine Unterrichtsstunde!
Bei 12 Teilnehmern wäre man 1 ½ Tage damit zugange. Und man hätte noch nicht einmal Zeit, jedem eine Wiederholungsübung zu ermöglichen. Denn das Diskutierte und Verbesserte sollte ja auch zumindest noch einmal probiert werden.

Es wird deutlich, ein Training mit Übungsmöglichkeiten für jeden einzelnen, ist maximal mit vier bis sechs Personen möglich. 12 Teilnehmer im Seminar sind viel zu viel. 

Leider kann man auch nicht die 12 Teilnehmer in vier Gruppen mit je drei Teilnehmern aufgliedern. Die Teilnehmer sind überfordert, wenn sie mit dem Feedback alleingelassen werden, es müssten also vier Trainer im Einsatz sein.

Da dieser Aufwand praktisch nie getrieben wird, waren bisher die Trainings nicht erfolgreich, die Übungsmöglichkeiten und das individuelle Feedback fehlten.

Es war also bisher so als würde man Trockenschwimmübungen machen, nur zwei bis drei Freiwillige gehen dann tatsächlich ins Wasser.
Oder es ist so, als würde man Skiunterricht mit einer Gruppe von 30 Skiläufern machen. Der Lehrer steht unten schon wieder am Lift, da fährt der letzte seiner Gruppe gerade los.

Gerade im Training zeigt sich auch die Qualifikation eines Trainers. Stellt er Teilnehmer bloß, blamiert er sie und schürt dadurch Ängste? Werden die Teilnehmer mit Kritik überschüttet, dass sie gar nicht mehr wissen, wo sie denn nun anfangen sollen?
Wie geht er mit den Ängsten vor der Videoaufzeichnung um?
Ist sein Modell das eines unerreichbaren Showstars, ist er der Alleindarsteller und Showmaster?
Gestaltet er das Training als Problemlösungsprozess? Wie sieht seine Fragetechnik aus? Ist es wie so oft leider nur ein „Quiz ohne Preise“? Die Teilnehmer müssen die richtige Antwort raten, die der Trainer weiß...

Angemessenes Trainerverhalten kann nur von versierten, studierten Kollegen beurteilt werden. Die Teilnehmer zu fragen, das bringt nichts. Sie kennen weder die erfolgreichen Trainingsmethoden, noch können sie das Verhalten des Trainers mit angemessenem Vokabular beschreiben, geschweige denn Verbesserungsmöglichkeiten nennen. 

Als Leser haben Sie oben gesehen, dass es schon schwer ist, Fragearten überhaupt zu erkennen und umzuformulieren. Wie soll ein Teilnehmer diese Aufgabe für Lehrerfragen bewältigen?

Die Fragebögen, die von Teilnehmern am Ende des Seminars ausgefüllt werden und in denen nach der Qualität des Trainers und der Inhalte gefragt wird, sind also eine Farce.


9. Welche Inhalte wären für Trainings besonders gut geeignet?




These 7 - Die Erkenntnisse der Psychologie und Soziologie werden praktisch ignoriert.

Lehrpläne im staatlichen Schulsystem werden von Experten entwickelt, die das entsprechende Fach studiert haben. 
Kaum jemand würde seine Kinder auf ein Gymnasium schicken, in dem die Lehrpläne in Biologie von einer Blumenverkäuferin entwickelt wurden. 

Wie steht es nun für den Bereich Verkauf, Führung, Kommunikation? Gibt es hier Forschung oder Fachgebiete, die trainierbare Erkenntnisse liefern? 

Mitnichten: Die relevanten Bezugswissenschaften sind die Psychologie, Soziologie und für das Trainerverhalten die Erziehungswissenschaft, hier der Schwerpunkt Erwachsenenbildung.

Nehmen wir das Beispiel „Verkaufsgespräche“. Hier ist zunächst einmal zu fragen, was inhaltlich in solchen Gesprächen stattfindet und welche Forschung sich hiermit befasst hat. 

Für den Bereich des Lebensmitteleinzelhandels gibt es zum Beispiel ausführliche Untersuchungen zum Thema „Ansprüche der Kunden an die Ware“. Auszubildende können dann bis zu 50 Begriffe lernen, um die Konsistenz von Käse anspruchsbezogen zu beschreiben (31). 
Küthe hat auch eine „Warenverkaufskunde für den branchengemischten Unterricht“ herausgebracht (31). Seine Anspruchskunde lässt sich so auch auf Autobatterien mit Taschenseparatoren übertragen...

