Inhalt:
Rachel hatte mit ihrem Leben abgeschlossen, sie hatte ihre Vergangenheit hinter sich gelassen und erwartete nichts mehr von der Zukunft. Doch dann traf sie Sake, diesen seltsamen Mann, der sie zugleich abschreckte und faszinierte. Zwischen ihnen entstand ein Bann, dem sich keiner der beiden entziehen konnte – und plötzlich waren es Rachels dunkelste Seiten, die alles veränderten.
„Dunkles Blut“ erzählt nicht nur von einer ungewöhnlichen Liebesgeschichte und den Fesseln alter Kindheitstraumata, sondern lässt auch die Entstehungsgeschichte der Vampire in neuem Licht erscheinen.
Widmung:
Diese Geschichte ist für euch: Überlebende, Kämpfer und verlorene Seelen.
Rachel zog die Jalousie ihres Schlafzimmerfensters ein winziges Stück hoch und lugte durch den Spalt. Fauchendes Zischen. Es klang nah, näher als es tatsächlich war. Im siebten Stockwerk war sie sicher, beruhigte sie sich selbst. Vorsichtig zog sie den Rollladen ganz nach oben. Sie stellte sich dicht neben das Fenster und sah hinaus.
Silvester, kein Zweifel.
War das schon immer so ein Höllenlärm gewesen? Und dieser unerträgliche Gestank, der sogar bei geschlossenen Fenstern ihre ganze Wohnung verpestete? Wie hatte sie das nur all die Jahre ausgehalten? Es war ihr zwar schon immer zu laut gewesen und sie hatte den Geruch der Knallkörper nie gemocht. Aber diesmal schien ihr Trommelfell zu bersten und ihre Nasenschleimhäute fühlten sich an, als würde jemand Säure darauf träufeln.
Sie erinnerte sich dunkel an eine Zeit, als sie sich noch auf Silvester gefreut hatte. Sie hatte diesen Tag zusammen mit anderen Menschen voll Ausgelassenheit gefeiert und gelacht. Damals hatte sie sogar Freunde gehabt. Oder zumindest so was ähnliches, dachte sie wehmütig.
Scheiß auf Silvester! Diese allgemeine Massenhysterie und Gruppenbesäufnis gingen sie nichts an. Es war ein ganz normaler Tag! Basta!
Nein, das war eine Lüge. Wem wollte sie eigentlich etwas vormachen? Es war kein normaler Tag. Es war ihr erster Tag in Freiheit. Sie sollte feiern! Silvester war schließlich perfekt zum Feiern, oder?
Aber nicht für Rachel. Zu viele Menschen. Sie konnte Menschen nicht leiden. Die beste Feier war es, sich in ihrer neuen Wohnung zu verbarrikadieren. Von hier aus hatte sie einen fantastischen Blick auf das Feuerwerk ohne in der Kälte frieren zu müssen. Oder von Betrunkenen begrabscht zu werden. Was wollte man mehr?
Es gab so viel mehr …
Aber das hatte nichts mit Silvester zu tun.
Die strahlende Sonne am nächsten Morgen stand in krassem Widerspruch zu ihrem Gemütszustand. Das gleißende Licht tat ihren Augen weh und nach wenigen Minuten ließ sie die Jalousien wieder herunter. Erst als die Dämmerung hereinbrach wagte sie sich wieder auf die Straße, um ein wenig frische Luft zu schnappen. Die meisten Geschäfte hatten geschlossen, die Straßen waren leergefegt. Es war die perfekte Uhrzeit. Zu spät für einen Nachmittagsspaziergang und zu früh für einen abendlichen Kneipenausflug oder Restaurantbesuch. Ihr begegnete exakt niemand. Es war wunderbar. Bis auf den Gestank der kalten Feuerwerkskörper. Sie schlenderte am Fluss Sleevy entlang, der die gut bürgerlichen Wohnbezirke von Frantows Bonzen-Viertel trennte.
Jetzt, da es vollkommen dunkel war, wurde sie endlich munter. Sie überlegte, ob sie am Flussufer bis zum Hafen laufen sollte. Die Hälfte des Weges hatte sie bereits hinter sich. Da hörte sie Schritte. Stöckelschuhe. Sie roch einen Hund. Und Zigarettenrauch. Lachen und schlurfende schwere Schritte. Doch es war nichts zu sehen. Erst zwei Querstraßen später entdeckte sie die rauchende Rothaarige mit drei Männern und einem Cockerspaniel im Schlepptau. Ein paar Meter weiter eine kleine Gruppe von Frauen, dahinter ein dunkel gekleideter Mann. Er leuchtete.
Er leuchtete?
Sie fixierte den Mann. Jeans und schwarzer Mantel. Und tatsächlich, er leuchtete! Um ihn herum ein heller Schein, warm wie Gold, als würde man mit tränenden Augen in eine Glühbirne sehen. Hatte sie etwas ins Auge bekommen? Waren es Reste der Feuerwerkskörper? Sie blinzelte. Der Schein wurde schwächer, aber er war noch da. Sie rieb sich mit den Handflächen übers Gesicht und sah wieder hin. Der Mann war verschwunden.
