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Prolog:
Wenn man heutzutage auf die Straße geht, sieht man viele Menschen. Es gibt viele verschiedene Stilgruppen. Aber habt ihr schon oft jemanden getroffen, der so richtig verrückt und gestört aussieht?? Vermutlich nicht. Denn wenn man sich von den anderen unterscheidet, wird man nicht sehr gut aufgenommen. Die Menschen haben Angst vor dem Anderssein, vor den Unterscheidungen. Und wer will schon alleine sein, ohne Freunde? Keiner.
Nun ja, ich bin einer von denen. Mein Name ist Polydor und bin 22 Jahre alt. Na ja, eigentlich bin ich nur vier Jahre alt, da ich am 29. Februar Geburtstag habe. Das ist erst der Anfang meiner verrückten Geschichte.




1. Kapitel:

„Ach, Kleopatra! Jetzt hast du schon wieder auf mein Sofa gekackt!“, rief ich meiner felllosen Katze (man nennt sie Sphinx) zu. „Warum hast du wohl ein Katzenklo?“
Kleo miaute. Ich hatte sie nicht wirklich gut erzogen, deswegen konnte ich ihr nicht böse sein.
Jetzt stand ich in meinem kleinen Wohnzimmer in meiner kleinen Wohnung in einem kleinen, blauen Haus mit roten Türen und ärgerte mich. Die Wand, vor der das Sofa stand, war schwarz. Das passte perfekt zu meiner Laune. Jede Wand in meiner kleinen Wohnung hatte eine andere Farbe – blau, rot, schwarz, violett und noch viele andere.
Natürlich hatte ich überhaupt keine Lust, Kleos Kot wegzumachen, doch was blieb mir anderes übrig??
Heute hatte ich eigentlich etwas anderes vor, als mich mit meiner Katze zu beschäftigen. Ich wollte in die Stadt, um ein paar Einkäufe zu erledigen.
Nachdem das rote Sofa, das übrigens sehr bequem war, obwohl ich es im Ausverkauf gekauft hatte, wieder sauber war, zog ich mich um. Mein Pyjama mit dem Bärenaufdruck war kein besonders gutes Outfit für einen Stadtbummel. Der Pyjama war schon alt, ich hatte ihn vor ein paar Jahren zu Weihnachten bekommen. Da er so bequem war, hatte ich ihn noch immer.
Ich zog mir meine Lieblingshose an, sie war selbstgemacht. Dafür hatte ich ein paar der bunten Hemden meines Vaters zerschnitten und Teile daraus zusammengenäht. Daraus entstand eine Hose mit Karo- Punkt- und Streifenmuster in acht verschiedenen Farben.
Früher war mein T-Shirt weiß gewesen, doch nun war es voller bunter Comicfiguren. Auch das Shirt war von mir. Es war mein ganzer Stolz, da es viel Arbeit war, die Figuren von Mickey Mouse, Donald Duck und Co. mit Filzstift aufzumalen.
Mein Outfit war noch nicht komplett. Der Cowboyhut, den mir meine Mum aus den USA mitgebracht hatte, fehlte noch. Auch den hatte ich ein bisschen umgestaltet. Eine große, blaue Masche klebte jetzt daran und ich hatte eine Hälfte des Hutes in grüne Farbe getaucht.
Da die Sonne momentan schien, setzte ich auch noch meine bunte Pilotensonnenbrille auf.
Am liebsten laufe ich barfuss durch die Straßen, doch da meine Füße dann immer furchtbar schmutzig waren, zog ich mir Flipflops an, die natürlich auch viele Farben hatten.
Mein wichtigstes Accessoire fehlte jedoch noch: Kleopatra. Ich ließ sie nie alleine zuhause, sondern nahm sie mit ihrer rosaroten Leine überall hin mit, wohin ich ging.
Vielleicht sollte ich euch an dieser Stelle ein bisschen über mich erzählen. Ich arbeitete halbtags in einem Kaufhaus, doch mein Hauptberuf war Maler. Meine Bilder waren sehr kreativ, mit vielen Farben und Formen.
Ich hatte keine Freundin, alle Frauen fanden mich zu verrückt, doch die kannten mich nicht.
Auch wenn ich so durchgeknallt wirkte, ich hatte einfach zu viel überschüssige Kreativität, die man an mir selbst bewundern konnte. Das war zumindest meine Ausrede, vermutlich stimmte mit mir wirklich etwas nicht.
Das mit den Frauen machte mich schon traurig. Wer sehnt sich nicht nach einer Seelenverwandten?


