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Es war einmal


Der Schlüssel klimperte im Schloss und schon öffnete sich die Tür. Ein leises "Schatz?" hallte durch die Wohnung. Ich rannte auf ihn zu und umarmte ihn. Er drückte mich fest an sich und vergrub sein Gesicht an meinem Hals. Er roch so gut. Ich liebte es wenn er mich so hielt. Wir standen etwa fünf Minuten so im Flur. Dann hob er den Kopf, schob mich sanft weg und sah mich liebevoll an. Diese Augen ! Diese unglaublichen, großen braunen Augen. Dann drückte er mir einen kleinen Kuss auf und lächelte verschmitzt. Er kramte kurz in seiner Hosentasche und verstecke die Hand hinter seinem Rücken "Was glaubst Du, was ich heute so ganz nebenbei entdeckt habe?" Ich versuchte um ihn herumzuschauen "Weiß ich nicht! Zeigst Du es mir?" Er hielt mir die Hand vor die Augen "Tadaaa!" Er nahm die Hand weg und was ich stattdessen sah ließ mich vor Freude aufkreischen. Theaterkarten ! Ich fiel ihm um den Hals und knutschte ihn ab. "Warte, warte! Das war noch nicht alles! Ich will ja dass Du heute Abend die Schönste bist. Obwohl, das wärst Du auch wenn Du in Jogginghose und Schlapper-Shirt hingehen würdest." "Ungeschminkt und nicht gekämmt?" "Selbst dann" Ich wurde rot, ich wusste schon warum es kein Fehler war ihn zu nehmen anstatt auf meine Mutter zu hören und den schleimigen Arzt, der zwar einen Haufen Geld aber auch einen Haufen Steine in der Brust hatte, zu nehmen. Mein Freund drehte sich einmal kurz zu der Tasche die mir bis dahin gar nicht aufgefallen war und holte ein Kleid heraus. Für mich ! Mein Freund hatte mir tatsächlich ein Kleid gekauft! Nicht irgendein Kleid. Es war DAS Kleid. Es war rot, mit Pailletten besetzt, Rüschen und wunderschönen, silbernen Stickereien. Ich hatte es wochenlang in einem Klamottengeschäft bewundert. „Wow, Schatz ! Danke!!! Wann fahren wir den los?“ fragte ich voller Ungeduld. „Sobald ich Du mich loslässt und ich mich wenigstens umziehen kann“ lächelte er. Ich war so aufgeregt. Ich zog das schöne Kleid an, schminkte mich und versuchte meine Haare einigermaßen ansehnlich hinzukämmen. Dann kramte ich das teure Parfum raus welches er mir zum Geburtstag geschenkt hatte. Ich wollte heute besonders hübsch sein. Mein Blick fiel, wie so oft, auf meinen rechten Ringfinger. Dort funkelte mich ein kleiner, silberner Ring mit einem Swarovski Kristall an. Wir waren jetzt schon fast ein Jahr verlobt und wollten im nächsten Sommer heiraten. Wieder lächelte ich bei dem Gedanken daran wie süß und schüchtern er war als er mir den Antrag gemacht hatte. Nach etwa 20 Minuten war ich fertig und wirbelte aus dem Bad. Dabei stolperte ich natürlich und landete – genau in den Armen meines Verlobten. Er war eben immer dann da wenn ich ihn besonders brauchte. Er stellte mich wieder hin und sah mich an. „Gefall ich Dich?“ fragte ich schüchtern. „Du bist wunderschön. Heute Abend werden sehr viele Männer neidisch auf mich sein.“ Spontan passte sich mein Gesicht meinem Kleid an – ich wurde knallrot. Ich sah ihn mit glühenden Wangen an. Er sah so wahnsinnig gut aus in seinem Anzug. „Ich werde Dich dann wohl heute Abend nicht mal alleine auf die Toilette gehen lassen können. Die Mädels würden Schlange stehen nur um mit Dir ausgehen zu dürfen.“ Am liebsten wäre ich wieder rot geworden. Wir waren jetzt schon knapp 3 Jahre zusammen aber wir waren immer noch verliebt wie am ersten Tag. „Die werden ebenfalls grün vor Neid wenn sie Dich sehen.“ Dann nahm er die Schlüssel, hielt mir die Tür auf und wir gingen zum Auto.

