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Kapitel 1 Der Kiesel beginnt zu rollen

 

 

Seher. Die Auserwählten des Schicksals. Die Kieseln gleich, kommen sie einmal ins rollen einen Berg  mit sich reißen können

Varis Galeron 

 

 

Jaret erwachte schweißgebadet aus seinem Traum. Er konnte sich diesmal nicht an ihn erinnern und dafür war er sämtlichen Göttern dankbar.

Er hasste seine Träume und das, wovon sie handelten. Er wollte diese Dinge nicht sehen.

Jaret Weißläufer packte seine wenigen Habseligkeiten, darunter seinen Wanderstab, eines seiner wertvollsten Besitztümer, zusammen und verließ die Gasse, in der er den Tag über geschlafen hatte. Die Nacht war bereits weit fortgeschritten und er schätzte, dass es weit nach Mitternacht sein musste. Jagdzeit. Für ein Kind von Zehn Jahren war es ein leichtes, nahe genug an späte Reisende und Betrunkene heranzukommen und sie  in einem günstigen Moment zu berauben. Und in seinen zwar abgetragenen, aber zum Glück nicht völlig verdreckten Klamotten fiel Jaret nicht sofort auf.

Er bewegte sich schnell durch das Armenviertel von Seminium. Vorbei an Bettlern, Dieben und Tabajaxie in Richtung der reicheren Stadteile wo bessere Beute zu machen war.

Die Leute hier hatten selbst nichts und es gab unter den meisten von ihnen eine einfache Vereinbarung. Man stahl nicht von seinen Leidensgenossen, es sei denn von den toten.

Ein simpler Ehrenkodex, aber ihn zu brechen bedeutete, sich wirklich jeden zum Feind zu machen.

 

Jaret Weißläufer hatte keine genaue Erinnerung daran, wer er war. Selbst sein Name war ihm von einem Einsiedler, der ihn eine Weile bei sich aufgenommen hatte, gegeben worden.

Das war die erste klare Erinnerung, die er hatte. Es hatte in Strömen geregnet und Jaret war ohne zu wissen woher er kam durch die Wälder gelaufen. Ohne wirkliche Orientierung… ohne irgendetwas folgte, er einfach dem mittlerweile zu einem Bach gewordenen Pfad.

War er ausgesetzt worden? Hatte er lediglich sein Gedächtnis verloren? Es waren Fragen, die ihm im Nachhinein nur noch geringes Kopfzerbrechen bereiteten.

Einen Tag lang vielleicht auch zwei… Zurückblickend konnte er nicht wirklich sagen wie lange er durch die Wildnis gestolpert war. Begegnet war er zumindest niemanden. Und irgendwann hatte ihn dann die Erschöpfung übermannt.

Der Mann musste ihn wohl dann gefunden haben, denn das nächste was er wusste war, das er in einer primitiv errichteten Holzhütte aufwachte.

Zwei Wochen blieb er dort. Keine der Fragen, die ihm der Alte stellte konnte er beantworten. Und irgendwie schien er regelrecht froh zu sein, als ihm Jaret erklärte er müsse weiter.

Wieso, das war ihm selbst nie ganz klar gewesen, aber der Mann stellte keine fragen. Im Gegenteil er schein froh den seltsamen Jungen ohne Erinnerung losgeworden zu sein. Als könnte auf dem Kind irgendein Fluch liegen.

Er wusste nichts wirklich sicher. Nur eines war, so lange er sich erinnern konnte, immer da gewesen: seine erschreckenden Träume die ihn manchmal sogar tagsüber heimsuchten.

 

Der Weg aus dem Armenviertel war lang und teilweise gefährlich. Jaret hatte die Erfahrung gemacht, dass man am besten die kleineren Gassen mied und sich auf den größeren, beleuchteten  Hauptstraßen hielt, welche die ganze Stadt durchschnitten. Dort stieß man zwar ab und an auf Bettler und musste sich vor Dieben in Acht nehmen, die nichts von den ungeschriebenen Gesetzen hielten, aber wenigstens gab es nichts Gefährlicheres. Meuchelmörder zum Beispiel.

Als er einmal wieder besseren Wissens die von Fackeln und  Öllampen beleuchteten Straßen verlassen hatte und in eine der Seitenstraßen eingebogen war, hatte er fast mit letzterem Bekanntschaft gemacht.

 

Jaret hatte die Straße verlassen, da er hoffte in der Gasse einen geschützten Schlafplatz zu finden. Hier waren die Gebäude dichter gebaut und während es an der Straße wenigstens einfache aber stabile Holzhütten gegeben hatte, standen hier nur noch halb verfallene Baracken notdürftig  aus Holz, Leinen, rostigen Nägeln und anderen Abfällen zusammengezimmert. Auch gab es, außer dem Mond und den Sternen, fast keinerlei Beleuchtung.

Als er dachte einen geeigneten Platz für ein Lager gefunden zu haben, hörte er hinter der nächsten Ecke Stimmen und laute Geräusche. Und dann traf es ihn wie ein Schlag. Bilder wirbelten durch seine Gedanken, bis Jaret glaubte ohnmächtig zu werden  und dann sah er das Geschehen aus der Vogelperspektive.  Unter sich nahm er dasselbe Gewirr aus Baracken, Abfall und Unrat wahr. Das typische Bild der weiter abgelegenen Straßen.

An einer halb zusammengefallenen Hauswand lag eine Gestalt im Schatten, umringt von mehreren anderen. Eine der Schatten hielt eine Klinge in der Hand, die im Mondlicht gefährlich Glitzerte. Damit stach er wiederholt auf die am Boden liegende Gestalt ein, welche noch versuchte sich mit einem Stock zur Wehr zu setzen und auch ein paar harmlose Treffer landete, bis sie sich nicht mehr rührte.

Erst jetzt durchsuchten er und seine Kumpane den Gefallenen nach Wertgegenständen liefen, zu Jarets Glück nicht in seine Richtung, davon und verschwanden im Gewirr der Gassen.

Nachdem er seine Umgebung langsam wieder normal wahrnahm hatte Jaret kurz Zweifel, ob das was er gesehen hatte tatsächlich der Wahrheit entsprach.

Er war Müde… und nun auch verängstigt. Es war keine Vision gewesen versuchte er sich selbst zu überzeugen. Kein Wachtraum.

Dann jedoch ließ ihn das Geräusch von eiligen Schritten in der Dunkelheit aufhorchen.

Es mussten die Männer sein, die sich so schnell wie möglich entfernten. Auch wenn es eher unwahrscheinlich war, das sich hier jemand um einen Mord kümmerte. Nicht die Stadtwache zumindest, die traute sich schon kaum auf die Hauptstraßen, geschweige denn in die Gassen.

Nachdem von den Männern nichts mehr zu  hören war, schlich Jaret um die Ecke. Was er sah ließ ihn erstarren.

Eine reglose Figur am Boden, umgeben von einer Blutlache, die rasch die Kleidung des Toten durchtränkte.

Langsam trat  näher an die reglos am Boden liegende Gestalt zu. Ein Toter mehr… es war nicht der erste, den Jaret sah, aber der erste, dessen Ableben er mehr oder weniger direkt miterlebt hatte.

Jetzt wo er näher war sah Jaret, das neben dem Mann immer noch sein Stab auf dem Boden lag. Seine Versuche die Klingen seiner Angreifer damit abzuwehren hatten einige Kerben in das Holz geschlagen, diesen ansonsten aber nicht beschädigt. Was die Toten hinterließen gehörte allen. Und der Stab war wohl auch das einige, dass die Banditen an Wertvollem zurück gelassen hatten.

 Er nahm ihn an sich und wollte schon weggehen, da kam ihm, fast wie eine seiner Visionen, die Idee, dem Totem noch die Augen zu schließen. Weniger aus Respekt, er wollte lediglich nicht, dass der Mann den Jungen mit seinem Besitz weggehen sah. Sonst könnte er es am Ende noch mit dessen ruhelosem Geist zu tun bekommen. Dieser abergläubischen Furcht  folgend, beugte er sich über die Gestalt und sah zum ersten Mal das Gesicht des Mannes.

Es war ein Tabajaxie.

Diese einst von einem Magier zu Versuchszwecken geschaffenen Wesen erinnerten an eine Mischung aus  Tier und Mensch. Das Gesicht wies zwar menschliche Züge auf, eine Hälfte des Gesichts war jedoch mit grauem Fell bedeckt, ebenso waren die Ohren die einer Katze.

Die Pupillen waren schlitzförmige und die Augen, auch wenn sie bereits stumpf wurden, von einem strahlenden grün.

Tabajaxie galten gemeinhin als ,,talentierte“ Diebe und gehörten für gewöhnlich der Unterschicht an. Soweit also nichts Ungewöhnliches.

 Dieser hier war allerdings gut gekleidet. Was er hier in den Armenvierteln um diese Zeit gesucht hatte, würde nun  wohl ewig ein Rätsel bleiben. Doch Jaret kümmerte es in diesem Moment nicht.

Er schloss dem Toten rasch die Augen und verschwand dann mit dem Stab in der Hand in Richtung der erleuchteten Straßen.

 

Nach diesem Erlebnis hielt sich Jaret wenn möglich von den Gassen fern.

Und so kam es das er in dieser Nacht über die Hauptstraße ging. So kam es, dass er Ruben Darelto begegnete. So kam es das der Kiesel ins Rollen gebracht wurde. Und mehr als ein Berg sollte vor dem Ende darunter zu Staub zerfallen.

 

Jaret lief die Straße entlang, immer die Augen offen nach einem lohnenden Ziel.

Er hatte in all den Jahren die er vom Diebstahl leben musste ein Gespür dafür entwickelt, wer etwas Wertvolles dabei hatte. Leute die etwas von Wert mit sich führten, waren oft nervöser und sahen oftmals auch nach ob es noch da war. Das konnte das Abtasten einer Tasche oder ein Griff an den Hals, um beispielsweise den Verschluss einer Kette zu überprüfen, sein.

Jaret hatte einen Mann in Roter Robe erspäht, dessen Kapuze sein Gesicht verdeckte.

Der Fremde musste irgendetwas dabei haben. Er sah sich immer wieder um, allerdings nicht, wie Jaret zuerst dachte unsicher oder nervös, sondern mehr als würde er nach etwas suchen.

Er beschloss dem Mann zu folgen. Schlimmstenfalls befriedigte er so seine Neugier, wenn auch sonst nichts dabei herauskam.  Zu Jarets Überraschung bog der Mann nicht in Richtung einer der reicheren Viertel ab, sondern verließ die Hauptstraße.

Ohne das geringste zögern verschwand er in einer der Straßen, die in die ärmeren Bezirke führten.

 Jaret konnte sein Glück kaum fassen. Der Weg den  der Fremde genommen hatte  ,wurde kaum beleuchtet und mit etwas Geschick würde er leichtes Spiel haben. Und selbst wenn der Mann ihn erwischte so würde er in der Finsternis umso leichter entkommen können.

Jaret  wollte grade näher an den Mann heranschleichen um ihn zu bestehlen, als dieser den Ärmel seiner Robe zurückschüttelte, die Handfläche öffnete und eine kleine Lichtkugel erscheinen ließ. Einen Moment blieb Jaret wie erstarrt stehen. Das schwebende Licht hüllte alles in ein gespenstisch schimmerndes Blau.

Der Mann war ein Zauberer!

Sofort ließ Jaret sich wieder zurückfallen. Mit einem Magier würde er sich nicht anlegen. Jetzt war ihm auch klar, warum der Fremde diesen gefährlichen Weg ging. Es war ihm schlichtweg egal, denn ihm drohte hier keine Gefahr.

 

Die Begabung zur Zauberei war zwar äußerst selten, doch waren Magier einige der mächtigsten Lebewesen in Arbitrium. Einzelne Magier konnten Schlachten entscheiden. Es waren auch angeblich Magier gewesen die während eines längst vergessenen Konflikts die großen Berge im Norden der Stadt  als Schutzwall aufgetürmt hatten.

Eines dieser Wesen zu bestehlen kam einem Todesurteil gleich sollte man ertappt werden.

Als Jaret sich gerade abwenden wollte, überrollt ihn ein Sturm von Bildern.

 

Er sah seine eigene Position von weit oben, dann kam alles in einem Wirbel aus Farben näher und Fokussierte sich auf  eine Stelle etwas links von ihm. Er sah dorthin und entdeckte ein ziemlich mitgenommen aussehendes Tabajaxie-Mädchen. Sie hatte grüne Augen, das war das erste was ihm an ihr auffiel, denn selbst im Dunkeln schienen diese noch schwach zu leuchten.

Sie war wohl etwa in seinem Alter wie er schätzte. Zumindest nicht viel älter.

Die Gestalt duckte sich, fast Unsichtbar für jeden, in die Schatten hinter einigen Kisten. Die Tabajaxie hatte offensichtlich die gleiche Absicht wie Jaret noch vor einigen Sekunden. Während Jaret sich noch fragte ob sie bemerkt hatte, was der Mann den sie bestehlen wollte wirklich war, wurde er erneut von einer Vision gepackt.

 Diesmal sah er durch die Augen des Zauberers. Er spürte eine Hand an seinem Bein. Suchend nach einer Geldbörse tastend . Er wirbelte herum und löste  einen magischen Blitz an der Ungefähren Position des Diebes aus.

Der Zauber traf und schleuderte den Dieb davon. Der Magier scherte sich nicht weiter darum ob er jemanden getötet hatte oder nicht  und ging einfach weiter als hätte das alles nie stattgefunden.

 

Als Jaret wieder normal sehen konnte stellte er fest, dass noch alles beim alten war. Der Magier ging weiter die Straße entlang, das Mädchen stand noch immer in der Dunkelheit. Er hatte zwar keine Ahnung wie das geschehen war aber irgendwie hatte er gesehen, was gleich passieren würde. Es war de was er in den dunklen Gassen erlebt hatte so ähnlich gewesen… Und er musste es irgendwie verhindern. Er war ein Dieb ja, aber er wollte kein Leben auf dem gewissen haben und das würde  er, wenn er nichts unternahm.

Ihm blieb nur eins, wollte er nicht schlicht zusehen.

Er musste den Diebstahl vereiteln. Solange die Tabajaxie dachte, der Mann währe alleine würde sie es wagen, aber wenn plötzlich jemand auftauchte… Bedauerlicherweise war aber der einzige, der auftauchen könnte, er selbst.

Jaret atmete einmal tief durch. Das konnte genauso gut sein End bedeuten.

Dann ging er direkt auf den Fremden mit der Lichtkugel in der Hand zu.

 

,, Entschuldigen sie, Sir. Können sie mir helfen? Ich glaube ich habe mich verlaufen.“ Jaret gab sich mühe so unschuldig wie möglich zu klingen. Er war es nicht gewohnt jemanden um Hilfe zu bitten und sei es auch nur zur Täuschung.

 Der Fremde drehte sich um. Eine Hand fuhr hoch zur Kapuze und schlug sie zurück.

Graues Haar mit schwarzen Strähnen darin. Graue Augen die sich sofort auf  die seinen zu fixieren schienen und sich nicht mehr abwandten.

,, Junge woher kommst du denn. Ich habe dich gar nicht bemerkt.“ , sagte der Fremde langsam.

,, Da aus der Gasse“ , sagte Jaret gespielt kleinlaut und deutete in die grobe Richtung einer der verschlungenen Pfade durch die Barracken, die in die Straße mündeten.

 Der Magier sah einen Moment in die Richtung die Jaret gewiesen hatte, dann fixierte sich sein Blick wieder auf Jarets Augen.

,, Du lügst.“ , er klang nicht wütend. Lediglich vollkommen kalt. ,, Wie heißt du?“

,, Jaret.... Jaret Weißläufer.“

,, Nun Jaret. Mein Name ist Ruben Darelto. Ich denke mal du kennst ihn. Und jetzt... Versuch es doch  mal  besser mit der Wahrheit.“

Jaret zuckte bei Erwähnung des Namens zusammen. Natürlich kannte er den Namen. Wie jeder in der Stadt, vielleicht im ganzen Land.  Der königliche Hofmagier. Einer der mächtigsten Zauberer der letzten Zweihundert Jahre wenn die Gerüchte stimmten.

Er musste sich etwas ausdenken... etwas das er glauben würde. Woher hatte der Mann überhaupt gewusst dass er log?

,, Aber das ist die Wahrheit.“ , versuchte er es noch einmal und wusste, dass es keinen Erfolg haben würde. Jaret hatte nun wirklich Angst.

Der Zauberer seufzte, offenbar genervt von diesem Spiel. ,, Wisse so viel. Jeder Mensch hinterlässt eine Spur. Magier sind in der Lage dieser Spur zu folgen, ich weiß also ganz genau wo du her kommst. Du warst die ganze Zeit hinter mir. Auch sind deine Gedanken in etwa so leicht einzusehen wie ein Buch Kind.“

Jaret sah sich bereits nach einer Fluchtmöglichkeit um… aber wohin sollte er denn rennen? Und vor allen Dingen wie lief man vor Magie davon?

,, Noch nicht o verworren wie sie einmal werden könnten.“ , der Zauberer murmelte den Satz mehr, das er ihn sagte, aber Jaret hörte ihm ohnehin kaum noch zu. Er war aufgeflogen.

Er entdeckte die Tabajaxie, die sich noch immer in ihrem Versteck befand. Offenbar traute sie sich auch nicht zu verschwinden.

Langsam nickte Jaret  der Gestalt zu. Ein deutlicheres Zeichen abzuhauen konnte er ihr nicht geben ohne sie ganz sicher zu verraten.

Dann erst wendete er sich dem Magier wieder zu.

,,Also... Du willst gar nicht nach Hause finden oder?“ , wollte dieser wissen. Aber er klang jetzt eher sanft. Wie jemand, der jemanden bei einem harmlosen Streich erwischte.

Jaret schüttelte nur den Kopf.

,, Hast du überhaupt ein Zuhause ?“

Er schüttelte wieder nur den Kopf.

,, Familie ?“

,, Nein.“ Ruben seufze wieder, es klang enttäuscht. ,, Also ein Dieb. Wie einfallslos. Spreche den alten Mann an. Lenk ihn ab und beklaue ihn dann... völlig einfallslos“ in der Stimme des Hofzauberers lag jetzt Verachtung, aber auch so etwas wie…Zweifel? Konnte das sein? Er hatte möglicherweise noch eine Chance.

,, Ich.. ich sah euch in einer Vision.“

Plötzlich wieder neugierig geworden fragte der Zauberer: ,, Eine Vision? Interessant. Keine Lüge diesmal. Es sei denn du würdest sehr schnell lernen. Erzähl mir mehr.“

Ruben hatte sich mittlerweile wieder in Bewegung gesetzt und Jaret hatte sichtlich Mühe mit ihm Schritt zu halten. Denn trotz seines fortgeschritteneren Alters, schlug er ein forsches Tempo an und einfach zurück zu bleiben wagte er nicht. Wer wusste was der Magier tun würde.

,, Nun “ , froh ein Weg gefunden zu haben den Zauberer zu besänftigen, beschloss Jaret ihm einfach alles zu erzählen.. Solange der Zauberer einen Wert in ihm sah, war er sicher, so einfach war das und Neugier war immerhin ein gewisser Wert.

,, Ich habe diese Visionen schon immer. Eigentlich nur wenn ich schlafe. Meistens erinnere ich mich nicht daran. Das will ich auch gar nicht. Die Bilder an die ich mich erinnere sind schrecklich.  Manchmal aber wenn ich wach bin, dann ich weiß nicht, sehe ich bestimmte Dinge vorher… glaube ich.  Ich kann das nicht kontrollieren. Es passiert einfach.“

Es fiel ihm schwer das Ganze in Worte zu fassen. Er verstand es ja selbst kaum, auch wenn er wusste, dass es nicht normal war. Die wenigsten Leute schreckten mindestens dreimal pro Nacht aus dem Schlaf hoch.

Sie kamen jetzt in eine Belebtere und reichere Gegend. Die Gebäude hier waren aus Stein und nicht aus Holz und besaßen teilweise groszügig Bepflanzte Vorgärten.

Dort hielt der Zauberer wieder auf die Hauptstraße zu und bog dann Richtung Palast ab. Ein großes Areal, das von Sandsteinmauern umgeben über dem Rest der Stadt thronte. Jaret hatte sich selten soweit raus gewagt.

,, Ich verstehe.“ , sagte Ruben schließlich. ,, Das ist wirklich bemerkenswert. Würdest du morgen früh zum Palast kommen? Ich bezahle für Antworten. Möglicherweise... Ach, sei einfach Morgen da.“ Er zuckte mit den Schultern. ,, Wenn nicht nun dann spare ich Gold. Solltest du dich entscheiden zu kommen sag der Wache am Tor einfach das Ruben Darelto dich sehen möchte, man wird mir dann Bescheid geben.“

In der Nähe der Außenmauern des Palastbezirks verabschiedete er sich schließlich.

,, Nun denn ich denke wir sehen uns Morgen, oder ?“

Jaret brauchte einen Moment um sich über seine Situation klar zu werden. Es schein zu seltsam. Gestern noch hätte er seien Alpträume verflucht… heute hatten sie ihm und nicht nur ihm, vielleicht das Leben gerettet. ,, Ich... denke ich werde da sein.“

,, Gut dann bis morgen.“ , verabschiedete sich Darelto und verschwand im Palastbezirk.

Jaret hingegen konnte sein Glück kaum fassen. Heute  noch war er ohne eine Münze in der Tasche in Seminium in einer Gasse Aufgewacht und Morgen winkten ihm dafür dass er einem Magier vielleicht ein paar Fragen beantwortete gleich mehrere Goldstücke. Und er hatte jemand das Leben gerettet. Es freute ihn einfach.

Auf dem Rückweg sah er sich in der Gasse nach der Tabajaxie um, doch es war niemand mehr zu sehen. Unwillkürlich stellte er sich die Frage ob er sie noch einmal wieder sehen würde.

Es schein aber auch nicht wichtig. Jaret kehrte zurück in die Armenviertel und suchte sich einen Schauplatz möglichst nahe an den Hauptstraßen.

 

 

 

 

Kapitel 2 Der nächste Tag

 

 

Sonnenlicht das durch Blätter fällt. Wie es die Welt in Wärme hüllt. Lebensquell und egal wie schlimm es gestern schien. Heute ist schon ein neuer Tag.

Ravenisches Sprichwort

 

Jaret erwachte wie am Tag zuvor. In einer Seitengasse. Doch dieses Mal erwachte er nicht von Alpträumen geplagt in der Dunkelheit, sondern  im sanften Sonnenlicht. Es war früher Morgen. Er entschloss, dass es noch zu früh wäre um zum Palast zu gehen. Was für eine seltsame Nacht das ohnehin Gestern gewesen war. Wer hätte gedacht, dass ihm die Visionen die ihn plagten auch mal Glück bringen könnten? Jaret selbst jedenfalls nicht.

Er stand auf, packte seine Sachen zusammen, nahm den Stab des toten Tabajaxie in die Hand und ging hinaus auf die Straße.

Außer ihm war fast noch niemand draußen. Die Gassen waren noch von Morgennebel verhüllt, den die Sonne nun langsam auflöste. Außer einem Hund der irgendwo in der Ferne bellte war es vollkommen ruhig. Eine Seltenheit hier schien die Stadt sonst doch aus nichts anderem als Lärm zu bestehen.

 

Mit der Aussicht bald einige Münzen in der Tasche zu haben, machte er sich auf die Suche nach etwas essbaren, denn er hatte seit gestern Mittag nichts mehr gegessen und über die letzten Monate zumindest ein paar Münzen beiseitelegen können.

Nachdem Jaret die Armenviertel über die Hauptstraße verlassen hatte, fand er schon bald einen kleinen Stand der Backwaren verkaufte. Solche Stände konnte man überall entlang der großen Hauptstraßen, die die Stadt vom Palast bis zum Stadttor durchliefen, finden.

Dort kaufte er von dem wenigen Geld das er hatte zwei Stücke Brot und machte sich dann auf den  dem Weg zum Stadtbrunnen um etwas zu trinken.

 

Der Stadtbrunnen war eines der vielen magischen Konstrukte Seminiums. Er war mit einem Zauber belegt, der das Wasser reinigte und tatsächlich, seit der Brunnen vor etwa Fünfzig Jahren errichtet worden war, gab es viel weniger Krankheitsfälle in der Stadt. Was vor allem in den Ärmeren Bezirken die Jaret sein Zuhause nannte sehr geschätzt wurde.

Der Brunnen selbst war mit der Statue des Zauberers verziert, der den Brunnen erschaffen hatte.

Die Bildhauerarbeit zeigte einen bärtigen Mann in Kettenrobe, der in der einen Hand einen Stab hielt. Aus dessen Spitze  floss beständig ein Wasserstrom in das umgebende Becken.  In der anderen Hand befanden  sich Stilisierte Flammen aus Stein, die nachts hell leuchteten.

Nun jedoch wirkten sie aus dem gleichen grauen Stein gehauen wie der Rest des Standbilds.

Als Jaret den Brunnen erreichte waren dort bereits einige Leute anwesend. Meistens die Ärmsten der Armen oder Kranke, die sich ihr Wasser für den Tag holen wollten bevor sie von den anderen Bürgern vertrieben wurden.

 Er meinte das Tabajaxie-Mädchen gesehen zu haben, dem er in der Nacht zuvor begegnet war. Sie trug einen dunkelgrünen Umhang, der ihr viel zu groß war und wohl bestenfalls in einigen Jahren wirklich passen würde. Passform  war aber auch wohl  nicht der Sinn des Ganzen.

Die Tabajaxie hatte den Mantel tief ins Gesicht gezogen.

Es gab einen Unterschied zwischen Erwachsenen Tabajaxie und Kindern. Die Kinder besaßen ein vollständiges Fell, das sich erst mit dem Alter etwas zurückbildete. Auch waren wiesen die Gesichter der Tabajaxie teilweise mehr animalische Züge auf als die der erwachsenden, die bei einem flüchtigen Blick durchaus noch als Mensch durchgingen.  So konnten sie sich relativ unbehelligt bewegen, bei einem Kind hingegen…

 Ohne ihn oder sonst jemanden zu bemerken schöpfte sie rasch Wasser mit einem Eimer und machte sich dann wieder auf den Rückweg, bevor sie jemand wirklich bemerken konnte.

 Als er ihr folgen wollte, überquerte Grade eine Gruppe Wasserträgerinnen die Straße und er verlor sie aus den Augen.

 

 

 

Nachdem er eine weile vergeblich nach ihr Ausschau gehalten hatte, kehrte Jaret schließlich enttäuscht an den Brunnen zurück und trank. Währenddessen machte er sich zum ersten Mal wirklich Gedanken darüber, was der Magier von ihm wollen könnte.

