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1. Aufzug

                                                                  Bruder Martin und Teufel Luther                                 

 

                                                         DRAMA in zwei Aufzügen  von  Frank Tenner                            

 

 

                                                                            1. Auflage 2017

 

 

 

                                                           Published and Copyright by Frank Tenner

 

 

 

 

 

 

                                                                        www.frank-tenner.net

 

 

 

 

 

Die Handlung dieses Theaterstückes ist fiktiv, beruht aber auf den überlieferten Geschehnissen in Worms. Die im Stück vorkommenden Personen sind den realen Protagonisten nachempfunden. Fast alle Luther-Äußerungen sind nachweislich aus seinem Mund oder seiner Feder.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Akteure

 

Martin Luther, Professor in Wittenberg und Kirchenkritiker

 

Nikolaus von Amsdorf, Freund und Vertrauter Luthers

 

Georg Spalatin, Sekretär Friedrich des Weisen, Freund Luthers

 

Hieronymus Aleander, Gesandter des Papstes, Sonderinquisitor

 

Kurfürst Friedrich der Weise, Landesherr Luthers

 

Karl V., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches

 

Jean Glapion, Beichtvater des Kaisers

 

Johann von Eck, Sekretär und Verhörführer

 

Herzog Georg von Sachsen, Gegenreformator

 

Hans, Herbergsvater

 

Elisabeth, seine Tochter

 

Ulrich von Hutten, Dichter und Ritter

 

Katharina von Bora, eine entlaufene Nonne

 

Eine geheimnisvolle Maskierte

 

Ein geheimnisvoller Maskierter

 

Erster Bürger und Zweiter Bürger

 

Kaspar Sturm, kaiserlicher Herold

 

Ein Dominikanermönch, Bote des Papstes

 

Erster Mönch und Zweiter Mönch

 

Erster Ritter und Zweiter Ritter

 

Erster Sekretär Aleanders

 

Fritz, Hofnarr Friedrich des Weisen

 

Fürsten, Bischöfe, Ritter, Bürger, Sekretäre, Gardisten

 

Worms im April 1521 

 

 

 

                   1.AUFZUG

 

  1. SZENE

 

Herrlicher Frühlingstag. Auf einem Feldweg. Ein zweirädriger Pferdewagen, auf dem zwei Mönche sitzen, begleitet von einigen Bewaffneten. Einer der Mönche steigt vom Wagen.

 

Luther: Herr Sturm, lasst uns bitte noch einmal rasten!

 

Sturm: Herr Luther, die Spitzen des Domes sind schon sichtbar. In weniger als zwei Stunden haben wir Worms erreicht.

 

Luther: Ich weiß. Aber so eilig dürfte es der Scheiterhaufen nicht haben. Der brennt auch morgen noch.

 

Sturm: Ihr habt den Geleitbrief des Kaisers. Er ist ein Ehrenmann. Euch wird nichts geschehen. Und Ihr habt viele Freunde in Worms, die auf Euch achten werden. Außerdem denkt an die unzähligen Bürger, die Euch auf dem Weg hierher begrüßt und gefeiert haben. Kein Römer oder Spanier oder Franzmann kann das deutsche Volk ignorieren. Aber - wenn Ihr noch eine Rast einlegen möchtet, gut. Wir können und werden warten.

 

Gibt seinen Männern ein Zeichen. Diese setzen sich ins Gras. Luther betrachtet die Feldblumen, geht dann zum Wagen und entnimmt einem Proviantbeutel einen Apfel. Betrachtet diesen intensiv. Der andere Mönch gesellt sich zu ihm.

 

Amsdorf: Noch ist es Zeit umzukehren, Martin. Die Teufel warten sicher schon in Worms auf dich.

 

Luther: Wenn der Kaiser ruft, ist dies, als ob mich Gott selber rufen würde. Ich habe diesem Rufe Folge zu leisten. Ich werde Worms betreten und seien dort so viele Teufel, wie Ziegel auf den Dächern. Wir wollen dort einziehen allen Pforten der Hölle und den Mächten der Lust zum Trotz. Bin ich erst da, wollen wir sehen, was zu tun ist, dass wird den Satan nicht etwa aufblähen, wir wollen ihn vielmehr schrecken und verachten.