Aber wo bleiben meine Manieren? Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Amy. Ich bin 21 Jahre alt, 1,59m klein und habe etwas mehr auf den Rippen als die anderen Mädchen in meinem Alter (mein Schatz meint immer das wäre meine Schönheit, da ich nicht besonders groß bin musste sie sich eben mehr zur Seite ausdehnen). Mein Verlobter heißt Jan. Er ist etwa 1,87m groß, hat Rehbraune Augen, ist schlank und einfach ein Traum von einem Mann. Lieb, rücksichtsvoll und manchmal ein kleiner Spinner. Aber das liebe ich so an ihm. Wenn es mir nicht gut geht schafft er es immer mich aufzumuntern. Wir haben beide super Jobs, ein gutes Einkommen und eine wunderschöne Wohnung. Das klingt doch alles super, oder? Ja, finden wir auch. Aber es gibt einen kleinen Harken – ich bin tot. Wie das fragt ihr euch? Ja, das kann ich euch erzählen.

Die Diagnose


Wir waren auf dem Rückweg vom Theater. Es war ein wunderschöner Abend. Erst die Vorstellung, dann waren wir noch etwas essen. Es hätte nicht schöner sein können. Als wir auf der Autobahn waren schaltete er den Tempomat rein und griff nach meiner Hand. Er sah kurz zu mir und lächelte. Oh ja, wir liebten uns immer noch wie am ersten Tag. Nach etwa 2 Stunden Fahrt kamen wir zu Hause an. Inzwischen brachten mich meine Füße um. Wer hat den bloß diese Absatzschuhe erfunden? Das war mit Sicherheit ein Mann. Ich nahm mir fest vor mal ein ernstes Wörtchen mit der Person zu reden falls ich diese mal treffen sollte. Aber noch bevor ich auch nur 5 Schritte tun konnte hob Jan mich hoch und trug mich in die Wohnung. Auf den wunderschönen Abend folgte eine nicht weniger schöne Nacht.
Inzwischen war der Theaterbesuch zwei Wochen vergangen. Auf einmal ging es mir immer schlechter. Mir wurde leicht schwindelig und ich schwitzte nachts wie verrückt. Tagsüber taten mir alle Gelenke weg und ich bekam Fieber. Irgendwann überredete mich Jan zum Arzt zu gehen. Erst weigerte ich mich aber als es nicht besser wurde willigte ich ein. Der Arzt untersuchte mich und schrieb mich erst Mal für eine Woche krank. Dann schrieb er mir noch ekelhafte Medizin auf. Aber es half alles nichts. Also gingen wir wieder hin. Diesmal wurde mir Blut abgenommen. Das war eine ziemlich schlechte Idee. Ich weiß nur noch dass die Schwester mir die Nadel in den Arm stach, dann wurde alles schwarz. Als ich wieder zu mir kam saß mein Verlobter neben mir und hielt meine Hand. Er bemerkte dass ich wieder wach wurde und drückte liebevoll meine Hand. „Oh Schatz. Du hast mir wirklich Angst gemacht!“ Er drückte mir einen Kuss auf die Stirn. „Sorry“ flüsterte ich. Zu mehr kam ich nicht den die Tür ging auf und die Schwester kam wieder ins Zimmer. „Oh, Sie sind wieder wach! Was für ein Glück, Sie haben uns ziemlich erschreckt.“ Ich grinste entschuldigend. „Wir werden Ihre Blutproben ins Krankenhaus schicken. Unsere Geräte können nicht genau sagen was Sie haben könnten. Aber ich gehe nicht davon aus das es was Schlimmes ist“ fügte sie hinzu als sie unsere erschrockene Blicke sah. „Wir werden Sie anrufen wenn wir die Ergebnisse haben. Aber wenn Sie wieder aufstehen können, können Sie gerne nach Hause. Aber ruhen Sie sich ja aus!“ Ich setzte mich auf. „Ich glaube darauf wird auch genau geachtet“ sagte ich während ich Jan ansah. Er nickte ernst.
Wir fuhren auf dem schnellsten Weg nach Hause. Dort angekommen trug er mich wieder die vier Stufen hoch damit ich mich ja nicht anstrengte. Er war so lieb. In der Stube angekommen, wurde ich vorsichtig auf die Couch gesetzt und mit Decken, Kissen, meinem liebsten Kuscheltier und Tee überhäuft. Ich guckte auf die Uhr. Vierzehn Uhr. Erschrocken sprang ich auf – was ich auch gleich wieder bereute. Sofort war er an meiner Seite und guckte mich besorgt an.
„Hast Du Schmerzen?“ „Nein, das nicht. Aber Du hast Spätschicht. Ich muss Dein Brot machen!“ „Bleib ruhig Süße. Ich hab mich mit krankschreiben lassen. So kann ich mich immer um Dich kümmern.“
Ich hab eben doch den tollsten Mann der Welt. Naja, nicht ganz mein Mann aber immerhin so was in die Richtung.