Ihm kamen die Geschichten in Erinnerung die man sich über Ruben Darelto erzählte. Geschichten über Folter und schreckliche magische Experimente mit Lebenden Opfern. Gestern war er einfach nur froh gewesen mit dem Leben davongekommen zu sein, aber heute fragte er sich, konnte er einem Zauberer trauen? Die Antwort war ganz einfach: Nein. Ganz bestimmt nicht. Aber er brauchte das Geld. Er hatte, dass bisschen das er gespart hatte zuvor unüberlegt ausgegeben. Kein großer Verlust, er würde überleben.

Und doch will ich das vielleicht gar nicht, dachte er. Er musste realistisch bleiben. Realismus war etwas, das man hier schnell lernte oder Starb. Wenn er nicht hinging würde er garantiert irgendwo auf der Straße sterben. So.. schien es gab es eine kleine Chance seien Situation etwas zu verbessern.

Hätte einer der umstehenden Erwachsenen die Gedanken Jarets zu lesen gewusst, er wäre vermutlich überrascht über dessen Pragmatismus gewesen.

Seine Entscheidung stand fest. Er würde also trotz aller Bedenken hingehen und das Beste hoffen.

 Vorausgesetzt natürlich,  die Wachen ließen ihn mit seinem Aussehen überhaupt durch.

Er trug ein zerschlissenes Leinenhemd und eine einfache Stoffhose. Beides war zwar halbwegs Sauber aber nicht gerade im besten Zustand. Er nutzte die Gelegenheit am Brunnen um zumindest seine Haare und sein Gesicht in wenig zu waschen um wieder halbwegs wie ein Mensch auszusehen.

 

Mittlerweile war es später geworden. Langsam füllten sich die Straßen mit den Bediensteten und Händlern die eine Stadt am Leben hielten, jeder von ihnen auf dem Weg zu seiner täglichen Arbeit.

Auch der eine oder andere Adelige war bereits auf den Beinen und bei anderer Gelegenheit hätte Jaret sicher ein paar ein paar Diebstähle versucht, aber er hatte heute bessere Möglichkeiten an Geld zu kommen. So hoffte er zumindest.

Langsam machte er sich auf den Weg zurück zur Hauptstraße und Richtung Palast.

Die Straße war von großen steinernen Hallen und Fachwerkgebäuden gesäumt in denen sich die reichsten Adeligen und Händler niedergelassen hatten. Jaret genoss es zwar aus den engen Gassen der Armenviertel herauszukommen, aber bei so viel Prunk und Reichtum entfand er nur eine unterschwellige Wut.

Er konnte dieses Gefühl nicht richtig einordnen. Die letzten hundert Meter bis zum Palastbezirk waren allerdings nicht bebaut. Das Land dort war in Gärten umgewandelt worden. Bäume mit überhängenden Ästen, Blumen, rote, blaue, gelbe, weiße. Die Straße führte direkt durch diese Gärten hindurch, die jetzt im Spätsommer in voller Blüte standen. Ein Weidenbaum  hing dicht über dem Weg und bedeckte den Boden unter ihren Zweigen mit Blättern und kühlenden Schatten.

Gepanzerte Gardisten in polierten Rüstungen standen in regelmäßigen Abständen wache. Auf ihren Panzern prangte das Wappen des Königs von Arbitrium, eine Sonne mit verzierten Strahlen in deren Mitte jeweils eine Krone stand. Da Jaret aber nur einer von vielen war,  die sich auf dem Weg zum Palast befanden fiel er kaum auf.

Vermutlich hielten die Wachen ihn wenn überhaupt eines Blicks würdig, für einen Botenjungen oder eine Küchenhilfe.

 

Nachdem er die Gärten hinter sich gelassen hatte, kam er an das Tor das einen der insgesamt drei Zugänge zum ummauerten Palastareal bildete. Zwar wurden sporadisch Leute angehalten und gefragt was sie geschäftliches im Palast zu tun hätten, aber der Andrang der Handwerker, Händler, Boten und Bittsteller war so gewaltig das der Großteil unbeachtet auf das Areal durchgelassen wurde.

Bis auf die wenigen Tabajaxie die hierher kamen. Sie wurden allesamt kontrolliert. Jaret sah wie jeder einzelne aus dem Strom der Menschen heraus gewinkt wurde.

Nicht nur weil sie generell zumindest in den Städten die Unterschicht bildeten, sondern vermutlich auch aus reiner Schikane. Und wieder spürte er bei dem Gedanken nur unterschwellig Wut ohne zu wissen weshalb. Ungerecht wäre ein Wort gewesen, das Jaret benutzt hätte, wenn er es denn Verstanden hätte. Er selbst überlebte doch nur durch das Ungerechte.

 

Jaret wurde von den Wachen praktisch nicht beachtet. Er war eben nur ein Junge.

Möglicherweise etwas verwildert, aber doch nur ein Kind.

Der Palastbezirk allerdings erlaubte noch keinen direkten Zugang zum Palast selbst.

 Dieser lag hinter einer weiteren Mauer. Und die  hatte nur einen Durchgang, wie Jaret schnell feststellte. Ein in die Mauer eingelassenes Tor das ständig von einer Wache besetzt war.

Das äußere Palastareal hingegen beherbergte Wohnräume für Gäste, die Garnison der Wache, das Gefängnis und verschiedene Betriebe die alle allein für den Palast arbeiteten.

Und durch diese Stadt in der Stadt lief Jaret nun.

Er war vorher noch nie hier gewesen. Lediglich die Geschichten der Händler und Reisenden, die er aufgeschnappt hatte, hatten ihm erlaubt sich ein ungefähres Bild zu machen.

Die Gebäude waren aus honigfarbenem Sandstein errichtet und hatten im Gegensatz zu fast allen anderen Häusern in der Stadt Fenster aus Glas und nicht bloß verschließbare Fensterläden aus Holz.

Auf einem Platz der sich unmittelbar vor dem Tor zum Palast befand, stand die Statue eines Mannes der einfache Kleidung trug, doch in der Hand ein Schwert feinster Machart hielt. Das musste der Richtplatz sein und die Statue zeigte demzufolge Deprecor den Gott der Gerechtigkeit und der Gnade. Die Eigenschaft der Gnade allerdings wurde hier vermutlich seltener Praktiziert. Dazu war der Holzblock, der auf einer Tribüne vor der Statue stand, zu dunkel verfärbt.

Eine Inschrift am Sockel der Statue bestätigte Jarets Vermutung.

Lesen hatte er letztlich bei demselben Einsiedler gelernt, der ihn einst gefunden hatte. Zumindest die Grundlagen. Und danach hatte er sich den Rest selbst beibringen müssen.

So unnütz es ihm Anfangs erschienen war, er hatte seien Meinung bald geändert.

Manchmal konnte er sich durch das Vorlesen von Briefen eine Kleinigkeit dazuverdienen. Nicht alle Adeligen, eigentlich sogar die wenigsten, konnten wirklich gut lesen und auch bei einigen Händlern und Bürgern war dieses Talent eher wenig ausgeprägt.

Er überquerte Rasch den Platz und ging auf das Tor zu. Als er näher kam stellte sich ihm die Torwache in den Weg. Es war ein Mann mit braunem Haar und stechenden Augen in derselben Farbe.

,, Wer da ?“

,, Ich „ , jetzt packte Jaret doch die Unsicherheit, ,, Ich möchte mit Ruben Darelto sprechen. Sagt ihm das...das Jaret Weißläufer hier ist wie versprochen.“

,, Du möchtest mit dem Hofmagier des Königs sprechen ?“ Der Mann lachte laut, bevor er hinzufügte : ,, Verschwinde Kleiner.“

,, Aber... fragt ihn doch einfach.“ , sagte Jaret schon überzeugt das sie ihn nicht durchlassen würden. Er war sich unsicher ob er das nicht sogar Vorzog.

Durch den Hof des Palastes näherte sich allerdings langsam eine bekannte Gestalt in Robe.

,, Gibt es hier ein Problem ?“ , fragte Ruben Darelto.

Der Wachposten drehte sich erschreckt um.

,, Ähm, Herr.... , “ begann er nun verunsichert, ,,dieser Junge hier“ , er warf Jaret einen Blick zu, „ meint ihr erwartet ihn. Ich habe ihm gesagt er soll sich verziehen.“

,, Ich erwarte ihn tatsächlich Wachmann… Dunik richtig ? Ich komme mit den Namen des Dienstpersonals immer durcheinander.“ Die Anspielung verfehlte ihre Wirkung nicht. Als Dienstpersonal bezeichnet zu werden  musste den Stolz des Mannes einen groben Dämpfer versetzt haben. ,, Und jetzt zur Seite bevor ich beschließe einen neuen Zauber zu testen.“

,, Jawohl Herr. Weiß der König...“ , setzte die Wache an.

,, Der König , Dunik, hat hiermit nicht das geringste zu tun und ihr auch nicht“ , fügte der Zauberer warnend hinzu, bevor er sich wieder Jaret zuwendete.

,,Jaret Weißläufer nicht wahr? Wollen wir dann?“ , er machte eine Einladende Geste in Richtung Palast die fast schon komisch wirkte wenn man bedachte wer er war.

 

Jaret folgte Darelto zum Haupteingang des Palastes. Dieser war in Form einer halbrunden, doppelflügeligen Tür angelegt, welche das königliche Sonnenemblem darstellte.

Flankiert wurde die Tür Rechts und Links von den Statuen früherer Könige auf der linken Seite und auf der Rechten Seite von den Statuen der Helden, wie sie genant wurden. Viele Zeigten Zauberer, einige aber auch Krieger oder Kaufleute.

Jaret erkannte die Statue des Magiers wieder der den Brunnen geschaffen hatte. Doch hier war auch eine Plakette mit seinem Namen angebracht: Gerret Giller stand dort in eine Bronzene Tafel gemeißelt.

Bevor er wusste was geschah riss ihn ein Sturm aus Bildern mit sich fort.

Er sah eine ältere Version von sich selbst an einem Holztisch sitzen. Eigentlich hatte der Mann den er vor sich sah nicht mehr viel mit ihm gemein. Trotzdem wusste er mit der instinktiven Sicherheit eines Träumers, dass er sich selbst sah.

Auf der anderen Seite saß ein Mann in braunem Umhang, der der Statue Garrets zum Verwechseln ähnlich sah. Der Fremde  streckte ihm die linke über den Tisch hin.

Als er sie ergriff endete die Vision und seine Sicht wurde wieder normal. Doch etwas hatte ihn irritiert. Seine eigene Hand… Irgendetwas hatte damit nicht gestimmt.

,, Alles in Ordnung ?“ , fragte Ruben Darelto.

,, Ich glaube schon. Nur.... alles in Ordnung.“ , er beschloss dem Zauberer nichts von der Vision zu berichten und hoffte das dieser es nicht merken würde. Seine Fähigkeit Gedanken zu erraten schein ihm nicht weiter zu helfen, denn er runzelte verwirrt die Stirn, als gefiel ihm nicht was er sah.

,, Interessant.“ , murmelte Ruben.

Jaret konnte ihn nur fragend ansehen und hoffte, das er nichts falsch gemacht hatte.

,, Nichts. Tu mir einen kurzen gefallen… denk an irgendetwas…“

Jaret tat wie befohlen und dachte an den Springbrunnen. Und das führte ihn sofort zurück zu den Bildern aus der Vision und weiter zu einer irrationalen Angst…

,, Seltsam.“, der Zauberer wirkte plötzlich besorgt. Dann jedoch zuckte er nur die Schulter.

Jaret sah ihn nur fragend an, wagte es aber nicht zu fragen, was genau so seltsam war.

,, Ich kann sie nicht lesen. Deine Gedanken meine ich.  Normalerweise sollte ich das aber können. Kindergedanken sind einfach zu enträtseln, erst später wird es fast unmöglich.“ , erklärte er. ,, Dann werden sie Komplexer.“

Jaret fragte nicht weiter nach und er war sich auch nicht sicher ob er die Worte des Magiers wirklich Verstand. Aber es war erleichternd zu wissen, dass der Zauberer nicht mehr einfach in seinen Kopf konnte. Oder zumindest im Moment. 

Ruben beschlossen offenbar  die Sache auf sich beruhen zu lassen denn er sagte nur: ,, Nun gut. Folge mir bitte. Und sei Leise, wir betreten nun den Palast von König Avarem dem Dritten von Dynastes.“

 

König Avarem von Dynastes herrschte seit seinem Sechsundzwanzigstem Lebensjahr und hatte den Thron von  Arbitrium vor Zehn Jahren nach dem Tod seines Vaters bestiegen. Seine Herrschaft war zwar nicht gerade herausragend, aber wenigstens hatte es seit seinem Herrschaftsantritt keine größeren Kriege mehr gegeben. Die einzige Große Änderung war, dass Avarem den Sitz der Herrscherfamilie von Dynastes,  nach Seminium verlegte und den ehemaligen Königspalast der dort Ortsansässigen Magierakademie vermacht hatte. Ein vor allen Dingen politischer Schachzug. Die Freundschaft und das Wohlwollen der Magier konnte man sich nie genug sichern.

 

 

 Der Bau des neuen Palastes in Seminium hatte Unsummen verschlungen und war erst vor einem Jahr abgeschlossen worden.

Und durch diesen Palast folgte Jaret nun dem Magier Ruben. Der Innenbereich des Palastes wirkte genauso prunkvoll wie das äußere. 

Der gesamte Bereich hinter dem Haupttor war mit einem roten Teppich ausgelegt. Die Mauern bestanden wie schon bei den anderen Gebäuden aus Sandstein und die Beleuchtung wurde über magische Lichtkugeln geregelt. Allein das musste ein Vermögen kosten, denn es würde mindestens ein Dutzend Magier brauchen um die Zauber aufrechtzuerhalten. Es sei denn der Zauber wäre beim Bau des Palastes in das Baumaterial eingewoben worden. Was, wie Darelto Jaret hätte sagen können auch tatsächlich so war.

Letztlich gab es zwei Arten von Magie: temporäre, das bedeutete nicht beständige Zauber die nach einer Weile in sich zusammenfielen, was die meisten von Magiern gewirkten Zauber nach einer Weile taten, oder dauerhafte, an einen Ort oder Gegenstände gebundene Magie. Letzteres war allerdings schwer zu bewerkstelligen, da de Ort, das Material oder der Gegenstand selbst zu einem Leiter für Magie gemacht werden musste. Dafür waren Monatelange Vorbereitungen und extreme Vorsichtsmassnahmen nötig, denn sonst drohte die Zerstörung des entsprechenden Objekts oder sogar der Tod aller beteiligten Zauberer.

Und eben um eine solche dauerhafte Magie handelte es sich hier.

 

Als sie weiter in den Palast hineingingen, stießen sie auch auf einige Wachen und Bedienstete.

Sie sahen zwar neugierig zu dem Zauberer und dem Jungen in der zerschlissenen Kleidung herüber, wagten aber nicht, den Hofmagier anzusprechen.

Schließlich erreichten Darelto und Jaret eine Tür. Ruben Darelto öffnete die Tür mit einer flüchtigen Handbewegung. Dahinter führte eine breit gebaute Wendeltreppe hinunter in die Dunkelheit. Darelto erschuf mit einer Handbewegung ein magisches  Licht, das bläulich schimmernd über seiner Handfläche schwebte,  und  sagte. ,, Folge mir.“

Dann stieg er langsam die ausgetretenen Stufen hinab.

 

Kapitel 3 Unterweisungen

 

 

,, Wissen ist Macht. Macht ist allerdings nicht zwangsweise Wissen.“

Carius VIII  ,, Gedanken zur Herrschaft.“

 

Jaret folgte dem Zauberer die Stufen hinab. Erst bestanden diese noch aus dem gleichen Sandstein wie die über ihnen liegenden Palasträume. Bald wurde dieser  aber durch einfachen behauenen Fels abgelöst, der hier und da von Fackeln beleuchtet wurde.

Scheinbar endlos führte der Weg abwärts in die tiefe. Der Palast selbst befand sich zwar auf einem Hügel ein gutes Stück über der restlichen Stadt gelegen, trotzdem mussten sie mittlerweile wohl schon weitaus  tiefer  hinab gestiegen sein als nur bis zur Stadtebene.

Die Treppe mündete schließlich in einen hohen, relativ breiten Gang so dass man bequem stehen und sich bewegen  konnte.

Am Ende des kurzen  Ganges befand sich eine schwere Tür aus dunklem Eichenholz, die locker in den grob in Form gemeißelten Stein eingelassen war.

Einige Fackeln erhellten alles.

,, Meine Quartiere befinden sich zwar oben im Palast, aber meine gesamte Forschung führe ich hier unten durch“ , erklärte Darelto während er die Tür aufzog und gleichzeitig das magische Licht in seiner Hand löschte. ,, Das ist meist.. sicherer so.“ Dahinter lag alles im Dunkeln. Der Zauberer trat, gefolgt von Jaret in den Raum und auf eine Handbewegung flammten ein halbes Dutzend Fackeln in Wandhalterungen  auf, die Licht spendeten.

 

Die Kammer selbst bestand unter anderem aus einem Bücherregal mit verstaubten Wälzern. Ein, soweit Jaret das beurteilen konnte,  gut ausgestattetes Alchemielabor nahm  eine gesamte Seitenwand den Regal gegenüber ein. Glasflaschen in verschiedenen Farben reihten sich aneinander, teilwiese leer, teilweise mit ihm unbekannten Inhalt. Ein Destillierkolben dampfte über einer kleinen Kerzenflamme, die Ruben wohl ebenfalls entzündet hatte. 

Jaret wusste es nicht genau zu sagen, aber die langsam darin  vor sich hin köchelnde Substanz erinnerte ihn zu sehr an Blut.

In der Mitte des Raumes stand ein einfacher  Steintisch. Darauf wiederum  lag ein einziges Buch, das Jarets Blick sofort auf sich zog.

 Der Einband war von tiefem schwarz und die Ecken mit abgenutzt wirkenden Goldplättchen beschlagen.

,, Setzt dich ruhig.“

Ruben deutete auf einen Stuhl der an der Wand lehnte.

Jaret holte den Stuhl ohne zu zögern. Immer noch fasziniert und gleichzeitig ehrfürchtig sah er sich in der Kammer um. Dann setzte er sich langsam an den Tisch.

Eingetrocknete Flecken und mit Wachs und Farbe gemalte Symbole bedeckten die uralt wirkende Oberfläche.

Denn was er vormals für Stein gehalten hatte wirkte bei näherer Betrachtung wie Holz… nur dass es durch unzählige Jahre langsam aber sicher zu etwas geworden war, das einem Felsen  zum Verwechseln ähnlich sah.

Ruben ließ sich ihm gegenüber nieder.

 

Da waren sie nun also. Der alte , mächtige Zauberer und der von Visionen geplagte Junge ohne Geschichte. Ruben schwieg eine Weile.

,, Nun , Jaret.... beantworte mir doch bitte zunächst ein paar Fragen. Nichts Schwieriges. Ja ?“ , begann er schließlich. Seine Stimme war freundlich aber angespannt.

,, Von mir aus, aber ich...“

,, ..Weiß nicht mehr viel über meine Vergangenheit?“ , beendete Darelto den Satz für ihn, ,, Ja das habe ich mir gedacht. Die Vision kann Erinnerungen in manchen Fällen ändern… oder zerstören.“ Den letzten Satz murmelte er so leise, das Jaret ihn kaum Verstand. Aber die Art wie er es sagte machte ihm Angst.

,, Was soll das heißen ?“

,, Nichts. Oder noch nichts. Erst muss ich sicher sein, vielleicht ist das alles hier nur Zufall.“ Er zuckte mit den Schultern, ,,Aber wenn nicht… dann erklärt das einiges.“

 

Jaret war sich nicht sicher ob er wirklich Verstand wovon der Zauberer sprach. Vielleicht wollte er das auch gar nicht.

,, Nun, wie lange hast du diese Visionen schon ?“ , wollte Ruben wissen, während er das auf dem Tisch liegende Buch nahm und in Richtung des Regals ging.

Jaret überlegte einen Moment. ,, Eigentlich schon immer, aber ich glaube vor ein, zwei Jahren hat es dann angefangen ... schlimmer zu werden. Manchmal kommen sie jetzt auch wenn ich wach bin.“

Der Magier stand einen Augenblick unschlüssig vor dem Bücherregal. Das Buch mit dem schwarzen Umschlag war wieder an seinem Platz.

,, Ich frage mich ob..... “, er zog ein anderes Buch mit grauem Einband heraus.

Dessen Seiten so schien es, waren so brüchig und vergilbt, das sie ihm zwischen den Händen zerbröseln konnten.

Ruben murmelte kurz etwas und das vergilbte Papier straffte sich sichtlich. Es war nach wie vor nicht neu, aber schein doch um einige Jahre verjüngt zu sein.

Mit dem magisch restauriertem Buch in der Hand trat er an den Tisch und legte es Jaret vor die Nase.

,, Kannst du überhaupt  lesen ?“ , fragte er hastig, als wäre ihm erst jetzt die Idee gekommen.

,, Ja“ , antwortete Jaret langsam. Langsam war er sich nicht mehr sicher, ob es eine so gute Idee gewesen war hierher zu kommen. Aber Ruben nickte ihm nur freundlich zu, während  er das Buch kurz wieder an sich nahm

,, Es wäre auch nicht schlimm wenn nicht. Nun dann“ , er blätterte das alte Papier durch als Suche er etwas bestimmtes. ,, Kannst du mir sagen was hier steht ?“ Ruben hatte offenbar gefunden was er gesucht hatte. Er legte das Buch wieder vor Jaret hin und deutete mit einem Finger auf die aufgeschlagene  Seite.

 

Jaret sah genau hin, aber auf der Seite selbst stand nichts. Zumindest keine Buchstaben. Nur ein einziges Symbol war darauf gezeichnet worden.

Ein strahlenumkränzter Stern , der offenbar mit Blattsilber auf dem Bogen aufgetragen worden war. Die Strahlen selbst schienen stilisierte Schwerter darzustellen.

Irgendetwas an der Zeichnung ließ ihn nicht mehr los…

Bevor er richtig wusste, was geschah riss ihn ein erneuter Sturm unzusammenhängender Bilder mit sich.

Erneut sah er eine ältere Version von sich selbst.

Die Gestalt, die gleichzeitig er war stand am Ufer eines Sees.

Die Sonne verschwand grade dort wo das Wasser wieder in Land überging.

Das Wasser wirkte im späten Licht wie Blut.

Der Mann, der ihm selbst so ähnlich sah blickte in die Ferne, ein Schwert in der Hand. Die andere baumelte nutzlos neben dem Körper. Die Haut schien sich dunkel verfärbt zu haben.

Dort am Horizont erhob sich die Silhouette einer Stadt. Eine große Staubwolke stieg in den Himmel und kam langsam auf ihn zu.

Ein Vogel trug einen Schrei über das Wasser. Mindestens ein Dutzend schwer gepanzerter Reiter tauchten aus der Wolke auf und hielten weiter ohne langsamer zu werden auf die einsame Gestalt am Wasser zu.

Jaret wurde schlecht vor Angst… das war sein Tot… das konnte nicht sein…

Seltsamerweise lächelte sein Visions-ich nur. Und genau in diesem Augenblick zerfiel das Schreckensbild.

 

Langsam sah er vor sich wieder die Kammer unter dem Palast von Seminium. Und Rubens neugierige Augen, die ihn über den Tisch hinweg musterten.

,, Und ? “ Der Zauberer hatte sich zu ihm vorgebeugt und starrte ihm jetzt direkt in die Augen. Du hast etwas gesehen?“ , fragte er als würde er die Antwort schon kennen.

,, Etwas ja “, es hatte keinen Sinn zu lügen. Auch wenn ihm etwas dazu riet. Das war nicht normal… es war gefährlich. ,, Ich weiß nicht was genau.“

,, Faszinierend. Junge, du hast eine wirklich seltene Gabe, es sind mir eigentlich nur wenige aufgezeichnete weiterer Fälle in den letzten Tausend Jahren bekannt und davon waren die meisten wohl nur Trickser.“

Jaret war sich nach wie vor nicht sicher, ob er wirklich verstehen wollte wovon der Zauberer redete.  Seine Träume, seine Visionen besser gesagt,  waren vielleicht ungewöhnlich und erschreckend, aber waren sie für einen Zauberer so wertvoll? Und vor allem…

Was waren sie?

Ruben sprach in der Zwischenzeit weiter: ,, Ich mache dir jetzt einen Vorschlag und ich bitte dich gut darüber Nachzudenken: Du erzählst mir alles was du siehst und ich meine damit wirklich alles, dafür dürftest du hier im Palast wohnen. Ich stelle dir Geld, Kleidung, Essen, alles zur Verfügung und alles was du tun musst ist mir erzählen was du siehst, außerdem werde ich dir Beibringen es besser zu kontrollieren. Was meinst du?“

Jaret zögerte. Ein paar seltsame Träume, mehr war es für ihn bisher nicht gewesen. Und manchmal waren sie doch durchaus nützlich geworden. Aber wenn sich ein Wesen wie Ruben Darelto dafür interessierte.. Jaret wusste nicht ob er Angst haben oder sich glücklich schätzen sollte.

Trotzdem brauchte er nicht lange überlegen.  Ein Leben auf der Straße eingetauscht gegen eines an diesem Ort, wenn auch sicherlich nur in den Quartieren der Diener?  Und alles was er zu tun hätte, wäre von seinen Visionen zu Berichten? Es war keine Entscheidung.

 

,, Einverstanden “ , sagte Jaret laut.

,, Gut, dann sei Morgen wieder hier, dann Zeige ich dir alles.“ Ruben schien zufrieden zu sein ,, Ach.... bevor ich’s vergesse , hier.“

Er zog einen schweren Beutel aus seinem Gewand und warf ihn Jaret zu.

,, Das dürfte genug Geld sein, damit du dir was zu Essen und heute Abend ein Zimmer bezahlen kannst. Wenn noch etwas übrig ist empfehle ich dir übrigens etwas neue Kleidung zu kaufen.“ Jaret sah ihn fragend an. Er würde doch kein Geld für Kleider verschwenden, die noch so gut wie neu waren… 

Ruben schein seine Gedanken wieder lesen zu können oder vielleicht erriet er sie auch nur, denn er sagte: ,, Wir werden  wenn alles gut geht Morgen mit dem König sprechen und so,“, der Zauberer deutete auf Jaret , ,,Erweckst du vielleicht den Falschen Eindruck ,du verstehst ?“

Jaret konnte einen kurzen Augenblick nicht antworten. Welche Überraschung erwartete ihn als nächstes? Es schein fast als hätte es sich Ruben zur Aufgabe gemacht sein ganzes Leben über den Haufen zu werfen. Nicht das Jaret etwas dagegen sagen würde, wenn es damit endete, das er von nun an immer einen trockenen Ort zum Schlafen und etwas zu essen hätte.