Von derlei Ausdifferenzierung sind derzeitige Verkaufstrainings weit entfernt. Hier bewegt man sich bezüglich der Beschreibung von Produkten auf "Merkmal - Vorteil - Nutzen" – Basis. Es bietet sich also schon auf inhaltlicher Ebene ein weiter Fundus, um Lernziele zu definieren.

Für den formalen Aspekt des Gesprächs wären Erkenntnisse der Kommunikationspsychologie einsetzbar.

Ähnlich kann vorgegangen werden, wenn insgesamt die Themen „Kommunikation, Motivation, Führen, Kreativität, Konfliktlösung“ angegangen werden sollen, um nur einige Beispiele zu nennen.

Es würde den Rahmen dieses kleinen Buches sprengen, hier differenzierte Ausarbeitungen zu präsentieren. Ich habe einen ersten Ansatz in meiner Dissertation 1989 versucht zum Thema „Gesprächsführung in Verkaufsgesprächen unter dem besonderen Aspekt der Beratung“ (vgl. Anmerkung 11).

Eine Vielzahl von Hinweisen für relevante Inhalte findet sich beispielhaft in folgenden Büchern.
An erster Stelle empfehle ich:

1. Friedemann Schulz von Thun: Miteinander reden 1 - Störungen und Klärungen, 1981.
Dieses Buch ist inzwischen ein Klassiker. Es erschien 1981 und wird ständig neu aufgelegt mit einer Auflage von bisher mehreren 100.000. Kurz: Die „Bibel“ der Kommunikationspsychologen. Es ist verständlich geschrieben und nennt auch zu vielen Themen weitergehende Literatur.

2. Friedemann Schulz von Thun: Miteinander reden 3 - Das „innere Team“ und situationsgerechte Kommunikation, 1998.
Hier wird ein nachvollziehbares, handhabbares Modell beschrieben, um sich und andere besser zu verstehen. Eine echte Alternative zu praktizistischen Konzepten à la Struktogramm.

3. Schulz von Thun u. a.: Kommunikationspsychologie für Führungskräfte. Reinbek 2003.
Hier werden grundlegende Erkenntnisse der ersten drei Bücher auf die Führungssituation angewendet.

4. Oswald Neuberger: Führen und geführt werden, 1990.
Er räumt auf mit vereinfachten Sichtweisen zum Thema „Führen“.

5. Roger Fisher, William Ury: Das Harvard-Konzept, 1990.
Hier findet man ein umsetzbares Modell für die Planung und Durchführung von Verhandlungen.


10. Wie würde es aussehen, wenn ein erfolgreicher Trainingsprozess und weniger der finanzielle Profit bei Trainings im Vordergrund stünde?



These 8 - Zusammenfassung: Mythos Verkaufs- und Führungs-Seminare - es wird als Geschäft und nicht als Pädagogischer Prozess verstanden

