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Worte mehr den Taten

Wenn wir Klein sind, streben wir nach Worten.
Wir streben nach jedem einzelnen Buchstaben, nach jeder Silbe, nach jedem noch so vollständigen Satz. Wir üben und probieren, wir versuchen sie zu formen und erlernen wie viel sie bedeuten.
Worte.

Und wenn wir dann erwachsen sind, dann lernen wir nicht mehr, wie man Sätze spricht, wir erlernen wie man sie spricht, mit welchem Klang, mit welcher Tonart, um zu erreichen oder auszudrücken, was uns bewegt oder was wir wollen.
Wir lernen, dass Worte eine Falle sein können.
Das „Ja“ nicht unbedingt „Ja“ heißt, wir lernen, dass „Nein“ nicht immer „Nein“ bedeutet.
Wir lernen, das Ehrlichkeit in Worten selten zu finden ist.
Dass wenn wir erwachsen sind, dann aus dem so einfachen Sprechen eine Kunst wird. Ein Jonglieren, ein Verschleiern, ein Spiel aus Lug und Trug. Eine Kunst für sich, die der eine besser als der andere beherrscht. Wir lernen, das Sprechen und Worte nicht nur schwarz weiß sind. Das es vage Graubereiche gibt, in denen eine Lüge keine glatte Lüge ist, in denen gesprochene Worte nicht immer zu 100% der Wahrheit entsprechen. In denen Genauigkeiten allzu gerne verloren gehen.
Worte.
Manchmal, sind sie das Ehrlichste was Menschen uns geben können.
Wie dieses eine Ja, dieses eine gehauchte Ja, dass in dieser einen, so besonderen, Situation den Willen eines Menschen besser zeigt, als jede Geste es zu tun vermag.
Dieses Ja das uns die Welt zu Füßen legen kann.
Dieses Ja das gleichzeitig ein Ja zu einem wundervollen Leben sein kann.
Worte.
Vielleicht ist alles was wir wollen, Worte die ehrlich sind, Worte an die wir glauben können. Und an die wir so gerne glauben möchten.

Doch manchmal sind Worte auch das Schlimmste was uns widerfahren kann. Wenn Worte uns schlimmer treffen als jeder Schlag, wenn wir unter ihnen zusammen brechen möchten, wenn die gesprochenen Worte nichts zurück lassen, als bodenlose Leere oder mehr Schmerz, als wir zu ertragen gewillt sind.
Wenn Worte Dinge offenbaren die lieber im Verborgenen geblieben wären.
Wenn Worte uns zu anderen Menschen werden lassen.
Wenn Worte Türen für immer schließen, Türen von denen wir nie glaubten, sie könnten sich schließen.
Wenn mit ihnen, mit denen auch alles begann, ebenso alles zu Ende geht.
Wenn Worte mit einem Mal alles beenden.

Wenn aus Worten Missverständnisse werden, wenn ein Wort wiederum das andere ergibt und am Ende nichts bleibt, nichts außer dem bitteren Nachgeschmack von Worten, die in Momenten gesprochen wurden, in denen wir lieber geschwiegen hätten.
Wenn die Worte nicht ehrlich sind, wenn jegliches sprechen dazu dient, zu lügen und zu verschleiern um zu erreichen wonach man gestrebt hat, wenn wir uns in jenem Bereich wieder finden in denen Worte längst zu Märchen geworden sind.

Wir haben in all den Jahren gelernt zu sprechen.
Doch haben wir in all diesen Jahren, den Kinderschuhen längst entwachsen, auch vergessen Ehrlich zu sein?
Ehrliche Worte zu finden?
Sie zu nutzen und zu verstehen?
Oder haben wir in all den Jahren nur gelernt, wie man verschleiert und im falschen Moment das Falsche sagt? Wie man sich galant in Graubereichen bewegt?
Und wäre es dann nicht letztendlich besser, manchmal zu schweigen?
Und nur bei den ehrlichsten Worten aufzuhorchen?


Lassen wir sie…


In unserem Leben treffen wir Menschen. Viele. Und würde man sie zählen, wären es wohl mehr als wir je schätzen könnten. Manche gehen stumm an uns vorbei, sie verschwinden aus unserem Leben und allzu schnell aus unserem Gedächtnis. Sie sind fort und gehen.
Und wir, wir vergessen.
Doch dann gibt es diese im Vergleich doch so kleine Zahl von Menschen, die sich in unseren Kopf einbrennen, unauslöschlich und unvergessen.
Sicher, manchmal präsenter, manchmal verborgen im Schatten. Aber sie sind da.
Und manche von diesen Menschen, haben uns all die Zeit einfach überhaupt nicht gut getan. Sie haben uns verletzt, mit Worten oder Taten.
Sie haben einfach getan, was sie immer tun, ob in böser Absicht, in vollem Wissen oder ohne beides. Aus versehen quasi. Manche wissen um ihre Taten, um ihr „nicht gut tun“. Und vielleicht finden sie sogar Worte des Trosts oder der Entschuldigung. Doch sie sind rar gesät. Den so manche gehen einfach weiter, drehen sich nicht um und vergessen uns schneller, als wir uns je vorstellen konnten. Wir werden vergessen. Und sie, sie gehen einfach.
Sie gehen, und hinterlassen Narben. Narben die uns eigentlich klüger machen sollten. So wie damals, als wir Kinder waren. Wir fielen hin, bekamen eine Narbe und haben es das nächste Mal besser gemacht. Auf die Fresse fliegen, aufstehen und es einfach anders machen. Wenn wir älter werden, scheinen wir manchmal zu vergessen, wie das geht.

Fallen, aufstehen, es ändern.

Fallen, aufstehen, es genauso machen.

Wir tappen dann öfter Mal in dieselbe Falle. Und so traurig das auch ist, auf diese Art und Weise betrachtet, ist vor allem unser Herz daran schuld. Denn Sätze wie „Du machst es besser“ „Du kannst es ändern, du fällst nicht“ kann es uns so erstaunlich gut in unseren Verstand flüstern. Es flüstert, und flüstert und wir wagen es erneut.
Und fallen wieder.
Für uns unerwartet, für jeden anderen so offensichtlich.
Und irgendwann, wenn wir Glück haben, durchbricht der Verstand das Geflüster und wir erkennen, dass wir nichts besser machen. Nie konnten und es auch nie besser machen werden. Die Narben bleiben dieselben, sie häufen sich eigentlich nur noch.
Also erkennen wir, dass dieser Mensch uns nicht glücklich machen kann.
Es liegt vielleicht nur an der Kombination, oder einfach daran, dass manche Gegensätze sich wirklich niemals vereinbaren lassen, dass man manchmal einfach nicht dieselbe Sprache spricht, ob Geflüstert oder laut Gesagt.
Und vielleicht ist dann der erste Schritt, den wir tun müssen, uns loszusagen von diesen Menschen. Von diesen Menschen die vielleicht für jeden anderen gut sind und immer sein werden, aber sicher nicht für uns. Niemals.
Wir finden einfach nicht dieselben Worte.

Wir müssen sie ansehen und erkennen, erkennen und loslassen. Loslassen auch wenn es uns umbringt. Auch wenn das Geflüster des Herzens dann zu einem unglücklichen Schrei verhallt. Loslassen, um weiter gehen zu können. Um wieder glücklich zu werden. Und vielleicht können wir sie nie vergessen, aber das Wissen wie schlecht sie für uns und unser Herz sind, vielleicht macht uns diese Erkenntnis stärker.
Und vielleicht stehen wir ihnen dann irgendwann wieder gegenüber und wissen, sie werden uns verletzen.
Wenn wir sie lassen. Und die einzige Frage die dann übrig bleibt, ist:
Lassen wir sie?

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 23.08.2010

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für F.W.

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