 

Amsdorf: Woher nimmst du nur deine Kraft und deinen Mut? Du musst doch

Angst haben?

 

Luther: Ich habe Angst. Wie du weißt, hat ein jeglicher Christenmensch eine zweifache Natur: eine körperliche und eine geistige. Mein Körper ist schwach und die Haut blass vor Angst. Aber mein Geist steht über der Angst. Und es ist jetzt nicht die Zeit sich zu fürchten, sondern laut zu rufen, wo immer unser Heiland verraten wird!

 

Amsdorf: Was würdest du tun, wenn du sicher wärst, dass man dich morgen in Worms verbrennen würde?

 

Luther: Selbst wenn morgen die ganze Welt verbrennen würde, ich würde heute noch ein Apfelbäumchen wie dieses hier pflanzen. Die Schöpfung ist unvergänglich. Und sie zu ehren heißt, über den Tod hinaus zuschauen. Siehst du die bunten Feldblumen? Ist es nicht ein Wunder? Auf diesem dürren Erdreich so grüne, gelbe, blaue, braune Farben. Selbst Meister Cranach könnte diese Farben nicht so strahlend auf seine Leinwand zaubern. Gott ist der vollkommene Künstler.(Beißt in den Apfel und kaut genüsslich) Und nehme ich einen Kern dieses Apfels und gebe ihn ins Erdreich, verwandelt er sich allzu bald in ein Pflänzchen und wird zu einem Baum. Wer dieses Wunder sieht und nicht an die Schöpfung glaubt, der muss blind sein.

 

Amsdorf: Du hast sicher recht. Aber unser Glaube an die Schöpfung bannt nicht die Gefahr, in die du dich begibst. Wenn du den Tod auch gering achtest, du solltest an deine Freunde und Anhänger denken. Alle brauchen dich. Das einfache Volk braucht einen Führer.

 

Luther: Einmal muss doch gestorben werden. Die meisten machen zu viel Aufhebens davon. Und besser für eine heilige Sache gewaltsam sterben, als an einem Darmverschluss im Bette verenden. Wenn ich zu Grunde gehe, wird von der Welt nichts verloren gehen. Meine Freunde in Wittenberg haben Gott Lob schon so viel gelernt, dass sie meiner nicht mehr bedürfen.

 

Amsdorf: Nein, du bist Herz und Kopf der Reformbewegung. Wir brauchen dich, als geistigen Führer und auch als Freund.

 

Luther: Danke Nikolaus. Als Freund vielleicht, aber als Führer braucht Ihr nur das Wort Gottes.

 

Amsdorf: Ich werde beten, dass du uns erhalten bleibst. Und viele mit mir. Ich weiß, du hast andere Dinge im Kopf. Aber eines liegt mir noch sehr am Herzen. Die Schwester unseres alten Kaplans hat einen Sohn ohne Arme geboren. Sie ist verzweifelt und unser alter Freund mit ihr. Er hat mir geschrieben und erwartet deinen Rat.

 

Luther: Armer Mann. Eine große Herausforderung. Aber es ist offensichtlich: ein Werk des Teufels. Die Schwester soll ihn ins Wasser bringen.  Gott wird ihr ein neues, ein gesundes Kind schenken.

 

Amsdorf: Sie wird es verstehen. Und deinem weisen Rat Folge leisten. Der Glaube wird ihr die nötige Kraft verleihen, das Geschöpf des Teufels zu entfernen.

 

Luther: Ich werde für sie beten.

 

Kniet auf dem Feld nieder und betet. Luther schaut andächtig in die Sonne. Geht dann zurück zum Wagen und steigt auf.

 

Sturm: Erhebt Euch, Männer. Aufsitzen und im Trab nach Worms. Je eher wir dort sind, je eher können wir uns an einem kühlen Bier laben.

 

2. SZENE

 

Ein Gesandter des Papstes, in Dominikanerkutte und mit der üblichen Tonsur, betritt den Raum. Aleander steht sinnend am Fenster, dreht sich um.

 

Mönch: Eure Exzellenz. Ich habe eine Botschaft des Papstes.

 

Aleander: Sprecht!