Wie sieht der Alltag des Deutschen Persönlichkeits-Trainings also heute aus?
Es wird kräftig die Werbetrommel gerührt und Unhaltbares versprochen. 
Hohe Tagessätze bieten angeblich Gewähr dafür, dass in den Seminaren für den Auftraggeber lukrative „Erfolgsgeheimnisse“ und (Manipulations-) Tricks verraten werden.
Unqualifizierte Einkäufer gehen diesen Schaumschläger-Versprechungen auf den Leim.
Blender werden zu einer Verkaufsshow eingeladen und machen das Geschäft.
Die Teilnehmer werden mit Spaß und Spiel kurzweilig unterhalten und bestens bewirtet. Trainer, Hotels und Teilnehmer reiben sich die Hände.
Neu- und Umlernen finden nicht statt. Aber das merkt keiner, denn: Kontrolliert wird nur der Unterhaltungswert der Seminare, die Kontrolle von Lernzielen wird gezielt vermieden.
Stellen sich trotzdem Erfolge ein, werden Folgeseminare empfohlen. Bei mangelndem Erfolg werden mehr Seminare auch für mit verantwortliche Zielgruppen empfohlen. Hilft dann alles nicht, wird begleitende Organisationsentwicklung verordnet.
Ziel ist es, Aufträge zu bekommen und diese zu einem lebenslangen Geschäft auszuweiten. Motto: „Lernen ist wie Schwimmen gegen den Strom, wer damit aufhört, treibt zurück.“ Angestrebtes Ziel der Trainer ist es, dass alle Mitarbeiter zwei- bis dreimal im Jahr für je zwei Tage „auf Seminar“ fahren und auf Firmenkosten Urlaub machen. Positiver Effekt: Sie werden aufgrund dieser Sozialleistung intensiver an das Unternehmen gebunden und durch die vielen Kollegenkontakte sozial fester integriert. 
Im Idealfall schaden die Seminarinhalte nicht - sofern der Trainer (was selten der Fall ist) qualifiziert ist. Einige Teilnehmer nehmen sich dann die eine oder andere hilfreiche Anregung und setzen sie um. 
Mangels inhaltlicher Vertiefung, fehlender Übung und durch den Verzicht auf Intensivtraining mit individuellem Videofeedback finden Verhaltensverbesserungen nur im Ausnahmefall statt. Die Effekte sind - wenn überhaupt - nur von geringer Dauer. Bestes Argument für den Trainer, regelmäßige Wiederholungen zu empfehlen.

Die Situation ist vergleichbar mit der Empfehlung einer Diät. Ein kleiner, kurzfristiger Erfolg ist da, der Jojo-Effekt jedoch vorprogrammiert. 

Die eigentlich notwendige Ernährungsumstellung mit monatelanger Stabilisierung findet nicht statt (z. B. à la Weight-Watchers). Sie ist auch nicht gewollt. Dann würde sich das Verhalten der Teilnehmer nachhaltig ändern und bräuchte keine fremdveranstaltete ständige Aufwärmung. Dann wäre das schöne Geschäft irgendwann zu Ende. Deshalb der gewollte Teufelskreis.

Und wenn es keiner merken würde, dann könnte es ewig so bleiben.

Sollte man - wie ich es an dieser Stelle empfehle - Seminare tatsächlich als pädagogische Veranstaltung begreifen wollen, so ist mit vielen Hindernissen der aktuellen Szene zu rechnen.

Zunächst wird die Branche aufschreien und versuchen, die gesamte in den Thesen geäußerte Kritik zu zerreißen. Schließlich geht es für viele betroffene Trainer um ihre berufliche Existenz.
Die Mitarbeiter werden sich ebenfalls wehren. Sollen etwa die lustigen Seminare, eine wichtige soziale Errungenschaft, ein sozialer Besitzstand, abgeschafft werden? Sollen jetzt die schmerzhaften Erfahrungen der Schulzeit wieder aufleben? Anstrengung, Versagensängste, finanzielle Einbußen drohen. 

Und die Führungskräfte und damit potentiellen Auftraggeber haben ebenfalls große Angst. Sie ahnen: An ihnen wird der Krug nicht vorbeiziehen, denn Sie haben doch wenig Ahnung von Kommunikations- und Sozialpsychologie, sind selbst selten gut trainiert. Der Fisch stinkt am Kopf zuerst, sie sind also eigentlich zuerst an der Reihe. 
Das werden viele mit guten Argumenten vermeiden und verhindern. Schnell zur Hand dient das Argument: Viel zu teuer, das Ganze. 

Mit einer Trainingsreform ernst gemacht wird wohl nur, wenn ein Unternehmen einen wirtschaftlichen Nutzen hierin sieht und in der Führungsriege Innovationsbereitschaft auch für die eigene Person besteht.

Statt langer Theorie ein Beispiel, wie man es machen könnte:
Es ist davon auszugehen, dass niemand in der Schule oder in der bisherigen Weiterbildung das (oben bereits erwähnte) „Hamburger Verständlichkeitsmodell“ (Schulz von Thun 1981) gelernt hat.
Kurz gefasst: Das Modell liefert auf der Basis umfassender Forschung Hinweise darauf, wie Texte oder verbale Erklärungen besonders gut verständlich gestaltet werden können.
In jedem Unternehmen wird es Situationen geben, in denen Mitarbeiter anderen Personen etwas verständlich erklären müssen. Sie sollten das Modell also kennenlernen, beherrschen und deshalb trainieren. Aber nicht als Trockenschwimm-Übung, sondern anhand eines Beispiels der eigenen beruflichen Praxis.

