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Prolog

 

 

Ein schwarzer Vogel kreiste über dem aufgewühlten Meer. Die Wellen der toten See  schlugen mit knochenbrechender Gewalt gegen die Steilküste von  Calvadien, versuchten das Land zu zermalmen, wie sie es seit Anbeginn der Zeit taten und waren doch machtlos.. konnten nur Stück für Stuck abtragen. Und doch kam eines Tages der Moment, an dem die gewaltige Klippe zusammenbrechen würde, wie lange es auch dauern konnte.

Eine einsame Gestalt stand oben an der Klippe und sah dem dunklen Vogel nach der sich langsam über der See kreisend am düster werdenden Himmel verschwand.

Langes silbernes Haar wehte im Wind und umrundete das eingefallene vom Alter gezeichnete Gesicht, aus dem zwei wache Augen den Horizont absuchten. Mit Beiden Händen stützte sich der Alte auf einen knorrigen Ast. An einer Hand fehlten zwei Finger.

Der Mann ließ den Blick weiterwandern, von den schwarzen Wolken am Horizont, die das Meer zu einem tosenden Hexenkessel aufpeitschten hinab in den Schlund der toten See.

Ihm war klar, dass es das letzte Mal sein würde, das er an diesem Ort stand. Das erste Mal war so lange her…  zu lange. Er bereute sein Leben nicht. Aber… ihr Götter, es gab noch so viel zu tun und er war müde.

Mit zitternder Hand holte er zwei kleine Kugeln aus seiner Tasche. Sie waren nur so groß wie Murmeln. Eine war Nachtschwarz, mi einem silbrigen Stern im inneren, der fast zu glühen schien, die andere hingegen war durchscheinend mit einem roten Sternförmigen Fleck im Zentrum.

Der Alte streckte die Hand mit den Murmeln über die Klippe. Er zögerte kurz…

Es wäre das Beste… endlich einen Schlussstrich ziehen. Jedoch konnte er das nicht. De Geschichte musste erzählt werden.

Er zog die Hand zurück. Dann konnte er  alles hinter sich lassen.

Aber zuerst gab es Worte, die er weitergeben musste.

Es spielte keine große Rolle an wen. Er würde es erkennen.

Langsam trat er von der Klippe zurück, die wirren vom Wind zerzausten Haare glätteten sich, als der Alte wieder weiter zwischen die Bäume gelangte, die diesen Küstenabschnitt säumten.

Weiter den  Klippenverlauf entlang, dort wo die Felskante anstieg und zu einem Überhang führte, der wirkte, als könnte er jeden Moment zusammenbrechen glomm Licht. Sein Ziel.

 

 

 

 

 

 

Kapitel 1 Geschichtsstunde

 

 

Ein gelblicher Lichtschein drang durch die schmutzige Glasscheibe des kleinen Gasthauses auf der Kippe. Vermutlich waren die einzigen, die es um diese Zeit noch hierher verschlug einige frustrierte Fischer, die wegen des tobenden Sturm nicht aufs Meer konnten. Aber selbst wenn sie es konnten… die tote See gab nicht viel her. Das hatten sie nie.

Zu viel zum Sterben zu wenig zum Leben, wie es so schön hieß. Schatten tanzten vor dem Fenster und aus dem Wald, der ein wenig abseits der Klippe lag trat eine Gestalt. Schwer auf einen Stock gestützt schleppte sie sich die letzten Schritte zur Tür hinauf.

Die Gestalt hielt kurz  inne. Das Holz der Tür war alt, vielleicht älter als er und von der Seeluft und vom Salz teilweise zerfressen. Trotzdem konnte er immer noch das Symbol erkennen, das einstmals dort geprangt hatte. Eine Sonne… vermutlich einst Gefärbt. So viel hatte sich geändert, aber wenn man genau hinsah, entdeckte man noch überall Zeichen dessen was einst gewesen war.

Der Alte sammelte sich kurz, dann trat er durch die Tür.

Die Wärme und das flackernde Licht eines Feuers begrüßten ihn. Es war nicht sehr voll hier. Ein gutes Dutzend rauer Gestalten, die verloren in die Flammen starten,  schweigend einen Krug Grog herumreichend oder  sich gedämpft Unterhielten.

Einige Köpfe drehten sich zu ihm herum, andere sahen desinteressiert weg, als die triefnasse, gebrechlich wirkende Gestalt den Raum durchquerte und sich vor das Feuer setzte. Die meisten machten bereitwillig Platz, denn er zitterte und musste wohl annehmen, dass er fror. Andere hielten ihn vielleicht sogar für einen Magier und wichen fast angstvoll zurück. Der Gedanke brachte ihn zum Schmunzeln.

Dem war nicht so, wie er sie hätte beruhigen können. Auch Kälte verspürte er keine. Nur die Empfindung weit weg zu sein… Worte warteten darauf gesprochen zu werden. Unter all den Blicken, die ihn Musterten, entdeckte er keinen einzigen, der ihm vertraut vorkam. Vielleicht doch der falsche Ort um seien Reise zu beenden… doch dort… neugierige junge Augen die ihn aus dem Schutz der anderen hinaus beobachteten. Doch waren es auch die richtigen? Er würde es herausfinden.

,, Kann ich euch etwas bringen ?“ , fragte der Wirt, ein stämmiger Mann mit rotem Gesicht und kaum noch Haaren auf den Kopf, der hinter dem Tresen hervortrat.

,, Tee, wenn ihr welchen habt.“ , sagte der Alte mit leiser, sanfter Stimme.

Der Mann nickte,, Ist aber teuer. Heute nicht mehr so leicht zu bekommen.“

,, Das macht nichts.“

Der Wirt verschwand wieder und der Alte sah zurück in die Flammen. Ein langer Weg lag hinter ihm und nur noch ein kurzer vor ihm. Aber er musste sicher sein.

Sein Blick suchte das Gasthaus ab, mied die Blicke der Fischer und fand schließlich was er gesucht hatte .  Hellere, nicht vom Leben bereits gezeichnete Augen.

Fast noch ein Kind. Nicht wieder…. Es  traf immer die Falschen. Die abgehärteten Männer hier im Saal könnten die Last tragen, jeder andere könnte es…. Aber die unvorbereiteten waren es letztlich, die sie aufgebürdet bekamen. Weil sie nicht darüber nachdachten, ihre Gaben zu missbrauchen.

,, Komm ruhig her.“ , sagte er so leise, das man es überhören konnte, wenn man wollte.

Er wusste,  dass er gehört worden war, als sich leichte Schritte näherten. Erneut schien sich die Aufmerksamkeit auf ihn zu richten. Sollten sie doch zuhören. Was er zu sagen hatte ging sie nichts an… aber er erzählte gerne.

Auch wenn es ihm diesmal schwer fallen würde.

 

Der Wirt kam mit einem Krug zurück und der Alte nahm ihn Vorsichtig entgegen.

,, Danke. Kann ich nachher zahlen?“

,, Aber versucht nicht abzuhauen.“ , sagte er freundlich. Er glaubte wohl nicht, dass er dazu in der Lage wäre.

Wie sehr die Leute doch nur auf das achten was sie sehen…

Er griff in seine Tasche und holte die zwei kleinen Kugeln hervor, die schwarze und die durchscheinende.

Einige der Fischer, die sich neugierig vorgebeugt hatten, schreckten zurück…

,, Das ist doch…“ ,, Unmöglich.“ , ein anderer.

,, Es sind nur Repliken. Nachbildungen.“ , meinte der Alte ruhig. ,,Allerdings noch nach den originalen gefertigt. Die Handwerkskunst des Kaiserreichs Ert ist einmalig.“ Manche schienen noch immer nicht überzeugt zu sein, ,,Würde ich sonst hier sitzen?“

Nein, das wurde den Männern langsam klar. Und erneut konnte er nur darüber schmunzeln. Täuschung… das war das ganze Geheimnis. Das was man ihnen erzählt hatte, existierte für diese Leute. Die Kugeln waren an einem fernen Ort… oder für alle Zeit verloren. Seit Jahrzehnten hatte niemand mehr davon gehört.

Er nahm einen kleinen Schluck aus der Tasse, während er überlegte, wie er beginnen sollte. ,, Ihr kennt die Geschichte hinter den Steinen ?“

,, Jeder kennt die Geschichte.“ , meinte einer.

,, Ai , aber jeder kennt eine andere.“ , erwiderte er.

,, Keiner ist so alt, das er noch die komplette  Wahrheit kennen würde, das ist alles fast hundert Jahre her.“ , gab einer der älteren zu bedenken.

,, Ja… aber ich bin alt genug um einen Teil der  Geschichte zu kennen. Genau, wie sie sich zugetragen hat.“

,, Das behauptet jeder.“ , meinte ein anderer.

,, Lasst ihn reden.  Bei dem Wetter eine gute Geschichte, wäre nicht verkehrt.“

,, Nun, wenn ihr es wünscht, werde ich erzählen. Den Teil den ich kenne. Jedoch, lasst mich mit der ersten Wandlung der Welt beginnen, so wie man es mir als Kind erzählt hat.  Meine Eltern haben diese Zeit noch miterlebt. Und die zweite…“

,,Das Verschwinden…“ , rief einer.

,, Der Diebstahl“, meinte ein anderer und unterbrach ihn

Wieder schmunzelte der Alte. Jeder hier hatte seine eigene Version. Aber keine einzige von ihnen war wirklich wahr. Nicht vollständig.

,, Aber eine Bitte. Ich fürchte, ich besitze nichts von Wert, außer diesen Glasmurmeln. Könnte jemand meine Schulden begleichen?“

Kurz rührte sich niemand, dann trat eine kleine Gestalt zwischen den Tischen hervor und streckte ihm eine Hand mit einer Münze hin. Vorsichtig nahm der Alte diese entgegen und reichte sie an den Wirt weiter, der sich mittlerweile auch zu dem dutzend Versammelter Fischer hinzugesellt hatte.

Vielleicht hatte er tatsächlich den richtigen Gefunden.

Der Alte sammelte seine Gedanken. Sein Blick schweifte zum Feuer, das noch immer hell loderte.

 

Er holte tief Luft und begann.

,, Magie.“ , meinte er. ,, Damit hat alles angefangen. Sie formte die Welt.“

,, Ihr meint sie hat sie zerschmettert.“

,, Seit ruhig wenn ich rede.“ , diesmal war der Alte laut geworden. Und plötzlich schien die gebrechliche Gestalt gar nicht mehr so schwach zu wirken.

Der Fischer, der gesprochen hatte setzte sich langsam wieder.

,, Wie gesagt, alles begann mit der Magie, Calvadien erhob sich aus dem Dunkel der Zeit . Ob durch Götter… weil es so sein sollte, oder bloß durch eine Ironie des Zufalls, das mag jeder für sich selbst entscheiden wie er will. Doch die Tatsache blieb… die Welt entstand.

Friedlich, wie es hieß, bis die Menschen aus dem Schatten traten. Die ersten Städte und Länder entstanden, die erste Welt war geboren.“

,, War es nicht der Verrat, der sie vernichtete ?“ , fragte jemand.

,, Dazu komme ich gleich. Eine Welt in Frieden. Doch gab es Menschen, die in ihren Fähigkeiten, die anderen übertrafen. Magier. Sie nutzten ihre Macht, wie auch alle anderen ihre Fähigkeiten nutzten. Im Einklang miteinander .

Doch gab es seit jeher Wesen, die uns belauerten… beobachteten. Friede ist ihnen zu wieder. Und die menschliche Natur ist anfällig für ihre Einflüsterungen. Die Schatten, Nardor , die Dunkelheit jenseits der Schleier ist ihr Zuhause. Hass, Wut, Verrat, Gier  und Neid sind ihre Domäne. Und sie dürsten danach, die Welt darin zu ertränken. Niemand ist immun gegen ihren Einfluss. Doch am Beginn der Welt war dies anders.

Die Schleier waren strak und für diese dunklen Wesen nicht zu durchdringen. Lediglich das schwache Echo ihrer Stimmen hallte als verlorenes Flüstern über die Gräber und dunklen Orte jener ersten Welt. Einer Welt welche die Nardor fast rasend machte, den auch wenn sie Herren über das Negative sind, so sind sie ihm doch gleichzeitig ausgeliefert, wie einem Sturm. Ihr Hass auf die Menschen wuchs ins unermessliche und ihre Gier danach, alles zu verzehren erreichte schließlich jene Ohren als erstes, die am besten hören konnten. Die Magier hörten das Flüstern der Gier, denn es ist der stärkste unter allen. Nieder und Zerstörerisch, die Gier nach Macht. Am Anfang hörten sie weg und auch als sie hinhörten, folgten die Magier nur langsam. Es dauerte Generationen, bis die Gier letztlich erste Erfolge erzielte.

Die Zauberer  stellten sich mit Berufung auch ihre Macht über die übrigen Menschen. Zuerst als gerechte Herrscher, die ihre Kräfte für ihre jeweiligen Bürger einsetzten. Aber… mit der Zeit reichte auch das nicht mehr aus. Der Ruf der Gier und das Flüstern der übrigen Nardor wurde langsam aber sicher stärker. Die Schleier schwächer.

Die Magier begannen ihr Einflussgebiet auszuweiten und bald standen sie sich Grenzen an Grenzen gegenüber. Zu dieser Zeit waren aus den einst großen Herrschern der ersten Jahrhunderte  längst machtbesessene Monster geworden.

Und die Stimmen der Nardor reichten längst über den Einfluss auf die Magier hinaus. Der Schleier war nur noch eine schwache Hülle.

Die erste Welt hatte sich von einem blühenden Land in ein finsteres Zeitalter gestürzt das nur noch vom Misstrauen der Magier unter einander geprägt wurde. Und als dann die ersten Armeen aufmarschierten, breitete der krieg sich wie in Flächenbrand aus. Es gab keine Verbündeten und Feinde. Es gab nur noch die Magier-Lords, die versuchten ihren Einfluss auszuweiten und all ihre Konkurrenten auszuschalten. Dort wo es mehrere herrschende Magier gab kam es zu Bürgerkriegen, ganze Reiche verschwanden über Nacht von der Landkarte um sofort durch andere ersetzt und wieder erobert zu werden. Flüsse färbten sich rot vom Blut der gefallenen, das in den Straßen der Städte auf den Feldern und in den Wäldern floss. Und über allem thronten die Magier, nicht ahnend, dass sie selbst nur Schachfiguren waren. Werkzeuge, die korrumpiert waren und bald ihren Zweck erfüllt hatten.

Es waren letztlich die Schreie der unzähligen Seelen, die den Schleier endgültig zerschmetterten. Ab diesem Moment endete der ewig scheinende Krieg und machte etwas neuem Platz…

Entfesselt strömten die Nardor über das Land und verschlangen alles, das sich ihnen in den Weg stellte. Haüser, Städte, Länder…

Die Streitigkeiten der Magier wurden Sinnlos. Mit schrecken erkannten sie, dass sie benutzt worden waren, als Instrumente der Nardor. Aber selbst mit dieser Erkenntnis und vereint konnten sie den Ansturm nicht aufhalten. Ihre Seelen gehörten bereits der Dunkelheit.

Hunderte von ihnen starben in der Schlacht bei dem vergeblichen Versuch etwas von dem Wiedergutzumachen, was sie angerichtet hatten. Ein sinnloses Unterfangen.

Die erste Welt ging in Flammen und Tod unter und fiel für Jahrzehnte in Finsternis, durchstreift von den Nardor auf der Suche nach weiteren Seelen.

Ein letztes Konzil der Zauberer unternahm einen letzten Versuch, den drohenden Untergang doch noch aufzuhalten. Geeint in dem Willen, alles zu tun um ihre Schuld loszuwerden, opferten sie letztlich ihr Leben, um die Schleier zwischen den Welten zu schließen. Die Nardor wurden durch die Barriere zurück in die Finsternis gezogen und sollten dort für alle Zeiten versiegelt bleiben.

Um zu gewährleisten, das die Barriere niemals wieder durchdrungen werden konnte, schufen die Zauberer zwei Verankerungen des Schleiers in dieser Welt, um diesen Energie zuführen zu können.

Durch das Opfer weiterer Magier. Denn das Gefängnis das sie Geschaffen hatten, war nicht perfekt.

Egal, wo ein Zauberer starb, seine verbliebene Macht wurde durch die zwei Anker kanalisiert und in den Schleier gelenkt.

Dessen Wiedererrichtung markierte das Ende der ersten Welt und der Magierlords.

Jahrhunderte Vergingen bis sich die Welt von den Narben des Krieges erholt hatte. Die Anker wiederum wurden von den Magiern bis dahin verwahrt, dann jedoch an die Menschen übergeben. An zwei Personen, um das Gleichgewicht zu wahren.

Das, war die Geburt der zweiten Welt. Neue Strukturen bildeten sich. Zwei Länder erhoben sich aus der Asche. Die Welt strebte wieder auf eine Blüte zu. Und die Anker, verblieben im Besitz der jeweiligen Regenten. Doch das einst von den Magiern wiedererrichtete Gleichgewicht konnte nicht ewig halten. Der Punkt an dem alles erneut Kippen konnte, stand kurz bevor…  Und genau hier, beginnt nun, meine Geschichte.“

 

 

 

 

Kapitel 2 Die goldenen Hügel

 

 

 

Eine Windböe fuhr durch die , mit in der Mittagssonne golden Leuchtenden Gras bewachsenen, Hügel. Einige Blätter vom nahegelegenen Wald wurden mitgerissen, taumelten einen Moment, sich scheinbar der Schwerkraft wiedersetzend durch die Luft und sanken dann schwebend zu Boden.

All dies erfassten Corinthis grüne Augen  innerhalb weniger Sekunden und bannten die Umgebung mit wenigen geübten Pinselstrichen auf die Leinwand vor ihm, versuchten die Bewegung dieses Augenblicks so schnell wie möglich und doch ohne Hast einzufangen.

Er trat wieder ein paar Schritte zurück. Das Gold der Wiesen, die wehenden Blätter… all das schien zu stimmen. Und doch gefiel Corinthis  etwas noch nicht wirklich. Ihm war nur noch nicht klar, was genau. Das würde sich möglicherweise später ergeben. Und notfalls würde er seine Staffelei zusammenpacken um das Bild in der Werkstatt zu vollenden. Bereits jetzt hatte sich jedes Detail die Bewegung jedes Grashalms in sein Gedächtnis gebrannt, in dessen unauslöschlicher Galerie bereits das fertige Bild zu hängen schien.

Für den Moment  jedoch legte er den Pinsel bei Seite und zog stattdessen  ein Blatt Pergament und ein Stück Zeichenkohle aus dem großen Holzkasten, der  zusammen mit einem Wanderstab und einem grünen Umhang einige Schritte entfernt zu seinen Füßen stand und indem er seine Malerutensilien aufbewahrte 

Corinthis  setzte sich ins Gras uns sah über die Hügel zu den nur einige Steinwürfe entfernten Klippen. Wenn er genau hinhörte, konnte er die Wellen hören, die gegen das Ufer donnerten. Nur sehen konnte er das Meer nicht. Eine Reihe von hohen Bäumen grenzte die Küste ab.

Über ihm Flog ein Vogel vorbei und verdeckte scheinbar kurz die Sonne. Schnell machte Corinthis ein paar Striche auf dem Pergament, bevor das Tier sich weiter in Richtung Norden entfernte.

Geübt setzte Corinthis die paar Markierungen, die er hatte machen können mit weiteren Zeichenstrichen zum vollständigen Bild eines Vogels zusammen.

Eine Elster vielleicht, dachte er kurz, entfernte dann aber die weißen Stellen. Sein Gedächtnis betrog ihn nie. Der Vogel hatte keine weißen Federn gehabt, nur schwarze, da war er sich sicher.  Ein Rabe…In Gedanken ließ Corinthis den Moment noch einmal vor sich ablaufen. Jeder Flügelschlag schien verlangsamt abzulaufen, bis zu dem Moment wo das Tier die helle Scheibe Sonne kurz kreuzte.

Etwas hatte im Schnabel geglitzert…

Schnell zeichneten seien Hände, ohne das er überhaupt hinsehen musste, fügten das Detail zur Gesamtzeichnung hinzu. Eine Elster hätte besser gepasst, dachte er kurz. Raben genossen schon einen schlechten Ruf ohne dabei diebisch zu sein. Eigentlich schade.

Corinthis wendete sich wieder dem Bild zu und schwärzte die Flügelspitzen an, fügte hier und da die Ansätze einer gefiederten Struktur hinzu, dann rollte er das Pergament zusammen und legte das Kohlestück beiseite. Vielleicht würde ihm später Zeit bleiben, seine Zeichnung zu vervollständigen.

Für den Moment jedoch sah er einfach nur über die, wie es schien, goldbewachsenen Hügel.

Für einen zufällig vorbeikommenden Reisenden hätte die Gestalt in dem farbfleckigen Kittel oben auf einem Hügel sicher seltsam gewirkt. Zumindest eines zweiten Blicks wert.

Ein kleiner Weg aus gestampfter Erde zog sich durch die Landschaft, auf dem eine kleine Gruppe mit Pferdekarren unterwegs war.

Corinthis nahm sich die Zeit ihnen zuzusehen, fahrende Händler oder Bauern wie es aussah auf dem Weg nach Inglarion , dem Zentrum des Kaiserreichs Ert oder vielleicht auch weiter zur Grenze um ihr Glück woanders zu versuchen, vielleicht bis nach Dragosnhire.

Er bezweifelte letzteres allerdings. Seit Monaten waren die Grenzländer wieder unruhig. Er selbst hatte deshalb bereits Probleme…

Während Corinthis so weiter seinen Gedanken nachhing, bemerkte er eine weitere Gestalt auf dem Pfad, die offenbar in Eile war. Eine Person, die sich suchend über die Hügel umsah.

Er winkte und stand auf, als er erkannte, um wen es sich handelte.

,,Keltor“ , reif Corinthis, als der Mann in Hörweite war freundlich, ,, Wie geht es euch ?“

Der feiste Mann wischte sich über die schweißbedeckte Stirn, der ansteigt den Hügel hinauf hatte ihm offenbar zu schaffen gemacht.  ,, Mir geht’s gut.“ , antwortete er keuchend. ,, Bin den halben Weg hierher gerannt.“

,, Und, was ist los ?“

,, Unser Händler wird nicht mehr  ins Land gelassen. Ich habe schon mit Isram geredet, aber dessen Lager sind auch leer.“ ,,War ja klar, dass das früher oder später passiert.“ Corinthis seufzte und machte sich bereits daran die Staffelei an den dafür vorgesehenen Scharnieren auf eine tragbare Form zusammenzufalten. Eine eigene Erfindung seinerseits, die ihm die Arbeit doch sehr erleichtert hatte.  ,, Helft ihr mir tragen ?“ , fragte Corinthis an Keltor gerichtet, der auch sogleich damit begann, den kleinen Holzkasten zusammen zu räumen, Pinsel, Farben… Er achtete nie darauf, wohin er beim Zeichnen alles legte. Eine seltsame Tatsache, überlegte Corinthis während er das mittlerweile trockene Bild in Tücher hüllte und zusammen mit der Staffelei auf den Rücken nahm,  konnte er eine Landschaft oder eine Stadt doch fast aus dem Kopf wiedergeben.

,, Und, wie ist die Lage in Inglarion ?“ , fragte er, während sie sich einen Weg durch die Grashügel hinab zum Pfad suchten.

,, Was denkt ihr ? Ihr seid erst vor zwei Tagen raus. Übrigens, du könntest dir angewöhnen usn etwas vorzuwarnen.“

,, Das habe ich doch…“ , verteidigte Corinthis sich. Eine Angewohnheit von ihm… wenn es in der Stadt mal wieder zu laut zu eng oder zu stressig wurde, schnappte er sich Staffelei und Pinsel und schlief einfach ein paar Tage im Freien.  Im Winter, wenn es zu kalt wurde auch auf den umliegenden Bauernhöfen.

,, Eine Nachricht mit roter Farbe an der Werkstattwand zu hinterlassen ist nicht wirklich etwas, das zur Entspannung beiträgt.“

,, Mittlerweile solltet ihr euch doch daran gewöhnt haben.“

Keltor schüttelte nur den Kopf, als sie den Pfad entlangliefen, der jetzt wo sie darauf entlanggingen wie eine Narbe im umliegenden Gold wirkte.

,, Und wie habt ihr mich diesmal gefunden ?“

,, Ein Mann, der mitten im offenen Gelände stundenlang an einem Gemälde arbeitet ist schwer zu übersehen mein Freund. Ich brauchte bloß den nächstbesten Reisenden fragen, der hier aus dieser Richtung kam.“

Corinthis lachte. ,, Da, dort hinten ist er der Wahnsinnige Maler von Inglarion, der Mann der auf Dächer steigt um Tauben zu malen.“

,, Bitte sag mir, das du das in nächster Zeit nicht vorhast. Weißt du, bei deiner letzten Aktion hättest du beinahe einen der Stadtadeligen mit einem Blumentopf erschlagen.“

,, Ich habe mich entschuldigt, und du musst zugeben, das Bild mit der fallenden Blume hat dir nicht wenig eingebracht.“ ,, Versuch einfach bitte, niemanden umzubringen, ja ?“ ,, Ich halte mich zurück.“

Der Pfad führte zwischen den goldenen Hügeln hindurch und ging auf eine Straße über, die mit Pflastersteinen befestigt war und hier durch flacheres Gelände führte. Eine Kutsche raste mit halsbrecherischem Tempo an ihnen vorbei und Keltor konnte sich nur mit einem Sprung zur Seite retten konnte. Fluchend schüttelte er eine Faust hinter dem Gefährt her.

,, Verfluchte, rücksichtslose…“

,, Pass auf, sieh doch.“ Corinthis deutete auf die Rückseite der Kutsche, wo ein deutlich erkennbares Sonnensymbol prangte.

,, Kaiserlicher Kurier hin oder her, das is doch einfach nur…“

,, Ich bezweifle, das es ein kurier war.“ Er half Keltor auf.

,, Was meinst du damit jetzt wieder ?“

Aber Corinthis schwieg. Wie alles in seinem Leben hatte sich der kurze Moment der vorüberbrausenden kutsche in sein Gedächtnis gebrannt und lief jetzt langsam darin ab. Eine Gestalt hatte im inneren gesessen und für einen kurzen Augenblick, in dem die Sonne hinter der Kutsche gestanden hatte, konnte er eine Frau mit langen blonden Haaren erkennen. Ihre Blicke hatten sich für vielleicht eine Sekunde getroffen …

 ,, Hey, bist du noch da ?“

Er zuckte zusammen, zurück in der Wirklichkeit angelangt.

,, Ja.. alles in Ordnung.“

,, Träumer.“ Keltor schüttelte den Kopf und ging weiter, während Corinthis noch einen Moment stehen blieb. In Der Ferne konnte er bereits die ersten Türme von Inglarion erkennen, deren Sonnenbewehrte Banner jetzt im schwachen Wind wehen würden.

Vielleicht hatte er sich getäuscht, dachte er, als sich seine Füße wieder zu bewegen begannen und er zu Keltor aufschloss. Neben ihnen waren noch andere Leute auf der Straße. Reisende, Händler, einige bewaffnete Söldner, wie es aussah und weiter vorne der Karren, den Corinthis früher schon vom Hügel aus  gesehen hatte. Und alle strebten sie in dieselbe Richtung, egal ob sie Arbeit suchten, diese anboten, kauften, verkauften, für das Gebeit im Umkreis mehrere Tagesmärsche war Inglarion das Herz der Welt und für das Kaiserreich und dessen Herrscher war es noch viel mehr. Für Corinthis jedoch bedeuteten die Mauern, die sich in der Ferne abzeichneten vor allem eins: Daheim.

Welches treffendere Wort konnte es für den Ort geben, an dem man sich am wohlsten fühlte… nicht die Stadt an sich. Inglarion war ständig in Bewegung, viel zu viel Aufregung für ihn. Er fand dort nicht die Ruhe die er brauchte. Nein, seine Welt war die kleine Werkstatt, die sich dort verbarg. Der Ruhige Hof seines Ateliers… Er dachte wieder an den Vogel, ein Rabe, mittlerweile gab es daran für ihn keinen Zweifel mehr.

 

 

Der Alte sah aus dem Feuer auf. Seine Augen hatten sich zu sehr an das mittlerweile zu einem sanfteren glühen Heruntergebrannte Feuer gewöhnt und so sah er einen Moment nur verschwommene Schatten.

,, Habt ihr es je selbst gesehen ?“ , fragte der Wirt, der sich wie die anderen gebannt der Geschichte des fremden ergeben hatte.

,, Was ?“ , fragte er.

,, Inglaroin. Ich habe gehört einst soll es dort Brunnen aus God, gegeben haben und die Gehwege selbst waren mit Edelsteinen besetzt.“

Der Alte schmunzelte erneut. ,, Eine maßlose Übertreibung… andererseits im Vergleich zu dem was heute davon übrig ist, doch recht passend.“

,, Ihr wart also tatsächlich dort ?“

,, Einmal…“ Er schwieg kurz. ,,  Es war eine lange Reise, würde es euch etwas ausmachen, mir noch einen Tee zu bringen.“

,, Natürlich und der geht aufs Haus.“

Der Alte nickte zufrieden und lehnte sich etwas zurück.

,, Und wie ging es weiter ?“ , fragte eine kleine Gestalt aus der Menge. Wieder eine Frage, die richtige wie es schien…

Das Kind… es war noch ein halbes Kind, vielleicht elf oder zwölf Sommer trat vor. Wieder fragte er sich ob er das wagen konnte… besserwäre es gewesen all dies mit ins Grab zu nehmen.

Aber jetzt hatte er begonnen.

,, Was meinst du, wie es weiterging ?“ , fragte er.

,, Ich weiß es nicht… ist er auf ein Dach geklettert ?“

Diesmal musste der Alte wirklich lachen. ,, Ja, dazu komme ich später noch. Leider waren die Umstände nicht so erfreulich.“

Der Wirt kam mit einer Tass zurück, die der Mann dankend entgegennahm. Er ließ den aufsteigenden Dampf sein Gesicht aufwärmen, während er zurück in die Flammen starrte.

,, Mein Gedächtnis ist nicht mehr so gut.“ , meinte er. ,, Vielleicht habt ihr einiges der nachfolgenden Erzählung schon gehört…, vielleicht wurde euch manches anders übermittelt. Wenn ich einen Fehler mache, dann seit versichert ist es nicht Absicht.“

In Wirklichkeit erinnerte er sich in perfekter Klarheit an alles. Als wäre es erst gestern gewesen.

Doch noch zögerte er. Es war lange her…

,, Das Kaiserreich Ert hatte schon lange existiert. In seinen ursprungsformen sogar schon zur Zeiten der ersten Welt, damals natürlich noch unter Kontrolle der Magier und ohne Kaiser an der Spitze. Nach dem Zusammenbruch des Schleiers und dessen späterer Wiederherstellung mithilfe der Anker verleibte sich das Kaiserreich große Gebiete ein, die zu Ende des Nordor-krieges brach lagen. Die ersten Kaiser könnte man ohne weiteres zu den größten Herrschern der zweiten Welt zählen, den sie verbrachten beinahe unmögliches. Ein fast entvölkertes, gebrochenes Land machten sie zur neuen Macht in dieser Welt. Natürlich gab es Wiederstand. Aber zu der Zeit war Ert die wohl größte Hoffnung der Menschen die dort leben. Das änderte sich nie wirklich geändert, auch wenn diese Hoffnungen nicht mehr nur auf dem reinen Fortbestand und dem suchen nach Führung bestand.

Inglarion, war das Zentrum und Ausdrucks dieses Anspruchs der Kaiser auf das Symbol der Hoffnung. Ein Symbol, das Eingang in das Wappen des Reichs fand.  Eine wunderbare Stadt, die Leute aus dem ganzen Land anzog.“ Er sah wieder in die Flammen. Ein letztes Mal holte der alte tief Luft, dann fuhr er fort. Es würde noch ein langer Abend werden…

 

Kapitel 3 Inglarion

 

 

Inglarion war schon aus der Ferne Beeindruckend.  In den Himmel ragende Wälle , die schon lange nicht mehr der Verteidigung gedient hatten , deren Kronen von zerbrechlich wirkenden Zinnen gesäumt wurden. Und dahinter, die Stadt selbst. Filligran wirkende Türme aus honigfarbenem Stein, der in der Abendsonne an Gold erinnerte, Straßen mit sorgsam gefügtem Pflaster, kleinere verträumte Gassen, Blumengirlanden behangene Tempel, Plätze mit Brunnen, Bänken, Marktständen… In den reicheren Häusern waren kunstvoll angefertigte Buntglasfenster zu finden, die Lichtspiele auf die Wände und Fußböden zeichneten.

Und über allem thronend , das Herz des Kaiserreichs Der Palast des Ert-Kaisers, welcher sich in einem eigenen, von der restlichen Stadt abgegrenzten Bezirk befand.  Hallen aus Marmor und Sandstein, gewaltige Säulenhallen und selbst die öffentlich zugängigen Plätze vor dem Palasts-Zugang waren mit Marmor ausgelegt. Corinthis hatte den Palast einmal besucht. Zumindest die wenigen Gebäudeteile, die man als Bittsteller oder Besucher zu sehen bekam. Die Wachsamen Augen der persönlichen Inquisitions-Garde des Kaisers überwachten alle, die sich in diese Säle wagten, bereit jeden Aufruhr in diesen für einige fast heiligen Hallen zu unterbinden.

Des Kaisers Wort war Gesetz für diese Männer und die gesamte Inquisition, die kurz nach dem Zusammenbruch der ersten Welt ins Leben gerufen war. Vom ersten Herrscher von Ert, damals noch lediglich eine kleine in der Asche verbliebene Provinz. Seit jener Zeit, war viel geschehen.

Die Macht des Kaisers, amtierend ein Mann namens Baratas , der seine Linie direkt auf jenen ersten Herrscher zurückführte war fast gottgleich und  und die Inquisition hatte dafür zu sorgen, dass dies so blieb. Neben anderen Aufgaben, die Corinthis einen Schauer über den Rücken jagten. Magierjagd…

Glaube und Dienst… die Grundsätze der Inquisitoren duldeten keinen Wiederspruch und ließ keine Gnade zu.

 

Während seines Besuchs hatte er die schweigsamen Gestalten, in den vergoldeten Panzerungen die jeweils mit dem persönlich eingravierten Sonnensiegel des Kaisers versehen, so gut wie möglich gemieden.

Die schwindelerregend hohen Hallen des Palastes, welche mit aufwendigen Deckenfresken verziert waren, die teilweise noch aus der ersten Welt stammten, faszinierten Corinthis . Und auch die Inschrift über dem Torbogen, welche den Zugang zum Palastviertel bildete. Uralt in den Stein gebrannt mit Magie war sie selbst nach einem Jahrtausend oder mehr noch lesbar. 

Denke und Herrsche. Ein Grundsatz aus den Tagen als die Zeit der Magierlords  begann, eine Erinnerung an jeden, der ohne Voraussicht handelte und regierte. Eine Aufforderung zur Weisheit und zu Nachsichtigkeit. Die Kaiser bekamen die Innschrift vermutlich kaum zu sehen. 

Und natürlich fand sich überall das vertraute Sonnensymbol. Auf den marmornen Plätzen, in den Hallen, an offiziellen Gebäuden und tributpflichtigen Betrieben und  im Holz der Stadttore, die bereits seit Jahrzehnten nicht mehr geschlossen worden waren. Corinthis bezweifelte fest, dass diese sich überhaupt noch schließen lassen würden.

Und natürlich war das auch nicht nötig, trotz der Unruhen. Die gab es seit Jahrzehnten immer mal wieder an der Grenze des zweiten großen calvadischen Reichs, das sich aus der Asche der ersten Welt erhoben hatte. Das Königreich Niob. Corinthis selbst hatte die Grenze nie Überschritten, Keltor jedoch, war soweit er wusste einige male dort gewesen.

Es war vermutlich nicht sehr viel anders als hier, auch wenn er fremdartige Beschreibungen gehört hatte,  nur der Herrscher hatte eben einen anderen Titel.

Auch wenn der Kaiser und essen öffentliche Boten  das anders darstellte. Und was die Inquisition anbelangte… war Niob der Hort des Bösen, der Magiern Zuflucht gewährte und das Wort des Gottkaisers mit Füßen trat.

 

Schweigend setzten er und Keltor ihren Weg durch die Straßen Inglarions fort. Die Werkstatt lag mitten im verwinkelten Herzen der Stadt, einem Gebiet, das noch zum ursprünglichen Siedlungsgebiet der ersten Welt zählte. Hier in einem abgegrenzten ummauerten Hinterhof hatte Corinthis sich vor Jahren ein Atelier eingerichtet, das Keltor ihm zur Verfügung gestellt hatte.

Als sie sich den vertrauten Gassen näherten musste Keltor unwillkürlich schmunzeln.

,, Weißt du noch, wie das alles hier angefangen hat ?“

Corinthis musste ebenfalls laut lachen. Er war im Umland Inglorions aufgewachsen, auf einem Bauernhof… doch nach dem Frühen Tod seiner Eltern, er dachte nicht gerne darüber nach, hatte er sein Glück in der Stadt versuchen wollen. Corinthis hatte schon immer eine Begeisterung für das Malen besessen, aber nie genug Geld gehabt um sich anständige Farben leisten zu können. Diese waren unerschwinglich teuer. Und so hatte er sich meist auf Zeichenkohle und Pergament das ebenfalls nur schwer für ihn zu bekommen war, verlassen.

Die Idee seine so mit rudimentären mitteln gefertigten  Werke  zu verkaufen war verrückt. Aber er hatte offenbar wirklich Talent, den mit genau diesen Zeichnungen, konnte er sich anfangs über Wasser halten. Bis er sich auf die Suche nach einem Gönner gemacht hatte. Ihm war klar, dass er so nicht ewig weitermachen konnte. Das meiste Geld, das er bekam, wurde auch direkt als Steuern oder Abgaben eingesammelt und das wenige, das blieb reichte grade so zum Überleben.

Eines Tages verschlug es ihn so, in genau diesen Teil  der Stadt verschlagen. Die verwinkelten unübersichtlichen Straßen hier hatten ihn schnell in seinen Bann gezogen und irgendwie, fast unabsichtlich war er in dem offenen Hinterhof gelandet.

Ein Mann, mit einem Körperumfang fast doppelt so breit wie er selbst, Keltor, hatte dort gestanden und mit einem Mann gestritten. Offenbar der Bewohner des Hofs und der anliegenden Gebäude.

Soweit er es hören konnte ging es um Rückstände in den Zahlungen oder Schulden. Jedenfalls endete es damit, dass der Mann plötzlich losrannte und in den Gassen verschwand. Keltor setzte ihm ein Stück weit nach, trottete dann aber wieder Kopfschüttelnd auf den Hof.

Neugierig trat Corinthis auf den Mann zu. ,; Darf ich fragen was das grade wahr ?“

,, Das waren grade gut zweihundert  kaiserliche Dukaten und ein paar Viertel, die da einfach weggerannt sind.“ , antwortete der Mann verzweifelt.

Corinthsi hielt kurz inne. Eine kaiserliche Dukate, war eine Goldmünze, die etwa dem Wert einer Kuh entsprach, soweit er wusste. Selbst hatte er noch nie auch nur eine davon in der Hand gehalten.

Viertel wiederum waren Geldstücke, die halb aus Silber und halb aus Kupfer bestanden und etwa ein Zehntel des Werts einer Dukate besaßen. Zweihundert Dukaten wiederum… für dieses Geld bekam man ein eigenes Dorf, oder eine Kleinstadt….

,, Ist er euch so lange die Miete schuldig gewesen ?“

,, Ach wenn es nur das wäre, der wollte die Halle kaufen. Ich bin Händler wisst ihr ,Keltor der Name  und habe schon so einiges Erlebt und mit so ziemlich allem Geschäfte gemacht, aber so was… Er hat sich Monatelang um die Zahlung gedrückt und die ganze Zeit den Schuppen selbst vermietet. Und jetzt haut dieser Penner mit meinem Geld ab.“

In Corinthis Kopf begann sich eine Idee zu formen. ,, Ich bringe euch euer Geld wieder.“

,, Mach dir keine Mühe Kleiner, der ist längst über alle Berge.“

,, Pah wenn du das schaffst, kannst du den Schuppen haben.“

,, Abgemacht.“

Der Händler machte eine Wegwerfende Handbewegung. ,, Pah, Viel Glück ich glaube nicht dra…“ Er stockte, als er sah, wie Corinthis  bereits um die Ecke bog um die der Schuldner verschwunden war und die Straße hinab rannte...

,, Da brat mir doch einer einen calvadischen Schwarzstorch…“

 

Corinthis wusste, dass der Mann einen Vorsprung haben musste. Aber er hatte einen anderen Vorteil. Die Gassen dieses Stadtteils hatten sich unauslöschlich in sein Gedächtnis gebrannt, in all ihren Einzelheiten. Wo Straßen abführten, die er nicht kannte, überlegte er , wo deren Gegenstück in den ihn bekannten Wegen enden konnte, andernorts wusste er, dass es sich um Sackgassen handelte und nahm eine andere Richtung…

Es war trotzdem ein Glücksspiel, aber eines, das er schlussendlich Gewann. Nach wenigen Minuten kam der Mann wieder in Sicht, den er auf dem Hof gesehen hatte. Hier öffneten sich die Gassen wieder zu einer breiten, um diese Uhrzeit belebte Straße, hier und da gab es Stände , die Waren verkauften…

Der Mann bemerkte ihn jetzt auch und wusste wohl instinktiv, das er Verfolgt wurde, denn plötzlich begann er wieder zu rennen.

Offenbar hatte er sich bereits in Sicherheit gewiegt und stürmte nun ohne Rücksicht durch die Menschenmenge. Corinthis  jedoch ging schlauer vor. Er kannte diese Straße. Der Mann hoffte wohl in abschütteln zu können, wenn er in der Menge blieb. Aber an irgendeinem Punkt musste er wieder von ihr abbiegen, oder er würde im Palastviertel enden. Der letzte Ort, an den ein flüchtiger Betrüger gelangen wollte. Viel eher würde er einen Weg aus Inglorion suchen.

Und das bedeutete, es gab nur eine Hand voll Wege, die er nehmen konnte. Corinthis lenkte seine Schritte weg von der  großen Straße. Wenn er dem Flüchtigen den Weg abschneiden wollte, würde er eine kleine Abkürzung nehmen müssen. Oder auch eine große…

Er stellte sich vor eine Hauswand. Eine dämliche Idee… aber ihm blieben sonst nicht viele Optionen.

Mit einem Satz Griff er nach einem Vorsprung im Gestein der Mauer. Die Ziegel der Wand waren verschoben und boten einen fast idealen halt. Sofern man schwindelfrei war.  Hochkommen war also schon mal kein Problem das Runterkommen wiederum… nun darüber würde er sich Gedanken machen, wenn es soweit war.

Über die Dächer hatte er einen fast unglaublichen Blick auf die Stadt, aus einer Perspektive, die er so noch nicht kannte. Corinthis brauchte einen Moment um sich daran zu gewöhnen. Dann jedoch wusste er, wohin er musste.

Mit einem Sprung überquerte er die Lücke zwischen zwei Dächern. War es eigentlich Verboten hier oben zu sein?

Fast wäre er beim Aufkommen auf der gegenüberliegenden Seite ausgerutscht. Hinter ihm, ging es mehrere Meter in die Tiefe. Im letzten Moment fing sich Corinthis wieder. Vielleicht war das hier oben doch keine so gute Idee. Aber dort unten in der Gasse nahm er eine Bewegung wahr.

Runterklettern war keine Option,  bis dahin wäre der Mann längst wieder weg.

Verdammt, das würde Wehtun.

Er schätze grob und sprang mi Anlauf.

Der harte Aufprall, den er erwartet hatte, blieb aus, stattdessen riss er den immer noch rennenden Mann mit sich zu Boden.

Corinthis rappelte sich schneller als der andere wieder auf und versperrte ihm den Weg.

,, Du schon wieder. Was bei den Nardor willst du eigentlich?“

,, Ach ich dachte da an die 200 Dukaten, die ihr Keltor schuldet.“

,, Wenn das so ist, hier hast du was als Anzahlung.“ Mit diesen Worten stürmte der Mann auf ihm zu und Corinthis sprang grade noch rechtzeitig zur Seit um der Schneide eines Messers zu entgehen.

Ganz jedoch, kam er doch nicht davon, die Klinge streifte ihm am Arm und hinterließ eine klaffende Wunde. Der Schmerzzuckte sofort durch seinen Körper. Trotzdem  war die Verletzung wohl nicht gefährlich.

Das war kein Spiel mehr, keine simple Verfolgungsjagd. Der Mann wollte ihn tatsächlich töten oder zumindest schwer verletzen.

Erneut hieb der Mann mit dem Dolch nach ihm, diesmal jedoch war er vorbereiteter und sprang rechtzeitig zurück. Aber so oder so.. er war unbewaffnet…

Rasch sah Corinthis sich um, entdeckte aber nur ein morsches Holzgerüst, das scheinbar eine Hauswand abstützte. Besser als nichts. Das Holz war so brüchig, das er ohne Schwierigkeiten in Stück in Armlänge abbrechen konnte.

,, Was ?“ Der Mann schien fast Lachen zu wollen,, Sag mal Junge, hast du überhaupt schon mal wirklich gekämpft ? Hau ab, dann kommst du wenigstens mit dem Leben davon.“

Corinthis rührte sich nicht.

,, Stur wie ? Na selber schuld.“  Als er wieder auf ihn losging sprang Corinthis nicht zur Seite, sondern schlug den Holzstab mit voller Wucht gegen den Kopf seines Angreifers. Besonders effektiv war das nicht, da das brüchige Holz fast ohne Wiederstand zersplitterte.

Aber der kurze Moment der Verwirrung reichte Corinthis um dem Mann das Messer zu entreißen. Mit aller Kraft ließ er den Knauf der Waffe gegen dessen Unterkiefer krachen. Er wollte ihn nicht töten. Sein Gegner sank endgültig zu Boden.

,, Das Geld ?“ , fragte er.