Drei Tage später rief das Krankenhaus an. Ich soll doch mal vorbeikommen. Am besten sofort. Jan zog mir einen Pullover über da es mir immer noch nicht besser ging. Dann fuhren wir ins Krankenhaus. Dort angekommen wurden wir gleich in ein Zimmer gebracht. Zwei Minuten später kam der Arzt. Wer schon mal in einem Krankenhaus war wird mir zustimmen dass es wirklich eine Seltenheit ist nicht ewig auf den Arzt warten zu müssen. Er sah nett aus. Er gab uns die Hand und meinte er hätte die Testergbnisse. Jan und ich sahen uns an und hielten uns an den Händen. Der Arzt setzte sich hin. Es schien mir wie eine Ewigkeit bist er endlich anfing zu reden. „Es wird nicht so leicht sein das jetzt zu verstehen. Aber…“ und wieder eine Pause. Am liebsten hätte ich ihm sein Klemmbrett abgenommen uns selbst nachgesehen. Aber da ich ja gut erzogen bin mache ich so was nicht. Stattdessen glotze ich ihn an. „Sie haben Krebs. Leukämie um genau zu sein.“ Ich glotze weiter. Irgendwie wollte mein Gehirn die Information nicht verarbeiten. Ich und Krebs ? Dabei habe ich noch nie wirklich geraucht. Okay, okay, mit 14 hab ich mal an einer Zigarette gezogen. Aber das war auch das erste und das letzte Mal. Alkohol trank ich auch nicht. Außer mal auf einer Feier. Aber selbst dann hielt es sich in Grenzen. Ich sah den Arzt fragend an. „Sie haben das falsche Krankenblatt, nicht wahr? Oder ist das nur ein übler Scherz?“ Der Arzt sah mich traurig an. „Nein, ich habe das richtige Krankenblatt. Und ein Scherz ist das auch nicht. Lesen Sie selbst.“ Ich nahm das Klemmbrett und überprüfte erst mal Namen und Geburtsdatum. Da stand es: Amy Kürschner; geboren am 28.4.1991. Ich laß weiter. Ja, man konnte seine Schrift entziffern. Da standen jede Menge Fachbegriffe die ein normal sterblicher niemals verstehen würde. Ich sah noch mal genauer hin. Da stand es. In der letzten Reihe – Leukämie. Ich hatte Blutkrebs. Mir stiegen Tränen in die Augen. Jan stand vor mir und nahm mir das Brett weg. Während er mich festhielt und ich sein T-Shirt vollweinte laß er dasselbe wie ich. Er musste sich sehr stark auf die Lippe beißen um nicht auch zu weinen. Neben mir saß der Arzt der mir die Hand auf den Rücken legte. „Sie haben schon noch etwas Zeit. Und mit Medikamenten könne wie Ihre Lebenserwartung noch erweitern.“ Da platze Jan der Kragen. „Lebenserwartung ? LEBENSERWARTUNG? Sie ist ein Mensch, kein Vieh das man schlachtet!“ Ich sprang auf „Jan! Schatz! Nein! Bitte nicht.“ Er sah zu mir runter und nickte. „Tut mir leid, ich wollte Sie nicht so anschreien.“ Der Arzt nickte verständnisvoll. Ich drehte mich zu ihm um. „Wie lange noch?“ „Das kann man nicht so genau sagen. Aber zwei Jahre bestimmt noch wenn Sie die Tabletten nehmen.“ Ich nickte. Der Arzt stand auf und schrieb mir die Tabletten auf. „Kommen Sie bitte wieder wenn es Ihnen wieder schlecht geht.“ Ich nickte wieder und ging raus. Ich wollte da weg – weg von dem Ort der mir momentan einfach nur böswillig vorkam. Ich ging über die Straße in den Park. Dort gab es eine kleine Ansammlung von Tannen die die Sicht beschränkten. Und genau da wollte ich hin. Ich setzte mich zwischen die Tannen und heulte los. Jan holte mich ein, setze sich neben mich und hielt mich im Arm. Da brach es auch aus ihm raus.