Nehmen wir als Beispiel das Preis-Konditionsmodell eines Herstellers. Er hat das Konzept eines Wettbewerbers gesehen und ist begeistert. So etwas möchte er für seine Produkte nun auch einführen. 
Eine Task-Force entwickelt ein komplexes Modell von Preiskonditionen für die Kundengruppen Handel und Handwerk. 
Für die Programme Standard, Classic und Exklusiv werden Rabatte und Boni entwickelt, die Umsatzziele, Absatzziele und Herstellertreue honorieren sollen. Das Kundenheft mit Berechnungsbeispielen wächst auf 30 Seiten Umfang.
Die 175 Mitarbeiter im Außendienst sollen nun trainiert werden, dieses Modell den Kunden in seinen wesentlichen Grundzügen zu vermitteln.

Der Beauftragte Trainer wird sich zunächst mit dem Konditionsmodell intensiv vertraut machen. In einer Situationserhebung im Unternehmen spricht er mit Experten: Verkaufsleiter, guten und nicht so guten Außendienstmitarbeitern und Kunden über das neue Modell. Argumente und Einwände das Modell betreffend werden ermittelt.
In einem Workshop mit den Spitzenverkäufern werden Argumente für das Konzept und Erwiderungen bei Kundeneinwänden gesammelt.
Die Ergebnisse werden aufbereitet und ins Internet gestellt. Hier hat auch jeder 
Außendienstmitarbeiter die Möglichkeit neue Einwände und Argumente einzustellen.

Ein professionelles Video mit einer idealen Präsentation wird entwickelt.
Ein zweitägiger Workshop mit jeweils 12 Außendienstlern wird durchgeführt; Inhalt: Das Verständlichkeitsmodell und die Umsetzung des Modells auf das Preissystem. Das Videomodell einer Präsentation beim Kunden mit vor Ort entwickelter Visualisierungshilfe wird präsentiert und diskutiert.
Diskussion der wichtigsten Einwände und ihrer Entkräftung.
Jeder Teilnehmer erhält das Video und den Hinweis auf die Internet-Unterstützung.
Jeder Teilnehmer erhält die Aufgabe, das Video mehrfach anzusehen, anschließend soll er mit Kollegen im Rollenspiel die Präsentation üben und dem Trainer eine Videoaufzeichnung senden.

Durchführung eines zweitägigen Kleingruppenintensivtrainings mit jeweils vier Teilnehmern. Im ersten Teil präsentieren die Teilnehmer das Preismodell, es wird eine Videoaufzeichnung gemacht und mit jedem individuell besprochen. Anschließend erhält jeder Teilnehmer eine zweite Übungsmöglichkeit, in der er die Verbesserungsempfehlungen umsetzen kann.
Jeder Teilnehmer wird vom Trainer einen Tag im Feld begleitet und bei seinen Präsentationen beim Kunden beobachtet, anschließend werden jeweils Feedbackgespräche durchgeführt.

Der Trainer berichtet dem Unternehmen und empfiehlt für einen Teil der Außendienstler ggf. ein Aufbauseminar, da er festgestellt hat, dass die Einwände gemessen an. kommunikationspsychologischen Maßstäben unprofessionell behandelt wurden. Außerdem empfiehlt er ein Seminar, in dem das Verständlichkeitsmodell auf andere Erklärungssituationen zu übertragen ist.


Was hat das marktführende Unternehmen tatsächlich gemacht? 
Nur den Schritt 1, einen zweitägigen Workshop mit jeweils bis zu 20 Mitarbeitern.
Auf Übungen für jeden Mitarbeiter, Videofeedback und Feldtraining wurden verzichtet, auch natürlich auf Internetunterstützung, Mastervideo und Rollenspielvorbereitung.

Es ist so, als würde man einer Skigruppe zeigen, wie Skilaufen aussieht. Keiner kam jedoch so weit, sich selbst die Skier anzuschnallen.