Einbildung, bestimmt war das nur Einbildung. Es musste einfach Einbildung gewesen sein, denn irgendeine dämliche Sehstörung konnte sie nun wirklich nicht brauchen. Vielleicht hatte sie einfach nur zu wenig gegessen. Hatte sie überhaupt schon etwas gegessen? Sie konnte sich nicht erinnern. Schlechtes Zeichen.
Sie musste endlich wieder einen regelmäßigen Tagesrhythmus finden. Ein bisschen Routine, an der sie sich festhalten konnte. Außerdem brauchte sie Geld. Ihre Ersparnisse reichten höchstens noch für zwei Monate. Das war vielleicht nicht lang genug und dann endete sie womöglich auf der Straße. Nein, danke. Sie wollte wenigstens einen ruhigen Platz haben, an dem sie sich zur Ruhe legen konnte. Doch die Mieten waren in Frantow leider verdammt hoch. Es wurde Zeit, sich einen Job zu suchen. Gleich morgen.
Na ja, morgen war vielleicht doch ein wenig übereilt. Besser sie wartete noch einige Tage, bis nach diesem verdammten 6. Januar. Dann war der Feiertagsspuk endgültig vorbei und die Geschäfte nahmen wieder ihren normalen Betrieb auf. Solange würde sie sich eine Auszeit gönnen. Schlafen, Essen und Joggen – und möglichst mit keiner Menschenseele reden.
Letzteres war vermutlich bedenklich, aber sie wollte einfach niemanden sehen. Sie war schon immer eigenbrötlerisch gewesen. Doch in letzter Zeit nahm das überhand. Sie vermied Menschen, wo und wann immer es ging. Sie gehörte nicht dazu. Und mittlerweile wollte sie auch gar nicht mehr dazugehören.
Vielleicht sollte sie sich in den kommenden Tagen einfach noch mehr vergraben als sonst. Vielleicht hatte sie dann bis zum 7. Januar genug von der Einsamkeit und freute sich womöglich sogar darauf, wieder mit einem Menschen zu reden. Bis dahin waren es noch über fünf Tage, das sollte doch reichen, um des Alleinseins überdrüssig zu werden. Ja, das hörte sich nach einem guten Plan an. Bis zum 7. Januar Einsamkeit pur und danach Jobsuche, zurück ins Leben. Oder was man eben so Leben nannte.
Fast zwei Wochen später versteckte sich Rachel noch immer vor der Welt. Sie hatte sich den ganzen Tag in ihren Büchern vergraben. Billige Schundromane. Die Zeit war wie im Flug vergangen. So wie auch all die Tage davor. Rachel hatte in diesem neuen Jahr noch mit keinem einzigen Menschen gesprochen. Wozu auch? Sozialkontakte wurden überbewertet, dachte sie grimmig. Dennoch sehnte sie sich nach … Nach was eigentlich? Sie wusste es nicht. Aber da war diese Melancholie, das Gefühl, versagt zu haben …
Unsinn, sentimentaler Unsinn. Trotzdem fragte sie sich, was sie falsch gemacht hatte, weshalb sie nicht dazu gehörte. Auch nie dazu gehört hatte. Irgendwie war sie schon immer anders gewesen. Irgendwie. Und dieses irgendwie war immer größer geworden. Wann genau hatte sie die falsche Abzweigung genommen und sich so hoffnungslos im Leben verirrt?
Verdammt! Das musste endlich ein Ende haben. Sich in Selbstmitleid zu weiden war erbärmlich. Sie starrte an die Decke. Es war ein Uhr nachts und sie hatte sich ins Bett gelegt, wohl wissend, dass sie nicht schlafen konnte. Sie las noch eine Weile, doch dann verspürte sie wieder dieses dumpfe körperliche Pulsieren. Sie klappte das Buch zu und schaltete das Licht aus. Auf dem Rücken liegend wartete sie darauf, dass die Erschöpfung ihr endlich den erhofften Schlaf bescherte. Mittlerweile hatten sich ihre Augen vollständig an die Dunkelheit gewöhnt, so dass sie jedes Detail im Zimmer erkennen konnte. Ihre Muskeln waren bleischwer vor Müdigkeit, doch ihr Kopf war hellwach und eine innere Unruhe trieb sie an, irgendetwas zu tun. Es war komplett verrückt. Einerseits schien ihr Körper ausgelaugt, als würde ihm etwas fehlen und andererseits war da gleichzeitig dieses Gefühl, so viele überschüssige Kräfte zu haben, dass sie beinahe platzte.
Sie griff blindlings nach der Wasserflasche neben den Bett und trank einen kräftigen Schluck. Es war gar nicht so einfach im Liegen zu trinken. Als die Flasche leer war, hatte sie immer noch Durst. Das übliche Spielchen, dachte sie genervt. Sie hatte den ganzen Tag Durst, ganz gleich wie viel sie trank, mit jedem Schluck schien sie sogar noch durstiger zu werden. Besser sie hörte jetzt auf zu trinken. Bis zum nächsten Morgen würde sie sicher nicht verdursten. Doch ihr Körper strafte diesen Gedanken Lüge. Ihr Hals war plötzlich strohtrocken und sie musste husten. Ein schmerzhaftes Husten, das ihr die Tränen in die Augen trieb. Schniefend und keuchend quälte sie sich aus dem Bett und rettet sich an den Wasserhahn in der Küche. Sie füllte ein Glas und ihr ganzer Körper schrie danach, es mit einem Schluck runterzukippen. Nur mit äußerster Anstrengung schaffte sie es, ihre Gier zu unterdrücken und langsam zu trinken, winzige Schlucke, die sie so vorsichtig die Kehle hinunter laufen ließ, als wäre es Hustensirup. Jeden Tropfen Feuchtigkeit auskosten.
Danach ging es ihr besser. Durstig war sie trotzdem noch. Sie wollte lieber nicht nachrechnen, wie viele Liter Wasser sie an jenem Tag schon getrunken hatte. Irgendwie fühlte sie sich seltsam betäubt. Das Atmen fiel ihr schwer. Die Luft schien keinen Sauerstoff zu enthalten. Sie zog die Jalousien nach oben und öffnete alle Fenster. Sie sah nach draußen, sog die kühle Nachtluft tief in ihre Lungen. Freitagnacht konzentrierten sich die Partywütigen auf die Innenstadt. Unten auf der Straße vor ihrer Wohnung war es hingegen ruhig und friedlich. Dunkel und menschenleer. Plötzlich war die Erschöpfung verschwunden.
Joggen. Joggen wäre jetzt genau das Richtige.
Diesen spontanen Impuls folgend schlüpfte sie in ihre Trainingsklamotten und Turnschuhe, schloss die Fenster und schlich sich durch den Hausflur nach draußen. Es war halb zwei Uhr nachts. Sie wollte ihre Nachbarn nicht aufwecken. Sie fand es selbst schrullig, ausgerechnet jetzt Joggen zu gehen. Doch schließlich gab es kein Gesetz, das es verbat.
Anfangs lief sie ziellos durch die Straßen, setzte ihren ganzen Ehrgeiz daran, sich möglichst geräuschlos zu bewegen. Zuerst, um keine Aufmerksamkeit zu erregen, aber auch als sie die Wohnbezirke verlassen hatten und um sie herum nur noch Lagerhallen waren, machte sie weiter. Es war wie ein Spiel. Die Luftpolster in ihren weichen Turnschuhen erleichterten die Sache, doch entscheidend waren die Bewegungen. Nicht zu laufen, sondern zu gleiten, ein bisschen wie Fliegen. Fort zu fliegen. Weg von allem.
Sie fand ihren Rhythmus, rannte lautlos durch die Nacht. Als sie sich umsah, bemerkte sie, dass sie sich Richtung Hafen bewegte. Die großen Frachtschiffe waren bereits in Sicht. Wie lange war sie schon unterwegs? Sie war nicht müde, fühlte sich kein bisschen angestrengt. Ihr Zeitgefühl gaukelte ihr vor, erst vor ein paar Minuten losgelaufen zu sein. Aber sie wusste, dass der Hafen rund eineinhalb Stunden normales Schritttempo entfernt war. Rannte sie so viel schneller? Oder hatte sie nicht mitbekommen, wie Zeit verging, zu sehr gefangen in ihrem Spiel der lautlosen Bewegungen. Sie drosselte ihr Tempo und lief entlang der Umzäumung des Hafens bis zu einer kleinen Baustelle. Dort konnte man problemlos über den Zaun klettern. Die Hafenabsicherung war in diesem Bereich nur pro Forma, es gab hier nichts zu stehlen. An diesem Ende lagen die halb verrosteten, ausgemusterten Schiffe, die nur noch auf ihre Verschrottung warteten.
So wie sie selbst. Ausgemustert und schrottreif. Sozial unfähig. Genetischer Abfall. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie auseinander brach. Und diese Zeit war äußerst knapp.
Vorsichtig schlich sie über die Brücke bei der großen Schleuse des Trockendocks. Es war gewaltig, das größte Trockendock an der Westküste, für die Ozeanriesen gemacht. Daneben war sie klein. Winzig. Unbedeutend. Es machte keinen Unterschied, ob sie da war oder nicht. Irgendwie war dieser Gedanke beruhigend. Sie war niemandem etwas schuldig. Keine Verpflichtungen. Sie war frei! Ihr Leben gehörte ihr ganz allein. So lange es dauerte.