 

Mönch: Der Heilige Vater hat nach einem Gespräch mit seinen treuesten Kardinälen seine Auffassung bekräftigt, dass Luther ein verstockter Ketzer sei. Ihr habt die Vollmacht, diesen Sohn der Bosheit und seine Gefolgsleute zu unterdrücken, ihn gefangen zu setzen, auch mit der höchsten Strafe zu belegen und der weltlichen Gerichtsbarkeit zu übergeben. Ihr sollt mit allen Mittel den Kaiser beeinflussen, dass er der verderblichen Pest widersteht. Die Ketzereien müssen endlich zur Ruhe gebracht und ausgelöscht werden. Der Kaiser hat das Amt, Ketzer auszurotten, er trägt das apostolische Schwert, um die Kirche Gottes von bösen Menschen zu reinigen. Macht ihm dies noch einmal mit aller Deutlichkeit klar. Und Ihr sollt den Kaiser und alle Fürsten ermahnen, Martinus zu verhaften und ihn in Fesseln an den römischen Hof zu bringen, damit er der einzig gerechten Strafe zugeführt werden kann. Der Heilige Vater setzt absolutes Vertrauen in Euch und Eure Mission.

 

Aleander:(nickt) Richtet Eurer Heiligkeit aus, ich werde alles in meiner Machtstehende tun, damit dieser Ketzer seine verderblichen Lehren nicht mehr verbreiten kann.

 

Mönch: Er wird dies mit Freude und Genugtuung hören.

 

Aleander: Kommt, nehmt Platz. Wir wollen uns stärken. Ihr für die Rückreise, ich für den schweren morgigen Tag.

 

Mönch: Ich danke Euch.(Nimmt Platz) Übrigens hat Kardinal Cajetan mir aufgetragen, ich solle Euch ausrichten, Ihr mögt die Bestie endlich zur Strecke bringen. Ich weiß persönlich sehr wohl, wie schwierig Eure Aufgabe ist. Ich musste mit meinem Gewand schon auf der Hut sein, um in einigen Orten vom Plebs nicht als Anhänger des Papstes gelyncht zu werden.

 

Aleander: Wem sagt ihr das? Ich kann nicht auf die Straße gehen, ohne dass die Deutschen ihre Hand ans Schwert legen und die Zähne gegen mich knirschen. Neun Zehntel der Deutschen sind schon von der teuflischen Pest angesteckt. Überall gibt es Flugschriften, in denen dieser Ketzer mit einem Heiligenschein und einer Taube über dem Kopf abgebildet ist und der Papst als Antichrist geschmäht wird. Es wäre nicht soweit gekommen, spielten einige Fürsten nicht ein falsches Spiel. Am schlimmsten ist dieses fette Murmeltier, dieser Friedrich aus Wittenberg. Es ist eine Schande, dass dieser Fürst auch noch vor drei Jahren die goldene Rose vom Papst für seine Verdienste um die Kirche verliehen bekommen hat. Eine rostige Distel hätte er verdient.

 

Mönch: Wohl wahr, aber der Heilige Vater hatte wohl die Hoffnung, Friedrich gerade durch diese Auszeichnung zum Einlenken und zur Auslieferung dieses Ketzers bewegen zu können.

 

Aleander: Diese Hoffnung hat sich endgültig zerschlagen, der sogenannten Weisheit dieses Fürsten verdanken wir den Umstand, dass es überhaupt zu diesem Verhör gekommen ist. Wenn wir Luther nach der Veröffentlichung seiner dreisten Thesen in die Hände bekommen hätten, wäre es nicht zur Ausbreitung dieser Pest gekommen. Nun geht es nur noch um Schadens- begrenzung. Ich werde noch einmal mit dem Kaiser sprechen und ihm die Bedeutung der morgigen Anhörung klarmachen. Mir scheint, er ist mit seinen Gedanken mehr bei den Franzosen und den Türken. Er will sein Reich ausdehnen und merkt nicht, dass es von innen zerstört wird.

 

Mönch: Vielleicht will er mit seiner Taktik dem Vatikan auch Vorteile abhandeln.