2. Kapitel:

Der Weg in die Innenstadt war nicht weit, ich musste nur fünf Minuten lang gehen. Wir kamen an vielen Geschäften vorbei, doch ich warf immer nur einen flüchtigen Blick in die Auslage.
Kleo saß wie immer auf meiner Schulter. Sie genoss unseren kleinen Spaziergang sehr, da sie ja nur dasitzen und sich nicht bewegen musste.
Es war Samstag, und heute hatte ich frei. Auf den Straßen herrschte dichtes Gedränge, alle hatten es eilig.
Ich wusste, dass alle mich wegen meiner Klamotten anstarrten, doch mir war es egal. Das war mein Stil, das war ich. Und wer etwas dagegen hatte, soll sich nicht aufregen. Wie immer hörte ich aber Getuschel und Gekichere hinter mir..
Als erstes ging ich in einen großen Laden für Kunstbedarf, ein schönes, modernes Gebäude mit fünfzehn Angestellten, und kaufte mir ein paar neue Pastellfarben.
Kaminrot, Grasgrün, Himmelblau und Sonnengelb.
Als ich mit eine vollen Einkaufstasche aus dem Laden herausging, schaute ich auf die andere Straßenseite.
Und dann sah ich sie.
Lange, schokoladenbraune Haare, eine blaue Nerdbrille auf der Stupsnase und große Augen. Ich blieb stehen, starrte sie an. Sie war nicht wunderschön, doch ihre Kleidung hatte mich auf sie aufmerksam gemacht. Das Mädchen trug ein buntes Sommerkleid mit Comicfiguraufdrucken, darunter eine Leggings aus verschiedenen, bunten Stoffen und Flipflops. Als sie merkte, dass ich sie anstarrte, musterte sie mich schüchtern, dann verzog sie ihren Mund zu einem Lächeln. Ihre Zähne waren weiß wie Schnee.
Vorher hatte ich nicht an Liebe auf den ersten Blick geglaubt, doch nun war mir total klar, was damit gemeint war.
Ich lief über die Straße, ohne zu schauen, ob ein Auto kam. Das war mir in diesem Moment total egal. „Wow!“, rief ich, als ich bei der jungen Frau ankam, die ich um die 20 schätzte.
„Mein Name ist Polydor. Darf ich fragen, wie du heißt?“, sagte ich schüchtern.
Die Unbekannte lächelte mich an. „Ich heiße Alma!“, grinste sie.
„Wie wäre es mit einem Cappuccino?“, fragte ich sie. Alma verzog das Gesicht. „Mir wäre ein Eis lieber!“
Ich wollte ich ihr nicht sagen, dass auch ich Eis bevorzugte. „Eis. Was auch immer du willst!“, lächelte ich. Das Eiscafe befand sich gleich um die Ecke. Als wir hereinkamen, sahen uns alle doof an. Wahrscheinlich dachten alle, wir würden absichtlich im Partnerlook gehen.
Wir setzten uns an einen Tisch in die Ecke. Ich liebte die bequemen, blauen Stühle mit den roten Polstern.
Als Alma bei einem großen, korpulenten Kellner mit blonden Haaren bestellte, verschlug es mir die Sprache. „Für mich eine Kugel Apfel, eine Kugel Melone und eine Kugel Zitrone, mit Schokoladen- und Erdbeersoße, Mandelsplittern und viel Schlagsahne, bitte!“ Sie lächelte den Kellner lieb an. Um ihn noch nicht mehr mit meiner vorgehabten Bestellung (Ananas, Cappuccino und und Kiwi, mit Vanillesoße, Melonensoße, Zimtstreuseln und Karamellstreuseln) zu verwirren, sagte ich einfach: „Für mich das gleiche. Und bringen sie bitte ein bisschen Wasser für die Katze.“
Alma grinste. „Da haben wir wohl den gleichen Eisgeschmack!“
„Hauptsache verrückt!“, sagte ich. Dann fingen wir laut zu lachen an.
„Das Schicksal hat uns zusammengeführt!“, prustete Alma und wir lachten noch lauter. Die Leute guckten uns schief an, doch wir ignorierten sie.
Als der Kellner wieder kam, hatte er zwei große Eisbecher und eine Schüssel auf dem Tablett.
„So, zweimal Apfel, Melone und Zitrone und Wasser für die Katze. Lasst es euch ... schmecken.“
Wir wechselten einen belustigten Blick, so, als würden wir uns schon ewig kennen.
Ein paar Minuten schwiegen wir und aßen nur das Eis. Ich blickte immer wieder zu Alma, um sie zu beobachten. Eine Locke ihres schönen, braunen Haares fiel ihr immer ins Gesicht, wenn sie sich den Löffel in den Mund schob. Erst jetzt viel mir auf, wie hübsch sie wirklich war. Vorhin hatte ich nur auf ihre Kleidung geachtet und ihr nicht wirklich ins Gesicht geschaut.
Ihre langen Locken umspielten ihr Gesicht und ihre Wangen waren leicht gerötet.
„Ist was?“, fragte sie mich. Ich bemühte mich, wegzusehen. Dann sagte ich: „Nein, sorry. Ich bin nur noch immer so überrascht.“
Alma grinste mich an. Dann verwickelte sie mich in ein Gespräch, sie erfuhr einiges von mir und ich einiges von ihr. Ihr Name war Alma Huber, sie war 19 Jahre alt, studierte Philosophie und wohnte in einem Studentenwohnheim. Wir unterhielten uns eine ganze Stunde, ich erzählte ihr von meinen Bildern.


