Cover

Vorwort

Dieses Buch soll Pflegenden Mut machen und ihnen Anregungen geben. So langsam Stück für Stück rutscht man bei einer langfristigen Pflege immer mehr in eine Selbstaufgabe hinein. Damit ihren Lesern das nicht passiert, hat Angelika Schmid ihre Pflegeerfahrung zusammengetragen. Sie pflegt seit 16 Jahren ihren Mann. In den Jahrzehnten davor begleitete sie schon einige erkrankte Angehörige aufgrund einer Erbkrankheit.

 

Viele erprobte Erfahrungen im Praxisalltag, für eine entspannte Pflege zu Hause, sind in diesem Ratgeber aufgelistet. Vielen Pflegebedürftigen ist es nämlich ein Herzenswunsch, in den eigenen vier Wänden gepflegt zu werden. Die ambulanten Pflegedienste leisten hierbei eine großartige Hilfe. Wichtig ist es allerdings, auch den richtigen Hilfsdienst zu finden.

 

Dieser Leitfaden gibt dir Anregungen, wie du die Pflege gestalten kannst. Und zwar erfährst du das anhand von praktischen Eigen-Erfahrungen. Zusätzlich erfährst du auch, wie du eine Mitfinanzierung der Pflegekasse erreichen könntest. Eine entspannte Pflege und selbstverständlich auch das Lebensglück des Pflegenden stehen dabei im Mittelpunkt.

 

Der Pflegenotstand

Seit Jahren hören wir schon von überlastetem Pflegepersonal in den diversen Pflegeeinrichtungen. Die Bewohner sind aus diesem Grund teilweise nicht so gut versorgt, wie sich das viele Pflegekräfte wünschen würden. Schon eine geraume Zeit streiten Sozialverbände, Politiker und Betreiber von Heimen über die Zustände in den deutschen Pflegeversorgungseinrichtungen. Inzwischen wurden sogar auch die Richter im Karlsruher Bundesverfassungsgericht angerufen. 

 

Zum Glück sind wenigstens die Pflegestärkungsgesetze in Kraft getreten, deren Wirkung jedoch zum Teil erst im Jahr 2017 etwas kraftvoller eintritt. Allerdings sind die Sozialverbände mit den Änderungen immer noch nicht einverstanden, weil sie bei Weitem nicht ausreichen. Pflegefamilien sind immer noch viel zu sehr belastet.

 

Klage gegen den Pflegenotstand

 

Die Klage gegen den beklagenswerten Zustand der Pflegeunterversorgung in Pflegeheimen ist leider gescheitert. Sechs ältere Menschen hatten sich zusammengeschlossen, um eine Besserung zu erreichen. Leider nahmen die Gerichte sich dieser mehr als notwendigen Klage nicht an. 

 

Trotzdem werden, auch aufgrund solcher Initiativen, Politiker aufmerksam und entwickeln Ideen. Obwohl sie auf Missstände gestoßen werden, greifen die Initiativen viel zu kurz, sie sind immer noch ein Tropfen auf den heißen Stein, und sie dauern viel zu lange.

 

Aus welchem Grund erfolgte die Klage?

 

Die sechs Senioren hatten vermutlich Befürchtungen, falls sie selbst pflegebedürftig sind, einmal diesem Pflegenotstand ausgesetzt zu sein. In diesem Fall sahen sie ihr Grundrecht verletzt, welches der Staat nicht ausreichend schützen würde. Sie wollten, dass staatliche Behörden besser kontrollieren, und die Voraussetzungen besserer Pflegeversorgung schaffen sollte. Die Begründung ist nachzulesen im Az: BvR 2980/14. 

 

Diese Missstände sollen vorkommen:

 

  • Vernachlässigung der Heimbewohner
  • zu wenig Pflegepersonal
  • Druckgeschwüre
  • Ernährungsmängel und Austrocknung
  • freiheitsentziehende Maßnahmen (Fixiergurte und medikamentös)

 

Den Richtern reichten diese Begründungen nicht aus, um tätig zu werden. Obgleich auch Unterstützung geleistet wurde, und zwar durch den Sozialverband VdK, welcher schon lange auf diese Missstände in den Heimen hinweist. 

 

Da unter diesen Punkten ebenso auftaucht, dass die Pflegekräfte überlastet sind, können sie für diese Zustände auch nicht verantwortlich gemacht werden. Ein weiterer Punkt kommt noch hinzu, denn zum einen fehlt die notwendige Anerkennung und zum anderen ist die Vergütung zu gering. Ich pflege seit 16 Jahren und habe deshalb höchsten Respekt vor Menschen, die dies ein Leben lang tun.