Der Mann löste mit zitternden Händen einen Beutel von seinem Gürtel. ,, Hier, aber bitte lasst…“

,, Ist ja schon gut, Verschwindet.“

,, Ja, danke.. das werde ich.“ Schwankend stand der Mann auf und rannte davon. Corinthis legte  den Dolch beiseite und warf einen kurzen Blick in den Beutel.

Es sah so aus, als wäre alles da. Gut gelaunt machte er sich auf den Rückweg. Der Schnitt an seinem Arm brannte, aber er ignorierte es. Jetzt hieß es zurück zu Keltor und hoffen, das dieser Wort hielt. Allerdings… er könnte einfach abhauen… das Geld in dem Beutel übersteig den Wert des Gebäudes locker um das doppelte…

Er schob den Gedanken von sich. Das wäre nicht richtig. Trotzdem war da eine leise flüsternde, gierige Stimme. Er brachte sie zu schweigen.

 

Kapitel 4 Farbbeschaffung

 

 

 

Keltor sah überrascht auf, als er Corinthis mit dem Beutel sah, der wieder auf den Hof trat, auf dem der Händler wartete. Mittlerweile stand die Sonne schon tiefer und schien direkt in das Innere der offen stehenden Schuppen auf einer Seite des Hofs. Offenbar hatte sich der flüchtige Käufer nicht gut darum gekümmert. Vollgestopft mit Müll und losen Holzreste, bot das ganze jetzt ein eher erbärmliches Bild.

Lediglich die kleine Steinbaracke, die sich den Schuppen gegenüber befand machte einen guten Eindruck.

,, Hier wäre was man euch Schuldet.“ Er warf dem Mann den schweren Beutel zu. Dieser warf verdutzt einen Blick hinein und auch auf Corinthis Arm, den er mittlerweile mit einem Stofffetzten Verbunden hatte.

,, Das..äh.. das ist doch einfach…“ Er stand auf. ,, Tausendfach dank, wer immer ihr auch seid.“

,, Corinthis. Ich heiße Corinthis. Und ich hoffe, ihr habt euer Versprechen nicht vergessen.“

,, Ach ja…“ Keltor sah auf. Einen Augenblick lang schien er mit sich zu kämpfen, dann breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus. ,, Natürlich, gehört euch. Ich glaube, viel hat dieser Idiot hier eh nicht übrig gelassen. Aber darf ich fragen, was ihr jetzt vorhabt?“

,, Na ja. Ich bin noch nicht sehr lange in Inglorion . Eigentlich bin ich Maler, also mache ich hier draus vielleicht ein Atelier. Aber ohne Unterstützung sieht das schlecht aus. Farbe und Materialien sind teuer.“

,, Ich verstehe.“ Ein Funken einer Idee schien in seinen Augen zu erscheinen. ,, ich habt Talent ? Ihr habt schon gezeichnet?“

,, Bisher nur mit Kohle.“ , meinte er betreten.

Keltor lachte. ,, Bisher nur mit… Junge, wie wollt ihr jemals jemanden finden, der euch Finanziert, wenn ihr nichts vorzuweisen habt?“

,, Na ja, ich werde es versuchen…“

,, Ihr werdet es versuchen, Ihr seid gut. Wisst ihr was? Zeichnet etwas ich bin ehrlich gespannt.“

Corinthis zögerte… dann griff er in seine Tasche und holte einen kleinen Bogen Pergament und ein abgenutztes Stück Zeichenkohle hervor. Er begann mit einigen einfachen Linien, etwas simples vielleicht das Huas hinter ihm…

Er warf das Pergamentblatt weg. Nein. Er brauchte definitiv etwas anderes…

Corinthis dachte an die Verfolgungsjagd zurück, Inglarion von Oben,  das war es. Das sich endlos erstreckende Häusermeer, aus dem hier und da Gebäude herausragten und in dessen Mittelpunkt sich der Palast erhob, wie ein von Menschen geschaffener Berg. Die Details waren alle da, dort ein Vogel in der Luft, hier Rauch, der sich aus einem Schornstein kräuselte und einen schwarzen Streifen über dem Himmel hinterließ, obwohl es Sommer war. Vielleicht eine Bäckerei oder eine Schmiede.

Er arbeitete rasch, ohne zu zögern, zeichnete Dächer, die Schluchten, wo Straßen diese voneinander trennten, Türme, Mauern…

,, Und ?“ , fragte Keltor, der offenbar ungeduldig wurde. Corinthis reichte das Blatt an den Händler weiter. Dieser sah einen Moment auf die Zeichnung…

,, Das… das habt ihr doch unmöglich in so kurzer Zeit geschafft.  Das ist eine Arbeit von mehreren  Stunden.“ , meinte er zögernd. ,, Ihr hattet das schon dabei, oder ?“

,, Nein. Hier seht selbst.“ Er nahm einen weiteren Bogen Pergament und begann zu zeichnen, wieder dasselbe Motiv, die Stadt von den Dächern aus gesehen, diesmal jedoch ließ er sich absichtlich mehr Zeit, fügte hier und dort noch ein Detail hinzu, das er vorher vergessen hatte, während Keltor ihm ungläubig über die Geschwindigkeit des Malers über die Schulter sah. Innerhalb von fünf Minuten hatte Corinthis etwas geschaffen, das dem Bild vor seinen Augen fast vollständig entsprach.

,, Und ?“ , jetzt war es an ihm den Händler ungeduldig zu fragen.

,, Nun.. mein Freund, ich glaube, wir kommen ins Geschäft.“

 

Das war vor drei Jahren gewesen. Seitdem hatte sich Corinthis Leben ziemlich verändert  Und auch der kleine, halb verfallene Hinterhof war mittlerweile ein völlig anderer Anblick. Die Steinbaracke hatte er befestigt und mittlerweile konnte er gut daran leben.

Zum Arbeiten jedoch, war er am liebsten unter freiem Himmel. Die Holzschuppen waren Gewichen um einer Reihe von Tischen Platz zu machen, in einer Ecke des Hofs wiederum hatte man eine kleine Halle hochgezogen, die ihm bei schlechtem Wetter als Werkstatt diente. Nebenbei hatte er auch seine Zeichentechnik verfeinern können. Corinthis arbeitete noch immer gerne mit Zeichenkohle und für schnelle Skizzen war es das einfachste Mittel. Aber früher hatte er aus Kostengründen und aus Mangelndem Wissen um den Vorgang darauf verzichten müssen, das Bild zu fixieren, so dass seine Zeichnungen extrem anfällig gewesen waren und schnell verwischten.

Eines Tages jedoch hatte er begonnen mit verschiedenen Methoden zu  experimentieren. Anfangs hatte er die Kohlezeichnungen und Skizzen in Leimbäder getaucht. Das funktionierte zwar, aber wenn man auch nur kurz unaufmerksam wurde, konnte es sein, das das gesamte Werk verlief und unbrauchbar wurde. Dann jedoch war er auf die Idee gekommen, die Pergamentblätter  vorher mit Leim zu überziehen und diese trocknen zu lassen. Der Leim ließ sich später unter Wasserdampf, dazu hängte er die Bilder über einen Kochtopf, wieder verflüssigen und fixierte beim erneuten aushärten die Kohle endgültig auf der Oberfläche.

Genau dies tat er jetzt mit der Skizze des Raben, die er auf den Hügeln vor der Stadt angefertigt hatte, während er das Pergament an einer Klammer über dem Herd befestigte und einen Wassertopf aufstellte , besah Keltor sich das Bild der goldenen Hügel das er mit Farben angefertigt hatte.

,, Das ist wirklich… Als könnte man durchgehen und wäre direkt auf den Wiesen“ er trat ein paar Schritte zurück. ,, Ehrlich, ihr müsst aufpassen, dass die Inquisition das nicht sieht. Die halten euch glatt für einen Magier.“ Corinthis lachte, während er das Pergamentblatt vorsichtig aus dem Dampf zog und das nun fertige Bild auf eine der Bänke in der Sonne zum Trocknen legte, aber es war ein nervöses lachen. Ein Falsches.

Sein Blick fiel auf seinen Stock, den er einfach an eine der Außenwände des Hofs gelehnt hatte. Es gab einen Grund, aus dem sich im Knauf versteckt eine Stahlklinge befand.

 

Die Inquisition hatte es schon seit der Gründung des Kaiserreichs gegeben, aber ihr Einfluss war nie besonders groß geworden. Das hatte sich mit der Krönung Baratas vor rund dreißig Jahren grundlegend geändert.  Mehr als seine Vorgänger pochte er darauf, das sein Wort Gesetzt der Götter war.

Ert hatte schon immer einen strengen Umgang mit Magiern geführt, diese wurden gesammelt im sogenannten Orden des schwarzen Drachen zusammengefasst. Venthron war Sitz dieses Ordens und gleichzeitig sein Gefängnis. Denn die Stadt zu verlassen war den Zauberern nur selten gestattet, sie lebten dort abgeschottet und bewacht durch die Inquisitoren abseits der übrigen Bevölkerung. Baratas aber war fast fanatisch, was die Umsetzung dieser Regelung anging. Jede Familie, in der jemals ein Zauberer geboren wurde  hatte Stammbäume zu führen und jeder Magier musste gemeldet werden. Aber nur eine gewisse Anzahl Magisch begabter, grade genug um mit Niob auf einem Kräftegleichgewicht zu bleiben, wurde in den Orden aufgenommen. Alle anderen, ob Kinder, Frauen, oder Männer wurden ohne Gnade von der Inquisition getötet. Natürlich zögerten deshalb die meisten Eltern zu melden, wenn ein Kind als Magier geboren wurde.

Einige entkamen der Inquisition Anfangs tatsächlich. Aber das hieß nichts. Ohne eine Ausbildung konnte ein Zauberer mit seiner Gabe nichts Anfangen und viel nicht auf... aber eine Unterdrückte Gabe konnte sich auf die unterschiedlichsten Weisen äußern. Von Alpträumen, über das Hören von Stimmen, bis hin zu seltenen Talenten. Natürlich war all dies auch unter der nicht magischen Bevölkerung zu finden.

Die Inquisition jedoch interessierte das wenig. Unter dem Gottkaiser hatten sie ihr Schattendasein am Rande der Gesellschaft hinter sich gelassen und waren nun dessen eingeschworene Leibgarde und der verlängerte Arm des Reichs.

Und jeder, der auch nur verdächtigt wurde, auch nur das geringste Zeichen von Magie zeigte, konnte von der Inquisition verhört werden. Nicht, das man zu diesem Zeitpunkt noch eine Chance hätte, seine Unschuld zu beweisen. Soweit Corinthis wusste, war nur ein geringer Teil derer, welche die Inquisition mitnahm, je wieder aufgetaucht.

Die meisten jedoch ignorierten dieses ständig präsente Schwert über ihnen einfach. Es ließ sich so einfach besser leben und letztlich… und letztlich stellten die Inquisition und der Kaiser die letzte Barriere zwischen ihnen und dem dunklen Reichen von Niob dar, die sicher schon danach trachteten, Inglarion dem Erdboden gleich zu machen, sobald das Reich schwäche zeigte.

Schon seit der Gründung Erst und Niobs hatte zwischen diese eine gewisse Spannung bestanden, und während das Kaiserreich sich den Norden und Westen  Calvadiesn einverleibte, fiel der Süden und der Osten langsam aber sicher an Niob. Bis zu dem Moment, wo der Kontinent vollständig zwischen diesen Beiden Kontrahenten aufgeteilt war.

 

Mittlerweile waren kleinere Grenzkonflikte an der Tagesordnung, etwas, das vor allem Corinthis zu spüren bekam. ,, Keltor, Ihr meintet vorhin, Israms hätte keine Vorräte mehr ?“ , fragte er, während er den Stab wieder an sich nahm. Ein Federmechanismus, den er jetzt betätigte  löste den Knauf heraus, an dem die Klinge befestigt war. Sollte die Inquisition es eines Tages auf einen unwichtigen Künstler abgesehen haben, würde ihm das zwar nichts nützen, aber er fühlte sich zumindest sicherer.

Anders als den meisten anderen war es ihm fremd eine solche Gefahr einfach zu ignorieren.

Und es gab mehr Bedrohungen, als die Inquisition in den Straßen der Stadt. Die Narbe an seinem Arm erinnerte ihn jeden Tag wieder etwas daran.

, Ja, weil die Grenze schon wieder dicht ist. Verdammt Corinthis , wir können Einpacken, wenn das so weitergeht.“

,, Ich weiß.“

Keltor hatte sich vor drei Jahren bereit erklärt Corinthis zu finanzieren. Leinwände, Pinsel, Zeichenkohle, alles was er brauchte, gegen eine gewisse Beteiligung am Verkauf seiner Bilder, die für ihn zumindest überraschend, guten Absatz fanden. Fast jedes Werk, das er anfertigte, fand wenige Tage später einen Abnehmer und mittlerweile Genoss er bei den meisten wohlhabenderen Bewohnern Inglarions einen guten Ruf, wenn er auch von manchen als eigen angesehen wurde.

Für manche hatte er auch schon Porträts angefertigt, die besonders gut bezahlt wurden.

Mittlerweile hätte er sich eigentlich von Keltor lösen und komplett Selbstständig werden können, aber er dachte nicht daran.

Ja, er verdiente dabei gut und in einigen Jahren könnte er sich vermutlich zur Ruhe setzen, aber die Wahrheit war, das wollte Corinthis gar nicht. Er hatte nie gedacht, wirklich von seinen Arbeiten leben zu können und allein das erreicht zu haben, war mehr als genug.

Und Keltor war mittlerweile mehr ein Freund. Und letztlich war es einfach bequemer. Der Händler organisierte alles und Corinthis musste lediglich das tun, was er sowieso gut konnte. Zeichnen.

Es gab mehr… aber wann immer diese leise Stimme sich in ihm meldete, brachte er sie so schnell wie möglich wieder zum Schweigen.

Das einzige wirkliche Problem momentan war die Beschaffung von Farbe. Keltor bezog diese von einem Mann namens Isram. Aber Farbe wurde nicht in Ert hergestellt, das meiste wurde aus Niob importiert und zwar über den Landweg. Hier lag auch die eigentliche Krux. Wann immer das Kaiserreich sich bei erneuten Zwischenfällen entschloss die Grenzen zu schließen bekamen sie deshalb schnell Probleme mit der Beschaffung neuer Farben.

,, Hast du sonst schon mit jemanden gesprochen ? ihr habt doch sicher mehr kontakte als nur Isram.“

,, Habe ich, aber glaubt mir, die haben alle dasselbe Problem.“

Corinthis lief auf und ab und dachte nach. Er selbst hatte noch Farbe und einen Stapel unverkaufte Bilder, das heißt sie konnten so sicher noch eine Weile weitermachen, aber wenn die Grenze zu blieb wären sie entweder auf die Dienste von Schmugglern angewiesen oder aber…

,, Welche Farben genau bezieht ihr aus Niob ?“ ,, Vor allem Blau, Gelb und Grün, das gewinnen sie dort aus irgendwelchen Hölzern habe ich mir sagen lassen. Aber versucht mal an Setzlinge zu kommen… Rot wiederum lässt sich hier ziemlich gut aus Purpurmuscheln gewinnen, das ist also kein Problem.“ Also hatten sie rot unbegrenzt zur Verfügung während er bei fast allem anderen nur noch  kleine Vorräte besaß. In seinem Kopf begann sich eine Idee zu formen. Es war verrückt… aber ansonsten würde ihnen früher oder später das Material ausgehen.

,, Ich glaube ich habe da einen Plan.“ , sagte er. ,, Allerdings müsste ich das ganze erst einmal ausprobieren. Wenn es jedoch funktioniert…

,, Lasst hören.“ , meinte Keltor neugierig.

 

Kapitel 5 Blut

 

 

 

Der Alte sah zum zweiten Mal  an diesem Abend aus den Flammen auf. Immer noch standen das halbe Dutzend Fischer wie gebannt um ihn herum und lauschten seiner Erzählung. Er lächelte schwach, war seine Geschichte doch nur für einen unter ihnen wirklich bestimmt. Schwankend erhob er sich.

,, Erzählt ihr nicht weiter ?“ , fragte einer.

,, Es tut mir leid. Aber ich bin sehr Müde.“ , erwiderte er, während er einen Blick aus dem Fenster warf. Draußen tobten noch immer die Elemente, die Gischt schlug Teilweise über die nur wenige Schritte entfernte Klippe und setzte das spärliche Gras  unter Wasser.  AB und an erhellte Wetterleuchten den Horizont und lies die schwarzen Wolken in den unterschiedlichsten Formen erstrahlen. Bedrohliche Monster, geheimnisvolle Nebel und Gesichter alter Freunde…. All dies schien sich in diesen Wolken abzuzeichnen. ,, Allerdings“ , begann der Alte wieder zu sprechen. ,, sieht es so aus, als würde der Sturm da draußen noch eine ganze Weile anhalten, möglicherweise bis Morgen. Wenn dem so ist, werde ich hier sein.“

,, Aber, wo werdet ihr schlafen ?“ , eine besorgte, hohe Stimme. Das Kind.

,, Mach dir deshalb keine Sorgen.“ , antwortete er ruhig.

,, ihr könntet heute hier bleiben, denke ich.“  Bot der Wirt an.

,, Ein Angebot, das ich gerne in Anspruch nehme.“ , meinte er, während er erneut einen Blick nach draußen warf.

Morgen also würde er weitersprechen. Die Worte zählen und dann am Ende… vielleicht sein Ziel erreicht haben.

Morgen würde er weitermachen. Aber für diesen Tag hatten zu viele Worte seinen Verstand verlassen.

Morgen würde er zum Kern des ganzen gelangen können.

 

 

,, Einen Moment.“

Corinthis beschloss es ihm zu zeigen. Die Farben lagerten in einem wiederhergerichteten Schuppen auf dem Hof. Keltor bekam diese meist in Pulverform geleifert und wurden lediglich bei Bedarf mit Wasser verrührt. Trocknete die Mischung war sie nicht mehr zu gebrauchen, deshalb hatte ein Extra Lager für diese hergemusst, wo diese vor Feuchtigkeit und Regen geschützt waren.

Ein Schloss versperrte die Tür, aber Corinthis ließ den Schlüssel meist an einem Metallenen Hacken an der Außenseite der Hütte hängen. Die Farben waren teuer, aber ohne die richtigen Abnehmer trotzdem keine lohnende Beute für Diebe. Und selbst wenn doch mal etwas verschwand, er achtete darauf Keltor immer nur so viel Farbe  besorgen zu lassen, wie er für die nächsten Tage brauchte.

Im Falle eines Engpasses, wie jetzt war das allerdings ein Problem, da ihm die Vorräte so recht schnell ausgingen.

Nur rot würde ihnen für eine Weile ausreichend zur Verfügung stehen. Und genau darauf baute seine Idee auf.

Die Farben lagerten in kleinen Säcken, jeweils mit einer Beschriftung welche Sorte darin zu finden war. Rasch griff er sich aus jedem davon etwas Farbpulver und einen kleinen Beutel voll rotem Farbstoff, dann trat er zurück auf den Hof.

,, Und was habt ihr vor ?“ , fragte Keltor immer noch neugierig.

,, Nun das ist eigentlich ziemlich einfach.“ , antwortete Corinthis während er die verschiedenen Farbpulver in eine Reihe von Tontöpfen gab und den Beutel mit dem roten daneben stellte.

,, Wir haben nur eine einzige Farbe und die ist rot ? Richtig ?“

,, Ja… ich meine… wir haben etwas Gelb und Blau da und einen Rest grün aber…“ Er schien es langsam zu begreifen. Das Mischen von Farben war eines der Grundhandwerke jeden Malers, der auch nur etwas Talent besaß. Wollte man nicht nur mit den gelieferten Farbtönen arbeiten, musste man das richtige Gespür dafür entwickeln, wie man die verschiedenen Stoffe mischen oder wie viel Wasser man zugeben musste um das gewünschte Ergebnis zu erzielen. Was Corinthis jedoch vorhatte war noch eine Stufe darüber.

,, Was meint ihr, wie viele verschiedene Rottöne bekommen wir mit den verbliebenen Farben hin ?“

,, Dutzende, aber.. ihr wollt wirklich nur mit rot malen? Funktioniert das überhaupt?“

Corinthis lachte. ,, Genau das alter Freund will ich herausfinden.“

,, Wenn euer Plan aufgeht sind wir gerettet .“ , meinte er.

,, Wie gesagt, ich muss ein wenig experimentieren, etwas ausprobieren. Kann eine Weile dauern.“

,, Macht das, ich werde noch einmal versuchen irgendwo Farbe zu bekommen.“

,, Ich dachte ihr wart schon überall.“

,, Schon, aber was soll ich sonst machen. Ihr seid der Maler.“ Mit diesen Worten drehte sich Keltor um und seine breite Gestalt verschwand in den Gassen.  ,, Vielleicht bin ich nachher auch nochmal auf dem Markt, wir haben ja noch ein paar Bilder vorrätig. „

Corinthis sah ihm einen Augenblick nach, dann machte er sich an die Arbeit.

Zuerst galt es wie immer die Farbpulver aufzulösen. Die einzige Bedingung für das hierfür erforderliche Wasser war, das es möglichst sauber sein sollte. Mischte man Farbstoff mit zu schmutzigen Wasser konnte das die gesamte Farbe ruinieren, nicht zu vergessen, das das Vorhandensein von kleinen Schmutzteilchen zu unschönen Ergebnissen beim späteren Bild führen konnte. Er gab genug Wasser hinzu, das die Farben sich komplett löten und er letztlich eine Schale mit gelben, eine mit grünem und blauem Wasser erhielt. Dann konnte er mit der eigentlichen Arbeit beginnen. Es gefiel ihm, sich mit so etwas zu beschäftigen, Versuchen, experimentieren, das war etwas, das seiner Meinung nach genauso zu seinem Leben gehörte, wie das eigentliche Malen.

Und nicht immer beschäftigte er sich dabei ausschließlich mit Farbe. Die Scharniere an denen sich die Staffelei zusammenfalten ließ, welche jetzt in einer Ecke des Hofs an der Wand lehnte, waren ebenfalls aus einem plötzlichen Einfall hinaus entstanden und er  hatte nicht aufgegeben, bis der Mechanismus funktioniert hatte. Bestimmt waren ein Dutzend Metallringe und Stifte dabei draufgegangen. Nicht zu vergessen zwei Holzstaffeleien.

Corinthis öffnete den Beutel mit rotem Farbstoff und fügte jeweils die gleiche Menge davon zu den vorhandenen Farblösungen hinzu bis daraus langsam etwas wurde, das schon eher an Farbe anstatt Wasser erinnerte. In einer weiteren Schale setzte er mit rotem Pulver und Wasser ebenfalls Farbe an, diesmal allerdings unvermischt, so das ihm nun vier verschiedene Rottöne zur Verfügung standen.

Durch Zugabe oder weglassen von Wasser oder andersfarbigen Pulver könnte er später noch weitere Variationen herstellen, aber für einen ersten Test reichte ihm das momentane Ergebnis.

Jetzt musste er nur noch ein Bild malen und sehen, ob es ihm gelang, mit der gleichen Farbe etwas abzubilden, das auch Anklang fand. 

Jetzt fehlte ihm nur noch ein Motiv…

Sein Blick fiel auf die Skizze des Raben, die immer noch zum Trocknen auslag. Mittlerweile sollte der Leim sich wieder gefestigt haben.

Er baute die Staffelei auf, spannte das Pergamentblatt über eine Leinwand und besah sich die mit Kohle gezogenen Linien.

Die ersten Pinselstriche waren zögerlich, aber als er sah, dass die verschiedenen Rottöne sich tatsächlich deutlich voneinander abhoben verschwand seine Vorherige Unsicherheit. Verschiedene Schattierungen und Muster ließen sich genauso gut darstellen, wie wenn er die gesamte Farbpalette zur Verfügung gehabt hätte. Nur eben ausschließlich in Rot.

Für eine Skizze mit Zeichenkohle brauchte Corinthis meist lediglich ein paar Minuten und für ein Bild weniger als eine Stunde, wenn er ein einfaches Motiv hatte. Diesmal jedoch ließ er sich mehr Zeit, versuchte all die Details einzufangen, die er dem Bild auch mit Farbe hätte geben können.

Als das Bild schließlich fertig war wirkte es fast, als hätte jemand tatsächlich einen Leinwand in Blut getaucht und dann einen Vogel im Flug damit gezeichnet. Irgendwie unheimlich… fast schien es ihm, als könnte der Rabe jeden Moment aus dem Bild springen, direkt auf ihn zu.

Vor allem jetzt wo die Farben noch trockneten erinnerte das ganze wirklich zu sehr an Blut.

Keltor würde wohl zufrieden sein und sicher fand sich jemand, der das Bild zu einem angemessenen Preis kaufte. Aber er konnte nicht ganz vermeiden, dass ihn das Rot selbst unruhig machte.

Er ließ die Leinwand zum Trocknen in der Sonne stehen. Aus Erfahrung wusste er, das die Farbe auf dem Leimuntergrund länger brauchen würde um fest zu werden und solange würde jede Bewegung dem Bild nur schaden.

Ihm blieb fürs erste nichts mehr zu tun, als die übrig gebliebene Farbe aus der Sonne zu stellen, damit diese nicht sofort  eintrocknete und zu warten.

Das wollte Corinthis aber nicht unbedingt hier tun. Er mochte die Stille in diesem Bezirk von Inglarion aber nach der Zeit, die er außerhalb der Mauern verbracht hatte, sehnte er sich ein wenig nach dem bunten Treiben auf den Straßen.

Corinthis schnappte sich seinen grünen Umhang und den Stab und machte sich auf den Weg in die Gassen, die ihn schnell in die belebteren Teile der Stadt bringen würde.

Neben dem Palastbezirk und der Altstadt, die Corinthis sein Zuhause nannte, unterteilte sich Inglarion in drei weitere große Hauptviertel. Auf der einen Seite, war dort das Armenquartier, ein heruntergekommenes Stadtteil das sich vor allem dadurch Auszeichnete, das sich dort die Kaserne der regulären Stadtwache befand. Die Inquisitoren freilich residierten im Palastbezirk.

Als nächstes kam der Handwerksbezirk. Schmiede, Töpfer, Färber, Schneider  sämtliche Berufsgruppen hatten hier ihr Zuhause gefunden. Hier wohnten auch die meisten wohlhabenderen Einwohner der Stadt.

Direkt an die Handwerkerviertel schloss sich der Markt an, wenn der Palast mit dem Kaiser das Herz der Stadt war, so war der Markt ihre Seele. Die Handwerker aus der Stadt, Bauern aus der Umgebung, fahrende Händler aus weiter Ferne, alle boten genau hier ihre Waren an. Und hier fanden sich auch  Käufer für sämtliche Arbeiten von Corinthis, die keine Aufträge waren.

Und genau an diesen Ort lenkte er nun seine Schritte. Hier war der Puls der Stadt am stärksten. Auf einem Platz gelegen verteilten sich  hunderte von Ständen, die fast alles Anboten was für Geld zu bekommen war. Über Bücher, Medizin, deren Wirkung manchmal Zweifelhaft war, bis hin zu Wein.

Hier und da hatten sich auch einige Wahrsager niedergelassen.

Und er entdeckte auch eine Gruppe Gaukler. Was ihn verwunderte. Sämtliche andere Gewerbe waren innerhalb der Stadt zugelassen, aber umherziehende Spielleute wurden von der Stadtwache normalerweise nicht toleriert.

Eine Gruppe von Zuschauern hatte sich um die Gaukler-Truppe versammelt.

,, Warum sind die hier ?“ , fragte er und gesellte sich dazu. Eine Frau war grade dabei mit fünf brennenden Pechfackeln zu jonglieren.

,, Wisst ihr es nicht ?“ Der Mann der ihm antwortete gehörte offenbar zu den besser Verdienenden Bürgern Inglarions.

,, Was ?“

,, Der Kaiser gibt eine Feier zu seinem dreißigsten Regierungsjahr. In vier Tagen soll ein großes Fest stattfinden, dazu hat er ausnahmsweise die Regelungen für fahrendes Volk innerhalb der Stadtmauern außer Kraft gesetzt.“

,, In vier Tagen ? Wirklich ?“

,, Wie gesagt, es ist der dreißigste Tag der Thronbesteigung Baratas.“

Corinthis sah den Spielleuten noch ein paar Minuten zu, dann jedoch löste er sich wieder aus der Zuschauermenge. Er wollte Keltor suchen, der sich ja ebenfalls hier hatte einfinden wollen.

Der Händler besaß einen kleinen Stand, an diesem verkaufte er allerdings nur einige von Corinthis Skizzen. Die wirklich als wertvoll zu betrachtenden Gemälde ließen sich besser verkaufen, wenn man die Kunden direkt selbst aufsuchte. Zumindest behauptete Keltor das immer.

Trotzdem wollte er sein Glück zuerst dort versuchen.

Corinthis drängte sich durch die endlos über den Platz strömende Menge  in Richtung des Stands. Ihm war nie ganz wohl, wenn er sich unter so vielen Menschen befand. Aus irgendeinem Grund machte ihm das immer zu schaffen. Vielleicht daher sein Drang ab und an einfach mal aus der Stadt verschwinden zu müssen. Keltor hatte mehrmals versucht ihm genau das auszureden, es aber anscheinend irgendwann aufgegeben. Vermutlich hielt er ihn zumindest bis zu einem gewissen Grad für verrückt, aber für Corinthis war auch das in Ordnung.

,, Dann schließ dich doch in deiner Werkstatt ein.“ Hatte er gemeint. Aber es ging ihm gar nicht so sehr um das allein sein… vielleicht mehr um seine Umgebung… Irgendwann hatte er sich einfach daran sattgesehen, hatte jedes Detail, jeden riss in den Hauswänden in seinen Verstand gebrannt und dann, dann drohte er schlicht und ergreifend durchzudrehen. Die Farben schienen ihm zu grell, die Menschen zu laut…

Ihm war einfach nach einem Tapetenwechsel konnte man sagen.

Corinthis erreichte den Stand und hatte tatsächlich Glück. Keltor winkte ihn offenbar gut gelaunt heran.

,, Ich habe grade Abnehmer für drei Bilder gefunden, davon können wir gleich Morgen unseren Purpur-vorrat wieder Aufstocken.  Isram meinte, davon könnte er noch genug besorgen.“

,, Vorausgesetzt meine Idee hat funktioniert.“

,, Das hat sie doch oder ?“

Er nickte. ,, Ich denke schon. Aber…“

Ein Raunen ging durch die Menschen auf dem Platz. Corinthis drehte sich um und suchte nach der Ursache. Er brauchte nicht lange. Zwei in vergoldete Panzerungen gekleidete Gestalten stapften schwerfällig und ehrfurchtgebietend durch die Menge, die vor ihnen respektvoll zurückwich.

Zwischen den zwei Inquisitoren lief eine dritte Gestalt, in die Kleidung eines Beamten gehüllt.

Normalerweise hätte er gewartet, bis die Gruppe vorbei war und dem ganzen dann keine Beachtung mehr geschenkt, aber…

Die kamen doch nicht etwa auf sie zu?

 

 

Kapitel 6 Im Auftrag ihrer Majestät

 

 

 

Panisch blieb er wie angewurzelt stehen. Die Inquisitoren und der Mann der sie begleitete waren mittlerweile schon so nah heran, dass sie ihn sehen mussten. Und er sie. Corinthis konnte die Sonnensiegel auf ihren Rüstungen erkennen.

Wegrennen ging nicht mehr, dafür waren sie bereits zu nah… und die andere Frage war natürlich auch, wohin.

Keltor warf ihm einen nervösen Blick zu. ,, Die sind doch nicht wegen dir hier ?“ , flüsterte er leise.

Corinthsi antwortete nicht, sondern tastete nach dem Auslöser der Federmechanismus. Der Knauf löste sich aus dem Stab. So hätte er eine Waffe zumindest griffbereit. Auch wenn es ihm in der momentanen Situation angebrachter schien, diese gegen sich selbst zu richten. Zumindest wäre das schneller, als alles, was die Inquisition tun würde.

Abwarten, beruhigte er sich selbst. Noch konnte alles gut werden. Noch. Vielleicht würden sie einfach vorbeigehen.

,, Seit ihr Corinthis der Maler ?“ , fragte der dritte Mann, den die Inquisitoren begleiteten.

Soviel zu dieser Hoffnung. Corinthis atmete tief durch. On einem Baum, der in der Nähe stand wehten Blätter heran, alles schien sich zu verlangsamen.

,, Der bin ich.“ , antwortete er und versuchte dabei möglichst nicht ängstlich zu klingen. Um Angst zu haben, dafür hatte er später noch Zeit.

,, Mein Name ist Qydro, Kammerherr  des erhabenen Kaisers Baratas.“ ,stellte sich der Mann vor.

Bei der Erwähnung des Namens schlugen sich die zwei Wachen vor die Brust und Corinthis meinte einen von ihnen flüstern zu hören. Ein Gebet ? Er wusste es nicht, aber die Inquisition wäre fanatisch genug dafür.

Ein Kammerherr also…. Corinthis war noch nicht ganz klar, was hier vorging, aber offenbar sollte er schon einmal nicht verhaftet werden. Er ließ den Mechanismus der Stabklinge unauffällig wieder einrasten.

,, Nun, einen schönen Tag wünsche ich euch.“ , meinte Keltor. ,, Sucht ihr etwas bestimmtes oder…“

,, Ich kann mich nicht erinnern, euch angesprochen zu haben.“

,, Entschuldigt, aber das geht doch…“ , Keltor war hinter dem Stand hervorgetreten und machte ein paar Schritte auf den Beamten zu.

Einer der Inquisitoren zog sein Schwert und hielt es dem Händler drohend an die Kehle, der daraufhin wieder einige Schritte rückwärts stolperte.

Corinthis gefiel das nicht. Die Inquisitoren trugen Visierhelme, ebenfalls mit einem eingravierten Symbol darauf, der nicht zuließ, das er ihre Gesichtszüge erkannte, aber er konnte sich die strengen, kalten Gesichter darunter trotzdem mühelos vorstellen. Nicht weniger entmutigend war die Tatsache, dass die beiden ihn leicht um einen Kopf überragten und auch der Kämmerer zwischen ihnen wie ein Zwerg wirkte.

,, Also, was wünscht ihr ?“ Sein Gefühl sagte ihm, das sie vorerst nicht in Gefahr waren. Trotzdem musste es einen guten Grund geben, wieso sich ein Kammerdiener des Palastes hier auf den Markt verirrte  und dann auch noch in Begleitung zweier Wachen.

Die Bewohner des Palastbezirkes, mit Ausnahme der niederen Diener blieben für gewöhnlich unter sich und verließen diesen nur selten. Oder im offiziellen Auftrag.

Und wenn sich ein hochrangiger Kämmerer nach draußen wagte, musste es schon etwas Besonderes sein. Der Mann schien selbst zumindest nicht besonders erfreut darüber zu sein. Vermutlich betrachtete er die hunderte von neugierigen Gesichtern, die im Vorübergehen in ihre Richtung sahen mit etwa der gleichen Verachtung oder bestenfalls duldenden Hinnahme wie andere Ameisen.

Seine schütteren grauen Haare wehten im schwachen Wind.

,, Ich bin hier“ , sagte er schließlich und versuchte dabei wohl möglichst offiziell zu klingen, ,, um euch ein Angebot des göttlichen Kaisers persönlich zu überbringen.“

,, Es tut mir leid, aber ich fürchte momentan bin ich außer Stande irgendwelche Auftragsarbeiten auszuführen.“ , antwortete er.

,, Dieses Angebot steht nicht zur Diskussion.“ , erwiderte Qydro drohend. , Ihr wurdet dem Kaiser als ausgezeichneter Porträtmaler empfohlen und es ist eure Pflicht, als Bürger von Ert  eurem Auftrag nachzukommen.“

,, Ich glaube ihr versteht nicht. Ich habe gar keine Wahl. Mir stehen durch die Grenzkonflikte keine Farben mehr zur Verfügung, erst recht nicht für ein aufwendiges Porträt. Das hat nichts mit wollen zu tun.“

Der Kammerherr machte eine wegwerfende Handbewegung. ,, Woher bezieht ihr eure Farben?“ , fragte er genervt.

,, Von einem Mann namens Isram.“ , erwiderte Keltor.

Qydro drehte sich zu einem der Inquisitoren um. ,, Findet diesen Mann, sagt ihm, er bekommt eine Sondergenehmigung für die Grenzbefestigungen.“

,, Ja Herr.“ Der Bewaffnete bahnte sich einen Weg durch die Menschenmenge und verschwand schnell außer Sicht.

,, Nun denn, ihr sagtet, es gehe um ein Porträt ?“ , wollte Corinthis wissen. Ihm blieb in dieser Sache wohl ohnehin keine Wahl.

,, Der Kaiser wünscht für den Jahrestag seiner Thronbesteigung ein Gemälde für die Galerie der Herrscher.“

,, Der Kaiser…“ Corinthis wurde nun erst wirklich klar, was das bedeutete. Die Chance seines Lebens. Wenn er diesen Auftrag zur Zufriedenheit des Kaisers abschloss, wäre er endgültig alle Sorgen los.

Nicht nur bräuchte er sich nie mehr Gedanken über Kunden zu machen… als ein vom Kaiser selbst geförderter Künstler könnten ihm auch die Inquisitoren nichts mehr anhaben.

Das war die Art von einmaliger Chance, auf die man sein Leben lang warten konnte und die doch nie kam. Jetzt stellte sich nur noch die Frage, ob er annehmen sollte. Wobei ihm diese Antwort schon abgenommen war. Ein Nein würde der Kämmerer nicht akzeptieren und… welchen logischen Grund gab es, abzulehnen? Er fühlte sich einfach.. unwohl. Nein das war noch das falsche Wort. In seinem Kopf machte sich eine unbegründete, unhaltbare Panik breit.

Er sah sich um Rat suchend zu Keltor um. Dieser zuckte nur mit den Schultern, als wollte er sagen, eure Entscheidung.

,, Dürfte ich, einen Moment nachdenken ?“

,, Aber lasst euch nicht den ganzen Tag Zeit.“

 

Er entfernte sich mit Keltor einige Schritte von dem wartenden Kammerdiener, aber nur so weit, das dieser sie immer noch sehen konnte.

,, Corinthis, das ist die Gelegenheit.“ ,meinte dieser. ,, Wenn.. wenn ihr das schafft…“

,,Ich weiß und jetzt sag mir was dagegen spricht.“

,, Wie ?“ Keltor sah ihn verwirrt an.

,, Ich habe Angst verdammt.“ Und jetzt wo Corinthis es laut aussprach, wurde ihm klar, dass dies tatsächlich der Wahrheit entsprach. Seine Hände zitterten. Und die Panik n seinem Kopf ließ sich nur noch mit Mühe bezwingen. Er wollte wegrennen…

,, Wovor bitte ?“

,, Ich weiß es nicht. Nennt mir nur einen guten Grund, abzulehnen. Bitte. Nur einen.“ , er flüsterte fast, aus Angst der Kämmerer könnte ihn hören.

,, Es gibt keinen. Wenn du ablehnst wirst du hier bestenfalls nie wieder eine Anstellung finden. Schlimmstenfalls…“ Er beendete den Satz nicht, aber ein Blick in Richtung der schweigsamen Gestalt des verbliebenen Inquisitors reichte vollkommen aus.

,, Ich weiß.“ Trotzdem wünschte er, es gäbe einen Grund.

 

,, Habt ihr euch entschieden ?“ , rief Qydro zu ihnen herüber. Er kannte die Antwort vermutlich ohnehin schon.

,, Ja, ich vermute, das Bild soll bis in vier Tagen zum Fest fertig sein ?“ ,, Schafft ihr das ?“ Der Kammerherr schien skeptisch. Natürlich. Vier Tage waren kaum eine angemessene Zeit für ein solches Werk, das einem Gott gerecht werden sollte. Zumindest  jeder andere Maler hätte dafür einen Monat gebraucht. Aber Corinthis war nicht jeder Maler.

,, Natürlich.“ , meinte er und ließ zu, das die Begeisterung für die neue Herausforderung zumindest ein wenig seine Sorge milderte. ,, Gebt mir heute noch Zeit um Farben zu besorgen, dann kann ich gleich morgen Anfangen. Wer wird für den Kaiser Modell stehen, wenn ich fragen darf?“

,, Seine Göttlichkeit selbst.“ Corinthis zuckte zusammen. Das war… ungewöhnlich. Normalerweise würde für eine solche Aufgabe entweder ein älteres Porträt verwendet werden, oder ein Double diese Aufgabe übernehmen. Dem Kaiser so nahe zu kommen, war eigentlich nur seiner Leibgarde gestattet. Ein erster Grund diesmal wirklich misstrauisch zu werden.

,, Ihr erlaubt euch einen Scherz.“ ,, Ich habe keine Zeit für Scherze.“ , erwiderte er abfällig, ,, Ihr werdet euch morgen Mittag im Palastbezirk einfinden. Fragt dort nach mir.“

Mit diesen Worten war die Sache für ihn wohl erledigt und ohne überhaupt noch auf Keltor oder Corinthis zu achten, ging er davon.

Hoffentlich war das eine gute Idee gewesen.

,, Was machen wir jetzt ?“ , fragte Keltor.

,, Farben. Wenn Isram wieder Lieferungen bekommt, sollten wir und Vorräte besorgen. Und dann… tja, ich vermute mal, ich kriege heute kein Auge zu.“

,, Klingt nach einem Plan.“

 

Draußen tobte immer noch der Sturm, aber seine Kraft schien langsam nachzulassen fast genau wie die des Feuers, das leise im Kamin des Gasthauses knisterte und so gut wie heruntergrabrannt war.

Erneut hatte sich das halbe Dutzend Fischer eingefunden und lauschten den Worten des Alten.

Und erneut war die Geschichte für sie Unterhaltsam… aber nur für eine kleine Gestalt in der Menge würden seine Erzählungen wirklich eine Bedeutung haben

Er schwieg eine Weile und sah in die Gesichter rund herum. Da waren sie also, fast an dem Punkt, der die Geschichte veränderte.

Aber vorher…

,, Legenden entstehen sehr schnell.“ , sagte er.

,, Wie meint ihr das ?“

,, Was vor einem Jahrhundert noch Wahrheit wahr, wurde zu einer Sage, aus der Sage ein Märchen, eine Geschichte, die man Kindern erzählt, die aber keine Bedeutung mehr hat. Denn sie ist ja nur dies. Ein Märchen. So gescheit es mit allem. Das war in der zweiten Welt so und in der ersten. Und so wie die erste für die zweite zur Legende wurde, so wird es mit der zweiten geschehen. Glaubt ihr, was ich euch erzähle?“

,, Verzeiht, ich zweifle nicht, das ein Funken Wahrheit dahinter stecken mag, aber es gibt so viele Geschichten über den Fall der zweiten Welt…“

,, Ich erzähle auch nicht von ihrem Fall.“

,, Aber…“

,, Ich erzähle, wie es dazu kam. Das ist ein Unterschied. Es ist wie mit dem leben. Das Ende, der Tod mag hässlich sein, aber zuvor steht das Leben. Und das ist es doch, auf das es letztlich ankommt.“

,, Ihr könntet recht haben.“

,, Ich habe Recht.“ , erwiderter der Alte. ,, Also wo war ich…“

 

Corinthis lag hellwach auf dem Stroh, das ihm in der Steinbaracke auf dem Hof als Schlafplatz diente.

Mondlicht fiel durch die Lücken in den Holzplanken, aus denen die Tür bestand und tauchte alles in einen sanften Silbernen Schimmer. In der Ferne bellte ein Hund.

Fast unheimlich. Aber er hatte nie Angst vor der Dunkelheit gehabt. Es war etwas anderes, das ihn keine Ruhe finden ließ. Der Gedanke an Morgen. Farbe hatten sie wieder. Es gab keinen Ausweg…

Und trotzdem war da dieses unbegreifliche Gefühl, das etwas falsch lief.

Der Maler gab es auf einzuschlafen und stand auf. Die Tür klemmte, wie immer, ließ sich aber mit einem Ruck öffnen. Draußen auf dem Hof war es still. Der Hund war verstummt.

Im Licht des Mondes, der wie eine große Viertel-Silbermünze  am ansonsten schwarzen Himmel.

Auf der Staffelei, die mitten im Hof stand, befand sich immer noch das Bild des Raben, das er mit den verschiedenen Rottönen gefertigt hatte. Im Silber des Mondlichts wirkte die Farbe noch immer wie frisches Blut.

Ihm fröstelte bei dem Anblick, obwohl es mitten im Sommer war und selbst die Nächte nur wenig Abkühlung brachten. Und wieder waren es nicht die äußeren Umstände, die das Zittern auslösten.

Seine Gedanken wanderten an den heutigen morgen zurück, den er noch auf den Wiesen vor der Stadt verbracht hatte.

Corinthis Blick wanderte in die Richtung, in der diese liegen mussten… und weiter dahinter das Meer.

Wie gerne wäre er jetzt wieder dort draußen. Einfach weg , von all dem hier. Aber natürlich ging das nicht. Wie Keltor gesagt hatte. Entweder er tat was man von ihm wollte oder… er warf alles weg, was er sich in den letzten drei Jahren aufgebaut hatte und sein Leben gleich hinterher.

Er trat wieder nach drinnen, ließ die Tür aber geöffnet. Schlafen würde er nicht können, das war ihm klar. Und so setzte er sich einfach auf den festgetretenen Boden und hing seinen Gedanken nach. Gedanken, die ihn erneut weit fortführten…

An jeden Ort, den er Besucht hatte, zu jedem Bild das er gefertigt hatte. Ihm war klar, das nicht jeder sich wie er erinnern konnte. Selbst Keltor, der zumindest was Geschäfte jeder Art anging ein glückliches Händchen hatte, behielt sich selten alle Details eines Handels.

Eine leise flüsternde Stimme aus seinem inneren meldete sich. Gier… er könnte der größte Sein. Wenn er es richtig anstellte, nur bereit war zuzuhören…

,, Lass mich in Ruhe.“ Die Stimme verschwand.

 

Kapitel 7 Palast

 

 

Er hatte nicht viel Geschlafen und das merkte man ihm vermutlich auch an. Seine Gedanken waren langsam und zäh, während er aus der Hütte wankte und sich als aller erstes Wasser aus einem Fass auf dem Hof ins Gesicht spritzte. Zumindest würde das die Augenringe etwas mildern.

Kurz überlegte er, was er anziehen sollte. Viel besaß er ohnehin nicht, aber in seinem farbfleckigen Kittel beim Palast zu erscheinen würde sicher keinen guten Eindruck machen, brauchen würde er ihn später. aber vermutlich. Wenn Corinthis den Kämmerer richtig verstanden hatte, würde er sofort mit der Arbeit beginnen können.

Und auch seine anderen Malerutensilien.  Die Farben, die er und Keltor noch am gestrigen Tag hatten erstehen können, lagerten bereits im extra dafür errichteten Schuppen. Corinthis nahm von jedem Farbstoff einen kleinen Beutel mit, einen Wasserschlauch aus Ziegenleder, um die Farben später an mischen zu können und die Staffelei, die er zusammengeklappt bequem unter dem Arm tragen konnte. Seinen Kittel tauschte er gegen den grünen Umhang ein, den er stattdessen tragen wollte. Es war nichts besonderes, er hatte nie viel auf teure Kleidung gehalten, sollte dem Anspruch aber genügen.

Den Klingenstab ließ er in der Baracke zurück. Er würde ihn nicht brauchen, hoffte er zumindest, und den Palast bewaffnet zu betreten, vor allem wenn diese Waffe versteckt war, kam einem Todesurteil gleich, sollte er erwischt werden.

,, Und  , immer noch Zweifel ?“ Er drehte sich um und entdeckte die Gestalt von Keltor, die den Hof betrat.

,, Und ob.“ , antwortete er in Richtung des Händlers. Corinthis schloss die Fibel des Umhangs.

,, Stellt es euch doch einfach so vor, wenn ihr das hier zur Zufriedenheit des Kaisers beendet, und dessen bin ich mir sicher, denn ich kenne euch lange genug,  gibt es für euch keine Grenzen mehr. Ihr werdet euch vor Anfragen und Aufträgen nicht retten können.“ Irgendwie klang die Stimme des Händlers nur halb erfreut darüber.

,, Und ihr werdet den ganzen Tag damit beschäftigt sein mich daran zu erinnern. Oder mich zu suchen, wenn mir das schlussendlich zu fiel wird.“ , meinte Corinthis lachend. ,, Ich bezweifle, dass ich dann dafür noch zuständig bin.“ Jetzt endlich verstand er, was Keltor zu schaffen machte.

,, Ihr glaubt ernsthaft, das ich gehe, wenn ich Erfolg habe ?“

,, Das würde jeder Vernünftige Mensch tun. Ihr braucht mich längst nicht mehr Corinthis. Ihr habt fast alles erreicht, was ihr erreichen konntet, das hier ist lediglich euer letzter Schritt. “

Der Maler schüttelte den Kopf.

,, Keltor, wie lange kennen wir uns jetzt ? Drei Jahre ?“

,, Und in diesen drei Jahren haben wir beide gute Geschäfte gemacht. Aber ihr seid mir längst voraus.“

,, Genau drei Jahre. Ich hätte schon nach dem ersten Selbstständig werden können. Und ihr glaubt, dass ich das jetzt tun werde? Ihr seid mehr als der Mann, der mich finanziert, ihr seid ein Freund.“

Er streckte dem Mann die Hand hin

,, Es.. freut mich das ihr das so seht,“ Der Händler ergriff die Angebotene Hand , ,, Freund.“

,, Also dann. Ich will den Kaiser von Ert lieber nicht warten lassen.“

,, Irgendwie seltsam, das ihr das tatsächlich könntet.“

Corinthis nickte. ,, Vielleicht, ist dies der Endpunkt eines langen Wegs. Aber wer weiß, was danach kommt.“

,, Wer weiß. Aber ihr werdet euren Weg finden, mit oder ohne mich, das weiß ich.“

Über ihnen flatterte ein Rabe von einem Dach auf und schwang sich in die Luft über Inglarion.

Kurz meinte Corinthis das Tier wiederzuerkennen, das er gestern beobachtet hatte, aber sicher konnte selbst er sich nicht sein.

Dafür war der Vogel zu schnell wieder verschwunden, entfernte sich über die Dächer der teilweise noch schlafenden Stadt, über die Armenquartiere in Richtung der offenen Ländereien davor.

Corinthis wäre ihm gerne gefolgt… einfach Sorgenfrei davongesegelt.

 

Der Zugang zum Palastbezirk wurde durch ein großes Tor begrenzt. Die Innschrift, Denke und Herrsche stand wie seit jeher klar leserlich über dem Torbogen unter dem eine breite Treppe hinaufführte. Die Stufen bestanden aus Marmor und boten genug Platz, das zwei Ochsenkarren nebenenander hätten hinauf gelangen können. Zwei offen stehende vergoldete Holztore erlaubten es, diesen Zugang jeder Zeit zu blockieren und auch auf diesen prangten unübersehbar, so wie überall das Sonnensymbol des Kaisers. Und hinter den Toren selbst, begann der eigentliche Palastbezirk. Ein großer Platz, so weitläufig, das man bereits bei schwachem Nebel nicht mehr von einem bis zum anderen Ende sehen konnte war das erste, das man sah, wenn man die Treppe hinter sich ließ. Komplett mit hellem Marmor belegt, war es an sonnigen Tagen beinahe unmöglich diesen zu überqueren  ohne  dabei geblendet zu werden.  Die gesamte Welt schien dann etwas Surrealistisches zu haben und in diesen Momenten konnte Corinthis verstehen, wieso manche den Kaiser als Gott bezeichneten. Momentan jedoch war es noch früh genug, so dass die Sonne den Platz noch nicht in vollen Glanz tauchte.

 

Ein Ausladender Brunnen, gefertigt aus dunklerem Marmor, bildete den Mittelpunkt des Platzes. Vom beständigen plätschernd es kristallklaren Wassers abgesehen war es beinahe totenstill.  Die Schritte einiger geschäftig hin und her laufender Diener, die auf der weiten Fläche verloren wirkten, das war alles. Es würde noch ein paar Stunden dauern, bis auch der Rest des Palastbezirks zum Leben erwachen und der Platz vor Menschen überquellen würde. In einer Ecke lagerten übereinandergestapelte Kisten, die zusammengenommen beinahe die Fläche eines Hauses einnahmen, gleichzeitig schein es, als hätte man damit begonnen eine Tribüne auf halbem Weg über den Platz aufzubauen. Kurz fragte er sich, wofür, als ihm natürlich das Fest des Jahrestags wieder einfiel, indirekt der Grund seines Hierseins. Der Kämmerer hatte gemeint, er solle zum Palast kommen, aber nicht genau wohin. Das Gelände war riesig, war doch der Platz nur der Anfang. Die unwichtigeren Wirtschaftsgebäude, wie Küchen,  Bedienstetenquartiere und die Ställe waren auf der rechten Seite in einem Halbkreis angeordnet. Selbst in den Sitzen der herrschenden Adeligen der meisten anderen Stätte waren diese oft die einfachsten Holzbauten, die rein zweckmäßig gestaltet waren. Hier jedoch waren selbst diese aus hellgelbem Sandstein errichtet, der wohl extra aus den Gebirgen im Inland des Kaiserreichs  hatte herangebracht werden müssen.

Auf der linken Seite wiederum befanden sich die wichtigeren Gebäude. Die Verwaltung des Palastes, die für so ziemlich alles in dieser Stadt in der Stadt zuständig war, von den Einkaufslisten der Köche bis hin zu Steinmetzarbeiten am eigentlichen Palast.

Und daneben…. Befanden sich die Kasernen der Inquisition. Zweihundert der diszipliniertesten und erfahrensten Inquisitoren waren genau in diesen Hallen stationiert, als persönliche Leibgarde des Kaisers, fielen diesen Männern die Bewachung und auch die Verteidigung des Bezirks und des Gottkaisers höchst selbst zu. Waren die normalen Inquisitoren schon unerbittlich in ihrer Jagd nach Magiern wie in ihrem Glauben, so waren diese Männer hier die fanatische Elite des Reichs.

Corinthis konnte nur Mitleid mit jedem haben, den das Unglück ereilte dieser Garde in die Arme zu fallen, ob zu Recht oder Unrecht.

Er wendete sich von diesen düsteren Mauern ab und lief ziellos über den Platz… in Richtung des eigentlichen Palastes,

Dieser lag dem Eingang gegenüber ganz am anderen Ende des Platzes, wodurch man gezwungen war letzteren in voller Länge zu überqueren. Dies hatte nicht nur den Zweck Eindruck zu schinde, wie der Rest der Anlage. Es war auch eine taktische Überlegung dahinter.

Die Dächer der den Platz umliegenden Gebäude waren allesamt begehbar und eine eventuelle feindliche Streitmacht, die bis hierher vordrang, würde sich beim weiteren Vorstoß Richtung Palast plötzlich in einer Todeszone wiederfinden.  Bogenschützen auf den Dächern könnten jeden eventuellen Angreifer sofort ausschalten.

Vermutlich könnte man diesen Ort mit nur einer Handvoll Männer selbst gegen eine gewaltige Übermacht tagelang halten, bis der Bezirk letztlich fiel. Und bei zweihundert ausgebildeten Inquisitoren… Er bezweifelte, dass es je eine Armee weiter als bis hierhin geschafft hatte.

 

Er ging weiter in Richtung Palast, der sich fast wie ein Berg vor ihm erhob. Eine Treppe so breit wie die gesamte Front des Baus führte hinauf zu einer reich verzierten Flügeltür, die in die einzigen zwei Hallen führte, die Besucher betreten durften. Die erste davon bildete die Eingangshalle, ein langgezogener Flur, der einmal durch das gesamte Gebäude führte, das sich wie ein großer Kasten um einen weiteren Innenhof spannte. Der Gang führte direkt durch diesen hindurch und in den Thronsaal, der bis auf diesen Weg vom restlichen Palast durch den Innenhof, einen Park mit Seen und Bäumen, getrennt war. Im Thronsaal selbst war Corinthis bisher nicht gewesen, aber er hatte Stunden damit zugebracht, die Deckengemälde und ausgehängten Kunstwerke in der Vorhalle zu studieren, bis sich diese letztlich ebenfalls in jedem Detail in seinen Verstand brannten. So lief er heute einfach nur die endlose Halle ab, ohne diese Werke auch nur eines Blickes zu würdigen. So meisterhaft diese auch waren, in seinem Kopf existierten mindestens genau so gute Abbilder.

Er wusste, wo jedes davon hing und in welcher Entfernung zu den anderen.. deshalb…

Etwas ließ ihn innehalten. Genau vor einem der zahlreichen Bilder. Cortinthis erstarrte. Normalerweise hing hier eine Darstellung Inglarions zur Zeit der ersten Welt… eine düstere Zeichnung, die wohl in den letzten Tagen der Magier entstanden war.

Nun jedoch hatte dessen Platz etwas anderes eingenommen. Eines seiner Bilder, das er sofort wiedererkannte. Die Darstellung eines  Adeligen aus Inglarion, der ihn vor Jahren mit der Zeichnung beauftragt hatte, noch während seiner Anfangszeit bei Keltor. Das hatte hier absolut nichts zu suchen…

Und doch war es hier, er konnte sogar sein Namenskürzel, dessen Verwendung er mittlerweile aufgegeben hatte, in der rechten Ecke des Bilds erkennen. Ein Rätsel, aber eines , das sich lösen ließ.

Hatte der Kammerherr nicht gesagt, er sei dem Kaiser empfohlen worden… vielleicht grade eben von diesem Adeligen. Und dann hatte der Kaiser das Bild gleich behalten?

Das ergab keinen Sinn… oder vielleicht doch. Er wusste nicht viel über Baratas. Die Kunst- Sammlung in diesen Hallen war über Jahrhunderte entstanden und von dutzenden Kaisern beständig erweitert worden, möglich also, das der jetzige diese Sammelleidenschaft geerbt hatte.

Und doch… machte es ihn erneut unruhig, das Bild hier zu finden.

,, Da seid ihr ja.“ , hörte er eine genervte Stimme hinter sich. Der Kämmerer, Qydro, stand hinter ihm und schien praktisch aus dem Boden gewachsen zu sein. Corinthis hatte ihn zuvor zumindest nicht bemerkt, als er den Flur entlanggelaufen war.

,, Ihr hattet nicht gesagt, wohin ich gehen sollte, also dachte ich…“

,, Spart euch die Luft zum Atmen, ich habe heute auch noch anderes zu tun. Der Kaiser wartet im Thronsaal, oder vielleicht auch nicht wenn ihr euch verspätet, dann erwartet euch eher die Inquisition. Also, lasst ihn nicht warten.“

Mit diesen Worten drehte sich der Kammerdiener um und verschwand den Gang hinauf.

Corinthis sah dem Mann einen kurzen Augenblick nach. Was hatte der für ein Problem?

Nachdem Qydro durch eine Tür in einen der gesperrten Teile des Palastes verschwand, machte er sich wieder auf den Weg.

Ihm war nicht danach herauszufinden, ob der Kämmerer seine Drohung im Falle einer Verspätung ernst gemeint oder ihm nur Angst hatte machen wollen. Corinthis lief die letzten paar Meter, auf denen sich der Flur öffnete und hohe Glasfenster einen beeindruckenden Rundumblick in den Garten erlaubten. Wäre der Stein nicht gewesen, man hätte meinen können im freien zu stehen. Die Bäume standen in kleinen Wäldchen zu fünf, Sech Exemplaren zusammen und zwischen diesen lagen weite offene Grasflächen, durch die sich künstlich angelegte Teiche und Bäche wanden.

Ein Reh lugte zwischen den Grashalmen hinaus und er fragte sich insgeheim, ob das Tier absichtlich hier war, oder sich durch eine seltsame Verirrung des Schicksals hier eingefunden hatte.

Doch schließlich hatte auch der künstliche Wald ein Ende und er gelangte an die letzte Tür, die ihm vom Thronsaal trennte. Eichenholz, Türgriffe aus Gold und natürlich das überall stets präsente Symbol der Sonne.

Corinthis hielt kurz inne. Egal, was er persönlich vom Kaiser hielt, er würde gleich der mächtigsten Person diesseits der Grenze gegenüberstehen. Einem Mann, der nur mit dem Finger schnippen musste, um ihn sterben zu sehen, sollte er das wünschen.

Es half alles nichts. Ein Zurück hatte es nie gegeben.

Er sammelte sich und zog die Tür auf

 

Kapitel 8 Das Bild

 

 

 

Der Thronsaal von Inglarion  war der wohl älteste Teil der Palastanlage. Dieser Rundbau hatte schon zu Beginn der Magier-Herrschaft in der ersten Welt existiert und egal wie viele Jahrhunderte seitdem vergangen sein mochten und wie sorgsam die Inquisition dabei gewesen war, sämtliche Spuren zu beseitigen, wenn man gründlich genug suchte, fand man überall noch Hinweise darauf. Ein halb verdecktes Wandbild, eine ausgemeißelte Stelle im Stein…

Der Saal selbst besaß eine Kuppelförmige  hohe Decke, die wie schon die des Flurs mit einem großen Gemälde verziert war. Die Krönung des ersten Kaisers von Ert. Vermutlich befand sich unter diesem jüngeren Bild noch eine weitere Zeichnung aus der ersten Welt.

Der Boden war mit schwarzem und weißen Marmor in einem schachbrettartigen Muster ausgelegt und an der, von Corinthis aus gesehenen,  Rückwand des Raumes befand sich, auf einem kleinen Podest und damit über den Rest des Saals erhaben, der Thron des Kaiserreichs , gefertigt ebenfalls aus Marmor mit einer Sonne aus massiven Gold, die in das Material eingebunden war. Ansonsten jedoch schien der Raum auf den ersten Blick leer zu sein…

,, Hallo ?“ , seine Stimme hallte unwirtlich von den Wänden wieder.

Er war in der Tür stehen geblieben und machte ein paar unsichere Schritte vorwärts. Das Gewicht der Staffelei, die er immer noch unter dem Arm trug machte sich langsam unangenehm Bemerkbar und so legte er diese Vorsichtig auf den Boden ab.

Corinthis konnte nicht anders, als diesem Ort Respekt zu zollen, stellte er doch eine Meisterleistung dar, sowohl von den alten Steinmetzen, die diesen Hallen ihre erste ursprüngliche Form gaben, bis zu den Künstler, die sie an das Kaiserreich angepasst hatten.

Einen Moment lang besah er sich das Deckengemälde und legte dazu den Kopf in den Nacken. Es musste eine höllische Arbeit gewesen sein, dieses Bild anzufertigen.

 

,, Beeindruckend nicht wahr ?“

Er hatte nicht gemerkt, dass noch jemand den Raum betreten hatte. Eine Stimme, die einem älteren Mann zu gehören schien.

,, Es ist großartig.“ , erwiderte er ohne sich umzusehen. ,, Wie viele Fuß sind das ? Fünfzig ?“

,, Es sind sogar etwa sechzig, wenn es euch wirklich interessiert. Aber, das sind alles nur Symbole. Tand, den die Leute brauchen, dass sie nicht den Respekt verlieren. Vielleicht  schön anzusehen, aber letztlich nutzlos, ohne Macht. Darf ich fragen, was ihr hier sucht?“

Er drehte sich um ,, Nun eigentlich sollte ich mich hier mit dem Kaiser….“ Corinthis verstummte und ließ sich fast instinktiv auf die Knie fallen.

Ein Mann, der wohl an die fünfzig Winter zählen dürfte stand vor ihm. Teilweise ergrautes Haar fiel von seinen Schultern und umrahmte ein ebenmäßiges, aber kraftvolles und strenges Gesicht.

Stahlgraue Augen schienen ihn mit der Neugier eines Raubvogels zu verfolgen. Hätte die Präsenz und die Erscheinung  dieses Mannes ihm normalerweise schon Respekt eingeflößt, so tat seine Kleidung ihr übriges um einem endgültig zu vermitteln, mit wem man es zu tun hatte.

Ein Ornat, der wirkte, als bestünde er aus gewebtem Gold verziert mit Seidenstickereien an einer Kette um seinen Hals hing ein Anhänger in Form einer Sonne.

Und in den Händen lag ein goldenes Zepter, in dessen Spitze eine gläserne, durchscheinende Kugel eingelassen war in deren inneren ein roter Kreis zu schweben schien… glühend, wie eine Miniatursonne …

Kaiser Baratas, der Herrscher von Ert sah auf den knienden und den Blick zu Boden gerichteten Corinthis herab.

,, Steht schon auf.“ , meinte er, beinahe abfällig. ,, Ihr seid vermutlich nicht hier, um auf dem Boden zu kriechen. Dafür habe ich eine halbe Welt.“

Corinthis beeilte sich dem Folge zu leisten und erhob sich wieder.

,, Wie ihr wünscht…“ Er zögerte einen Moment. Hier stand er nun also, vor dem Mann, den manche mit einem Gott gleichsetzten. Es stimmte… Baratas war allein schon von seiner Erscheinung und seinem Auftreten einer der eindrucksvollsten Persönlichkeiten, denen er begegnet war und Corinthis zweifelte nur von diesem kurzen Augenblick ausgehend nicht daran, dass dieser Mann, der Mensch war, der ein Kaiserreich regieren konnte. Aber… das war alles. Ein Mensch, wie ihm immer mehr klar wurde, vielleicht einer vor dem Mann Respekt hatte, aber nicht mehr.

Kein halbgöttliches Wesen... es wäre ihm ohne Mühe möglich gewesen eine Waffe hierher zu schmuggeln und den Kaiser zu töten…. Hätte er das gewollt.

Aber warum eigentlich nicht ? , flüsterte eine vertraute Stimme in ihm… er könnte es, also warum es nicht einfach tun…. Er kannte diese gierige Stimme, auch wenn diese sich in den letzten Jahren nur wenige Male bemerkbar gemacht hatte… in Augenblicken wie diesen.

Corinthis versuchte sie zum Schweigen zu bringen

Doch diesmal schien sie das nicht zu wollen…. Warum nicht…

,, Wollt ihr den ganzen Tag wie versteinert  herumstehen, oder können wir beginnen ?“ Der Kaiser schien ungeduldig, hatte aber offenbar nichts von dem seltsamen inneren Dialog mitbekommen, der sich grade in Corinthis Kopf abspielte. Mit Gewalt versuchte er erneut die Stimme zum Schweigen zu bringen

,, Ja, natürlich….“ Der Maler holte die abgestellte Staffelei und baute diese hastig auf, was ihn mehrere Versuche kostete, so sehr zitterten seine Hände. Jetzt nicht mehr vor Angst… oder zumindest aus einer anderen Art von Angst. Corithis lauschte… aber die Stimme schien wieder verstummt zu sein. Gut.

Er begann mit der simplen aber vor allem für sein Vorhaben Zeitaufwendige Prozedur des Farbenanrührens und Mischens. Und während er arbeitete, sich immer wieder die Gestalt und Kleidung des Kaisers vor Augen rufend um die richtigen Farbtöne zu finden, merkte er, wie er sich beruhigte. Das hier war was er konnte, wofür er lebte und er würde nicht versagen.

Normalerweise hätte er das Porträt gar nicht mit dem Kaiser persönlich anfertigen müssen, ein Blick reichte ihm um sich das Gesicht und die Erscheinung von Baratas einzuprägen und jedes Detail auch später noch abzurufen…

Dem Herrscher von Ert ins Gesicht zu sagen, das man ihm nicht brauchte war jedoch, egal wie höflich formuliert, sicher keine gute Idee.

Er stellte die Farben beiseite und spannte eine leere Leinwand über die Staffelei. ,, Habt ihr besondere Wünsche ? Eine jüngere Erscheinung ?“

,, Wozu ?“ Der Kaiser schien nicht wirklich an einem Gespräch interessiert zu sein. Vermutlich betrachtete er Corinthis mit der distanzierten Duldung, die die meisten höher Gestellten den einfacheren bürgern Inglarions oder Erst entgegenbrachten. Als wäre er Luft.

,, ihr wäret überrascht Herr, wie viele sich auf ihren Porträts ein gutes Jahrzehnt jünger darstellen lassen, mir ist vorhin Beispielsweise ein Bild in der Halle aufgefallen das ich… vor ein paar Jahren schon mal anderswo sah, das dies ziemlich gut Darstellt….“

,, Ach ja… wirklich…“

Corinthis gab den Versuch auf, mit dem Mann zu reden… stattdessen konzentrierte er sich auf seine Arbeit. Der Beginn… dieser war das wichtigste. Bei einem Porträt gab es zwei Möglichkeiten. Entweder fertigte man erst den gewünschten Hintergrund und fertigte dann das eigentliche Bild an, die Schwierigkeit hier war, das man dann  für das eigentliche Bild mehrere Schichten brauchte, da der Hintergrund mehrfach übermalt werden musste, was zeitaufwendiger war, oder man zeichnete erst die Abzubildende Person. Das brachte allerdings das Problem das man beim anfertigen des Hintergrunds gemachte Fehler schwerer ausbessern konnte. Übermalte man an einer Stelle das Porträt, musste man dies umständlich ausbessern. Aber an sich war diese Methode trotzdem zeitsparender, vor allem wenn man kaum Fehler machte.

Bis zum Fest, an dem das Bild fertig sein sollte waren es nur noch gut drei Tage und auch wenn Corinthis sich sicher war, das Bild auch mit der aufwendigeren Methode rechtzeitig beenden zu können, wollte er auf Nummer sicher gehen. Hieran hing zu viel. Also zuerst das Porträt des Kaisers, welcher zwischenzeitlich den Thronsaal einmal durchquert und sich schweigend auf die Stufenvor dem Thron gesetzt hatte…

Er wolle grade anfangen, als die Tür zum Saal sich öffnete und ein Mann hereinstolperte. Corinthis drehte sich nach der Gestalt um.

Schwarze Gewänder, die an einer  klapperdürren Gestalt herabhingen, lange ungeschorene graue Haare und ein Bart, der dem Mann bis weit über die Brust fiel. Kleine dunkle Augen sahen sich geradezu hektisch um, blieben einen Moment an Corinthis hängen und wanderten dann weiter bis zum Kaiser.

Die Gestalt machte ein paar Schritte in die Halle, was ein metallenes Rasseln erzeugte…

Er brauchte einen Moment um zu erkennen, was dieses hervorrief, der Mann trug Ketten, die ihm das gehen erschwerten. Seine dunklen Augen suchten erneut ihren Weg in Richtung von Corinthis, dann zurück zum Kaiser. ,, Ihr… wie könnt ihr….“

Der Kaiser war aufgesprungen, als der fremde den Raum betreten hatte und unterbrach diesen, bevor er weitersprechen konnte.

,, Schweigt. Ihr wurdet nicht gerufen Umaniel. Geht, oder ich lasse euch entfernen, Zauberer.“

Corinthis hielt inne… das sollte also ein Magier sein? Er hatte nicht erwartet, dass diese den Palast überhaupt betreten durften…  und wenn er den Geschichten glauben konnte waren Zauberer Wesen, die mit ihren Gedanken töten und sich die Natur untertan machen konnten, wenn es sein musste.

Aber das dort… schien nur ein alter Mann zu sein.

,, Ihr…“ Der Alte hob die Hand, als wolle er den Kaiser damit greifen. Einen kurzen Augenblick lang glaubte Corinthis, das genau das auch geschehen würde. Ein wütender Magier hier und keine Wachen um ihn aufzuhalten. Aber nichts dergleichen Geschah. Der Zauberer ließ den Arm wieder sinken. ,, Verfechter…“

,, Kein Wort mehr. Geht, bevor ich euch eigenhändig töte.“ Baratas hatte das Zepter drohend in Richtung des Mannes erhoben. Der Zauberer schien plötzlich Angst zu haben… wovor? Das schwere Gold war bestenfalls als Schlagwaffe geeignet. Trotzdem drehte er sich nun langsam um und entfernte sich durch die Türen, die er hinter sich krachend ins Schloss fallen ließ.

,, Ich denke, das war unerwartet für euch ?“ , fragte Baratas, er schien Corinthis nun das erste Mal wirklich wahr zu nehmen.

,, Er war wütend…“

,, Und doch machtlos. Ihr wisst, das diese Hallen noch aus der Zeit der ersten Welt stammen?“

,, Das war mir bekannt.“ , erwiderte er und setzte endlich die ersten Striche auf dem Weiß der Leinwand.

,, Die Magier, die ihn vor langer Zeit begründeten, misstrauten einander. Und so machten sie aus ihrer großen Versammlungshalle, dem heutigen Thronsaal, einen Ort, an dem keine Magie wirken kann. Egal, welche Zauber man an diesen Ort bringt oder hier anzubringen versucht, sie würden nutzlos werden und verschwinden.“

,, Das ist interessant… aber…“ Er zögerte die nächste Frage zu stellen. ,, Ich hoffe ich trete euch mit dieser Frage nicht zu nahe, aber ich habe mich immer gefragt, wieso Verfolgt das Kaiserreich Magier ? Die alten Geschichten über das Ende der Welt…. Die Nardor, die durch die Magier handeln, der Schleier… das sind doch lediglich Legenden.“

,, Diese Legenden enthalten mehr Wahrheiten als ihr glaubt. Aber nein… “ Der Kaiser schüttelte den Kopf, ,,  Ich bin kein alter Narr, der Aufgrund irgendwelcher Mythen Menschenleben opfern würde. Auch wenn… es damit zusammenhängt.“

Er setzte sich wieder auf die Stufen. ,, Die Welt unterliegt einer eigenen Ordnung, das braucht man euch nicht sagen, ihr wisst es. Gesetzen, in deren Rahmen wir existieren, die gleichen Regeln, die bestimmen, das ein Stein zu Boden fällt , Wind weht oder ein Haus einstürzt bestimmen auch unser Leben, was wir tun können und was nicht.“

Corinthis nickte, bis ihm klar wurde, dass der Kaiser ihn hinter der Leinwand gar nicht sehen konnte.

,,Ich verstehe.“ , meinte er schließlich. Zumindest soweit.

,, Magie jedoch durchbricht diese Ordnung. Versteht ihr? Die Gesetzte nach denen alles Lebt können mit ihrer Hilf ein das genaue Gegenteil verkehrt werden. Daran ist nichts falsches, sie ist genauso ein Teil dieser Ordnung, nur das die den gesamten Rest durcheinander bringt. Und deshalb muss eine solche Macht kontrolliert werden. In Niob sieht man das anders, falls ihr jemals dort wart…“

Corinthis schüttelte den Kopf. Nein der Kaiser war kein Narr… aber es musste bessere Wege geben, als das Verfolgen und reichenweise töten von Unschuldigen, selbst wenn für einen feststand, dass diese später Gefährlich werden würden.

Aber es war nicht seine Aufgabe sich damit zu beschäftigen. Er wendete sich wieder dem Bild zu.

Besser sich darüber erst gar nicht zu viele Gedanken zu machen. Er fürchtete sonst, die Stimme könnte sich wieder melden.

 

Kapitel 9 Fertigstellung

 

 

Die letzten zwei Tage hatte er an dem Bild gearbeitet und heute Abend würde die Enthüllung stattfinden. Corinthis zog den letzten Strich. Er fühlte sich ausgelaugt. Zwei Tage, in denen er kaum geschlafen hatte. Nach dem Aufwachen, oder mehr dem vergeblichen Versuch Einzuschlafen, hatte er sich meist direkt erneut zum Palast begeben, wo manchmal bereits der Kaiser anwesend war, oder auch nicht. Das wechselte ständig, denn nach dem ersten Tag, war Baratas nur noch sporadisch in den Thronsaal zurückgekehrt um sich nach dem Fortgang von Corinthis Arbeit informieren zu lassen. Offenbar wollte er wirklich sicher gehen, dass das Bild bis zur Feier fertig gestellt war. Ansonsten aber, hatte der Kaiser wohl noch besseres zu tun, was er ihn auch spüren ließ. Bis auf diesen einen Moment, in dem der Magier in den Saal gestürmt und von Baratas zum Schweigen gebracht wurde, hatten sie kaum ein Wort gewechselt.

Corinthis konnte das nur recht sein, bedeutete es doch, das er meist ungestört arbeiten konnte. Dass er nun ohne ein Modell malen musste, störte ihn dabei wenig, war das Bild in seinem Kopf doch längst vollendet. Meist saß er bis Sonnenuntergang am Bild, arbeitete soeben fertig gestellte kleine Details neu aus und zerbrach sich den Kopf über diese Änderungen, nur um dann doch wieder alles zu verwerfen.

Ihm war klar, was er schaffen wollte… bloß schienen seine Hände unzureichend zu sein, das auch in die Wirklichkeit umzusetzen. Oder er zögerte einfach zu sehr. Etwas, das ihm bisher Fremd gewesen war, Zweifel kannte er, doch waren diese meist schnell ausgemerzt. Hier jedoch…

Es schien Corinthis, als wäre das Bild selbst gegen ihn. Als er am Morgen vor dem Fest  nun vor dem so gut wie vollendeten Bild gestanden hatte, wusste er jedoch, dass all seine Ängste unbegründet sein würden. Zumindest er selbst fand nichts, das ihn noch störte.

Die in Gold gekleidete Gestalt von Kaiser Baratas starrte ihn von der noch nicht trockenen Oberfläche der Leinwand aus an. Die grauen Raubvogelaugen schienen so real, dass er nicht lange hinsehen konnte, die grauen Haare rahmten vor dem Hintergrund der Marmorwand des Thronsaals das Gesicht des Kaisers ein, dem er einen düsteren aber gleichzeitig erhabenen Ausdruck verliehen hatte.

Endlich legte er den Pinsel beiseite und erlaubte sich selbst, sich kurz auf den kalten Marmorboden zu setzen.  Über ihm konnte er das riesige Gemälde erkennen, das die komplette Decke des Saals einnahm. Es war wirklich geschafft.

 

Corinthis musste wohl tatsächlich kurz auf dem Boden eingeschlafen sein. Das Geräusch einer sich öffnenden Tür, sorgte dafür, dass er sofort wieder Hellwach war.

,, Ich sehe ihr seid fertig.“ , meinte der Kaiser, der soeben den Thronsaal betrat, gefolgt von seinem Kammerherr. Er sprang auf.

Die Staffelei mit dem Bild stand nach wie vor mitten im Raum und Baratas besah sich das Bild eine Weile schweigend mit dem Rücken zu ihm, so dass er nicht erklären musste, wieso er auf dem Boden saß und aufstehen konnte.

In fast selben Moment drehte sich der Kaiser um und… lächelte?

In den drei Tagen, die er den Kaiser bisher gegenübergestanden hatte, hatte der Mann nicht ein einziges Mal auch nur einen Anflug guter Laune gezeigt. Das schien sich Schlagartig geändert zu haben.

,, Gute Arbeit Corinthis richtig ? Wirklich… sehr gute Arbeit.“ Und wieder eine Überraschung. Baratas schien sich tatsächlich seinen Namen gemerkt zu haben.

Der Kaiser trat von dem Bild zurück.

,, Es war mir… eine Ehre.“ , erwiderte Corinthis

,, Tut nicht so. Ihr hattet keine Wahl. Und das wisst ihr genau so gut wie ich. Und trotzdem habt ich eine meisterliche Arbeit abgeliefert. Eure Bezahlung…“ Der Kaiser winkte Qydro heran, der Corinthis einen schweren Beutel übergab. Er warf aus Neugier einen kurzen Blick hinein. Gold-Dukaten, vermutlich doppelt so viele, wie sie Keltor einst gestohlen worden waren…

Das war ein Vermögen, genug um nie wieder einen Finger rühren zu müssen.

,, Ich glaube ihr überbewertet meine Arbeit.“ , meinte Corinthis.

,, Das bezweifle ich.“  Der Kaiser trat wieder vor das fertige Bild.

,, Ich hatte gehofft, das ihr heute Abend bei der Veröffentlichung und den Feierlichkeiten anwesend sein könntet.“

,, Nun.. wenn ihr dies wünscht, dann…“ ,, Ich wünsche es nicht, das ist eine Einladung, nicht mehr. Kommt oder bleibt, mir ist es egal und ich befehlige euch nicht, wie ihr sicher schon gemerkt habt.“ Er drehte sich wieder zu Corinthis um. ,, Es gibt Leute dort draußen, die halten mich für einen Gott.“ Der Kaiser betrachtete einen Moment die Glaskugel in der Spitze des Zepters, das er trug, als sähe er diese zum ersten Mal. ,, Wofür haltet ihr mich ?“

Ohne lange zu überlegen, oder die Folgen zu bedenken antwortete er . ,, Einen Menschen, nicht mehr aber auch nicht weniger. So wie jeder und jede dort draußen auf den Straßen. Ihr seid genauso sterblich wie sie.“

,, Eine Ansicht, von der ich wünschte, das sie zumindest einige mehr haben würden. Die meisten wagen es nicht, mir ihre Meinung zu sagen. Aus Angst. Das ist gut so, Angst hält die Ratten auf Distanz… aber es nützt einem nichts, wenn ein Krieg ansteht.“

,, Niob ? Die Unruhen gibt es doch seit Jahrzehnten.“

,, Das ist richtig und doch Verstärken sich die Spannungen immer mehr…“ Er drehte sich ruckartig um. ,, Aber genug davon. Ihr dürft gehen. Oh und Qydro, überbringt diesem Kaufmann… Keltor ? Doch auch eine Einladung.“

Corinthis verbeugte sich noch einmal und begann dann seine Malerutensilien zusammen zu räumen. Lediglich das Bild, welches der Kammerherr an sich nahm, blieb zurück. Obwohl er nach wie vor Müde war brauchte er nur wenige Minuten um alles wiederzufinden. Eine letzte Verbeugung und dann machte der Maler sich endgültig auf den Weg aus dem Palast. Als er bereits den Thronsaal betrat, hörte er noch, wie sich der Kaiser mit Qydro unterhielt.

,, Lasst Umaniel herbringen. Er soll sich… das hier für mich ansehen.“

,, Jawohl…“

,, Man hat ihn in die Inquisitions-Kerker gebracht wie mir berichtet wurde.“

Corinthis wurde unmerklich langsamer…. Wieso sollte sich der Zauberer  das Bild ansehen… Vermutete der Kaiser etwa eine Falle? Das passte gar nicht zu dem fast freundlichen Auftreten, welches Baratas in den letzten Minuten an den Tag gelegt hatte. Vielleicht sprachen sie von etwas anderem.

,, Und lasst auch Nehalenie ausrichten, das ich sie zu sehen Wünsche. Seit sie hier ist, hatte ich noch keine Gelegenheit dazu.“

,, Ja Herr…“

Corinthsi beeilte sich, sich weiter vom Thronsaal zu entfernen, er wollte sicher nicht beim Lauschen erwischt werden, selbst wenn es dabei nicht um ihn ging, wie er entschied… oder etwa doch?

Schnell ließ er den Palastflur hinter sich und betrat den weitläufigen Vorhof, auf dem mittlerweile die Vorbereitungen für die Feierlichkeiten im Eiltempo abliefen, hektisch umherlaufende Boten und Diener brachten neue Anweisungen, hängten Girlanden zwischen den Wirtschaftsgebäuden auf und waren dabei zwei Holztribünen zusammenzuzimmern , eine davon hatte er bereits im Halbfertigen Zustand gesehen, als er den Palast das erste Mal betrat. Mittlerweile war diese jedoch fast fertig. Vermutlich stellte sie später den Platz des Kaisers da… und die zweite niedrigere, mehr ein großes Holzpodest, war wohl für die Unterhaltung des Abends gedacht. Vielleicht eine Gruppe von Barden, oder eine der Straßenkünstler, die seit der Aufhebung des Verbots in den Straßen überall anzutreffen waren. Für diese hatte Corinthis jedoch kein Auge, als er sich seinen Weg durch die Straßen zu seinem altbekannten Hof und der Werkstatt. Erschöpft ließ er die Staffelei und den Kasten mit den Pinseln und Farben einfach auf den Boden fallen.

Corinthis betrat die Steinbaracke, die ihm nach der Zeit im Palast  zum ersten Mal tatsächlich klein vorkam und lies sich einfach auf den Boden fallen. Wenige Momente später war er bereits eingeschlafen.

 

,, Und, wie ging es weiter ?“ , wollte einer der Fischer wissen, nachdem der Alte eine Weile geschwiegen hatte. Das Feuer im Kamin war nun beinahe völlig heruntergebrannt und der Wirt warf einige Holzscheite auf die Glut um es neu zu entfachen. Mittlerweile hatte es draußen wieder begonnen zu Regnen. Ströme aus Wasser liefen an den  gläsernen Scheiben hinab um von dort aus in den Boden zu sickern oder zurück ins Meer zu fließen.

,, Weiter ?“ , fragte er.

,, Nun… ihr habt aufgehört zu erzählen.“

,, Ach ja ?“ Er schwieg wieder.

,, Seit ihr ihm je selbst begegnet ? Ihr wahrt selbst in Inglarion, vorher meine ich…, seid ihr dort auch dem Kaiser begegnet?“

,, Nein, dieses Glück oder Unglück war mir nie vergönnt. Zumindest nie wirklich… anfangs…“ den letzten Teil flüsterte er fast bevor seine Stimme unverständlich wurde. Weitere Augenblicke des Schweigens,, Also.. wo war ich?“ ,, Das Bild für den Kaiser.“

,, Ja… Vielleicht hätten die Nachfolgenden Ereignisse auch ohne dieses Gemälde stattgefunden, vermutlich sogar… aber sie haben sie auf jeden Fall beschleunigt. Aber eines nach dem anderen. Ihr kennt sicher das Sprichwort… je höher man steht umso tiefer der Fall. Und Corinthis hatte alles erreicht, was er sich je hatte Wünschen können. Entsprechend tief musste der Sturz werden…

Und dann war da natürlich noch Nehalenie…“

 

 

,, Du bist zurück“, hörte er Keltors Stimme. Corinthis blinzelte ins dämmrige Licht und versuchte zu ergründen, wie lange er geschlafen hatte. Die Sonne hin bereits als rötlicher Feuerball am Horizont. Es war Abend, das hieß, er hatte den halben Tag einfach verschlafen. Corinthsi stand auf. Die Tür der kleinen Steinbaracke stand offen und die unübersehbare Gestalt von Keltor zeichnete sich im Türrahmen ab. Er schien irgendetwas über dem Arm zu tragen.

,, Und nicht nur das.“ Er warf dem Händler den schweren Geldbeutel zu, den dieser beinahe fallen ließ. Ein Blick auf den Inhalt und die Züge des Mannes nahmen einen derart verdutzen Ausdruck an, das der Maler ein Lachen unterdrücken musste.

,, Das..äh… das ist ein verdammtes Vermögen.“ , meinte Keltor, als er langsam wieder Worte fand.

,, Ich weiß.“ Keltor trug erstaunlich teuer wirkende Kleidung. Normalerweise sah Corinthis ihn so nur, bei wichtigen Gesprächen mit Kunden über Auftragsarbeiten oder ähnliches.

Der Kaufmann bemerkte offenbar Corinthis unzufriedenen Unterton. ,, Was ? Reicht dir das nicht? Ich meine denk nach, du hast es wirklich geschafft. Dir steht diese verdammte ganze Welt offen.“

,, Ich weiß.“

,, Also, was ist los ?“

Corinthsi war mittlerweile aufgestanden und trat aus der Hütte an  Keltor vorbei nach draußen. Im schwindenden Tageslicht lagen immer noch die Staffelei und seine übrigen Sachen auf dem Boden.

Eine Weile lang war er schweigend damit beschäftigt, alles in die Werkstatt an seinen Platz zu bringen, dann jedoch wendete er sich wieder Keltor zu.

,, Ihr wisst, das der Kaiser mich für heute für die Feierlichkeiten zum Krönungstag eingeladen hat ?“ ,, Deshalb bin ich hier, mir hat man einen Boten vom Palast geschickt und… das hätte ich ja fast vergessen….“ Der Händler übergab Corinthsi einen Stapel Kleider, die dieser vorher über den Arm getragen hatte. ,, Das sollte euch passen.“ , meinte er selbstzufrieden.

Corinthis legte das Kleiderbündel ohne Beachtung auf eine der Werkbänke.  ,, Ich denke nicht, das ich mitkomme.“

,, Wieso nicht ?“

Corinthis seufzte. ,, Ihr kennt mich Keltor. Ich und Gesellschaftliche Veranstaltungen…“

Keltor wurde ernst. ,, Es verlangt ja keiner von euch, das ihr gleich mit der Gräfin von Ethilion tanzt, oder eine Rede haltet, aber ehrlich, Corinthis, ihr könntet etwas Ablenkung ganz gut vertragen.“

,, Ich bin eben zum Malen geboren , alles andere… interessiert mich eigentlich nicht.“

,, Gut, dann seht es als Gelegenheit die Reaktion des versammelten Adels von Ert auf euer Porträt zu sehen.“

,, Euch ist klar, das fällt diese Reaktion schlecht aus, vermutlich unsere Köpfe rollen ?“

,, Berufsrisiko, wie ?“

,, Nun gut. Ich komme mit.“ , erwiderte Coritnhis schließlich. Er wusste nicht, was genau ihn dazu trieb, aber vielleicht hatte Keltor ja recht… etwas Zerstreuung nach drei Tagen wäre kein Fehler. Hoffte er zumindest. Ansonsten würde er sich entschuldigen und unter einem Vorwand wieder von der Veranstaltung schleichen.

,, Gut, seht ihr, ist doch gar nicht so schwer. Ich werde auf euch warten. Die eigentlichen Feierlichkeiten sollen erst nach Sonnenuntergang beginnen, ihr habt also noch etwas Zeit.“ Keltor verabschiedete sich mit diesen Worten und lenkte seine Schritte wieder in die Gassen der Altstadt von Inglarion. Die Sonne war mittlerweile grade  halb hinter dem Horizont verschwunden und Corinthis schätzte, wie viel Zeit ihm noch blieb…

Die Kleider, die Keltor ihm besorgt hatte, ersparten ihm zumindest, sich noch selbst darum zu kümmern.

 

 

Kapitel 10 Maskenball

 

 

 

 

Corinthis fühlte sich unwohl, als er dem Palast näherkam. Was teilweise wohl auch an der für ihn ungewohnten Kleidung lag. Als er sich das erste Mal im Spiegel gesehen hatte, eine polierte Metallplatte, die in der Werkstatt hing, solange er sich zurückerinnern konnte, hatte er Mühe gehabt, sich wiederzuerkennen.

Normalerweise trug er schlichte Kleidung und das war ihm auch recht so.

Die Sachen jedoch, die Keltor für ihn besorgt hatte, waren da das genaue Gegenteil. Eine dunkle Weste aus Brokatstoff, der für die Jahreszeit viel zu warm war und ein weißes Seidenhemd , dessen Stoff wohl aus den Webereien von Ethilion stammen musste. In den großen ausgedehnten Wäldern welche die Stadt umgaben lebte eine Mottenart, deren Seide für das Nähen von Kleidung nahezu Ideal war, aber die Verarbeitung und Gewinnung war Schwierig und Aufwendig. Ethilion-Seide gehörte zu den Wertvollsten ihrer Art und wurde von manchen auch als gewebtes Mondlicht bezeichnet und besaß den Gegenwert von Silber. Wussten die Nardor , wie Keltor da ran gekommen war, den normalerweise stellte es eine Unmöglichkeit dar, bei einem Schneider ohne vorherige Wartezeit an Ethilion-Seide zu gelangen. Zusammen mit dem Klingenstab wäre er vermutlich überall als Adeliger oder reicher Kaufmann durchgegangen.

 

Mittlerweile war es vollkommen Dunkel in den Straßen Inglarions . Die wenigen flackernden Lichter die er hinter einigen Fenstern erkennen konnte reichten nicht aus, um die Finsternis zu durchdringen und wirkten wie verlorene Sterne in der Schwärze ringsherum. Eine Schwärze , die je durchbrochen wurde, als er etwa die Hälfte des Weges zum Palast hinter sich gebracht hatte.

Ein heller Blitz jagte über den Himmel, er dachte zuert an eine Sternschnuppe, nur um Sekunden später in einem Regen aus Farben zu detonieren. Der Knall ließ ihn kurz zusammenzucken, bis er erkannte um was es sich dabei handelte. Ein Feuerwerkskörper, der die Straßen kurz in purpurnes Licht tauchte. Wenige Augenblicke später folgte bereits der nächste Blitz auf und verglühte hell leuchtend am Himmel.  Der Rest seines Wegs wurde durch die Farbigen Explosionen am dunklen Himmel erhellte, die Fassaden der Hauser  abwechselnd in Purpurnes, violette und grünes Licht getaucht und die farbigen Funken am Himmel ließen mal schöne, mal fast bedrohliche Figuren entstehen. Der Geruch von verbranntem Salpeter erfüllte die Luft.

 Während er sich dem Palast näherte, wurden die Straßen wieder belebter. Die eigentlichen Feierlichkeiten fanden im Innenhof des Bezirks statt, aber dort waren nur die geladenen Gäste, meist Adelige oder wichtige Würdenträger zugelassen. Und natürlich er.

Die Einwohner von Inglarion ließen es sich allerdings nicht nehmen rund um den Palastbezirk ihre eigene Version des Jahrestags zu feiern. Dutzende von fahrenden Händlern, die man nicht in den Palast ließ und Gruppen von Gauklern zogen Besucher aus allen Stadtteilen an. Ein Mann jonglierte mit Fackeln, an einer anderen Ecke verkaufte ein Bäcker seine Waren, vor allem Kinder griffen bei den Angebotenen Leckereien zu. Hier und da tanzten kleinere Gruppen von Leuten mitten auf der Straße zu den Melodien einiger Wanderbarden, die wohl ebenfalls die Gelegenheit ergriffen hatten und all dies fand im farbigen Schatten, des immer noch hoch über ihnen verglühenden Feuerwerks statt.

,, Corinthis, hier drüben.“ Keltor löste sich aus einer Gruppe von Menschen, mit denen er sich wohl vorher unterhalten hatte und winkte ihn heran. ,, Ich dachte schon ihr taucht gar nicht mehr auf.“

,, Ich hatte darüber Nachgedacht.“ Sie suchten sich ihren Weg durch den Trubel auf der Straße in Richtung der Treppe, die sie auf das Palastgelände bringen würde.

Dieser war im mittlerweile Bewacht. Drei grimmig dreinblickende Inquisitoren, in den typischen vergoldeten Rüstungen der kaiserlichen Leibgarde versperrten den Durchgang und schreckten vermutlich schon allein durch ihre Präsenz jeden ab, der nicht Eigeladen war.

Corinthis wäre am liebsten draußen auf den Straßen geblieben. Hier kannte er zumindest einige Gesichter, auch wenn die meisten davon ihn in seiner neuen Kleidung überhaupt nicht mehr erkennen konnten.

Die drei Wachposten traten ohne ein Wort zur Seite, und ließen sie passieren, während im selben Moment ein letzter  Feuerwerkskörper am Himmel verglühte und die Straßen für einige Augenblicke in taghelles  goldenes Licht tauchte.

,, Ach kommt schon, das wird schon nicht so schlimm werden.“ Keltor gab ihm einen kleinen Schubs die Treppe hinauf.

,, Ja.. sicher.“

Der große Platz war nicht wiederzuerkennen. Fackellicht erhellte die weite Fläche und wurde vom Marmor reflektiert, so dass es beinahe Taghell war. Mehrere große Tische waren über den Platz verteilt aufgestellt worden und drohten unter der Last der darauf lastenden Speisen zusammenzubrechen. Trauben aus dem Süden, Obst, und mehrere Ochsen. Eine Verschwendung, wie Corinthis befand. Hunderte von Menschen, die meisten davon in teurer goldbestickter Kleidung standen oder saßen an den Tischen oder an der aufgestellten niedrigen Holzbühne, auf der einen kleinen Truppe Gaukler  die anwesenden Adeligen unterhielt. Nur die große Tribüne vor dem Palast war momentan noch leer…

Es war nicht wirklich anders als draußen aber, künstlicher. Die meisten Anwesenden waren nicht hier um zu feiern. Der Krönungstag war für sie allerhöchstens eine Chance, sich beim Kaiser gefällig zu machen oder Kontakte zu knüpfen, die ihre Position stärkten. Denn letztlich war der Kaiser der alleinige Kopf des Reichs. Baratas allein bestimmte, welche Städte und Güter an welchen der versammelten Adeligen vergeben wurden und er konnte ihnen diese auch jederzeit wieder entziehen. Somit waren sie darauf angewiesen in seiner Gunst zu bleiben und nur so konnte das gewaltige Kaiserreich zusammengehalten werden, ohne das einzelne Elemente Versuchten sich Selbstständig zu machen. Alle Macht in einer Hand…

Die Wahrheit war wohl eher, dass dies Ert äußerst anfällig  machte. Oder dies getan hätte, wäre da nicht die beinahe religiöse  Ehrfurcht, die unter den Bürgern vor dem angeblich göttlichen  Kaiser geschürt wurde. Hätten diese Leute gesehen, dass es nur ein Mensch war, den sie so fürchteten… Corinthis hätte gewettet, dass die meisten genau so überrascht und enttäuscht gewesen wären wie er. Und nur um diesen Schein zu wahren wurde diese ganze Zier hier aufgebaut und nur deshalb fand diese Feier überhaupt statt, zur Bestätigung und als Ausdruck der Macht des Kaisers.

 

Plötzlich verstummten alle Gespräche  auf dem Platz, wie auf ein Geheimes Zeichen hin, bis nur noch das Zischen der Flammen und die  leisen Stimmen von der Straße die Stille durchbrachen.

Auf der Tribüne erschien endlich eine Gestalt im Licht, welche Corinthis sofort als die des Kaisers erkannte.

Der Monarch trug ein goldenes Ornat, welches das Licht streute und den Mann in einem unnatürlichen Schein tauchte. Wie hatte es der Kaiser erläutert… Symbole, nichts weiter. Aber für das Volk waren sie wichtig.

Baratas wartete noch einen Moment, bis auch die letzten Gäste bemerkt hatten, was los war, dann begann er zu sprechen.

,, Zuerst einmal ein Dank an alle, die die Zeit fanden den heutigen Abend zu besuchen.

Vor 30 Jahren“ , begann er, ,, stand ich bereits einmal hier. Seit damals hat sich viel verändert. Nur eines nicht. Meine Entschlossenheit  weiterhin alles zu tun, was dem Schutz unserer Bürger und natürlich euch, vor der Geisel der Magie  und Niob erfordert. Heute möchte ich jenen gedenken, die  diesem Kampf ihr Leben verschrieben haben. Der dank des Kaisers gilt der Inquisition“

Eine Gruppe von Inquisitoren, die wohl das Fest überwachten brach daraufhin in Beifall aus. Vermutlich war das Ganze ein bereits im Voraus abgesprochener Vorgang. Fast alle Adeligen brachen ebenfalls in Beifall aus, einige Riefen sogar. Die meisten jedoch schienen desinteressiert und beobachteten den sprechenden Kaiser mit versteinerten Mienen. Ihnen war genau so klar, dass dies alles lediglich ein großes Schauspiel war.

,, Außerdem möchte ich bekanntgeben, das die Ahnengalerie des Palastes nun vervollständigt wurde, dazu wurde ein Künstler aus der Stadt mit einem Porträt beauftrag.“

,, So sieht es aus..“ , erwiderte er und drehte sich ohne ein weiteres Wort um. Erneuter , erwarteter Beifall.

,, Ich glaube nicht, das ich mir das länger antue.“ , meinte Corinthis zu Keltor.

,, Du willst gehen ?“ , fragte dieser.

Mittlerweile war der Kaiser wieder von der Tribüne verschwunden. Corinthis bezweifelte, dass sich der Mann unter die Gäste begeben würde. Alles um den Schein zu wahren, nicht wahr…

Langsam begann er diese Leute hier zu hassen obwohl er keinen einzigen kannte oder sich nur mit ihnen Unterhalten hatte. Und eine schwache ferne Stimme schien sich erneut in den Vordergrund zu drängen. Wer gab ihnen das Recht… und nicht ihm. Alle waren sie ersetzbar, nur Schachfiguren und Puppen, Gefangen in einem endlosen Kreis aus Ritualen und Scheinwirklichkeiten.

Wie viel von dem, was er hier sah war nur Fassade. Kurz überlegte er ob selbst die Grenzstreitigkeiten mit Niob Teil dieses großen Spiels sein könnten.

Corinthis hielt es einfach nicht mehr aus.

,, So sieht es aus.“ erwiderte er und wendete sich ohne ein weiteres Wort dem Ausgang zu. Keltor blieb zurück und sah ihm einige Sekunden lang nach. In den nun fast vier Jahren, die er den Maler kannte, hatte er ihn noch nicht so erlebt. Corinthis wirkte auf ihn oft abwesend… aber dabei hatte er ihn noch nie so wütend gesehen. Eigentlich, überlegte er kurz, hatte er ihn noch nie wütend erlebt.

Und das machte ihn unruhig.

 

Corinthis lief die breite Marmortreppe hinab, hinaus auf die Straße, wo immer noch die Leute feierten. Er drängte sich durch eine Gruppe von Schaulustigen, die grade einem Straßenkünstler zusahen, der die Leute zu einem Hütchen Spiel herausforderte und natürlich immer Gewann.

Ihm war nur klar, dass er hier weg wollte. Corinthis zwang sich selbst dazu langsamer zu gehen.

Langsam begann der Maler wieder etwas ruhiger und freier zu atmen. Den Palast und seine Lichter hinter sich lassend blieb er einen Moment in einer Gasse stehen und beobachtete die vorbeiströmenden Leute. Den weitaus wichtigsten Teil seines Lebens hatte er in diesen Straßen und in der Umgebung Inglarions verbracht und doch kam er erst jetzt dazu, ihr wahres Gesicht zu sehen.

Diese Menschen hier draußen wussten nicht, was sich wirklich hinter den hohen Mauern des Palastbezirks abspielte. Für sie würde es immer etwas Geheimnisvolles bleiben. Statt sich also darüber Gedanken zu machen, tanzten sie lieber auf den Straßen…  Und selbst er verstand es nicht ganz…

Er musste wieder an den Magier denken, der vor vier Tagen in den Thronsaal gekommen war.

Ihm war immer noch nicht klar, was dieser eigentlich gewollt hatte. Vermutlich war es nicht wichtig… oder sogar nur ein weiteres Bedeutungsloses Ritual.

 

Seltsam… eine Frau auf der anderen Seite der Straße ließ ihn schon die ganze Zeit nicht aus den Augen. Vielleicht nur Zufall, aber er war sich fast sicher, das Gesicht, das von langen blonden Haaren eingerahmt wurde schon einmal gesehen zu haben. Ein kurzer Blick aus einer vorbeifahrenden Kutsche heraus….

Sie drehte sich um und schien weggehen zu wollen.

,, Hey, wartet einen Moment…“ Er trat wieder nach draußen auf die Straße, geriet aber sofort in eine Gruppe tanzender Menschen, die dabei von einem Barden begleitet wurden.

Coritnhis versuchte sich vorbei zu drängen, wurde aber von den Tanzenden eher unfreiwillig mitgerissen…

Plötzlich jedoch wurde er von jemand an Beiden Händen gefasst und mitgezogen.

,, Was zum…“ Er sah auf und direkt in das Gesicht der Frau, die er vorher auf der Straße gesehen hatte.  Ihrer Kleidung nach zu urteilen zählte sie wohl eher zu denen, die sich in diesem Moment innerhalb der Palastmauern aufhielten. Was zu der Frage führte, was sie hier tat. Einen Moment lang war er einfach nur verdutzt.

,, Ihr seid vorhin von der Jahresfeier verschwunden.“

,, Ist das neuerdings ein Verbrechen ?“ , fragte er und blieb stehen.

,, Nicht, das ich wüsste. Tanzt, die Leute schauen schon.“

Er seufzte, beschloss aber erstmals einfach mitzuspielen. Nur das ihm nicht ganz klar war, welches Spiel. Ein kurzer, völlig irrwitziger Gedanke schoss durch seinen Kopf. Sie gehörte zur Inquisition und im nächsten Moment würde er sich mit einem Messer zwischen den Rippen wiederfinden…

,, Wieso interessiert euch das ?“ , fragte er.

,, Es ist ungewöhnlich. Normalerweise verlässt niemand eine Rede des Kaisers.“

,, Nun was macht ihr dann hier ?“

,, Vielleicht dasselbe wie ihr.“

,, Was da wäre ?“

Sie antwortete nicht und er ragte auch nicht mehr. Eine Weile tanzten sie einfach zwischen den anderen Menschen auf der Straße hindurch, während Corinthis versuchte die tausend sich ihm aufdrängenden Fragen zu verwerfen.

,, Vielleicht etwas anderes als bloßen Schein.“ , antwortete sie schließlich, löste sich allerdings auch im gleichen Moment von ihm.

,, Was soll das wieder heißen ?“

,, Ich muss zurück zum Palast, anders als euch, wird man mich vermissen denke ich.“ Sie machte Anstalten zu gehen.

,, Ihr habt mir noch nicht geantwortet.“ , meinte er.

,, Vielleicht nächstes Mal.“

,, Nächstes Mal ?“

Doch sie antwortete schon nicht mehr sondern lief die Straße hinab in Richtung Palast.

,, Verratet mir wenigstens euren Namen.“ , rief er ihr  noch hinterher.

,, Nehalenie.“

Corinthsi blieb auf der Straße zurück und schüttelte den Kopf. Was für eine seltsame Begegnung…

Nächstes Mal ? Was hatte sie damit gemeint…

Aber wiedersehen wollte er sie auf jeden Fall…. Da war er sich sicher.

 

Kapitel 11 Ein Brief

 

 

 

Corinthis verbrachte den nächsten Tag damit, in der Werkstatt aufzuräumen. Zum ersten Mal seit drei Jahren wie es ihm schien hatte er dazu wirklich Zeit. Aufträge hatte er momentan keine…. Und um etwas Eigenes zu schaffen, dazu hing er zu vielen Wiederstrebenden Gedanken nach. Der gestrige Abend beschäftigte ihn noch immer.

Die Werkstatt hatte in den letzten Jahren immer als Lagerraum für alles gedient, was er sonst nirgendwo mehr hatte unterbringen kann. Neben den von ihm immer penibel freigehaltenen Arbeitsflächen, wie etwa am Leimbad für die Kohlezeichnungen, stapelten sich wiederum dutzende von Bilderrahmen, alte Skizzen, die er längst nicht mehr benötigte und jede Menge Müll. Zerbrochene Holzplanken,  Metallscharnieren und Farbreste.

Keltor schaute einmal vorbei um nach ihm zu sehen, als er grade dabei war die gesammelten Holzreste mit einer Axt Kleinzuhacken um diese im Winter zu verbrennen.

,, Ihr seit gestern nicht wieder aufgetaucht. Ich hatte mir schon sorgen gemacht.“

,, Tut mir leid, aber ich habe es dort keinen Moment mehr ausgehalten.“ , erwiderte er gereizter als er sein sollte.

,, Tja, ich muss zumindest sagen, der Kaiser weiß, wie man einen Eindruck hinterlässt. Ich habe mit ein paar Adeligen gesprochen. Wenn ihr wollt, kann ich jederzeit neue Aufträge besorgen.“ Corinthis sah überrascht auf. ,, Früher habt Ihr euch nicht die Mühe gemacht meine Meinung einzuholen.“

,, Eben früher. Aber jetzt…“

,, Keltor, ich dachte das hätten wir geklärt. Es hat sich nichts verändert. Aber wenn ihr fragt… nehmt erst mal keine Anfragen an. Ich… versuche grade etwas Ordnung in alles zu bringen.“  ,, Ich könnte euch helfen.“ , bot Keltor an. Offenbar war der Händler trotz Coritnhis Beteuerung verunsichert… als wüsste er nicht mehr, ob er den Maler noch kannte.

,, Ich meine nicht nur die Werkstatt. Ich denke ich muss einiges… klarstellen.“

, , Das habe ich mir gedacht.“ Er zögerte kurz, ,, Die Feierlichkeiten werden heute Abend fortgesetzt. Ich kann euch nicht überreden, dem Palast einen zweiten Besuch abzustatten?“

,, Nein.“ , erwiderte er nur.

,, Nun gut… ich gehe dann wieder.“ Er drehte sich um und wollte den Hof verlassen.

,, Wartet noch.“ Keltor blieb stehen und sah zu wie Coritnhsi im inneren der kleinen Baracke verschwand um wenige Sekunden später mit einem schweren Lederbeutel wiederzukommen. ,, Ihr könntet das allerdings für mich verwalten. Ich weiß eh nicht, was ich damit anfangen soll.“

Er warf den Beutel voll Gold dem Händler zu, als würde es sich dabei um Steine handeln.

,, Ich kann für euch darauf aufpassen aber…“

,, Keltor zum dritten Mal, nichts ändert sich, ich brauche nur mal ein wenig Zeit zum Nachdenken.“

,, Natürlich, wir sehen uns.“

,, Das auf jeden Fall.“  Er schüttelte dem Mann die Hand. ,, Vielleicht lasse ich mich tatsächlich auch überreden heute mitzukommen. Irgendwie muss ich das ganze Geld doch loswerden.“

,; Das glaubt ihr doch selbst nicht.“ Der Händler verabschiedete sich endgültig und verschwand.

Corinthis selbst sah ihm noch kurz einen Moment nach, dann machte er sich wieder an die Arbeit.

 

Mittlerweile war es früher Nachmittag geworden und die Werkstatt konnte sich mittlerweile auch wieder als solche bezeichnen lassen. In einer Ecke des Hofs türmten sich nun zerbrochene Holzrahmen auf. Nur in Corinthis Kopf herrschte nach wie vor Chaos.  Er hatte sich nie viel Gedanken um das Kaiserreich Ert gemacht. Zumindest nie als gesamtes. Was ihn interessiert hatte, war den Inquisitoren auszuweichen und darauf zu hoffen, dass es nicht zu einem größeren Konflikt mit Niob kam. Doch nun, wo er einmal im Zentrum des Kaiserreichs gestanden hatte, ließen ihn die Gedanken keine Ruhe mehr. Kein Gott, sondern ein Mensch. Diese simple Erkenntnis drang immer wieder an die Oberfläche seiner Gedanken, ohne das er etwas dagegen tun konnte.

Schließlich zwang er sich , damit aufzuhören. Er dachte nach… aber es führte zu nichts. Nur zu der Tatsache, dass die meisten Bürger Erst nichts von den Vorgängen im Herzen ihres Reichs wussten. Er selbst hatte nur einen kleinen Blick hineingeworfen… und was er gesehen hatte waren lediglich Symbole und Schein, wie der Kaiser es selbst bestätigt hatte. Doch… irgendwoher musste dieser Respekt kommen, die auch der Adel dem Kaiser entgegenbrachte. Aus etwas anderem als  dem des eigenen Vorteils. Die einzig wirksame Kontrolle war Angst… aber Angst wovor? Den Magiern ?

Seine Gedanken bewegten sich abermals in einem Kreis  und kehrten schließlich zum letzten Abend zurück. Die seltsame und kurze Begegnung auf der Straße ließ ihm genau so wenig Ruhe. Nehalenie… er war sich mittlerweile sicher, dass er nicht nur ihr Gesicht kannte, sondern auch den Namen schon einmal gehört hatte. Und zwar im Palast von Inglarion.

 

Er gab das Nachdenken auf…  es nütze nichts, sich über Dinge den Kopf zu zerbrechen, die er nicht ändern oder erklären  konnte.

Ziellos lief er durch die Werkstatt, ließ hier einen Pinsel durch die Händen wandern, nur um diesen dann wieder wegzulegen und fing dort eine Skizze an, die er nach wenigen Strichen bereits wieder verwarf. Sein Blick verharrte auf dem in Rot getränkten Bild des Rabens, das er angefertigt hatte, kurz bevor ihm der Auftrag des Kaisers überbracht worden war. Noch immer ließ ihn die Zeichnung aus einem undefinierbaren Grund unruhig werden.  Und es war definitiv nicht die Tatsache, das die getrockneten Farben immer mehr an Blut erinnerten…

Es gab Menschen, die beim Anblick von Blut tatsächlich Angst bekamen, er jedoch gehörte nicht dazu. Das herauszufinden, hatte er genug Gelegenheiten gehabt, angefangen von kleineren Verletzungen während der Arbeit bis hin zu der Schnittwunde , die ihm jener Tag eingebracht hatte, als er einen Schuldner für Keltor gejagt hatte. Mittlerweile erinnerte ihn nur noch die verbliebene Narbe an jenen Tag, doch dem war nicht immer so gewesen. Zwei Tage nach der Jagd durch die Straßen Inglarions, hätte ihn die Wund beinahe getötet…

Er hatte grade erst damit begonnen, die heutige Werkstatt einzurichten und das Chaos zu beseitigen, welches den Hof bis dahin geprägt hatte. Keltor unterstützte ihn dabei, aber das meiste machte er alleine. Während dieser ersten zwei Tage hatte er der Verletzung, die er als Kratzer abtat kaum Aufmerksamkeit geschenkt. Vielleicht hätte er das besser. Den bereits am darauf folgenden Abend hatte er Fieber bekommen. Corinthis war früher schon krank geworden und natürlich kannte er die heimtückischen Auswirkungen, die Fieber zuweilen auf den Geist nahm. Doch diesmal war es schlimmer. Fast eine Woche lang war er im Delirium, nicht ansprechbar und selbst als er sich endlich erholte, obwohl sowohl Keltor, als der behandelnde Heiler, ein älterer Mann, der auf dem Markt seine Dienste anbot, ihn bereits für so gut wie Tod hielten, steckte ihm die Erinnerung noch in den Knochen. Das seltsame Gefühl, seine Gedanken würden sich selbstständig machen…  eine Erfahrung, die er fürchten gelehrt hatte. Seitdem ging er äußerst Vorsichtig mit kleineren Verletzungen um.

 

Corinthis schüttelte die Erinnerung ab und wendete sich wieder dem Bild zu. Einen kurzen Augenblick lang betrachtete er es noch…

Ein lautes Geräuschdraußen auf dem Hof  ließ ihn aufschrecken. Flügelschläge und Schritte…

Ein schwarzer Vogel stieg vom Hof aus, wo er in der Sonne gesessen hatte in den Himmel auf und verschwand. Schon wieder ein Rabe, da war er sich sicher. Fast schienen die Tiere ihn zu Verfolgen.

Allerdings konnte das auch nur Einbildung sein. Die Vögle waren klug und konnten sich auch in der Stadt problemlos von Abfällen ernähren. Besonders auf dem Marktplatz stellten die Schwarzgefiederten Ratten, wie manche sie auch bezeichneten neben den Tauben die reinste Plage dar. Corinthis jedoch mochte sie normalerweise. Wenn es ein Tier gab, das seiner Meinung nach den Menschen am nächsten kam, so war es wohl Krähen und Raben.

Aber etwas hatte das Tier aufgeschreckt. Weitere Stiefelschritte und wenige Augenblicke später betrat ein Mann den Platz, dessen aussehen den Maler sofort skeptisch machten.

Er trug eine leichte Rüstung, die wohl nur zur Zier diente, als das sie wirklich Schutz geboten hätte, schien aber nicht bewaffnet zu sein. Aber es war nicht dieser Umstand, der Corinthis merkwürdig erschien. Auf der nutzlosen Panzerung war das Sonnensiegel des Kaisers eingekerbt. Ein Inquisitor war der Mann nicht… aber was dann?

Offenbar hatte er Corinthis in der Werkstatt noch nicht entdeckt, denn er sah sich suchend um.

Er würde nicht herausfinden, was der Mann wollte, wenn er sich versteckte. Einen Augenblick lang zögerte er noch, dann trat er nach draußen.

,, Corinthis der Maler ?“ , fragte er, nachdem Corinthis aus der Werkstatt auf den Hof getreten war.

,, Der bin ich.“

Der Mann griff nach einer kleinen Tasche an seinem Gürtel und zog ein viereckiges Stück Pergament hervor. ,, Ich wurde gebeten, euch das hier auszuhändigen.“ Er reichte Corinthis das Papierstück, der es Stirnrunzelnd entgegennahm.

,, Was will der Kaiser denn, das so wichtig ist, das er einen Boten aus dem Palast herschickt  ?“ , fragte er, ohne sich das Blatt anzusehen.

,, Ich glaube ihr irrt euch Herr, die Nachricht ist nicht vom Kaiser, auch wenn ich Bote des Palasts bin.“

,, Von wem dann ?“ Er faltete das Blatt auf, als der Bote sich wieder in Bewegung setzte und verschwand, bevor Corinthis ihn anhalten konnte. ,, Hey.“ Der Bote war verschwunden. ,, Toll…“

Er wendete sich wieder dem Stück Papier zu, das sich ziemlich schnell als Brief herausstellte.

 

,, Ich sagte euch, das ich eure Frage vielleicht bei unserem nächsten treffen beantworten würde.

Ich hoffe der Bote hat euch finden können. Es war recht einfach zu erraten wer ihr seid, wie ich zugeben muss. Corinthis.

Ich warte dort, wo wir uns gestern begegnet sind.

Solltet ihr nicht auftauchen, so werde ich das als Zeichen deuten, das ihr mich nicht wiedersehen wollt. Ich hoffe aber euch heute Abend zu sehen

N“

 

 

Er legte den Brief mit einem Schmunzeln bei Seite.  Für ihn Stand die Antwort schon fest. Nur ergab sich nun ein noch größeres Rätsel. Wer war Nehalenie… natürlich einiges konnte er sich zusammenreinem, irgendwie stand sie mit dem Kaiser in Verbindung… Es war nicht nur der Wunsch sie wiederzusehen, der ihn beinahe Zwang die Einladung anzunehmen, sondern auch Neugier, mit wem er es eigentlich zu tun hatte.  Soweit ihm bekannt war, hatte der Kaiser einige Adelige während der Dauer der Feierlichkeiten im Palast untergebracht, während andere wieder am gestrigen Abend abgereist waren. Vielleicht gehörte sie dazu.

Es gab nur eine Möglichkeit, das herauszufinden.

 

Bis zum Abend jedoch bliebe ihm  noch viel Zeit. Corinthis holte sich einen Stuhl aus der Werkstatt, den er normalerweise als zweite Staffelei verwendete und setzte sich, in Stück Zeichenkohle und Pergament in der Hand in die Sonne.

Er dachte an Nehalenie.

 Diesmal musste er nicht nach den ersten paar Strichen aufhören, sondern zeichnete weiter. Langsam aber sicher nahm die Skizze Formen an. Und mehr war es tatsächlich nicht, eine Grobe Skizze, doch konnte er sämtliche Details, die er ausgelassen hatte jederzeit aus seinem Gedächtnis abrufen. Trotzdem war er mit der Zeichnung nicht zufrieden. Er faltete das Blatt zusammen und ließ es in seiner Tasche verschwinden. Vielleicht würde er später daran weiterarbeiten. Bis zu dem Tag, an dem ihm das Bild jedoch wieder einfiel, sollte er längst andere Probleme haben. Für den Augenblick reichte es ihm eine Weile in der Sonne zu sitzen und den ab und zu vorliegenden Vögeln zuzusehen, Meist Raben oder Tauben. Nur eines der Tiere flog nicht. Es ließ sich auf dem Dach der Werkstatt nieder und rührte sich nicht mehr. Vielleicht der Vogel, den der Bote vorhin verscheuch hatte, überlegte er.

Corinthis stand auf und lief auf die Werkstatt zu. Normalerweise erwartete er, dass der Rabe nun davonfliegen würde. Jedoch blieb dieser ganz ruhig sitzen und schien lediglich jeden seiner Schritte zu verfolgen.

Langsam wurde ihm das Tier unheimlich. Er versuchte es diesmal wirklich zu verscheuchen.

,, Verschwinde.“ , rief er laut. Der Rabe sah ihn noch einen kurzen Augenblick an, dann erhob er sich Flügelschlagend  wieder in die Luft.

Corinthis sah dem schwarzen Vogel nach, bis er nicht mehr zu sehen war.  Die Sonne stand mittlerweile schon tiefer und kurz überlegte er, ob er noch zum Markt gehen und Keltor von dem Brief erzählen sollte. Etwas jedoch riet ihm davon ab. Das ging den Händler eigentlich überhaupt nichts an, auch wenn er gerne den Rat des Mannes gehabt hätte.

 

Kapitel 12 Nehalenie

 

 

 

 

Mittlerweile war es fast dunkel auf den Straßen Inglarions, doch wie am Vortag schien die gesamte Stadt auf der Straße zu sein.

Während er den Palast passierte, wo das sinnlose Feiern heute sicher ebenfalls weitergehen würde, sah er sich auf der Straße um. Gestern hatte er kein Auge für die Leute um sich herum gehabt, doch nun betrachtete er zum ersten Mal die Gesichter um ihn herum. Wie anders doch die Atmosphäre hier draußen war, verglichen mit der steinernen Etikette innerhalb der Mauern des Palastbezirks.

Wieder waren es vor allem die zahlreichen Straßenkünstler, welche die Massen anzogen. Ein Mann forderte die Passanten zu einem Würfelspiel auf, von denen sich auch einige darauf einließen. Meistens verloren die Spieler und Corinthis vermutete, dass die Würfel manipuliert waren. Das hielt ihn jedoch nicht davon ab, das Schauspiel zu genesen und selbst die Leute, die verloren lächelten danach meist noch. Allgemein schien eine völlig andere Atmosphäre zu herrschen, wie sonst. Diese laute würden normalerweise nach Verrichtung ihres Tagewerks schlafen gehen nur um am nächsten Morgen wieder in den gleichen Trott zu verfallen, aber solange das Fest andauerte, hatten sie etwas, das sie aus der täglichen Lethargie riss.

Auf der anderen Straßenseite jonglierte eine Frau grade mit einem halben Dutzend Messer und erntete dafür Applaus und das ein oder andere Viertel-Silberstück.

Corinthis ließ sich Zeit und sah eine Weile zu. Er fühlte sich endlich wieder ruhiger, als er weiterging und sich einfach von den Strom der Umherwandernden mitreißen ließ.

Bis hin zu dem Punkt, an dem Nehalenie warten wollte, sofern er den Brief richtig Verstanden hatte

Er entdeckte sie sofort und wusste, dass er richtig lag, noch während er die Straße entlangging.

Sie stand in einer kleinen Gasse außerhalb des Menschenstroms der Hauptstraßen. Ihre klaren blauen Augen schienen die Menge abzusuchen, vielleicht nach ihm, auch wenn er diese Idee schnell wieder verwarf. Aber irgendwie.. trotzdem ein angenehmer Gedanke.

Er löste  sich aus der Menschenmenge  und sah sofort, dass sie ihn erkannt hatte.

,, Corinthis der Maler.  Viele halten euch für einen sehr beschäftigten Mann, aber wisst ihr, dass es unhöflich  ist eine Dame warten zu lassen?“ Ein schwaches Lächeln huschte über ihr Gesicht.

,,  Ich wusste nicht, das ich euch warten lasse. Aber ihr seid im Vorteil, ich weiß immer noch nicht mit wem ich die Ehre habe, Nehalenie .“ , meinte er.

Sie antwortete nicht sondern sagte nur: ,, Kommt mit.“ Um gleich darauf in der Menge zu verschwinden. Schulterzuckend folgte er ihr und bemühte sich, sie wieder einzuholen und dabei nicht in der Menge zu verlieren.

,, Ich habe immer noch keine Antwort auf meine Frage.“

,, Vielleicht beantwortet ihr mir zuerst eine.“  , entgegnete sie.

,, Und welche ?“ Sie passierten den  Würfelspieler, dem Coritnthis schon auf dem hinweg begegnet war.

,, Warum habt ihr gestern die Feier im Palast verlassen ?“

Er überlegte kurz und beschloss dann einfach die Wahrheit zu sagen. ,, Es ist so bedeutungslos.“

,, Und das hier nicht ?“

,, Seht euch um, diese Leute lachen. Nicht wie eure Adeligen und Kaisertreuen, die sowieso nur dort sind um ihre Titel zu behalten. Das ist echtes Glück. Die angebliche Feier des Kaisers… das ist nur Symbolik. “

,, Und vielleicht habe ich genau das gemeint.“

Eine Weile lang liefen sie Schweigend durch die belebten Straßen, jeder seinen eigenen Gedanken nachhängend. Auch wenn Corinthis keine Ahnung hatte, wie die seiner Begleiterin aussehen mochten. An einigen Häusern hingen Laternen aus gefärbtem Glas, welche die Fassaden in buntes Licht tauchten.

Ein Wanderbarde spielte auf einer Laute und wie gestern tanzten einige mitten auf der Straße.

Er  blieb kurz stehen, als sie eine Abzweigung passierten, an der die Hauptstraße von einer weiteren Gasse gekreuzt wurde. Hier brannten nur noch wenige Laternen und die meisten waren schlicht gehalten, nicht wie die bunten Leuchtfeuer noch wenige Häuser zuvor. Selbst die große Straße war nicht mehr so belebt wie zuvor.

,, Was ist ?“ , fragte Nehalenie als sie merkte, dass er ihr nicht mehr folgte.

,, Wir sollten umdrehen.“ meinte er. ,, Der Weg führt direkt in die Armenquartiere.“

,, Ich weiß,“ sie ging weiter, als hätte sie ihn nicht gehört.

,, Das ist der letzte Ort, an den man sich nachts verirren möchte.“ , warnte Corinthis sie nochmal. ,, Nehlanie. Ach verdammt.“

Ihm blieb nichts anderes übrig, als ihr zu folgen. Schnell verschwanden auch die letzten Menschen von der Straße, als sie weiter den weg entlanggingen. Dafür konnte er hier und da eine Stadtwache erkennen, die das Viertel überwachten.   Corinthis konnte das nur recht sein, auch wenn es ungewöhnlich war, das im Armenquartier für Ordnung gesorgt wurde. Er vermutete, dass das ebenfalls mit den Feierlichkeiten zusammenhing. Trotzdem konnte es nicht verbergen, was dieser Ort eigentlich war. Verfallene Gebäude, deren Wände hier und da einfach nur mit Holzlatten ausgebessert waren, Hütten errichtet aus Abfällen, durch die sich unbefestigte, labyrinthartige  Wege zogen. Eine dunkle Ruine, wo ein Haus abgebrannt war.  Vor sich hin modernde verkohlte Balken in einem Gewirr aus zerbrochenen Ziegeln. Und selbst die besser erhaltenen Gebäude wirkten ungastlich und wie verlassen. Nehalenie war vor der ausgebrannten Silhouette stehen geblieben.

,, Sind wir alle blind ?“ , fragte sie.

Corinthis war sich nicht sicher, was sie meinte. Was taten sie hier überhaupt? Er hatte immer versucht, die Armenviertel so gut wie möglich zu meiden. Natürlich ließ sich es sich manchmal nicht vermeiden, die Außenbezirke zu durchqueren, aber meist beeilte er sich, dieses auch wieder zu verlassen. Und nichts in der Welt hätte ihn dazu getrieben diesen Ort bei Dunkelheit aufzusuchen.

,, Das alles. Wir verschwenden so viel, dafür, den schein aufrecht zu erhalten, für Symbole, nur damit wir wegsehen können… Ihr müsst es doch auch erkennen. Warum sonst seit ihr gegangen?“

,, Ich weiß es nicht. Aber euch trifft doch hieran keine Schuld. Es gibt immer Leute, die weniger Glück im Leben haben.“ , sagte Corinthis. ,, Ihr lasst euch nicht blenden. Warum also, sind wir hier?“

,, Ich weiß es nicht.“

,, Ihr seid seltsam für eine Adelige.“ , erwiderte er.

,, Wie kommt ihr darauf ich würde zum Adel gehören ?“

,, Ach kommt, selbst wenn ihr nichts sagt, wirklich schwer zu erraten ist das nicht. Und ihr habt einen Palastboten mit eurer Nachricht geschickt. Jeder der seinen Verstand auch nur ein wenig zu gebrauchen weiß könnte das erraten.“

,, Vielleicht.“

,; Was immer noch zu der Frage führt, was tun wir hier überhaupt ?“

,, Kommt mit.“ , wiederholte sie nur.

,, Wohin ?“

Nehalenie antwortete nicht sondern lief einfach weiter ohne darauf zu achten. Ob er ihr überhaupt folgte. Kurz überlegte Corinthis einfach stehen zu bleiben. Er lief los, durch die dunklen Gassen des Viertels, immer darauf bedacht, die Gestalt vor ihm nicht aus den Augen zu verlieren. Langsam kam ihm das ganze wie ein Rennen vor. Und irgendwie lächerlich. ,, Bleibt doch mal stehen.“

Sie reagierte natürlich nicht und ihm blieb nichts anderes übrig, als ihr weiter durch die verwinkelten Straßen zu folgen, die mittlerweile wieder gepflegter aussahen. An einer Hauswand lehnte eine Leiter, offenbar wurde das Flachdach des Gebäudes grade ausgebessert, und schneller als er es überhaupt jemanden zugetraut hätte war Nehalenie auch schon oben auf dem Dach.

,, Das soll doch jetzt ein Witz sein…“ , flüsterte er leise, als er einen Fuß auf die unterste Sprosse setzte und begann die Leiter hinaufzusteigen. Oben auf dem Dach konnte er  über einen Großteil der Stadt sehen. Natürlich hatte er Inglarion bereits von oben gesehen, aber bisher noch nie bei Nacht.

Nehalenie saß auf der niedrigen Ummauerung des Dachs und ließ die Füße über dem Abgrund hängen. Corinthis befürchtete kurz, sie könnte abstürzen, aber angesichts der Tatsache, wie mühelos Nehalenie auf das Dach gelangt war, verschwand seine Sorge diesbezüglich schnell wieder.

,, Jetzt schuldet ihr mir wirklich eine Erklärung.“ , meinte er während er einen Blick nach unten warf. Die ganze Stadt schien mit mehr oder weniger hellen. Vielfarbigen  Lichtpunkten durchsetzt zu sein, ein warmer Lufthauch trug entfernte Stimmen und einige Klänge einer Melodie heran, die Corinthis meinte wiederzuerkennen. Er wusste nur nicht woher.

Nur die Armenquartiere bildeten eine Ausnahme im Lichtermeer, das ihn fast an den Sternenhimmel erinnerte. Dort brannten lediglich vereinzelte Flammen, die verloren in der umgebenden Schwärze schimmerten.

,, Wer seit ihr ?“ , fragte Corinthis.

,, Nehalenie .“ , erwiderte sie nur.

,, Das meine ich nicht. Ihr zeigt mir all das, obwohl ich es längst kenne. Ich verstehe, das viel Falsch läuft. Also wieso ?“

,, Vielleicht weil ich hoffte, genau so  jemanden zu finden, einen der es versteh.“

,, Weshalb ? So läuft die Welt nun mal seit Jahrhunderten. Ich kann es in Frage stellen, aber ihr seid doch eher dazu in der Lage etwas  wirklich zu verändern.“

,, Das ist nicht ganz so einfach.“ , erwiderte Nehalenie. Für ihn klang das wie eine Ausrede.

,, Ich verstehe euch nicht, ich verstehe nicht, was ihr wollt.  Ihr seid in der Lage etwas zu verändern, ich nicht. Was hindert euch also daran, euch gegen den übrigen Adel zu stellen? Nicht offen natürlich, aber es reicht doch schon, wenn ihr ein Zeichen setzt….  “  Er klang mittlerweile wütend. All die ungewohnten Gedanken, mit denen er sich den letzten Tag über herumgeschlagen hatte, waren wieder da und suchten ihn erneut heim. Für ihn gab es keinen Ausweg… aber für Nehalenie, jemanden der definitiv über Einfluss verfügen musste, schon. Sie musste nichts davon hinnehmen. Oder ?

,, Ich bin die Nichte des Kaisers.“ , unterbrach sie ihn.

Corinthis verstummte für einen Augenblick. ,, Also… das war jetzt unerwartet.“

,, Ich kann mich nicht gegen Baratas stellen. Genau s wenig wie ihr. Und alle anderen sind viel zu Blind um überhaupt etwas tun zu wollen.“ , wies sie ihn zurecht.

Er sah weg und ließ seinen Blick einen Augenblick über die Dächer wandern.

,, Es tut mir leid.“ , sagte er nach einer Weile. ,, Ich mache mir nur schon seit... einer Weile Gedanken darüber. Keltor würde sagen ich bin ein Träumer. Der Wunsch etwas zu ändern, das man nicht ändern kann, ich glaube jeder Mensch kennt ihn. “

,, Dann sind wir wohl beide Träumer. Könnt ihr mir nur eins Versprechen Corinthis ?“

,, Was ?“

,, Solltet ihr je die Gelegenheit haben etwas zu ändern, zögert nicht.“ Er spürte, wie sich ihre Hand auf seine legte. ,, Ergreift sie einfach.“

Er nickte.

Eine Weile schwiegen beide, und sahen einfach über das Häusermeer der Stadt

,, Ich muss gehen, man wird mich noch vermissen.“ , sagte Nehalenie plötzlich und wendete sich ohne ein weiteres Wort der Leiter zu.

,, Sehe ich euch wieder ?“ , wollte Corinthis wissen

,, Vielleicht.“

Er stellte sich ihr in den weg. ,, Kein vielleicht. Ich brauche eine klare Antwort.“

,, Wenn ich kann, schicke ich euch wieder eine Nachricht. Aber ich werde es auf jeden Fall versuchen“

Das reichte ihm.

Corinthis trat bei Seite und sah ihr nach, bis sie in den Straßen Inglarions verschwunden war. Er selbst blieb allein auf dem Dach zurück.

Ein Versprechen hatte er ihr geben müssen. Und er würde sich daran halten, das wusste er. Nur vermutlich, überlegte Corinthis, würde er nie wirklich die Chance bekommen es auch einzulösen.

Gedankenverloren betrachtete er seine Hand, die eben noch ihre gehalten hatte.

Einen Augenblick lang blieb er noch wo er war, dann machte er sich selbst wieder auf den Weg in Richtung Boden. Er wusste nicht wie spät es war, als er durch die vertrauten und nun gleichzeitig fremd wirkenden Straßen seinen Weg suchte. Corinthis überquerte eine kleine Brücke, die über einen Kanal führte und erreichte endlich wieder die belebteren Straßen Inglarions, wo nach wie vor die Feierlichkeiten des Königstags andauerten.  Und vermutlich würde dies auch hinter den hohen Palastmauern nicht anders sein. Nur dort würden die Feiern eine andere Qualität haben. Der Kaiser würde möglicherweise erneut eine Rede halten und die Adeligen und Vasallen erneut ihre treue bekräftigen, die sie wohl genau in dem Moment vergessen würden, in dem der Kaiser schwäche zeigte.

Er verzichtete darauf sich davon zu überzeugen, auch wenn er dort gerne nach Nehalenie Ausschau gehalten hätte. Und vielleicht wäre auch Keltor dort.

 

Kapitel 13 Schwur und Bann

 

 

 

Den ganzen darauf folgenden Tag lang konnte er sie nichts aus seinem Kopf verbannen.

,, Verflucht, passt doch auf.“ Er hatte nicht auf den Weg geachtet und einen Mann übersehen, der nur mit einem Sprung zur Seite verhindern konnte, dass er in ihn hineinlief.

,, Entschuldigt.“

Nein es war schlimmer als das, er schien auf nichts anderes mehr achten zu können.

,, Was ist denn heute los mit dir ?“ , fragte Keltor.

 

Den Morgen hatte Corinthis damit verbracht, ziellos durch die Straßen der Stadt zu laufen nur um sich letztlich wieder auf dem Hof vor seiner Werkstatt und dem Atelier wiederzufinden.

Eine Weile lang hatte er in der morgendlichen Stille die Gebäude betrachtet, als sähe er diese zum ersten Mal.

Drei, bald vier Jahre war es her, dass er diesen Ort das erste Mal betreten hatte, damals noch ohne große Erwartungen an irgendetwas. Nur dem Gedanken das tun zu wollen, was er konnte und das war nun einmal Zeichnen.

In einer Ecke der Werkstatt lehnte noch der Klingenstab, den er sich vor all dieser Zeit aus Angst angeschafft hatte. Er bezweifelte, dass er die Waffe jemals brauchen würde.

Keltor war nach einer Weile auf den Hof gekommen und Corinthis hatte sich kurzfristig entschlossen den Kaufmann heute auf den Markt zu begleiten. Er wollte die Bilder, die sie noch auf Lager hatten verkaufen und trug jeweils drei davon unter jedem Arm. Corinthis hatte ebenfalls einige der noch unverkauften Bilder mitgenommen und diese grade durch fast durch seien eigene Dummheit fallen gelassen.

Die Frage, die ihm der Händler nach dem grade noch vermiedenen Zusammenstoß stellte, hatte er völlig überhört.

,, Was ?“

,, Schon gut, ich sehe du bist grade woanders. Ich hoffe mal sie ist es auch wert.“

,, Woher…“ der Maler stoppte.

,, Geraten.“ , erwiderte er. ,, Und ich habe ein paar Jahre mehr auf dem Buckel als du mein Freund Also ?“ ,, Ich bin mir nicht sicher.“ , antwortete Corinthis nach einer Weile.

,, Das solltest du aber. Wirklich es gibt nichts Schlimmeres als Unsicherheit in solchen Angelegenheiten.“ Mittlerweile hatten sie den Marktplatz Inglarions erreicht, der weniger überfüllt war, wie sonst. Auch einige Marktstände blieben geschlossen, obwohl es bereits helllichter Tag war. Vermutlich schliefen einige der Bürger der Stadt noch ihren Rausch aus, oder hatten für den Zeitraum des Fests ihre Geschäfte ganz geschlossen.

,, Wer ist es ?“ , fragte Keltor, während er damit beschäftigt war die mitgebrachten Bilder aufzuhängen.

,, Das würdet ihr mir ohnehin nicht glauben.“ , erwiderte er und half dem Händler.

Nachdem alle Bilder gut sichtbar vor oder innerhalb des kleinen Verkaufsstands ausgestellt worden waren blieb ihnen nicht mehr viel zu tun, als zu warten.