,, Ja, aber…“ , er hielt kurz inne. Wollte er wirklich noch mehr antworten? Schließlich gab Jaret sich einen Ruck. Es konnte kaum noch mehr Enthüllungen geben. ,, Eines noch. Etwas das ich nicht verstehe Woher kommen diese Visionen überhaupt? Was bedeutet das alles?“

,, Du weißt wirklich nicht was du bist oder ?“ Ruben wirkte amüsiert und grinste breit. ,, Hast du es noch nicht erraten ?“

Er schlug das graue Buch zu, so dass Jaret den Titel lesen konnte

 Das Buch der Seher und darüber in goldenen Lettern geprägt der Name des Verfassers. Garret Giller.

,, Du bist ein Seher , Kind.“

Und Jaret hatte kurz  Gedacht, das ihn jetzt nichts mehr überraschen könnte. Einen Namen dafür zu haben machte es nicht wirklich besser…

 

Schließlich brachte der Hofzauberer ihn zurück bis zum Zugang des Palastbezirks. Bevor er sich verabschiedete sagte er noch: ,, Ich hoffe du hast nicht vor, mit dem Gold das ich dir gegeben habe einfach zu verschwinden.“ Jaret schüttelte nur den Kopf. Auch wenn die Idee ihren Reiz hatte.

,, Das wäre... ungesund.“  sagte Ruben in bedrohlichem Ton und dann als hätte er ersteres nie erwähnt in völlig normalen freundlichem Tonfall: , Wir sehen uns also Morgen.“

Jaret machte sich langsam auf den Rückweg in die Gassen und Straßen der Stadt. Es dauerte eine Weile bis ihm wirklich bewusst wurde, was der Zauberer ihm alles offenbart hatte.

Ein Seher.

Das sollte er also sein? Nach Dareltos Aussage, hatte es neben ihm nur einige weitere Seher gegeben und der letzte sichere davon vor über tausend Jahren gelebt. Und trotzdem beschäftigten sich offensichtlich immer noch Magier mit dem Thema. Wie dieser Giller.

Was für seltsame Zufälle. Sein Leben lang, oder zumindest den Teil an den er sich erinnern konnte, hatte er damit zugebracht genau an dem Brunnen Wasser zu holen, der den Mann darstellte.

 Jaret fragte sich ob er wohl noch am Leben und ob er tatsächlich der Mann aus seiner Vision gewesen war.

Es waren so viele neue Fragen, das er sie sich am liebsten alle aufgeschrieben hätte.

Jaret  entschied schließlich, dass er Ruben ja Morgen zumindest nach dem Zauberer fragen könnte. Bis dahin hatte er aber noch etwas zu erledigen.

Er warf einen Blick in den Beutel den der Hofmagier ihm gegeben hatte und fand tatsächlich Gold darin… Die Münzen waren so groß wie seine geschlossene Faust, als er eine aus dem Beutel zog.

Bisher hatte er bestenfalls vergoldetes Silber oder Kupfer gesehen oder Goldstückchen so klein wie ein Knopf. Allein das Geldstück in seiner Hand war ein Vermögen.

Schnell ließ Jaret es wieder verschwinden und suchte einige kleinere Münzen aus dem Beutel bevor er seine Schritte in Richtung eines der Marktplätze der Stadt lenkte.

 

 Auf den Märkten konnte man fast alles bekommen, angefangen von einfachen Gebrauchsgegenständen über Goldschmuck und Gewürze  bis zu Fellen und Waffen aus so entfernten Ländern wie dem eisigen Raven.

Die Marktplätze Seminiums waren einfache öffentliche Plätze, die den Händlern gegen eine Gebühr zur Verfügung gestellt wurden und keine Extra für den Handel eingeplanten Orte.

Jaret selbst hielt sich gerne hier auf. Nicht nur weil er hier leichtes Spiel hatte. Es fiel nicht wirklich auf wenn bei den ganzen Ständen und überladenen Karren mal eine Kleinigkeit verschwand. Er genoss auch das bunte Treiben generell. Trickspieler, Geschichtenerzähler und oftmals auch einfache Reisende aus den entferntesten Winkeln des Kontinents fanden sich hier ein.

Der Platz den Jaret nun aufsuchte war eine kreisrunde freie Fläche zwischen den ansonsten dicht an dicht stehenden Häuserzeilen Seminiums.

Die Buden der Händler bildeten eine Art Spirale bis zum Zentrum des Platzes wo sich die Wache einen kleinen Posten eingerichtet hatte um die Übersicht zu behalten.

 Dieser Organisierte Aufbau war allerdings keine Idee der Händler sondern eine von der Stadt auferlegte Verpflichtung. Zu schnell ging sonst alles im Chaos unter und viel wichtiger, niemand konnte mehr überprüfen wer von den Anwesenden Händlern wirklich eine Lizenz besaß.

In der Mitte des Platzes stand eine Statue des Gottes Nundinor des Gottes des Handels und des Handwerks allerdings auch der  Schutzherr der Diebe. Eine ironische Entwicklung wenn man bedachte, dass es meist die Händler waren, die am ehesten unter den kleineren Diebstählen zu leiden hatten.

 

Auf dem Markt angekommen, suchte Jaret einen Stand der Kleidung verkaufte. Es gab hier dutzende davon. Einige verkauften teure gefärbte Stoffe und Seiden aus Hama, der Stadt der Seen, manche wiederum einfaches Leinen, das sie größtenteils an die Schneider Seminiums weiterverkauften.

Jaret selbst ging an den Ständen der Seidenhändler vorüber. Er wollte nichts zu teures. Nein, dachte er. Das stimmte nicht ganz. Er war es nur nicht gewohnt, sich überhaupt etwas neues zuzulegen.

Jaret wich einigen mürrisch aussehenden Wachposten aus während  er weiterhin einen passenden Stand suchte. Er fand bald einen Händler, der einfache, aber solide Kleidung aus Leinen und Lederwaren anbot.

Ein älterer Mann, der mit einigen Münzen herumspielte führte das Geschäft.

,, Was darfs denn sein ?“ , fragte er mit einem Blick auf die abgerissene Gestalt Jarets. Allerdings nicht abwertend, sondern mit einer Spur Mitleid.

Umso überraschter war er wohl, das Jaret nicht bloß ein Streuner war, von denen es in der Stadt mehr als genug gab, sondern tatsächlich ein Kunde.

Er sah sich kurz um, entscheid sich dann für ein grob gewebtes aber sauberes Leinenhemd, ein paar, offenbar bereits mehrfach geflickte, Schuhe aus Leder, einen Gürtel und vor allem einen neuen Rucksack. So ungern sich Jaret auch von dem Alten trennte, der geflickte Sack aus Leder und Stoffstreifen war kaum mehr zu gebrauchen.

Der Händler legte ihm die Sachen sorgfältig heraus.

,, Ich hoffe du kannst wenigstens mit etwas bezahlen.“ , meinte er. ,, Ich erlass dir die Schuhe wenn…“

,, Vielen Dank , aber… ich glaube ich komme klar.“ , meinte Jaret und reichte dem Mann einige kleinere Goldmünzen.

Dieser besah sich die Geldstücke einen Moment. ,, Die sehen echt aus.“

,, Die sind echt.“ , erklärte Jaret. Er könnte wirklich in Schwierigkeiten bekommen, wenn der Mann die Wachen rief. Auch wenn eine Überprüfung das Geld als echt erweisen würde, war es doch sehr ungewöhnlich mit einer solchen Summe herumzulaufen. Besonders für ihn.

Der Mann sah sich kurz nach den Wachen um. Jaret seufzte. Schließlich schien der Händler einen Entschluss zu fassen.  ,, Ich will gar nicht wissen woher jemand wie du die hat.“ Offenbar war er damit zufrieden bezahlt zu werden.

Jaret packte die Sachen rasch  in den neuen Rucksack. Anziehen würde er sie erst Morgen.

Jetzt jedoch wollte er sich noch etwas zu Essen besorgen. Es war ein gutes Stück nach Mittag und es schein eine Ewigkeit her zu sein, das er sich mal mehr als eine ordentliche Mahlzeit am Tag hatte erlauben können.

Er fand bald einen  Stand am Rande des Überlaufenden Marktes  der Suppe verkaufte. Eine einfache Brühe aus vermutlich schon mehrfach ausgekochten Knochen, aber immerhin warm.

Nach einem Teller Suppe begann er unschlüssig über den Platz zu laufen. Den Rest des Tages über blieb ihm nicht viel zu tun.

Es war erst Mittag, um eine Herberge würde er sich erst heute Abend kümmern müssen.

Er hatte keine wirklichen Freunde von denen er sich verabschieden könnte. Eine der Fischerinnen am Fluss vor der Stadt vielleicht. Zumindest hatte ihm die Frau immer mal wieder etwas zu Essen zugesteckt.

Er entschied noch einmal zum Stadtbrunnen zu gehen. Der Ort war mittags ein Punkt an dem sich die Städter trafen um zu tratschen und Neuigkeiten auszutauschen.

Gegen Mittag wurde es im Sommer entsetzlich warm und es war eine Wohltat am Rand des Brunnens in dem feinen Sprühnebel der Fontänen zu sitzen und sich so zumindest etwas abzukühlen,  den  Geschichten der Reisenden und der Wanderhändler, der Soldaten und Adeligen zu lauschen … es waren grade die Abenteuerlustigsten Gestalten, die sich dort versammelten.

Jaret hörte gerne den Reisenden zu, die berichteten, wie sie sich in den bergen mit Räubern oder in den Wäldern mit Wölfen und schlimmeren rumschlagen mussten. Er lauschte den Erzählungen der Soldaten die von der Grenze zurückkehrten und  hörte sich ihre Berichte über gefährliche Einsätze an ,  so behauptete einer von ihnen mit einer ganzen Kompanie einen Bettelmaigier verfolgt zu haben, von der letzten Endes nur er und eine Hand voll Leute übrig blieb um den Zauberer zu richten. Der Rest verwehte nun als Asche im Wind.

 Bettelmagier war der allgemein übliche Name für Zauberer die als Räuber oder Einsiedler lebten, entweder aus freier Entscheidung zur Einsamkeit oder weil sie keine andere Wahl hatten. Sie waren oft schlecht ausgebildet und die mächtigen Zauberer des Reiches von Arbitrium lachten über diese Wald und Wiesen Magier, aber für einen normalen Menschen stellten sie wohl trotzdem einem furchterregenden Gegner da.

Aber  auch  unter ihnen gab es einige, vor allem jene die als Einsiedler lebten, welche durchaus mit den Magiern des Reiches mithalten konnten, wenn sie diese  nicht sogar in Manchen Disziplinen wie beispielsweise der Heilkunst  übertrafen. Denn Reichsmagier wurden von den Akademien vor allem für den Kriegseinsatz ausgebildet. Nichts wirkte abschreckender auf Feinde als eine durch Zauberer unterstützte Armee, waren doch Magier alleine schon eine tödliche Bedrohung und konnten selbst im Alleingang schnell ganze Schlachtordnungen auseinander treiben.

 

Er lauschte all diesen Gesprächen mit der einfachen Begeisterung eines Kindes. Träumend von den fernen Orten von denen diese weitgereisten Männer und Frauen berichteten.

Und dabei kam ihm nun der Gedanke, dass er es nun vielleicht einmal selbst hier raus schaffen würde. Zumindest aus der Stadt und vielleicht sogar bis an die Grenze nach Egarium.

Die Zeit verging wie im Flug und so überraschte es ihn, als er sich plötzlich umsah und feststellte, dass bereits der Abend dämmerte.

Der Platz um den Brunnen wurde von der langsam hinter der Stadtmauer versinkenden Sonne in oranges Licht getaucht und die meisten Reisenden waren bereits verschwunden. Vermutlich befanden diese sich bereits in den Gasthäusern Seminiums, wo die Geschichten, beflügelt durch reichlich Bier, wohl noch einmal ein Stück farbiger Ausgemalt werden würden.

 

Jaret  hatte trotzdem keine Eile selbst eine Herberge zu finden. Notfalls würde er eben eine letzte Nacht im Freien verbringen müssen. Beinahe hätte er sich auch am liebsten dafür entschiede. Das Geld würde doch nur erneut zu Fragen führen.

 Langsam ging er die Hauptstraße hinab in Richtung der weniger reichen Stadteile.

Die Herbergen hier in der Nähe des Palastes waren unbezahlbar, selbst mit dem Gold das er noch übrig hatte und er wollte nicht mehr davon ausgeben als für den Augenblick nötig.

Schließlich fand er was er gesucht hatte, eine Seitenstraße die ihn in eines der Handwerkerviertel der Stadt bringen würde.  Schmiede, Schuster, Möbelmacher und Schneider, aber auch eben Gastwirtschaften, all diese Berufe und Geschäfte ließen sich hier finden.

Diese Bezirke hatten, ähnlich den Armenvierteln,  ihre eigenen ungeschriebenen Regeln. Hier waren weder der Adel noch die Armen gerne gesehen.

Erstere waren allerdings die häufigsten Kunden, so dass sie so gut wie nichts von den Beschwerden der Handwerker und Händler über Steuerlasten und Kriege mitbekamen. Letztere hingegen, die Bettler und Diebe wurden so schnell es geht vertrieben. Jaret hoffte nur das er damit keine Bekanntschaft machen musste denn noch trug er seine alten Kleider die ihn hier schnell in Schwierigkeiten bringen könnten.

Die Selbstbewussten Bewohner dieses Bezirks achteten aufeinander und miteinander über ihre Geschäfte.

Jaret  ging die gepflasterte Straße hinab und hielt die Augen nach einer Herberge offen. Die Häuser in diesem Viertel waren aus Holz aber oftmals mit kunstvollem Fachwerk verziert. Meistens handelte es sich dabei um Darstellungen aus dem alltäglichen Leben der Bewohner. Die Darstellung eines Mannes der an einem Amboss arbeitete beispielsweise wies auf einen Schmied hin und das in den Putz gekratzte Bild einer Schere wiederum auf einen Schneider.

Andernorts fanden sich auch in den Putz gekratzte Symbole. Stilisierte Blumen, Tiere aus der Wildnis… Es war umso vieles schöner als die verfallenen Hütten, die Jaret gewohnt war und hatte seinen eigenen Charme. Wenn man ihn vor die Wahl zwischen Palast und einem dieser kleinen aber soliden Hütten gestellt hätte, er hätte wohl die Fachwerkbauten genommen.

Langsam ging er weiter

 

Gasthäuser hörte man in Seminium  meist bevor man sie sah. Da diese meist auch als Schenke dienten, war das lachen und lallen der Betrunkenen, besonders wenn es schon später wurde, unverkennbar.

Jaret meinte etwas weiter die Straße entlang ein solches Haus zu sehen und vor allem eben  zu hören.

Er machte sich wenig Gedanken über die Betrunkenen. So viel er im besten Fall weniger auf.

Jaret ging die Straße hinab bis er das Gasthaus erreichte. Bevor er jedoch hineingehen konnte, sprach ihn jemand an.

,, Hey, du Junge, was machst du um diese Zeit noch hier draußen ?“ Tatsächlich war es mittlerweile fast vollständig dunkel.

Als Jaret sich umdrehte sah er hinter sich einen Mann mittleren Alters stehen. Er trug eine Lederschürze und ein grob gewebtes Leinenhemd. Offenbar ein Schmied oder vielleicht ein Gerber.

,, Ich suche nur noch einen Schlafplatz“ , antwortete Jaret . Er wollte keinen Ärger bekommen und der Fremde wirkte misstrauisch genug ihm welchen zu machen.

,, Und mit Schlafplatz meinst du nicht zufällig den Pflasterboden ?“ ,fragte der Mann spöttisch mit einem Blick auf Jarets Schuhe und Kleidung.

Er hatte doch damit gerechnet, dass ihm das noch Schwierigkeiten bereiten könnte.

,, Ich habe Geld “ , erklärte Jaret, ,, Ich suche lediglich eine Herberge.“ Er nickte in Richtung der hell erleuchtenden Fenster auf der anderen Straßenseite.

,, Natürlich. Und wem hast du das gestohlen?“ , fragte der Mann. Er wirkte nun allerdings nicht mehr ganz so misstrauisch. ,, Ach ist mir eigentlich auch egal.“ , meinte er schließlich.

,, Wenn du ein Dach über dem Kopf suchst das dich nicht die Welt kostet, aber trotzdem sauber ist versuchst du es am besten bei Luthers Spelunke da vorne.“ Dabei deutete er auf das Haus, zu dem Jaret sowieso schon hatte gehen wollen.

,, Danke “ , rief er noch über die Schulter hinweg, war aber bemüht, so schnell wie möglich wegzukommen. Sein Glück, so schien es,  hatte er heute schon überstrapaziert.

,, Keine Ursache. Ich bin übrigens Warren.“ , rief ihm der Mann hinterher. ,, Pass auf dich auf .Vielleicht sieht man sich ja wieder.“

Jaret hatte die Begegnung schon wenige Meter weiter fast wieder vergessen und sollte lange Zeit nicht mehr an den Schmied denken.

Als er die Gaststube betrat interessierte es ihn auch schon nicht mehr.

 

 

In der Schenke selbst war nicht viel los. Ein paar Tabajaxie saßen zusammen an einem Tisch und Würfelten, wobei, dachte er, vermutlich keiner Ehrlich blieb. Er bemerkte wie mehr als einmal ein Würfel heimlich unter einer Hand verschwand und ein anderer dafür wieder auftauchte. Auch Jaret war nicht völlig frei von Vorurteilen. Zwei ältere Menschen spielten eine Art Kartenspiel und einige einsame Seelen saßen ihr Bier oder ein Glas Wein vor sich an ihren Tischen und sahen ins Leere.

Der Besitzer, bei dem es sich wohl um Luther handelte,  stand hinter einem Tresen neben dem eine Treppe ins nächste Stockwerk führte. Er war ein etwas untersetzter, älterer Mann, dessen graue Haare schon licht wurden. Doch die krumme, offenbar schon mehrfach gebrochene, Nase und die hakenförmige Narbe über seinem linken Auge verrieten dass er sich nicht scheute bei einer Schlägerei dazwischen zu gehen.

Er hatte natürlich sofort den Jungen in der abgetragenen Kleidung und dem Rucksack entdeckt. Den ganzen Weg bis zum Tresen musterte er Jaret mit wachen Augen.

,, Zimmer oder Mahlzeit?“ , wollte Luther nur wissen. Sein Tonfall verriet, dass ihm wohl egal war, wer Jaret war, oder was ihn sonst noch hertrieb.

,, Ein Zimmer.“ , sagte Jaret. Die Kneipe machte  von Außen zwar einen etwas heruntergekommenen Eindruck, war innen aber sauber und gepflegt, wenn auch nicht unbedingt neu.

Nachdem er dem Wirt ein paar Münzen gegeben hatte, die dieser Wortlos einsteckte, gab der ihm einen Schlüssel und erklärte dann, die Zimmer seien die Treppe hinauf.

Sobald  Jaret seinen Raum  gefunden hatte, legte er sich sofort aufs Bett und schlief, den Kopf noch voller Gedanken, ein.

 

 

Kapitel 4 Die Reise

 

 

,,Strömungen der Zeit, Winde des Schicksals.. wohin führt ihr mich? Zum Letztlich Unabwendbaren Schicksal ? Ich will mich ihm Stellen.“

 Die Ballade des Wanderers

 

Am nächsten Morgen erwachte Jaret erst, als draußen bereits die Sonne durch die niedrigen Fenster seines Zimmers schien. Das Licht blendete ihn im ersten Moment, bevor er sich aufsetzte.

Rasch zog Jaret die neuen Sachen an, die er sich besorgt hatte und verstaute die alten wieder in seinem Rucksack. Dann nahm er den Wanderstab und machte er sich auf, zurück zum Palast. Was immer ihn heute erwartete… er war gespannt darauf.

Der Weg durch die Gärten  kam ihm dieses Mal bereits weniger unvertraut vor. Blütenstaub in der Luft ließ ihn mehrmals heftig niesen.

Jeden Tag die Möglichkeit und die Zeit zu haben unter diesen Bäumen, die teilweise so alt wie die Stadt selbst waren, hindurch zu wandern… er könnte sich nicht sehr viel mehr Wünschen.

Ein wenig ungläubig sah er auf die Steinbauten und weitläufigen Grundstücke der Adeligen zurück. Was ihn gestern gestört hatte, das konnte er nun in klarere Gedanken fassen. Wozu brauchte man solche kleinen Paläste?

Sie bauten sich selbst Tempel. Der Gedanke erschreckte ihn selbst.

Aber in einem Tempel verehrte man Götter…

Hielten sie sich am Ende noch dafür? Für Götter ?

Einige Augenblicke später hatte er bereits vergessen warum ihn der Gedanke kurz so sehr beunruhigte, ja regelrecht wütend machte.

Die Wache am Tor zum Palastbezirk war wieder der gleiche Mann wie gestern. Der den Ruben mit Dunik angesprochen hatte und welcher ihn Anfangs nicht hatte durchlassen wollen. Er warf Jaret im Vorbeigehen lediglich einen missgünstigen Blick zu, hielt ihn jedoch nicht auf.

Die Androhung des Magiers, ob nun ernstgemeint oder nicht, hatte offenbar Wirkung gezeigt.

Diesmal nahm Jaret sich nur wenig Zeit die honigfarbenen Sandsteinbauten und Wirtschaftsgebäude zu bestaunen. Auch an der Statue auf dem Richtplatz lief er eher achtlos vorbei.

 

Ruben stand bereits vor den Palasttoren und Jaret fragte sich, ob der Zauberer wirklich auf ihn gewartet… oder irgendwie gewusst hatte, das er auf dem Weg war.

,, Jaret schön dich wiederzusehen. Ich hatte schon befürchtet du hättest es dir Überlegt.“

Ruben musterte ihn kurz von oben bis unten. ,,Und wie ich sehe,  hast du dir auch neue Kleider besorgt, gut. Die wirst du brauchen.“

Jaret sah ihn Fragend an. Er traute sich noch nicht, einfach zu sprechen ohne dass der Zauberer ihn dazu aufforderte.

,, Nach unserem gestrigen Treffen habe ich dem König von dir erzählt und er möchte dich kennen lernen. “ , antwortete dieser, ohne das Jaret fragen musste.

 Der König selbst wollte mit ihm sprechen? , Er wurde erneut etwas misstrauisch.

Ruben hatte das zwar bereits angekündigt aber er hatte eigentlich nicht wirklich damit gerechnet. Er war nicht wirklich jemand für den sich ein König interessieren würde. Oder doch ?

Ein Seher… Das hatte zumindest der Magier behauptet.

,, Wieso ?“ , wollte Jaret wissen und brach damit sein eigenes Schweigen.. Die Frage war möglicherweise etwas grob gestellt, denn Ruben wirkte plötzlich nicht mehr so entspannt.

,, Nun der König möchte wissen, wen ich als meinen Gehilfen einstelle.“

,, Gehilfen ? Ich dachte ich sollte lediglich...“ , begann Jaret verwirrt.

,, Natürlich.“ Der Zauberer ließ ihn nicht ausreden. ,, Ich sagte bereits ich würde dich unterrichten, wie deine Visionen besser zu kontrollieren sind, da ich aber nebenher noch viele andere Aufgaben habe, kannst du mich begleiten und mir zu Hand gehen. Nebenher werde ich dich in der freien Zeit die mir bleibt unterrichten.“

Jaret sah einen Moment zurück zur Stadt und dann wieder zu Ruben. Der alte Zauberer lächelte freundlich, aber seine Augen scheinen dabei kalt zu bleiben. Kalt, mit dem unübersehbaren Feuer der Magie, das dahinter loderte.

Jaret fragte sich kurz, wie es irgendjemand aushalten konnte, diesem Mann länger als ein paar Sekunden in die Augen zu sehen. Oder war nur er es, der diese Macht wahrnahm? Die Kraft zu Heilen… und die Kraft mit einem einzigen Gedanken, einer Laune, zu töten.

,, Und was sagst du?“ Ruben so schien es wollte jetzt und hier seine Endgültige Entscheidung wissen. ,,Immer noch interessiert zu lernen? “

Jaret war einen momentlang zu erstaunt um zu antworten. Er, ein Straßenkind, sollte Helfer einer der mächtigsten Personen in Arbitrium werden. Natürlich hatte Ruben auch ein Interesse an seinen Visionen, berechtigt oder nicht aber…

Aber warum nicht ? Konnte er das Angebot des Magiers überhaupt noch ablehnen?

,, Ich denke ich bin bereit zu lernen.“ , antwortete Jaret schließlich . Für einen Rückzieher war es wohl ohnehin zu spät. Und er wollte auch nicht. Was immer ihn hier erwartete, es konnte nur besser sein, als auf den Straßen auf den Tot zu warten.

Ruben zuckte mit den Schultern. ,, Gut dann komm, deine neue Arbeit beginnt ab sofort und der König wartet nicht gerne.“

 

Der Thronsaal des Palastes nahm von seiner Größe her gut und gerne die Fläche eines ganzen Hauses ein. Und keiner kleinen Hütte, nicht einmal den einer Schänke. Die ganze Halle wirkte mindestens so hoch und so weitläufig wie einer der kleinen Paläste an der Gartenstraße und doch erhellten die magischen Lichtkugeln, die hier auch von den Decken hingen, den ganzen Saal.

Der Boden bestand aus weißem Marmor. Vereinzelte, feine Adern aus hellerem und dunklerem Gestein durchliefen die Platten.

In schwarzem Marmor hatte man, genau in der Mitte des Saals, das königliche Wappen eingelassen.  Die Sonne Arbitriums. Die Kronen wiederum waren durch kleinere Steine aus Malachit und Lapislazuli gefertigt worden.

Das Marmorne Wappen war so blank poliert, das es das Licht der magischen Kugeln zurückwarf und den ganzen Raum in ein gleißendes, surreales Licht tauchte.

 Der Raum selbst besaß drei Türen. Eine, die wie Jaret später erfuhr Tür der Bittsteller genannt wurde und durch die sie den Saal betraten war dem Thron genau gegenübergestellt. Dieser wiederum befand sich auf einem leicht erhöhten podest. Die Tür rechst des Throns war für die Adligen reserviert und die Pforte links für Dienstboten.

König Avarem von Dynastes saß auf dem Thron an der Rückwand des Raumes,  doch hätte er diesen  eigentlich nicht gebraucht.

Er beherrschte den Raum allein durch seine Anwesenheit bereits vollkommen.

 Mit grade einmal etwas mehr als dreißig Wintern und seiner Hochgewachsenen Statur war er jemand, den man auch als Person nicht unterschätzen durfte.

Den langen braunen Haaren umrahmten das ernst wirkende Gesicht wie ein dunkler Heiligenschein.