Vielleicht wurde sie auf dem Rückweg von einem Auto überfahren. Ja, dieses Leben konnte verdammt kurz sein. Sie sollte die Zeit nutzen und sich amüsieren. Sex wäre auch nicht schlecht. Genauer gesagt wäre Sex richtig gut. Vermutlich sogar perfekt, ganz ohne diesen Gefühlskram. Belangloser Sex. Hart und heiß. Das war doch mal ein wirklich guter Vorsatz für das neue Jahr, dachte sie selbstironisch und drehte sich Richtung Meer.
Belanglosen Sex. Ja, klar, weil sie das auch früher schon so gut hinbekommen hatte. Sie würde es sowieso wieder vermasseln, so wie alles andere auch. Am besten sie beendete ihr jämmerliches Dasein sofort. Kurz und schmerzlos. Warum sich noch weiter quälen? Sie stützte sich auf das Geländer und sah nach unten.
War Ertrinken eigentlich ein schöner Tod? Zu schade, dass sie schwimmen konnte, das verkomplizierte die Sache. Aber wenn sie sich den Kopf stieß und ohnmächtig wurde, dann könnte es funktionieren. Oder?
Sollte sie über das Geländer klettern und mit einem eleganten Köpfer nach unten springen? Oder sich lieber immer weiter vorlehnen, bis sie das Gleichgewicht verlor und nach unten kippte? Dann könnte man es glatt für einen Unfall halten. Musste schließlich keiner wissen, dass sie nachgeholfen hatte. Sie könnte auch einfach auf dem Geländer balancieren und es provozieren. Sollte doch der Zufall entscheiden. Das Geländer war gerade und eben, aber dafür sehr schmal. Eine echte Herausforderung für ihr Gleichgewichtssystem. Im Grunde war sie gar nicht schlecht im Balancieren. Sie könnte es schaffen. Falls ihr der Wind nicht in die Quere kam und das Geländer keine rutschige Ölflecke hatte. Sie begutachtete die Entfernung von einem Ende zum anderen. Schätzungsweise zwölf Meter. Oder runden wir es auf dreizehn Meter auf, das war schließlich eine Glückszahl, dachte sie schmunzelnd.
Ja, das könnte klappen.
Oder auch nicht.
Aber darin lag schließlich der Reiz der Sache. Sie ging zum Ende der Brücke und kletterte auf das Geländer. Sie hielt sich an den Seitenverstrebungen fest bis sie ihr Gleichgewicht gefunden hatte. Dann ließ sie vorsichtig los, streckte die Arme ein wenig zur Seite und machte den ersten Schritt. Es ging leichter als gedacht. Rasch machte sie drei Schritt hintereinander. Dann ein leichter Windhauch, aber nichts, was sie ernsthaft ins Straucheln brachte. Trotzdem hielt sie kurz inne.
Sie sah nach unten. Ein Fehler. Sie schwankte zur Seite und ruderte mit den Armen, trippelte noch zwei Schritte vorwärts, um ihr Gleichgewicht wieder zu finden. Doch da spürte sie etwas Glitschiges unter ihren Füßen. Ihr rechter Fuß glitt ab und dann schien sich die Zeit zu dehnen. Ihr Körper kippte Richtung Meer. Sie wandte den Kopf und sah nach unten.
Das war es also gewesen, dachte sie nüchtern.
Plötzlich packte sie jemand an der Hüfte und riss sie nach hinten. Sie wurde herumgewirbelt und verlor die Orientierung. Ihr Rücken knallte gegen das Geländer und zwei harte Hände packten sie an den Schultern.
„Du dummes Ding, hast du den Verstand verloren?“, knurrte eine Männerstimme.
Sie sah eine dunkel gekleidete Gestalt vor sich. Er trug eine lange Jacke, deren Kragen aufgestellt war, so dass die untere Gesichtshälfte verdeckt war. Auch die Augenpartie war kaum erkennbar. Das Licht der Hafenanlage warf einen Schlagschatten über den Kopf des Fremden. Rachel konnte nicht mehr als den Umriss und schemenhafte Züge erkennen. Der Fremde ließ ihre Schultern los. Stattdessen ergriff er ihren Kopf mit beiden Händen und drehte ihn langsam erst nach links und dann nach rechts.
„Bist du lebensmüde?“, fragte er. „Ja, das bist du. Ich sehe es in deinen Augen. Ich sehe die stummen Schreie …“
Er schien mit sich selbst zu reden, keine Antwort von ihr zu erwarten. Doch Rachel wäre auch nicht im Stande gewesen, etwas zu sagen. Sie war starr vor Schreck. In der einen Sekunde hatte sie sich noch auf ihren Tod gefreut – und jetzt fürchtete sie um ihr Leben. Der Fremde zog ihren Kopf nach hinten und überstreckte ihren Hals. Seine Lippen berührten sanft die empfindlich Haut unter ihrem Kinn, streiften langsam über ihren Hals. Ein wohliges Schaudern lief ihr über den Rücken.
Plötzlich verschwanden die Lippen. Stattdessen schnüffelte der Mann an ihrer Haut. „Was bist du?“ Seine Stimme klang scharf.