Quellenangaben:



(1) Werbeschreiben der Birkenbihl-Gruppe GmbH „Endlich Schluss mit dem Roulette-Spiel beim Einstellungsgespräch“ vom 2.8.2000 mit beigefügtem Seminarprogramm „Rekrutierung von Gewinnertypen“ für Veranstaltungen im September und November 2000.

(2) Programmankündigung in Manager Seminare Januar 2002, S. 152.

(3) Programmankündigung in Manager Seminare Januar 2002, S. 149.

(4) Programmankündigung in Manager Seminare Januar 2002, S. 149.

(5) o.V.:„Das Angebot der Verkaufstrainer“ in: absatzwirtschaft 8/92, S.92.

(6) vgl. Pack, O.: Die wirklichen Geheimnisse der MLM-Millionäre. Strategien, Arbeitsweisen, Methoden. 2. Aufl., o.O., o.J.

(7) Meier-Maletz, M.: Checklist: Erfolgskontrolle im Verkaufstraining. Landsberg/Lech 1982

(8) Wilkens, K.: Positives denken macht krank. In: „Der Spiegel“ 30/2002, S.78 ff.

(9) o.V.: Supermann in zwei Tagen? In: test 6/2003, S.88 ff.

(10) Homepage des BDVT – www.bdvt.de

(11) Anton, F.: Gesprächsführung in Verkaufsgesprächen unter dem besonderen Aspekt der Beratung. Diss. Lüneburg 1989, S.83.

(12) Vgl.: Arnold, R., Müller, H.-J. (Hrsg.): Kompetenzentwicklung durch Schlüsselqualifizierung, Hohengehren 1999.

(13) Friedrichs, J.: Methoden empirischer Sozialforschung. Opladen 9. Aufl. 1981. (erscheint auch 2003 unverändert in Neuauflage, ein Klassiker)

(14) BDVT Homepage www.bdvt.de

(15) Inserat der Fa. Sonnenholzer in „Motivation“ 3/2000; Homepage www.sonnenholzer.de vom 28.6.2000

(16) Hey, Hans A.: Trainerkarriere, wie Sie als Trainer erfolgreich selbständig werden und bleiben, 2002.

(17) Reetz, L.: Wirtschaftsdidaktik. Eine Einführung in Theorie und Praxis wirtschaftsberuflicher Curriculumentwicklung und Unterrichtsgestaltung. Bad Heilbrunn/Obb. 1984.

(18) Bark, A.: Segelführerschein BR und Spotbootführerschein See. 20. Aufl. Bielefeld 1997, S. 201-265 und Anlage.

(19) Schulz von Thun, F.: Miteinander reden 3. Das „innere Team“ und situationsgerechte Kommunikation. Reinbek 1999, S. 118.

(20) Fisher, R., Ury, W.: Das Harvard-Konzept. Sachgerecht verhandeln – erfolgreich verhandeln. Frankfurt/New York, 9. Aufl. 1990.

(21) Meier-Maletz, M.: Checklist: Erfolgskontrolle im Verkaufstraining. Landsberg/Lech 1982

(22) Johnson, Spencer: Die Mäusestrategie für Manager. Hugendubel, Heinrich 2000.

(23) Carnegie, D.: Wie man Freunde gewinnt. Bern, München 1984.
Goldmann, H.M.: Wie man Kunden gewinnt. Essen 11. Aufl. 1984.

(24) Höcker, A.: Neue Führungskräfte braucht das Land. In BDVT-Journal 2/2002

(25) Krauß, U.: Die Well Life Balance Methode. In BDVT-Journal 2/2002.

(26) Schirm, R.W.: Die Biostruktur-Analyse 1. Schlüssel zur Selbsterkenntnis. Struktogramm. Baar 1989

(27) Neuberger, O.: Führen und geführt werden. Stuttgart 1990, S.193ff.

(28) Bandler, R., Grinder, J.: Neue Wege der Kurzzeit-Therapie. Neurolinguistische Programme, S. 10.

(29) Wilkens, K,. a.a.O.

(30) Schulz von Thun, F.: Miteinander reden 1. Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation. Reinbek 1981, S. 129ff.

(31) Küthe, E.: Warenkunde in Schule und Betrieb. Köln-Porz 1982.
Küthe, E.: Warenverkaufskunde für den branchengemischten Unterricht. Köln-Porz 3. Aufl. 1982.

 

 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 01.06.2018

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /