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Das Seil ist nur ein dünner Faden, der kurz vorm Zerreißen steht, doch so oft mich mein Mut verlassen will, ich kann nicht aufgeben. Der Schlamm raubt mir den Atem und die Sicht und doch weiß ich ja, dass da noch Land ist und so halte ich fest und schöpfe aus mir Kraftreserven, die nicht vorhanden zu sein schienen. Dann ist es soweit, der Schlamm gibt mich frei und ich lasse den dünnen Faden aus meinen blutigen Händen entfliehen. Eine Weile habe ich Zeit mich liegend aus zu ruhen, doch dieser Moment geht so rasch vorbei, als hätte ich ihn nur gedacht. Verschwindend gering die Zeit, die mir bleibt um tief Luft zu holen, als ich aus matschverkrusteten Augen die nächste Plage auf mich zukommen sehe. Eine schwarze Wolke umschmeichelt mich und wieder ringe ich nach Luft. Ich raffe mich auf und bin wieder und wieder erstaunt woher diese Kraft, die mich treibt kommen mag. Der unstillbare Hunger zerreißt mein Innerstes, doch ich könnte nicht mal Essen, wenn jetzt etwas vor mir stehen würde. Mein Hunger ist nicht Nahrungsabhängig. So schlucke ich nun nach dem Matsch, den Staub, der den letzten Rest an Lungenkapazität zu ersticken droht. Dann wird es gleißend hell. Die Sonne kämpft sich durch die Wolken, so wie ich meinen Körper, durch die Hölle und die Qualen, kämpfe. Ich reiße die Arme empor und ein unmenschlicher Schmerzensschrei entweicht meinen tauben Lippen. Eben noch stand ich da, doch nun liege ich wieder im Dreck, dem Staub des Lebens, der mich nie los lassen wird. Ich habe schon alles mir Bekannte und Unbekannte angefleht mich nicht mehr diesen Prüfungen zu unterziehen, doch sie gehören zu meinem Leben, wie das Atmen, Schlafen und Träumen. Niemals werde ich dem entgehen können, doch auch niemals aufgeben, denn so weit hat es mich gebracht und weiter geht es immer, mag sich die Qual auch noch so verderblich anfühlen während ich sie erlebe.
Ich werde an den Armen gepackt, doch kein Schmerz kann mich jetzt berühren. Ich lasse mich in eine Ohnmacht fallen und ergebe mich für eine Weile in die Hände der Retter oder der Peiniger.
Kein Licht mehr zu sehen, als ich denke, dass ich die Augen geöffnet habe. Ich muss wach sein, doch Finsternis umhüllt mich. Gleichgültigkeit ist mein Begleiter, denn hier ist es warm und weich, kuschelig und das Gefühl von zu Hause und Geborgenheit nimmt mich mit in diese Freiheit des Gefangenseins.
Gefangen in diesem Wahn aus Finsternis und eisernen Ketten vermisse ich alles und nichts. Zufriedenheit ist fern und ich fürchte mich nicht vor dem, was mit mir geschehen, was mir angetan wird und werden könnte, nein, meine Furcht entspringt der Quelle meines selbstgemachten Wahnsinns, dass ich mich nie wieder fürchten könnte.
Ich versinke in meinen Gedanken und schlafe, wache auf. Es gibt nichts, was mich an eine Lebensordnung erinnert. Es gibt keine Tageszeiten, keinen Rhythmus, dem ich mich anpassen kann. Trauer umspült mich und verfliegt mit dem Schließen der Augen. Doch selbst das bleibt nur ein vages Gefühl, denn die undurchdringliche Finsternis nimmt mir jedes Gefühl von mir, meinen Bewegungen und von meinem Selbst.
Ich versuche mich an das Leben davor zu erinnern, doch hier scheint etwas präsent zu sein, was es nicht zulässt. Schauder jagen mir über den Körper und verspannen mich. Angespannt horche ich in die Dunkelheit, doch es gibt kein Geräusch, was etwas über meinen Aufenthaltsort verraten könnte.
Dann trifft mich das Licht wie ein Blitz, der von meinen Augenlidern durch meinen ganzen Körper schießt. Ich fühle mich auf mein Lager gepresst. Meine Arme kann ich nicht heben, sie sind wie gelähmt, erst später, als ich langsam ins Licht blinzeln kann, bemerke ich, dass ich gefesselt bin.
Was für ein irrsinniger Traum, doch so sehr ich mich anstrenge, ich kann daraus nicht erwachen.
