„Wir müssen es tun Liebling!"
„Ich will sie nicht verlieren, sie ist doch nicht die Einzige."
„Bei ihm wird sie eine ganze Zeit lang sicher sein."
„Wieso kann sie denn nicht bei uns bleiben?"
„Du weißt, sie ist nicht sicher bei uns."
„Du hast recht."
Als mein Stiefvater am nächsten Tag aus dem Haus gehen wollte, stolperte er beinahe über mein noch kleines Ich. Auf mir lag ein in Eile geschriebener Brief, den er an sich nahm. „Maria! Kommen Sie schnell, geben Sie dem kleinen Ding etwas zu essen und kümmern Sie sich um sie, wenn ich weg bin", rief er in das damals schon große Haus hinein. Es kam eine schön gekleidete Zofe, die mich zu sich nahm und mit ihren eisblauen Augen ansah.
Lieber Onkel,
die Zeit ist gekommen, wir hatten keine andere Wahl als sie bei dir zu lassen. Ich hoffe, du kümmerst dich gut um sie. Du weißt doch, was zu tun ist. Ich habe sie sehr lieb, doch bitte sag ihr, dass ihre Eltern nicht mehr leben. Denn sobald du diesen Brief liest, sind wir schon auf dem Weg zur Isla der Chreens und werden dort versuchen, uns ein neues Leben aufzubauen. Ohne Angst und ohne Leid. Liebster Onkel, ich weiß, es fällt uns allen sehr schwer, ich hoffe, dass ihre Gabe noch lange im Verborgenen bleiben wird.
Doch achte auf denKönig, ihm ist nicht zu trauen! Lebe wohl und hüte das Geheimnis gut.
Deine Scarlett
PS: Das Kind soll Emilia heißen.
Ich war von klein auf schon sehr seltsam gewesen, denn ich konnte Wünsche erfüllen. Ich persönlich habe keine Ahnung weshalb das so war. Meine Eltern hatten, als ich noch nicht ganz einen Monat alt war, mich zur Adoption freigegeben. Jetzt lebte ich bei einer sehr reichen und prunkvollen Familie, im Königreich Planrath, dessen Tochter doppelt so alt war als ich und kam mir total fehl am Platz vor. Wir wohnten in einem sehr großen Haus, in dem in jedem Zimmer mindestens ein Kronleuchter hing. Die Räume waren sehr verschieden, denn sie wurden nach den verschiedensten Themen eingerichtet. In meinem kleinen Kabuff hing der Kleinste. Es war auch im ganzen Haus das kleinste Zimmer, jedoch auch das gemütlichste. Zu meinem Erstaunen hatte sogar noch ein Kamin in der hinteren linken Ecke Platz gefunden. Im Moment lag ich auf meinem kleinen kuscheligen Bett und dachte darüber nach, was mich am heutigen Tag erwarten würde, als es plötzlich an meiner Zimmertür klopfte.
„Herein?", frage ich mit ruhiger Stimme. Die Tür ging leise, knarrend auf und Luzie stand auf der Diele. „Guten Morgen, Schwesterherz", sagte sie verschmitzt. Das war meine Stiefschwester. Aus irgendeinem Grund beneidete ich sie, da sie es fertigbrachte alle Männer, die ihr Vater für sie ausgesucht hatte, abzuweisen. Sie war eine hochgewachsene und gutaussehende Frau, wenn sie nicht immer so streng dreinschauen würde. „Was gibt es?", wollte ich wissen, doch als Antwort kam nur: „Es gibt Frühstück. Wir erwarten dich im Speisesaal." Und schon machte sie kehrt und lies mich in meinem Zimmer zurück. So ging das immer zwischen ihr und mir, wir tauschten nie richtig Worte aus. Das machte mich leicht traurig, aber damit musste die ganze Familie auskommen. „Emilia, wo bleibst du denn!? Das Essen wird kalt!", schrie es von unten zu mir. Das war Vater. Wenn er ruft muss man gehorchen. Das ist Pflicht in unserem Haus. „Ich komme!", rief ich ihm genervt zurück. So ging ich den mit dunklem Holz verzierten Gang entlang. Die dunkelroten Vorhänge ließen alles noch finsterer erscheinen. An der großen geschwungenen Treppe angekommen, die ebenfalls mit einem dunkelroten Teppich überzogen war, ging ich hinunter. Überall hingen seit einer Weile diese Tierköpfe. Ich fand es schauderhaft. Sie beobachteten einen mit ihren dunklen, leblosen Augen ganz genau was man tat und ich bemühte mich, jeden Schritt den ich von Stufe zu Stufe ging, behutsam leise zu gehen. „Wo bleibt die denn?", fragte Luzie. Nun stand sie plötzlich unten an der Treppe und wollte zum Rufen ansetzen, doch ich fiel ihr ins Wort: „Ich bin ja schon da!". „Na endlich es gibt etwas wichtiges zu besprechen.", meinte sie verlogen auf dem Weg zu dem köstlich riechenden Duft aus dem Speisesaal. Ihr rotblondes Haar wirkte noch feucht, so als hätte sie erst ein frisches Bad genommen. „Guten Tag, Vater. Entschuldige die Verspätung, ich habe nur etwas nachgedacht.", sagte ich entschuldigend zu ihm. Der lange Tisch war gedeckt mit den tollsten Leckereien, die man sich nur vorstellen konnte. Ich setzte mich gegenüber meines Stiefvaters hin und aß. „Wir müssen dir etwas sagen, Emilia.", fing mein Stiefvater an, „der König möchte dich sehen und das so bald wie irgend möglich." Er blickte mich durch seine schmalen, kleinen Augen an. Seine Haut wirkte heute noch blasser und die Falten, die immer mehr zu werden schienen, wirkten sehr tief und dunkel. Er hatte wesentlich abgenommen und sah klapprig, wie eine Ritterrüstung aus.