Inzwischen waren 5 Wochen und 4 Tage seit der Nachricht vergangen. Abends wenn ich ins Bett ging musste ich ein Beatmungsgerät benutzen. Das sah aus wie ein Infusionsständer auf dem die Sauerstoffflaschen hängen. Sieht echt seltsam aus. Dazu noch die Tabletten… Also, so wollte ich nie enden.

Mein Umfeld


Sicher wird es euch auch interessieren wie mein Umfeld dazu steht. Naja, Freunde hatte ich noch nie viele. Wir waren noch mit zwei Paaren aus der Nachbarschaft befreundet. Aber naja, wie es eben mit „Freunden“ ist. In guten Zeiten sind sie da aber wenn Du Hilfe brauchst hat keiner Zeit. Genauso ist es gelaufen. Ich wurde krank und dann war plötzlich niemand mehr da. Außer einem Menschen. Meine beste Freundin. Alica. Wir waren jetzt beinahe 10 Jahre die besten Freundinnen. Wir waren zusammen in der Schule seit der 5. Klasse. Naja, und jetzt haben wir uns eben immer noch lieb. Jan hat sie angerufen und es ihr erzählt. Ich hab mich nicht getraut – ich hatte Angst dass sie mich dann auch hängen lässt. Aber was macht sie? Sie ruft ihren Chef an und meldet sich zwei Wochen krank (natürlich mit Attest) setzt sich in den nächsten Zug und fährt zu uns! Sie ist eben einfach die beste!

Was sagen meine Eltern dazu… Meine Mutter meinte nur das ich selbst Schuld sei – war ja klar das man so was bekommt wenn man mit einem Kerl wie Jan zusammen wäre. So ist meine Mutter – jedem anderem die Schuld zuschieben und dabei riesigen Mist labern. Leukämie ist keine ansteckende Krankheit. Manchmal ist meine Mutter eben… etwas speziell. Mein Vater hat sich wirklich Sorgen gemacht, zumindest am Anfang. Aber dann kam der Satz „ An Deiner Stelle würd ich mich sterilisieren lassen. Nicht das Du schwanger wirst und Dein Balg auch so was bekommt“ und ich redete kein Wort mehr mit den beiden. Wie man sieht hatte ich kein allzu gutes Verhältnis zu meinen Eltern. Jans Eltern machten sich dafür umso mehr Sorgen. Sie kamen zwei Mal die Woche vorbei wenn Jan Tagschicht hatte und guckten ob es mir gut geht. Gerta und Helmut - die beiden sind wirklich Gold wert. Gerta kochte mir immer Hühnersuppe (sie hatte rausgefunden das ich total auf Hühnersuppe abfuhr). Ich war wirklich froh so tolle Schwiegereltern zu bekommen.

Der Heiratsantrag


Ich wollte euch ja noch erzählen wie Jan mir den Heiratsantrag machte. Das kam sehr überraschend. Wir hatten uns an dem Tag ziemlich gestritten. Abends lud er mich dann zur Wiedergutmachung in unser Lieblingschinalokal ein. Dort stieg er auf einen Tisch und bat das Restaurant um Ruhe. Alle waren auch sofort still. Dann zog er mich nach oben. Wie sie uns alle anstarrten! Er kniete sich auf den Tisch, nahm meine Hand und sagte die vier Worte die wirklich alles verändern können. „Willst Du mich heiraten?“ fragte er so laut das es jeder hören könnte. Erst starrte ich ihn bestimmt eine Ewigkeit an. Dann fing ich beinahe an zu heulen und stammelte ein „auf jeden Fall will ich das“. Alle jubelten. Jan gab eine Runde Schnaps für alle erwachsenen aus, die Kinder bekamen Sprite in einem Schnapsglas. Der Besitzer schenkte uns zur Feier des Tages eine Flasche Wein. Ich war wirklich glücklich. Auch wenn ich bedenken hatte das er das nur gemacht hat um sich zu entschuldigen. Als ich ihn damit konfrontierte war er wirklich sauer. Er nahm mir den Ring wieder ab und sprach 2 Tage nicht mit mir. Ich gab mir wirklich alle Mühe damit er wieder mit mir redete. Am 2. Tag rief mich ein Arbeitskollege von ihm an. Ich solle dringend in die Firma kommen (er war Metallbauer). Ich fuhr so schnell wie möglich in die Firma und stürmte rein. Dort wurde ich schon empfangen. Auf meine Fragen was denn los wäre bekam ich keine Antworten. Plötzlich hielt mir jemand die Augen zu. Ich versuchte mich zu wehren aber mit 1,59m kommt man nicht so leicht gegen knapp 2 Meter an. Das brauchte ich auch nicht lange, nach etwa zehn Sekunden wurde ich schon wieder losgelassen und stand in einem Maschinenraum. Als ich mich umsah entdeckte ich Jan. Er saß einfach da und sah mich an. Ich lief auf ihn zu. "Hi Schatz!"
"Hey Süße!"
„Öhm. Ich sollte dringend herkommen?!“ „Jop, solltest Du. Dreh Dich um!“

Ich drehte mich um und da stand etwa die Hälfte aller Arbeitskollegen. Ich brauchte eine Sekund um zu begreifen was hier los war. Die Jungs hatten ein übergroßes Herz aus Metall in der Hand mit Jan´ s und meinen Initialen darin. Mir klappte der Mund auf. Ich drehte mich wieder zu ihm um. Doch er saß nicht mehr auf seinem Stuhl. Er kniete vor mir, und hielt mir die Ringschatulle hin. Dann fragte er wieder: „ Willst Du mich heiraten?“ Ich fiel ihm um den Hals und zerdrückte ihn beinahe „Ja, ja, ja und noch mal ja!“ Alle freuten sich mit uns. Es war einfach unbeschreiblich.

Die Hochzeit


Es war eigentlich geplant dass wir erst nächsten Sommer heirateten. Aber wir hatten Angst dass ich den Winter nicht überleben würde. Also verschoben wir die Hochzeit einfach in den September. Ich fragte Jan beinahe jeden Tag ob er sich damit sicher wäre – was, wenn ich bald sterben würde? Dann wäre er mit einer Toten verheiratet. Eigentlich sagte Jan immer er wäre sich sicher. Damit war es für ihn erledigt. Aber nicht an diesem Tag. Es waren nur noch 4 Tage Zeit bis zum großen Tag und ich fragte ihn wieder. Er drehte sich langsam zu mir um, nahm mein Gesicht in die Hände und sah mich an. „Schatz, Du weißt das ich manchmal wirklich dumme Sachen sage und mache. Aber wie dumm wäre ich erst wenn ich einen so wunderbaren Menschen wie Dich nicht heiraten würde? Egal, wie lange wir verheiratet sind, Hauptsache ich kann jedem erzählen das ich mit so einer großartigen, tapferen und wunderschönen Frau verheiratet war und ich sie für immer lieben werde.“ Er lächelte, gab mir einen Kuss und drückte mich an sich. „Für immer?“ flüsterte ich. „Für immer!“ bestätigte er mir. Mir kamen wieder die Tränen.
Es war soweit! Der große Tag war da! Jan gab mir morgens noch einen Kuss und meinte wir würden uns dann später sehen. Wir wollten es traditionell machen – also durfte er mich nicht im Brautkleid sehen bevor ich nicht zu ihm an den Altar kam.
Das Kleid hatte ich gekauft, nicht geliehen. Ich finde, wenn man sich ein Brautkleid leiht, dann leiht man sich auch den kompletten Tag. Ich will in den Schrank sehen und mich immer wieder daran erinnern können. Bei dem Kauf war natürlich Alica dabei. Ich hasse es shoppen zu gehen aber ein tolles Brautkleid findet man ja nicht an jeder Ecke. Viele hatte ich anprobiert aber nur das hatte es mir wirklich angetan. Es war natürlich strahlend weiß, mit silbernen Stickereien, durchsichtigen Ärmeln und einem langen Schleier. Alica fing bei dem Kleid an zu weinen und meinte sie wäre so stolz auf mich. Das bedeutete mir so unendlich viel endlich mal jemanden richtig stolz zu machen.
„Es geht gleich los, bist Du fertig?“ Gerta stand hinter mit und half mir dabei mich fertig zu machen. Wir waren inzwischen in der Kirche. Helmut wartete vor der Tür. Da mein Vater nicht aufgetaucht war musste eben Helmut mich zum Altar bringen. Ich sah noch mal in den Spiegel und erinnerte mich daran was mein Vater mir früher immer gesagt hatte. „Wenn Du irgendwann einen Mann findest, der lachend auf Dich zuläuft wenn Du gerade um die Ecke kommst, wird das der schönste Moment meines Lebens. Wenn Du ihn dann noch heiratest möchte ich unbedingt der sein der Dich zum Altar bringt“ dabei lächelte er mich an und drückte mich an sich. Damals hab ich das noch nicht verstanden und fand Jungs eh total blöd. Aber jetzt hatte ich den Mann gefunden und heiratete ihn. Und wer war nicht da? Mein Vater. Mir kamen die Tränen. Ich hasste ihn dafür dass er mich ausgerechnet heute sitzen ließ. Gerta schlang ihre Arme vorsichtig um mich und zog mich hoch. Sie weinte. „Jetzt wird’s ernst Kindchen…“ Sie schob mich vor die Tür zu Helmut. „Geht schon. Ich komme sofort nach!“ Helmut legte meine Hand an seinen Arm. „Gehen wir“ lächelte er. Da hörte ich auch schon meinen Tusch. Ich atmete noch einmal tief durch.
Am Arm meines beinahe Schwiegervaters lief ich in den Saal. Alle drehten sich zu mir um. Ich sah mich unauffällig um. Meine Seite der Kirche war auffallend weniger besetzt. Eigentlich war sie nur besetzt weil verschiedene Onkel und Tanten von Jan sich rüber gesetzt hatten. „Konzentrier dich“ dachte ich. „Nicht traurig werden, du heiratest gleich deinen Traummann.“ Ich sah hoch und suchte Jan´s Gesicht. Da stand er in seinem super sitzenden Anzug. Er lächelte und weinte beinahe. In der Zeit waren Helmut und ich am Altar angekommen. Er gab mir einen kleinen Kuss auf die Wange und legte meine Hand in die seines Sohnes. Die letzten zwei Stufen noch und ich stand vor dem Pfarrer. Alica hinter mir fing wieder an zu weinen. Ich atmete noch einmal durch und sah Jan an. „Du bist wunderschön.“ flüsterte er. Ich lächelte als der Pfarrer anfing zu reden. Jan hatte veranlasst dass die Zeile „bis der Tod euch scheidet“ durch „für immer“ ersetzt wurde. Und so fragte der Pfarrer: „Amalie Kürschner, willst Du denn hier anwesenden Jan Reuter zum Mann nehmen? Ihn lieben und Ehren und das für immer? Dann antworte mit Ja, ich will!“ Ich sah Jan an und nahm seine Hand. „Ja, für immer und noch darüber hinaus!“ Er lächelte und eine kleine Träne stahl sich aus seinem Augenwinkel. Ich wischte sie ihm weg. Dann wurde auch er gefragt ob er mich zu Frau nehmen will. Auch er antwortete mit ja. Jan wartete gar nicht bis der Pfarrer „Sie dürfen die Braut jetzt küssen“ sagte. Er stürzte sich regelrecht auf mich. Alle seine Verwandten applaudierten. Wir liefen aus der Kirche raus. Jetzt sollte erst mal gefeiert werden. Draußen wollte ich meinen Augen nicht trauen. Vier weiße Pferde ! Vor eine Kutsche gespannt! Ich jubelte vor Freude. Hinter uns hupten alle wie wild als wir zu unserer Feier fuhren. Ich war so glücklich. Amy Reuter hieß ich jetzt. Wir küssten uns wieder und waren auch schon da.

Viele hielten eine Rede auf uns. Alica musste ihre Rede abbrechen weil sie wieder anfing zu weinen. Was für eine Heulboje! Dann war es Zeit für den Eröffnungstanz. Wir legten einen Wienerwalzer aufs Parkett auf den selbst Sissi neidisch gewesen wäre. Leider war der Tanz zu schnell vorbei. Danach tanzte Jan mit seiner Mutter. Ich hätte eigentlich mich meinem Vater tanzen sollen. Ich wurde wieder traurig. Aber dazu hatte ich nicht lange Zeit. Helmut riss mich buchstäblich an sich und rief: „Komm her Schwiegertöchterchen. Zeig deinem angeheirateten altem Herrn mal wie du tanzen kannst!“ Seltsamerweise tanzten wir Salsa zu einem Walzerrhytmus. Aber es war wirklich schön. Nach kurzer Zeit ging ich mich aber umziehen – ich hatte Angst das mein schönes Brautkleid dreckig wurde bei den ganzen Leuten die mit mir tanzen wollten. Aber wie alles im Leben hatte auch der Tag ein Ende. Jan trug mich die vier Stufen hoch in unsere Wohnung. Er trug mich ins Schlafzimmer und schloss die Tür. Und was hinter einer verschlossenen Tür passiert, bleibt hinter einer verschlossenen Tür.

Das Ende


Genau genommen war´s das in meinem Leben. Wir hatten entschieden kein Kind zu bekommen. Auch wenn sie unser Glück noch bereichert hätten. Aber wir wollte nicht dass das Kind vielleicht ohne Mutter aufwachsen musste.
Etwa eineinhalb Jahre nach unserer Hochzeit ging es mir immer schlechter. Viele Arztbesuche standen auf dem Programm aber es sah nicht nach Besserung aus. Die Ärzte hatten immer weniger Hoffnung. Es war sehr deprimierend. Nur Jan wollte nicht aufgeben. Selbst dann nicht als es mir so schlecht ging das ich im Krankenhaus bleiben musste. Irgendwann gaben mir die Ärzte nur noch eine Woche. Ich wollte nicht im Krankenhaus sterben. Nein! Ich wollte zu Hause sein, da wo es jemanden gab der mich liebte. Die Ärzte willigten ein. Aber sie sagten mir das ich wiederkommen müsste sobald es wirklich zu schlimm wurde mit den Schmerzen. Ich hatte große Angst. Zwar durfte ich nach Hause, aber ich musste meinen geliebten Ehemann verlassen. Für immer.
Die letzten Tage meines Lebens waren wirklich sehr schwer. Ich konnte mich kaum bewegen. Wir hatten beide Angst. Jan nahm sich Urlaub um noch jede Sekunde mit mir zusammen sein zu können. Auch Alica kam zu uns. In meinen letzten Tagen wusste ich das ich immer alles um mich herum hatte was ich brauchte. Selbst meine Eltern kamen uns besuchen. Mein Vater nahm mich in den Arm und weinte wie ein Schlosshund. Er entschuldigte sich tausend Mal dafür dass er nicht auf meiner Hochzeit mit mir getanzt hatte. Natürlich verzieh ich ihm. Auch meine Mutter nahm mich in den Arm und sagte mir dass sie mich sehr liebte. Das war zu viel für mich. Ich fing an zu weinen und hörte nicht mehr auf. Ich hatte meine Eltern wieder. Jetzt, wo ich gehen musste. Gerta und Helmut kamen um mich ein letztes Mal zu sehen. Die ganze Zeit über saß Jan am Bett und hielt meine Hand. Als dann alle gegangen waren kam auch Alica wieder ins Zimmer und setze sich auf die andere Seite. „Ich liebe euch so sehr“ flüsterte ich. „Wir lieben Dich auch.“ Flüsterte Alica zurück und gab mir einen Kuss auf die Stirn. Ich sah zu Jan. Ihn liefen die Tränen runter. Ich wollte sie ihm wegwischen aber ich hatte keine Kraft meine Hand zu heben. „Nicht weinen Schatz. Ich werde dich für immer und darüber hinaus lieben.“ Er küsste mich. „Ich liebe dich Amy. Für immer und noch länger.“ Er lächelte. „So will ich das sehen.“ Ich drehte mich noch mal zu Alica um. „Versprich mir das Du gut auf meinen Mann aufpasst.“ Sie nickte. „Natürlich“ Jetzt weinte auch sie. Dann sah ich noch einmal meinen Ehemann an. Ich drückte seine Hand und fragte: „Wirst Du mich vergessen?“ „Niemals. Du bist für immer und noch länger bei mir.“ „Danke“ Zufrieden und glücklich schlief ich ein.

Nein !