 

Warum wurde die Klage nicht angenommen?

 

Die Verfassungsrichter sind der Ansicht, dass der Gesetzgeber "einen weiten Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum“ haben kann. Der Eingriff des Bundesverfassungsgerichts sei nur zulässig, wenn dieser "seine Pflicht evident verletzt" hätte. Ein Kläger müsse zudem begründen, wie seine eigenen Rechte, und zwar unmittelbar und nicht in Zukunft, verletzt sein würden. Sie hätten zudem schließlich auch die Wahl zwischen unterschiedlichen Heimen. Diese Begründung fand ich besonders lustig, denn die Zustände sollen ja wohl überall nicht so besonders viel besser sein. Von welcher Wahl, zwischen Pest und Cholera, sprechen die Richter hier? Es sei denn man hat das Geld, in ein edles Seniorendomizil, wie z. B. ein Wohnstift, umzuziehen. Zudem sei nicht sicher, ob sie irgendwann überhaupt in ein Pflegeheim gehen müssten (siehe Anmerkung).

 

Anmerkung: Lt. VdK, kamen die Kläger aus dem gesamten Bundesgebiet und einige unter ihnen leiden an Demenz. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie in ein Pflegeheim müssen ist deshalb mehr als gegeben. Einige von ihnen haben ebenfalls ein hohes Risiko. Die restlichen Kläger sitzen im Rollstuhl. Teilweise sind alle schon heute auf Pflege angewiesen. Soviel dazu, dass ihr Risiko, in ein Pflegeheim zu müssen, nicht nachgewiesen ist.

 

Wenn Angehörige zum Pflegefall werden

Es kommt auf immer mehr Menschen zu: Ein Elternteil kann sich nicht mehr selbst versorgen vielleicht auch der Lebenspartner, oder noch schlimmer, eines der Kinder, ist plötzlich pflegebedürftig. In den meisten Familienverbänden ist es dann selbstverständlich, wir kümmern uns selbst um die Pflege. Statistisch findet die Pflege in den eigenen vier Wänden für den Großteil der Pflegebedürftigen statt. Der Staat schätzt die Hilfe von Angehörigen zwar, er unterstützt sie jedoch immer noch zu kleinlich. Festzustellen ist allerdings, dass ohne die familiäre Ressourcen-Ausschöpfung unser gesamtes Pflegesystem vermutlich schnell zusammenbrechen würde. Die Familie steht nun vor der schwierigen Aufgabe zu klären, wer könnte die Pflegeleistungen übernehmen und inwieweit hilft die Familie oder soziale Umfeld.

 

Pflegelotsen & Co - Selbsthilfegruppen - Beratungen

 

Wer einen Pflegedienst oder ein Pflegeheim sucht, könnte unterstützt werden durch Datenbanken oder durch eine persönliche Beratung. Für Betreuungsleistungen stehen tagsüber oder gegebenenfalls auch nachts spezielle Dienstleistungen zur Verfügung. Aufgrund der Verhinderungs- oder Ersatzpflege kann die pflegende Person auch hin und wieder abgelöst werden. Manche Familien möchten den/die Pflegebedürftige mit in den eigenen Haushalt aufnehmen. Dazu sind häufig Veränderungen in der Wohnung und im Pflegezimmer erforderlich.

 

Zu allen drängenden Fragen müssen Betroffene Antworten finden:

 

  • Benötigen wir einen professioneller Pflegedienst?
  • Muss ein Betroffener gleich ins Pflegeheim?
  • Wie schaffe ich das und was bedeutet diese Pflege?

 

Grundsätzlich sollte die Verantwortung, wenn es eben möglich ist, auf mehrere Familienmitglieder verteilt werden.

 

Die Versorgung kann folgendermaßen gewährleistet werden:

 

Häusliche Pflege mit folgenden Voraussetzungen:

 

  1. einen Verbund aus mehreren Pflegenden schaffen
  2. bei Unkenntnis ist ein Pflegekurs zu empfehlen
  3. Beratungsstelle zur Unterstützung für die Anträge aufsuchen
  4. ständige Anpassung der Pflegesituation mit Hilfs- und Verbrauchsmitteln
  5. eventuell Anpassung des Pflegezimmers z.B. Bad behindertengerecht usw.

 

Ambulante Pflege

 

Tagespflegeeinrichtung

ambulanter Pflegedienst 

 

Vollstationäre Pflege

 

Sorgfältige Auswahl einer guten Einrichtung

 

Bei ambulanter und stationärer Pflegedienstleistung ist es wichtig darauf zu achten:

 

  • Qualifikation der Pflegedienstleister
  • Bekomme ich dort die benötigten Leistungen?
  • Zu welchen Zeiten erreiche ich den Pflegedienst?
  • Wie häufig wechseln die Pflegekräfte? und vieles mehr

 

Tipp: die Checklisten auf dieser Webseite: www.weisse-liste.de

 

Was ist nun wichtig?