3. Kapitel:

Irgendwann machte sich Kleo bemerkbar, als sie auf den Boden pinkelte. Der Kellner wischte es weg und ich entschuldigte mich schnell.
„Ich glaube, Kleo hält es hier nicht mehr aus ...“, sagte ich entschuldigend zu Alma.
Diese meinte: „Kein Problem, ich muss jetzt sowieso los. Hier, meine Adresse.“
Alma gab mir einen Zettel mit ihrem Namen, ihrer Adresse und ihrer Telefonnummer.
Ich schrieb ihr meine Daten auch auf, dann gaben wir uns die Hand und verabschiedeten uns.
Richtig glauben konnte ich das immer noch nicht. Alma lachte, dann bezahlte sie und ging hinaus.
Ich saß noch ein paar Minuten still da, dachte über die letzte Stunde nach. So etwas hatte ich noch nie erlebt. Das war Schicksal.
Mir war klar, dass ich Alma heute nicht zum ersten und letzten Mal getroffen hatte.
Meine Mutter hatte einmal zu mir gesagt, die große Liebe zu finden, wäre unfassbar schwierig. Wie sollte man auf dieser riesengroßen Welt mit so vielen Menschen den einzig Richtigen finden? Das war praktisch unmöglich. Aber irgendwie schaffen es doch so viele Menschen, bis zu ihrem Lebensende mit einer Person glücklich zu sein.
Als sie das zu mir gesagt hatte, ich glaube, damals war ich 11, schwor ich mir, dass das bei mir genauso sein würde. Dass ich irgendwann die Richtige finden würde.
Damals war ich noch jung, ich trug die Klamotten, die meine Mutter mir kaufte und war ganz normal. Aber als ich begonnen hatte, mich anders zu kleiden, wurde mir klar, dass ich die wahre Liebe wahrscheinlich nie finden würde. Ich hatte vorher schon einmal erwähnt, dass die Menschen Angst vor dem Anderssein haben. Und dass die Menschen, die nicht so aussehen wie sie, nicht so aufgenommen werden wie die, die ähnlich aussehen, wie sie.
Aber wenn sich zwei Menschen finden, die anders sind? Die von den Anderen, den „Normalen“, beide nicht aufgenommen werden? Die, die für die anderen „Unnormalen“ normal sind?
Also werden sie von dem anderen „Unnormalen“ vermutlich gerne aufgenommen.
Man ist eben nicht gerne allein.

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Tag der Veröffentlichung: 07.08.2010

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