 

Aleander: Nun, auch bei diesem rechtgläubigen Kaiser bleibt der weltliche Drang nach Macht. Hoffentlich überwiegt der Glaube und die Loyalität zu Rom.(Steht plötzlich auf) Ich kann einfach keinen Bissen herunterbekommen. Esst ohne mich zu Ende. Ich will mich um eine Audienz beim Kaiser bemühen. Richtet dem Heiligen Vater und dem Kardinal meine besten Grüße aus. Ich weiß, was man von mir erwartet.

 

Verlässt schnellen Schrittes den Raum.

 

3. SZENE

 

Eine Menschenmenge umringt den Wagen. Alle wollen Luther sehen. Als er vom Wagen steigt, stürzt ein Mönch zu ihm und küsst ihm das Gewand. Eine Dame in einem feinen Gewand und mit einer Maske küsst Luther sogar den Fuß. Luther zieht sie schnell nach oben, ist überwältigt von dem begeisterten Empfang. Winkt den Umstehenden zu. Betritt die Unterkunft.

 

Amsdorf:(schelmisch) Sogar die Damen liegen dir zu Füßen und wollen sie küssen. Ich hoffe, du hast sie heute Morgen gut gewaschen.

 

Luther: Hör auf mit deinen Scherzen. Was kann ich dafür, dass es Frauen gibt, die noch weniger Rückgrat haben als die meisten Männer.

 

Sturm: Ich werde zwei Wachen am Eingang postieren, damit Ihr nicht von dem Pöbel belästigt werdet.

 

Luther: Keine Angst, ich laufe Euch und dem Kaiser nicht davon.

 

Sturm:(schüttelt den Kopf) Ihr könnt gehen, wohin Ihr wollt. Die Wachen sind wirklich nur zu Eurer Sicherheit und Ruhe an der Pforte.

 

Luther: Danke. Der Herr hält Wache über mich. Aber wenn Ihr meint, ein wenig militärischer Schutz wäre auch vonnöten, ich will es Euch nicht verwehren, Eure Profession zu erfüllen.

 

Der Wirt begrüßt Luther und Amsdorf.

 

Hans: Ich habe zwei Kammern für Euch herrichten lassen. Dort könnt ihr Euch von den Strapazen der Reise ausruhen. Um acht Uhr gibt es Euch zu Ehren ein Abendessen. Einige Eurer Freunde werden bis dahin auch eingetroffen sein.

 

Luther: Wer außer Spalatin wird denn noch zugegen sein?

 

Hans: Ich habe versprochen, es nicht zu verraten. Es soll eine Überraschung sein.

 

Luther: Wohnen keine weiteren Gäste in Eurem Haus?

 

Hans: Nein. Einer Eurer Gönner hat das Haus für die nächsten Tage gemietet. Ihr sollt ungestört sein. Und wie Ihr wisst – Rom hat große Ohren. Denen darf man kein Futter geben.(Luther schüttelt schmunzelnd den Kopf und geht ab)

 

4. SZENE

 

In einem kleinen, spartanisch eingerichteten Gemach. Aleander zusammen mit seinem Sekretär. Läuft unruhig auf und ab.

 

Aleander: Er ist angekommen. Der Teufel Luther weilt nun in den Mauern dieser Stadt. Und anstatt ihn auszubuhen, mit Kot und faulen Eiern zu bewerfen oder ihn am besten zu teeren und anzuzünden, schreit und jubiliert die Menge ihm zu, als wäre unser Heiland persönlich vom Himmel herabgestiegen, um Worms einen Besuch abzustatten. Was soll aus alldem nur werden?

 

Erster Sekretär: Möge der Herr dafür sorgen, dass dieser Ketzer Worms höchstens im Kerkerwagen Richtung Rom verlassen darf. Und möge der Herr all die verwirrten Schäfchen erleuchten. Dieses räudige Schaf hat schon einen großen Teil der Herde angesteckt.

 

Aleander: Das kann man wohl sagen. Es wird schwerer Arbeit bedürfen, um den rechten Glauben wieder herzustellen. Aber ich denke, ich habe den Kaiser von der Größe und Bedeutung seiner Aufgabe überzeugen können. Und die Angebote, die ich einigen der Fürsten im Namen des Heiligen Vaters unterbreitet habe, scheinen ihre Wirkung nicht zu verfehlen.

 

Erster Sekretär:

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 12.11.2017
ISBN: 978-3-7438-4104-8

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