„Amy? AMY!!!!!!“ Sie war fort. Ich würde sie nie wieder halten können. Das konnte nicht wahr sein. "Alica – ruf den Arzt! Schnell!!!!“ Alica sprang auf und rief den Notarzt. Ich schüttelte meine Frau. „Amy. Nein! Bitte!!!“ Aber sie rührte sich nicht mehr. Der Notarzt kam und schob mich weg. Sie versuchten Amy wieder zu beleben. Sie war tot. Nicht mehr zu retten. Der Krebs hatte gesiegt. Der Krebs hatte mir meinen Lebensinhalt gestohlen. Ich fuhr mit ins Krankenhaus. Aber dort erfuhr ich auch nur das was ich schon wusste. Amy war weg. Ich konnte sich noch einmal sehen. Da lag sie – schön wie ein Engel. Quatsch, schöner als alle Engel. Neben mir stand Alica. Ich bemerkte erst dass ich auch weinte als sie neben mir auf den Boden sank. Ich ging in die Knie um sie in den Arm zu nehmen. Heute verloren wir beide ein Teil unseres Lebens. Es war so ungerecht. Amy hatte nie jemanden etwas getan. Warum sie?! Warum musste ich jetzt mit ansehen wie meine Frau auf einer kalten Barre lag? Ich ging rüber um ihr noch einmal ins Gesicht zu sehen. Sie war so schön. Ich strich ihr übers Haar und flüsterte ein „ich liebe dich für immer.“ ins Ohr. Vielleicht gibt’s wirklich ein Leben danach. Dann hörte sie mich vielleicht. Nach etwa zehn Minuten wurden wir aufgefordert zu gehen. Amy musste jetzt fertig gemacht werden. Ich wollte nicht wissen was sie damit meinten. Noch ein letztes Mal drückte ich ihre Hand und küsste meine Frau.
Die Beerdigung war eine Woche später. Ich weiß nicht genau was ich die Woche über gemacht hatte. Ich hatte mir all ihre Bilder angesehen und geweint. Und das war vermutlich alles was ich getan hatte. Ich zog zur Beerdigung den Anzug an den ich auch bei der Hochzeit trug. Ich wusste das Amy den am liebsten hatte. Ich fuhr zu Alica in die Pension in die sie gezogen war um sie mit zum Friedhof zu nehmen. Sie stand schon draußen. Wir begrüßten uns als sie ins Auto stieg. Den Rest der Fahrt sagten wir gar nichts.
Der Pfarrer redete und redete. Dann sollte ich etwas sagen. Ich ging nach vorne, sah die Menschen die mit mir trauerten. Ich sah meine Eltern. Alica. Amys Eltern. Arbeitskollegen. Selbst die Paare die mit uns nichts mehr zu tun haben wollten als Amy krank wurde waren da. „Ich…“ setzte ich an. Ich konnte nicht reden. Das war mir zu viel. Ich sah rüber zum Sarg und mir kamen die Tränen. „Ich werde Amy für immer und darüber hinaus lieben. Ich habe es ihr versprochen – ich verspreche es euch jetzt. Es wird niemals jemand schaffen über Amy zu stehen. Sie wird immer bei mir bei uns sein. Ich werde sie niemals vergessen. Auch wenn ich alt bin werde ich jeden Sonntag zu ihr ans Grab gehen. Amy, ich liebe dich!“ dann fing ich an zu weinen. Alica kam nach vorne und redete für mich weiter. Ich ging zum Sarg in dem meine süße Amy lag. Niemals! Niemals würde ich sie vergessen.

Als die Beerdigung vorbei war stand ich noch lange an ihrem Grab. Ich merkte erst dass es schon dunkel war als Alica neben mich trat und umarmte. Wir gingen zum Auto. Ich fuhr sie nach Hause bevor ich mich selbst auf den Heimweg machte.
Zu Hause angekommen nahm ich wieder alle Bilder in die Hand. Neben mir eine große Flasche Scotch. Ich weiß nicht wie lange ich da saß und mich vollsoff. Ich weiß nur das dadurch der Schmerz leicht gelindert wurde. Am nächsten Morgen wachte ich auf und stellte fest das ich es nicht mal bis zum Bett geschafft hatte. Was soll´s.
Im Kleiderschrank hingen alle Sachen von Amy. Dort sollten sie auch bleiben. Ich wollte jeden Tag an meine wunderbare Frau erinnert werden. Auch alle Bilder bleiben an den Wänden hängen. Ein paar gab ich Alica. Mir war klar dass es ein schwerer Weg werden würde ohne Amy. Aber ich konnte mich nicht hängen lassen – das hätte sie nie gewollt. Also kämpfte ich weiter. Und ich schaffte es.

Das Leben geht weiter


Das alles ist es schon fünf Jahre her. Heute ist der sechste Hochzeitstag von Amy und mir. Also werde ich nachher auf den Friedhof gehen und ihr schöne Blumen bringen. Inzwischen habe ich auch eine neue Partnerin. Alica. Wir sind seit etwa 2 Jahren zusammen. Sie war immer wieder an meiner Seite wenn es wieder schwer für mich wurde und ich aufgeben wollte. Natürlich werde ich meine Amy niemals vergessen. Ich liebe sie immer noch. Auch ihre Bilder hängen noch an den Wänden. Ihre Sachen sind noch im Kleiderschrank. Da kommen sie auch niemals raus. Alica ist inzwischen im vierten Monat schwanger. Wenn das Kleine auf der Welt ist, werden wir ihm von unserer Amy erzählen. Wir gehen auch immer noch jeden Sonntag auf den Friedhof.

Ich liebe Dich für immer Amy. Für immer und noch länger !

Impressum

Texte: Alle Rechte liegen bei mir !
Tag der Veröffentlichung: 24.02.2013

Alle Rechte vorbehalten

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