Ich hänge an silbernen dünnen Fäden, die nachgeben bei jeder Bewegung, doch entkommen kann ich ihnen nicht. Sie halten mich fest, lassen mich Freiheit ahnen und nehmen mir doch die Bewegungsfreiheit. So liege ich hier und versuche mich zu orientieren. Ich sehe nur das Licht, meinen Körper auf einer metallenen Liege und einen hellen, leeren Raum. Dann fällt ein Schatten auf mich. Mir bleibt die Luft weg, weil furcht mir die Kehle zuschnürt, als ich unter eine Glasscheibe eingesperrt werde. Dieser Alptraum muss ein Ende nehmen, doch ich erwache nicht, so sehr ich mich auch aus dieser Situation heraus wünsche. Alles stille Flehen ist ein Blatt im Wind welches zum Schluss doch auf die Erde fällt um dort zu vergehen.
Dann fällt ein Schatten auf mich. Ich bin zu verwirrt, um zu begreifen was ich sehe. Es wird kalt und etwas tropft auf mich herunter. Ich muss mich anstrengen nicht die Sinne und den Verstand zu verlieren. Ein Monster aus blauem Schleim ist über mich gebeugt. Statt Händen hat es Saugnäpfe, die meinen Körper abtasten. Das saugende Geräusch was sie verursachen, wenn sie von meiner Haut gezogen werden treibt mir ein Lachen ins Gemüt. Langsam fange ich mich und meine Furcht wird durch meine Neugier im Zaume gehalten. Ich muss wissen, was mit mir geschieht.
Das Biest hat so große Augen und ich bin an das arme Rotkäppchen erinnert. Doch mir will scheinen, dass dieser Wolf nicht vom Hunger getrieben ist. Neugier strahlt er aus, doch das macht meine Lage auch nicht besser. Die Augen, so groß und silbrig glänzend, haben eine Iris aus blauem Meer, dass ich mich verschwommen selbst betrachten und darin schwimmen kann. Ein Traumbild im Dasein. Ich bin entzückt und abgestoßen zugleich von diesem Lebewesen, welches noch immer mit seinen Saugnäpfen meinen Körper ertastet. Ich kann mit den Fingerspitzen einen Tentakel spüren und bekomme das Gefühl von Wärme und Geborgenheit übermittelt, doch beruhigend ist es nicht wirklich, da ich mich bloß gestellt fühle, so festgeschnallt auf diesem Tisch.
Was nützt es mich zu fragen, wie ich hier hinein geraten bin, doch ich tue es, um mich am Leben zu halten. Wieder und wieder werde ich von den Kreaturen in mein dunkles Verließ gesperrt und dann und wann ins Licht geschoben und betastet. Ich wollte der Freiheit entgegen laufen, nahm das erste Raumschiff auf einen neuen Planeten, um dort mein Glück zu versuchen, um zu finden und zu leben, wie ich es mir in den schönsten Träumen ausgemalt hatte, doch es lief alles nur darauf hinaus als Versuchsobjekt bei Ihnen zu landen.
Sie verlieren nicht die Lust an mir. Nein, es ist, als ob sie sich an mich klammern, doch was könnte ich ihnen geben, ist die Frage, die mich beschäftigt. Die Haftbedingungen werden gelockert. Ich bekomme etwas zum Anziehen, es sind Hose und Hemd. Der Stoff ist mir gänzlich unbekannt, er schmiegt sich wie eine zweite Haut an meinen Körper und nach und nach werde ich gewahr, dass er wie ein Stimmungsbarometer ist und je mehr ich mich mit meiner Gefühlswelt beschäftige, desto leichter fällt es mir mich unter Kontrolle zu halten, damit sie an den Farben meiner Kleidung nicht meinen Gemütszustand ablesen können. Schnell habe ich herausgefunden, dass es nur blau und rot gibt, doch in hellen bis dunklen Färbungen. Blautöne sind ein Zustand des Wohlbefindens und rote sind die der Furcht.
Ich versuche alles, mich in die Gemeinschaft, die sie mir diktieren einzufügen, doch das will mir nicht immer gelingen. Doch ich bin stolz auf jede kleine Rebellion und sei es nur, dass ich nicht esse, was mir vorgesetzt wird. Die Zeit ist gespickt mit Abläufen, die sich wieder und wieder wiederholen, wie
Perlen an einer Schnur, die locker an ihr gedreht werden können und nur aus diesem Trott auszubrechen vermögen, wenn der Faden dünn geworden ist und reißt.

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Tag der Veröffentlichung: 03.09.2010

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