„Weshalb denn Vater?", nun war ich hellwach. „Ich weiß es nicht. Der Bote hatte mir nur überliefert, dass es dringend sei", antwortete er nachdem er sein Glas abgehetzt hatte. Die Vorstellung davon was mich erwarten würde, ließ mich erschaudern. Ich wollte mir so etwas nicht vorstellen, doch es gelang mir nicht, es nicht zu tun. „Dann sollte ich besser losgehen oder nicht?", fragte ich Mit vollem Mund in die Runde. „Sicher solltest du, doch zuerst wird leergegessen, du weißt wie die Köchin sauer werden kann", sagte Luzie schnippisch und hob den Finger. „Ja , mach ich, keine Sorge", antwortete ich und bemühte mich, das Essen nicht auf sie zu werfen. Mir fielen einige Haarsträhnen ins Gesicht und hielten mich von diesem dampfenden etwas vor mir ab, es in meinen Mund zu schieben.
Nach einer Weile fragte mich Luzie: „Bist du dann mal fertig?". „Ja, bin ich. Ich geh dann mal los, es ist ja nicht weit weg", sagte ich mit Erleichterung und stand auf. So lief ich in den Flur und zog mir meinen Umhang über. Mit der rechten Hand stieß ich die Tür auf. „Tschüss!", rief ich und stand nun auf der Einfahrt für die Kutschen. Der helle Kies knirschte unter meinen Füßen. Von der Ferne drangen Rufe und das Getrampel der Pferde an meine Ohren. Der Duft der vielen Bäume, die Blüten trugen, drang in meine Nase. Ich lief die lange Einfahrt hinaus und bog, an unserem geschwungenen Tor, in die große Straße ein. Heute war wieder viel los, das merkte ich, als mich eine ältere Dame an meckerte: „Pass doch auf!". „Entschuldigen Sie, es war nicht meine Absicht", brachte ich, leicht unter Schock stehend, aus mir heraus. „Ja ja, ihr jungen Leute von heute...", beschwerte sie sich weiter, doch ich ging diesmal nicht darauf ein und lief weiter, um mich auf den Weg zum Schloss zu machen. Unterwegs kam ich an den verschiedensten Läden vorbei. An einem Bäcker, der mir immer freundlich grüßte, an dem kleinen Schmuckladen, wo der Schmuck meiner Meinung nach viel zu teuer verkauft wurde und an der königlichen Schmiede. Dort hatte ich es schon immer sehr aufregend gefunden, wie der Schmied all die Waffen und Werkzeuge herstellte. „Du bist auf dem Weg zum König?", fragte mich der Lehrling des Schmiedes. „Ja woher weißt du das?", fragte ich verblüfft. „Das weiß doch schon die ganze Stadt", meinte er darauf und grinste frech. Ich zuckte mit den Schultern, verdrehte die Augen und ging.
Das Schloss war das prachtvollste in diesem Reich, nun ja, auch das Einzige. Es hatte sechs Türme und eine hohe Mauer, die es vor Eindringlingen schützte. Das Tor war das stabilste das ich je in meinem Leben gesehen hatte und die Wachen, die Besten, die ich kannte. Als ich vor dem Großen
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Tag der Veröffentlichung: 28.01.2012
ISBN: 978-3-7396-1958-3
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Ich widme dieses Buch den Leuten, auf die ich mich immer verlassen konnte, da sie immer in den unterschiedlichsten Situationen für mich da waren. Danke, dass ihr mir all das ermöglicht habt