,, Ich bezweifle, dass heute viele Kunden auftauchen. Na ja, euch kann das mittlerweile egal sein und ich muss sagen, ich spiele mit den Gedanken in Ruhestand zu treten.“

, Das meint ihr nicht ernst.“

,, Nein.“ , erwiderte der Händler  lachend, ,, Sicher nicht. Wisst ihr ich habe in meinem Leben schon mit so ziemlich allem Geschäfte gemacht. Ethilion-Seide, Gewürze, Schmuck…  es wäre fast eine Schande, mit Bildern aufzuhören.“

Corinthis lachte, zum ersten Mal seit einer langen Zeit wie es ihm schien. ,, Da habt ihr wohl recht.“

Keltors vorhersage bestätigte sich. Den gesamten Vormittag brachten sie auf dem Marktplatz zu, ohne auch nur ein Bild loszuwerden. Schließlich beschloss der Händler für heute aufzugeben.

Sie sammelten die Bilder wieder ein und machten sich auf den Weg zurück zur Werkstatt.

Als sie dort ankamen, stellte Corinthis überrascht fest, das dort bereits jemand auf ihn wartete,

Der Mann trug eine ihm bekannte Rüstung mit aufgeprägtem Sonnensymbol. Er schien sie nicht zu bemerken.

,, Wer ist das ?“ , fragte Keltor. Corinthis antwortete nicht, nahm ihm aber die restlichen Bilder ab.

,, Keine Sorge, den Rest schaffe ich allein.“

Der Händler verstand den Wink mit dem Zaunpfahl, trotzdem blieb er skeptisch. ,, Sicher ?“

,, Ganz sicher.“

,, Na ich hoffe ihr wisst, auf was ihr euch da einlasst.“ Keltor gab ihm die restlichen Bilder und verschwand die Straße hinab in den Gassen der Altstadt.

Corinthis hingegen trat hinaus auf den Hof.

,, Guten Tag,“ , machte er den Boten auf sich aufmerksam. ,, Was führt euch hierher ?“

,, Ich soll euch erneut eine Nachricht zustellen.“ , antwortete dieser.

Corinthsi stellte die Bilder in der Werkstatt ab und trat zurück auf den  Hof

,, Ich wusste nicht, wo ich euch finden konnte, also beschloss ich zu warten.“ , sprach der Bote weiter und überreichte dem Maler ein Blatt Pergament.

,, Danke.“

Der Mann verbeugte sich einmal, vermutlich aus reiner Gewohnheit, und machte sich wieder auf den Weg wohl zurück zum Palast.

Corinthis jedoch entfaltete den Brief und begann zu lesen.

 

,, Mein lieber Freund,

ihr wisst wo. Ich muss leider Vorsichtig sein und weiß noch nicht, ob ich mich davonschleichen kann. Heute Abend sollen die offiziellen Treueschwüre auf den Kaiser stattfinden. Ich denke nicht daran teilzunehmen weiß aber nicht, ob es mir gelingt zu verschwinden.

Aber ich werde es versuchen. Sollte ich nicht dort sein, so versucht es morgen. Ich werde nicht riskieren weitere Nachrichten zu schicken. Baratas wird schnell misstrauisch und vor seinem Zorn schützt einen leider nur wenig.

N.“

Er faltete das Blatt wieder zusammen und ließ es wieder in seiner Tasche verschwinden.

Ein Lächeln stahl sich auf sein Gesicht. Das war, worauf er den ganzen Tag gewartet hatte. Und vermutlich hätte er auch ein Jahr auf eine weitere Nachricht gewartet.

Und natürlich würde Corinthis dort sein. Seine Gedanken wanderten ein weiteres Mal zu Nehalenie.

Nein, sie konnten nichts ändern. Aber es tat gut zu wissen, dass er nicht der einzige war. Und nicht nur das. Er gab es sich selbst gegenüber ungern zu, aber er wollte sie sicher nicht nur deshalb wiedersehen.

 

Erneut hatte sich die Nacht über die Stadt gelegt. Und erneut hatten sich die Bürger Inglarions auf der Straße versammelt. Es war der letzte Tag des Krönungsfests zu Ehren des Gottkaisers. Und heute Nacht würde das Fest seinen zentralen Punkt erreichen. Die Erneuerung der Treueschwüre auf den Kaiser durch die Adeligen und auch die Bürger Inglarions waren angehalten beim Glockenschlag einen Schwur zu leisten und auch wenn dies niemand überprüfte würden die Inquisitoren dafür sorgen, dass zumindest im Umfeld des Palastes diese Tradition durchgesetzt wurde.

Was für ein Schock es doch für den Kaiser und die Adeligen sein würde, wenn die Bürger der Stadt den Schwur verweigerten. Natürlich war dies Bestenfalls ein Wunschtraum, aber die Idee, dass so etwas möglich sein könnte, gefiel ihm.

 

Er stand wieder an der kleinen Gasse und suchte die vorbeiströmende Menge ab. Ein paar Mal sah er Inquisitoren in ihren typischen goldenen Panzern, die sich zwischen die Leute gemischt hatten. Vermutlich schon in Vorbereitung auf diesen Abend überwachten sie die Menge, Offiziell natürlich auf der Suche nach Magiern. Das war ein weiterer Punkt, der Corinthis zu schaffen machte. Die Abneigung der Kaiserlichen Ordnung gegenüber Magie . und gleichzeitig, der Zwang diese zu erhalten. Weshalb machte sich der Kaiser die Mühe Magier nach Venthron zu bringen, anstatt das Problem ein für alle Mal im Sinne der Inquisition zu lösen…

Er kannte die Antwort nicht.

Die Zeit verging und Corinhis dachte schon, das Nehalenie es wohl nicht geschafft hatte, den Palast zu verlassen, als er die ihm fast schon vertraute Gestalt in der Menge erblickte.

,, ihr habt es geschafft.“ , begrüßte er sie.

,, Ja, aber ich will hier nicht bleiben.  Wenn der Schwur geleistet wird, möchte ich gerne weit weg von hier sein.“

Corinthsi überlegte kurz.

,, Das Dach.“ , meinte er schließlich.

Nehalenie schien skeptisch. ,, Ich weiß nicht…“

,, Habt ihr einen besseren Vorschlag ?“

,, Nein.“

,, Dann wäre das geklärt.“

So machten sie sich auf den Weg, erneut durch die Armenquartiere, bis sie ihr Ziel erreichten. Der Anblick der wie ein Meer aus Sternen unter ihnen liegenden Lichter war genau so beeindruckend wie zuvor.

Eine Weile beobachteten beide nur schweigend die dunkle Stadt.

,, Eine Frage möchte ich euch stellen. Etwas, das ich nicht verstehe.“

,, Was ?“

,, Die Magier. Die Inquisition verfolgt sie seit Jahrhunderten und ob ich nun damit einverstanden bin oder nicht, sie hätten längst die Möglichkeit gehabt, sämtliche Zauberer in Ert aufzuspüren und zu töten. Stattdessen jedoch wird ein Teil nach Venthron gebracht. Wozu ? ich bin einem der Zauberer aus der Stadt begegnet und glaube fast, der Tod wäre ein Gnädigeres Schicksal, als der eines lebenslangen Gefangenen.“

,, Das ist eine.. ungewöhnliche Frage. Ich glaube, das hängt mit Niob zusammen. Habt ihr euch je gefragt, wie es sein kann, das es seit Jahren Grenzkonflikte gibt, aber noch nie einen offenen Kampf?“ ,, Ich vermute mal, das hängt irgendwie mit den Magiern zusammen ?“

,, Genau. Die Herrscher Niobs besitzen keine Vorbehalte gegen Magie wie der Ert-Kaiser. Das heißt, im Fall eines Kriegs könnten diese auf eine ganze Armee von Zauberern zurückgreifen. Während wir nichts hätten. Genau deshalb gibt es Venthron. Solange auf beiden Seiten ein Kräftegleichgewicht herrscht, wird keine Seite es wagen anzugreifen… und dann sind da natürlich die Legenden.“

,, Was für legenden ?“

,, Ach  ihr wisst schon, die Anker,  die Artefakte deren Erschaffung das Ende der ersten Welt markierte. Einer davon befindet sich angeblich in Dragonshire in Niob. Ich vermute allerdings mal, das das nur Gerüchte sind.“

,, Also haben wir einfach einen seit Jahrzehnten andauernden Patt ?“ ,, So sieht es aus. Aber seit ihr wirklich nur hier um Fragen zu stellen?“ Sie wendete sich ihm zu und ihre Blicke trafen sich. Er erstarrte einen Moment

,, Nein.“  Er lehnte sich vor, ihre Lippen trafen sich für einen Moment…

Ein entfernter Glockenschlag ließ beide hochschrecken.

Nehalenie lachte kurz nervös. ,, Ist das Wahnsinn oder Verzweiflung ?“  , fragte sie und schien diesmal den Tränen nahe.

,, Ich weiß es nicht.“ , erwiderte er leise und legte einen Arm um sie.

Stimmen aus Richtung des Palasts erfüllten die Luft… falsche Treueschwüre.

,, Ihr , ihr könntet jederzeit gehen. Über die Grenze, vielleicht ist es dort besser. Aber ich… ich werde immer hier bleiben müssen. Auf eine gewisse Art Corinthis bist du freier als ich.“

,, Möglicherweise, aber ich gehe nicht. Ich bleibe hier.“

,, Erinnert auch nur an euer Versprechen.“

,, Wenn ich jemals die Gelegenheit dazu bekomme.“

,, Du wirst.“

,, Könnt ihr etwa in die Zukunft sehen ?“ , fragte er.

,, Nein, aber ich sehe dich. Und das reicht schon um die Antwort zu kennen.“

,, Und ihr ?“

,, Ich nicht. Niemals. Ich bin durch den gleichen falschen Eid gebunden wie alle anderen. Aber auch einen falschen Eid darf man nicht brechen. Damit wäre ich nicht besser, als der ganze Rest. Egal was ich tue, ich bin verdammt.“ Sie löste sich von ihm und sah in Richtung Palast, wo grade die letzten unverständlichen Worte im Wind verstummten. ,, Lang lebe der Gottkaiser. Und möge sein Leben durch eine Klinge enden.“ Eine einzelne Träne rann ihre Wange hinab, die sie hastig wegwischte, aber Corinthis sah es trotzdem.

Er zog sie erneut an sich. ,, Vielleicht gibt es keine Hoffnung, vielleicht kann man bestimmte Dinge nicht ändern. Aber Träumen, das kann einem keiner nehmen.“

,, Doch Corinthis, auch das. Besonders Träume sind so leicht zu zerstören.“ Ihre Lippen fanden sich erneut. Und während die Lichter der Stadt unter ihnen langsam verloschen dachte Corinthis, das vielleicht doch alles gut werden konnte. Er konnte alles hinnehmen. Solange ihm dies blieb.

 

 

Es hatte wieder begonnen zu regnen. Der Alte am Feuer sah Gedankenverloren nach draußen. Blitze zuckten über den dunkler werdenden Horizont.  Der Wirt war auf seinem Platz eingeschlafen, genau wie einige der Fischer. Aber das machte nichts. Ein neugieriges Augenpaar folgte weiterhin jeder Bewegung und jedem Wort. Vielleicht würde er für die schlafenden einen Teil der Geschichte wiederholen müssen, wenn er dazu kam. Aber noch blieb Zeit.

,, Träume sind leicht zu zerstören. Ein Satz, der eine Wahrheit enthält, die nur wenige akzeptieren wollen. Grade das, wovon ihr denkt, dass es euch niemand nehmen kann, das niemand das Recht dazu haben kann…. Grade das ist so zerbrechlich… so verletzlich wie eine offene Kerzenflamme in einem Sturm. Oft genügt ein einziger Lufthauch um sie auszulöschen. Und manchmal… bringt dieser Lufthauch einen ganzen Sturm mit sich.“

 

Kapitel 14 Jahreswechsel

 

 

 

Er blinzelte als er aufwachte. Die Silhouette neben ihm regte sich kurz, schlief aber weiter.

Eine Weile lang beobachtete Corinthis lediglich die Gestalt, wie ihre Burst sich hob und senkte.

Ein lächeln stahl sich auf Corinthis Gesicht als er schließlich vorsichtig aufstand und sich umsah…

Ein einfach eingerichtetes Zimmer…. Durch ein niedriges Fenster schien die grade erst aufgehende Sonne über die Stadt und verwandelte die Straßen in ein Schachbrettmuster aus Schatten und Licht.

Wie waren sie hier her gekommen? Der Rest des gestrigen Abends schien wie eine Abfolge von verschwommenen  Bildern durch seinen Verstand zu hallen.

,, Wohin gehst du ?“ Die stimme hinter ihn veranlasste Corinthsi sich umzudrehen. Er hatte sie doch geweckt.

,, Nirgendwo hin, ich  dachte zumindest das hätten wir geklärt.“

Nehalenie lachte, aber es klang falsch… verzweifelt. ,, Du hast eine seltsame Vorstellung von klären.“

,, Ich weiß.“ Er setzte sich wieder auf die Bettkante. Eine Weile sagte niemand etwas. Wozu auch ? Ihm war die Unmöglichkeit der ganzen Situation genau so klar wie ihr.

,, Was machen wir jetzt ?“ , fragte sie nach einer Weile.

,, Ich kenne die Antwort nicht.“ , antwortete Corinthis.

Sie lachte wieder, diesmal jedoch klang es ehrlich. ,, Die Nichte des Kaisers und der Maler… klingt fast wie eine dieser albernen Märchen. Eine Geschichte…“ Sie wurde wieder ernst. ,, Aber das Leben ist keine Geschichte. Wir… Corinthis, wenn irgendjemand auch nur ahnt…“

,, Ich wollte schon immer mal rausfinden, wie die Welt wohl aussieht, wenn man auf einem Schafott steht.“ , meinte er.

,, Das ist nicht witzig. Nicht mal annähernd.“ , schalt Nehalenie ihn.

,, Ich weiß… aber ich bin bereit es zu riskieren.“

,, Corinthis, das kann nicht funktionieren, wir… hör zu ich habe gestern nicht nachgedacht. Wir… vergessen wir einfach alles. Ihr seid mir nie begegnet….“ Sie sprang beinahe panisch auf , zog sich an und lief in Richtung Tür.

,, Nein.“ Er versuchte nicht sie aufzuhalten, er bewegte sich nicht einmal. Nur dieses eine Wort brachte sie dazu, dass sie stehen blieb.

,, Corinthis…“

,, Nehalenie, ich kann das nicht einfach so hinnehmen. Und glaubst du, du kannst es?“ Er trat auf sie zu.

,, Ich muss.“ Sie stand immer noch mit Dem Rücken zu ihm, eine Hand auf der Türklinke.

,, Sagt mir das ins Gesicht. Kannst du das?“

Nehalenie drehte sich zu ihm um, zögerlich… dann jedoch zwang sie sich ihm in die Augen zu sehen.

,, Nein. Aber… können wir nicht Vernünftig sein?“  Sie nahm die Hand vom Türgriff.

,, Du  glaubst nicht, das noch alles gut werden kann ?“

,, Nein, ich glaube einer von uns wird hierfür bezahlen müssen.“ Sie zögerte kurz. ,, Aber ich will verdammt sein, wenn ich das bereuen würde.“ Sie fiel ihm wieder in die Arme und einige Minuten standen sie einfach nur da. Dann trat Nehalenie ein paar Schritte zurück. ,, trotzdem muss ich jetzt gehen. Man wird mich vermissen.“

,, Ich verstehe.“

,, Wir sehen uns wieder.“

 

 

 

Die nächsten Wochen schienen für Corinthis wie im Flug zu vergehen. Wann immer es eine Gelegenheit gab, schickte Nehalenie ihm eine Nachricht. Sie trafen sich, manchmal spät nachts, manchmal am frühen Morgen, aber immer so, dass niemand sie sah.

Den Tag verbrachte er meist damit, Keltor zu begleiten. Aber ganz aus seinem Kopf verbannen konnte er Nehalenie nicht mehr… Unmöglich.

Manchmal vergingen Tage, ohne das er eine Nachricht oder irgendein Lebenszeichen erhielt.

Aber das machte nichts…. Er wusste, dass sie jetzt keinen Rückzieher mehr machen würde. Ihre Angst, die Angst, die beide anfangs heimgesucht hatte, hatte längst keinen Platz mehr.

Und Corinthsi glaubte.. zum ersten Mal wirklich zufrieden zu sein. Die Malerei, die Herausforderung hatte ihn begeistert und auch jetzt noch verbrachte er die Tages und manchmal auch die Nachtstunden damit Bilder und Zeichnungen anzufertigen. Aber es war nicht länger sein Lebensinhalt. Dieser hatte etwas anderem Platz gemacht.

Kelto fragte ihn mehrmals nach Nehalenie, den natürlich entging ihm die Veränderung und das zeitweise Verschwinden seines Freundes nicht, aber Corinthis war sorgsam darauf bedacht, immer abzublocken. Irgendwann gab der Händler es scheinbar auf, aber er konnte immer noch die fragenden Blicke des Mannes sehen, wenn wieder ein Bote mit einer Nachricht von Nehalenie eintraf. Wie sie es schaffte, diese Botschaften geheim zu halten, blieb Corinthis ein Rätsel, aber vermutlich waren die kaiserlichen Boten, mit der Zeit waren es verschiedene, zur Verschwiegenheit verpflichtet oder durften die Briefe nicht lesen.

Schließlich wich der Sommer dem Herbst. Die Bäume in der Stadt und auch im Umland loderten in den bunten Farben der Jahreszeit auf, während das goldenen gras an der Küste der toten See langsam abstarb und eine dunkel Schicht über den Boden bildete.

Die Bauern aus dem Umland nutzen die Jahreszeit um Heu zu machen und die  letzten verbliebenen Felder abzuernten und auch die Städter rüsteten sich für den herannahenden Winter . Karren mit Feuerholz wurden in den Palast gekarrt und auch auf dem Markt herrschte ein reger Handel mit Brennmaterial. Keltor erkannte natürlich die Gelegenheit und machte seine ausgesprochene Drohung, sein Händlerdasein nicht mit Bildern beenden zu wollen war. Von den Bauern im Umland kaufte er fast sämtliches überschüssiges Feuerholz auf um es dann in die Stadt transportieren zu lassen. Corinthis half ihm dabei, wann immer er zwischen den häufiger werdenden Treffen mit Nehalenie Zeit fand.

Manchmal mussten diese treffen in letzter Sekunde verschoben werden, oder Nehalenie tauchte erst gar nicht auf. Und einmal wäre es fast zu spät gewesen.

Sie hatten sich an der Seitengasse verabredet, die unweit des Palastzugangs lag und Corinthis hatte sich dort eingefunden und wartete. Die vorbeiströmenden Menschen schenkten dem Mann in den Schatten kaum Beachtung und würden sich wohl nicht an in Erinnern.

Als Nehalenie später als erwartet endlich auftauchte, wollte Corinthis schon hinaus auf die Straße treten um sie zu begrüßen. Im letzten Augenblick jedoch bemerkte er die drei Inquisitoren, die sie begleiteten und die zuvor von der Menge verborgen worden waren.

Er trat zurück in die Schatten und die kleine Prozession zog ohne ihn zu beachten vorbei.

Bis auf diesen einen Zwischenfall jedoch blieben sie meist unbehelligt und auch Keltor spürte ihm nicht nach, wenn er wieder einmal verschwand, das hatte er frühzeitig sichergestellt. Er vertraute dem Händler und es missfiel ihm, ihn nicht einweihen zu können, doch er wollte nicht einmal das kleinste Risiko eingehen.

 

Oft sprachen sie über ihre Möglichkeiten. Natürlich führte dies meist zu nichts, aber eines Tages machte Corinthsi den Vorschlag nach Niob zu gehen.

,, Wir könnten einfach über die Grenze verschwinden. Niemand würde uns kennen.“ , meinte er scherzhaft.

,, Du würdest das wirklich in Erwägung ziehen nicht wahr ?“

,, Natürlich.“ , er wurde ernst.

,, Und hier alles aufgeben ?“ Es war spät in der Nacht und außer einigen Laternen war die Stadt völlig finster und wirkte beinahe verlassen. Sie überquerten einen weiten offenen Platz mit einem Springbrunnen, dessen Oberfläche durch den ersten Frost zu Eis erstarrt war.

Sie setzten sich an den Rand.

,, Das musst du grade sagen.“ , meinte er lachend. Seine Stimme hallte unangenehm laut durch die verlassenen Straßen.

,, Als ob mir das etwas bedeuten würde. Ich wünschte manchmal einfach…“

,, In einem anderen Leben.“

,, In einem anderen Leben ja. In dem ich keinen Palast kennen würde... keinen Kaiser… keine Inquisition.“

,, Aber vielleicht wären wir und darin nie begegnet.“ , meinte er aufmunternd.

,, Vielleicht. Ich glaube nicht an Schicksal, aber wenn doch…“

,, Ein kleines Haus an der Küste und die tote See bei Sonnenuntergang.“ , erwiderte Corinthis.

,, Spinner.“

Mittlerweile war es kalt genug, das ihr Atem als weißer Nebel in der Luft stand. Eine einzige Schneeflocke segelte vom wolkenverhangenen Himmel herab und landete auf dem Pflaster des Platzes.

,, Mir wird kalt.“ , bemerkte Nehalenie. Er legte einen Arm um sie.

,, Gut…“ Corinthsi stand vom Brunnenrand auf. ,, Gehen wir…“

 

Am nächsten Morgen hatte der Schnee Inglarion bereits fest im Griff. Die eisigen Winde, die von der toten See aus über das Land wehten ließen alles gefrieren und türmten den Schnee in den Straßen oft zu Meterhohen Bergen auf, so das ein normales vorankommen kaum noch möglich war und man oft auf kleinere Seitenwege und Gassen ausweichen musste, um voran zu kommen.

Keltor jedoch schlug aus dem kalten Wetter mit seinem neuen Brennholzgeschäft einen sauberen Profit. Und Corinthis wollte dem Kaufmann einen Besuch abstatten.

Der Marktplatz der Stadt war wie alles andere unter einer gut zwei Fuß hohen Schneeschicht begraben, durch die sich hier und da schon Wege gebildet hatten. Corinthis jedoch mied diese Schneepfade gerne. Das Geräusch wie das Eis unter seinen Stiefeln knackte hatte etwas beruhigendes, fast einschläferndes  an sich.

Keltor, der in einen dicken Pelzmantel gekleidet war, welcher den bereits voluminösen Mann zum einem wahren Riesen werden ließ, kämpfte sich seinen Weg durch den Schnee als er ihn erkannte.

Corinthis konnte nicht anders als zu lachen.

,, Ja lacht nur, ich will euch mal bei dem Wetter sehen….“ , knurrte der Händler, als er sich fluchend einen Weg durch den Schnee suchte.

,, Begrüßt man so einen alten Freund ?“  , meinte Corinthis immer noch lachend. ,, Wie laufen die Geschäfte ?“

,, Oh die laufen Corinthis, es ist fast als würden die Leute fürchten, der Winter würde gar nicht mehr enden. Ich habe jetzt schon fast kein Holz mehr auf Lager und selbst einige der anderen Großhändler haben Schwierigkeiten.“

,, Und neues ?“

,, Bekomme ich erst wieder, wenn die Straßen wieder frei sind. Momentan gibt es kein hinein oder hinauskommen aus der Stadt. Zumindest nicht mit Karren.“

Er setzte sich auf eine Bank, die halb unter Schnee begraben war, so dass es wirkte, als säße er direkt auf dem Boden.

,, Und wie ist es euch ergangen ?“ , fragte Keltor.

,, Ach ihr wisst doch , etwas zu tun findet man immer.“

,, Ah ja… natürlich etwas zu tun.“ , sagte er stichelnd.

,, Was ?“

Jetzt war es an Keltor laut aufzulachen.  Ein Rabe wurde durch das laute Geräusch aufgeschreckt und flatterte davon. Corinthis sah dem Tier eine Weile nach. Viele Vögel verschwanden während des Winters.. nur die Raben nicht, sie blieben seit jeher in der Stadt…

 

Der Winter sollte die Stad für die nächsten zwei Monate fest im Griff haben. Die Winter in Inglarion waren kurz, aber hart.

Flüsse und Seen im Umland froren zu und die Schneewehen in den Straßen wurden zunehmend zu einem Problem für den Handel. Und selbst die salzigen Wasser der toten See erstarrten für einige Tage. Von den Sandbänken vor der Küste bis weit zum Horizont schien die gesamte riesige Wasserfläche zugefroren zu sein.

In dieser Zeit konnte er sich nur selten mit Nehalenie treffen und wenn, waren ihre Begegnungen kurz.

An den Grenzen war wieder Ruhe eingekehrt, denn der Winter machte sämtliche eventuellen Truppenbewegungen unmöglich und für einige Wochen schien es, als wäre die ganze Welt eingeschlafen. Es gab kaum Nachrichten aus anderen Städten  und die Leute wagten sich nur nach draußen, wenn es sich nicht vermeiden ließ.

Irgendwann jedoch ging auch der Winter vorbei.

Die Schneeberge in den Straßen begannen unmerklich zu verschwinden und die eisige Kälte zog sich wieder zurück. Die tote See erwachte brausend wieder zum Leben, und das Eis auf den Seen und Flüssen brach.  Die ersten Bäume begannen wieder Blätter auszutreiben welche die vorher wie tot wirkenden Holzskelette  mit neuem Leben erfüllten.

Und auch die Wiesen vor den Toren der Stadt wurden erneut von golden Leuchtendem Gras erobert.

Das gesamte Kaiserreich Ert erwachte zu neuem Leben und so taten es auch die Streitigkeiten an den Grenzen. Mit den ersten Sonnenstrahlen des Frühjahrs begann erneut das ewige stumme Ringen um die Beanspruchung des Herrschaftsgebiets.

Eine Grenzschließung wurde bereits wieder von der Nachricht über deren Aufhebung gejagt, erneut strömten Händler aus Niob in die Stadt und ein weiteres Mal schloss sich der Kreis eines Jahres…

Für Corinthis begann damit das vierte Jahr, das er in den Mauern Inglarions  verbrachte. Wie die drei Jahre zuvor war es unbemerkt vorbeigegangen… und doch hatte sich etwas Entscheidendes geändert.

Noch war es ruhig im Zentrum des Kaiserreichs Ert…

 

 

 

 

 

 

Kapitel 15 Augenblicke

 

 

 

Draußen im Regen bewegte sich etwas. Der Alte am Feuer regte sich und stand auf, als er den Schatten wahrnahm. Und Schritte…

Seine Zuhörer jedoch schienen nichts bemerkt zu haben. Gut so… Er stand vorsichtig auf und stützte sich dabei auf seinen Stab. Er fühlte sich alt, aber noch war Zeit. Zumindest würde er sich Zeit verschaffen.

,, Entschuldigt mich.“ , murmelte er. ,, Ich denke, ich werde mir eine Weile die Beine vertreten.“

,, ich könnte euch begleiten.“ , bot einer der Fischer an. Vermutlich machte er sich Sorgen um den Zustand des Alten. Dieser schüttelte jedoch verneinend den Kopf. ,, ich bin in ein paar Minuten wieder da.“

Mit diesen Worten trat er aus dem Kreis der  Leute, die sich um ihn Gesetzt hatten und seinen Erzählungen lauschten und bewegte sich Richtung Tür.

In der Dunkelheit war nichts zu erkennen, aber er wusste, dass sie dort irgendwo warteten.

Ein letzter Blick in die erleuchtete Gaststube, dann trat er in den Regen. Der schmale Weg war aufgeweicht und rutschig, jedoch fürchtete er nicht hinzufallen.

Ihm drohten heute Nacht andere Gefahren.

Am unteren Ende der Straße warteten vier Männer. Bewaffnet und in vom Wasser schwer gewordene Mäntel gekleidet. Als diese den alten Mann erblickten, zogen sie sofort ihre Schwerter.

,,Aber, aber…“  Er streckte die Arme von sich, als wolle er zeigen, dass er unbewaffnet war.

,, Wo habt ihr sie ?“ , knurrte einer der Bewaffneten. ,, Ihr konntet nicht hoffen euch für immer zu verstecken.“ Der Mann trat drohend auf ihn zu.

,, Ich verstecke mich nicht. Ich beschütze euch. Und immerhin ist es mir mehrere Jahrzehnte geglückt.“ , erwiderte der Alte.

,, Schöne Worte, und durch euer Glück ist die Welt im Chaos. Los durchsucht ihn. “ , reif ein zweiter, vermutlich der Anführer der kleinen Gruppe. Sicher würden ihnen mehr folgen.

Wenn er sie am leben ließe.

Der zweite Mann war mittlerweile nah genug. Mit einer fließenden Bewegung die seinem Alter Hohn sprach zog er dem Bewaffneten mit dem Stab die Beine weg, so dass dieser auf die aufgeweichte Erde stürzte und den Hang wieder ein Stück weit hinabschlitterte.

,, Was soll das alter Mann… wir sind mehr und bewaffnet. Ihr werdet sterben wenn ihr euch nicht fügt.“

Mit aller Ruhe zog der Mann seine geschlossene Faust aus der Tasche. Zwei Kristallkugeln lagen darin, eine schwarz mit einem silbernen, sternförmigen Einschluss, die andere durchsichtig mit einem roten Punkt im Zentrum, der fast wie eine Sonne wirkte. Ein inneres glühen erschien die Kristalle zu erfüllen, als der Mann die Augen schloss.

Ein überlegenes, trauriges Lächeln erschien auf seinem Gesicht. ,, Versucht sie euch zu holen.“

 

Die Tür des Gasthauses auf der Klippe schwang erneut auf und der Alte trat ein. Durchnässt, frierend. Als wäre nichts gewesen setzte er sich erneut ans Feuer. Natürlich war den Fischern nicht entgangen, dass etwas nicht Stimmte. Aber sie waren nicht in der Lage zu ergründen was.

Und bald schienen sie die Sache zu vergessen. Es gab noch viel zu erzählen und er wusste jetzt, dass seine Zeit immer schneller ablief.

 

 

Inglarion lag in dichte Nebelschleier gehüllt, welche die Sonne nicht zu durchdringen vermochte.

Außerhalb der Stadtmauern jedoch hatte sich der Nebel bereits aufgelöst und die Wellen der toten See schlugen weithin hörbar gegen die felsige Küste.

Eine Windböe fuhr durch die, mit in der Morgensonne  golden Leuchtenden, Gras bewachsenen Hügel, wirbelte Blätter durch die Luft, die wenige Augenblicke später unaufhaltsam dem Boden entgegentaumelten und sich scheinbar noch im Fallen dem unvermeidlichen Ende wiedersetzen wollten.

Corinthis fing eines der Blätter aus der Luft. Einen Augenblick lang tanzte das Blatt auf seiner Handfläche im Wind, bevor es davongetragen wurde und erneut seinen Tanz in Richtung Boden begann.

Erließ sich ins Gras zurückfallen. Über ihm schien sich endlos der blaue Himmel zu erstrecken. Vereinzelte Wolken trieben hindurch, wie einfach es war sich vorzustellen diesen zu folgen wohin auch immer…

,, Du träumst schon wieder, richtig ?“

Er drehte den Kopf und sah Nehalenie an. Ein Jahr… Wirklich begreifen konnte er es noch immer nicht.

,, Natürlich.“

Es war ihre Idee gewesen, sich außerhalb der Stadt zu treffen. Ein Vorschlag, den er anfangs abgelehnt hatte. Getrennt aus der Stadt zu gelangen stellte an sich kein Problem dar, aber man konnte nirgendwo ausweichen, oder sich verstecken, sollten sich Inquisitoren oder Beamte aus dem Palast zeigen. Etwas das, wie Corinthis nach einer Weile selbst zugeben musste doch recht unwahrscheinlich war. Und selbst wenn, war nicht gesichert, das diese Nehalenie erkennen würden.

Die einzigen Inquisitoren, die dem  Kaiser oder dessen Familie persönlich begegneten waren die Wächter des Palastes und die Elite-Garde verließ die Stadtmauern praktisch nie.

Seine restliche Sorge zerstreute sich endgültig, sobald sie die offene Graslandschaft an der Küste erreicht hatten. Die wenigen Wanderer, welche den Küstenweg heraufkamen schenkten ihnen keine Beachtung und bald konnte er sie ganz vergessen.

,, Bisher hatten wir wirklich Glück.“ , meinte sie nach einer Weile.

,, Glück… nun hoffen wir das die Strähne anhält, wie ?“

,, Ihr wisst was ich meine.“ Er nickte Gedankenverloren. Das größte Risiko, das letztlich Nehalenie trug. Eine Schwangerschaft wäre das Ende all ihrer Hoffnungen, das Geheimnis wahren zu können.

Und ihnen beiden war klar, das Glück ein Faktor war, der sie nicht ewig schützen konnte.

Aber welche Möglichkeiten außer einer Flucht blieb ihnen … einer Möglichkeit, die Nehalenie ablehnte….

 

Eine Gruppe Reisender  zog über den Kirstenpfad in Richtung Inglarion, einen Karren hinter sich herziehend. Ihrer Kleidung nach schienen sie nicht aus der Gegend zu stammen. Vielleicht ja Händler aus Niob, die die Gelegenheit der grade erneut beigelegten Streitigkeiten nutzten um schnell einige ihrer Waren loszuwerden.

,, Könnten wir doch einfach gehen….

,, Du weißt, das ich das nicht werde.“ Ihre Stimme klang entschieden, aber Corinthis wusste, er hätte sie überzeugen können, wenn er gewollt hätte… Aber das war Nehalenies Wahl und die würde er akzeptieren.

,, Das weiß ich… du hoffst immer noch, das sich eines Tages etwas ändert ?“ , fragte er.

,, Das muss ich doch. Du etwa nicht ?“

,, Ich bin mir nicht sicher… Ein Jahr, ein Jahrzehnt, was ändert das? Nichts. Vielleicht ist all das… auch der Kaiser, das Reich, Kriege, Armut… vielleicht ist das alles einfach ein Teil des Lebens den man akzeptieren muss. Wozu mit dem Leviathan kämpfen, wen das Ende doch dasselbe ist…“

Was auf seine Worte folgte hätte er am wenigsten erwartet. Eine schallende Ohrfeige deren Abdruck er später Keltor irgendwie würde erklären müssen.

,, Das darfst du niemals, niemals glauben. Verstehst du mich?“ Zwei Hände, die sich in seine Schultern gruben und ihn wach zu rütteln versuchten. Nehalenie war erstaunlich kräftig.

Sie ließ ihn los und trat zurück. ,, Egal was passiert, verlier niemals die Hoffnung darauf. Der Tag an dem wir unsere Hoffnung aufgeben, ist der Tag an den es wirklich keine mehr gibt.“

,, Tut mir leid… aber, ich weiß einfach nicht, wie sich überhaupt etwas ändern sollte. Natürlich ist es schön daran zu glauben aber… manchmal möchte man etwas tun, egal wie dumm nur um das Gegenteil zu beweisen. Ich…“ Er zögerte… Baratas war immer noch ihr Onkel… schließlich zwang er sich weiterzusprechen.

,, Ich stand vor dem Kaiser Nehalenie. Allein. Ich hätte ihn töten können…. Wollte es sogar auch wenn ich noch nicht verstand wieso… und ich habe Angst vor diesen Gedanken.“

Er schüttelte den Kopf.

,, Und das hätte etwas geändert, irgendetwas ?“

,, Nein, sie hätten gleich den nächsten Gekrönt und egal wie viele man töten würde… es gäbe immer einen neuen. Es ist nicht der Kaiser… keine Person… es ist das gesamte verdammte Kaiserreich. Ich kann kein.. kein System hassen. Und der Kaiser selbst… ist nur einer von vielen, wenn auch deren Spitze.  Dagegen kommt man nicht an, dagegen kommen wir nicht an. Aber es ist schön zu wissen, dass man nicht ganz allein ist.“ Corinthis zwang sich ihr in die Augen zu sehen.

,, Ich liebe dich.“

Sie lachte.

,, Was ?“

,, Das weiß ich doch längst.“

,, Ich wünschte manchmal nur…“ Er sah wieder auf. ,, Was wäre, wenn wir das ganze Offiziell machen würden?“

,, Was meinst du ? Heirat? Jetzt träumst du schon wieder Corinthis.“

,, Im Geheimen, irgendwo außerhalb der Stadt…“

,, Und am nächsten Morgen findest du dich im kaiserlichen Kerker wieder und ich darf mich für die nächsten Jahrzehnte nicht mehr in Inglarion sehen lassen.“

,, Du hast mich mal gefragt, ob dies alles Wahnsinn oder Verzweiflung sei. Ich sage Wahnsinn. Und wenn wir schon Verrückte sind, dann können wir den Wahnsinn auch auf die Spitze treiben.“

Einen Moment lang schwiegen Beide, nur um dann in gemeinschaftliches Lachen auszubrechen, das einem zufällig vorbeikommenden Wanderer sicherlich wie Wahnsinn vorgekommen wäre.

 

 

Corinthis kehrte am  Nachmittag getrennt von Nehalenie in die Stadt zurück. Sie war bereits vorausgegangen und sicherlich schon auf halbem Weg zum Palast. Sein Ziel jedoch bildete ein kleines Haus in der Nähe seiner Werkstatt in der Altstadt Inglarions. Vor einem halben Jahr hatte er das damals ziemlich heruntergekommene zweistöckige  Haus gekauft und mittlerweile mit Hilfe einiger Handwerker wieder in eine  Behausung verwandelt, in der man leben konnte.

Er hatte Nehalenie davon erzählt, aber hier gewesen war sie noch nie. Ein Treffen an seinem Wohnort stand außer Frage. Wäre sie hier gewesen, so hätte sie die spartanische Einrichtung wohl überrascht. Corinthis besaß nicht viel und selbst jetzt, wo er es sich hätte leisten können verzichtete er darauf.

Der erste Stock des Hauses wurde fast vollständig von einer Küche mit Holz-Ofen eingenommen, die er allerdings so gut wie nie nutzte. Er hatte bereits überlegt, den Ofen auszubauen, aber ohne würde der Raum leer wirken.

Eine gewundene Treppe führte hinauf in das zweite Stockwerk, das in zwei Räume unterteilt war, einen Raum, in dem er schlief und sein Arbeitszimmer, wie Keltor es betitelt hatte.

 Drei große Holztische mit  dutzenden von Skizzen, die er in letzter Zeit angefertigt hatte, überladen standen in der Mitte des Raums, der ein großes verglastes Dachfenster besaß, das den Raum um diese Zeit in helles Licht tauchte. Vor allem wegen des Fensters hatte  er sich für das Haus entschieden. Eine eigentümliche Konstruktion, die er so noch nirgends gefunden hatte. Vermutlich eine eigene Erfindung des ursprünglichen Erbauers.

Nachdenklich setzte er sich an den überladenen tisch, als ihm eine Zeichnung ins Auge sprang…

Ein Jahr lang hatte er nicht mehr daran gedacht…

In sauber gezogenen Linien aus Kohlestaub sah ihm das mittlerweile so vertraute Gesicht von Nehalenie entgegen.

Corinthis hatte die Skizze nie vollendet und vermutlich würde er das auch nicht mehr, aber trotzdem nahm er das Bild aus dem Stapel und ließ es in seine Tasche wandern.

Ein letzter Moment der Ruhe… Wieso dachte er das?

 

,, Corinthis, seit ihr da ?“ Die vertraute Stimme Keltors ließ ihn aufhorchen. Offenbar stand der Kaufmann direkt vor der Tür.

Corinthis lief die Treppe hinunter, um dem Mann die Tür zu öffnen.

,, Guten Tag alter Freund.“  , meinte er, als der Händler eintrat.

,, Passt auf wen ihr alt nennt.“ , erwiderte Keltor. Corinthis musste ein Lachen unterdrücken. Über den Winter waren die Haare des Mannes fast vollkommen ergraut, aber wehe jeden, der ihn darauf hinwies.

,, Ach kommt, ihr seid doch nicht nur hier um euch darüber zu beschweren, oder ?“

,, Ich dachte eigentlich ich sehe mal wieder nach euch. Vier Jahre… ihr könnt euch etwas auf euch einbilden.“

,, Ich weiß, mehr als ich euch erzählen darf…“ , antwortete Corinthis.

,,Ah… deshalb der Abdruck auf eurer Wange ?“

,, Das hat ?“

Der Kaufmann brach in heulendes Gelächter aus. ,, Ach kommt, ich weiß ja ihr seid ganz schön verschwiegen was das angeht, aber ehrlich, selbst die blinden im Armenquartier könnten den Handabdruck da nicht übersehen.“

,, Könnten wir bitte das Thema wechseln ? Weil läuft den euer Holzgeschäft?“

,, Habe ich aufgegeben. Im Frühjahr und Sommer läuft das nicht so gut.  Stattdessen bin ich jetzt Farbhändler.“

,, Und Isram macht euch da keine Konkurrenz ?“

,, Hah, der Halunke und ich arbeiten jetzt zusammen. Ich werde auf meine alten Tage noch zum Händlerkönig. Woran ihr natürlich nicht ganz unschuldig seid. Aber…“ Ein klopfen an der Tür.

,, Erwartet ihr noch besuch ?“ , erkundigte sich Keltor, als Corinthis zur Tür ging.

,, Nein…“ Etwas warnte ihn, als seine Hand sich nach dem Türgriff ausstreckte…. Etwas war nicht in Ordnung…

 

 

 

 

Kapitel 16 Zusammenbruch

 

 

 

Nehalenie lief ziellos durch die Flure des Palastes. Flure und Gänge, welche die Bürger des Reichs niemals zu sehen bekamen. Kleine Töpfe mit Blumen und Sträuchern säumten die Seiten des Gangs.

Es war der Zufall, der sie dorthin führte, der den Stein ins Rollen brachte… Was ansonsten geschehen wäre, hätten den Lauf der Geschichte verändern können.

Aber so ist es oft. Die zentralen Punkte jeder Geschichte. Kleine Zufälle, ein Blinzeln… aber die Auswirkungen sind oft unabsehbar.

Und so waren es an diesem Tag entfernte Stimmen, die Nehalenie aufmerksam machten.

Normalerweise schenkte sie dem keine Aufmerksamkeit.

Und doch veranlasste sie diesmal etwas, den Stimmen zu folgen, bis zu einer offen stehenden Tür.

Drei Personen befanden sich im Raum dahinter, der durch einen großen Tisch fast in zwei Hälften geteilt wurde. Baratas, Kaiser von ert, Qydro, der oberste Kammerdiener und eine dritte Gestalt, die Nehalenie als Magier identifizierte. Ketten behinderten den älteren Mann beim Gehen und er sah aus, als hätte er die letzte Zeit wenig geschlafen. Gleichzeitig jedoch trug er das Ganze mit einer Art stoischer Gelassenheit, die sie sonst noch nie gesehen hatte.

Sie blieb stehen und lauschte.

Ein einzelnes Bild hing an der Wand des Saals. Eine Darstellung des Kaisers. Sie kannte es, war es doch von Corinthis gefertigt worden und hatte diesen an jenem Abend ins Palastviertel geführt.

,, Seid ihr euch sicher ?“ , fragte der Kaiser. In Händen hielt

,, Vollkommen sicher.“ , antwortete Qydro. ,,Umaniel macht keine Fehler.“

,, Und dafür habt ihr ein Jahr gebraucht.“ , fluchte der Kaiser.

Umaniel schwieg aber seine Gesichtszüge verdüsterten sich.

,, Der Thronsaal ist abgeschirmt. Wie ist das überhaupt möglich?“ fuhr Baratas ihn an.

,, Ich weiß es nicht.“ , knurrte der Zauberer zurück. ,, Alles was ich weiß ist, das ihr es hier mit etwas zu tun habt, das weit über euer rudimentäres Verständnis hinausgeht. Und das Sonnenauge wird daran auch nichts ändern.“ ,mahnte der Zauberer, als der König das Zepter in seine Richtung hob.

Sonnenauge…. Irgendwo in Nehalenies Hinterkopf schlug alles Alarm…

Was ging dort vor… Sie wagte sich mit angehaltenem Atem etwas näher an die Tür heran.

,, Pah. Das sagt ihr. Magier.“ Aus dem Mund des Kaisers klang es wie eine Beleidigung.

,, Also, wie lauten eure Befehle Herr , was sollen wir tun ?“ , fragte Qydro unterwürfig.

,, Bringt ihn her, diesen… Maler wie auch immer er noch heißt… Carver oder ….“

,, Corinthis.“ , berichtigte ihn der Magier. Nehalenie zuckte vor Schreck zusammen und stieß mit dem Fuß an einen der Blumentöpfe.

,, Was war das ?“

,, Nichts.“ , erwiderte Umariel, der als einziger die Tür einsehen konnte. ,, Ich habe bereits versucht euch vor einem Jahr zu warnen.“

,, Mir kam es eher vor, als wolltet ihr ihn warnen…“

 ,, Wie dem auch sei, wie wollt ihr das rechtfertigen ?“

,, Nun mein Werter Umariel. Mir entgeht nichts in dieser Stadt. Gar nichts. Ihr wisst wovon ich rede…“ Er drehte sich blitzschnell zur Tür  um. ,, Nicht wahr Nehalenie ?“

Verstecken hatte keinen Sinn mehr, das war ihr klar.

,, Was geht hier vor ?“ , fragte sie und versuchte dabei mehr wütend als ängstlich zu klingen. Nehalenie war klar, dass sie in Schwierigkeiten war. Und nicht nur sie…

Wut war der einzige Schutz, den sie noch hatte.

,, Das sollte ich eigentlich euch fragen.“ , meinte Baratas kühl. Er hielt sich für überlegen. ,, Habt ihr geglaubt ich sei Blind ? Qydro, bringt sie weg.. irgendwohin, wo sie keinen Schaden anrichten kann und ihr Umariel…“

,, Eure Blindheit liegt darin Kaiser, das ihr wirklich glaubt ich würde euren befehlen folgen. Nehalenie, die Kurzfassung für euch, findet Corinthis und verschwindet.“ ,unterbrach ihn  der Zauberer und hob lediglich eine Hand. Flammen schlugen aus den Fingerspitzen hervor und hüllten den Kämmerer ein, der schon auf halbem Weg zur Tür war. Schreiend brach die Gestalt Qydros zusammen und zerfiel zu Asche.

,, Verräter.“ Baratas holte mit dem Zepter nach dem Mann aus, verfehlt eihn jedoch. Trotzdem wurde Umariel wie von einer unsichtbaren Faust getroffen quer durch den Raum geschleudert.

Langsam rappelte sich der Alte wieder auf. ,, Irrtum. Um jemanden zu verraten müsste man irgendwann auf seiner Seite gestanden haben. Was meine Art wegen euch erdulden musste… und noch muss…“ Er schien zu bemerken, das Nehalenie noch immer wie erstarrt in der Tür stand… Magie. Jetzt wurde ihr langsam klar, woher diese Furcht davor kam. Die Macht mit einem einzigen Gedanken töten zu können….

,, Lauf.“  , hörte sie die Stimme des Zauberers. Endlich schien die Starre  von ihr abzufallen und sie rannte los…. Noch wusste sie nicht wohin, nur weg von diesem Ort, der sich grade innerhalb weniger Augenblicke in ein Schlachtfeld verwandelt hatte.

Der Kaiser verpasstem dem gestürzten Umariel einen weiteren Schlag, so dass dieser betäubt zu Boden fiel.  Nahelanie konnte nur noch seine Stimme hören, als sich einen Ausweg aus dem Palast suchte.

,, Fangt sie wieder ein und den Maler auch. Es ist mir verdammt gleich wie. Tot, lebendig…. Holt sie einfach.“

 

 

,, Nehalenie.“ Ihm war in dem Moment klar, als er die Tür öffnete,  dass etwas schrecklich… schrecklich schief gegangen sein musste. Allein der Umstand, dass sie unangekündigt hier auftauchte, war ungewöhnlich genug. Und der gehetzte, fast panische  Ausdruck auf ihrem Gesicht reichte aus, das er die Antwort gar nicht wissen wollte. Wan hatte er Nehalenie je ängstlich erlebt? So gut wie nie… und die ohne einen guten Grund.

,, Was ist passiert ?“ , fragte Corinhtis besorgt, während er zurücktrat und sie ins Haus ließ.

Trotz ihrer Sorge sah sie sich gründlich um. Viel zu entdecken gab es ohnehin nicht.  Erstaunlich wie leer hier alles war… Als wäre der Maler grade erst ein paar Tage hier. Aber gleichzeitig hätte sie beinahe gewettet, dass dem so sein würde. Gedanken brauchten Platz und Corinthis schien sich ständig welche zu machen.

Ein weiter Mann  sah neugierig auf, als er den neuen Gast bemerkte.

,, Corinthis ?“ , meinte er fragend.

,, Wir haben vielleicht ein Problem.“ , erwiderte dieser. ,,  Nehalenie, Keltor. Keltor, Nehalenie.“ Der Kaufmann sah sie fragend an.

,, Keine Sorge, er ist ein alter Freund.“ , erklärte Corinthis.

,, Selbst wenn nicht, wäre das auch egal.“

,, Was ist denn passiert ?“

,, Alles… alles was nur falsch laufen konnte. Die ganze Zeit… sie wussten die ganze Zeit Bescheid Corinthis.“

,; Was soll das heißen.. wieso…“

,, Ich weiß es nicht, ich weiß nur das wir weg müssen. Der Kaiser will dich aus irgendeinem Grund festnehmen lassen… oder schlimmerer…“

,, Ähm… der Kaiser. Corinthis, ich weiß das ist ein schlechter Zeitpunkt, aber was bitte ist los? Du hast niemanden mit einem Blumentopf beim Klettern  erschlagen oder?“

Die Bemerkung brachte ihn trotz der ernsten Situation zum Lachen. Dann jedoch zwang er sich wieder ernst zu werden. ,, Ich wünschte fast, dem wäre so.“

,, Nun gut… und ihr heißt Nehalenie ?“ Entweder Begriff Keltor die Situation noch nicht ganz, oder, was wahrscheinlicher wahr versuchte beide zu beruhigen. Womit er auch Erfolg hatte.

,, Richtig.“

,, Und hättet ihr die Güte mir zu verraten, wieso der Kaiser hinter unserem talentlosen Maler hier her sein sollte…  Ich vermute ihr kennt euch schon länger?“ , fragte er taktvoll.

,, Ich bin die Nichte des Kaisers.“

,, Verdammt… Corinthis. Ich habe euch ja immer für ein wenig verrückt gehalten. Ein wenig… bis jetzt.“

,, Ja, ich weiß.  Also… wir müssen weg. Wie kommen wir am besten aus der Stadt…“

Mehrere Schläge gegen die Tür brachten Corinthis zum Verstummen.

,, Im Namen der Inquisition öffnet die Tür.“

,, Ich vermute mal, das ist das letzte was wir tun sollten ?“ , fragte Keltor.

,, Ganz sicher… verflucht. Wir sitzen fest.“ Nehalenie schlug mit der Faust gegen die Wand. ,, Ich hätte…“

,, Gar nichts ändern können.“ , beendete Corinthis den Satz. ,, Und vielleicht sitzen wir nicht so sehr in der Falle, wie die da draußen es vermuten.“

,, Was meint ihr ?“

,, Das Dachfenster.“

,, Ich wusste, das ist noch mal für irgendetwas gut.“ , sagte Keltor.

Ein weiterer Schlag gegen die Tür.

,, Die werden wohl langsam ungeduldig. Ich schlage vor, ihr zwei verschwindet.“

,, Ihr kommt nicht mit uns ?“ , fragte Nehalenie.

,, Ich öffne der Wache die Tür. Vielleicht kann ich sie ja überzeugen, das sie am falschen Haus sind. Oder zumindest Zeit gewinnen.“ ,, Keltor, die werden nicht lange zögern…“

,, Hey, die jagen dich nicht mich. “ Corinthis zögerte.  ,, Du kannst mir später danken und jetzt weg mit euch.“

,, Viel Glück.“

,, Ich brauch kein Glück. Versprecht mir nur das ihr auf euch aufpasst. Und jetzt los.“

Corinthis nickte dem Kaufmann noch einmal zu, dann rannte er dicht gefolgt von Nehalenie die Treppe hinauf.

Oben angekommen lief er sofort in sein Arbeitszimmer und fegte sämtliche Zeichnungen vom Tisch. Die Blätter verteilten sich quer durch den Raum und einige segelten noch die Treppe hinunter, während Corinthis bereits auf den Tisch gesprungen war und Nehalenie hoch half.

Das gläserne Fenster mitten im Dach ließ sich ganz einfach herausnehmen und er ließ die Scheibe achtlos auf den Boden fallen, wo sie in tausend Splitter zersprang und sich mit den Pergamenten über den Boden verteilten.

Er hielt kurz inne. ,, Hör zu, du kletterst zuerst hoch, ich komme sofort nach, bleib weder stehen noch sieh dich um bis wir aus der Stadt raus sind. Auf dem Dach führt eine Leiter nach unten. Wenn sie die Tore geschlossen haben treffen wir uns am Markt wieder, ich finde dich dann schon. Und bleib auf keinen Fall stehen.“

Nehalenie nickte. Für Diskussionen war keine Zeit, schon konnte sie von unten die ersten Schritte hören und Keltor, der sich gespielt über das Eindringen der Inquisition in das Haus aufregte.

,, Ihr könnt hier nicht einfach…“

,, Bringt mal jemand diesen Idiotien nach draußen ?“ , die Stimme eines der Inqusiitoren, vermutlich des Anführers.

,, Idiot ? Ich bin…“

,, Schafft ihn raus bevor ich ihn persönlich in zum Schweigen bringe.“ Schwere Schritte auf der Treppe. ,, Die anderen kommen mit mir,  zwei Bogenschützen nach vorne. Der Befehl lautet Tod oder Lebendig. Ihr braucht also nicht zögern.“

Nehalenie war zwischenzeitlich aufs Dach gelangt. Grade, als der erste Inquisitor die Treppe herauf kam, kletterte auch endlich Corinthis durch das Fenster.

Allerdings nicht rechtzeitig. ,; Da sind sie.“

,, Los weg hier.“ Corinthis deutete in Richtung der Leiter, während er selbst das Dach, jetzt freilich das Bodenfenster im Auge behielt. Ein paar Hände versuchten sich hinauf zu ziehen und er trat so kräftig er konnte darauf. Ein schmerzerfüllter Schrei und das Geräusch von brechendem Holz, als der Inquisitor losließ und mit Wucht auf dem Tisch aufschlug.

Ein letzter Blick hinab zeigte ihm, dass bereits die nächsten das Zimmer erreicht hatten, dann rannte er selbst in Richtung Leiter. Nehalenie wartete am Fuß auf ihn.

,, Ich habe gesagt weiterlaufen.“ , rief Corinthis, während er versuchte, so schnell wie möglich auf den Boden zu gelangen.

Er war fast auf der Straße, als am Dachrand drei Schatten auftauchten. Inquisitoren, bewaffnet mit gespannten Bögen.

,, Stehen bleiben oder ihr sterbt.“

Corinthis schätzte die verbliebene  Höhe ab…  ,,Ich glaube nicht.“ …. Und ließ los.

 

Der Aufprall fuhr ihm in alle Knochen, doch er kam auf den Beinen auf und lief direkt weiter, hinter Nehalenie her, die sich endlich auch wieder in Bewegung gesetzt hatte.

Ein Pfeil raste nur knapp an ihm vorbei und prallte am Pflaster der Straße ab. Er hatte es fast geschafft. Weiter den Weg entlang beschrieb dieser eine Bogen und würde sie somit außerhalb der Reichweite der Bogenschützen bringen.

Etwas streifte seinen linken  Handrücken…. Brennender Schmerz als die Klinge eines Pfeils durch zwei Finger drang und dies sauber abtrennte  Corinthis  achtete nur kurz darauf.. realisierte es nur halb und war bereits um die Kurve, als er wirklich bemerkte, dass er getroffen war.

Zumindest für einen Moment waren sie erneut in Sicherheit.

 Tödlich war die Verletzung nicht aber…

,, Alles In Ordnung ?“ Ihm war klar, dass die Wunde trotzdem einen beunruhigenden Eindruck hinterlassen musste.

,, Ich glaube schon.“

 Etwas Blut fiel auf das Pflaster.

 

Kapitel 17 Nehalenies Tod

 

 

Er hielt die verletzte Hand vor den Körper und musste sich einen Moment an der Wand abstützen.

Corinthis hatte einen schmutzigen Stoffstreifen um die Wunde gewickelt aber auch das hatte die Blutung nicht stillen können. Er hätte nicht gedacht, dass sie überhaupt so weit kommen würden…

Doch der Blutverlust machte ihn langsamer.

,, Nur einen Moment.“ , meinte er und blieb stehen. ,, Geh weiter.“

,, Das werde ich nicht tun.“  Nehalenie sah sich rasch um, aber es war niemand zu sehen. Zumindest vorerst schienen sie die Inquisition abgeschüttelt zu haben. Auch wenn diese eigentlich nur der Blutspur folgen müssten, dachte Corinthis einen Moment.

Sie waren wie es ihm vorkam Stunden lang durch die Straßen geirrt. Sobald sie irgendwo jemanden entdeckt hatten, waren sie sofort umgekehrt um einen anderen Weg zu suchen.

Nun befanden sie sich auf einer kleinen unbebauten Fläche zwischen zwei menschenleeren Straßen. Vielleicht hatte hier einmal ein Gebäude gestanden, aber wenn dem so war, so konnte der Maler keine Anhaltspunkte mehr dafür erkennen, lediglich festgetretene Erde.

,, Immer so Stur.“ , er ließ sich gegen die Wand sinken, weil ihm schwindlig wurde.

,, Das musst du grade sagen.“

,, So hätte das nicht enden sollen.“ , meinte er mit einem müden Lächeln.

,, Aber wir haben es beide gewusst.“

Er nickte… trotzdem, so hätte es nicht kommen sollen. Er betrachtete die Verletzung an seiner Hand. Zeichnen dürfte in Zukunft schwierig werden.  Wenn es eine Zukunft gab. Für ihn zumindest nicht.

Aber für Nehalenie…

,, Tu mir einen gefallen und geh. Ich halte dich nur auf. Wenn ich irgendwie aus der Stadt gelange treffen wir uns wieder.“

,, Das glaubst du nicht einmal selbst.“

,, Dann sterben wir beide.“ , stellte er resigniert fest. Aber er fühlte sich in keiner Weise Schicksalsergeben. In ihm brodelte Wut. Warum sie ? Warum jetzt ? Niemand hatte das recht einfach so über Leben und Tod zu bestimmen. Sollte er diese nicht einfach zertreten…

Es machte ihn unruhig, dass er überhaupt darüber nachdachte. Aber genau das könntest du und noch viel mehr…

Er brachte die Stimme zum Schweigen. Eine Stimme, die er ein Jahr nicht mehr gehört hatte.

 

Was als nächstes geschah, brannte sich für alle Ewigkeit in sein Gedächtnis. 

Schwere Schritte, die sich näherten… zwei bewaffnete Inquisitoren kamen um eine Ecke gestürmt. Einen Moment schienen sie verunsichert, was sie von der Situation halten sollten. Ein an der Wand lehnender Mann und eine Frau, die scheinbar verängstigt wirkte. Vermutlich wussten sie nicht genau wen sie suchten.

Nehalenie nutze den Moment der Unsicherheit und entriss einem die Waffe. Der Inquisitor war so verdutzt, dass er die Gefahr erst bemerkte, als sich sein eigenes Schwert durch seine ungeschützte Schulter fraß und er zusammenbrach. Der zweite hatte nur noch Zeit für einen erstickten Ruf, der allerdings sofort durch einen weiteren, allerdings schlecht gezielten Schwertstreich beendet wurde.

Er fiel verletzt  oder tot zu Boden und Nehalenie ließ das Schwert los. ,; Das… das…“ Wie betäubt stand sie vor den zwei Toten.

Corinthis zwang sich, sich zusammenzunehmen und aufzustehen. Sofort wurde er von einem erneuten Schwindelanfall begrüßt, aber immerhin war er schon mal wieder auf den Füßen.

Ihm war klar, dass das nicht lange so bleiben würde.

,, Was hättest du sonst tun sollen ?“ , fragte er. Mit einem Arm um ihre Schultern gelegt zwang er sie weiterzugehen, auch wenn jeder Schritt ihm schwerer fiel.

,, Ich weiß es nicht…“

,, Weiter gehen und nicht stehen bleiben.“ Er stand selbst etwas unter dem Eindruck, des grade geschehenen. Corinthis wusste, das Nehalenie  hart sein konnte, gegenüber sich selbst und anderen. Berechnend. Aber das sie ohne zu zögern einen Menschen töten konnte, gab ihm zu denken.

 

Corinthis stieg über die zwei Inquisitoren hinweg und sie betraten wieder die Straße. Sofort raste ein Pfeil knapp an seinem Kopf vorbei. Drei weitere Inquisitoren weiter die Straße hinab hatten offenbar nur darauf gewartet, das sie sich zeigten. Er riss Nehalenie mit sich zurück  auf den Platz.

Es gab keinen Ausweg mehr.

,, Ich hätte gerne mehr Zeit gehabt.“ , flüsterte er.

,, Versprich mir nur, das du etwas änderst. Lass nicht zu das…“ Sie verstummte.

,, Nehalenie ?“

 Viel zu spät wurde ihm klar, dass etwas nicht stimmte. Nehalenie atmete nicht mehr. Ein Pfeil hatte sie in den Rücken getroffen…

Tot…. Sein Verstand schien mit dem Wort nichts anfangen zu können. Es nicht mit dem Körper vor ihm in Verbindung bringen zu können… Unmöglich.

Vorsichtig  ließ Corinthis Nehalenie zu Boden sinken… und fand selbst nicht mehr die Kraft aufzustehen.

Eine Weile kniete er einfach nur auf der Erde. Keines klaren Gedanken fähig. Sich nähernde Schritte brachten ihn zumindest teilweise zurück ins Geschehen. Die Trauer, der Schock und er Unglaube wurden durch etwas anderes ersetzt. Etwas das nur immer zu auf seine Gelegenheit gewartet hatte.

Sein Verstand wurde Rasend. Äußerlich jedoch, blieb er ruhig. Mit zur eigenen Überraschung kaum zitternder Hand zog er den Pfeil aus Nehalenies Verletzung und ließ ihn neben sich zu Boden fallen.

,, Warum ? Warum das alles ?“

Die drei Inquisitoren hatten einen Halbkreis in seinem Rücken gebildet. Woher er das wusste, war ihm selbst nicht klar, aber er schien sie alle sehen zu können, die gespannten Bögen auf ihn gerichtet.

,, Sieht so aus, als hätten wir jetzt auch noch einen Mörder hier.“ , meinte einer von ihnen spöttisch.

,, Warum ? Wieso jagt ihr uns?“ Corinthis war längst weit weg und es schien ihm, als würde er sich selbst beobachten. Das dort war nicht mehr er selbst, wie er langsam mit erschrecken feststellte.

Langsam stand die Gestalt, die er nur beobachten konnte auf, den blutüberströmten Pfeil in der Hand, vermischte sich mit seinem eigenen Blut.  All seine Erschöpfung schien verflogen zu sein.

,,  Legt den Pfeil weg, es sei denn ihr wollt früher sterben als nötig. Die Nichte des Kaisers zu ermorden…  wisst ihr was, versucht es, verkürzt euren Weg.“

,, Ich habe sie nicht getötet und das wisst ihr. Das ist euer Pfeil.“ , flüsterte er leise. ,, Warum ?“

Er erhielt keine Antwort, stattdessen  rief ein anderer Inquisitor:,, Bringt ihn einfach weg.“

Corinthis handelte, bevor einer der Bogenschützen es konnte. Und wieder konnte er sich nur wie aus weiter Ferne dabei zu sehen.. ohne Kontrolle.

Er sprang zur Seite, die Bogensehnen lösten sich und die Pfeile schlugen auf dem Boden auf, ohne ihr Ziel zu treffen.

In seiner Hand befand sich immer noch der Pfeil und er war auf Höhe des ersten Inquisitors angelangt. Mit Gewalt stieß Corinthis  die Pfeilspitze in den Hals des Mannes.  Dieser brach sofort Tod zusammen.

,, Bei allem was….“ Die zwei verbliebenen Inquisitoren hatten ihre Bögen wieder gespannt. ,, Stehen bleiben.“

Corinthis, der nicht länger Corinthis war, sah auf. ,, Zwingt mich dazu.“ , erwiderte er kalt.

Der erste Pfeil  flog von der Sehne, nur um ihn knapp zu verfehlen. Der zweite hätte ihn getroffen aber…. Er schien plötzlich in der Luft stehen zu bleiben und fiel harmlos zu Boden.

Hätte Corinthis noch die Kontrolle über sich gehabt, hätte er jetzt wohl verwirrt inne gehalten. So jedoch er nur tatenlos zusehen was als nächstes geschah.

Der zweite Inquisitor kam nicht dazu den Bogen erneut zu spannen, sondern zog stattdessen ein Kurzschwert, mit dem er nach dem Maler schlug. Dieser jedoch fing den Arm ab… und brach den Knochen direkt über dem Handgelenk als würde es sich dabei um Glas handeln.

Der letzte verbliebene Inquisitor stolperte rückwärts und ließ seine Waffe fallen.

Stattdessen zog er mit zitternden Händen ein kleines goldenes Amulett hervor… das Sonnensymbol des Kaisers. Fast schien es als hoffte er das Zeichen könnte ihn irgendwie schützen.

Corinthis zog ihm den Gegenstand mit einem bösartigen lächeln aus den Händen und ließ ihn zu Boden fallen, wo er mit einem Stiefel darauf trat.

Dann legte er dem Mann einfach eine Hand auf die Schulter. Flammen schlugen aus der Kleidung des Inquisitors, der zuerst ängstlich, dann schmerzerfüllt aufschrie und versuchte sich aus dem unbarmherzigen Griff zu befreien.

Corinthis ließ nicht los, bis der Mann aufhörte zu schreien und zusammenbrach. Von ihm war nicht viel mehr übrig als ein Haufen Asche, die sich in einem kurzen Windhauch zerstreute.

Endlich gelang es ihm wieder etwas Kontrolle über sich zu erlangen… etwas.

Er sank erneut auf die Knie, sich die Hände vors Gesicht haltend.

Was hatte er getan… und was war grade geschehen. Und Nehalenie…

Es war zu fiel.

,, Narr… ich habe uns gerettet. Also steh gefälligst auf.“

Er sah sich rasch um. Niemand war zu sehen….

,, Wer ist da ?“

Bevor er sich noch weiter wundern konnte, schien er wieder zurück gedrängt zu werden und bemerkte, wie er ohne es zu wollen aufstand.

,, Erstaunlich diese Macht nicht wahr ?“ Dieses Mal erkannte er die Stimme. Erneut stieg Wut in ihm auf und schien sich mit der des… anderen… zu mischen.

Kaiser Baratas von Ert trat begleitet von fünf weiteren Inquisitoren auf den Platz.

Ohne Nachzudenken stürzte sich Corinthis auf ihn. Es gab keine Folgen zu bedenken, was konnte er denn ohnehin noch verlieren? Der Kaiser indes jedoch trug immer noch das Zepter, mit der eingelassenen Glaskugel, in deren Zentrum eine Sonne aus rotem Glas zu schweben schien.

Als wollte er sich damit schützen hielt er den Stab vor sich.

Corinthis wurde von etwas getroffen, das ihn in die Knie zwang. Und so sehr er es auch versuchte, er war unfähig wieder aufzustehen. Er spürte, wie das andere… Wesen… er wusste nicht was es war scheinbar zurück geworfen wurde und in den tiefen seiner selbst verschwand. Corinthis war wieder frei, zumindest davon.

Doch noch immer war er an Ort und Stelle gebunden.

Der Kaiser sah zu dem Ort, an dem Nehalenies Leiche lag. ,, Eine Schande.“ , meinte er nur abfällig.

,, Ich werde euch töten.“ , rief Corinthis. Er wusste das es leere Drohungen waren…

,, Das werdet ihr nicht.“ , stellte Baratas fest und hielt das Zepter hoch. ,, Die Anker… wisst ihr die meisten halten sie für Legenden. Ihr wisst, dass es zwei davon gibt? Nun, ich habe leider nur den einen, alleine schon sehr mächtig, wie ihr grade seht.  Allerdings habe ich vor das zu ändern. Und ihr mein Freund werdet mir dabei helfen. Wenn nicht ihr, dann der Nardor. Der wird auf jeden Fall überleben wollen. Bringt ihn weg.“

,, Ich weiß nicht wovon ihr redet Wahnsinniger. Und ich will es auch gar nicht.  Aber eines Schwöre ich euch bei Nehalenis Blut und dem meinen. Ich werde euch töten und wenn es das letzte ist was ich tue. “

,, Nein, das werdet ihr nicht.“ , wiederholte der Kaiser.

Einer der Inquisitoren, die den Kaiser begleitet hatten trat näher und holte mit der Faust aus. Der Schlag warf Corinthis zu Boden und das letzte was er hörte, bevor alles um ihn Dunkel wurde, waren die Worte des Kaisers.

,, Sperrt ihn irgendwo ein, aber seit Vorsichtig. Und lasst folgendes Verkünden. Die Nichte des Kaisers ist heute tragischer Weise einem  Mörder zum Opfer gefallen, als sie sich unvorsichtiger weise  auf den Straßen aufhielt.“

,, Ja Herr.“

Nicht einmal darüber würde man jemals die Wahrheit erfahren… dass es die Soldaten des Kaisers waren, die Nehalenie ermordet hatten… Und Gerechtigkeit würde es auch nie geben.

Eine einzige Träne rann sein Gesicht herab und vermischte sich dort mit dem Blut…

Es gab keine Hoffnung mehr in dieser Welt… nicht für ihn.

Und vielleicht auch für sonst niemanden.

 

 

Funken stoben auf, als ein weiteres Holzscheit ins Feuer wanderte und die Flammen erneut entfachten.

Da war er also… der Punkt an dem alles begann. Der Alte ließ sich einen Augenblick Zeit bevor er weitersprach.

,, Es gibt einen Punkt im Leben, in dem man denkt, es könnte nicht mehr schlimmer kommen.  Und grade wenn wir denken am Boden zu sein, entdecken wir, das es immer noch ein Stück weiter abwärts geht. Es gibt einen Punkt im Leben, den niemand kennen lernen will. Den Punkt, an dem wir wirklich den Boden erreichen.“ Der Alte sah zurück ins Feuer, in dem die neuen Holzscheite bereits zu brennen begonnen hatten. Trotz der Hitze, welche die Glut abstrahlte war ihm nicht warm. Er fror…

 

Kapitel 18 Besessen

 

 

 

Corinthis war kalt. Trotzdem stand er nicht von der kleinen Pritsche  auf, oder rührte sich. In seinem Kopf herrschte leere… wobei das nicht ganz stimmte. Neben der stille seiner Gedanken war noch etwas anderes.

Steh auf, sie können dich nicht gefangen halten… und mich auch nicht…

,, Seit ruhig.“ Die Stimme verstummte zumindest fürs erste wieder. Er wusste nicht was es war… aber zumindest hatte Corinthis vorläufig wider die Kontrolle über sich.

Er erinnerte sich nur verschwommen an das, was geschehen war, nachdem der Kaiser ihn irgendwie… außer Gefecht gesetzt hatte. Nehalenie war tot….

Und er befand sich in einer Zelle, vermutlich irgendwo in den inquisitions-Quartieren, aber sicher konnte er sich nicht sein. Ein einzelnes kleines Fenster ließ etwas Licht in die Dunkelheit. Erkennen konnte er durch das kleine Gitterfenster jedoch nichts.

Vielleicht wenn er aufgestanden wäre. Aber dazu fehlte Corinthis jede Veranlassung. Da war einfach nichts mehr, nicht einmal Neugier, wieso das alles hatte geschehen müssen. Wieso Nehalenie hatte sterben müssen… oder wieso er noch lebte.

Draußen durch die Gitterstäbe der Zellentür konnte er im schwachen Licht über einen schmalen Gang in die Nachbarzelle sehen. Aber außer einem Haufen schmutziger Lumpen schien diese leer zu sein.

Ohne zu wissen warum lauschte er auf Geräusche… ein Husten… Flüstern… irgendein Zeichen das außer ihm noch jemand hier unten war. Aber bis auf das ferne tropfen von Wasser, das an der niedrigen Decke kondensierte blieb es still um Corinthis.

Draußen vor dem Fenster jedoch raschelte es und das wenige Sonnenlicht, das seinen Weg durch die Gitter fand wurde verdeckt. . Corinthis zwang sich wenigstens den Kopf zu drehen um nachzusehen.

Eigentlich war es ihm gleich.

Ein Vogel. Nein nicht irgendein Vogel, wie er wusste. Ein Rabe, dessen ausgebreitete Schwingen die Sonne verdeckten.

,,Hallo alter Freund“ , dachte Corinthis kurz,  ,, Warum folgt ihr mir ?“

Er folgt dem Tod, deinem Tod der eintreten wirst wenn du weiter hier bleibst. Lass mich dir helfen…

,,So wie ihr mir auf dem Platz geholfen habt ? Ich verzichte.“

Du hast keine Wahl.

,, Ich habe immer eine Wahl.“ Der Vogel vor dem Fenster schlug mit den Flügeln und erhob sich von der Erde. Fast als wollte er diese Worte unterstreichen… oder sie verneinen…

Wenn du stirbst wirst du nie die Wahrheit herausfinden. Wieso das alles ?

,, Es interessiert mich nicht wieso. Es ist geschehen und dadurch wird es nicht ungeschehen.“

Aber vielleicht ist Nehalenie dann nicht Sinnlos gestorben.

,, Sprich ihren Namen nicht aus Dämon, geist oder was immer du bist.“

 Ihr nennt uns Nardor… das Flüstern in eurem Gewissen.

,, Eine Legende und es erklärt überhaupt nichts. Wenn ihr existiert und ich nicht einfach verrückt bin… welcher Sphäre gehört ihr an? Wut ? Angst ? Neid ?“

 Das sind Einteilungen die ihr Menschen erschaffen habt. Unfähig das all dies zusammenhängt… mit Stolz.

,, Lasst mich in Ruhe und verschwindet.“

Ihr habt mich eingelassen. Das Wesen schien zu lachen. Aber gehen muss ich deshalb noch lange nicht wieder.

Corinthis setzte sich langsam auf, als die Stimme endlich verstummt war. Er verstand nichts hiervon… er wollte es auch nicht. Nur das es endlich vorbei war. Wenn der Kaiser ihn hinrichten lassen wollte, war ihm das egal. Aber das er noch lebte…

Es spielte keine Rolle mehr wieso. Egal was Baratas vorhatte, er würde alles ablehnen, was ihm der Kaiser anbieten konnte…

Sein Leben war grade gefährlich wenig Wert für ihn selbst.

Irgendjemand hatte seine Hand verbunden, wie er feststellte.

,, Also seit ihr es…“ Kurz dachte Corinthis, die Stimme sei wieder zurück, dann jedoch entdeckte er, dass wer immer auch gesprochen hatte in der Nachbarzelle sein musste.

Der Haufen aus Lumpen bewegte sich und langsam wurde ihm klar, dass dies überhaupt keine Stofffetzen waren sondern eine zusammengekauerte Menschliche Gestalt.

Ein älterer Mann, gekleidet in eine Robe stand langsam auf. An seinen Gliedmaßen hingen Ketten.

Langsam wurde Corinthis klar, dass er die mitgenommen wirkender Gestalt dort vor ihm kannte.

Irgendwo hatte er sie bereits gesehen… Der Thronsaal von Inglarion vor einem Jahr..

 , fragte er überraschte den Zauberer an so einem Ort vorzufinden.

,, Das ist mein Name. Und eurer muss Corinthis sein. Die Inquisitoren haben über euch gesprochen, als ihr hergebracht wurdet. Das war vor zwei Tagen. Ich dachte ihr würdet gar nicht mehr erwachen…“

,, Ihr sagt sie hätten über mich geredet ?“

Der Zauberer nickte traurig. ,, Es hieß ihr hättet die Nichte des Kaisers und drei Inquisitoren  ermordet.“

Also war er jetzt sogar offiziell Gebrandmarkt… als Mörder… für etwas, dass andere getan hatten.

,, Und habt ihr ihnen geglaubt ?“

,, Wie könnte ich…“

,, Wie meint ihr das ?“ Corinthis trat war ohne es selbst zu merken von der Pritsche aufgestanden und an das Gitter herangetreten.

,, Ich hoffe ihr könnt mir verzeihen.“

,, Wie meint ihr das ?“

,, Das ich möglicherweise für all das hier verantwortlich bin… Sie ist wirklich tot oder? ich bin für den Tod eines Menschen verantwortlich…

,, Die Inquisition hat sie getötet.“ , erwiderte Corinthis.

,, Das verdammte Bild…“ Umariel ballte eine Hand zur Faust. ,, Damit hat alles angefangen. Er muss es von Anfang an gewusst haben.“

,, Wer ? Der Kaiser ? Hört zu, was ihr sagt ergibt für mich keinen Sinn.“

,, Es war alles von Anfang an ein abgekartetes Spiel. Die einzige Variable, das einzige womit wir nicht gerechnet hatten… war Nehalenie.“

,, Verdammt, erklärt es mir so dass ich es verstehe. Warum  musste Nehalenie sterben und was hat das mit irgendwelchen Bildern zu tun?“ Corinthis verlor kurz die Kontrolle… ähnlich wie zuvor auf dem Platz schien er sich plötzlich neben sich zu befinden. Seine Hand, die das Gitter umschlossen hielt verwandelte sich in einen Feuerball, welcher die Metallstrebe innerhalb von Sekunden schmolz.

Erschrocken drängte er das… Ding in seinem Geist zurück und stolperten einige Schritte rückwärts.

,, Also ist es wahr…“ Der Zauberer sah ihn mit ängstlichen Augen an. ,, Lasst mich versuchen es zu erklären…

 ,, Dann erklärt.“ Corinthis zwang sich dazu wieder ruhiger zu werden… nach der scheinbaren Teilnahmslosigkeit schien es jetzt Wut zu sein, die ihn vollkommen ausfüllte…  Aber es war nicht seine eigene Wut.

Das bringt nichts hör auf dem Alten zuzuhören… Wir müssen weg.

Er antwortete nichts und wartete, bis der Sturm vorüberging.

,, Am Anfang war da nur ein Bild… eines eurer Bilder.“

Corinthis erinnerte sich, das er tatsächlich ein von ihm angefertigtes Porträt in der Galerie des Palastest gesehen hatte. Hätte er damals schon misstrauisch werden sollen? Aber welchen Grund hatte er dazu gehabt…

,, Wisst ihr wie Magie funktioniert ? Ein unentwickeltes magisches Talent kann sich auf viele Arten bahn brechen… und dieses Bild war definitiv magisch.“

,, ich bin kein Zauberer.“ , erwiderte Corinthis.

,, Das wurde mir leider zu spät klar.  Normalerweise hätte man euch sofort festgenommen. Aber ihr stelltet keine Bedrohung dar und der Kaiser brauchte einen Maler.“

,, Und weiter ? Das erklärt gar nichts.“

,, Geduld. Nachdem das Porträt des Kaisers fertig war, besah ich mir auch dieses. Ich habe mein Wissen fast ein Jahr verschwiegen… weil es zu unmöglich schien.“ ,; Was schien unmöglich ?“

,, Der Thronsaal, also der Ort an dem das Porträt entstand ist gegen jede Art von Zauberei abgeschirmt. Ein Bild das dort entstand hätte  keine Magie aufweisen können. Doch das Gegenteil war der Fall. Für den Kaiser gab es dafür nur eine Erklärung und er war nicht bereit auf meine Warnungen zu hören. Ihr wärt ein unvorstellbar mächtiges magisches Talent. Etwas, das er nicht einfach wegwerfen wollte.“

,, Ich bin kein Zauberer zum letzten mal.“

,, Und das war der Punkt, der uns allen zu spät klar wurde. Ihr hört seine Stimme nicht wahr?“

,, Nardor…“

,, Es muss euch schon lange beobachten… auf eine Chance gewartet haben und nun haben wir diesem Ding… gestattet durch euch zu Handeln.“

,, Ich verstehe nur noch nicht… Was verspricht sich der Kaiser davon…. Warum ich ?“

,, Ich fürchte, das ist ebenfalls meine Schuld… Ihr kennt die Geschichte der Anker?

,, die den Nardor den Zugang zu unserer Welt verwehrten ja… aber… Der König besitzt das Sonnen-Auge, das ist einer der Anker, richtig?“ ,, Richtig, sie verhindern, dass die Nardor ohne einen… Wirt hier agieren können. Und ihr seid jetzt einer. Durch die Inquisition dazu getrieben… Tut mir leid.“ In den Augen des alten Zauberers lag echtes bedauern aber auch… Schuld.

,, Was ihr wirklich wissen müsst ist, das  diese Anker, das Sternenauge und das Sonnenauge genannt, viel mehr sind als simple Halterungen für den Schleier. Sie sind Macht. Ihr habt es selbst zu spüren bekommen, das sehe ich euch an. Die kanalisierte Macht aus tausenden von Zauberern.

Die alten Magier wussten, dass sie eine solche Macht nicht einem einzigen überantworten durften. Und so wurden zwei Verankerungen des Schleiers geschaffen, welche die Macht der toten Magier  fokussieren sollte.  Einer der Anker fiel an den ersten Kaiser von Ert. Der zweite an Niob.

Das heutige Kräftegleichgewicht hängt vor allem von diesen zwei Artefakten ab. Nicht die Magier oder die Armeen sind es… Die Macht der Anker übertrifft jede Armee und doch wird ihre Existenz zumindest in Ert geheim gehalten. Vielleicht aus Angst. Der Kaiser benutzt Magie… keine gute Idee.“

,, Und was hat das mit mir zu tun ?“

,, ursprünglich wollte der Kaiser einen Zauberer unter seiner Kontrolle, der in der Lage wäre, nach Niob zu gelangen. Jemand, der nicht die Ketten des Ordens des schwarzen Drachens trägt und ihm das Sternenauge besorgen könnte. Nun, ich befürchte fast, von dieser Idee muss er sich längst distanziert haben. Ihm muss mittlerweile auch klar ein, das er sich geirrt hat.“

,, Wollt ihr mir etwa sagen Nehalenie sei einfach nur…  durch euer Unverständnis gestorben… durch das völlig irrationale Streben nach noch mehr Macht ?“

,, Ich fürchte es….“

,, Ihr seid krank… dieser ganze Ort… jeder einzelne Adelige bis hin zum Kaiser. Gibt es hier auch nur einen Vernünftigen Menschen? ich bezweifle es, wenn sich der Oberste von ihnen für einen verdammten Gott hält.“

Er wendete dem Zauberer den Rücken zu.

Wir können sie bestrafen… sie vernichten. Lass dir helfen.

,, Seit ruhig!“

Die Stimme des Nardor verstummte.

,, Was bedeutet das für mich ?“

,, Ich weiß es nicht. Ihr seid das erste Lebende Wesen, das einen Nardor hört seit… seit mehreren Jahrhunderten. Ich weiß nicht ob das bedeutet, das der Schleier schwächer wird oder ob es nur Zufall ist.“

,, Das beantwortet nicht meine Frage. Was wird passieren?“ ,, Ich fürchte er wird euch irgendwann… aufzehren. Ihr könnt ihn momentan noch kontrollieren aber ich bezweifle, dass euch dies für immer gelingen wird. Sobald ihr ihn einmal eingelassen hattet, ob absichtlich oder nicht war es zu spät. Tut mir leid. Ich will mir gar nicht vorstellen, was dieses Ding alles anrichten könnte…“

Er lügt… Die Stimme des Nardor klang sanft… fast freundlich. Aber Corinthis würde sicher nicht darauf hören.

,, Seit ruhig.“

,, Es  spricht also zu euch.“

,, Ja. Aber wenn der Kaiser sich geirrt hat, werde ich wohl keine zeit mehr haben herauszufinden, ob ihr mit eurer Vermutung  recht habt.“ Er wendete sich wieder dem Zauberer zu.

,, Das ist wohl war. Mich werden sie wohl nach Venthron zurück bringen. Momentan können sie auf keinen Zauberer verzichten. Aber euer Schicksal kenne ich nicht.“

,, Ich habe kein Schicksal mehr. Und auch keine Zukunft. Das ist alles gestorben.“

,, Ihr habt noch euren Namen. Das ist etwas. Und ihr werdet ein Ziel finden und sei es nur, nicht hier unten zu sterben.“

Corinthis sah auf Umariel direkt in die Augen. Es gab nicht viel das ihm noch etwas bedeuten konnte. Nur ein Verspreche nein, zwei Versprechen, die er halten musste…

,, Wiederspruch ist mein Name

   Und klage mein Anspruch.“

,, Schöne Worte. Ich bin gespannt, ob sie euch nützen werden.“ , meinte der Zauberer.

,, Wenn der Kaiser sich entschließt mich loszuwerden sicher nicht mehr.“ Er ließ sich wieder auf die Pritsche sinken und nahm den Kopf zwischen die Hände. Es gab nichts mehr zu sagen…

Es gab keine Antworten mehr. Nur die Frage nach dem warum…

 

Kapitel 19 Flucht

 

 

 

Es war  schätzungsweise drei Tage her das sie Umariel geholt hatten. Schätzungsweise, den seine einzige Möglichkeit die Zeit zu bestimmen bestand in dem kleinen Fenster, durch das entweder licht fiel oder nicht. Nach dem ersten Tag hatte er nicht mehr wirklich darauf geachtet… und am nächsten war der Zauberer aus der Nebenzelle von den Inquisitoren geholt worden um zurück nach Venthron gebracht zu werden.

Wie einen Schwerverbrecher hatten sie den alten Mann an Ketten aus dessen Zelle gezerrt und den Gang hinab außerhalb seiner Sicht gebracht. Er konnte nur hoffen, dass er wirklich zur Stadt der Magier zurückgekehrt war… und man ihn nicht einfach getötet hatte.

Die nächsten zwei Tage war er vollkommen allein gewesen. Allein mit einer langsam unerträglich werdenden Stimme, die ihn kaum Schlaf finden ließ. Und seiner Trauer, die langsam aber sicher in reine Wut umschlug.

Wut, die er gegen niemanden richten konnte. Die einigen anderen Lebewesen, die er zu Gesicht bekam waren ein paar Ratten und ab und zu, ganz sicher nicht regelmäßig, brachte jemand Essen. Er ließ es stehen. Bisher war niemand gekommen um ihm zu sagen, wie es mit ihm weiterging.. oder ob… Und dabei geisterte ihm immer wieder die Vorhersage des Magiers durch den Kopf. Eines Tages würde ihn der Nardor in seiner Seele verschlingen. Und zu etwas anderem werden lassen.

Corinthis würde das nicht zulassen, wenn er die Chacne dazu bekam.

Es konnte gut sein, das sie ihn einfach für den Rest seines Lebens hier festhalten würden. Ohne, das er je wieder die Sonne sehen würde. Und das steigerte seine hilflose Wut nur noch. Und das schlimmste war… Corinthis glaubte langsam aber sicher den Verstand zu verlieren.

Wobei die ewig bohrende Stimme des Nardor seinen Teil beitrug…

Und jetzt hörte er auch noch Schritte. An sich wäre das nichts als zu Ungewöhnliches gewesen, aber die kleine Zelle lag bereits seit Stunden in der Dunkelheit. Vermutlich war  es kurz nach Mitternacht.

Wer würde sich um diese Zeit hier herab verirren? Umso mehr verwunderte ihn daher die Tatsache, dass sich ein Licht den Gang hinab näherte. Seine mittlerweile an die Dunkelheit gewöhnten Augen nahmen die Veränderung der Helligkeit schon war, als deren Quelle noch ein gutes Stück entfernt sein musste.

Einige Augenblicke später war Corinthis sich endgültig sicher… jemand näherte sich seiner Zelle.

Ein Mann in der vergoldeten Rüstung der Inquisition kam in Sicht. In einer Hand hielt er eine Fackel und in der anderen… einen Schlüsselbund.

Die Augen des Mannes zuckten nervös hin und her, als erwarte er jeden Moment angehalten und gefragt zu werden, was er hier zu suchen hatte. Eine berechtigte Frage, wie Corinthis fand.

,, Seit ihr Corinthis der Maler ?“

Corinthis antwortete nicht sofort. Eigentlich konnte ihm egal ein, was der Mann wollte. Er gehörte zur Inquisition. Das wahrscheinlichste war noch, das der Kaiser beschlossen hatte auch den  letzten Zeugen für den Mord an einem Mitglied der kaiserlichen Familie aus dem Weg zu räumen… Nur für den Fall, das er jemals dazu kam zu sprechen. Das sähe ihnen ähnlich…

Er stand langsam auf und ließ den Inquisitor nicht aus den Augen. ,,Vielleicht.“

,, Wir haben keine Zeit für Spielchen.“

,, Seht ihr.. ich persönlich habe bedauerlicherweise alle Zeit der Welt.“

,, Verdammt nochmal…“ Sein Blick fiel auf Corinthis Verbundene Hand. ,, Gut, ihr seid es. Tretet vom Gitter zurück.“

,, Warum sollte ich ?“ , fragte er.

Der Mann seufzte und begann mit dem Schlüssel herum zu hantieren. Offenbar wusste er nicht, welcher davon in das Schloss passte und so suchte er eine Weile, bis einer schließlich ins Schloss der Zellentür einrastete. Sobald diese offen war ließ Corinthis seiner angestauten Wut freien Lauf. Er konnte geradezu spüren, wie der Geist des Nardor durch seinen Körper strömte, auch wenn er sich dagegen sträubte. Aber im Moment war ihm die zusätzliche Wut mehr als Willkommen. Es interessierte ihn nicht, ob er lebte oder starb, aber jemand würde bezahlen müssen.

Der völlig überraschte Inquisitor wurde von Corinthis gepackt und mühelos gegen die Wand gedrückt, so dass er kaum noch Luft bekam. Der Maler war kurz davor den Menschen einfach zu zerquetschen…

Warum nicht ? Er ist nur ein Mensch.. schwach.. du bist mehr…

Das der Nardor diese feststellte, brachte ihn wieder zur Besinnung. Es war besser nichts zu tun, was diese Kreatur vorschlug. Corinthis bremste seinen Zorn, hielt ihn aber auf Abruf. Ein falsches Wort und der Mann Würde sterben.

Er ließ ihn los und der Inquisitor fiel hustend zu Boden. ,, Was… ihr…“ Offenbar versuchte er zu sprechen. Corinthis sah mitleidslos auf ihn herunter. Sein altes Ich… in einem entfernten teil immer noch vorhanden hätte wohl Mitleid mit dem Mann verspürt. Er jedoch…

,, Nennt mir einen guten Grund euch nicht sofort zu töten.“

,, Ich bin nicht“ , der Mann wurde von einem Hustenanfall unterbrochen , ,, Nicht euer Feind.“

,, Ihr und eures gleichen habt mein verdammtes Leben zerstört.“ Er spürte erneut Wut in sich hochkochen.

,, Ich habe euch grade befreit.“

Dagegen konnte Corinthis nichts erwidern. Da stimmte. ,, Wieso ?“

,, Wie gesagt ich bin auf eurer Seite.“

,, Ich bin euch noch nie begegnet und soll euch einfach so vertrauen ? Für wie dumm haltet ihr mich?“

,, Welche andere Wahl habt ihr ? Hört zu, ich trage eine Inquisitionsrüstung, das heißt nicht, dass ich mit allem Einverstanden bin, was diese tun. Und kaltblütiger Mord gehört sicher nicht zu unseren pflichten.“

,, Dann solltet he euch nicht um mich kümmern. Geht in die Straßen, erzählt es den Leuten.“

,, Um am nächsten Morgen gevierteilt zu werden ? Nein danke, aber euch kann ich helfen.“

,, Gebt mir eine Klinge und ich helfe allen. Der Kaiser erlebt den morgen nicht mehr.“

,, Seit nicht dumm. Ihr habt ein paar Inquisitoren getötet, aber da draußen sind zweihundert davon, die das Gelände bewachen. Ihr könntet den Platz nicht einmal halb überqueren, bevor sie euch einfach mit Pfeilen spicken.“

,, Und ihr Schlagt stattdessen vor ?“

,, Wir fliehen… über die Grenze nach Niob. Ich kann ohnehin nicht mehr hierbleiben. Man wird schnell erraten, wer die Zellentür geöffnet hat.“

,, Und ihr glaubt, man wird usn dort aufnehmen ?“

,, Ein abtrünniger Inquisitor und ein Mann, der eine Anklage gegen den Kaiser von Ert vorbringen kann ? Die werden uns die Füße küssen.“  Der Mann schien langsam etwas Selbstvertrauen wieder zu Gewinnen.