                                                           

Zunächst einmal empfehle ich, sich mit der Krankenkasse in Verbindung zu setzen. Hier genügt schon ein Anruf, denn hier ist auch die Pflegekasse angesiedelt. Das weitere Prozedere hierzu erfährst du in weiteren Kapiteln. Zusätzlich ist es wichtig, zeitnah entweder einen Pflegestützpunkt oder in den einzelnen Kommunen die Beratungsstellen zu kontaktieren. In diesem Fall ist eine persönliche Beratung zur neutralen Einschätzung der Situation sehr wertvoll. Falls sich der Pflegebedürftige in einer stationären Klinik zur Reha oder in einem Krankenhaus befindet, geben dort die ansässigen Sozialstationen Auskunft und Hilfestellungen. Dies wird normalerweise auch vor oder bei der Entlassung automatisch angestoßen. 

 

Zudem ist es auch wichtig, einen Pflegegrad möglichst zeitnah zu beantragen. Dies ist nicht nur wichtig für das Pflegegeld, sondern es bedeutet auch zusätzliche Rentenpunkte für den Pflegenden. Zurückhaltung, Verzicht oder gar eine falsche Scham, Hilfsleistungen des Staates zu beantragen, das wäre völlig unangebracht.

 

Tipp für Pflegende: Der regelmäßige Austausch zu den zahlreichen Belastungen ist ausgesprochen wichtig. Man muss lernen, Hilfe von anderen anzunehmen. Ja man sollte sogar üben, diese einzufordern, auch wenn das anfangs schwer fällt. Den ersten Schritt hast du schon mit dem Kauf und der Lektüre des Buches gemacht. Ich möchte dich dazu ermutigen, die ganze Bandbreite der Wohn- und Betreuungsmöglichkeiten auszuloten, um für dich deine ganz persönliche Situation so gut wie möglich zu gestalten.

 

Solltest du diesen Band lediglich aus Interesse lesen, so kann ich dir ebenfalls nur raten: Setze dich gemeinsam mit der Partnerin oder dem Partner frühzeitig mit dem Szenario einer Pflegebedürftigkeit auseinander. Ebenso ist es wichtig auch über die eigenen Wünsche und Bedürfnisse, bis hin zu den Bestattungswünschen auseinanderzusetzen. Je früher, desto besser!

 

Die emotionale Überlastung nicht unterschätzen

Bei einer schweren Krankheit schlittert man als Angehöriger langsam aber sicher in immer mehr Hilfsleistungen hinein. Der Kranke hat zunehmend nicht mehr die Kraft seinen Alltag zu bewältigen. Also bleibt einem zunächst einmal gar nichts anderes übrig, als diese sukzessive zu übernehmen. 

 

Die emotionale Verstrickung Angehöriger

 

Anfangs dachte ich oft, die vielen professionellen Pflegekräfte schaffen es doch auch, das kriegst du ebenfalls hin. Ich meinte auch, so schwer wird das schon nicht sein. Allerdings ist es so, dass sie nach getaner Arbeit nach Hause gehen und im besten Fall abschalten. Sie sind zudem Profis und nicht so extrem mit ihren Gefühlen involviert wie ein Verwandter. Die emotionale Beteiligung der Angehörigen ist in der Tat nicht so ohne. Man leidet ganz einfach mit. Indirekt ist man also mitbetroffen und läuft deshalb Gefahr ebenfalls krank zu werden. Diese seelische Not ist nur in Schach zu halten, indem man für Auszeiten sorgt. Zudem ist es wichtig, sich nicht auch noch physisch zu übernehmen, denn dann klappt man im wahrsten Sinne des Wortes tatsächlich zusammen.

 

Ich habe und hatte den Vorteil, als Freiberuflerin meine Artikel zu Hause schreiben zu können. Viele Berufstätige müssen jedoch nach einem festen Zeitfenster ihre Arbeit im Job außer Haus erledigen. Es kommt also zusätzlich bei dieser Pflegegruppe noch eine Doppelbelastung mit Zeitstress hinzu.