Rachel verstand nicht, was er meinte. Das Gesicht des Fremden lag noch immer im Schlagschatten. Doch seine Augen glänzten wie zwei Metallkugeln. Da erst bemerkte sie, dass er leuchtete. Die dunkle Gestalt leuchtete. Es war wieder dieser verschwommene Glühbirneneffekt. Sie blinzelte. Wie kann etwas Dunkles leuchten?
War das alles nur ein seltsamer Traum? Lag sie etwa schon im Wasser? Ohnmächtig? Oder sterbend? War das der Übergang in den Tod? Dann kam sie wohl in die Hölle.
Die glänzenden Augen des Fremden hielten sie gefangen. Da übermannte sie ein ganz anderes Gefühl. Ein sehr lebendiges Gefühl. Heißes Prickeln in ihrem Unterleib. Ihr Körper bewegte sich wie von selbst, schmiegte sich an den Mann im Schlagschatten. Er fühlte sich unglaublich gut an. Sie presste sich an ihn, rieb sich an der Ausbuchtung zwischen seinen Beinen. Der Mann knurrte wie ein wildes hungriges Tier. Ihr gefiel dieses Geräusch. Ihre Hände strichen über seine Brust, sie legte den Kopf in den Nacken und entblößte ihre Kehle für ihn, hoffte sehnlichst, er würde sie dort noch einmal mit seinen Lippen streicheln. Er sollte sie dort beißen. Bitte beiß mich. Beiß mich bis ich sterbe ...
Auf einmal wurde sie von ihm weggerissen und zu Boden geschleudert. Ihr Kopf knallte hart gegen das Geländer. Schwärze drohte sie in den Abgrund zu ziehen, doch dann kehrte ihr Bewusstsein zurück. Als sie aufblickte, sah sie zwei Männer, die in einem stummen Handgemenge ineinander verkeilt waren. Beide leuchteten, sie konnte sie nicht unterscheiden.
Da brüllte eine Stimme in ihrem Kopf: Lauf weg, du dummes Ding. Verschwinde!
Ein harter Befehl, der sie wie ein Peitschenschlag traf. Sie schrie vor Schmerz, dann sprang sie auf und rannte. Sie wagte nicht, sich um zudrehen, hastete immer weiter. So schnell wie sie noch nie gerannt war. Noch immer dröhnte diese Stimme in ihrem Kopf, die Stimme dieses seltsamen Mannes, der an ihr geschnüffelt hatte. Sie keuchte, ihr Atem ging rasselnd, brannte in ihrer Kehle. Ihre Muskeln begannen zu schmerzen, doch sie lief weiter, immer weiter, bis zu ihrer Wohnung, die Treppe hinauf. An der Tür holte sie mit zittrigen Fingern den Hausschlüssel hervor. Sie brauchte mehrere Anläufe bis sie es schaffte, das Schlüsselloch zu treffen. Kaum hatte sie das Schloss geöffnet, schlüpfte sie hindurch, knallte die Tür hinter sich zu und sperrte ab. Sie drehte den Schlüssel dreimal um, bis es nicht mehr weiterging und sank neben der Tür zu Boden.
Dann nur noch schwarze Stille.
Als sie das Bewusstsein wiedererlangte war es bereits später Nachmittag. Mit steifen Gliedern stand sie vom Boden auf und wunderte sich über sich selbst. Sie hatte neben ihrer Wohnungstür auf dem Boden geschlafen.
Die vergangene Nacht … war das alles wirklich passiert? Oder war es nur ein Traum gewesen? Der Hafen, der leuchtende Fremde, glänzende Augen …
Okay, das war eindeutig. Es musste ein Traum gewesen sein, denn leuchtende schwarze Männer gab es nicht. Und dann dieses kleine erotische Intermezzo, als sie sich an den Mann gepresst hatte. Ganz egal, wie sehr sie sich nach Sex sehnte, aber das war nicht sie selbst.
Wahrscheinlich war sie gar nicht Joggen gewesen. Sie musste wohl neben der Tür zusammengebrochen sein. Aber weshalb? Sie war noch nie ohnmächtig geworden. Oder vielleicht … keine Ohnmacht, sondern … Schlafwandeln? Schlafwandeln wäre mal etwas Neues. Das schien ihr die schlüssigste Erklärung zu sein.
Sie hatte einfach zu viel Zeit. Sie war zu oft alleine. Sie war sozusagen immer alleine. Sie war sogar alleine, wenn sie mit anderen zusammen war. Sogar beim Sex verschwand dieses Gefühl der Isolation nicht.
Aber dieser Mann in ihrem Traum … Als sie sich an ihm gerieben hatte wie eine rallige Katze, da hatte sie sich ganz und gar nicht alleine gefühlt. Ach ja, erinnerte sie sich, belangloser Sex als guter Vorsatz fürs neue Jahr. Traumdeutung war dabei wohl überflüssig.
Zu schade, dass es nur ein Traum gewesen war. Und dann auch noch vollständig bekleidet, sie hätten wenigstens nackt sein und richtig Sex haben können. Dann hätte sich das Schlafwandeln gelohnt.
Sie sah nach draußen. Die Sonne ging bereits unter. Sie hatte fast den ganzen Tag verschlafen. Mal wieder. Das war erbärmlich. Verdammt! Was war das für ein jämmerliches Dasein! Sie musste endlich wieder zurück ins Leben. Sie brauchte Konstanz, einen Tagesplan, etwas, das sie zwang, raus zu gehen. Gleich morgen würde sie sich einen Job suchen.
Hatte sie sich nicht genau das gleich schon am ersten Januar vorgenommen? Aber das zählte nicht, Feiertage brachten sie immer durcheinander. Doch diesmal meinte sie es ernst. Andererseits war morgen Sonntag. Besser sie wartete bis Montag …
Nein! So würde das nicht funktionieren, bis Montag hatte sie wieder tausend Ausreden gefunden. So wie an jedem anderen verfluchten Tag in den letzten zwei Wochen. Sofort! Sofort war am besten. Sofort war die einzige Methode, es tatsächlich zu tun. Sie sah auf die Uhr. Kurz vor halb acht. Samstagabend, halb acht. So ziemlich die schlechteste Zeit, um sich einen Job zu suchen. Nein, Sonntag war eigentlich noch schlechter. Andererseits konnte man die Stellenanzeigen im Internet jederzeit durchforsten.
Verdammte Scheiße, das war nicht das Problem. Das Problem war, dass sie seit Tagen, nein Wochen, mit niemandem gesprochen hatte. Selbstgespräche und leuchtende erotische Traummänner nicht mitgezählt. Wenn sie tatsächlich etwas ändern wollte, dann musste sie es sofort tun. Scheiß auf einen Job, sie musste einfach raus, raus aus der Wohnung, selbst wenn es nur ein Spaziergang durch die Innenstadt war. Das war zumindest mehr als alles, was sie in den letzten zwei Wochen zuwege gebracht hatte. Bloß nicht darüber nachdenken, einfach losziehen.
So schnell es ging brachte sie sich im Bad in einen halbwegs passablen Zustand und zog wahllos irgendeine Jeans und ein sauberes Shirt an. Dann schnappte sich ihre Jacke, schlüpfte in ihre Turnschuhe und stürmte nach draußen.
Nicht lange grübeln, einfach in die Innenstadt laufen. Dort gab es immer Menschen und sie musste sich dringend wieder an Menschen gewöhnen. Das war immerhin besser als sich weiterhin in ihrer Wohnung zu verkriechen. Forschen Schrittes ging sie die Straße hinunter. Bis zum Stadtzentrum war es ein Fußweg von rund fünfzig Minuten. Oder zehn Minuten mit der U-Bahn. Natürlich entschied sie sich für den Fußweg.
Vierzig Minuten später war sie im Herzen der Innenstadt angelangt. Die meisten Geschäfte hatten bereits geschlossen, nur vereinzelt waren Passanten zu sehen. Zwanzig nach acht. Entweder man saß bereits beim Abendessen oder man bereitete sich zu Hause auf das Nachtleben vor.
Was sollte sie jetzt tun? Sich alleine in ein Café setzen und darauf warten, dass ihr jemand ein Jobangebot auf dem Silbertablett servierte? Wohl kaum.
Sie schlenderte in eine der Prachtstraße mit den teuren Boutiquen und tat so als studierte sie aufmerksam die Schaufenster. Sie konnte ihr Spiegelbild in den Schaufensterscheiben sehen. Abgeschabte Jeans, am rechten Knie ein kleines Loch. Ihre schwarze Jacke hatte auch schon bessere Zeiten gesehen, aber das ausgeleierte rote Shirt darunter war noch weniger vorzeigbar. Im Schaufenster war ein blütenweißes Ensemble aus Rock, Bluse und Seidenschal ausgestellt. Es kostete eine ganze Monatsmiete. Sie kam sich lächerlich und deplaziert vor. Wahrscheinlich wirkte sie wie ein Penner, der nach einem Nachtlager suchte. Oder wie eine frustrierte Hausfrau, die vom besseren Leben träumte. Als hätte das etwas mit teurer Kleidung oder Geld zu tun.
Plötzlich wollte sie nur noch raus aus dieser Luxusstraße. Sie bog in die nächste Gasse nach links ab und lief planlos weiter, ließ sich von den Häuserfassaden leiten. Auf einmal war sie auf einer Brücke, unter ihr der breite Fluss, der die Stadt in zwei Hälften teilte: das Villenviertel im Nordosten und die heruntergekommenen Bezirke im Südwesten. Im Südwesten lagen auch der Hafen, Fabriken und das Fischerviertel. Die Zweiteilung in arm und reich war zwar einst historisch gewachsen, hatte sich jedoch über die Jahrzehnte hinweg erhalten.
Kaum hatte sie die Brücke überquert fühlte sie sich wohler, entspannter. Unauffälliger. Hier war sie nicht mehr die einzige mit Löchern in der Jeans. Oder lag diese innere Entspannung an etwas anderem? Vielleicht daran, dass die Straßenbeleuchtung hier so viel schlechter war? Ja, es war das Licht. Keine grellen Neonleuchten, sondern gedämpfte Glühbirnen, die eher an Kerzenschein erinnerten. Zudem waren etliche Straßenlaternen ausgefallen. Angenehm schummrige Beleuchtung, in der die harten Konturen verschwammen. Sie fühlte sich wie in einem Tarnanzug. Niemand konnte sie genau erkennen, nicht mal, wenn man auf sie geachtet hätte. Außerdem fühlte sie sich überlegen, denn ihre Nachtsicht war deutlich besser als bei den meisten Menschen. Sie fand sich im Dunkel erstaunlich gut zurecht. Selbst nach Sonnenuntergang brauchte sie kaum Licht in ihrer Wohnung. Nur zum Lesen und selbst dann schaltetet sie die Deckenlampe hauptsächlich aus Vernunftgründen ein. Bei Tag schien ihr alles viel zu grell zu sein. In den letzten Wochen war sie sogar noch lichtempfindlicher geworden.
Plötzlich sah sie dieses Leuchten wieder, diesmal an einer alten Frau. Helles Flackern, aber nicht dauerhaft, nur in kleinen Schüben. An und aus, an und aus. Sie studierte die anderen Passanten, dann sah sie wieder zu der Frau. Sie trug einen fliederfarbenen Mantel und einen passenden Schal mit Blümchenmuster, dazu braune Gesundheitsschuhe. Und sie leuchtete, kein Zweifel. Es kam irgendwie von innen heraus. Träumte sie schon wieder? Oder war das eine Halluzination? Ausgeburt ihrer überschäumenden Fantasie? Immerhin war es diesmal keine pornographische Fantasie, stattdessen war es eine vollkommen unerotische Frau, die leuchtete. Also lag es nicht an sexueller Frustration.
Das alles ergab überhaupt keinen Sinn, war nicht logisch. Warum sah sie dieses Leuchten nicht bei den anderen? An der Farbe der Kleidung lag es nicht. Vielleicht am Stoff? Irgendein Waschmittel? Aber warum veränderte es sich, wurde mal heller, dann dunkler und dann wieder gar nichts. Wie eine angelaufene Glühbirne mit Wackelkontakt. Die Frau bog in eine Gasse ab und das Leuchten verschwand zusammen mit der alten Lady.
Wie auch immer sie es drehte und wendete. Die einzig logische Erklärung war es, dass es an ihren Augen lag. Oder sie drehte durch. Akute Psychose. Vermutlich hatten die letzten Wochen Spuren hinterlassen. Die letzten Wochen? Oder die letzten Jahre?
Im Prinzip war es egal. Solange sie nicht blind wurde, war es egal. Wahrscheinlich war das ohnehin nur Einbildung, genauso wie ihr erotischer Traummann von gestern. Am besten sie ignorierte es. Entweder es verschwand wieder oder eben nicht. Sie konnte es sowieso nicht ändern.
Es war mittlerweile kurz vor neun. Sie hatte einen Bogen geschlagen und war schätzungsweise nur noch ein halbe Stunde Fußweg von ihrer Wohnung entfernt. Aber sie hatte keine Lust wieder zurück zu gehen, wollte lieber noch ein wenig die Gegend erkunden. Sie wählte die breiteste Straße und hielt sich dann südlich. Diese Richtung sollte sie näher zum Hafen bringen, zu dem Ort von dem sie geträumt hatte. Ein Prickeln lief durch ihren Körper als sie sich daran erinnerte, wie sie sich an den Mann gepresst hatte, wie es sich angefühlt hatte. Wirklich schade, dass es nur ein Traum gewesen war.
Eigentlich hatte sie damit gerechnet, dass die gutbürgerlichen Wohnhäuser zum Hafen hin immer schäbiger werden würden, doch stattdessen befand sie sich nach ein paar hundert Metern in einem Villenviertel. Die Mauern waren aus cremefarbenem Sandstein, liebevoll restauriert und gepflegt. Einige der Häuser waren mir roten oder braunen Ornamenten geschmückt. Die größeren davon waren mit einem schmiedeeisernen Zaun umgeben und hatten sorgfältig gepflegte Vorgärten.
Sehr seltsam. Diese herrschaftlich wirkenden Altbauten passten nicht in die ärmliche südwestliche Stadthälfte. Laut Stadtgeschichte sollten hier nur die schäbigen Wohnungen der Arbeiter sein. Aber schließlich war sie keine Historikerin. Vielleicht hatte sich hier der Geldadel angesiedelt, die Besitzer der Schifffahrtslinien und der nahe gelegenen Fabriken. Oder waren diesen Villen gar nicht so alt, wie es den Anschein hatte? Gleich morgen würde sie das recherchieren. Zweifelhaft, ob sie etwas darüber im Internet fand, aber das wäre ein geeigneter Anlass, endlich einmal die Stadtbibliothek zu besuchen. Sozusagen tagsüber unter Menschen zu gehen. Das erste Mal in diesem Jahr.