Corinthis jedoch überlegte. Alle sin ihm Schrie danach, den  Mann einfach zur Seite zu stoßen und in den Palast zu gehen. Um dafür zu sorgen, dass der Kaiser seine letzte Nacht gesehen hatte.

Aber gleichzeitig hatte der Inquisitor recht… Was auch immer ihn dazu trieb, Corinthis zu helfen… er hatte recht. Der Maler würde nicht einmal in die Nähe des Kaisers kommen… und somit wäre alles Sinnlos. Aber wieso auch nicht.. viel blieb ihm ohnehin nicht mehr übrig. Und gleichzeitig zwang ihn doch die simple Logik, dem Rat des Mannes zu folgen… Sterben konnte er später immer noch.

Vielleicht weniger sinnlos.

,, Nun gut, wo lang von hier aus ?“

Der Mann deutete den Gang hinab, wo sich Zellen an Zellen reihten. Allesamt leer soweit er sehen konnte. Auch als sie weiter den Flur entlangliefen blieben die Zellen leer.

,, Wieso ist hier unten niemand ?“ , fragte Corinthis

,, Die meisten  die hierher kommen.. bleiben nicht lange.“

Corinthis nickte. Der Inquisitor brauchte das nicht weiter auszuführen.

,, Wie lautet eigentlich euer Name ?“ ,,Darcon.“

,, Dann danke Darcon. Ich weiß nicht warum ihr das tut und bin mir nicht sicher, ob ich das nicht bereue. Aber trotzdem danke.“

,, Dankt mir, wenn wir außerhalb der Stadt sind.“

Am Ende des schmalen Korridors führte eine steile Treppe hinauf an eine schwere Holztür. Vorsichtig öffnete Darcon diese.  Ein weiterer Gang, diesmal jedoch kein beklemmend enger Korridor wie unten in den Zellen sondern ein weiter offener Flur.  Nun bestätigte sich auch endgültig Corinthis Vermutung, dass er sich in der Inquisitionskaserne befand, den durch ein niedriges verglastes Fenster konnte er den großen im Mondlicht Silber schimmernden Platz des Palastbezirks erkennen.

Der Gang selbst war verlassen und nur hier und da sporadisch durch Fackeln erhellt. Hinter einer Tür konnte Corinthis flackernden Lichtschein erkennen und hörte Stimmen. Es waren also noch Inquisitoren wach.

,, Hier entlang, schnell.“ , wies Darcon an, ihm zu Folgen. So leise wie möglich liefen sie durch die Gänge des verwinkelten Baus. Hier und da glaubte Corinthis, das sie jetzt bald draußen sein mussten, nur damit sie dann doch wieder einen anderen Weg einschlugen. Er fragte sich kurz, ob sein… Retter… diesen Weg absichtlich ging um Patrouillen auszuweichen oder ob das Gebäude wirklich wie ein Labyrinth angelegt war.

Vielleicht auch beides. Zumindest begegneten sie während der ganzen Zeit keinem einzigen Inquisitor und schließlich erreichten sie endlich eine weitere kleine Holztür, an der Darcon ihn anhalten ließ. Sie befanden sich offenbar in einer Art Küche.  Langsam erkaltende Glut in einem Herd spendete schwaches Licht in dessen Schein er Töpfe, Messer und alles andere was sonst in einer Küche gebraucht wurde erkennen konnte.

Darcon indes war dabei zu versuchen, mit einem der zahlreichen Schlüssel an dem Bund, den er immer noch mit sich trug , das Schloss an der niedrigen Tür zu öffnen.

,; Das ist der Dienstboteneingang.“ , erklärte er nervös, weil auch der aktuelle Schlüssel sich nicht drehen ließ und probierte den nächsten. ,, Er führt direkt hinter das Kasernengebäude. Von dort aus…“ Der Schlüssel drehte sich und die Tür sprang auf. ,, Na wer sagt es denn.“

Sofort schlug ihnen warme Nachtluft entgegen und Corinthis trat, bevor ihn Darcon aufhalten konnte ins Freie. Natürlich bestand die Gefahr, dass er von drinnen gesehen wurde… aber für den Augenblick war ihm das egal. Nach der ganzen Zeit unter der Erde hieß er die frische Abendluft willkommen, die sich fast wie ein schwerer Mantel über alles zu legen schien. Nur genießen konnte er sie nicht…

Genau an so einem Abend war er Nehalenie das erste Mal begegnet…

Anstatt von Trauer stieg erneut Wut in ihm auf. Sofort schien der Nardor diese Gelegenheit nutzen zu wollen, aber Corinthis drängte den Geist sofort wieder zurück in eine Ecke seines Verstandes.

Es war nicht länger die Wut des Geists in ihm, es war sein eigener Zorn. Und dieser schien sich einfach gegen alles richten zu wollen. Selbst der Nardor schreckte davor zurück, aber Corinthis wusste, dass dieses Wesen nur auf eine weitere Gelegenheit warten würde… ein Moment der Unachtsamkeit und er wäre verloren. Und selbst wenn er weiterhin Aufmerksam blieb… der Geist würde letztlich mehr Ausdauer haben als er, das war ihm klar. Sein Leben war in zweierlei Hinsicht verwirkt. Wieso also überhaupt noch fliehen?

 

,, Geht es euch gut ?“ Corinthis nickte. ,, Wie geht es von hieraus weiter ?“ er vertraute dem Inquisitor immer noch nicht, aber im Augenblick hatte er nicht wirklich eine Wahl. Nicht wenn er wieder in den kerkern landen wollte. Wenn er einen Grund brauchte um zu fliehen, dann den das er sicher nicht dort unten sterben wollte.

Das bräuchtest du nicht.. das bräuchtest du nie. Ich kann dir bei allem helfen.

,, Tote zurück holen kannst auch du nicht.“

Darauf wusste der Nardor wohl nichts mehr  zu erwidern und verstummte.

,, Wir müssen irgendwie aus der Stadt. Die Tore dürften unbewacht sein.“ , erwiderte Darcon und warf den Schlüsselbund durch die geöffnete Tür in die Küche. ,, Wenn sie den morgen finden, werden sie vielleicht denken, jemand hätt ihn verloren. Das bringt uns mehr Zeit, wie wenn plötzlich sämtliche Schlüssel fehlen.“

Corinthis nickte.

Sich immer im Schatten haltend überquerten sie den großen Platz und erreichten die Treppe, die hinunter in die Straßen Inglarions führte. Corinthis hätte gerne nach Keltor gesucht und sich von dem Mann verabschiedet. Nur damit der Händler wusste, dass er noch lebte. Aber das schien unmöglich. Sah man sie, wäre alles umsonst gewesen.

Kurz vor Sonnenaufgang erreichten sie endlich die Tore. Der Horizont war bereits in rötliches Licht getaucht und als die Sonne sich endlich über diesen erhob konnte man zwei Gestalten erkennen, welche die Stadt hinter sich ließen, durch die goldenen Felder in Richtung Grenze. Vor der Grenze jedoch lag Venthorn… die Stadt der Magier. Corinthis wusste nicht, wie lange sie Unterwegs sein würden, oder ob. Aber im Moment begnügte er sich damit, einen Fuß vor den anderen zu setzten und Inglarion hinter sich zu lassen. Und damit auch seine Vergangenheit…

Corinthsi existierte nicht mehr… Der Maler der einst diesen Namen getragen hatte, war verschwunden. Unfähig zu trauern und mit kochenden Zorn in den Andern ließ er die nebelverhangenen türme der Stadt hinter sich.

Es sollte eine lange Zeit dauern, bis er sie wiedersah.

 

Kapitel 20 See

 

 

 

 

Erneut strömte kalte Luft in seine Lungen, als ihn etwas aus dem Wasser zurückriss.

,, Seit ihr Wahnsinnig ?“

Nicht wahnsinnig.. aber Verzweifelt, dachte er. Das kalte Wasser hatte die rasende Stimme in seinem Kopf zumindest vorläufig wieder zum Schweigen gebracht.

 

Es war nun eine gute Woche her, das sie Inglarion verlassen hatten. Ihr erstes Ziel, so hatte Darcon erklärt, sollte wohl Venthron darstellen. Die Stadt lag in den Bergen die auch die Grenze zwischen Niob und dem Kaiserreich Ert bildeten  und wenn sie es über diese schafften, so meinte der Inquisitor wären sie wohl in Sicherheit. Außerdem rechnete wohl niemand damit, dass sie sich ausgerechnet in der am stärksten von Inquisitoren überwachten Stadt es gesamten Reichs aufhalten würden.

,, Und ihr glaubt nicht, das die uns einfach erkennen werden ?“

,, ich hoffe , wir sind schneller als die Nachricht von eurer Flucht dort, wenn der Kaiser überhaupt nach euch suchen lässt.“

,; Was meint ihr mit wenn er überhaupt nach mir suchen lässt ?“

,, Na ja, wie will der Kaiser das begründen ? offiziell seit ihr der Mörder seiner Nichte, aber er hat sicher kein Interesse daran, dass jemand anfängt darüber… nachzudenken.“

,, Und auf die Wahrheit kommt ?“

,, Richtig. Vielleicht wird er also gar nichts unternehmen.“

Corinthis schüttelte den Kopf und ging weiter, mittlerweile hatten sie die Gasfelder um Inglarion hinter sich gelassen und die ersten Ausläufer des Gebirges erreicht. Bis in die Wolken ragten die gewaltigen Gipfel auf, wie eine von einem Riesen geschaffene Mauer. An klaren Tagen konnte Corinthis in der Ferne die in ewiges Eis gehüllten Gipfel erkennen, die die Sonne reflektierten, als bestünden sie aus Diamant und auch auf ihrer Momentanen Route wurde es immer kälter. Sie folgten einem kleinen Pfad, der sich durch die Berge immer höher hinauf wand und sie nach Darcons Aussage direkt nach Venthron bringen würde.

,, Habt ihr das alles geplant ?“ , fragte Corinthis. Sein Atem hing als kleine Wolke vor ihm in der Luft.

Noch fror es nicht, aber wenn sie noch weiter hinauf mussten, würden sie sich wärmere Kleidung besorgen müssen. Nur wo, war die Frage.

,, Es ist der einfachste Weg.“ , erwiderte Darcon. Seine Inquisitionsrüstung hatte der Mann bereits am Fuß der Berge zurück gelassen und dort an einem Bauernhof gegen  ein Fellhemd eingetauscht.

Mittlerweile hielt aber auch dieses die Kälte nicht mehr ab und langsam aber sicher wurde es Dunkel, wie auch dem Inquisitor nicht entging.

,, Ich hatte gehofft heute noch Venthorn zu erreichen.“ , fluchte er. ,, Aber so… Im dunklen weiter den Berg hinauf zu gehen wäre mehr als dumm.“

,, Ich würde sagen, dann haben wir Glück im Unglück.“  , meinte Corinthis und deutete

Vor ihnen führte der Pfad ein kleines Stück bergab bis er einen Talkessel erreichte. Ein See, der von einem Bachlauf gespeist wurde lag im Zentrum des Tals  umgeben von einigen Bäumen.

Darcon ließ den Blick über den Kessel wandern. ,, Sieht tatsächlich gut aus. Los, kommt, wenn wir heute dort bleiben, sollten wir vor Sonnenuntergang unten sein“

Sie machten sich an den Abstieg und folgten dem Pfad der sie in Serpentinen bis hinab zum See führte.

Die kleine Wasserfläche lag wie ein Spiegel vor ihnen, in dem sich der Himmel abbildete.

,, Ich suche Holz.“ , meinte Darcon und verschwand  mit gezogenem Schwert, mittlerweile mehr eine Ersatzaxt,  in Richtung des Waldes. Oder besser gesagt der paar Bäume, die hier wuchsen. Als Wald ließ sich das wirklich nicht bezeichnen.

Der Inquisitor verschwand  rasch außer Sicht und Corinthis blieb vorerst allein am Wasser zurück.

Was ihm auch ganz recht war.

Seit Tagen quälte ihn die Stimme des Nardor nun mit zunehmender Intensität… und je mehr er sich den Worten des Dämons wiedersetzte,  desto schlimmer wurde es. Das Wesen hatte keine Macht über ihn. Zumindest glaubte er das. Aber die ständig bohrende Stimme, die seine Zweifel nährte und ihn mit Versprechungen lockte zehrte an seinen Nerven.

So auch jetzt wieder, während er sich an das Ufer des Sees setzte. Das Wasser war so klar, dass er bis auf den Grund sehen konnte. Es gab keine Flache Uferzone im See, nur bläuliche tiefe…

Vielleicht eine eingestürzte Höhle, die dann überflutet wurde überlegte er, während er langsam den Verband an seiner linken entfernte. Die Wunde verheilte erstaunlich gut und ohne die Anzeichen einer Infektion. Trotzdem erneuerte er den Verband regelmäßig.

Corinthis wusch den Blutgetränkten Lappen, der ihm als Notdürftiger Verband diente, im klaren Wasser des Teiches aus. Rote schlieren bildeten sich darin, nur um Sekunden später wie Schemen zu verschwinden.

Dann säuberte er Vorsichtig die Wunde, wo seine Finger gewesen waren. Seine Gedanken wanderten zurück…  Irgendwo musste er einen Fehler gemacht haben. Irgendwo hätte es einem Punkt geben müssen, an dem er etwas hätte anders machen müssen…

,, Da ist nichts, das ihr hättet tun können.“ Die vertraute, verhasste aber gleichzeitig sanfte Stimme des Nardor…  Zum ersten Mal meinte er, die Gestalt erkennen zu können… Ein Flirrender Schemen,der wenige Meter neben ihm am Ufer stand. Aus schwarzen Augen sah ihn die Gestalt an, verständnisvoll… aber auch voller Heimtücke.

,, Was wisst ihr schon.“ , erwiderte Corinthis. ,, Was wisst ihr überhaupt über  das Leben Geist ?“

,, Ich verstehe Schmerz, Schmerz ist eine universelle Lektion.“

,, Eine Lektion ? Ihr versteht wirklich nichts. Es geht um mehr, als daraus zu lernen. Vielleicht kann man aus allem etwas mitnehmen… aber hier geht es um die Ursache. Und die war ich. Ich allein. “

,, Und ihr glaubt, ihr hättet einen Fehler gemacht… eine Entscheidung anders treffen müssen ?“

Der Schemen schüttelte den Kopf. ,, Dann solltet ihr einfach aufgeben.“

,, und euch die Kontrolle überlassen ?“

,, Welche andere Wahl außer weitermachen habt ihr ? Keine.“

 ,, Ihr irrt euch schon wieder. Es gibt immer eine andere Wahl.“

Mit diesen Worten ließ sich Corinthis nach vorne fallen. Direkt ins eisige Seewasser.

Nein verfluchter Narr.

Die Stimme in seinem inneren kreischte, während der Schemen vom Ufer  ebenfalls ins Wasser gezogen wurde.  Die Kreatur schlug in seinem Geist um sich, versuchte irgendwie die Kontrolle zu bekommen. Auftauchen…

Wenn ich sterbe nehme ich dich mit, dachte er.

 

 

Plötzlich jedoch riss ihn etwas zurück ans Ufer. ,, Seit ihr Wahnsinnig oder so ?“

Erneut strömte Luft in seine Lungen und er erkannte kurz die Gestalt von Darcon, die damit beschäftigt war Holz aufzuschichten und ein Feuer zu entfachen. ,, Verrückt, das trifft es wohl ganz gut.“ , meinte er, als er sich langsam aufsetzte. Die Stimme des Nardors schwieg… zum ersten Mal seit einer sehr langen Zeit wie es schien.

Einen kurzen Augenblick lag er einfach nur da, den Blick gen Himmel gerichtet, an dem sich mittlerweile die ersten Sterne zeigten.

,, Ihr seid wirklich nicht mehr zu retten, oder ?“

,, Ich trage einen Dämon in mir. Egal was ich tue… eines Tages wir es mich umbringen. Oder  zumindest meinen Körper übernehmen.  Ich habe nicht wirklich vor, das zuzulassen.“

,, Die Inquisition hat irgend so etwas bemerkt. Ich dachte aber nicht, dass das mehr als ein Gerücht währe. Die Nardor haben sich seit Jahrhunderten nicht mehr gezeigt.“

Mittlerweile brannte das Feuer bereits kräftig genug um die Kälte zu vertreiben. Eine Weile sah der Maler nur ins Feuer… bis ihm etwas einfiel… etwas, das er fast vergessen hatte.

 Er zog einen kleinen durch das Wasser natürlich aufgeweichten bogen Pergament aus seiner Tasche.

Das unvollendete Bild von Nehalenie. Er wusste nicht, was ihn dazu getrieben hatte, das Bild mitzunehmen. Aber jetzt war es sowieso egal.

Das Pergament fiel fast auseinander und die Kohlezeichnung fast vollständig verlaufen. Mit einem seufzten warf er den Papierbogen ins Feuer.

,, Was war das ?“ , fragte Darcon.

,, Nichts.“ , erwiderte er. ,, Gar nichts. Ihr meintet vorhin, morgen würden wir Venthorn erreichen?“

,, Richtig und von dort aus ist es dann auch nicht mehr weit bis zur Grenze.“

,, Ich muss zugeben, dass ich nicht viel über die Stadt weiß, außer dass die Magier dort leben.“

,, Das ist auch so ziemlich alles, was ihr darüber wissen müsst. Und natürlich wimmelt es dort nur so vor Inquisitoren. Wir müssen einfach hoffen das wir vor jeglichen boten aus Inglarion dort sind. Ihr solltet allerdings vielleicht etwas wegen eurer Hand unternehmen. Fehlende Finger fallen auf.“ Corinthis nickte. Deshalb würde er sich noch etwas einfallen lassen. Langsam sah er zu, wie das Feuer herunterbrannte, dann stand er auf.

,, ich sehe mich noch etwas um.“ ,, So lange ihr nicht wieder isn Wasser fallt.“

,, Wisst ihr ich kann schwimmen.“

,, Dann habt ihr eben versucht…“

,, Belassen wir es dabei.“

 

Er entfernte sich rasch von dem kleinen Feuer, das bald nur noch ein winziger Lichtpunkt in der Ferne war. Corinthis wanderte am Seeufer entlang, ohne genau zu wissen, was ihn dazu trieb.

Die Sterne spiegelten sich im klaren Wasser und er ließ sich am Ufer nieder.

Die Stimme in seinem Kopf schwieg. Zumindest fürs erste. Er musste dem Nardor tatsächlich Angst gemacht haben und das gab ihm ein seltsames Gefühl der Genugtuung.

,, Angst ist ein menschliches Prinzip. Eine Illusion, die euch euer Geist vorgaukelt. Angst existiert nicht. Du hast es selbst bewiesen.“

Seltsam… wie dieses Wesen ihn belehren wollte.

,, Ich fürchte den Tod nicht das ist wahr. Ich habe keinen Grund mehr dazu. Baratas hat alles ausgelöscht was mir wichtig war. Aber Angst  ist doch letztlich einer der Grundpfeiler, die diese Welt erhalten. Ohne Angst wäre der Kaiser nichts. Ohne Angst gäbe es keine Autorität. Soviel hat Nehalenie mir beigebracht. Und selbst ihr seid dem Tod abgeneigt. “

,, Euer Ende ist auch mein Ende, so erbärmlich dieser Zustand auch sein mag.“

,, Und ihr fürchtet das Geist ? Könnt ihr überhaut sterben?“ ,, Nicht wie die Menschen nein.“

,, Wie dann ?“

,, Ihr stellt zu viele Fragen.“

,, Und ihr weicht aus, was will ich schon mit den Antworten ? Irgendwann bin ich ohnehin Tod. Oder Besessen oder was auch immer.“

,, Ich kann nicht im eigentlichen Sinne sterben. Lediglich wieder zurück hinter den Schleier geschickt werden. Aber das ist ähnlich. Aber ihr Menschen… ihr seid anders als wir und uns doch gleichzeitig so ähnlich. Ihr verleiht Gedanken Form… Zwingt der Welt Ordnung auf. Und wenn ihr sterbt, stibrt was ihr erschaffen habt nicht mit euch, es bleibt zurück, wie ein ewiges Echo eurer Existenz. Im Schleier gibt es nicht, aus dem wir unsere Gedanken erschaffen könnten. Nur leere. Es ist wie der Tod, den ihr so fürchten solltet und doch so wenig Grund dazu habt.“

,, Ihr seid neidisch ? Das ist es? Deshalb versucht ihr in diese Welt zu gelangen ?“ ,, Ihr seid vielleicht das erste Lebewesen, das dies je erkannt hat. Zerstörung ist die eindrucksvollste Art ein Zeichen zu hinterlassen.“

Corinthis schüttelte den Kopf. ,, Es gibt immer einen anderen Weg.“

Er stand wieder vom Ufer auf. Ein letztes Mal ließ Corinthis den Blick über den das Tal einschließenden Berggrat wandern, dessen schneebedeckte Gipfel im Mondlicht glitzerten.

Morgen würden sie Venthron erreichen, das sich irgendwo hinter diesen Bergen befinden musste.

Die Stadt der Zauberer… er hätte nie gerechnet, jemals so weit zu kommen. Und doch empfand er keine echte Neugier, keine Aufregung… nur eine ferne Kälte.

 

Corinthis  ließ den Blick bis zu dem Punkt schweifen, an dem noch immer die langsam ersterbende Glut des Feuers einen Lichtpunkt in der Landschaft bildete.

Konnte er Darcon wirklich trauen? Eine berechtigte Frage, wie es schien .

Er kannte die Antwort nicht. Allerdings… der Mann hatte alles riskiert um ihn zu befreien. Er sollte es also zumindest Versuchen. Wenn er ihm auch nicht vertrauen wollte, so könnte er ihn wenigstens Akzteptieren. Vor ihnen lag noch ein Stück Wegs. Vielleicht würde er sich wenn sie Niob erreichten von ihm trennen und alleine weiterreisen.

Doch wohin ? Es gab nichts mehr für ihn in dieser Welt. Keine Richtung… Corinthis konnte weglaufen, bis nach Niob über Dragonshire  und vielleicht weiter bis zu dem Punkt, an dem Calvadien erneut auf den Ozean traf. Aber wozu ?

Er hatte ein Versprechen gegeben, das er nicht halten konnte und eine Wunde in seinem Herz, die nie heilen würde…

 

Kapitel 21 Venthron

 

 

 

 

Venthron machte bereits aus der Entfernung einen abweisenden Eindruck. Hohe von dunklen Flechten überwucherte Mauern , die fast schwarz wirkten,  umschlossen den hochgelegenen Ort. Der Pfad dem sie folgten zog sich an einigen Berggipfeln entlang die Oberhalb der Stadt lagen und führte dann erst auf eine kleine gepflasterte Straße, welche zum Stadttor führte. Corinthis konnte sich Gebäude also aus der Vogelperspektive ansehen. Venthron war eine festung, allerdings eine mit einem einzigartigen Design. Auf den Mauern, die breit genug waren, das zwanzig Mann hätten bequem hinter einander stehen können ohne sich in die Quere zu kommen waren Ballisten montiert, die wohl jedem Angreifer sofort abgeschreckt hätten, wäre da nicht die Tatsache, dass diese nach innen gerichtet waren. Es ging nicht darum, irgendwelche eventuellen Feinde am Betreten der Festung zu hindern, sondern daran die Bevölkerung innerhalb der Mauern einzusperren.

Im Zentrum der Stadt befand sich ein einzelner großer Steinbau.

,, Wisst ihr, das dieser Ort hier einst eine Festung der ersten Welt war ?“ , fragte Darcon, während sie sich den Toren näherten. Ein schweres Fallgitter hing drohend über dem Bogen, den das Mauerwerk bildete und Corinthis musste sich fast zwingen weiterzugehen, bei der Vorstellung, was die scharfkantigen Spitzen wohl anrichten würden, wen sich zufällig jemand darunter befand und das Tor geschlossen wurde.

,, Nein, sagt einmal... die Magier leben frei in der Stadt ?“ In seinem Kopf hatte sich seit ihrem Aufbruch am frühen Morgen eine Idee festgesetzt. Umariel war Tage vor ihm hierher zurück gebracht worden und wenn sich die Gelegenheit ergab wollte er den Zauberer suchen.

,, Soweit ich weiß ja.“

Sie ließen die Tore hinter sich und betraten die Straßen von Venthron.  Allein an den ersten paar Häusern, einfache aus Holz gezimmerte Bauten, die wohl nur wenig Schutz vor der Kälte boten, zählte er mehr als ein Dutzend Inquisitoren. Die goldenen Rüstungen machten die grimmig dreinblickenden Gestalten unverkennbar und Corinthis achtete darauf, dass er seine linke Hand verborgen hielt. Die Verletzung würde ihn sofort verraten, wenn man nach ihm suchen sollte.

Er war selbst erstaunt, wie gut er mittlerweile mit den fehlenden Fingern zurechtkam. Natürlich hatte er Schwierigkeiten aber er gewöhnte sich rasch daran.

Zum Glück bin ich Rechtshänder, dachte er kurz und erntete eine sarkastische Bemerkung des Nardor. Seit seinem Beinahe-Tod im See gestern schien sich der Geist ruhiger zu verhalten. Zumindest versuchte das Wesen nicht mehr ihn mir irgendwelchen Versprechungen zu locken.

,, Wir werden für die Grenzüberquerung ein paar Vorräte brauchen.“ , riss ihn Darcon aus seinen Gedanken.  ,, Vor allem Wärmere Kleidung. Ich bin es leid ständig zu frieren.“ Corinthis nickte, auch wenn ihm die Kälte in den Bergen nicht so viel ausmachte. Trotzdem schauderte ihm bei den Gedanken, wie das Klima hier im Winter wohl sein musste.

,, Es gibt hier ein paar Händler, welche die Magier versorgen, dort sollte ich eigentlich alles bekommen. Es gibt da einige, die mir noch einen gefallen Schulden.“

,, Einen Gefallen ?“ , fragte Corinthis.

,, Lange Geschichte. Es gab da mal eine Bande von Dieben und Räubern, die diese Gegend unsicher machten. Die Magier bekamen fast keine Vorräte mehr und niemand wollte etwas unternehmen. Es ging ja nur um ein paar Zauberer, die den Winter nicht überleben würden. Also habe ich mich darum gekümmert.“

,, Alleine ?“

,, Wo denkt ihr hin. Die Inquisition mag manchem fanatisch erscheinen, aber wir schicken niemanden in den Tod.“

,, Die Zauberer sehen das sicher anders.“

,, Wie dem auch sei.“ , meinte Darcon abweisend. ,, Ich werde ein paar davon aufsuchen.“

,, Gut. Wisst ihr wo die Magier hier leben?“

Er hatte in der kurzen Zeit die sie sich innerhalb der Stadtmauern befanden einige der in Roben gekleideten Gestalten bemerkt, aber längst nicht so viele, wie er erwartet hatte. Und keine davon war Umariel.

,,  Seht euch um, ihr steht mitten drin. Aber ich denke die meisten befinden sich momentan innerhalb der Festung, das ist der große Steinbau den wir von oben gesehen haben. Aber seit Vorsichtig. Zauberer sind gefährlich.“

,, Bin ich. Und das sind Inquisitoren auch.“ , antwortete Corinthis.

,, Und besessene Maler.“ , verabschiedete sich Darcon

 

Er hatte keine große Mühe, die Festung zu erreichen. Das große Gebäude erhob sich weit über die kleinen Hütten und war deshalb von beinahe jedem Punkt der Stadt einsehbar. Wie eine Festung, die zur Verteidigung diente wirkte das ganze allerdings nicht. Kleine dunkle Fenster starrten Corinthis fast wie Augen entgegen, zu klein um daraus mit einem Bogen oder einer Armbrust zielen zu können, aber er konnte keinerlei Wehrgänge oder ähnliches erkennen.

Vermutlich sollte es die aber auch nicht haben um den Zauberern keine Rückzugsmöglichkeiten zu geben.

Der Zugang zur Festung bestand aus einer großen Treppe, die von oben her durch einen von Säulen gestützte Decke vor Schnee oder besser vor eventuellen Pfeilen aus Richtung des Steinbaus geschützt  war.

Am Ende der überdachten Treppe befand sich ein offen stehendes Holztor, aber noch bevor er dieses erreichte, war Corinthis offenbar bemerkt worden.

Eine kleine, in eine Robe gekleidete Gestalt in Begleitung von zwei Inquisitoren kam auf ihn zu.

Die Gestalt in der Robe erwies sich als eine ältere Frau, vermutlich eine Zauberin, die den Fremden neugierig musterte.  Die zwei Inquisitoren hingegen Schenken ihm fast keine Beachtung und Verfolgten hingegen jede Bewegung der Zauberin, den um eine solche Handelte es sich wohl, auf s Schärfste. Corinthis rechnete damit, dass die zwei bewaffneten nur auf den geringsten Anlass warteten die Magierin zu töten.

Diese jedoch schien davon ganz und gar nicht beeindruckt. ,, Sucht ihr etwas Reisender ?“ , fragte sie freundlich.

,, Ja… einen Zauberer namens Umariel. Ihr wisst nicht zufällig, wo ich ihn finden kann?“

Die zwei Inquisitoren schienen sich plötzlich doch für ihn zu interessieren und überwachten nun auch jede seiner Bewegungen. Und vor allem jedes seiner Worte.

,, Meister Umariel ist… beschäftigt fürchte ich.“

,, Bitte, es ist wichtig, das ich mit ihm sprechen kann. Ich bin den ganzen Weg von..“ Er zögerte. Corinthis wollte ihnen nicht zu viele Anhaltspunkte liefern. ,, … von Ethilion aus hierhergekommen um ihn zu sprechen.“

Die Zauberin seufzte. ,, Gut, ich.. kann euch gerne zu ihm bringen, aber ich fürchte er wird euch wieder wegschicken.“

,, Dann wüsste ich das wenigstens von ihm persönlich.“

Die frau nickte. ,, Folgt mir bitte. Und ihr zwei könnt gerne wieder auf eure Posten gehen. Ich habe hier alles unter Kontrolle.“ Corinthis musste grinsen, klang sie doch grade wie eine Großmutter, die mit ihren Enkeln schimpfte.

Und tatsächlich leisteten die zwei Inquisitoren der Anweisung folge und verschwanden im inneren der Festung.

,, So und nun folgt mir bitte.“ , meinte sie und Schritt vor ihm durch das offen stehende Tor.

Sie betraten eine große offene Halle , deren Decke in der Dunkelheit verschwand.

Vier große Säulen stützten das Dach ab und einige an den Wänden befestigte Fackeln erhellten den Saal.

Die Kälte von draußen war deutlich zu spüren, woran auch die dicken Wandbehänge und Teppiche nichts änderten. Stein speicherte keine Wärme und das spärliche Feuer, das in einem Kamin am anderen Ende der Halle brannte änderte daran auch nichts.

Einige schweigende Gestalten saßen  an einem langen Tisch vor dem Feuer. Es waren allesamt junge Leute.

Vielleicht Neulinge, überlegte Corinthis. Für diese musste es schwer sein, einfach aus ihren Familien gerissen und hierher gebracht zu werden.  Aber immer noch besser als das, was mit jenen geschah, die nicht dieses vermeintliche Glück hatten.

Seine Führerin öffnete eine niedrige Tür , die auf einen Gang hinausführte, der sich wohl an der Seitenwand des Gebäudes befinden musste . Eine Reihe kleiner, glasloser Fenster erlaubte einen Blick über Venthron hinaus, bot aber auch keinen Schutz vor der kalten Luft.

,, Geht einfach weiter den Flur entlang. Umariel sollte sich in der Bibliothek befinden. Die letzte Tür am Ende des Ganges.“

Mit diesen Worten trat die Magierin zurück in die Halle und verschwand, während Corinthis allein zurück blieb. Vorher hatte er nicht gefroren, jetzt jedoch wurde selbst ihm kalt. Die Stadt unter ihm erinnerte fast an ein Spielzeug, si irrsinnig weit weg wirkten die Gebäude. Entweder eine optische Täuschung, oder die Treppe vorhin war steiler gewesen, als er gedacht hatte.

Langsam lief er den kargen Gang entlang, in dem es nichts gab, außer den bloßen Stein aus dem die Festung bestand und kleinere Ansammlungen von gefrorenem Schnee.

Trotz der offensichtlichen Probleme dieses Orts überkam ihn eine gewisse innere Ruhe… ein in letzter Zeit unvertraut gewordenes  Gefühl. Und doch schien es als würden diese Mauern hier durch irgendeine unsichtbare Kraft pulsieren, die seinen Herzschlag verlangsamte und seine Gedanken wieder zielgerichtet werden ließ. Er erreichte das Ende des Flurs. Es gab nur eine einzige Tür und zögerlich klopfte Corinthis  an, bevor er eintrat.

Die Bibliothek erwies sich als ein Saal ähnlich der Eingangshalle, doch wo diese noch größtenteils leer gewesen war türmten sich hier Berge von Schriftstücken auf, Reichte sich Bücherregal an Regal…

Und es war totenstill, wie ihm langsam bewusst wurde.

,, Hallo?“ Seine Stimme verhallte zwischen den gewaltigen Regalreihen und er trat einige weitere Schritte in den Saal.

,, Ich hätte nicht Gedacht euch überhaupt wiederzusehen. Schon gar nicht so bald.“

 Aus den Schatten trat eine Gestalt, die Corinthis wiedererkannte. Nur trug der Zauberer diesmal keine Ketten und machte einen durchaus Gesünderen Eindruck. In den Händen hielt er ein schweres, vergilbtes Buch, das er nun vorsichtig bei Seite legte.

,, Umariel.“

,, Es ist äußerst gewagt von euch hierher zu kommen, meint ihr nicht auch ?“

,, Ich habe nicht vor lange zu bleiben. Mein Ziel ist die Grenze und dann weiter nach Niob.“ , erwiderte Corinthis ,, Eine kluge Entscheidung.“ Der Zauberer trat zwischen den Regalen hinaus und musterte ihn einen Augenblick. ,, Wie seit ihr entkommen. Ihr habt eure Seele noch nicht den Nardor verschrieben oder?“ , fragte er sarkastisch.

,, Ich vermute, ihr wärt jetzt schon nicht mehr am Leben, wenn dem so wäre.“ , antwortete Corinthis.

,, Das ist wahrscheinlich. Es ist alles ein riesiges Durcheinander…“ Corinthis  wusste nicht, ob sich Umariel auf ihn bezog  oder auf etwas anderes. ,,Also, wie seit ihr entkommen?“

,, Ein Inquisitor hat mir geholfen. Darcon ist sein Name.“

,, Darcon…“ Die Augen des Magiers verengten sich kurz zu schlitzen.

,, Kennt ihr ihn ?“

Umariel entspannte sich wieder. ,, Nein ich denke nicht. Der Darcon den ich kenne, würde euch nicht helfen. Aber ein Rat… wen ihr Niob erreicht seit trotzdem Vorsichtig. Und sollte es euch nach Dragonshire verschlagen, das Sternenauge befindet sich dort.“

,, Sonst noch etwas, das ich wissen sollte ?“

,, Ich denke, das wichtigste findet ihr schnell selbst raus. Aber was habt ihr jetzt vor?“

,, Ich weiß es nicht. In Inglarion habe ich nur an Rache gedacht… aber jetzt? Vielleicht kommt einmal der Tag, an dem ich heimkehre.“

,, Heim wohin ?“

,, Genau das… heim wohin... Ich habe jemanden ein Versprechen gegeben und weiß nicht ob ich es halten kann.“

Der Zauberer nickte Verständnisvoll. ,, ich weiß nicht wohin euch euer Weg führen wird. Aber irgendetwas sagt mir wir haben uns noch nicht zum letzten Mal gesehen.“

,, Das hoffe ich.“

Corinthis verabschiedete sich von dem Zauberer und machte sich auf den Weg aus der Festung.

Mittlerweile würde Darcon sicher mit den Händlern gesprochen haben und mit etwas Glück, wären sie bald außerhalb des Einflussbereichs des Kaisers.

Zum ersten Mal schien sich wieder so etwas wie Neugier in ihm zu regen. Würde Niob besser sein als Ert… oder würde er nur wieder auf das gleiche Bild stoßen…

Wenigstens waren die Zauberer dort frei, überlegte er.

Und das ist etwas Gutes?

Corinthis war überrascht  die Stimme des Nardor erneut zu hören, hatte das Wesen doch bisher geschwiegen.

,, Ich weiß es nicht.“

Warum antwortete er überhaupt.

Weil du es doch weißt. Ich habe euren Verstand studiert Corinthis und nichts als schwäche gefunden. Und doch… ihr habt Gedanken, die euch von anderen unterscheiden.

,, Gedanken ?“

Ideen. Ihr habt etwas an euch…

,, Von euch ist das nicht etwas, das mich beruhigen würde.“  Der Geist verstummte.

Von was sprach er? Corinthis wusste es nicht.

Nur eines wusste er… fürs erste hatte er wieder ein Ziel und das hieß Niob…

 

Kapitel 22 Niob

 

 

 

 

Die Reise über die Grenze war beschwerlich gewesen. Darcon hatte für sie Beide warme Kleidung besorgt, aber selbst die sollte bald nicht mehr ausreichen, als sie von Venthron aus ihren Aufstieg über die Gipfle des Gebirges begannen. Schnee und Eis soweit das Auge reichte und Wind, der gnadenlos durch die Kleidung schnitt und jede Bewegung noch quälender machte als die Kälte.

Jeder Schritt brach entweder durch die nur oberflächlich gefrorene Schneedecke oder löste eine kleine  Lawine aus. Aber sie hatten keine andere Wahl, als die Berge zu überqueren. Die Straßen und Handelswege wurden sowohl durch die Inquisition als auch durch die Männer aus Niob bewacht.

Fast einen Tag lang kämpften sie sich durch den Schnee, bis sie endlich wieder weiter hinabstiegen. Diesmal jedoch auf der anderen Seite der Grenze. In Niob.

Als sie den Schnee endlich hinter sich ließen, erlaubte Corinthis sich einen Moment stehen zu bleiben. Vor ihnen gingen die Berge langsam in eine flache Grasebene über, die sich bis zum Horizont erstreckte. Hier und da konnte er Wege erkennen, die sich durch die Landschaft zogen, wie die Spuren gewaltiger Räder.  Und ganz in der Ferne…

,, Ist das eine Stadt ?“ , fragte er Darcon und deutete auf die Schemenhaften Umrisse am Horizont.

,, Dragonshire.“ , erwiderte der Inquisitor. ,, Glaube ich zumindest.“ Es war immer noch so kalt, das ihr Atem als Wolke in der Luft stand, aber zumindest hatten sie den Schnee hinter sich. Und auf den Grasfeldern unter ihnen schien die Sonne.

,, Wir haben es geschafft.“ , sagte Corinthis. Und zum ersten Mal wurde ihm klar, dass das tatsächlich stimmte. Sie waren hier. In Sicherheit wie es schien.

Vielleicht würde das alles jetzt endlich ein Ende finden.

Sie brauchten noch fast einen weiteren Tag, bis sie endlich den Fuß des Berges erreichten, aber das machte nichts mehr. Für Corinthis war ab diesem Moment klar, dass sie es tatsächlich geschafft hatten. Am Abend fühlte er sich ruhig, wie seit langem nicht mehr während er am Feuer saß und in die Flammen starrte. Er hatte nachgedacht.

,, Würdet ihr mir beibringen zu kämpfen ?“

Die Frage schien den Inquisitor zu überraschen. ,, Wozu ?“ ,, Ich habe nicht vor für den Rest meines Lebens hier zu bleiben.“

,, Und stattdessen ?“

,, Ich weiß es nicht.“

,, Na ja ich kann euch sicher ein paar Grundlagen beibringen aber… ihr habt in Inglarion drei Inquisitoren getötet, bevor die sich auch nur rühren konnten.

,, Das war nicht ich. Das war der Nardor.“

,, Natürlich. Trotzdem…“

,, Vergesst es. War auch nur so ein Gedanke.“

 

Am nächsten Morgen Verliesen sie endlich die Hochebenen und Berge und erreichten die weiten Graslande, die Corinthis sofort wieder an die Gebiete um Inglarion erinnerten. Man konnte wörtlich Meilenweit sehen und die Stadt, bei der es sich um Darcons Aussage um Dragonshire handelte schien einfach nicht näher kommen zu wollen.

Noch dazu begegneten sie fast niemand. Abgesehen von einem einzelnen Händlertross, bestehend aus einem von einem einzelnen  Ochsen gezogenen Wagen, schien es, als könnte die Welt leer sein.

Ruhig….

,, Ich weiß nicht, aber irgendwie ist es hier schon fast zu ruhig.“ , meinte Darcon nach einer Weile.

Corinthis nickte. Anfangs war die Stille willkommen gewesen, aber langsam  wurde es beinahe unheimlich. Er blieb stehen und spürte. Der Wind fuhr durch die Grashalme. Aber da war noch etwas…

Darcon spürte es auch und zog sein Schwert.

Corinthis hingegen spürte wie der Nardor sich bemerkbar machte.

Wenn ihr kämpfen müsst…

Ihr helft mir?

Euer Tod wäre auch mein Ende.

Noch hielt sich der Geist auf Distanz.

Etwas raschelte im Gras hinter ihnen. Fast zeitgleich wirbelten Corinthis und der Inquisitor herum.

Etwas mit dunklem Gefieder flog auf. Ein Rabe, wie Corinthis feststellte.

Darcon begann zu lachen. ,, Der verdammte Vogel  hat mir vielleicht  einen Schrecken eingejagt.“ , meinte er erleichtert und ließ die Waffe sinken.

,, Wartet einen Moment.“ Irgendetwas ließ Corinthis noch immer misstrauisch bleiben und langsam trat er näher an die Stelle, wo der Rabe aus dem gras aufgeschreckt war.

Er schreckte zurück. ,, Verflucht…“

,, Was ist ?“ Darcon lief rasch zu ihm herüber… und erstarrte ebenfalls.

Vor ihnen lag ein halbes Dutzend kaum mehr zu erkennender Leichen im Gras, das sich bereits Gelb färbte. Und es war nicht nur der eine Rabe, der sich hier eingefunden hatte…

Schwärme von Fliegen schlugen ihm entgegen.

Corinthis wendete sich ab.

,, Was ist hier passiert ?“ , fragte er.

,, Ich weiß es nicht. Aber…“ Darcon untersuchte einen der Toten. ,, Völlig Verbrannt.“ , stellte er überrascht fest.

,, Sie wurden Verbrannt ?“

Der Inquisitor nickte. ,, Durch Magie wie es aussieht. Ich kene zumindest nichts, was sonst solche Verletzungen verursachen würde. Das kommt davon, wenn man Zauberern überhaupt keine Grenzen setzt.“

,, Ich dachte Magier seien hier einfach nur frei . Und dann tut jemand so etwas?“

,, Macht ist hier alles und Magier haben genug davon.“ , erwiderte Darcon. ,, Zumindest ist das das, was der Inquisition beigebracht wird. Ich hatte gehofft, es wären lügen.“

,, Und ich glaubte wirklich, hier könnte  es besser sein…“

 

Nach diesem Zwischenfall setzten sie ihren Weg schweigend fort, jeder seinen eigenen Gedanken nachhängend.

Vor allem Corinthis fand keine Ruhe.

Weshalb war er hierhergekommen? Um den Einfluss des Kaisers zu entkommen und dessen Willkür vielleicht endlich hinter sich zu lassen. Wenn diese Entscheidung auch für Nehalenie zu spät kam, so hoffte er doch wenigstens darauf wieder etwas Frieden finden zu können…

Und jetzt sah es so aus, als wäre es hier auch nicht besser.

Seine Gedanken wanderten zurück zu einer Idee, die ihn seit Venthron verfolgte….

Aber wie sollte er so etwas umsetzen.  Er wollte Gerechtigkeit doch fehlten ihm die Mittel, diese Einzufordern. Und Gerechtigkeit vergärt allzu oft zu Rache.

Vielleicht wäre es wirklich besser, einfach alles zu Vergessen und sich hier irgendwo niederzulassen.

In Gedanken bat er kurz Nehalenie um Verzeihung. Sein Versprechen würde er nicht halten können.

 

 

Gegen Nachmittag kam endlich Dragonshire näher. Corinthis  betrachtete die hoch aufragenden Mauern ohne besonderes Interesse.  Es war dasselbe wie in Inglarion oder in Venthron und vermutlich jeder anderen Stadt. Und mittlerweile begegneten sie auf der Straße auch wieder Reisenden. Händler mit ihren Karren, Bauern, Wanderer, Kutschen. Alles strebte in Richtung der großen Stadt.

Einen unterschied jedoch gab es: Eine kleine Gruppe bewaffneter Soldaten bewachte das Stadttor und überprüfte einzelne Reisende.

Eine der Männer hielt auch sie an und musterte vor allem Darcon einen Moment lang misstrauisch.

,, Ich seit nicht von hier, oder ?“ , fragte er düster.

Corinthis schätzte kurz ab, ob er sich eine Lüge würde leisten können. Aber so wie die Wachen dreinblickten, kannten sie die Antwort schon.

,, Nein, das stimmt. Wir kommen aus dem Kaiserreich Ert.“

,, Kaiserreich. Pah. Der Mann den ihr da als Kaiser bezeichnet ist nicht einmal den Titel Hund wert.“

,, Ich denke, da kann ich euch sogar zustimmen.“ , murmelte Corinthis.

,, Wir sind Flüchtlinge.“ , erklärte der Inquisitor.

Jetzt war der Wachmann erst recht misstrauisch. Seine Augen verengten sich zu schlitzen.

,, Flüchtlinge ? Das ist so ziemlich das erste Mal, dass ich so was höre. Wir hatten schon Händler, Spione und jede Menge Idioten, die einfach genug vom Kaiser hatten. Aber Flüchtlinge…“

Er musterte Darcon erneut. ,, Ich kenne euch irgendwo her, oder ?.“

,, Nicht das ich wüsste. Aber ich…“ , er zögerte, ,, war ein Mitglied der Inquisition.“

,, Ihr wart ?“ Darcons Worte schienen sein misstrauen nur noch zu steigern.

Das ist nicht gut, bemerkte der Nardor.  Corinthis musste dem geist wiederwillig zustimmen.

Wem sagt ihr das?

Lasst mich mit ihnen sprechen.

Ach ja und gleich danach Verzeihe ich dem Kaiser alles.

,, Ich war es… wir…“ Der Wachmann schien drauf und dran ihn festnehmen zu lassen.

Du hast keine Wahl.

Ich weiß da sich das bereuen werde.

Corinthis trat plötzlich vor. ,, Wir hatten gute Gründe um zu gehen.“

In seiner Handfläche flackerte plötzlich eine Flamme auf. ,, Sehr gute Gründe.“

Die Wachen schreckten allesamt zurück.

,, Also, können wir jetzt rein ?“

,, Geht…Ihr alle beiseite mit euch.“ Die Wachen traten zurück und ließen sie endlich passieren.

Aber noch während sie die Tore  durchquerten und auch noch eine ganze Weile danach spürte Corinthis ihre Blicke im Rücken. Der Nardor indes schien sich wieder in seinen Geist zurückgezogen zu haben.

Vielleicht würde all dies jetzt endgültig Enden. Er hatte genug.

,, Was werdet ihr jetzt tun ?“ , fragte Darcon als hätte er seine Gedanken gelesen.

,, ich weiß es nicht. Vielleicht eine Weile hier bleiben.“

Sie überquerten einen großen Platz, der Corinthis sofort an den Markt in Inglarion erinnerte. Sogar die Stände waren im gleichen Stil gebaut, wie in Ert. Nur eines war anders.

An der Nordseite des Platzes erhob sich ein riesiger Bau aus Stein. Ein wenig erinnerte es Corinthis an einen Tempel. Marmorne Säulen groß wie Bäume stützten ein großes Vordach unter dem zwei Haushohe Flügeltüren ins Innere das fensterlosen Gebäudes  führten. Ein halbes Dutzend Bewaffneter stand davor, aber offenbar nicht um jemanden am Betreten der Halle zu hindern.

,, Was ist das ?“ , fragte Corinthis. Irgendetwas an dem Gebäude war merkwürdig und er spürte die Nervosität des Nardor. Konnte es sein…

,, Ich glaube fast eine Art Tempel . ich würde da allerdings nicht reingehen. Wir haben für heute genug Aufmerksamkeit…“

Corinthis hörte ihm schon nicht mehr zu, sondern hatte den Platz bereits halb überquert.

,, Oder aber wir rennen einfach blind drauf los.“ Darcon folgte ihm mit einem entnervten Seufzten.

 

Das seltsame Gefühl wurde stärker, sobald er die ersten Stufen des Tempelaufgangs erreichte. Corinthis erkannte es wieder. Ähnlich war es auch in der Festung der Magier gewesen. Dieser Ort schien Ruhe auszustrahlen, fast als würde er einem dazu zwingen nachzudenken… innezuhalten.

Keine der Wachen hielt ihn auf. Vermutlich standen sie genauso unter dem Einfluss dieses Ortes wie er grade.

Hier auch nur laut zu sprechen erschien ihm schon wie ein Frevel, an was auch immer sich hier verbarg. Aber Corinthis glaubte die Antwort zu kennen, als er das innere betrat.

Sein erster Eindruck, dass der Bau fensterlos war, erwies sich rasch als Täuschung. Eine große Öffnung in der Rückwand erlaubte einem Lichtstrahl den Einfall in das Gebäude.

Staub, der zufällig durch diesen Lichtstrahl driftete glühte einen Moment wie Gold auf nur um im nächsten wieder in der Dunkelheit zu verschwinden. Aber… es gab ein klares Muster.

Es war, als würde alles in diesem Raum auf das Zentrum hinstreben, dort wo der Lichtstrahl auf ein kleines Podest traf. Der Staub… selbst der schwache kaum wahrnehmbare Windhauch, welcher die sternebestickten Wandbehänge zum Flattern brachte…

Alles wurde zu dem kleinen Gegenstand auf dem Podest hingezogen.

,, Das ist  es oder ?“ , fragte Corinthis leise. Und doch war ihm, als müsste seine Stimme für jeden im Raum hörbar sein.

Darcon gab keine Antwort.

Das Sternenauge. Corinthis verstand sofort, warum man keine bedenken hatte das Artefakt hier offen zu zeigen. Wer würde es wagen, sich diesem Gegenstand auch nur auf zwei Fuß zu nähern, müsste er doch befürchten vorher in Flammen aufzugehen.

Die Macht, die es ausstrahlte war, anders als beim Sonnenauge des Kaisers für jeden hier deutlich spürbar. Friedlich… aber das konnte sich ändern.

Corinthis schauerte bei dem Gedanken. Die Kanalisierte Macht von tausenden von Zauberern floss durch diesen Stein und erhielt von dort aus den Schleier aufrecht. Aber das war nicht alles nicht wahr…

Corinthis hatte am eigenen Leib erfahren müssen, wozu sich diese Steine noch nutzen ließen.

,, Gehen wir.“ , schlug der Inquisitor nach einer Weile vor.

Corinthis nickte.

Die Stille hier war nach einer Weile kaum noch zu ertragen und man wagte es fast nicht überhaupt noch zu atmen, aus Angst diese zu durchbrechen.

Langsam machten sie sich auf den Weg zurück aus dem Tempel und wieder auf den Platz davor.

Aber noch etwas erregte Corinthis Aufmerksamkeit. Der Nardor schwieg.  Hatte während der ganzen Zeit im Tempel geschwiegen.

Kurz vermutete er, dass dies wohl ebenfalls mit dem Auge zusammenhängen musste. Wenn es dazu erschaffen war, die Nardnor hinter den Schleier zurück zu halten, was würde dann wohl passieren, wenn einer es berührte…

 

Kapitel 23 Verrat

 

 

 

Fast geschafft, dachte der Alte, als er zum letzten Mal aus den Flammen aufsah.

,, Das war es also… der Teil der Wahrheit, die die wenigsten kennen.“

Einige der Fischer nickten. ,, Ich hatte ähnliche Geschichten gehört. Aber so…“

,,Ihr habt Mitleid?“

,, Ja. Es hieß immer… Der Mann der alles zu Fall brachte sei ein großer Krieger gewesen… kein gebrochener Mensch.“

,, Das kommt darauf an, wie ihr einen Krieger definiert.“ , erwiderte der Alte.  ,, Was ist schon körperliche Kraft ? Man muss den Mut haben etwas zu ändern. Und manchmal muss man erst die Gelegenheit dazu bekommen.“

 

Drei Tage waren sie jetzt hier. Drei Tage, in denen so gut wie nichts geschah. Corinthis hatte zumindest versucht, wieder so etwas wie ein… Leben anzufangen. Was blieb ihm auch übrig?

Er hatte sich Pergament und Zeichenkohle besorgt, war aber unfähig gewesen auch nur einen Strich zu ziehen. Vielleicht würde er das auch nie wieder können.

 Wie konnte man überhaupt nach so etwas wieder anfangen zu leben?

Er wusste es nicht.

Sie hatten sich in einem kleinen Gasthaus in Dragonshire eigemietet. Eigentlich hatte Corinthis gehofft die Mietschulden über Zeichnungen begleichen zu können. Aber für den Augenblick sah es so aus, als würde zumindest er am Monatesende einfach verschwinden müssen. Und dann…

Er wusste es nicht.

Zumindest eines hatte sich zum Guten Gewendet. Der Nardor schwieg und das schon seit er den Tempel das erste Mal betreten hatte. Der Geist war nicht verschwunden, das war ihm klar.

Aber er schwieg warum auch immer.

Darcon wiederum  hatte ein Zimmer weiter sein Quartier bezogen und schien weniger Probleme zu haben als Corinthis. Aber trotzdem war der Inquisitor schweigsamer geworden.

 

 

Corinthis schreckte aus dem Schlaf hoch. Schritte… normalerweise hätte er sich sofort wieder umgedreht. Aber irgendetwas stimmte nicht...

Er stand langsam auf und versuchte sich in der Dunkelheit zu orientieren, während er den Schritten lauschte. Irgendetwas ließ ihn unruhig werden.

Steh auf und sieh nach oder lass es.

Es war das erste Mal seit einer gefühlten Ewigkeit, das sich der Nardor das letzte Mal bemerkbar gemacht hatte. Aber Corinthis musste dem Geist zustimmen.

Er hatte nur diese zwei Möglichkeiten.

Langsam und so leise wie möglich  stand er auf.  Das Zimmer befand sich im oberen Stockwerk des Gasthauses und durch ein offen stehendes Fenster viel Mondlicht herein, das ihm erlaubte, sich kurz zu orientieren.

Viel gab es hier außer dem Bett ohnehin nicht. Ein kleiner Tisch, ein Stuhl…

Und natürlich die Tür. Die Holzbretter aus denen diese Bestand waren schlecht gefügt und durch die Lücken konnte er erkennen, wie ein Schatten draußen vorbeihuschte gleich darauf gefolgt vom Knarren der Treppenstufen.

Corinthis wartete einen Moment ab um sicher zu sein, dass wer immer dort draußen herumschlich, vermutlich sowieso nur ein Gast, der früh abreiste redete er sich selbst ein. , ihn nicht sah.

Du weißt dass das nicht stimmt.

Wieder musste er  dem Geist Recht geben.

Vorsichtig öffnete er die Tür und trat hinaus auf den Flur. Es gab neben seinem noch vier weitere Zimmer und, sofern er nicht verschlafen hatte, wie jemand die Treppe hinaufgelaufen war, so war musste der Schatten aus einem davon gekommen sein.

Er brauchte auch nicht lange um herauszufinden aus welchem. Es gab nur eines, bei dem die Tür offen stand. Darcons, wie ihm schnell klar wurde.

Das bedeutete gar nichts, redete er sich selbst ein. Es ging ihn nicht wirklich etwas an, ob der Inquisitor mitten in der Nacht verschwand. Jedoch…

Seine Neugier war stärker. Vorsichtig trat er durch den genauso spärlich eingerichteten Raum um.

Auf den ersten Blick fiel ihm nichts Besonderes auf. Das Mondlicht von draußen tauchte alles in silbriges Licht, in dem er die Umrisse der wenigen Möbel gut erkennen konnte.

Dann jedoch fiel es ihm wie Schuppen von den Augen.

Das  Zimmer war vollkommen leer. Kein Rucksack, keine Kleidung oder das Schwert des Inquisitors waren zu sehen…

Gut er hatte genug, dachte er, es ist sein gutes Recht zu verschwinden.

Und das glaubst du wirklich?

,, Nein.“

Das Geräusch einer ins Schloss fallenden Tür von draußen ließ ihn erneut Aufmerksam werden.

 Er sah aus dem Fenster, das wie er wusste über dem Eingang des Gasthauses lag. Vor dem Fenster selbst befand sich ein kleines Vordach, so dass er nicht erkennen konnte, ob jemand das Gebäude betreten oder ob es grade jemand verlassen hatte, der noch im Schutz des Dachs stand.

Es gab nur einen Weg sicher zu gehen. Vielleicht, redete er sich ein, vielleicht würde sich seine Bedenken, das was auch immer ihn hatte wach werden lassen, gleich zerstreuen.

Trotzdem musste er nachsehen. Corinthis lief rasch wieder aus dem Zimmer und hastete die schmale Treppe hinunter. Vermutlich weckten spätestens seien Schritte jetzt jegliche anderen Gäste, aber im Augenblick war ihm das egal.

Als er durch die Tür nach draußen stürzte…

Bohrte sich ihn etwas zwischen die Rippen. Ungläubig starrte er auf das Messer.

Und auf die Hand die es hielt. Darcon.

,, Warum…“

,; Weißt du, dir ist das alles vielleicht wie eine riesige Pechsträhne vorgekommen. In Wirklichkeit ar es alles ein abgekartetes Spiel.“

Der Inquisitor ließ die Klinge los und Corinthis stürzte zu Boden.

,, Wir brauchten nur eine Gelegenheit. Eine einzige Chance an den Stein zu gelangen. Und die habt ihr uns geliefert. Niob ist misstrauisch fremden gegenüber, besonders in Dragonshire. Aber wenn man einmal drin ist…

Darcon drehte sich ohne ein weiteres Wort um und verschwand in der Nacht. In Richtung des Marktplatzes…. Und natürlich des Tempels.

 

Corinthis verfluchte sich selbst als er das Messer langsam aus der Wunde zog. Die Waffe fiel ihm aus der Hand und landete klirrend auf dem Boden.

Der Schmerz war nur halb so schlimm wie das Gefühl völlig versagt zu haben. Hatte er überhaupt etwas richtig gemacht?

Es gab so viele Gelegenheiten, an denen es ihm möglich gewesen wäre kehrt zu machen… einfach aufzuhören.

Von der Möglichkeit den Auftrag des Kaisers abzulehnen bis zu dem Moment,  an dem ihn der Inquisitor befreit hatte… nur um über ihn nach Niob gelangen zu können…

Und nun sollte es also so Enden. Er machte einen halbherzogen Versuch aufzustehen, der allerdings nur zur Folge hatte, das er erneut zu Boden stürzte.

,, Hilfe… irgendjemand…“ Seine Stimme hallte durch die dunklen Straßen. Es gab niemanden der ihn hören konnte… und selbst wenn. Die meisten würden einfach weghören. Es gab nichts Besseres als einfach wegzuhören wenn man Überleben wollte.

Er würde hier sterben…  als kompletter Verlierer. Und das einzige was ihn beschäftigte war, was er hätte anders machen können…

,, Nichts.“ Seltsam, wie freundlich die Stimme des Nardor klang… Nicht mehr umschmeichelnd oder fordernd… nur simple freundliche Akzeptanz.

,, Woher wollt ihr das wissen…“

,, Ich weiß es nicht. Aber es waren eure Entscheidungen. Und ihr solltet dazu stehen. Ich habe es euch erklärt. Ihr habt es Versucht und das ist mehr wert als alles andere. „

,, Ich habe Versagt.. an allem. Wenn das Auge dem Kaiser in die Hände fällt verhindert nichts mehr einen Krieg. Es wird sogar schlimmer als vorher.“

,, Dann steht auf und ändert etwas daran.“

Er lachte laut auf.

,, Wie ?“

,, Tut es einfach.  Ihr habt doch alles, was ihr brauch.“

Etwas veränderte sich. ,, Versucht es einfach…“ Der Geist drängte ihn zurück…

Seine Hände bewegten sich ohne eigenes Zutun, zwangen ihn, sich vom Boden weg zu stemmen, egal wie groß die Schmerzen waren. Bis er schließlich wieder auf den Beinen stand…

,, Danke“ , keuchte er. Die Wunde, die der Dolch hinterlassen hatte Schmerzt noch… aber als er die Hand wegnahm klebte nicht wie er erwartet hatte Blut daran… Die Verletzung selbst schien  zu verschwinden, genau wie es der Nardor tat, wie Corinthis feststellte. Als würde der Geist seine eigenen Substanz nutzen um ihn zu retten…

,, Wieso ?“

,,Es ist egal wieso.  Sorgt nur dafür, dass diese Welt uns niemals wieder vergessen kann. Om zum guten, oder zum schlechten, das überlasse ich euch.“

Mit diesen Worten… verschwand der Nardor. Es war  als hätte sich plötzlich etwas aus seinem Verstand gelöst, das dort schon immer seinen Platz gehabt hatte. Etwas, das ihn gelähmt und verunsichert hatte.

,, Willst du jetzt rumstehen und dich wundern, oder etwas tun ?“ , fragte eine sarkastisch klingende Stimme…  Seine eigene, wie er erleichtert feststellte.

Er wusste, was er zu tun hatte. Wenn schon sonst nichts, so konnte er zumindest Darcon aufhalten.

Und da war sie wieder, diese eine Idee, fast vergessen,  aber  immer noch da.

Die Idee, die ihn dazu getrieben hatte den Inquisitor zu bitten ihn den Kämpfen beizubringen.

Langsam hob er den Dolch vom Boden auf. Besser als nichts war die Waffe allemal.

 

 

Der Markplatz lag verlassen im Mondlicht  vor ihm. Nichts rührte sich auf der weiten freien Fläche. Freilich tauschte das, wie Corinthis wusste. Darcon musste bei seinem Vorsprung längst hier sein.

Langsam näherte er sich der großen Halle am Nordende. Diesmal jedoch blieb das Gefühl der Ruhe und des Friedens aus. Etwas ließ ihm die Haare zu Berge stehen, als er die Stufen zum Eingang hinaufstieg und den weiten Saal betrat. Ein einzelner Strahl Mondlicht traf auf das Podest im Zentrum des Tempels. Dort wo normalerweise die schwarze Kugel gelegen hätte war nur leere.

,, Beeindruckend, das ihr es bis hierher geschafft habt. Ich dachte nicht, das ihr wieder aufsteht.“

Corinthis spähte in die Dunkelheit  ohne jemanden entdecken zu können.

,, Ihr wärt überrascht.“

,, Das glaube ich nicht. Wie dem auch sei. Ihr kommt zu spät. “

Corinthis versuchte herauszufinden, woher die Stimme kam, während er den Griff des Messers fester umklammerte. Ihm war klar, dass er nur eine Chance bekommen würde. Wenn es Corinthis nicht gelang, Darcor in der Dunkelheit zu finden, bevor dieser ihn entdeckte…

,, Wo seit ihr ?“ , flüsterte er in die Dunkelheit.

Ein plötzliches Leuchten zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Darcor stand vor einer Säule, das Sternenauge in der Hand, das begonnen hatte, wie die Sonne selbst zu glühen.

,, Es ist so einfach zu kontrollieren…“ Darcor schien mehr mit sich selbst zu sprechen als mit ihm.

Das glühen schien noch heller zu werden.

,, Was tut ihr ?“

Der Raum selbst um den Inquisitor  schien sich plötzlich zu verformen, als hätte sich eine Seifenblase um ihn gebildet. Einen Moment lang hielt sich der Eindruck noch… dann raste eine Schockwelle  durch die Mauern des Tempels. Einige der großen Säulen wurden zerschmettert und stürzten ein.

Spätestens jetzt, dachte Corinthis, der sich grade noch rechtzeitig vor einigen fallenden Steintrümmern in Sicherheit brachte, musste wohl jeder in der ganzen Stadt wissen dass etwas nicht stimmte. Stellenweise stürzten die Außenmauern ein.

Corinthis wusste nicht, was der Inquisitor mit dem Stein gemacht hatte, aber ihm war klar, dass er keine bessere Chance mehr bekommen würde.

Es war gewagt… aber mit etwas Glück konnte es funktionieren.

Corinthis zielte mit dem Dolch. Die Klinge war nicht ausbalanciert und würde vermutlich nicht sehr weit fliegen. Aber das musste sie ja auch nicht.

Das Messer segelte durch die Luft… und erwischte den Inquisitor an der Schulter. Mit einem Aufschrei ließ dieser die Kugel los. Diese rollte über den Boden, bis Corinthis sie mit dem Fuß anhielt.

Vorsichtig hob er das dunkle Glas auf. Der Sturz hatte es nicht beschädigen können.

,, War es das wert ? Das alles ?“ , fragte er. Der Maler spürte die Macht die von der kleinen Kugel in seiner Handfläche ausging. Macht, die nur darauf wartete, genutzt zu werden…

Aber nicht so.

,, Ja.“ , schrei Darcon, der es allerdings nicht wagte, sich von der Stelle zu rühren.

Corinthis schüttelte den Kopf. ,, Das ist nur ein Stück Glas.“ , sagte er, auch wenn ihm klar war, das es viel mehr war als das. ,, Und ihr wart bereit dafür zu morden. Nicht einmal um es für euch selbst zu holen. Nein für euren verdammten Kaiser. “ Das Glas fing wieder an zu glühen.

Er wendete dem Mann den Rücken zu und versuchte sich wieder zu beruhigen.

,, Vielleicht. Was habt ihr jetzt vor?“ , fragte Darcon. Draußen hörten sie aufgeregte Rufe.

Corinthis  ging in Richtung einer der Bruchstellen in den Mauern des Tempels.

,, Ein Versprechen einlösen.“ , erwiderte er. ,, Ihr könnt sehen, wie ihr entkommt. Oder lasst es, wenn ihr einmal etwas Richtiges tun wollt.“

Mit diesen Worten verschwand er nach draußen.

 

Kapitel 24 Aufstand

 

 

 

Er hörte wie sich die Tür öffnete der Bibliothek öffnete.

Umariel sah von dem Buch auf, das er grade gelesen hatte und legte es Beiseite.

Die Bibliothek von Venthron lag Still und Verlassen dar. Es war jetzt fast einen Monat her, das Corinthis die Stadt der Magier verlassen hatte und der Zauberer hatte kaum noch an den Maler gedacht. Eine bedauernswerte Geschichte… aber nur eine von vielen.  Er erinnerte sich kurz… heute vor einem Jahr musste er dem Maler das erste Mal über den Weg gelaufen sein. Also rückte wieder einmal die Zeit der Krönungsfeierlichkeiten näher. Er schüttelte sich bei dem Gedanken.

Langsam stand Umariel von dem Stuhl auf, auf dem er gesessen hatte.

,, Wer… ?“ Er drehte sich zur Tür um, bekam aber nur noch mit, wie diese wieder ins Schloss fiel.

,, Hier.“

Umariel wirbelte erneut herum um zu sehen, dass  jemand auf seinem Stuhl saß.

,,Corinthis ?“ Als er ihn das letzte Mal gesehen hatte, schien der Maler am Ende zu sein. Ein Mann, der nicht mehr wusste, wohin er sollte und sich noch dazu mit dem bösen Geist in seinem inneren Quälte. Und etwas davon war sicher in der Gestalt vor ihm zurückgeblieben. Doch gleichzeitig war da etwas Neues.

Der Mann der so ruhig dasaß hatte nur noch wenig mit dem Corinthis gemein, der einst nach Inglarion ging um dort als Maler zu arbeiten.

,, Wie kommt ihr hier herein ?“ , fragte der Zauberer.

,, Könnte ich euch nicht das gleiche fragen ?“ , antwortete er und stand langsam auf. ,, Wisst ihr, es gab einmal einen Mann, der glaubte das sich nie etwas verändern ließe. Nicht durch ihn. Dieser Mann starb eines sehr langsamen Todes. Ich erkenne heute, dass diese Annahme eine Lüge war.

Das gesamte Kaiserreich basiert auf einer. Auf einer Lüge, die es Menschen erlaubt, sich zu Göttern zu erheben. Und heute stehe ich vor euch. Um euch eine einfache Frage zu stellen. Wenn es jemand wagen würde die Lüge zu offenbaren, auf wessen Seite würdet ihr stehen?“

Umariel wurde bleich. ,, Was ist mit euch passiert ? Was… Was habt ihr vor?“

,, Etwas, das schon viel zu lange auf sich warten lässt. Und ich erbitte die Hilfe der Magier. Ich weiß was euch hier angetan wird und ich war in Niob und es war nicht besser. Freiheit ist nicht immer das oberste Maß aller Dinge, aber  Mord kann es noch viel weniger sein.“

,, Corinthis… was ist mit euch passiert ?“ ,, Ich bin gestorben Zauberer. Gestorben in dem Moment in dem ein Pfeil Nehalenies Herz durchbohrt hat. Es dauerte nur eine Weile, bis ich es erkannte. Der Nardor  nährte sich lediglich an diesem Tod.“

,, Schön“ , offenbar nahm ihn der Zauberer nicht richtig ernst, ,,  Und ihr seid jetzt was ?“

,, Ein Versprechen. Der Geist der Rache.“

,, Ach kommt schon, wisst ihr wie verrückt das klingt ? Ihr wollt euch alleine gegen den Kaiser stellen.“

,, Nicht alleine, nein.“ Er hielt einen runden Gegenstand von der Größe einer Murmel hoch.

Die Oberfläche war pechschwarz mit einer einzigen hellen sternförmigen Verfärbung.

,, Ist das…“

,, Werdet ihr mir helfen ? Und noch wichtiger, werden die Magier mir helfen?“ , fragte Corinthis erneut.

,, Wie seit ihr da ran gekommen ?“ ,, Darcon war ein Verräter und hat Versucht sie aus Niob zu stehlen. Ich habe sie an mich genommen. Niemand hat ein Anrecht auf eine solche Macht.“

,, Auch ihr nicht.“

,, Ich habe sie nicht gewollt. Wenn ihr denkt, ihr wüsste, wie man damit umgeht, dann bitte.“

Er hielt ihm die Kugel hin. ,, Nehmt sie. Aber bedenkt, das auch der Kaiser diese Skrupel nicht kennt.“

Der Zauberer trat fast ängstlich zurück.

,, Behaltet sie…“

,, Also, werden die Zauberer auf meiner Seite stehen ?“ ,, Bei was ? Nur wenigen ist es gestattet Venthorn zu verlassen.“

,, Aber alle davon  werden bald in Inglarion sein.“ , erwiderte Corinthis.

,, Wie meint ihr das ?“

,, Ich habe die letzten Wochen nicht nur damit verbracht wieder hierher zu kommen.“

Er erläuterte dem Zauberer den Plan. Und während er das tat verschwand das Misstrauen aus den Augen des alten Mannes.

,, Er kann das nicht ablehnen nicht in der Öffentlichkeit. Aber… wenn wir das tun gibt es kein zurück. Es muss Erfolg haben und es gibt keinen zweiten Versuch. Was soll ich den anderen Zauberern sagen, was wir tun?“ ,,Das ist einfach.“ , erwiderte Corinthis. ,, Ich glaube das nennt man Revolution.“

 

In den nächsten Wochen machten beunruhigende Meldungen die Runde in den Straßen von Inglarion, das sich erneut auf die Krönungsfeierlichkeiten vorbereitete. Berichte über einen Mann, dem zwei Finger fehlten. Schließlich erreichten diese Gerüchte selbst den Palast.

Und natürlich auch die Nachricht die Magier und deren seltsame Bitte.

,, Das kann nicht sein.“ Der Kaiser lief im Thronsaal auf und ab, während Beris , Qydro Nachfolger als Kammerherr und Berater , versuchte ihn zu beschwichtigen.

,, Vielleicht ist es nichts.“

,, Haltet mich nicht für einen Narren. Darcon hat Versagt, sonst wäre er nicht hier. Die Frage ist nur… was will er ?“

,, Genau darauf will ich hinaus Herr. Was soll ein Mann schon tun? Jemand ohne Einfluss, wir reden hier praktisch von einem Bauern.“

Der König sah plötzlich auf. ,, Ein Bauer ja. Aber jeder Schachspieler weiß, dass auch ein Bauer reicht um einen König zu stürzen, wenn alle Figuren günstig stehen.“

,, Dann würde ich vorschlagen, das ihr die Feierlichkeiten verschiebt. Haltet euch  raus und vermutlich hat sich in ein paar Wochen alles von selbst erledigt. Sie können euch hier nicht angreifen. Selbst wenn dieser.. Corinthis irgendwelche Verbündete hat…“

,, Ich kann die Bitte der Magier nicht ablehnen.“ , erwiderte der Kaiser.

Der Kammerherr schüttelte den Kopf. , Das passt alles viel zu gut. Und jetzt auch noch das. Die Zauberer von Venthorn möchten euch offiziell die Treue schwören…“

,, Ich weiß selbst das da etwas nicht stimmt. Aber ablehnen? Damit würde ich mich nur selbst bloßstellen.“

Der Kaiser sah durch ein kleines Fenster hinaus in den Garten, welcher den Thronsaal umschloss.

Bäume, ein künstlicher Bauchlauf und dahinter… die schützenden Mauern des Palastbezirks.

Er würde sich sicher nicht von einem Gerücht zum Narren halten lassen. Nicht er.

,, Gebt einen Befehl an alle Inquisitoren raus. Sie sollen die gesamte Stadt überwachen und nach einem Mann ausschauhalten, dem zwei Finger fehlen. Wenn Corinthis so dumm ist irgendetwas zu versuchen, werden wir ihn finden. Dann können wir endlich mit dieser Geschichte abschließen.““

,, Jawohl.“

,, Und  Beris… ich möchte ihn nur Tod.“ Der Kaiser wendete sich wieder vom Fenster ab.

 

 

Keltor eilte durch die im Dunkeln liegenden Gassen von Inglarion.  Seit Corinthis verschwinden hatte er nichts mehr von dem Maler gehört, außer dass dieser Gefangen worden war… wegen Mordes.

Natürlich war der Kaufmann nicht so dumm, das einfach zu glauben. Aber jeder Versuch seinerseits auch nur das Geringste Herauszufinden, sei es durch Bestechung der Wachen oder  Nachfragen bei den Bediensteten des Palastes stießen auf taube Ohren.

Mittlerweile hatte Keltor die Hoffnung fast schon aufgegeben und er musste nun fast stündlich mit Besuchen der Inquisition rechnen. Seine Beteiligung an der wohl gescheiterten  Flucht von Corinthis und Nehalenie  hatte man nicht vergessen und seien sämtlichen versuche, zumindest die Händler dazu zu bringen eine Erklärung vom Kaiser zu fordern waren gescheitert. Natürlich hatten alle Angst.

Doch jetzt gingen Gerüchte durch die Straßen… äußerst seltsame Nachrichten, dass ein Großteil der Zauberer aus Venthron zu den anstehenden Feierlichkeiten in die Stadt kommen würde.

Und nun waren auch noch überall Inquisitoren auf der Straße, so dass es fast unmöglich wurde den Gestalten in en goldenen Rüstungen auszuweichen.

 

 

Er erreichte die Straße, in der sein Haus lag. Eine ruhige Gegend unweit des Markplatzes.  Wenigstens hier würde er seine Ruhe haben, dachte er.

Keltor blieb verwirrt stehen. Die Tür war nur angelehnt und öffnete sich auf eine Berührung hin.

Seltsam. Er war sich fast… nein er war sich sicher dass er sie verschlossen hatte.

Nach alle dem war ein Einbruch das letzte, was er gebrauchen konnte. Oder vielleicht hatte auch die Inquisition seit Haus durchsucht, zu erwarten gewesen wäre das ja. Er schüttelte nur den Kopf.

Vorsichtig und auf alles gefasst trat er durch die offene Tür, in den nur spärlich beleuchteten Flur. Am Ende des Ganges lag ein kleines Zimmer mit einem Ofen.

Erstaunlicherweise sah er, wie rötlicher Feuerschein ihm aus genau diesem Raum entgegenschimmerte. Jemand war entweder vor nicht allzu langer Zeit hier gewesen… oder war es noch.

,, Ist dort jemand ?“ er merkte wie seien Stimme zitterte und versuchte es noch einmal. ,, Hallo ?“

Keltor trat in den kleinen Raum. Ein Schatten öste sich von der Wand.

,, Ich dachte schon ihr hättet die Stadt vielleicht verlassen. Das wäre dann wohl ziemlich unpassend gewesen.“ Der Mann schien wirklich erleichtert zu sein ihn zu sehen…  ,, Es war wirklich nicht immer einfach den ganzen Inquisitoren auszuweichen.“

,, Corinthis ? Das gibt es doch nicht…“ Kurz hätte er den Freund am liebsten Umarmt.. besann sich dann aber eines Besseren. Der Mann , der dort im unsteten schein des feuerst stand war nicht mehr der, den er einst  vor nun fast sechs Jahren kennengelernt hatte. ,, Was macht ihr hier ?“

,, Ein Versprechen einlösen Keltor.“ , erwiderte Corinthis, der zum Erstaunen des Kaufmanns eine Robe trug, wie er sie nur von den wenigen Magiern kannte, denen er bisher begegnet war . ,, Werdet ihr mir dabei helfen ?“

,, Was genau habt ihr vor ?“

,, Das ist einfach. Die Zeit des Kaisers ist schon lange vorbei Keltor. Und morgen werden wir sie endgültig beenden. “

,, Corinthis… habt ihr eine Ahnung, wie verrückt das klingt ?“

,, Sehr. Aber das haben die Magier anfangs auch gesagt.“

,, Die Magier… deshalb also… Es hieß sie würden nach Inglarion kommen um den Kaiser dieses Jahr persönlich die treue zu schwören. Das ist nicht der Fall oder?“ Keltor kniff die Augen zusammen, als könnte er Corinthis nicht richtig sehen oder versuchte ihn einzuschätzen. ,, Niemand wird dem Kaiser je wieder die Treue schwören können.“ ,antwortete dieser nun. ,, Aber wir haben nur diese eine Chance. Ich setzte alles auf eine Karte. Wenn ihr mir helft.“

,, Ihr wollt das also tatsächlich tun…“

,, Aber dazu brauche ich euch alter Freund. Euch und einige andere. Wenn wir jetzt nicht handeln, dann nie. Dann gehe ich nach Niob zurück und alles kann ein Ende finden. Oder ihr entscheidet euch mir zu helfen.“

,, Wie  lautet der Plan ?“ Und so erklärte Corinthis Keltor, was er zu tun beabsichtigte und wie seine Aufgabe dabei aussehen würde. Und während er zuhörte wuchs Keltors Zuversicht. Vielleicht würden sie keinen Erfolg haben. Aber dann wäre das nicht ihre Entscheidung.

 Einige Stunden später sah man eine Gestalt in der Robe eines Magiers, welche das Haus in Richtung des Palastbezirkes verließ. Kurz darauf folgte Keltor, der die entgegengesetzte Richtung einschlug.

Er wusste, was er zu tun hatte.

 

Als die Sonne am nächsten Tag über Inglarion aufging lagen die Straßen ruhig dar. Ein einzelner Rabe kreiste über dem Palastbezirk  und hielt nach etwas Ausschau. Nicht nach den Arbeitern, die bereits damit begonnen hatten, alles für den Abend aufzubauen und auch nicht nach den zahlreichen Adeligen, die trotz der noch frühen Stunde bereits eingetroffen waren. Die Aufmerksamkeit des Vogels galt ganz allein einer kleinen Gruppe in Roben gekleideter Gestalten, die sich möglichst von allem fern hielten. Unter einer dieser Kapuzen funkelten Corinthis Augen hervor und suchten den Platz ab.

,, Noch könnten wir alles abrechen…“ , schlug Umariel vor.

,, Beruhig euch. Es wird funktionieren.“ , erklärte  der Maler.

Zumindest hoffte er das. Bis zum Abend blieben noch mehrere Stunden. Und bis dahin musste er sicher sein.

Und das solltest du besser auch, meinte eine sarkastische Stimme. Nicht die des Nardor… der Geist war endgültig weg. Aber seine eigene. Er spürte, wie sich seine Hand um den Kristall in seiner Tasche schloss. Das war das Herzstück des Plans.

Dann wanderte sein Blick wieder hoch zur Tribüne. Und natürlich, das er dazu kam zu Sprechen. Keltor würde seinen Teil erfüllen. Aber hier hing alles von ihm ab.

 

Kapitel 25 Das Ende

 

 

 

Feuerwerkskörper detonierten über ihm am Himmel und tauchten den ansonsten weißen Marmor des Platzes in farbiges Licht, Grün, Gelb, Rot… Die grellen Farben blendeten ihn selbst unter der Kapuze der Robe.

Es war wie damals. Fast war es ihm als könnte er die Phantome erneut über den Platz tanzen sehen…

Und hier stand er nun wieder… auf den Tag genau ein Jahr später. Eine einzelne Träne fand noch ihren Weg aus Corinthis Auge. Sonst nichts. Sein Verstand war klar und er wusste, was er zu tun hatte. Er würde keinen Fehler machen, nicht zurückweichen und wenn es sein musste…

Wenn hier heute sein Ende sein sollte, so konnte er wenigstens behaupten, sein Versprechen gehalten zu haben. Heute Nacht würde sich etwas ändern. Ob zum Guten… oder zum Schlechten wusste er nicht. Chaos. Ja das war die wahrscheinlichste folge. Aber wenn sich die Welt wieder ordnete.. gab es möglicherweise endlich so etwas wie Freiheit. Oder es wurde alles schlimmer.

Seine Aufmerksamkeit wurde auf das große Podest gelenkt, auf das in diesem Moment der Kaiser trat um zu sprechen. Corinthis Hand schloss sich um den Stein in seiner Tasche. Noch nicht.

Er sah sich kurz nach Umariel um. Der Zauberer nickte ihm zu.

,, Können wir uns auf diesen Keltor verlassen ?“ ,, Ich verwette mein Leben darauf.“ Keltors Aufgabe war einfach. Er sollte sämtliche größeren Händler, sämtliche wichtigeren Bürger die er kannte und die bereit waren ihm zuzuhören heute vor dem Palast versammeln. Nach außen hin natürlich als Teil der Feierlichkeiten.  Aber der eigentliche Plan… würde seine Wirkung bald zeigen müssen.

,, Unser aller Leben, vergesst das nicht.“

Corinthis nickte nur und sah wieder zur Tribüne wo der Kaiser soeben zu sprechen begann.

Er hörte nur halb zu.

,, Heute haben wir uns wieder einmal versammelt…“ Fast dieselben Worte wie ein Jahr zuvor.

Dann jedoch kam der Moment auf den sie gewartet hatten. Der Kaiser trat zurück und wurde durch einen anderen Mann abgelöst. Vermutlich ein Herold.

,, Und heute, zum Zeichen der Anerkennung der Macht unseres großen Kaisers werden die Magier des Reichs heute einen Schwur auf seine Göttlichkeit leisten.“

Es war an der Zeit. Langsam trat die kleine gruppe Magier, darunter versteckt Corinthis, vor.

Dabei hielt ließ er den Blick immer wieder über die Menge in Richtung der Zugangstreppe wandern, die hinunter in die Stadt führte. Man würde ihn auch draußen verstehen können und wenn Keltor getan hatte was er sollte… dann musste man ihm zuhören.

Umariel stellte sich vor die Magier, fast wie zum Schutz, vor dem, was gleich folgen würde.

,, Ich verlasse ich auf euch. Haltet die Inquisitoren auf, sollten sie irgendetwas Versuchen. Und behaltet die Dächer im Auge.“ , flüsterte er.

Umariel nickte, dann begann er laut zu sprechen. ,, Ich fürchte dem Kaiser heute keinen Treueschur ablegen zu können.“ Ein Raunen ging durch die Menge und Corinthis registrierte sofort, wie sich einige Inquisitoren versuchten nach vorne zu kämpfen. Erfolglos, denn die Menschen machten keinerlei Anstalten beiseite zu treten.

,, Stattdessen muss ich hier und heute eine Anklage gegen den Kaiser höchst selbst vorbringen.“

Nun trat auch Corinthis vor und schlug die Kapuze zurück.

,, Das ist doch….“ Der Kaiser war von seinem Platz an der Tribüne aufgesprungen. ,, Wachen verhaftet den Mörder.“

Die zwei Inquisitoren, die vorher noch reglos neben Baratas gestanden hatten erwachten zum Leben und hechteten auf die Magier zu.

Corinthis nahm das Sternenauge aus der Tasche. Der Stein leuchtete mittlerweile hell.

,, Der einzige Mörder hier Baratas, seit ihr.“ Die Inquisitoren hatten sie fast erreicht, da löste sich eine Schockwelle aus dem Auge und schleuderte die Bewaffneten auf dem gesamten Platz zu Boden und zwang sie in die Knie. Corinthis spürte, wie ihn die Macht durchströmte… ähnlich wie der Moment, in dem der Nardor ihn kontrolliert hatte… nur dieses Mal hatte er die volle Kontrolle darüber.

Auf der Treppe wurde es unruhig, wie er erleichtert feststellte. Auch draußen musste man mittlerweile gemerkt haben, dass etwas nicht stimmte. Und als Corinthis Keltor entdeckte, der eine größer werdende Gruppe Bürger ungeachtet der sowieso nur hilflos dreinschauenden Inquisitoren, auf den Platz führte.

 

,, Vor einem Jahr stand ich schon einmal hier. Damals war nicht in der Lage zu erkennen, was dieser Ort eigentlich bedeutet. Für was sich dieser Mann hält.“ Er deutete direkt auf den Kaiser.

Diese reagierte entsprechend heftig.

,, Tötet den Mann. Seit ihr von allen guten Geistern verlassen?“ ,, in der Tat das bin ich.“ , erwiderte Corinthis. ,, Ich beschuldige hiermit Kaiser Baratas und die Inquisition des Mordes an Nehalenie seiner eigenen Nichte. Des Versuchs einen krieg auszulösen, der ungerechtfertigten Verhaftung meiner selbst und allgemeinen Verrats am Volk von Inglarion und ganz Ert.“

,, Der Mann redet im Fieber.“

,, Tue ich das Baratas ?“ Corinthis warf einen Blick zur Treppe, wo sich mittlerweile hunderte von Leuten drängten nur noch schwach zurückgehalten von den Adeligen, die ihrerseits grade Versuchten, das Gelände zu verlassen. Er sah es ihnen an… sie glaubten ihn, sie wussten das er die Wahrheit sagte, waren die Beweise doch überall um sie herum. Ob ein Nachbar, der als Magier hingerichtet wurde, ein Blick in die Armenviertel oder sei es nur die Verachtung mit der manche der anwesenden Adeligen auf sie herabsahen. Sie wussten es und alles was fehlte war ein kleiner Stoß…

,, Ihr habt keine Beweise.“ , reif der Kaiser.

,, Die brauche ich auch nicht.“ , erwiderte Corinthis und drehte dem alten Mann… ja genau das war das Wesen, das dort oben auf dem Podest stand… ein alter Mann nicht mehr und nicht wenige, den Rücken zu.

,, Das ist euer Gott.“ , meinte er. ,, Tut was ihr tun müsst.“

Mit diesen Worten brachen bei den Anwesenden Bürgern die letzten Hemmungen. Sie drängten die wenigen unglücklichen Adeligen Bei Seite und  stürmten auf den Platz, wo sich ihnen allerdings die Inquisitoren entgegenstellten. Bis eine Flammenden durch diese hindurchfegte. Corinthis sah auf und entdeckte Umariel, der es sich nicht nehmen ließ einen Teil seiner eigenen Wut an den Inquisitoren auszulassen.

 

Baratas selbst wiederum rannte in Richtung des Palastes davon.

,, Kümmert euch um die anderen.“ , wies Corinthis den Magier an, bevor er dem Kaiser nachsetzte.

Dieser richtete, auf halbem Weg zu den Toren des Palastes das Zepter auf ihn.

Nichts geschah und die plötzliche Erkenntnis, die sich auf dem Gesicht von Baratas breit machte, sagte Corinthis, das es vorbei war.

Er konnte schlecht einen Anker gegen einen anderen verwenden.

,, Es ist vorbei.“ , reif der Maler, als er die letzten Meter zum Kaiser zurücklegte.

,, Wie.. wie könnt ihr es wagen?“ Offenbar wollte der Mann sich noch immer nicht geschlagen geben und holte mit dem Zepter aus um es  wenigstens noch als Schlagwaffe benutzen zu können. Corinthis jedoch fing die Waffe mit einer Hand ab und entwand sie den Händen von Baratas.

Der Kaiser fiel auf den Boden.

,, Wie ? Ich wag überhaupt nichts. Es geht darum, was ihr getan habt Baratas.“

,, Was habe ich eure Meinung denn getan ?!“

,, Das Falsche. Und nun entschuldigt mich.“ Er löste das Sonnenauge aus dem Zepter und ließ den nun nutzlosen Goldstab zu Boden fallen. Die zwei Anker lagen schwer in seiner Hand. Macht… Zu viel Macht für irgendjemanden…

Langsam ließ er die zwei Augen in die Tasche wandern und machte sich auf… auf auf eine Wanderschaft, die nur aus Flucht bestehen sollte.

,, Wo wollt ihr denn hin ?“ , schrie ihm der Kaiser nach.

,, Euch eurem Volk überlassen.“ , erwiderte Corinthis.

 

Epilog

 

 

 

 

Geschafft… das war das Wort, welches durch seinen Verstand geisterte. Aber es lag keine echte Freude darin. Wie viele Jahre waren seither vergangen… Er hatte es nicht vorhergesehen und eine Welt im Chaos hinterlassen. Eine Welt, die nicht um die Anker vergessen hatte, die sich in seinem Besitz befanden. Die jenen Tag im Kaiserpalast nicht vergessen konnte.

Und erneut hatte ihn die Vergangenheit eingeholt. Er konnte sie draußen vor der Tür sehen, wie sie sich besprachen. Auch wenn sie sonst noch keiner Bemerkt hatte.

Es war an der Zeit.

Langsam erhob er sich vom Feuer. Alt.. schwach… wie Baratas in seinen letzten Augenblicken. Sie hatten ihn letztlich getötet.

,, Wohin geht ihr ?“ , fragte der Wirt, als er bemerkte, wie der Alte aufstand.

,, Nicht weit. Jetzt nicht mehr.“ , erwiderte er. Er tastete in der Tasche nach den Anker… ein letztes Mal hielt er die zwei Glaskugeln fasziniert in Händen. Dann suchte er das Gatshaus ab, die Augen der Fischer… bis er auf die stieß, welche er gesucht hatte.

,, Hier.“ Achtlos, als würde es sich um nichts handeln, für diese Leute traf das wohl auch zu, überreichte er die Anker. ,, Ich glaube du weißt schon was du damit machst.“

Mit diesen Worten trat er an die Tür und drehte sich ein letztes Mal um.

,, Lebt wohl.“

Draußen warteten sie bereits auf ihn. Ein halbes Dutzend mit gespannten Bögen. Welchem Herrn sie dienten… er wusste es nicht und es war auch gleich.

,, Die Augen alter Mann.“

Er lachte.

,, Die habe ich nicht mehr.“

,, Was soll das heißen ?“

Er lachte wieder. ,, Ins Meer geworfen. Viel Glück beim rausfischen.“

,, Tötet und durchsucht ihn.“ Die letzten Momente bekam er kaum noch mit. Die Pfeile schnellten von der Sehne und schleuderten ihn Rückwärts und beendeten das Leben von Corinthis.

 

Nebel…. Und Stimmen.

,, Und… hat sich etwas geändert, was meinst du ?“

,, Ich weiß es nicht Nehalenie, aber ich hoffe es. Ob zum guten oder schlechten nicht wahr?“

,, Wir werden sehen.“

,, Vielleicht.. geht es gar nicht darum, ob wir etwas erreicht haben, meinst du nicht? Sondern das wir es versucht haben.“

 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 03.11.2014

Alle Rechte vorbehalten

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