 

So schützt man sich vor der Selbstüberschätzung 

 

Ich empfehle, hierzu ein Pflegetagebuch zu führen. Bei der Pflege zu Hause wird nämlich gerne die eine oder andere Hilfestellung als unwichtig oder alltäglich abgetan. Die eigene Leistung wird von Angehörigen selbst unterschätzt. Viele Hilfestellungen werden gar nicht erst als solche, sondern als „selbstverständlich“ und nicht erwähnenswert wahrgenommen. Pflegende ermahnen, stützen beim Aufstehen, sorgen für ausreichende Flüssigkeitszufuhr, begleiten, usw. Alle diese Verrichtungen gehören auch in den Komplex Pflege und werden bei den Pflegestufen anerkannt. Das Führen des Pflegetagebuches sollte in regelmäßigen Abständen immer einmal wiederholt werden. 

 

Die umfangreichen Aufgaben, die man als pflegender Angehöriger leistet, sind auf diese Weise leichter zu erkennen. Pflegende selbst haben dabei ebenfalls den gesamten Pflegekomplex vor Augen. Schnell wird dann klar, dass es ohne professionelle Hilfen nicht mehr funktioniert. Auch wenn man sich dies selbst immer noch zutraut, schau realistisch hin. Das Pflegetagebuch ist deshalb auch eine wertvolle Hilfe zur Selbsteinschätzung. Die Erfahrungen einer Überforderung sind schmerzhaft, erspare dir dies. Zudem dauert es sehr lange, bis man einen Burn-out überwunden hat. Einige weitere Kapitel des Buches behandeln deshalb dieses wichtige Thema ausführlich.

 

Ein Rat aus Erfahrung: Nach über einem Jahrzehnt Pflegeleistungen kann ich dir nur raten, unterschätze keine einzelne Hilfsleistung. Jeder einzelne Handgriff summiert sich jeden Tag, jede Woche und jedes Jahr. Haushalte klug mit deinen Ressourcen. Hole dir zudem beizeiten Hilfe. Auch wenn es schwerfällt zuzugeben, dass man es eben nicht alleine schafft, ist es doch häufig der bessere Weg.

 

Rechtsanspruch auf eine Reha für die Pflegeperson nutzen

 

Seit dem Jahr 2003 existiert ein Rechtsanspruch auf eine Reha. Allerdings gibt es eine Einschränkung, dass hierbei die Vorgabe: „ambulant vor stationär“ gilt. Hiervon sollte man sich allerdings nicht ins Bockshorn jagen lassen, denn wenn der Arzt dies richtig begründet, dann ist auch eine stationäre Reha durchsetzbar. Für Pflegepersonen ist eine ambulante Reha tatsächlich auch nicht zielführend, denn diese brauchen vor allem Abstand vom Pflegealltag und der Pflegewohnung. 

 

Dieser Rechtsanspruch wird leider nicht gut publik gemacht, weshalb diese Kraftquelle viel zu wenig genutzt wird. In jedem Fall lohnt sich bei einer Ablehnung der Widerspruch. Wir Pflegende dürfen nicht nur funktionieren, sondern wir müssen vor allem auf unsere seelische und körperliche Gesundheit achten!

 

Eine Reha muss beantragt werden. Vorher sollte man von seinem Arzt eine ausführliche Bescheinigung erbitten. Diese sollte eine Begründung sowie auch die Notwendigkeit eindringlich dokumentieren. Im Falle einer Ablehnung kann man binnen eines Montags einen Widerspruch formulieren. Auch in diesem Fall helfen die Sozialverbände ihren Mitgliedern.

 

Welchen Anspruch auf Rehabilitation habe ich?

 

Alle Leistungen der medizinischen Rehabilitation sind Pflichtleistungen der Gesetzlichen Krankenkassen, im ambulanten wie im stationären Bereich. Hierzu zählen auch Leistungen der geriatrischen Rehabilitation. Denn auch ältere Menschen sollen nach einem Unfall oder einer Krankheit so lange wie möglich in ihrer gewohnten Umgebung leben und die Chance erhalten, aktiv am Leben teilzuhaben. Die geriatrische Rehabilitation kann stationär, teilstationär oder ambulant erfolgen. Ein Schwerpunkt der geriatrischen Rehabilitation liegt auf dem Einsatz mobiler Reha-Teams. Wer bereits pflegebedürftig ist, kann auch zum Beispiel in stationären Pflegeeinrichtungen Rehabilitationsleistungen erhalten.

 

Welchen Anspruch habe ich als Mutter oder als Vater?

 

Maßnahmen der medizinischen Vorsorge und Rehabilitation für Mütter und Väter, die sogenannten Mutter-/Vater-Kind-Kuren, sind ebenfalls Pflichtleistungen der Krankenkassen. Das bedeutet: Wenn solche Maßnahmen medizinisch notwendig sind,

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Angelika Schmid
Bildmaterialien: Pixabay
Tag der Veröffentlichung: 15.04.2016
ISBN: 978-3-7396-4867-5

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /