Fallen lassen
Wir lernen in unserem Leben nicht oft das Gefühl von Glück kennen, sicher, wir kennen das Gefühl einen Wettkampf zu gewinnen, ein Spiel, einen Machtkampf.
Glück gehabt. Gewonnen.
Doch allzu selten erleben wir wirkliches Glück. Dieses Glück, welches einen zutiefst berührt und uns ausfüllt, ausfüllt wo vorher nur Leere war.
Das einem bewusst macht, wie selten es doch ist. Wie selten wir es doch zu finden vermögen.
Das uns die Tränen in die Augen treibt.
Wir finden dieses Glück und auch das wiederum, ein netter Hauch des Schicksals, dass es schon sooft nicht allzu gut mit uns gemeint hat.
Wir finden es.
Das wirkliche Glück.
Doch was ist, wenn wir es gefunden haben? Wenn die größte Angst diejenige ist, alles zu verlieren, nicht nur wieder auf dem Boden der Tatsachen und Fakten anzukommen, sondern viel viel tiefer zu fallen.
Ins Bodenlose.
Ins Nichts.
Wir versuchen also es zu erhalten und zu halten. Manchen, ganz wenigen gelingt das. Sie finden das Glück und behalten es bis zu ihrem letzten Atemzug. Und auch sie, wie das Glück selbst, selten. Dennoch wagen sie den Schritt, trauen dem Moment des Glücks, lassen sich fallen und sind imstande fest zu halten.
Vielleicht sogar für immer.
Doch was ist mit jenen, denen das Leben schon viel zu oft Glück vorgegaukelt hat?
Mit denen, die vergessen haben, wie Glück „genießen“ geht? Die schon gar nicht mehr wissen, wie man es hält? Denen das Misstrauen so zu Eigen geworden ist, wie ihr eigenes Gesicht, ihr Charakter.
Die Menschen die im Angesicht des Guten, des Glücks, umdrehen und soweit weglaufen, wie sie nur können. Jene, die das Glück nicht mehr als solches zu sehen vermögen?
Den meisten von ihnen ist bewusst, dass sie laufen. Das sie flüchten vor dem wenigem Glück, dass ihnen widerfahren könnte, aus Angst wieder zu fallen.
Ins Bodenlose.
Und vielleicht, selbst wenn das Glück direkt vor ihnen steht, lassen sie sich niemals wirklich fallen. Sie sind wie gebannt, fasziniert und dennoch so voller Skepsis, stets bereit loszulaufen.
Weit weit weg.
Weg von dem Glück das ihnen so unglaubliche Angst einjagt.
Und manchmal geschieht dass, was eben geschieht, wenn wir uns nicht fallen lassen.
Wenn wir einfach nichts tun oder bei aller Mühe nur noch Misstrauischer geworden sind. Wenn wir mit eben jenem Misstrauen das Glück nicht als das unsere annehmen. Wenn es vor uns steht und uns bittet es zu nehmen. Und wir einfach nicht können. Wenn wir gerade mal die Fingerspitzen nach ihm ausstrecken, es nur leicht berühren, unfähig es ganz für uns zu beanspruchen.
Dann beginnt das Glück traurig zu lächeln, hüllt einen ein, nur für eine Sekunde, und dann, dann ist es fort. Und hinterlässt einen bitter süßen Geschmack von dem, was wir hätten haben können.
Und wir, wir haben es gehen lassen.
Fragen wir uns also, ist es nicht besser, sollten wir nicht versuchen uns fallen zu lassen?
Auch wenn wir ins Bodenlose fallen, auch wenn die Leere danach nur noch größer zu sein vermag.
Wenn wir nicht den Versuch wagen, wenn das Glück doch so nah ist, wie können wir es dann jemals finden?
Das wirkliche Glück?
Greifen wir also zu oder rennen wir davon?
Vertrauen
Es ist dieses Wort, dass uns unser ganzes Leben lang begleitet.
Vertrauen.
Es gibt dieses Urvertrauen in unsere Eltern, zu unserer Familie und wenn wir geboren werden, so erleben wir dies. Das Wissen, dass auf Vertrauen beruht, dass wir bei jedem Schritt aufgefangen werden, bei jedem Fehltritt.
Wenn wir dann älter werden, lernen wir, dass man besser nicht jedem vertraut.
Das Vertrauen, ein kleines, seltenes Geschenk ist, das rar vergeben werden sollte.
Das so kostbar und zerbrechlich ist.
Und es wird zwangsweise der Tag kommen, an dem dieses Geschenk nicht so vorsichtig gebraucht wird, wie es gebraucht werden sollte.
An dem es auf dem Boden der Tatsachen und Geschehnisse zerbricht und nie wieder zu reparieren ist.
An dem es für immer verloren geht.
An dem die Scherben bleiben werden, doch sie immer unsichtbarer werden, stets da, doch für uns nur allzu bald nicht mehr ersichtlich.
Der Tag an dem die Scherben zu warnenden Erinnerungen werden.
Vertrauen.
„Hab doch Vertrauen“ oder „Traust du mir nicht?“, sind Sätze die wir in unserem Leben oft hören.
Sätze, so leicht und einfach gesprochen, so schwer zu glauben, so schwer auf sie zu antworten.
Haben wir Vertrauen?
Trauen wir dem Menschen der diese Frage stellt?
Vielleicht hat uns das Leben einst gezeigt, dass Vertrauen manchmal nur ein Wort ist, schnell und leicht gesprochen, um am Ende so Bedeutungslos zu sein.
Vertrauen.
Vielleicht auch etwas, dass immer ein Geschenk war, dass Dank des Schicksals an den Richtigen vergeben wurde.
Vertrauen.
Letztendlich bleibt doch immer die Frage, ob wir gewillt sind, uns fallen zu lassen, ob wir gewillt sind, dem Glück und dem Menschen zu vertrauen. Ob wir gewillt sind, dass Geschenk loszulassen, es freizugeben für alles Geschehnisse und Schicksalsschläge.
Vertrauen.
Wie gerne wir doch manchmal mehr davon hätten, wie gerne wir doch manchmal wirklich einfach nur vertrauen, glauben, wollen. Und wie selten wir uns doch darauf verlassen, wie selten wir doch wirklich trauen und glauben, uns fallen lassen.
Wie selten wir doch das Geschenk an den richtigen Menschen verschenken, und wie misstrauisch unsere immer wieder falsch getroffene Wahl uns doch gemacht hat. Wie sehr sie uns doch prägt.
Was für falsche Entscheidungen wir doch dann treffen.
Was für Rückzieher wir doch dann machen.
Was für Schmerzen wir doch davon tragen.
Was wir damit doch verursachen.
Was für Scherben wir doch dann hinterlassen.
Wie schwer der Weg des Vertrauens, zwischen all den Scherben der einstigen Geschenke, doch dann zu dem richtigen Menschen wird.
Vertrauen.
Sind wir also wählerisch?
Oder treffen wir den einen Menschen, diesen Einen und wissen wie sehr er dieses Geschenk zu würdigen wissen wird? Und wie sicher wir uns doch sein können, dass es am Ende nicht am Boden zerschellt?
Tag der Veröffentlichung: 24.07.2010
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für F.W.
Für Ich-sein dürfen, für mich dafür lieben...