Sie bog in die nächste Querstraße nach links ab. Dort waren keine Villen mehr, sondern genau die Art von Altbauten, die der Historie entsprachen. Die meisten davon dreistöckig. Im Erdgeschoß jeweils Schaufenster. Eine Einkaufsstraße. Wer hätte das gedacht? Aus einigen Geschäften drang Licht. Neugierig ging sie darauf zu. Ein Spirituosenladen mit teuren Weinen in der Auslage. Ein Lebensmittelgeschäft, das vorrangig aus einer Metzgerei bestand, aber auch eine kleine Auswahl an Backwaren, Gemüse und Haushaltsgegenstände anbot. Es folgten ein Schuhladen und eine Modeboutique, beide jedoch geschlossen. Gegenüber ein kleines Bistro, ebenfalls dunkel. Daneben eine Waffenhandlung, in der noch Licht brannte. Dann folgte ein Buchladen, ebenfalls geöffnet. Sie ging zum Buchladen und betrachtete das Schaufenster. Neben einigen neuen Taschenbüchern, die gerade die Bestsellerlisten anführten, waren mehrere alte Ausgaben ausgestellt. Keine second-hand Ware, wie sie bei näherer Betrachtung feststellte, sondern antiquarische Bücher. Allerdings hatte man sie so verschämt in den Hintergrund platziert, dass man kaum die Titel entziffern konnte. Ihre Neugier war geweckt. Bestimmt würde sie hier auch etwas über den Hintergrund der Villen im Südwesten erfahren. Sie steuerte auf den Eingang zu. Als sie nach der Türklinke griff, stutzte sie jedoch. An der Glastür hing ein handgeschriebener Zettel.
Aushilfe gesucht!
Dienstzeit: 17 bis 2 Uhr
Nur für Bewerber über 21
Das war der perfekte Job für sie! Hoffentlich war die Stelle noch frei. Mit erwartungsfrohem Lächeln betrat sie den Laden. Das Innere des Geschäftes ließ ihre Laune weiter steigen. Anders als das Schaufenster vermuten ließ, handelte es sich hauptsächlich um ein Bücher-Antiquariat, die neueren Taschenbücher füllten lediglich einen schmalen Drehständer neben der Einganstür. Die Einrichtung des Buchladens war aus dunklem, glänzendem Holz. Alle Wände waren mit hohen, dicht gefüllten Bücherregalen bedeckt. An der hellen Decke entdeckte sie verspielte Stuckarbeiten. Matt schimmernden Wand- und Tischleuchten, die mit einem schlichten grünen Glasschirm versehen waren, verstrahlten ein angenehmes Licht. Zum ersten Mal seit langem war sie in einem hellen Raum, ohne dass ihre Augen schmerzten. Der einzige moderne Einrichtungsgegenstand war ein Laptop auf der Theke. Hinter dem aufgeklappten Bildschirm stand ein schmaler, weißhaariger Mann mit Knautschgesicht. Er leuchtete. Rachel starrte ihn an, blinzelte, doch das Leuchten blieb, wurde sogar stärker. Der alte Mann erwiderte ihr Starren mit kritischem Blick. Anstarren war kein guter Einstieg für eine Bewerbung, ermahnte sie sich selbst.
„Guten Abend“, sagte sie höflich und setzte ihr freundlichstes Lächeln auf.
Der Mann gab ein Knurren von sich und nickte.
„Ich habe das Schild an der Tür gesehen. Ist die Stelle noch frei?“
Der Mann musterte sie ausgiebig. „Die Stelle ist noch frei. Aber Mindestalter ist einundzwanzig, da gibt es keine Verhandlung.“
Rachel seufzte, offenbar wollte der Alte charmant sein. Zwar auf eine ruppige Art und Weise, aber irgendwie war er ihr trotzdem sympathisch. „Ich bin über Einundzwanzig“, antwortete sie brav.
„Ich erkenne einen gefälschten Ausweis“, sagte der Alte mit hochgezogenen Augenbrauen.
„Sie machen sich über mich lustig, oder?“, fragte Rachel irritiert. Andererseits war es nicht das erste Mal, dass man sie auf Anfang zwanzig oder noch jünger schätzte. Doch bislang hatte sie das auf übertriebene männliche Höflichkeit zurückgeführt. Sie sah zwar wirklich jünger aus als sie war, aber ein paar Jahre zogen Männer schließlich meistens ab, um ihrem weiblichen Gegenüber zu schmeicheln.
„Ausweis!“, wiederholte der Alte und streckte die Hand aus.
Sie kramte ihre Geldbörse aus der Jackentasche und reichte
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 12.11.2021
ISBN: 978-3-7487-9918-4
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