Der junge Jaret hätte nicht viel  mehr Ehrfurcht empfinden können, wenn da nicht dieses bittere Gefühl gewesen wäre, das er schon auf dem Weg hierher empfunden hatte.

,, Mein Herr“  , sagte Darelto nach einer Angedeuteten Verbeugung. ,, Ich darf euch Jaret Weißläufer vorstellen, den ich vom heutigen Tag mit eurem Segen meinen Gehilfen nennen möchte.“

Avarem stand langsam auf und trat zu den zwei wartenden hinab in den Saal.

,, Ein Gehilfen sagt ihr ?“, die Stimme des Königs war überraschend scharf. Sie schnitt durch den Raum wie ein Schwert und Jaret erzitterte am ganzen Körper. Ruben  hingegen blieb ganz Ruhig und erwiderte: ,, Ja Herr, wir sprachen bereits gestern über ihn und ihr sagtet ihr wolltet ihn gerne vorher sehen. Nun das ist er.“

Der König schien auf einen Schlag weniger Streng.

,, Nun wenn ich mir den Burschen so ansehe, dann scheint er mir doch ganz vernünftig zu sein. Oder ?“

Jaret wusste nicht genau, was er antworten sollte und nach einigen Sekunden fuhr Avarem fort : ,,Meine Erlaubnis habt ihr. Aber... lasst mich doch kurz allein mit ihm sprechen.“

,, Allein ? Herr....“, begann Ruben unsicher.

,, Allein, ja und jetzt raus mit euch.“ Die Kälte und strenge war plötzlich wieder da und duldete keinerlei Wiederstand.

Plötzlich in die Defensive gezwungen sagte der Zauberer nur: ,, Wie ihr Wünscht.“ , und Verließ den Saal mit hinter ihm her wehender Robe.

 

Die Mine des Königs hellte sich sichtlich auf als der Magier die Tür hinter sich schloss.

,, Weißt du Junge, ich könnte dir jetzt das gleiche wie jedem sagen. Es ist eine Ehre für die Königsfamilie und deren Untergebene zu arbeiten und der ganze übrige Mist.“

Er lachte kurz, ein Geräusch das wie Donner in dem leeren Saal wiederhallte. Avarems Mine wurde gleich darauf wieder ernst. ,, Ich werde dir aber stattdessen etwas erzählen, dass ich nicht jedem sage.“ Er hielt einen Moment Inne und schien nach Worten zu suchen. ,, Ruben hat mir von deiner,  soll ich es Begabung oder Fluch nennen, erzählt. Und ich denke es könnte von Nutzen für uns sein. Sogar sehr von Nutzen.“

,, Ich glaube nicht, das ich verstehe wieso.“

,, Die Zukunft zu kennen…“

Jaret musste ihn unterbrechen. Die Zukunft zu kennen, genau das tat er doch nicht.  ,, Verzeiht aber… was ich sehe… das kann nicht die Zukunft sein.“

Der König wurde hellhörig. ,, So ?“

,, Ich meine…“ Jaret suchte nun selbst nach Worten auch wenn ihm klar war, das der König es ihm vielleicht übel nehmen könnte. ,, Ich meine, dass es nicht die einzige Zukunft ist. Es muss nicht geschehen. Es ist nur…“

,, Die größte Wahrscheinlichkeit ?“ , fragte Avarem mit einem Grinsen. Einen Teil seines Lebens  hatte der König in Dynastes verbracht, wie Jaret schlagartig klar wurde. Unter den Magiern. Vermutlich verstand er mehr von dem, was Jaret ihm sagen wollte, als Jaret selbst.

Er nickte deshalb nur. Das traf es wohl am besten. Was immer er sah war nicht festgeschrieben. Das er in der Lage gewesen war, Ruben in der Gasse abzulenken war Beweis genug dafür.

,, Gut genug für mich.“ , meint der König. Sein ernst kehrte schlagartig erneut zurück. Jaret fragte sich, ob dieser Ernst eine Maske war… oder das sporadisch auftauchende Lächeln. Eines von beidem war in jedem Fall nicht echt. ,, Aber hüte dich vor Darelto, er ist nicht ganz der freundliche alte Mann der er zu sein scheint.“

Bevor er fragen konnte, was Avarem damit meinte sprach dieser weiter: ,,Er  plant etwas, das spüre ich, ich weiß nur noch nicht was. Vertrau ihm nicht zu leichtfertig. Und jetzt, geh du hast sicher heute noch anderes zu erledigen. Und ich auch.“

Jaret verbeugte sich und verließ die Halle. Avarem sah ihm einen Augenblick nach, wie jemand, der nicht wusste ob er einen Fehler gemacht hatte.

Jaret jedoch bemerkte es nicht, während er über das Marmorsiegel im Boden trat.

Dabei ging ihm ständig durch den Kopf was der König gesagt hatte. Das der Hofzauberer nicht nur aus Nächstenliebe handelte war ihm klar. Aber was König Avarem gemeint hatte, sollte für ihn die nächsten paar Jahre lang ein Rätsel bleiben. Bis der Sturm begann und er sich mittendrin wiederfand.

Doch nun begann für ihn ein neues Kapitel.

 

 

 

Die erste von vielen Veränderungen  in Jarets Leben als Gehilfe Rubens, war sein Zimmer. Er war es gewohnt in Decken gehüllt auf dem Boden zu schlafen, deshalb kam ihm das Bett das ihm in einer der Gesindekammer zur Verfügung gestellt wurde, wie der größte Luxus vor. Der Raum selbst befand sich in einem Turm des Palasts.

Des Weiteren gab es mindestens dreimal am Tag Essen. Wieder etwas, das ihm so ungewohnt war, dass er sich erst daran gewöhnen musste und in der ersten Zeit einfach Mahlzeiten vergaß.

Die nächste Neuerung war, dass ihm von Ruben jeden Monat eine, für seine Verhältnisse nicht grade geringe, Summe Geldes zur Verfügung gestellt wurde. Er konnte sich erst gar nicht vorstellen, dass jemand so viel Geld überhaupt ausgeben konnte. Jaret sollte jedoch schnell herausfinden dass es doch möglich war. Er brauchte sich nur lange genug auf dem Palastgelände und unter den Adeligen umsehen.

Die ersten paar Monate seines Lebens im Palast waren davon geprägt, dass er dem Hofzauberer bei seinen verschiedene Tätigkeiten zur Hand ging. Jaret  holte Holz für das Feuer der Destille, wenn sich der Magier mit Alchemie beschäftigte oder erledigte auch schon mal die Einkäufe wenn Darelto zu beschäftigt war um selbst Zutaten oder Bücher zu Suchen und zu Erstehen.

 Er hörte dem Zauberer genau zu und las so gut wie jedes Buch das er für den Magier besorgte auch selbst. Auch wenn er vieles nicht verstand so lernte er doch schnell und sog das Wissen praktisch wie ein Schwamm auf. Ob es nun magische Theorien waren, die er kaum nachvollziehen konnte, Schriften, die sich mit der Botanik und den Lebewesen der Gegend beschäftigten oder simple alchemistische Formelsammlungen.

Bald schon kannte er einige der Wichtigsten alchemistischen Rezepte auswendig und Ruben erlaubte ihm unter seiner Aufsicht selbst einige herzustellen.

Die Arbeiten rein magischer Natur ,wie etwa wenn Ruben  Gegenstände für den König verzauberte, waren etwas das der Zauberer allerdings  allein tun musste. Solche Verzauberungen zu fertigen war ein langwieriger und gefährlicher  Prozess der unter Umständen mehrere Tage dauern konnte und nicht unterbrochen werden durfte. So brachte er dem Hofzauberer unter anderem Essen und Wasser aber auch die Entsprechenden Nachschlagewerke, wenn er sich bei einigen Verzauberungsschritten noch einmal vergewissern wollte.

 

 

Einmal jedoch ging einer der empfindlichen magischen Prozesse schief als Jaret sich grade im Raum befand. Der zu verzaubernde Gegenstand, in diesem Fall ein einfacher Silberring, begann in einem gleißenden Licht zu strahlen. Ruben schrie Jaret noch zu er solle machen, dass er aus dem Raum rauskam, als es auch schon zu spät war. Es war der Moment in dem Jaret klar wurde wieso sich die Labore des Zauberers im Gestein tief unter dem Palast befanden.

Holzsplitter von der Einrichtung wirbelten im ganzen Saal herum. Die Tür des Labors wurde aus ihren Angeln gerissen und von der Decke lösten sich einige Steinbrocken. Jaret erfuhr später, dass man die Erschütterung selbst oben im Hof des Palasts noch gespürt hatte.

Wie durch ein Wunder wurde niemand verletzt aber an diesem Tag verstand Jaret etwas dass er vorher zwar schon gewusst, aber jetzt erst begriffen hatte. Magie war Macht. Und in den falschen Händen  unglaublich zerstörerisch.

 

 

 

 

 

 

In der wenigen freien Zeit die ihm blieb und  die Ruben nicht mit Schlafen oder Essen verbrachte, arbeitete er mit Jaret.

Er stellte ihm verschiedene Fragen über seine Vergangenheit, die Jaret aufgrund seiner Lückenhaften Erinnerung größtenteils nicht beantworten konnte. Ruben äußerte auch die Vermutung, dass dies möglicherweise mit seiner Seher-Begabung zusammen hing.

,, Wieso ?“ , wollte Jaret wissen. Er war damals gut 2 Jahre im Palast und hatte sich in dieser Zeit schon ein paar der Bücher und Schriften Rubens zu verschiedensten Themen angeeignet.

Aber in nichts davon hatte er wirklich einen Hinweis auf so etwas gefunden. 

,, Es scheint mir plausibel.“ , meinte der Magier nur. ,, Aber wenn du es wissen willst,, ich vermute, die Sehergabe erstreckt sich nicht nur einfach auf. Vergangenheit und Zukunft und Gegenwart. Ich glaube sie kann dich auch beeinflussen… lenken wenn du so willst. Sie ist…“ Ruben schien das erste Mal unsicher zu werden. ,, Nun man könnte wohl sagen ein lebendiges Wesen. Wie die gesamte Magie.“

Er erläuterte nicht weiter, was er damit meinte, aber Jaret glaubte es zu verstehen. Seine Visionen hatten mit der Zeit immer mehr  Launisches an sich. Er konnte längst nicht mehr darauf hoffen, dass sie nur im Schlaf zuschlugen, vor allem da Ruben  ihm erneut einige Seiten aus dem Buch des Sehers zeigte.

 

Fasziniert stellte Jaret fest, dass auf jeder Seite ein anderes Symbol war. Pentagramme, Mandalas aus wirren Muster, Quadrate und Schlangenlinien die keine wirkliche Form zu haben schienen. Aber auch schlichte Symbole wie das Sternenzeichen welches Ruben ihm als erstes gezeigt hatte.

Und jedes einzelne löste eine Vision aus. Mal sah er Dinge die ihn Ängstigten, mal Dinge über die er sich freute, doch er merkte auch, dass einige Visionen schnell wieder aus seinem Gedächtnis verschwanden während sich andere unauslöschbar einprägten. Der Zauberer äußerte die Vermutung, dass die Visionen die er wieder Vergaß vielleicht Dinge zeigten die erst in ferner Zukunft geschehen würden oder schon geschehen waren und demzufolge als Unwichtig abgetan wurden und jene welche er sich behielt in der näheren Zukunft eintreffen würden. Es war unmöglich es nachzuprüfen, denn von den Visionen die er aus dem Buch erhielt, handelte keine von ihm selbst oder jemanden den er kannte.

Ruben wies  ihn trotzdem an jede Vision in ein kleines Buch, das er ab da an meist bei sich trug, aufzuschreiben.

Als Jaret daraufhin verschämt zugeben musste das er zwar Lesen konnte aber nie schreiben gelernt hatte, begann Ruben ihn auch darin zu unterrichten, wenn er die Zeit fand. Auch lehrte Ruben ihn, wie er, wie der Zauberer es nannte, seinen Geist  öffnen oder abzuschotten konnte. Indem man seine Aufmerksamkeit auf einfach alles um sich herum lenken  und somit seine Wahrnehmung erweiterte und er zeigte ihm auch wie man sich ,indem man an Unwichtige Dinge dachte oder auch einfach im Kopf zählte, sich schlicht selbst ablenkte, seinen Geist vor anderen verschloss.

Warum der Zauberer ihm dies beibrachte leuchtete Jaret sofort ein, denn er hatte inzwischen erkannt, dass seine Visionen, außer wenn er schlief, größtenteils Visuell ausgelöst wurden. Das Buch war Beweis genug dafür.

Durch die Methode sich einfach auf alles gleichzeitig zu konzentrieren, fiel es ihm leichter, genau das herbeizuführen und die Auslösung einer Vision geradezu steuern zu können.

Es war ihm bereits einige Male gelungen eine Vision in diesem Zustand herbeizuzwingen. Jaret hatte sich einfach auf ein Buch konzentriert, dass Ruben am Vortag gelesen hatte.

Tatsächlich dauerte es nur wenige Sekunden, bis die Welt in einem Wirbel aus Bildern verschwand.

Er hatte vor sich Ruben gesehen, wie dieser, das Buch in der Hand auf einem Sessel saß und las.

 Danach war es ihm noch ein paar Mal gelungen, aber meistens kamen die Visionen immer noch zufällig und unkontrolliert. Außer wenn er das genaue Gegenteil tat und seinen Verstand verschloss. Dann hatte Jaret, wie er schnell merkte, zwar immer noch Visionen allerdings weniger und er konnte diese nicht im geringsten Beeinflussen. Es war praktisch so, als wäre seine Begabung betäubt.  Ein angenehmer Nebeneffektdieser Methode war, dass es Ruben überhaupt nicht mehr möglich schien festzustellen ob er log oder nicht. Er hatte nichts gegen den Hofzauberer, betrachtete ihn sogar als seinen Retter, gewöhnte sich aber trotzdem bald an bei allen Gesprächen mit Ruben seinen Geist zu blockieren. Ob der Magier merkte dass er ausgesperrt wurde oder nicht erfuhr der Junge allerdings nie.

 

 

Alle paar Wochen  ging Ruben im Auftrag des Königs oder  auch privat auf Reisen. Meistens

blieb Jaret während solcher Reisen allein im Palast zurück. Er übte dann mit dem Buch des Sehers. Oft Schlug er die Seite mit dem Symbol auf, das Ruben ihm ganz am Anfang gezeigt hatte. Der Stern innerhalb eines Mondes, dessen Strahlen in Schwertern ausliefen.

Diese Seite war, wie er gemerkt hatte, die einzige die bisher eine Vision seiner eigenen Zukunft ausgelöst hatte.

Aber so sehr er sich auch konzentrierte, er schaffte es nicht eine weitere Vision herbeizuzwingen.

Ansonsten waren diese Zeiträume während der Reisen des Zauberers meist unglaublich langweilig. Jaret hatte sich daran gewöhnt, praktisch jeden Tag mit Magie und Rubens Forschung zu tun zu haben und seine anfängliche Angst war viel mehr zur Faszination geworden.

Nur ein einziges Mal nahm Ruben ihn auf eine seiner Reisen mit. Und es wäre fast sein Tod gewesen.

Er erläuterte nicht, warum Jaret ausgerechnet bei dieser speziellen Reise dabei sein sollte, doch  als er Jaret fragte ob dieser ihn begleiten wolle, sagte er sofort ja.

Es war besser, als sich in Seminium zu langweilen. Und Jaret wollte raus. Aus der Stadt aber am besten vielleicht noch weiter.

Der Zauberer plante eine Reise nach Erane eine kleine Stadt etwa drei Tagesreisen von Seminium entfernt. Das war in Jarets fünftem Jahr im Palast. Mittlerweile erinnerte kaum mehr etwas an den Straßenjungen, der  eines Tages das Pech oder das Glück hatte, dem Hofzauberer aufzufallen.

 

Sie brachen in aller frühe von Seminium aus auf und hofften an diesem Tag noch bis zu einem kleinen Dorf zu kommen, dass Ruben schon früher besucht hatte.  Das würde ihnen Ersparen irgendwo im freien ihr Lager aufschlagen zu müssen.

Der Weg führte, nachdem sie die offene Gegend um Seminium herum hinter sich gelassen hatten, vor allem durch die Wälder Arbitriums, welche das Land von Arbitrium wie ein Gürtel in zwei Teile schnitten. Auf der einen Seite Seminium und Dynastes, auf der anderen Erane und die übrigen Städte.

Soweit Jaret sehen konnte gab es nur kühle Schatten und Bäume. Was sich alles unter diesem endlosen  dunklen Blätterdach verbergen konnte…

Einen Moment glaubte er, über den Bäumen  zu schweben, ein endloses Meer aus Grünschattierungen unter sich.

 Es war keine Vision, nur ein Gedanke, der Jaret einen kalten Schauer über den Rücken jagte. Er zog den grauen Mantel den er trug etwas enger um sich. Wenn er zu Ruben sah befand er sich nun fast auf Augenhöhe mit dem Mann. Wie Zeit vergehen konnte…

Eine Pfütze auf der Straße warf sein Spiegelbild zurück und was er sah war keine ausgezehrte Gestalt mehr. Die schwarzen Haare fielen ihm in wirren Strähnen ins Gesicht und zwei wache, blaue Augen starrten zurück.

Später am selben Tag begann es zu regnen, aber nur wenige Tropfen fanden ihren Weg unter das Laubwerk hindurch.

 Da es auf der Reise durch die dichten Wälder zwischen Erane und Seminium nichts anderes zu tun gab, versuchte Jaret ein Gespräch mit Ruben anzufangen.

Der Zauberer war jedoch ungewöhnlich Schweigsam und schien über sich über Irgendetwas zu Sorgen.

Jaret seufzte und sprach ihn darauf an. Er war es mittlerweile gewohnt, dass Ruben seine Geheimnisse hatte und selten darüber Auskünfte gab.

 ,, Nur so ein Gefühl“ , sagte dieser. ,, Aber nimm lieber das hier.“ Mit diesen Worten griff der Magier unter den purpurnen Reisemantel den er trug und holte einen Dolch aus seinem Gürtel.

,, Rechnest du mit Ärger ?“ , fragte Jaret dem jetzt selbst mulmig wurde. Er war alt genug um zu wissen, dass es auf dieser Welt Dinge gab denen man besser aus dem Weg ging. Er hatte es früh genug erfahren.

 Jaret  umklammerte mit einer Hand seinen alten Wanderstab und mit der anderen das Messer das nun an seiner Hüfte hing.

,, Sagen wir einfach, wenn es Ärger gibt ist mir wohler wenn du nicht ganz wehrlos bist. Dieser Abschnitt unserer Reise ist nicht ganz ungefährlich.“

Mit diesen Worten setzten sie ihre, nun schweigsame, Reise fort. Nach einer Weile stellte Jaret eine Frage, die er die letzten Jahre mit sich herumgetragen aber beinahe vergessen hatte.

,, Wer ist eigentlich Gerret Giller ? Der Zauberer der das Buch geschrieben hat?“

Ruben dachte einen Moment nach, bevor er antwortete: ,, Er hat die Gemeinschaft der Magier vor vielen Jahren verlassen. Sagt dir der Begriff Bettelmagier etwas?“ Jaret nickte.

 ,,Nun er hat sich als Eremit abgesondert. Ich habe in den letzten 20 Jahren nicht viel von ihm gehört, außer dass er sich in einer Hütte in den Bergen nördlich der Stadt niedergelassen hatte.“

,, Seit ihr ihm je begegnet ?“

Wieder schien Ruben einen Moment überlegen zu müssen. ,, Wir haben uns gekannt aber, sagen wir mal unsere Ansichten unterschieden sich grundlegend. Er war… ist vermutlich immer noch, ein Koryphäe was magisch inspirierte Muster und Pfade angeht. Eine ziemlich interessante, aber außer für Seher wohl recht nutzlose Disziplin. Für Magier gibt es genug andere Möglichkeiten, ihre Konzentration für Zauber zu fokussieren.“

Sie kamen jetzt an eine Stelle, wo die Straße in einen Hohlweg führte. Hänge ragten links und rechts der Straße auf und formten so einen schlecht einsehbaren Hohlweg.

Irgendetwas daran ließ Jaret unruhig werden, ohne das er zu sagen gewusst hätte warum.

Dann passierte es.

Ein Sturm von Bildern und Jaret sah vor sich mehrere Männer aus dem Wald am Ende des Hohlwegs stürmen.

SO plötzlich wie sie gekommen war, war die Vision auch schon wieder zu Ende.

Noch bevor sich seine Sicht wieder Normalisierte rief er: ,, Passt auf!“

Keinen Moment später sprang der erste Bandit aus dem Dickicht.

Sie hatten offensichtlich dort gelauert und auf Reisende gewartet die ein leichtes Ziel abgeben würden. Nun da hatten sie sich verrechnet.

 

 

Ruben riss eine Hand hoch.

Eine Feuerwand jagte auf den Angreifer zu , einen Wirbelwind aus brennenden Blättern hinter sich her zerrend und hüllte diesen ein . Innerhalb von Sekunden blieb nur Asche übrig.

Die Nächsten Fremden, die aus dem Wald auftauchten  wurde von einem Blitz gefällt, als der Magier eine Faust Richtung Himmel streckte. Der Lärm war ohrenbetäubend und brachte den Bode unter ihnen zum Zittern.

Doch während Ruben sich mit seiner Magie zur Wehr setzen konnte, hatte Jaret nur das Messer und seinen Wanderstab. Er sah sich rasch um, denn auch vom anderen Ende des Weges stürmten nun Banditen heran.

Sie saßen in der Falle.

 

 

Kapitel 5 Das Buch

 

 

,, Und die Himmel sollten drei Tage weinen. Als am vierten wieder die Sonne schien schwamm immer noch alles in Blut. Der Sieg hatte seinen Preis gefordert. Und das Buch blieb verschwunden. Gottlose Magie gebunden in Pergament und Leder. Verbrennt es solltet ihr es finden.“

Chronik über die Magierkriege

 

 

 

 Der erste Bandit der auf Jaret zurannte hielt ihn offensichtlich nicht für eine wirkliche Bedrohung und versuchte einfach an ihm vorbeizulaufen. Das war ein Fehler. Jaret holte mit dem Messer aus und schickte den Mann mit einer klaffenden Bauchwunde zu Boden.

Er hatte es, auch in seiner Zeit auf der Straße,  immer vorgezogen Kämpfe zu vermeiden. Doch in Situationen wie dieser, wenn ihm keine andere Wahl blieb, zögerte er nicht eine Sekunde. Auch wenn ihm leicht Übel wurde, als er das Blut auf der Klinge betrachtete.

Die Banditen, nun Vorsichtiger geworden, bildeten langsam einen Kreis um ihn.

Entweder hofften  sie ihren Gefährten, die Ruben mit Leichtigkeit dezimierte, schnell zur Hilfe eilen, oder zu fliehen.

Jaret, der wusste, dass er gegen die Übermacht keine Chance hatte, wollte ihnen die Sache wenigstens nicht zu leicht machen. Er schleuderte sein Messer und traf einen der Banditen direkt in die Brust.

Im nächsten Moment  griff ihn einer der Männer aus dem Rücken an.

  Jaret wusste nicht, woher er wusste, das sein Gegner da war, aber er wirbelte sofort herum und wehrte mit dem Stab einen Schwerthieb ab, der ihn ansonsten geköpft hätte.

Das Holz hielt dem Schlag zwar stand, aber Jaret stolperte unter der Wucht des Angriffs mehrere Schritte zurück.

Sofort setzte der Bandit nach, aber Jaret konnte den Hieb erneut in letzter Sekunde parieren.

Die Zeit schien kurz stillzustehen. Er hatte gewusst, was sein Gegner tun würde. Wie in einer Vision, aber direkter…

Die übrigen Banditen hielten sich wohl fürs erste zurück und wollten wohl abwarten, wie sich ihr Gefährte schlug.

Der Mann schien jetzt langsam wütend zu werden und stürmte auf ihn zu. Jaret gelang es geradeso zur Seite zu springen und ließ den Stab gegen den Kopf seines Gegners krachen.

Dieser war durch den Schlag kurz desorientiert und begann einfach wild mit dem Schwert um sich zu schlagen, so dass er Jaret beinahe erneut getroffen hätte. Beinahe…

Als dieser schon grade mit seinem Leben abschließen wollte, blieb der Bandit plötzlich wie erstarrt stehen. Dann wurde er in die Höhe geschleudert und prallte mit unvorstellbarer Gewalt wieder auf dem Boden auf. Jaret konnte seine Knochen splittern hören.

Ein wütender Ruben Darelto tauchte neben ihm auf. Hinter ihm qualmten noch die Überreste von mindestens einem Dutzend weiterer Banditen.

,, Verschwindet!“ , rief er den Männern zu. ,, Oder ihr Endet wie eure Gefährten.“

Die Räuber schienen einen Moment unentschlossen, doch dann gab der erste von ihnen Fersengeld. Die anderen blieben noch einen Moment unschlüssig stehen. Ruben hob nur eine Hand.

Endlich gaben auch die übrigen Fersengeld.

Nachdem auch der letzte der Männer im Wald verschwunden war, kniete er sich neben Jaret und fragte besorgt: ,, Bist du in Ordnung?“

,, Ja“ antwortete Jaret mit, zu seiner eigenen Überraschung, nur leicht zitternder Stimme, ,, ich denke schon.“. Das war knapp gewesen. Nicht nur einfach knapp. Eine Sekunde später und er wäre tatsächlich tot gewesen. Auch wenn ihn seine Gabe offenbar vor dem ersten Angriff geschützt hatte.

,, Hier trink das.“ , Ruben holte eine kleine Flasche aus Metall aus seiner Tasche und gab ein paar Tropfen einer dunkelgrünen Flüssigkeit in Jarets Wasserbeutel.

Es roch stark nach Minze und Kamille.

Nachdem Jaret einen Schluck getrunken hatte, fühlte er sich tatsächlich schon etwas besser und vor allen Dingen ruhiger.

Vielleicht Wermut oder etwas ähnlich beruhigendes überlegte der Seher.

,, Das war viel zu knapp.“ , erklärte er, auch wenn der Schrecken der ersten Sekunde nicht mehr auf ihm lastete.

Mit einem Blick auf die zwei Banditen die Jaret getötet hatte sagte Ruben: ,, Nun ich denke diese Burschen haben weniger Glück gehabt als du. Gut gemacht.“

Jaret nickte lediglich. Er spürte keinen Stolz dabei für den Tot von zwei Menschen verantwortlich zu sein. Selbst wenn man ihm keine Wahl gelassen hatte.

Der Zauberer zuckte mit den Schultern. ,, Wir sollten weiter.“

 

Nach diesem Zwischenfall setzten sie ihre Reise ohne weitere Unterbrechungen fort.

Gegen Abend gingen die Wälder etwas zurück und wurden Lichter, so dass sie vor sich ein kleines Dorf wahrnehmen konnten.

Jaret sah über die kleine Ansammlung strohgedeckter Hütten.

Ein gewaltiger Holzmeiler in der Mitte der Siedlung ließ ihn vermuten, dass hier wohl Holzkohle aus den umgebenden Wäldern gewonnen wurde.

Ansonsten entdeckte er nichts bemerkenswertes, während er dem Zauberer folgte.

Das Dorf verfügte auch über ein kleines Gasthaus, in dem die zwei Reisenden sich für diese Nacht einquartieren wollten.

Der Wirt, offenbar  ein alter Bekannter von Ruben, hatte extra die, wie er es nannte,, besten Zimmer“ für  die beiden reserviert. Was mehr oder weniger hieß, das er zwei andere Gäste vor die Tür setzte.

Jaret wollte schon dagegen protestieren, als Ruben den beiden unglücklichen zumindest etwas Geld zusteckte.

Die zwei besten Zimmer erwiesen sich allerdings als einfache Verschläge mit strohgefüllten Betten, waren aber sauber und Rochen angenehm nach dem Heu in den Matratzen.

Die Gedanken an den Überfall ließen Jaret lange Zeit nicht einschlafen. Er hatte gewusst, was der Bandit tun würde. Und er hatte beinahe instinktiv darauf reagiert. Langsam glaubte er Ruben mehr und mehr wenn dieser Behauptete seine Gabe sei eher ein eigenständiges Wesen als ein bloßes Phänomen.

 

Am nächsten Morgen setzten sie ihre Reise fort. Sie ließen an diesem Tag den Wald hinter sich und erreichten die ausgedehnten Felder die das Kernland von Arbitrium charakterisierten.

Es war Hochsommer und die Felder standen volle mit goldgelber Gerste. Jaret konnte die Höfe der Pächter in der Ferne erkennen. Sie wirkten wie Inseln in einem Goldenen Meer aus sich im Wind wiegenden Halmen. Die vereinzelten Wolken am Himmel warfen ein Mosaik aus Licht und Schatten auf die Landschaft.

,, Es ist schön hier.“ , meinte Jaret nach einer Weile.

,, Die Kornkammer des Reichs von Arbitrium.“ , erklärte Ruben ihm. ,, Fast alles Getreide was man in Seminium oder Dynastes findet stammt letztlich von hier. Man merkt sofort, wenn es  mal einen schlechte Ernte gab.“

,, Wieso ?“

,, Das kannst du dir doch denken, die Preise steigen praktisch ins unermessliche. Vor fünfzig Jahren, das war während des letzte Krieges mit Egarium, hat eine einzige schlechte Ernte dafür gesorgt, das fast die halbe Bevölkerung von Erane verhungert ist. Von den Folgen für die übrigen Städte mal ganz zu schweigen.“

,, Dann ist das gesamte Reich von Erane abhängig ?“

,, Mehr oder weniger. Und du wirst feststellen, dass man das auch sieht, sobald wir da sind.“

 ,, Verleiht das dem Fürsten von  Erane nicht Macht über den König ?“

Ruben lachte. ,, Du bist klug. Vielleicht etwas zu klug Jaret. Das Land selbst gehört selbstverständlich dem Fürsten dieser Region, doch verpachtete dieser es weiter an Kleinbauern welche das Land bestellten und von den Erträgen die Pacht und ihren Lebensunterhalt bezahlen können. Und sie entschieden, an wen das Korn geht. Zumindest meistens.,, Wieso meistens ?“

,, Manche der Höfe gehören wohl auch Hörigen Bauern und Knechten, aber vielen hier ist ihre Freiheit wichtiger als der Schutz durch den  Fürsten von Erane.“

Auch wenn Banditen wie die denen Ruben und er begegnet waren sicher Ärger machen konnten, dachte Jaret. ,, Und der Fürst wagt es auch gar nicht , mehr Bauern unter seine Kontrolle zu bringen. Eine solche Monopolstellung… nun der König würde sich in seiner Macht bedroht sehen und handeln.“

Jaret beunruhigte der Gedanke. ,, Sind wird deshalb auf dem Weg nach Erane ?“

,, Nein, das hat… andere Gründe.“

,, Welche ?“ Jaret hatte sich lange genug in Geduld geübt und hoffte, endlich antworten von dem Magier zu bekommen.

,, Ich erkläre es dir wenn wir Erane erreichen.“ Er sah kurz zum Himmel. Auch wenn die Sonne grade im Zenit stand würden sie die Stadt heute nicht mehr erreichen. ,, Ich hoffe, wir finden einen Bauern der uns aufnimmt.“

 

Bei Dämmerung  fanden sie dann auch einen Hof, auf dem sie willkommen waren.

Das Gehöft selbst bestand aus einem Haus, in dem der Pächter mit seiner Familie wohnte, einer kleinen Scheune und dem etwas abgelegen liegendem Gästehaus, wo sie übernachten würden.

Der Bauer ließ es sich nicht nehmen, sie auch gleich noch zum Abendessen einzuladen. Was Jaret auch  auf das doch ziemlich großzügig ausgefallen Entgelt zurückführte, das Ruben gezahlt hatte.

,, Darf ich fragen, wohin ihr unterwegs seit ?“ , wollte er wissen, sobald seine Gäste Platz genommen hatten.

Seine Frau war derweil beschäftigt, die zwei Kinder der Familie ruhig zu halten. Vermutlich war den beiden Leuten durchaus klar, wer der in eine rote Robe gekleidete Mann an ihrem Tisch war. Oder sie vermuteten es zumindest. Und ihre zwei Kinder sahen mit unverhohlener Neugier zu dem Magier und seinem Begleiter auf.

,, Nun“ , begann Ruben, ,, wir sind unterwegs nach Erane. Was unsere Ziele angeht,  ihr werdet verstehen wenn ich darüber schweigen will.“

Jaret war überrascht das Ruben sich immer noch nicht dazu Äußern wollte, was er denn eigentlich in Erane wollte und warum Jaret ihn diesmal begleiten sollte.  Doch ihre Gastgeber stellten keine weiteren Fragen. Der gesamte restliche Abend verlief vor allem Schweigend, während Jaret versuchte wenigstens etwas von der dünnen Brotsuppe herunter zu bringen.

Er hatte schon schlimmeres gegessen, als wässrige Suppe. Seltsam, das man das so leicht vergessen konnte. Aber das war es nicht, was ihm zu schaffen machte. Es waren seine eigenen Gedanken. Wieso machte Ruben nach wie vor ein solches Geheimnis aus der ganzen Sache?

Einen kurzen Moment überlegte er, ob er seien Gabe benutzen könnte um es herauszufinden Er wollte dem Zauberer jedoch  nicht nachspionieren und genau das wäre es.

Schließlich stand er auf und legte sich schlafen.

 

 

 

 

 

Am nächsten Nachmittag  erreichten sie endlich die Stadt Erane.

Erane war zwar im vergleich zu Seminium klein, hatte aber durch seine Strategisch wichtige Position als Wachfeste über die Felder Arbitriums eine fast dreimal stärkere Garnison.

Nun verstand Jaret auch was Ruben gemeint hatte. Man sah sofort, dass die Stadt wichtig war.

Die Mauern ragten Turmhoch in den Himmel und waren so Breit, dass ein Ochsenkarren bequem darauf stehen könnte während  rechts und links noch genug Platz für Fußgänger gewesen wäre.

Hinzu kamen dutzende von Türmen, welche die gewaltigen Steinwälle überragten und ein zweite innere Barriere, welche die eigentliche Festungsanlage umspannte.

Als sie die Tore passierten wurde Jaret die Dimension der Außenmauern erst richtig klar. Es war kein einfacher Durchgang sondern schon fast ein Tunnel, der selbst tagsüber von Fackeln erleuchtet werden musste.  Die Torflügel selbst waren leicht so hoch wie ein Haus und so breit wie Jaret selbst.

Er fragte sich, ob es überhaupt einer Armee  möglich wäre, eine Stadt wie diese  jemals einzunehmen.

Wohl nicht solange sie noch Vorräte hatte.

 

Auch der Baustil der Gebäude im inneren verstärkte den Eindruck einer Stadt, die man nicht einfach einnehmen konnte.

Die Straßen waren das reinste Labyrinth. Zwar war auch Seminium nicht grade nach einem einheitlichen Muster erbaut worden, aber wenigstens gab es die großen Hauptstraßen, an denen man sich orientieren konnte. Hier hingegen schein alles kreuz und quer zu verlaufen.

Eine Kurve nach rechts führte im nächsten Moment zurück nach links, grade Straßen endeten an Gebäudefassaden und in Sackgassen.

Jaret hätte sich wohl schnell verlaufen, wenn Ruben sich nicht ausgekannt hätte.

,, Was genau…“

Der Magier ließ ihn nicht ausreden. ,, Später.“ Er wirkte angespannt, bleich, als ob er jeden Moment damit rechnete, dass ihn aus den dunkler werdenden  Gassen etwas ansprang.

Schließlich jedoch erreichten sie lediglich ein kleines Gasthaus, das an dem zweiten inneren Wall lag. Durch die Fenster drang Licht auf die mittlerweile völlig im Dunkeln liegenden Straßen.

Jaret konnte nicht anders als erneut zu fragen. ,, Was suchen wir hier ?“ Langsam kam ihm das Ganze nicht mehr geheuer vor. Ruben antwortete nicht, sondern bedeutete ihm nur ihm ins Innere zu folgen. In der Schänke war es relativ voll. Mehr als fünfzig Personen verteilten sich auf die verschiedenen Tische und Plätze. Manche standen auch und sahen nach draußen auf die Straße.

Somit beachtete die zwei Fremden Neuankömmlinge auch niemand besonders.

,, Zwei Zimmer.“ , reif Ruben nur im Vorbeigehen dem Wirt zu. Einige Münzen wechselten den Besitzer, bevor sie sich schließlich an einen freien Platz möglichst weit weg von den restlichen Besuchern setzten.

 

Und hier erzählte Ruben was er in Erane suchte und wiedereinmal veränderte der Kiesel des Schicksals den Fluss der Ereignisse, die Fallrichtung eines Baumes, in die Vorbestimmte Bahn.

,, Also“ , begann Ruben. Er sah sich einen Moment über die Schulter um, ob sie niemand belauschte. Das jemand zumindest Fetzen ihres Gesprächs mitbekam ließ sich in dem überfüllten Raum jedoch kaum vermeiden. ,, Du hast dich sicher schon gefragt, was ich eigentlich hier will und warum du mich diesmal begleiten solltest , oder ?“

Jaret nickte. ,, Ich habe mir schon gedacht das ihr mich nicht ohne Grund mitgenommen habt. Die naheliegest Vermutung ist wohl… das es etwas mit meinen Visionen zu tun hat.“

Ruben lächelte.  ,, Ein heller Kopf ist der Fluch jedes Geheimniskrämers. Ich hätte es dir vielleicht schon in Seminium erklären sollen. Nun denn.“ jetzt wurden seine Gesichtszüge wieder ernst, fast meinte Jaret Ruben hätte... konnte es Angst sein? Wovor könnt ein Magier schon Angst haben?

,, In dieser Stadt existiert ein Buch.“ , begann er zu erklären, ,, Ich weiß, dass es hier sein muss, aber nicht genau wo und ich hoffe das wir es mit deiner Hilfe aufspüren können.“

Das war nichts ganz ungewöhnliches für Jaret. Er hatte des Öfteren für Ruben Schriften und auch Bücher besorgt, nur meist entweder aus den Bibliotheken des Palastes, aus der Privatsammlung des Zauberers oder eben von den verschiedenen Händler Seminiums, die Antiquitäten und besondere Schriftstücke verkauften.

Aber das sie es erst finden mussten, war neu.

,, Ich habe“, dabei griff Ruben  in eine Ledertasche die an seinem Gürtel hing, ,, hier eine Zeichnung davon.“

Mit diesen Worten legte er ein altes vergilbtes Blatt Pergament auf den Tisch.

Jaret zog das Papier zu sich herüber und warf einen ersten Blick darauf.

Darauf befand sich lediglich eine  grob gemachte Zeichnung.

Die Vorderseite eines Buches, wie Ruben gesagt hatte.

 Zumindest erinnerte Jaret das rechteckige Gebilde daran.

Die Farbe war ein verwaschenes dunkelrot, fast wie Blut das an den Rändern in ein helleres Rot überging, vermutlich vom Alter ausgebleicht. Zumindest hoffte Jaret das, denn die ausgewaschene Fläche erinnerte ihn irgendwie an ein offen stehendes Auge.

,,  Was genau ist es ?“ , wollte er wissen. ,, Wir suchen kein einfaches Buch oder ?“

Ruben wirkte mittlerweile wieder etwas entspannter, auch wenn er immer noch alle paar Minuten nervös über die Schulter schaute.

,, Das Buch das wir suchen ist alt, fast so alt wie das Reich von Arbitrium und das sind immerhin Rund Tausend Jahre. Vielleicht auch ein paar mehr. Das war auch etwa der Zeitraum, in dem der letzte  mir mit Sicherheit bekannte Seher lebte. Dessen Geschichte hängt mit eben diesem Schriftstück zusammen.“

,, Wie genau ?“

Ruben zuckte mit den Schultern. ,, Es gibt nicht mehr viele Aufzeichnungen, ich kann dir also nur erzählen, was ich sicher weiß… oder vermute.“

Der Zauberer räusperte sich kurz, bevor er weitersprach: ,, Der erste Seher,  dein Vorgänger wenn man so will, sein Name war Varis Galeron. Über sein frühes Leben gibt es praktisch keine Informationen mehr und ich glaube auch nicht, dass das noch wichtig ist.

Er  nutzte seine Gabe um den Leuten zu helfen. Um sie vor Überfällen oder Naturkatastrophen zu warnen zum Beispiel. Es gibt einige alte Berichte, dass er mehrere Städte vor der Zerstörung durch ein Erdbeben warnte. Natürlich glaubten ihm nicht alle, aber viele konnten rechtzeitig fliehen, bevor alles in sich zusammen stürzte.“

,, Klingt als hätte er das Beste aus seinen Fähigkeiten gemacht.“ , meinte Jaret. Aber verpflichtete einen seine Gabe nicht zu helfen? Wenn man die Möglichkeit hatte, das Schicksal zu betrügen, war man dann nicht dazu gezwungen?

,, Die Menschen dieser drei  Städte waren ihm so Dankbar, dass sie ihn letztlich zu ihrem Fürsten machten.“ , fuhr Ruben fort. ,, Natürlich sahen das die benachbarten Stadtstaaten gar nicht gerne. Irgendein Emporkömmling ist immer eine Bedrohung. Ein Kampf gegen jemanden, der die meisten Aktionen seiner Gegner voraussagen kann ist jedoch ein ziemlich sinnloses Unterfangen.“

,, Das konnte er ?“ , wollte Jaret wissen. Er selber hatte bisher nach wie vor Schwierigkeiten wirklich gezielt eine Vision auszulösen. Und dann war immer noch nicht sicher, wovon sie handeln würde.

,, Ich glaube er hatte die Seher-Gabe fast vollständig gemeistert. Zumindest, wenn die erhaltenen Berichte stimmen. Aber wie du einst bemerkt hast, gibt es auch für Visionen keine Garantie, dass sie eintreffen. Nicht sofern sie die Zukunft betreffen.“ , sagte Ruben. ,, Wie dem auch sei, letztlich besiegte er die übrigen Fürstentümer und vereinte sie zu einem einzigen großen Königreich. Das was heute noch den Namen Arbitrium trägt.

Diese Geschichte ist heute fast in Vergessenheit geraten und ich habe mehr als Drei Jahre gebraucht um sie zu rekonstruieren und viele Details sind mir nach wie vor nicht ganz klar.

Jedenfalls wurde ein Seher also König.

Einige Magier sahen in dessen Macht jedoch eine Bedrohung und so scharten sie ihre Anhänger um sich und Gründeten eine Gegennation, das von Magiern regiert Reich von Indigor. Ich brauche dir nicht zu sagen, das das nicht lange gut ging.“

Jaret erwiderte nichts, schüttelte aber den Kopf. Nein. Sobald sich jemand bedroht sah, egal ob eine einzelne Person oder eine ganze Nation, war es nur eine Frage der Zeit.

,, Der Krieg zwischen den beiden Reichen verlief lang und Blutig. Die Magier sendeten ihre Heerscharen gegen Arbitrium, ausgerüstet mit Waffen und Zaubern die wir uns heute nicht einmal mehr vorstellen können. Doch Galeron konnte dank seiner Gabe ihre Angriffspläne voraussehen und so auch mit einer zahlenmäßig und an Magie unterlegenen Streitmacht Siegen.

Tatsächlich schaffte er es schließlich die Magierarmeen bis zum heutigen Seminium, damals die Hauptstadt des Magier-Reichs, zurückzutreiben.

Verzweifelt nach einer Lösung suchend die der Macht des Sehers Paroli bieten konnte übten sich die Zauberer in dunkelster Magie. Sie experimentierten mit Seelen.“

,, Was….“

,, Seelenzauber nutzen die magische Energie, die in jedem Lebewesen schlummert. In Form von Lebensenergie. Einfach gesagt, sie  opferten die Seelen tausender Gefangener und Untergebener um immer Mächtigere Zauber zu wirken und immer stärkere Waffen zu erschaffen.

Ihre Erkenntnisse schrieben sie in ein Buch. Durch ihre Magie wurden der Legende nach schließlich  das Papier selbst mit dunkler Macht durchtränkt und es Entwickelte, durch die zahllosen eingespeisten Seelen,  langsam eine Art eigenen Willen. Ich hoffe irgendwie dass der Teil nur Legende ist.“

Jaret sah wieder auf die Zeichnung…

,, Schließlich, als Galerons  Truppen schon Seminium  angriffen, wirkten die Magier einen letzten Zauber. Sie opferten dafür ihre eigenen hasserfüllten Seelen und die sämtlicher damaligen Einwohner Seminiums gleich mit.  Durch ihren Zauber löschten sie jedes Lebewesen in einem Radius von Zehn Tagesmärchen aus. Die gesamte Stadt wurde zerstört und auch Galeron selbst fiel  letztlich dem Fluch der Schwarzmagier zum Opfer.“

Ruben machte eine kurze Pause, bevor er zum Ende der Geschichte kam. ,, Der Krieg war also gewonnen, die Überlebenden wurden bejubelt, die gefallenen Betrauert und ein Gefährte Galerons bestieg den Thron. Natürlich nicht ohne entsprechende Machtkämpfe.

Seit jenem Tag gilt die Gabe des Sehens als ausgestorben und das Buch, nun fast jeder der über es Bescheid weiß meint, es sei während der Schlacht zerstört worden.“

Ruben lehnte sich zurück, die Hände gefaltet und wartete offenbar auf eine Reaktion von Jaret.

,, Aber ihr glaubt das nicht ?“ , wollte dieser wissen.

,,Das Buch wurde als Buch des Blutes bekannt. Ich habe grund zu der Annahme dass einer der Schwarzmagier damals mit dem Buch aus Seminium nach Erane geflohen sein könnte und es hier Versteckt hat. Es befindet sich meinen Quellen zu folge immer noch immer irgendwo in der Stadt.“ Er schwieg kurz.  ,, Das ist also der Grund unseres Hierseins.“

,, Wieso sollten wir versuchen ein solches… Ding… zu finden. Wenn Seelenmagie derart bösartig ist…“

,, Ich verstehe deine Bedenken Jaret und glaube mir, ich habe hierrüber mehr als nur eine schlaflose Nacht verbracht. Das Buch ist eine mächtige magische Waffe. In letzter Zeit wurde es an den Grenzen zu den Ländern Raven und Egarium immer unruhiger. Wenn wir das Buch besäßen, könnten wir möglicherweise einen Krieg verhindern. Niemand würde es mehr wagen uns anzugreifen.“

,, Aber ist es das wert ?“, wollte er wissen.

,, Ich kann dich hierzu nicht auffordern Jaret. Ich kann dich nur darum bitten. Dieser alte Zauberer hier glaubt, dass es vielleicht die beste Möglichkeit ist. Aber, ich bin nicht unfehlbar. Wenn du mir nicht helfen willst oder kannst… ist das allein deine Entscheidung.“

,, Ich meinte damit nicht…“

,, Du hast eine Gabe Junge. Möglicherweise mächtiger als jede Magie, die ich je gesehen habe. Hast du auch nur eine Ahnung, was aus dir werden könnte?“ Der Zauberer machte eine wegwerfende Handbewegung. ,, Ich schweife ab. Aber wenn du mir nicht hilfst, werde ich dir keinen Vorwurf machen. Vermutlich wäre es sogar besser so. Also ? Lass dir Zeit zum Nachdenken.“

Er sah auf. ,, Ich glaube, das muss ich nicht.“

 

 

Jaret saß die Beine überkreuz auf dem Bett. Das Bild des Buches hatte er vor sich und er konzentrierte sich mit aller Macht darauf, doch er fand einfach keinen Zugang für eine Vision. Was hatte Ruben noch gesagt?

Durch ihre Magie wurden der Legende nach schließlich das Papier selbst mit dunkler Macht durchtränkt.....

Es entwickelte eine Art eigenen Willen.....

Ich hoffe das ist nur Legende....

Sein Geist schweifte ab und genau da passierte es.

Ein Sturm von Bildern riss ihn fort.

 

Jaret wusste im ersten Moment nicht genau wo er sich befand. Die ganze Umgebung schien schwarz zu sein. Asche in der Luft, Asche auf dem Boden. Bäume lagen umgeknickt wie Streichhölzer über den Boden verteilt. Manche davon brannten noch, andere waren nur noch schwach glühende Hüllen. Am Horizont entlang zog sich die Silhouette einer Stadt. Hoch aufragend türmten sich dort Gebäude aufeinander. Aber alles sah genau so schwarz und tot aus wie hier. Die leeren Fenster schienen mehr Augen zu sein, die ihn beobachteten.

Es gab kein sichtbares Zeichen von Leben.

Außer einem:  Eine in eine schwarze Robe Gehüllte Gestalt trug einen Gegenstand unter den Armen aus der Ruine.

Weitere Bilder.

Das heutige Erane . Jaret hatte grade genug Zeit die gewaltigen Stadtmauern zu erkennen.

Ein weiterer wilder Sturm von Bildern und  Sinneseindrücken.

Gebäude, Plätze, Orte, nein Wegpunkte. Vor seinen Augen flogen die Straßen Eranes vorbei. Doch irgendwie brannte sich jede Abzweigung des Wegs in seinen Verstand.

 Eine schwarze Tür, nur von Fackeln erhellt, Ein Raum in fahles Licht getaucht und dann?

Jaret versuchte genauer Hinzusehen. Im Halbdunkel konnte er nur etwas erkennen, das ihn zu sehr an ein Buch erinnerte…

Das Ding strahlte einen derart t greifbaren Hass aus, das Jaret aus der Vision hochschreckte und einige Augenblicke atemlos ins Leere starrte.

Hass… auf ihn. Oder auf das was er war?

Und es war rot gewesen.

Er wusste jetzt wo sich das Buch befand.

 

Jaret rannte so schnell durch die leeren Gassen Eranes, das Ruben ihm kaum folgen konnte.

Die Ironie das noch vor Fünf Jahren Jaret Ruben hatte hinterherlaufen müssen entging dabei  beiden nicht. Auch wenn sie heute anderes beschäftigte.

Jaret bog um eine Straßenecke. Einen  Platz mit der Statue einer Frau in der Mitte erkannte er wieder, nach rechts, wieder links…

Er hatte Angst den Weg wieder vergessen zu können, aber diese Furcht erwies sich als unbegründet.

 Er hätte es wohl nicht einmal vergessen können, wenn er gewollt hätte.

 

Vor einer geschlossenen Taverne blieb Jaret schließlich stehen und wartete, dass der Zauberer ihn wieder einholte. Ein Schild mit einer weißen Blume hing vor der verfallenen Fassade.

Das Gebäude selbst war offensichtlich schon lange nicht mehr in Benutzung. Die einstmals Teuren Glasfenster waren eingeschlagen, die Tür hing schief in den Angeln.

Und über allem hing der faule Geruch des Verfalls.

Ruben schloss endlich wieder zu ihm auf. ,, Dort drinnen“, erklärte Jaret nur.

Als er dem Zauberer Bescheid gegeben hatte, das er jetzt wisse, wo sie suchen mussten, hatte dieser keine Sekunde gezögert.

 

Ruben ging als erster die morsche Treppe zum Eingang des verlassenen Hauses hinauf.

Jaret konnte nicht anders, er dachte wieder daran welchen Hass das Buch oder was immer es auch war, auf ihn gehabt hatte.  Nicht auf ihn als Person, sondern auf ihn als Seher, als Symbol dessen was das Reich von Indigor zu Fall gebracht hatte.

Der Gedanke war Irrsinn. Es war nur ein Buch, wie konnte ein Gegenstand Emotionen haben?

Jaret wusste keine Antwort auf seine eigene Frage, außer einer, dass er es gar nicht so genau wissen wollte.

 

Das Innere der ehemaligen Taverne war von einer dicken Staubschicht bedeckt. Der Boden bestand aus Holzdielen, die stellenweise herausgerissen worden waren. Manche, die noch intakt waren knarrten verdächtig unter jedem Schritt, als würden sie jeden Moment nachgeben.

Langsam sah er sich um. Ruben wiederum beschwor rasch eine Lichtkugel herauf, die zur Decke des Raumes schwebte.

Möbel, Tische und Stühle lagen zerschlagen im Raum verteilt und einige der verbliebenen Bodendielen waren dunkel verfärbt. Blut, dachte Jaret. Oder zumindest wirkte es so.

Aber noch fand er keinen Hinweis darauf, wie es von hier aus weitergehen könnte.

Die Theke, war aus ihrer Verankerung gerissen und ein Stück zur Seite gerückt worden. Jaret trat langsam näher. Es brauchte ziemlich viel Kraft den massiven Holzblock zu verschieben. Also warum hatte sich jemand die Mühe gemacht?

Hinter der Theke führte, dort wo sie früher gestanden haben musste, eine steinerne Treppe in die Tiefe. Das Ende verlor sich in der Dunkelheit.

,, Hier ist etwas“ , rief Jaret Ruben zu, ,, Ich denke wir müssen“ , er schluckte, ,, Da runter.“

Ruben sah sich den Treppeneingang eine Weile an.

,, Das ist älter als der Rest hier.“ , meinte er.

Schließlich erschuf er eine weitere Lichtkugel und begann, Jaret hinter sich, den Weg hinab in die Finsternis.

Die Treppe führte zu einem steinwandigen Korridor, welcher von Fackeln erhellt wurde. Wer hatte die entzündet? Wieder eine Frage, deren Antwort Jaret am liebsten gar nicht wissen wollte. 

 

 Der Korridor führte sie nach einer Weile zu einer schwarzen Holztür. Als Jaret sie sich näher ansah, erkannte er entsetzt, dass das Holz der Tür nicht natürlich dunkel war, sondern von getrocknetem Blut gefärbt wurde.

Er machte ein paar Schritte rückwärts. Bis Ruben ihm eine Hand auf die Schulter legte.

Der Zauberer war totenbleich.

,, Jaret“ , sagte Ruben, ,,Ich weiß nicht was uns da drinnen erwartet, aber du wirst dich die ganze Zeit über hinter mir halten. Verstanden?“

Er nickte nur. Das brauchte ihm niemand zu sagen.

Ruben legte eine Hand auf den Türgriff und riss sie auf.

Der Gestank der ihnen entgegenschlug war atemberaubend. Das wenige was Jaret von der Kammer sah reichte ihm auch schon. Überall Blut.

Etwas warnte ihn… wie in einer Vision sah er etwas aus der Dunkelheit an Ruben vorbei auf sich zu fliegen. Sofort warf er sich zur Seite.

Etwas wie materialisierter Schatten  jagte knapp über seinen Kopf hinweg. Als hätte jemand ein Stück der Finsternis hinter der Tür genommen und nach ihm geschleudert.

Doch während es Vorbeiflog war Jaret, als würde ihm alle Lebenskraft geraubt. Er spürte praktisch wie die Wärme aus seinen Gliedern floh.

Ruben reagierte sofort und schleuderte einen Blitz in die Richtung aus der der Angriff kam.

Jaret konnte nun auch einen Blick auf ihren Gegner werfen als der Energieblitz die Dunkelheit erhellte.

 Eine in schwarze Gewänder gehüllte Gestalt. Sie wehrte den Angriff des Hofzauberers mühelos ab. Eine glänzende Energiebarriere schien sich wie eine Kapsel um den Angreifer zu legen und gleich darauf wieder zu verschwinden, als Rubens Zauber wirkungslos davon abprallte.

Wenige Augenblicke später waren die beiden Magier schon in einen heftigen Zweikampf verstrickt.

Blitze, Feuer, und Strahlen aus Dunkelheit erfüllten den Raum. Ruben konnte jeden Angriff seines Gegners entweder Abwehren oder Ausweichen doch sein Gegenüber war mindestens genauso Geschickt.

Es herrschte eine Pattsituation zwischen den beiden Kontrahenten, doch keiner von ihnen beachtete Jaret.

Dieser schlich sich, den abprallenden und ziellos umherirrenden Zaubern ausweichend, hinter die dunkle  Gestalt.

,, Jaret…“ Der Zauberer wollte ihn zurückrufen, als ihm offenbar klar wurde, das er ihn dadurch verrate würde. Und auf die Entfernung konnte er ihn nicht schützen.

Jaret zog langsam das Messer, das ihm Ruben gegeben hatte.

 

Dieser war währenddessen damit Beschäftigt einem Hagel von Zaubern seines Gegners auszuweichen .Mit knapper Not konnte er es vermeiden getroffen zu werden, doch die, magischen Projektile die an ihm vorbeiflogen ließen ihn erschauern und rissen gewaltige Löcher in die Wand hinter ihm. Die Wand wurde durch die Zauber nicht etwa zerschmettert sondern… aufgelöst. Die magischen Pfeile gingen geradezu durch dien Stein hindurch und rasten offenbar dahinter weiter durch das Erdreich.

Der Mann oder was auch immer sie da Angriff war mächtiger als alles womit Ruben es bisher zu tun hatte.

Plötzlich gab die Gestalt einen Schmerzensschrei von sich und taumelte, ein Messer im Rücken, ein paar Schritte vor. Die Gelegenheit lies sich Ruben nicht entgehen.

Er atmete einmal tief durch und sammelte seine verbliebenen Ressourcen.

Dann attackierte er seinen Gegner mit einem Zauber nach dem anderen. Lodernde Fackeln aus arkanem Pech,  Eiskristalle und Blitze aus reiner Energie alles Prasselte auf die vermummte Gestalt ein bis Ruben schließlich eine Flammenlanze in seinen Gegner jagte. Der magische Schild um die vermummte Gestalt  zersplitterte wie Glas und diese sank daraufhin  mit einem qualmenden Loch im Torso zu Boden.

 

Kapitel 6 Rückkehr und Diebe

 

Magie hat einen eigenen Willen. Jeder Zauberer wird dies bestätigen und in manchen Fällen scheint sie gerne Gebrauch davon zu machen.

Wenn Narren glauben, dass es so etwas wie Schicksal gäbe, meinen sie damit immer nur Magie und übersehen, dass dahinter kein wirklicher Plan steht.

Wesen der Zauberei

 

 

 

 Jaret war gestürzt, als er dem Wesen das Messer in den Rücken gerammt hatte. Langsam stand er wieder auf und sah sich um.

Immer noch stieg Rauch von ihrem gefallenen Gegner auf.

Der letzte Zauber Rubens hatte dessen Körper  quer durch den Raum geschleudert und eine Faustgroße Wunde in der Brust hinterlassen.

Der Magier ging auf die am Boden liegende Gestalt zu, die ganze Zeit über bereit ihr, sollt sie sich noch einmal rühren, den Rest zu geben. Dann zog er Jarets Waffe aus dem Körper und reichte sie ihm wortlos zurück.

Schwarzes Blut troff von der Klinge.

Die Kapuze die das Gesicht des Dings verdeckt hatte war ein Stück nach oben gerutscht und legte Züge  frei, dass nur noch mit Mühe als Menschlich zu erkennen war. Die Haut war bleich und fast durchsichtig. Dunkelblaue Adern verliefen unter der Stirn, von der einige kalkweiße Haare herabhingen.

Die Augen waren von einem tiefen Schwarz.

Was immer es war, es sah aus als wäre es schon vor Jahrhunderten gestorben.

,, Was...“ Jaret konnte kaum klar Denken. Nicht nur das aussehend er Kreatur war schrecklich. Jetzt wo, was auch immer es am Leben erhalten hatte fort war, forderte die Zeit offenbar ihren Preis. Er konnte geradezu zusehen, wie das Fleisch um die Knochen vermoderte, die Kleidung rissig wurde und zu Grabesstaub zerfiel.

,, Was ist das ?“ , brachte er schließlich hervor.

,, Ein Lich.“ , antwortete Ruben und gab dem zerfallenen Haufen Knochen einen Tritt, der die Überreste über den ganzen Boden verstreute. Manche Rippen hatten sich aufgelöst, bevor sie den Boden erreichten. ,, Ich hatte eigentlich gehofft nie einem begegnen zu müssen.“

,, Aber was… war es vorher?“

Ruben sah einen Moment nachdenklich zu dem sich in nichts verwandelnden Staubhaufen herüber.

Das war alles, was jetzt noch von diesem einst so mächtigen Wesen übrig geblieben war.

 ,,Ein Lich“ , sagte der Zauberer schließlich. ,, ist ein Magier.“

,, Das Ding war kaum mehr menschlich.“ , erklärte Jaret entsetzt.

,, Natürlich nicht. Ich habe es vielleicht falsch Angefangen. Es ist Seelenmagie. Im Prinzip kann sich ein Zauberer unsterblich werden  aber der Preis…“ Von den Überresten stieg kurz eine türkisfarbene Flamme auf, die auch das restliche Zeugnis der Kreatur vernichtete. ,, Der Preis ist die eigene Seele. Wer weiß wie lange es hier unten war. Gut möglich, das es tatsächlich einer der Magier von vor so langer Zeit war.“

,, Glaubt ihr das wirklich?“

,, Wenn, dann hätten wir es niemals zu zweit bezwingen können. Es sei denn die Jahrhunderte haben auch die Erzmagier von Indigor ihre Kräfte gekostet.  “ Ruben zuckte mi den Schultern bevor er fortfuhr : ,, Es ist tot, das ist alles was zählt. Das Buch muss hier irgendwo sein, diese Kreatur hat es mit Sicherheit bewacht. Wieso sie es allerdings nicht verwendet hat ist mir ein Rätsel. Vielleicht aus Angst entdeckt zu werden?“

Der Magier schien mehr mit sich selbst zu sprechen und Jaret hörte ohnehin nur noch halb zu.

Ein Flüstern schien sich in seinem Geist manifestiert zu haben. Leise, schläfrig aber mit zunehmender Intensität.

Es war schon vorher dagewesen, dachte er. Aber während des Kampfes hatte er kaum darauf geachtet. Erst jetzt bemerkte er, wie Hasserfüllt die immer lauter werdenden Stimmen waren.

In seinem Kopf hämmerte es als würde irgendetwas versuchen ihm den Schädel aufzusprengen. Die Welt schien alle Farbe zu verlieren, bis auf eine. Rot.

Und endlich wendete er sich dem Ursprung der Stimmen zu.

In einer Nische in der Rückwand des Raumes stand etwas. Etwas das verdächtig nach einem Buch aussah.

Jetzt schien auch Ruben etwas gemerkt zu haben denn er drehte sich zu Jaret um. Und dann viel auch sein Blick auf das Buch.

,, Götter steht uns bei.“

Es stand auf einem Altar aus schwarzem Marmor der mit roten Adern durchsetzt war.

Fast sah es so aus, als würde das rote Gestein im Puls ihres Blutes pulsieren, aber Jaret schob das auf die Einbildung. Er war tatsächlich  kurz davor wegzurennen, zwang sich aber stehen zu bleiben wo er war.

Ein Blick zu Ruben sagte ihm, dass es dem Zauberer nicht besser ging, auch wenn dieser wohl nicht mit den Stimmen zu kämpfen hatte. Er sagte irgendetwas, aber Jaret Verstand es nicht. Dafür war der mittlerweile zu Gebrüll gewordene Lärm in seinem Verstand zu groß.

Der Wälzer auf dem Altar hatte einen Roten Einband wie auf der Zeichnung. Doch eines hatte diese nicht gezeigt.  Es besaß, über den ganzen Umschlag verteilen, Leuchtend Rote Augen. Augen die Blinzelten, Augen die sich zu den Neuankömmlingen hindrehten. Und sie voller Hass musterten.

,, Was machen wir jetzt?“ , fragte Jaret der einer Panik nahe war.

Die Augen, sie fixierten sich allesamt auf ihn.

,, Furcht…“

Jaret drehte sich zu Ruben um. ,, Was ?“

Der Zauberer sah ihn nur verwirrt an. ,, Alles in Ordnung Jaret?“ Es war nicht der Magier gewesen, der gesprochen hatte…

,, Es...“ Auch Ruben schien nun endgültig die Nerven zu verlieren. ,  ,, Es... es besitzt tatsächlich Bewusstsein. Spürst du es?“

,, Als würde man in sein eigenes Grab schauen.“ , antwortete Jaret. Einen Passenderen vergleich, dachte er, gibt es dafür nicht. Eine der Stimmen wurde ungleich lauter, warf sich ohne Rücksicht gegen die schwache Barriere von Jarets Geist. Die zerbrechliche Hülle aus Glas, die jetzt noch seinen Verstand vor dem Wahnsinn schützte.

Dem Wahnsinn, der ihn dazu treiben wollte, sich die Kehle durchzuscheinen nur damit Ruhe herrschte.

Er spürte, wie seine Hand langsam zu dem Messer an seiner Hüfte wanderte…

,, Nein.“ Er riss die Hand zurück und schlug alle Türen zu seinem Geist auf einmal zu, wie  er es gelernt hatte. Die Fugen in den Bodenfließen, die Anzahl der Staubkörner auf dem Boden… das alles war viel interessanter als die forschenden, ihm den Verstand raubenden

Schreie.

Nicht nur das, sie waren langweilig. Unbedeutend wie alles, wenn man sich näher damit beschäftigte.

Ich bin ein Seher, dachte er und rief sich diesen Umstand  mit Macht zurück ins Gedächtnis. Zwang sich, es selbst zu glauben. Ich überblicke Zeit und Schicksal wenn ich es möchte. Und was immer existiert ist winzig, nichtig. Du bist nichtig, wie mächtig du auch sein magst. Unbedeutend.

Noch bevor das Flüstern seine Finger ganz aus seinem Verstand ziehen konnte stieß es einen letzten Schrei aus, der dafür sorgte, dass seine Beine unter ihm nachgaben.

Trotzdem lächelte Jaret. Er hatte es überrascht. Und viel wichtiger, er hatte es Verletzt.

Ruben half ihm auf.

,, Was ist passiert ?“ Der Magier hatte offenbar nichts von Jarets innerem Kampf mitbekommen.

,, Ich will es gar nicht wissen.“ , erklärte er immer noch nicht wieder ganz sicher auf den Füßen.

Eine Weile lang standen sie einfach nur da und musterten den Altar. Und viel wichtiger, das Buch darauf. Die Oberfläche wirkte nicht wie Pergament, sondern mehr wie echte Haut und die Augen…  Es waren tatsächlich welche. Kurz hatte Jaret gehofft, es wäre ein Trugbild seines noch angeschlagenen Geists.

Es war beinahe lachhaft. Zum  praktisch ersten Mal in seinem Leben verließ er Seminium… und starb gleich fast dreimal. Eine bittere Ironie, die ihn allerdings erneut zum Lächeln brachte.

,, Ich glaube es wäre zu gefährlich es einfach so mitzunehmen.“ , meinte Ruben schließlich.

 ,, Wer weiß womit sich dieses Ding noch schützen kann.“

Jaret konnte dem nur zustimmen. ,, Was habt ihr vor?“ , fragte er.

,, Ich werde versuchen es für den Transport unschädlich zu machen.“

Er konnte sich nicht wirklich vorstellen, wie der Zauberer das anstellen wollte.

 ,, Tritt lieber ein paar Schritte zurück.“ , ordnete dieser an.

Jaret ging langsam bis zur dunkel verfärbten Eingangstür. Dabei stellte Jaret stellte fest, dass die Fackeln draußen nun verloschen waren. Ob das mit dem Tod des Wächters zusammenhing oder nicht wusste er jedoch nicht zu sagen.

 Ruben drehte sich noch einmal um, wohl um sicherzugehen, dass er weit genug entfernt stand. Dann sammelte der Zauberer alle ihm nach dem Kampf mit dem Lich noch zur Verfügung stehenden Kräften.

 

Zuerst versuchte er das Buch mit einem schwächeren Bann zu belegen, nur um zu sehen was passierte. Das Ergebnis war Entmutigend. Der Zauber prallte als blauer Lichtbogen von den Seiten zurück und verlosch ohne jede Wirkung.

Hier würde er mit einfacher Magie nicht weiterkommen. Er seufzte. ,, Jaret komm bitte wieder her.“ Die Stimme des Magiers klang niedergeschlagen und traurig.

Jaret trat wieder auf den nun gebeugt dastehenden Magier zu.

 ,, Gib mir dein Messer.“ , sagte er nur.

Jaret fragte nicht lange wieso sondern hielt es Ruben mit dem Griff voran hin.

Eine Weile betrachtete er fasziniert das Spiel des Lichtes auf der Waffe.

,, Jetzt hör zu. Um das Buch zu bannen brauche ich mächtigere Magie. Die gleiche Magie die das Buch geschaffen hat. Seelenmagie.“ Er holte eine kleine kristalline Phiole mit einem Wachsdeckel aus seiner Tasche.

,, Was habt ihr vor?“

,, Was mir übrig bleibt.“ , erwiderte der Zauberer. ,, Ich habe keine Seele hier und dich kann ich schlecht fragen…“

,, Ihr seid doch wahnsinnig…“

,, Ich nehme nicht meine ganze Seele Jaret.“ , sagte er. Es sollte wohl beruhigend klingen. Dazu zitterte die Stimme des Zauberers jedoch zu sehr.

,, Das ist gefährlich.“ Jaret brauchte keine Antwort. Ruben wäre nicht selbst so eingeschüchtert, wenn es das nicht wäre.

,, Es wäre sogar ungefährlicher, wenn ich gleich meinen ganzen Geist nehmen würde. Nur wäre das dann auch mein Tod.“

,, Und das hier nicht?“

,, Nein… aber einen Teil der eigenen Seele zu separieren ist alles andere als angenehm.“ Ruben zögerte, bevor er hinzufügte: ,,Glaube ich.“

,, Ihr habt das also noch nie gemacht?“ Jaret konnte es leicht zugeben, er machte sich Sorgen um den Zauberer. Auch wenn er diesen nicht von seinem Vorhaben abbringen konnte.

 Etwas, das selbst Ruben Angst machte musste unglaublich gefährlich sein.

,, Nicht bei einem Menschen und schon gar  nicht bei mir selbst. Oh und“, meinte er mit einer Spur Humor, ,, das du das ja keinem erzählst. Ich könnte dafür echt Ärger bekommen. Den grauen Orden mag es nicht mehr geben, aber trotzdem ist das hier nicht die angesehene Kunst der Magie.“

 Grauer Orden? Bevor Jaret fragen konnte  nahm Ruben das Messer  und entfernte den Wachsdeckel des Gefäßes. 

,, Für den Fall, dass ich es nicht überlebe… verbrenn es.“ , erklärte der Zauberer und nickte in Richtung des schwarzen Obsidian-Altars.

,, Ich bin mir nicht einmal sicher, ob es überhaupt brennen würde.“

,, Vermutlich nicht.“ , antwortete  der Zauberer lachend . ,, Versuch es bitte trotzdem.“

Einen Moment stand Ruben schweigend da, während Jaret nur zusehen konnte.

Dann füllte sich die Phiole mit einem türkisenen Schimmer, der aus Rubens Ausgestreckter Hand direkt in das Glasgefäß zu fließen schien.

Als er sich wiederholt zu Jaret umdrehte funkelte in seinen Augen silbrig-blau.

Der Zauberer strauchelte kurz, bevor er sich wieder fing.

Dann begann er. In seinen Bewegungen lag soweit Jaret das beurteilen konnte nicht das geringste Zögern.

Er zeichnete mit den Händen Zauber in die Luft, welche mit einem blauen Schimmern gestalt annehmen um kurz darauf wieder in einem Lichtblitz zu verblassen, als sie auf die Barriere, die das Buch umgab trafen. Jaret konnte spüren, wie sich die Härchen auf seinen Armen aufrichteten.

Mit jedem Blitz verpuffender Energie schloss sich eines der Augen des Buches. Die roten Brunnen, die die Iris darstellten verschwanden unter dem Stoff des Umschlages.

Schließlich schloss sich auch das letzte Auge mit einem trägen Blinzeln.

Die Spannung im Raum zerfiel schlagartig, als die Nachwirkungen des Zaubers verblassten.

 Als das letzte Auge zufiel ging Ruben auf die Knie, da ihn seine Beine offenbar nicht mehr trugen. Jaret wollte ihn stützen, der Magier bedeutete ihm aber, zu bleiben wo er war.

Langsam  streckten beide Hände, die Handflächen nach oben gekehrt aus und verschränkte sie dann in einer Flüssigen Bewegung vor der Brust. Ein letztes Aufleuchten auf den Seiten des Buches selbst und dann war es vorbei.

 

 

Ruben blieb noch einige Augenblicke erschöpft auf dem Boden sitzen, dann Erhob er sich.

Die Phiole in seiner Hand hatte aufgehört zu leuchten und war wieder so leer wie zuvor.

Der Zauberer ließ sie achtlos auf den Boden fallen, wo sie zerbrach.

In seinem Blick war kein Schimmern mehr zu sehen. Seine Augen wirkten lediglich Entrückt und Leer. Leer mit einem feinen roten Schimmer… Jaret schüttelte den Kopf. Das bildete er sich ein.

 Ruben war lediglich sichtlich völlig am Ende.

Als er vorne überkippte fing Jaret ihn in letzter Sekunde auf.  Vorsichtig legte Jaret den Mann auf den Steinboden ab.

,, Alles in Ordnung. Ich muss mich nur kurz...  kurz ausruhen.“, sagte der Zauberer, als er sich langsam wieder aufsetzte. ,, Hohl das Buch.“

Jaret nickte nur, als er aufstand.

Nur zögerlich ging er auf den Altar zu. Selbst jetzt wo seine Macht gebannt war, strahlte der schmutzig rote Band darauf eine Feindseligkeit aus die ihm sämtliche Haare zu Berge stehen lies.

Zitternd streckte er die Linke nach dem Buch aus. Die Linke... Da war etwas eine Entfernte Erinnerung...

Ein See wie Blut, seine eigene verbrannte Hand.

Die Vision hatte ihn bisher nicht weiter gekümmert und zwischenzeitlich hatte er sie beinahe vergessen. Jetzt jedoch…

Es war seine linke Hand gewesen, dieselbe, die er nach dem Buch ausstreckte.  Er zog die Hand zurück. Wenn dies nun die Ursache dafür gewesen war?

Er hatte nicht wirklich eine Wahl… aber vielleicht konnte er das Schicksal erneut austricksen.

Jaret  nahm die rechte Hand.

 Langsam näherten sich seine Finger dem Einband. Dann hatte er das Buch endlich, zog es von seinem Obsidiansockel  und... nichts passierte. Trotzdem hielt der das Buch so weit er konnte von sich weg, während er zu Ruben zurückging. Noch immer konnte er leises Flüstern hören, das hier und da seinen Verstand streifte und die Zeit für den Rückweg zu dehnen schien.

Aber es klang jetzt nicht mehr so bedrohlich wie vorher.Müde.

Der Zauberer  hatte sich inzwischen wieder aufgerichtet. In der Hand hielt er einen kleinen Beutel, der aus einem silbrigen Gewebe bestand.

,, Leg das Buch  da hinein“ , sagte er. Sobald Jaret das Buch losließ, zog der Zauberer die Schlaufe am Verschluss des Säckchens zu. Auch die letzten leisen Stimmen verstummten augenblicklich.

Es war geschafft.

 

Ruben stützend kehrte er mit ihm zu dem Gasthaus zurück, wo sie vor Jarets Vision hatten übernachten wollen.

Mit letzter Kraft half er Ruben die Treppe zu den Schlafkammern hinauf und schlappte sich dann in sein eigenes Zimmer. Morgen, wenn der Zustand des Magiers es erlaubte,  würden sie die Rückreise antreten, dachte er erleichtert.

Er konnte es kaum erwarten zurück zu kommen.

 

 

In Seminium kehrte Jarets Leben schnell in seine alten Bahnen zurück. Das Buch selbst sah er nicht mehr wieder und auch Ruben schwieg darüber. Nur von einigen der Grenzsoldaten die auf Besuch in der Stadt wahren hörte er von Zeit zu Zeit Gerüchte darüber das sich die Armeen  von Egarium und Raven ohne ersichtlichen Grund zurückgezogen hatten obwohl es vorher so ausgesehen hatte als würden sie sich für eine Invasion rüsten.

Jaret der den Grund dafür natürlich kannte, fragte sich ob der König einen Boten mit einer Warnung in die Reiche geschickt hatte oder ob sie durch einen Spion von dem Buch erfahren hatten. Jedenfalls schien die Gefahr eines drohenden Krieges gebannt und es blieb die nächsten  Jahre ruhig.

Er ging Ruben oft weiterhin zur Hand, jedoch war es nun vor allem sein Sehergabe, auf die er sich mehr und mehr konzentrierte.

Der Magier stellte ihn oft Wochenlang frei um ihn bei seinem eigenen Studium nicht zu stören und wenn Jaret ehrlich war, dann war ihm das auch recht so. Er verdankte Ruben viel, aber die meisten arbeiten, bei denen er Hilfe brauchte, konnte er genau so zuverlässig bezahlten Hilfskräften oder Dienern überlassen.

Es war nun sieben Jahre her, das er Ruben das erste Mal begegnet war. Aber der einzige Grund aus dem er hier war, blieb seine Sehergabe. Und bisher hatte diese außer Ruben nur wenigen genützt.

 

Stunden verbrachte er in seinem Zimmer im Turmanbau des Palasts und versuchte, den ruhigen Pol zu finden, der wie er wusste, seine Gabe darstellte. Oft legte er dabei das Buch der Seher vor sich und versuchte in den verworrenen Symbolen irgendeine tiefere Bedeutung zu finden. Vor allem wollte Jaret herausfinden, ob er gezielt Visionen von etwas heraufbeschwören konnte, ohne dabei dem Zufall zu überlassen, was  er sah.

Wenn er seine Gabe besser verstehen wollte, musste er sie endlich auch kontrollieren können.

Tatsächlich gelang es ihm regelmäßig Visionen von Ruben oder von den Straßen Seminiums herbeizurufen, ohne dabei überhaupt das Buch zu verwenden.

Ich werde stärker, dachte er, aber gleichzeitig wusste Jaret auch, dass das nicht alles war.

Manchmal war es ihm auch so als wäre da noch mehr, neben seiner Sehergabe. Irgendetwas das noch schlief.

 

Manchmal war ihm , egal wie sehr er sich bemühte, als würde er doch nur die oberste Schicht seiner Fähigkeiten  ankratzen und das begann an seinen Nerven zu zehren.

Ruben schien darauf keine Antwort zu wissen, als Jaret ihm davon erzählte.

Stattdessen fragte er: ,, Strebst du denn  nach mehr Macht?“

Sie befanden sich in den Bibliotheken des Palastes. Eine gewaltige Halle, von oben bis unten mit Bücherregalen ausgekleidet. Ein großer Tisch verlief quer die Mitte des Saals und bot Platz zum Sitzen und lesen oder auch nur als Ablagefläche für Schriftrollen.

Ruben besaß neben dieser noch eine weitere private Bibliothek, in der er die wertvolleren Schriften aufbewahrte.

,, Nein.“ , erwiderte Jaret. Er wollte nicht noch mehr sehen.

,, Gut. Die Gabe die du besitzt Jaret, es gibt Leute, die dafür ihre Seelen verkaufen würden. Und ich meine nicht nur die Hälfte davon.“ Ruben lächelte schief. In den letzten zwei Jahren schien er merklich gealtert zu sein und wirkte müde.

,, Ich weiß.“ , erklärte Jaret.

Der Zauberer zog einen Folianten aus den Regalen und blätterte einige Seiten durch, bevor er sich wieder dem Seher zuwendete.

Eine Weile musterte er Jaret nur stumm.

,, Wie lange bist du jetzt hier?“ , fragte Ruben schließlich.

,, Fast acht Jahre.“ , erklärte er.

,, Seltsam wie schnell sich alles verändern kann. Ich will ganz ehrlich sein. Was du besitzt Jaret, ist vielleicht die Mächtigste Begabung, die ein Lebewesen besitzen kann. Stärker als jede andere Magie, gefährlicher als jede Armee. Und du bist bei weitem kein Kind mehr.“

,, Was wollt ihr sagen?“

,, Nichts.“ Jaret sah ihn nur einen Augenblick verwirrt an, bevor er fortfuhr, ,, Ich kann dir nicht sagen, was du damit tun sollst. Du hast ein Potential Jaret, das niemand übertreffen könnte, wenn du dich nur entscheidest es zu nutzen. Und auch wenn du dich dagegen entscheidest, kann dir deine Gabe doch niemand nehmen.“ Er schwieg einen Moment. ,, Aber die Welt da draußen ist kein ungefährlicher und bei weitem kein friedlicher Ort. Nicht einmal besonders schön, wenn man all ihre Hässlichen Züge erst einmal gesehen hat. Und du kannst nicht ewig darauf bauen, das dich diese Mauern hier schützen.“

Der Magier lächelte wieder sein schiefes lächeln, bevor er mit den Schultern zuckte.

,, Aber nichts davon brauche ich dir sagen, nicht wahr ? Was wichtig ist, ich kann dir deinen Weg nicht vorschreiben und das solltest du auch sonst niemanden gestatten. Du könntest Reiche zu Fall bringen, Welten neu aufbauen… Vielleicht  wirst du dich eines Tages irgendwo niederlassen, wenn die Welt ihren letzten Seher vergessen hat? Eine Familie gründen? Was ich wirklich sagen will ist… was immer du tust, welchen Pfad du auch wählst, versprich mir eines…“

Jaret trat von dem Zauberer zurück. ,, Ich werde keine Reiche gründen oder zerstören. Ich will nichts davon Ruben. Keine Macht, keine Gabe.“ , erklärte er.

,, Aber du hast sie nun einmal.“ , erwiderte Ruben. ,, Du bist alt genug um das zu begreifen. Viel wichtiger als das, du bist der einzige, der es wirklich begreifen muss. Die Welt leidet nicht darunter, wenn andere falsche Entscheidungen treffen, aber kannst du dir auch nur vorstellen…“ Er wurde von einem kurzen Hustenanfall unterbrochen, ,, Kannst du dir das Chaos vorstellen, dass du anrichten könntest? Für diese Narren da draußen wärst du ein Gott, wenn du es wolltest. Oder ein Dämon.“

,, Wie ich bereits sagte, ich will nichts davon.“ , sagte Jaret nun fast wütend. ,, Wenn ihr es könnte, nehmt meine Gabe. Ich möchte sie nicht und ich habe sie mir auch nicht ausgesucht.“

Ruben schüttelte den Kopf.

,, Versprich mir nur, das du sie nie missbrauchen wirst. Es gibt zu viele Menschen da draußen, die ihre Macht nur zum eigenen Vorteil einsetzen, ohne einen Gedanken an die Folgen…“

Das wiederum viel Jaret leicht. ,, Seid ihr nur ebenfalls vorsichtig.“

,, Das bin ich immer.“ , erwiderte Ruben. Ein Roter Schimmer lag in den Augen des Magiers, den er sich aber auch nur eingebildet haben konnte.

 

 

Die Wochen vergingen, ohne das Jaret noch einmal mit dem Zauberer gesprochen hätte.

Die Stadt und vor allem das Umland litten unter dem heißesten Sommer soweit sich irgendjemand zurückerinnern konnte. Ganze Flüsse wurden zu kleinen Rinnsalen oder trockneten komplett aus. Andernorts gab es Berichte, dass ganze Tierherden verdursteten.

Keine guten Nachrichten, die die Gerüchte über einen erneuten Konflikt mit den zwei anderen Reichen wieder aufflammen ließen. Ein durch eine Dürre geschwächtes Arbitrium war wohl ein einfach zu verlockendes Ziel.

Jaret machte sich deshalb Sorgen, aber viel blieb ihm nicht zu tun.

Hinzu kamen noch die in den letzten Wochen aufkommenden Berichte aus Seminium selbst.

Offenbar verschwanden in letzter Zeit Bewohner. Meistens aus den Armenvierteln und meist Tabajaxie hieß es, aber das konnten auch wirklich bloß Gerüchte sein. Niemand wusste wirklich, wie viele und wer in der Barackenstadt lebten, also ließen sich die Behauptungen unmöglich nachprüfen.

 

Die einzigen Orte in Seminium an denen die Hitze wenigstens etwas erträglich war, waren die zahlreichen Stadtbrunnen. Entsprechend war das Gedränge. Das gesamte öffentliche Leben schien sich auf die Plätze um die Brunnen verlagert zu haben.

Jaret mochte den Trubel. Vielleicht war es noch eine Angewohnheit aus seiner Zeit auf der Straße,   aber es gefiel ihm, einfach in der Menge zu verschwinden.

Händler mit ihren Karren hatten sich über den Platz verteilt und  versuchten aus der Hitze wenigstens einen Nutzen zu schlagen. Viele verkauften frisches Obst, das durch die Ernteausfälle ohnehin schon teuer geworden war. Vermutlich machten einige hierbei das Geschäft ihres Lebens, dachte Jaret im Vorübergehen. Woher sie ihre Waren nahmen, das wollte er hingegen gar nicht wissen.

Er drängte sich etwas weiter durch die Menge.

Plötzlich spürte er einen Ruck. Seine Hand fuhr zu seiner Hüfte. Die Geldbörse war weg.

Sofort wirbelte er herum und sah grade noch eine Gestalt in einem grünen Mantel in einer Gasse verschwinden.

Jaret seufzte. Das war wirklich großartig, dachte er, während er hinterherrannte.

Es ging ihm nicht so sehr um das Geld.

Es war nicht viel darin gewesen und er besaß einen zweiten Beutel den er versteckt unter seiner Kleidung  trug. Eine Angewohnheit, die er sich schnell zugelegt hatte.

Eigentlich hätte er dem Dieb den Beutel wohl einfach überlassen.Aber…

Das nächste Mal könnte es ein Messer sein, das dir jemand zwischen die Rippen rammt, dachte Jaret, während er grade noch einen Blick auf dunkelgrünen Stoff  erhaschte, der um eine Ecke verschwand.

Er hatte sich immer als jemanden gesehen der vorsichtig und aufmerksam war. Offenbar hatte er sich getäuscht.

 

 Bei den Temperaturen würde der Dieb hoffentlich nicht lange weiterlaufen können. Er allerdings auch nicht.

Die Gestalt floh offenbar in Richtung der Armenviertel. Kurz überlegte Jaret wirklich stehenzubleiben. Wer auch immer es war, würde das Geld vermutlich um einiges nötiger haben als er.

Aber jetzt hatte ihn auch ein gewisser Ehrgeiz gepackt.

Aus dem Rennen wurde ein Spiel.

Jaret  lief durch die verwinkelten Gassen der Unterstadt, den ihm entgegenkommenden Personen ausweichend.

,, Entschuldigung.“ , rief er noch über die Schulter, als er beinahe einen Adeligen umrannte, der ihm hinterherfluchte.

Immer der fliehenden Gestalt hinterher, musste er aufpassen, nicht über eine Horde aufgeschreckter Hühner zu stolpern, die aus einem Hof gestürzt kamen.

 Links durch eine Gasse, wieder auf die Straße. Jaret setzte über einen Karren, der ihm im Weg stand.

 

 

Er hatte wenn er schätzte  fast drei Jahre selbst in den Straßen der Unterstadt verbracht und wusste daher wie man sich Verfolger vom Hals schaffte. Die Überraschungsmanöver des Diebes, wie plötzliches Wenden und ähnliche Tricks überraschten ihn daher nicht so sehr wie sie es bei einer Wache oder einem anderen Bürger getan hätten.

Doch plötzlich fand er sich nach einer Abbiegung vor einer Mauer wieder. Es gab keinen sichtbaren Weg hinüber. Auf drei Seiten ragten Backsteinmauern in die Höhe. Aber es gab keinerlei ein oder Durchgänge… nicht einmal einen Kanalschacht.

Das war eine Sackgasse.

Aber Menschen lösten sich nicht in Luft auf. Jaret sah sich langsam um.

Etwas Silbernes glitzerte vor ihm im Straßenstaub.

Jaret bückte sich danach und hob es auf. Ein Ring, wie er schnell feststellte. Die Oberfläche wies eine feine Blattverzierung auf.

Das seltsame war, das er tatsächlich aus reinem Silber zu bestehen schien. Wertvoll war er allemal.

Jaret bezweifelte langsam, das der Ring wirklich dem Dieb gehörte. Niemand, der so etwas besaß hätte es nötig zu stehlen. Und so etwas würde man nicht zurück lassen.

Er drehte das Silber einen Augenblick unschlüssig zwischen den Fingern. Im nächsten Moment schien die Welt um ihn herum kurz zu verschwimmen.

Jaret sah sich überrascht um. Vor ihm fiel eine Backsteinmauer steil in die tiefe ab. Hinunter in die Sackgasse, in der er eben noch Gestanden hatte.

Als er langsam von der Kante zurücktrat und seine Verwirrung sich legte, verstand er langsam was passiert war.

Der Ring war verzaubert… Offenbar ein Zauber, der es erlaubte kurze Entfernungen zu überbrücken. Das war nicht nur wertvoll, das war fast unbezahlbar.

Zumindest wusste er jetzt, wie der Dieb verschwinden konnte. Und offenbar hatte er den Ring dabei verloren.

Aber wohin war er dann verschwunden?

Jaret kam eine Idee. Er versuchte sich zu entspannen und jenen Geisteszustand zu erreichen der seine Visionen auszulösen schien. Es gelang ihm nicht immer, aber er hatte sonst keine andere Möglichkeit mehr als Aufzugeben. Er wollte den Dieb nicht einfach so davonkommen lassen.

Seine Gedanken schweiften ab, beschäftigten sich mit den Einzelheiten der Jagd durch die Stadt, das abrupte Ende in der Gasse….

Ein Sturm aus Bildern riss ihn mit sich.

Er beobachtete das Ganze von der Stelle aus an der er auch in der Realität stand.

 

Die Gestalt unter dem weiten Mantel trat langsam aus den Straßen Während der ganzen Zeit konnte er jedoch noch immer nicht erkennen, wer ihn bestohlen hatte. Ein Gesicht hätte ihm gereicht.

Die Gestalt sah lediglich kurz hinauf zum Dach und in einem Wimpernschlag stand sie auch schon am Gipfel der Steinmauer. Der Ring jedoch rutschte ihr dabei vom Finger und fiel zurück in die Tiefe.

Der Dieb fluchte leise, aber Jaret sah bereits seinen eigenen Schatten um die Ecke biegen.

Ein weiterer Sturm von Bildern und er fand sich in einem Raum wieder in dem Tische und Stühle verteilt standen. Als sein Blick auf den Wirt viel, wusste er auch wo er sich befand. Luthers Absteige.

Auch wenn er den Dieb nicht sah, wusste er doch was die Vision ihm sagen wollte. Dort befand er sich.

Von Neugier getrieben machte er sich auf den Weg zu der Kneipe.

Was wäre es für den Dieb wohl eine Überraschung, dachte Jaret, wen sein Opfer plötzlich wieder auftauchte.

Derjenige der am Ende allerdings am meisten überrascht werden sollte, war  er.

 

 

Kapitel 7 Jade

 

,, Es ist nicht so das Tabajaxie zum Stehlen geboren werden. Sie sind lediglich Anpassungsfähiger. Und das führt dazu das die Ärmsten unter ihnen sich gewisse Talente sehr schnell aneignen.“

Akademieleiter Dehmether zur Frage der Kriminalität.

 

 

 

Luthers Spelunke machte von außen einen viel ärmlichern Eindruck als noch vor Sieben Jahren. Die Fenster, eins mit Glas besetzt waren nun vernagelt. Bei Tageslicht war der schlechte zustand der Holzplanken die die Außenwand des Hauses bildeten nicht mehr zu übersehen. Die Türen waren zersplittert und teilweise nur notdürftig mit einigen Holzflicken repariert worden.

Alles im allen Machte das gesamte Handwerkerviertel mittlerweile einen Heruntergekommenen Eindruck. Wie viel sich doch in ein paar Jahren ändern konnte. Der Kunstvolle Putz der Gebäude war teilweise zerbröckelt. Ein Schild aus Eisen das einen Amboss zeigte war so verrostet das es nicht einmal mehr in der sanften Brise die durch die Straßen wehte hin und her Schwang.

Vermutlich, so überlegte Jaret, hätte nicht einmal ein Sturm, wie ihn die Stadt vor einigen Monaten erlebt hatte, den Rost lösen können.

Er hatte vergessen, wie es den Menschen hier ergehen konnte.

Er hatte vergessen… weil es einfach gewesen war.

Der Gedanke machte ihn wütend, wütend auf sich selbst vor allen Dingen. Was bitte hatte er die letzten Jahre getan? Nichts. So einfach war das.

War es das was Ruben ihm hatte sagen wollen? Jaret wusste es nicht.

Er wollte grade in Richtung des Gasthauses gehen, als ihn eine entfernt bekannte Stimme innehalten ließ.

,, Junge, kenn ich dich nicht ?“ , Jaret drehte sich um und entdecke einen Mann in Schmiedeschürze. Es dauerte einen Moment, bis er ihn ebenfalls wiedererkannte. Warren war sein Name, wenn er sich richtig erinnerte.

,, Es ist schon ein paar Jahre her.“ , meinte der Schmied leicht verunsichert.

 Jaret war sich nicht einmal sicher, wie der Mann ihn überhaupt noch erkennen konnte.

,, Das kann man wohl sagen.“, antwortete Jaret.,, Ich denke mal ich kam bei unserer letzten Begegnung nicht dazu euch Richtig zu danken.“

,, Nun das könnte man wohl so sagen.“ , der Mann lachte.  ,, Wie ist es dir ergangen. Dir Scheint’s  ja  gut zu gehen.“, meinte er mit einem Blick auf Jarets Kleidung dem Bewusst wurde das er bei ihrer letzten Begegnung noch wie ein Bettler ausgesehen haben musste.

,, Euch hingegen nicht unbedingt.“ , erwiderte Jaret. Er wusste nicht ob ihn das Wiedersehen freuen sollte oder nicht.

,, Das ist leider wahr.“ , sagte Warren niedergeschlagen. ,, Und es wird nicht besser, jetzt  wo Leute mitten am Tag einfach verschwinden.“

Jaret wurde hellhörig. ,, Ich dachte das ist nur ein Gerücht.“

,, Klar… wie das Gerücht, das man letzte Woche fünf tote Stadtwachen aus der Kanalisation gefischt hat.“ , antwortete der Schmied bitter. ,, Es kümmert keinen.“

,, Wie bitte ?“

,, Es kümmert keinen sagte ich. Die Wachen selber geben nichts zu. Und versuch einmal irgendwas aus den Beamten am Palast rauszubekommen.“

Jaret schüttelte den Kopf. ,, Nein, das meine ich nicht,  die Stadtwachen…“

,, Ich habe es selbst gesehen. Sie hatten ihre Schwerter noch alle am Gürtel.“

,, Was kann fünf ausgebildete Soldaten so schnell töten, das sie nicht einmal mehr ihre Waffen ziehen können ?“ , fragte Jaret.

,, Keine Ahnung, aber es hat offenbar eine Armbrust benutzt.“

,, Ich hoffe wirklich ihr täuscht euch.“ , sagte Jaret, als er sich von dem Schmied verabschiedete.

Warren erwiderte noch etwas, das Jaret nur noch halb Verstand, bevor er in den Straßen des Viertels verschwand.

Jaret selbst trat vor die zersplitterte Eingangstür zur Schänke. Er holte  noch einmal den Silberring aus der Tasche. Was immer er auf dem Weg hierher auch versucht hatte, es war ihm unmöglich gewesen herauszufinden, was die Verzauberung aktivierte.  Vielleicht war auch einfach nur die Energie des Rings verbraucht.

Vor allen Dingen bei stärkeren Zaubern, die man auf ein Objekt übertrug,  konnte es eine Weile dauern, bis sie sich wiederherstellten.

Erfreut stellte er fest, dass wenigstens der Innenraum des Gasthauses halbwegs gepflegt aussah. Offenbar war Luther der einzige, der vom langsamen Verfall der Gegend profitierte. Der Raum war brechend voll. Fast alle Tische waren besetzt. Leute aßen oder tranken, einige starrten nur düster vor sich hin, oder drehten sich kurz nach dem Neuankömmling um.

Die meisten drehten sich allerdings sofort wieder weg.

Er drängte sich langsam  durch die beieinander stehenden Gäste und sah sich um.

Da erhaschte er einen Blick auf einen dunkelgrünen Mantel, der über einer Stuhllehne hing und trat rasch darauf zu.

 

Die Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag  Jaret blieb erstarrt stehen.

Grün... daran konnte er sich auch nach all den Jahren erinnern. Sie hatte Grüne Augen gehabt.

Das war ihm als erstes aufgefallen und danach war alles andere erst ins Rollen geraten.

Eine ferne Erinnerung an ein unterernährtes Tabajaxie-Mädchen das einen Magier bestehlen wollte.

Er hatte sich vorhin gefragt wie Warren ihn hatte wiedererkennen können. Manchmal wusste man es wohl einfach.

Heute werde ich anscheinend wirklich von meiner Vergangenheit heimgesucht, dachte Jaret, sobald er wieder dazu in der Lage war.

Sie hatte schwarze etwas verwildert wirkende Haare. Ein grau-weißer Pelz schimmerte auf Teilen ihres Gesichts, was sie doch recht deutlich aus der Menge hervorstechen ließ. Vielleicht war das aber nur Jarets Einbildung. Ohne den weiten Mantel, der jetzt über einer Stuhllehne hing,  wirkte die Gestalt schmal und fast unscheinbar.

Ihre grünen Katzenhaften Augen musterten ihn aufmerksam und angespannt, offenbar bereit jeden Moment aufzuspringen, wenn er einen falschen Schritt machte.

Natürlich viel es auf wenn er einfach so im Raum herumstand.

Sie saß an einem Tisch in der hintersten Ecke, des Raums in der Nähe eines nicht verriegelten Fensters. Es war klar, dass die Tabajaxie viel schneller wäre als er und mühelos durch das Fenster würde verschwinden können. Etwas, das sie zweifelslos tun würde, wenn er noch näher kam. Zum Glück für Jaret war der Raum nach wie vor so voll, das wohl niemand die seltsame Pattsituation wirklich bemerkte.

Er zog langsam den Ring aus der Tasche.

Ihre Augen weiteten sich. Jaret wusste nicht ob Überraschung oder Angst.

Er konnte einen Moment nur eine Spur  Mitleid empfinden. Jaret  wusste wie dieses Leben war, hatte er es doch selbst geführt.  Auch wenn es für ihn fast in Vergessenheit geraten war.

Wie hatte er das so einfach verdrängen können?

Er ging langsam auf den Tisch an dem die Tabajaxie saß zu, die kurz abzuwägen schien, ob sie doch noch weglaufen sollte.

Jaret selbst wollte fürs erste nur noch hier raus.

,, Du hast deinen Ring verloren.“ , sagte er nur und legte das verzierte Stück Silber auf den Tisch. Die Tabajaxie sagte kein Wort und Jaret wendete sich sofort wieder zum Gehen. Es war genug. Jaret wollte nur noch hier raus…

 Weg und den Kopf wieder freibekommen. Doch gleichzeitig hielt ihn der Blick aus zwei grünen Augen genau dort wo er war. Es schien eine kleine Ewigkeit zu dauern, aber schließlich schaffte er es sich loszureißen und wendete sich zum Gehen.

,, Wartet“ , hörte er noch hinter sich.

Jaret verließ die Taverne, ohne sich noch einmal umzudrehen.

Der warme Nachmittag kam ihm kalt und grau vor  als er sich seinen Weg durch die Straßen suchte. Eine Weile wusste er nicht, wohin er ging, bis er seine Schritte schließlich wieder auf bekannte Pfade  lenkte.

Jedoch nicht in Richtung der  wohlhabenden Viertel Seminiums. Er wollte sehen, was er die letzten Jahre ignoriert hatte. Musste es sogar sehen.

Die verfallenen Straßen, die schmutzigen, notdürftig zusammengezimmerten Häuser...

Er ging langsam durch die alten Gassen, die sich mittlerweile fast vollständig von den Wegen unterschieden, die er einst so gut gekannt hatte. Neue, aber ebenso armselige, Gebäude waren an die Stelle der alten Baracken getreten und hatten viele der Labyrinthischen Gassen noch weiter verzweigt.

 

Mittlerweile waren tatsächlich einige Wolken aufgezogen, die so aussahen, als wollten sie der wochenlangen Dürre ein jähes Ende bereiten. Es wurde auch Zeit, dachte der Seher.

 Ein paar Tage oder eine Woche länger und die Versorgung der Städte und des Umlands hätte wirklich schwierig werden können. Ganz zu schweigend davon, dass das ausgezehrte Land bereits jetzt  ein leichtes Ziel für die zwei übrigen Länder darstellen würde.

Vorsichtig machte er sich auf den Rückweg, zwischen den zerfallenen Hütten hindurch. Normalerweise wäre es keine gute Idee gewesen, so wie er aussah, einfach in die Armenviertel zu spazieren. Normalerweise. Aber die einzigen Menschen denen er begegnete lugten verstohlen und ängstlich aus ihren Hütten.

Die meisten schlugen schnell die Fenster oder Türen zu, sobald er sich nach ihnen umdrehte, aber trotzdem spürte er die versteckten Blicke.

Eine Berührung an der Schulter ließ ihn herumwirbeln, bereit sich notfalls zu verteidigen.

Er hatte das Messer bereits halb gezogen, als es ihm mit einem Schlag aus der Hand geschleudert wurde.

Jaret erstarrte, als er erkannte, wer ihm gefolgt war.

Er hätte damit rechnen sollen.

Die grünen Augen fingen seinen Blick sofort wieder, ohne dass er etwas hätte dagegen tun können.

Und natürlich war es eine Frage die sie hergetrieben hatte.

,, Warum ?“ die Frage kam in einen leicht  ängstlichen aber entschlossenen Ton.

Jaret wusste nicht, ob es Angst vor ihm war, oder vor etwas anderem. Furcht war Teil des Alltags hier, also zwang er sich zu einem Lächeln, das hoffentlich harmlos wirken würde.

,, Ich schätze… ich habe mich erst heute daran erinnert, wie hart es hier draußen wirklich ist.“

Sie sah ihn nur einen Augenblick verwirrt an. ,, Niemand kümmert sich darum was mit uns geschieht. Ob wir leben oder sterben.“ Sie sah sich einen Augenblick über die Schulter in Richtung der Hauptstraße um, als suche sie jemanden. Oder fürchtete, dass jemand sie sah.

,, Mich kümmert es.“ , sagte Jaret schließlich. Oder kümmerte nur sie ihn? Es war ein seltsamer Gedanke. Die Tabajaxie trug den Silberring wieder am Finger, den er ihr zurückgebracht hatte. Der Daumen lag auf dem Silber und vermutlich würde sie beim geringsten Anzeichen einer Bedrohung davon Gebrauch machen.

Praktisch für jemanden der hier lebte, dachte Jaret. Aber es warf nur mehr Fragen auf. Woher konnte sie einen solchen Gegenstand haben? Die Magie darauf war einfach gesagt unbezahlbar und niemand würde sich so etwas stehlen lassen, ohne die halbe Stadtwache zu alarmieren.

Einen Augenblick lang sagte niemand etwas. Es war eine seltsame Begegnung  und weder Jaret noch sie schien wirklich zu wissen, was er sagen sollte.

Ein Regentropfen nahm ihm die Entscheidung aber schließlich ab. Ein Blick in die mittlerweile bedrohlich dunklen Wolken war genug. ,, Ich schätze, wir sollten nicht auf der Straße bleiben.“

Sie sah ihn nur misstrauisch an.

,,  Oder auch nicht.“ , erwiderte Jaret. ,, Deine Entscheidung. Aber ich persönlich würde mich gerne unterhalten ohne dabei klatschnass zu werden.“

,, Schön…“ , mehr sagte sie nicht.

,, Also ?“

,, Beantworte mir eine Frage. Wieso hast du das getan? Ehrliche Antwort diesmal. “

,, Wie ich bereits sagte, es kümmert mich. Und ich schulde dir glaube ich noch was.“ , erklärte er.

Es war das Mädchen aus der Gasse vor sieben Jahre, da war Jaret sich mittlerweile sicher.

Es gab offenbar keine Zufälle mehr. Oder einfach zu viele davon.

Seine Antwort schien zumindest ihre Neugier zu wecken. ,, Schön, folge mir.“ Sie lächelte zum erste mal. ,, Wenn du kannst.“

 

Sie bewegte sich schnell durch die verwinkelten Gassen zwischen den Hütten der Unterstadt. Aber Jaret hatte keine Probleme Schritt zu halten. Auch wenn sich die Gegend verändert hatte, wusste er doch noch immer worauf er achten musste um im Straßengewirr die Orientierung zu behalten. Der einsetzende Regen machte es allerdings nicht unbedingt angenehmer. Die Gassen verwandelten sich in Schlamm, der an seinen Stiefeln kleben blieb.

Schließlich blieb die Tabajaxie vor einer Hütte stehen, die sich nicht sonderlich von den hunderten weiteren hier unterschied.

Der Eingang wurde durch ein Tuch verhängt, das sie einfach zur Seite schlug und ins Innere trat.

Jaret blieb einen Augenblick unschlüssig vor der Tür stehen. Die Baracke war offenbar wie alles hier kurz vor dem zusammenfallen. Kurz meinte er eine weitere Gestalt die Gasse hinab gesehen zu haben.

Sie trug einen schwarzen Umhang, der nichts weiter als ein Schemen erkennen ließ. Was aber wirklich seine Aufmerksamkeit auf sich zog war, das die Person eine Armbrust auf dem  Rücken trug.

,, Willst du noch lange da draußen herumstehen ?“ Die Tabajaxie war wieder nach draußen gekommen.

,, Da war…“ Er deutete kurz den Weg hinab. Aber da war niemand mehr…

Jaret kam sich kurz dämlich vor. Es musste wirklich idiotisch wirken, dass er hier draußen im Regen herumstand.

Er machte eine wegwerfende Handbewegung. ,, Vermutlich nichts.“ , sagte er schließlich und trat ins Innere der Hütte.

Er hoffte, dass es stimmte.

 

Es gab nur einen einzigen Raum. Die Mitte bildete eine primitive Feuerstelle, auf der noch Flammen loderten. Allerdings war der Kamin der Baracke alles andere als effektiv, so dass die ganze Hütte Rauchverhangen war.

Auf einer wohl aus Resten gezimmerten Anrichte standen einige Pflanzen, deren Geruch den Qualm etwas erträglicher machte. Jaret erkannte einige davon aus Rubens Labor, es erstaune jedoch, dass sie in einem geschlossenen Raum ohne Magie wuchsen. In einen der Pflanzenkübel, fast unsichtbar, schimmerte der Griff eines Messers.

 Daneben gab es einige Kissen auf dem Boden verteilt, der mit Holzplanken notdürftig befestigt worden war, und eine Schlafstelle ein Stück vom Feuer entfernt.

Jaret setzte sich vorsichtig an die Flammen, gegenüber der Tabajaxie.

Eine Weile sagte erneut niemand etwas.

,, Was ist das mit dem Ring ?“ , fragte er schließlich um das Schweigen wieder zu brechen.

,, Nur ein wertloses Erbstück, was soll damit sein ?“ Jaret wusste natürlich, das sie log, aber vermutlich wollte er gar nicht wissen, wie sie an den Ring gekommen war. Ein Geheimnis.  ,,Wie hast du mich gefunden?“

Und er hatte sein eigenes Geheimnis. ,, Glücklicher Zufall.“ Jaret sah sofort, das sie ihm nicht glaubte. Die Tabajaxie stand auf und hängte den grünen Mantel über ein Gittergestell vor dem Feuer. Der Stoff war mit Flicken übersäht und offenbar öfter genäht worden.

Wieder viel ihm auf wie viel kleiner und beinahe verletzlich sie ohne den Umhang wirkte.

,, Wie heißt du eigentlich ?“

Sie hielt in der Bewegung inne. Er konnte sehen, wie sich jeder Muskel in ihrem Körper zu verkrampfen schien. Angespannt und ängstlich. Sie schielte zu dem Messer zwischen den Blumen herüber.

Jaret versuchte sie zu beruhigen. ,, Ich muss ihn nicht wissen. Aber irgendeinen Namen bräuchte ich schon.“

Wovor hatte sie solche Angst?  Auch in der Taverne war es nicht die einfache Angst eines Diebes gewesen, wie ihm jetzt klar wurde. Es war eien ganz andere Art von Angst.

,, Jade.“ , sagte sie schließlich und entspannte sich ein wenig. Sie strich sich ein paar Haare aus der Stirn.

,, Jaret, Jaret Weißläufer.“

,, Kein Adeliger ?“ Sie klang überrascht, aber auch plötzlich um einiges freundlicher.

Jaret sah kurz  an sich herab. ,, Verdammt, ich sehe  ja wirklich wie einer aus.“

,, Da ist nicht lustig.“ Jade versuchte offenbar ernst zu bleiben, konnte aber ein kurzes Lachen nicht unterdrücken.

Sie hatte eine klares,  melodisches Lachen, das  in Jaret eine Seite zum Klingen brachte, die er bisher nicht kannte. Er konnte nicht anders als mittlachen.

Kurz schien das Misstrauen der Tabajaxie vollständig zu verschwinden.

 

Er konnte draußen den Regen hören, der gegen die Holzplanken trommelte. An einigen Stellen war das Dach undicht und Wasser tropfte auf den Boden, wo es kleinere Pfützen bildete.

Jaret achtete kaum darauf.

Sie war auf eine exotische Art Schön. Es war ihm die ganze Zeit aufgefallen, aber jetzt konnte er es zugeben.

Und doch war da diese Angst, die nach wie vor nicht ganz verschwand. Die Bereitschaft, sollte er eine falsche Bewegung machen oder eine Frage stellen, nach dem Messer zu greifen und ihn entweder zu töten… oder zu verschwinden.

Wovor fliehst du? Oder wovor fliehst du noch? Wieder war Jaret sich sicher, es notfalls mit seiner Sehergabe herausfinden zu können. Aber durfte er das? Sie würde es nicht einmal bemerken. Und doch, es wäre ein Vertrauensmissbrauch. Sie wusste nicht wer er war, nicht wozu er imstande war.

Langsam begann Jaret besser zu verstehen, warum ihn Ruben darum gebeten hatte, seine Gabe niemals zu missbrauchen.

,, Was meintest du damit… du schuldest mir noch was ?“ Jades Stimme riss ihn aus seinen Gedanken.

Jaret überlegte, wie er darauf antworten sollte, ohne gleich alles über sich zu verraten. Auf der anderen Seite warum nicht ? Aber bisher hatte er seine Seherbegabung immer vor allen geheim gehalten. Das hatte ihm niemand sagen müssen. der König und Ruben waren  die einzigen, die wirklich über ihn Bescheid wussten. Und nun… überlegte er grade wirklich jemand völlig Fremden seine Gabe zu erläutern?

,, Ich schätze du würdest mir die Wahrheit nicht glauben.“ , antwortete Jaret schließlich.

,, Versuch es.“ , meinte Jade und strich sich die Haare zurück.

Er zögerte. Vermutlich konnte er das wichtigste erzählen, ohne zu enthüllen, was er war.

 ,, Das müsste jetzt gut sieben Jahre her sein. Du bist einem Mann in roter Robe gefolgt. Einem Magier“

Sie schien kurz nachzudenken. Wieder blitze misstrauen in ihrem Blick auf.  ,, Das ist glaube ich… richtig.“  Eine Begegnung mit einem Zauberer, egal wie kurz vergaß man nicht so schnell.

,,Zumindest bis ihn jemand angesprochen hat.“

Jaret nickte  nur langsam.

,, Das warst du ?“ Ihr Gesicht schimmerte im Licht des Feuers und schien sich doch zu verfinstern. ,,Warum ?“

Sie klang wieder misstrauisch und wütend.

,, Ich habe dir das Leben gerettet.“ , erklärte Jaret.

,, Wie bitte ?“ Jade glaubte ihm nicht, das merkte er sofort. Und die Wahrheit ? Die würde sie Jaret erst recht nicht glauben.

,, Er hätte dich bemerkt und getötet.“

Sie setzte sich wieder ans Feuer, ihm gegenüber. Durch die Flammen ließ sie ihn nicht aus den Augen.  ,, Woher willst du das wissen ?“

,, Manchmal weiß ich es.“

,, Das ist unmöglich.“

,, So unmöglich wie ein magischer Silberring bei einem Dieb…“ , antwortete er. Sie lachte wieder, aber es klang nervös. ,, Wer bist du eigentlich Jaret  ?“

,, Genau das wüsste ich manchmal selber gerne.“

,, Das ist keine Antwort.“

Er erwiderte nichts, sondern sah einen Moment in die Flammen, als könnte er dort eine Antwort finden.

,, Ich habe auf den Straßen gelebt.“ , erklärte er. ,, Das heißt bis zu dem Tag, an dem ich Ruben begegnet bin, der Magier in der roten Robe. Ich bin , nun man könnte sagen  ich bin sein Gehilfe geworden.“  Er erzählte, so viel wie er glaubte wagen zu können

 

Irgendwann musste Jaret dann  kurz am Feuer eingenickt sein. Es konnte nicht lange gewesen sein, denn Jade saß immer noch ihm gegenüber am Feuer. Allerdings schien es nicht mehr zu regnen.

Er stand langsam auf. Unter dem Türvorhang schimmerte rotes Abendlicht hindurch.

,,Ich schätze ich sollte gehen.“ , sagte er unsicher.

Sie nickte nur.

,, Ich..“ Er stockte kurz.. ,, Ich würde gerne wiederkommen. Dich besuchen… wenn du nichts dagegen hast…“ Jaret war klar, dass er sich grade wie ein Idiot benahm.

,, Ich bin niemand, mit dem man sich abgeben will, oder soll. Es gibt ungeschriebene Regeln auch für jemanden wie dich. Du hast keine Angst, das man dich entlässt? “

Jaret lachte.  ,, Nun, ich glaubte dann sind mir die meisten Regeln sind mir recht egal.“

,, Du bist einer der seltsamsten Menschen der mir bisher  begegnet ist.“

,, Wie viele andere Menschen sind dir  den schon begegnet ?“ , fragte er, während sie nach draußen traten.

,, Nicht viele.“ ,erwiderte Jade.

Jaret war schon auf halbem Weg die Gasse hinab als er doch noch einmal stehen blieb und sich mit einer angedeuteten Verbeugung verabschiedete.

Jade sah ihm einfach nur mit einer Mischung aus Unglauben und einem Rest misstrauen nach. Dann lachte sie.

Sie glaubte nicht, dass dieser seltsame Mann noch einmal wiederkommen würde. Aber auf der anderen Seite… hoffte sie es doch.  Seltsam… wie lange hatte sie schweigend in den Gassen gelebt? Wenn man weglief konnte man es sich nicht leisten auch nur so etwas wie Freundschaft oder Bekannte zu haben. Sie konnte es sich auch jetzt nicht leisten. Oder ?

Sie ließ den Teppichvorhang vor der Hütte wieder zufallen.

 

 

 

Jaret träumte. Aber mit der Gewissheit, dass er träumte, wurde ihm auch klar, dass das eigentlich nicht stimmte. Es war eine Vision.

Er befand sich in einem nur spärlich beleuchteten Raum und  konnte kaum zwei  Schritte weit sehen, so dass er vorsichtig durch die Dunkelheit ging.

Das schwache Licht kam von irgendwo her aus weiter Ferne. Dadurch konnte er zumindest die Größe der Halle abschätzen.

Regelmäßig stieß er sich den Fuß an auf den Boden liegenden Objekten, die sich bei näherem Hinsehen als Steine und Geröll entpuppten. Oder zumindest fühlte es sich so an. Er glaubte nicht, dass er sich in einer Vision wirklich verletzen konnte, aber das Gefühl durch irgendetwas gebremst zu werden war da.

 Mit der Zeit erkannte er auch seine Umgebung besser. Es war kein einfacher Raum, mehr eine Höhle. Rechts und links von ihm ragten Schatten auf, die er erst für Säulen gehalten hatte, die sich jetzt jedoch als gewaltige Tropfsteinsäulen   herausstellten, die von der unsichtbaren Decke bis auf den Boden gewachsen waren.

Nun konnte Jaret ach sehen, woher das Licht kam

Eine Reihe bläulich schimmernder Objekte, die auf einem Regal aufgereiht waren, das so gar nicht hierher passen wollte.

Als er näher trat konnte er erkennen, dass es sich um Glasphiolen handelte.  In einigen  davon Schimmerte ein schwaches türkisfarbenes Licht. Andere hingegen waren leer und dunkel.

Ein schwaches flüstern ging von den Gefäßen auszugehen, ähnlich wie von dem Buch, dachte er.  Aber leiser und nicht aggressiv, sondern verzweifelt und verängstigt.

Waren das etwa Seelen? Jaret hätte eine der Phiolen aufgehoben, wenn er dazu in der Lage gewesen wäre, so aber konnte er sich nur umdrehen, als er plötzlich Schritte hörte.

Es war nach wie vor zu dunkel um irgendetwas außerhalb des von den Phiolen erzeugten Lichtkreises  zu erkennen. Nur zwei rötlich schimmernde Augen, die aus den Schatten in seine Richtung sahen…

Bevor die Gestalt ihn jedoch erreichte zerfiel seine Vision und er schreckte aus dem Schlaf  hoch.

Er befand sich in seinem Zimmer im Turmanbau. Der Mond schien  durch ein kleines Fenster hinein und tauchte alles in silbriges Licht. Ein Schreibtisch und ein niedriges Regal bildeten neben dem Bett die einzige Einrichtung, aber das reichte ihm auch.

 

 Jaret wartete kurz bis sich sein Herzschlag wieder beruhigte. Dann setzte er sich langsam auf und zog das kleine Notizbuch unter dem Kopfkissen hervor, das Ruben ihm vor all diesen Jahren gegeben hatte. Es war eine Weile her, das er das letzte Mal etwas aufgeschrieben hatte und so sah er kurz einige der alten Einträge durch. Anfangs noch mit zittriger, kaum leserlicher Schrift, später dann jedoch klarer.

 Vision oder Traum ? Manchmal schien beides die gleiche Qualität zu haben.

Es war in jedem Fall unwirtlich gewesen.

Jaret stand auf und ging zum Tisch herüber, wo eine Schreibfeder und ein kleines Tintenfässchen standen .

Er hatte die Feder grade auf das Papier gesetzt, als er doch inne hielt. Traum oder Vision ?

Es war wichtig, den Unterschied zu kennen. Aber die Bilder hatten sich so deutlich in seinen Verstand gebrannt…

Er zögerte einen kurzen Moment, dann klappte er das Notizbuch zu und stellte die Feder zurück. Es war ein Traum. Und wenn nicht, dann eine nichtssagende Vision, wie erschreckend sie auch gewesen sein mochte.

Wenn er ihn Morgen sah konnte er Ruben davon berichten, vielleicht würde dem Magier etwas dazu einfallen.

Seine Gedanken wanderten zurück zu seiner Begegnung mit Jade

Die Tabajaxie war ihm nach wie vor ein Rätsel. Der Ring, ihre Angst… wer war sie?

Ein Geheimnis, das sich ihm immer noch nicht erschloss. Und auch ausgerechnet ihr nach all diesen Jahren wieder über den Weg zu laufen… Wie hoch war die Chance?

Es gab entweder wirklich  keine Zufälle mehr, oder zu viel davon. Und das musste er verstehen.

Und doch war Jaret klar, dass das nicht ganz stimmte. Er suchte nur nach einer Ausrede, sie wieder zu sehen.

Ein Gedanke der ihn beunruhigte und gleichzeitig freute. Wenigstens sich selbst gegenüber konnte er ehrlich bleiben. Er hatte Jade nicht wirklich angelogen, aber seine Sehergabe zu erläutern…

Sie würde ihn bestenfalls für verrückt halten, dachte Jaret. Aber wieso kümmerte ihn das so?

Mehr als sein Traum, ob nun Vision oder nicht, machte ihn dieser Gedanke zu schaffen.

Morgen, dachte er. Er würde versuchen sie morgen wiederzusehen.

Irgendwann schlief er letztlich am Tisch ein.

Kapitel 8 Böses Erwachen

 

 

,, Ein weißer Mann sagte einmal : Macht korrumpiert. Wenn das Stimmt, dann gibt es keine korrupteren Wesen, als Seelenmagier.“

Vertretbarkeit der Magie

 

 

Die drückende Hitze, die über der Stadt gelegen hatte, war von dunkeln  Wolken verdrängt worden, als Jaret am nächsten Morgen die Augen öffnete.

Das Notizbuch lag immer noch vor ihm auf dem Tisch. Er hatte den Traum fast vergessen und doch blieb eine Ahnung davon zurück.

Eine Warnende stimme in seinem Hinterkopf die er aber zum Schweigen brachte.

Die Stadt verschwand fast unter einem grauen Schleier aus Bodennebel, der aus den Straßen aufstieg und sich wie eine Decke über alles darunter legte.

Er war über den Schreibtisch gebeugt eingeschlafen.

Jaret blinzelte ein paar Mal ins Dämmerlicht, das durch das kleine Fenster fiel. 

Er stand auf. Die dunklen Gedanken und Vorahnungen der Nacht schienen sich endgültig verflüchtigt zu haben. Stattdessen trat er aus dem Zimmer heraus, ins Treppenhaus des Turms. Die Sandsteinstufen zogen sich spiralförmig in die Tiefe und führten vorbei an weiteren Türen, hinter denen Gesindekammern und Lagerräume für den Palast lagen. Jaret hatte es nie gestört, das er so weit oben schlief. Im Gegenteil, er genoss die Abgeschiedenheit.

Am Ende der Wendeltreppe führte ein niedriger Durchgang in den eigentlichen Palast.

Jaret lief durch die mit Marmorsäulen gesäumten Flure,  die er die letzten Jahre seines Lebens sein Zuhause genannt hatte.  In all der Zeit hatte sich in den steinernen Hallen nur wenig veränderte. Es schien als sei die Zeit an diesem Ort nicht so deutlich vorhanden wie anderswo. Mochten in Erane auch Dürren wüten oder sich Armeen an den Grenzen sammeln, das Leben hier wurde dadurch kaum beeinflusst.

Ob das in Raven oder Egarium ähnlich war? Jaret wusste recht wenig über Egarium und noch weniger über die Eiswüsten, die den Großteil Ravens ausmachten.

Es hatte ihn einfach nicht interessiert. Jetzt jedoch wüsste er es gerne.

Egarium… es gab immer wieder seltsame Berichte über die merkwürdigsten Konstrukte und Waffen aus dem Land. Oft hörte es sich wie Magie an, wenn man den Berichten der Soldaten glaubte die ab und zu an den Grenzen kleinere Kämpfe austrugen.

Feuer und Rauch, der nur Tod hinterließ. In Egarium gab es angeblich nur wenige Zauberer und wurde ihnen in Arbitrium nicht unbedingt getraut, so gab es aus Egarium Berichte über regelrechte Verfolgungen.

Raven hingegen war, soweit er dem was er gehört hatte trauen konnte, in einzelnen Clans organisiert, ansonsten unterschied es sich wohl bis auf das Klima nicht sehr von Arbitrium. Bauern, Bürger, Adelige. Darin gliederte sich letztlich alles…

Und diejenigen, die komplett durch dieses Raster fielen. Die zu Arm für einen Status waren, oder ihren irgendwie verloren hatten…

Eine alte Wut stieg in ihm auf, die nie ganz verblasst war. Aber betäubt.

Nun sah er das Gemäuer des Palastes mit anderen Augen. Die letzten Jahre hatte er vergessen, wie es gewesen war, welchen Preis der Reichtum dieses Ortes anderswo forderte. Und es war dem Zufall zu verdanken dass er sich wieder erinnert hatte.

Aber konnte er etwas daran ändern? Wenn Ruben recht hatte dann ja.

 

Jaret blieb einen Augenblick stehen. Es war noch so früh, das nur wenige Dienstboten auf den Beinen waren, die zwischen den Säulen hin und her huschten.

Ruben hatte ihm auch  gesagt, er könnte Gott oder Dämon sein.

Und doch, Jaret wollte keines von beidem, nach wie vor nicht. Ein Gott, war nur eine weitere Ungerechtigkeit. Er konnte es wöchentlich auf dem Richtplatz sehen wenn er wollte.

Manchmal wünschte er sich, wirklich, das einfach hinter sich zu lassen. Seine Gabe erschien ihm einmal mehr wie eine Verantwortung als alles andere.

,,  Jaret ?“

Er drehte sich um und entdeckte Ruben, der in Begleitung eines Wachmanns in Hauptmannsuniform aus einem Seitengang auftauchte.

Bei dem Wachmann handelte es sich, wie Jaret überrascht feststellte, um Dunik. Er nickte dem Mann kurz zu, der ihn aber weitgehend ignorierte. Er hatte in all den Jahren kaum noch zwei Worte mit ihm gewechselt.

Vermutlich gab Dunik ihm schlicht die Schuld dafür, den Zorn Rubens einmal geweckt zu haben. Trotzdem war der Mann mittlerweile Oberbefehlshaber über die Stadtwache, wie Jaret gehört hatte.

 Aber erst jetzt hatte er wirklich eine Bestätigung. Die Zierrüstung mit dem Aufgedruckten Krone und Sonne-Emblem war unmissverständlich.

Wirklichen Schutz würde der dünne Stahl jedoch wohl eher nicht bieten, wie  Jaret dachte. Es war mehr eine Zurschaustellung eines Ranges.

,, Ihr könnt gehen.“ , sagte der Zauberer zu dem Soldaten. Dunik nickte und entfernte sich.

Jaret hatte ohnehin noch mit dem Magier reden wollen.

 

Ruben wirkte nicht mehr Müde wie noch bei ihren letzten Begegnungen. Im Gegenteil, sogar fast jünger als zuvor wie der Seher dachte. Trotzdem, der Zauberer hatte sich in den letzten Jahren verändert. Er wirkte oft abwesend und manchmal schien es Jaret, als würde Ruben ein drückender Mantel aus Schatten umgeben, den er aber nur aus den Augenwinkeln richtig sehen konnte.

Er schüttelte die Empfindung ab. Ruben war ein Freund und vermutlich auch sein Lebensetter. Wer weiß wie lange er auf den Straßen noch überlebt hätte.

,, Du warst gestern nirgendwo zu finden.“ , meinte Ruben.

,, Das ist wahr…“ Irgendetwas warnte ihn erneut. ,, Wieso ?“

,, Nicht wichtig, aber, die Straßen sind nicht mehr so sicher wie früher und Dunik meinte eine Patrouille hätte dich, oder jemanden der dir recht ähnlich sah, in der Unterstadt gesehen.“

Jaret dachte kurz nach. Er hatte eigentlich nichts zu verbergen. Trotzdem… etwas an der Art wie  Ruben Fragte war ganz und gar nicht in Ordnung.

,, Es kann durchaus sein, das ich gestern in der Nähe gewesen bin.“

,, Ich versteh.“ Die seltsam Drückende Atmosphäre verschwand. Das war nur Ruben. Der alte Zauberer, der vielleicht seine Geheimnisse hatte, aber nichts desto trotz freundlich auf ihn herablächelte. Oder mittlerweile zu ihm hinauf. ,, Ich habe mir nur Sorgen gemacht, aber was du tust bleibt  wirklich langsam dir überlassen. Ich sollte mich langsam daran gewöhnt haben.“ Ruben lachte.

,, Es ist nichts, ich.. der Regen hat mich aufgehalten.“ Auch wenn wieder alles in Ordnung schien, er zögerte Jade zu erwähnen, oder was das anging überhaupt mehr als nötig zu erzählen. Wusste Ruben, dass in der Stadt Leute verschwanden?

Er sollte aufhören sich Sorgen zu machen, sagte er sich selbst.

Jade… Seine Gedanken wanderten zurück zu der Tabajaxie. Jaret hatte definitiv den Entschluss gefasst, sie zu besuchen. Und sei es auch nur um mehr über sie zu erfahren.

Er wollte nur  nicht ganz mit leeren Händen auftauchen.  Er sah unter welchen Umständen die Leute im Armenviertel nach wie vor lebten und auch wenn ihm klar war, das er nicht allen helfen konnte. Aber Jade. Das war immerhin  etwas. Und ihm wichtig, wie Jaret sich selbst gegenüber zugab.

Er hatte auch schon eine Idee. Er lächelte bei dem Gedanken. Es wäre ein Anfang, eine unendlich kleine Geste, aber ein Anfang.

 

 

 

 

 

 

 

Gut zwei Stunden später kam er vor der kleinen Hütte in den Armenvierteln Seminiums an.

Es hatte ihn Zeit gekostet, einen Weg durch die Labyrinthischen Straßen zu finden. Zwar hatte Jaret sich den Großteil des Wegs mit einem alten Instinkt eingeprägt, den auch sieben Jahre im Palast nicht hatten ganz abstumpfen können, aber es kostete ihn immer noch Zeit. Mehrmals nahm er falsche Abzweigungen und musste zurückgehen, wenn er an eine Sackgasse kam, oder merkte, dass er falsch ging.

Die wenigen Leute, die ihm begegneten oder vor den simplen Bretterhütten saßen, schenkten ihm nur wenig Beachtung.

Diesmal war er schlauer gewesen, anstatt einfach mit seiner Palastkleidung in die Unterstadt zu gehen. Zwar trug er selten teureres als schlichte und saubere Sachen, aber hier viel er darin sicher trotzdem auf wie ein bunter Hund. Deshalb trug er diesmal einen schlichten, grauen Reiseumhang um die Schultern. Die Tarnung verfehlte ihre Wirkung nicht.

 Nur das kleine Stoffbündel, das er unter Arm hielt  konnte von Zeit zu Zeit noch neugierige Blicke auf sich ziehen.

Irgendwann jedoch fand er schließlich den richtigen Weg und erreichte die Baracke mit dem auffälligen Türvorhang

,, Jade ?“ Er klopfte an den Holzrahmen und wartete einen Augenblick. Nichts.

,, Hallo ?“ wieder nichts.

Schließlich schlug er den Vorhang beiseite und trat langsam nach drinnen.

Jaret  sah er sich um. Die Pflanzen waren nach wie vor an ihrem Platz. Allerdings fehlte das dort versteckte Messer.

Das Feuer in der Mitte des Raums war  erloschen, auch wenn noch Rauch von der Asche aufstieg.

Die Schlafstelle und die Kissen auf dem Boden waren verlassen

Die Hütte war leer.  Sie konnte allerdings noch nicht allzu langer Weg sein, sonst wäre die Glut erloschen. Jaret überlegte, ob er hier warten sollte, oder besser wiederkam. Oder war sie möglicherweise abgehauen?

Es sah nicht so aus. Bis auf die Versteckte Waffe schien nichts zu Fehlen. Allerdings  gab es auch sonst nicht viel, was sich mitzunehmen gelohnt hätte.

Eine Bewegung hinter ihm riss Jaret aus seinen Gedanken. Er wirbelte herum und fand sich Auge in Auge mit einer glitzernden Metallkling.

,, Du schon wieder.“ Jade ließ die Waffe sinken. Das war ziemlich knapp gewesen, dachte Jaret. Hätte die Tabajaxie  ihn eine Sekunde später erkannt, hätte das mit einem Messer in der Kehle geendet. Konnte es immer noch, wie Jaret sich erinnerte. Oder nicht?

Sie ließ die Waffe sinken. Aber die Art wie ihre Hand zitterte…

Sie hat vermutlich nie jemand  getötete dachte er. Und der Gedanke es fast getan zu haben war wohl  auch nicht unbedingt einfacher.

Wie hatte er sich gefühlt, als er auf der Reise mit Ruben einen der Banditen getötet hatte?

Er wusste es nicht mehr. Der Kampf im Wald war das reine Chaos gewesen und er hatte keine wirkliche Zeit gehabt, darüber nachzudenken was er tat.

,, Nette Begrüßung.“ , meinte er spöttisch.

,, Du hast hier nichts zu suchen.“ Damit hatte sie  wohl Recht.

Beim genaueren Nachdenken wäre nichts passiert, wenn er einfach draußen gewartet hätte.

,, Ich dachte du brauchst vielleicht einen neuen Mantel.“   Er holte das Stoffbündel unterm Arm hervor.

Misstrauisch nahm sie Jaret den Umhang ab.

Jade strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht, bevor sie den Stoff schließlich entfaltete und ein paar Stücke zurücktrat.

Es war nicht schwer für Jaret gewesen einen Schneider zu finden, der Umhänge verkaufte. Allerdings hatte er natürlich nicht gewusst, ob es Jade gefallen würde oder ob er damit nicht doch einen Fehler machte.

Die Frage beantwortete sich von selbst.

,, Der ist ja wundervoll.“

 Der Stoff  war in einem Tiefen Wald-Grün gefärbt und eine Goldnaht verlief an den Seiten, des ansonsten schlichten Mantel. ,, Was…“

Sie sah einen Augenblick sprachlos zu Jaret, der lediglich grinste. Zum ersten Mal schien das ganze Misstrauen aus ihren Zügen zu verschwinden. Sie legte sich den neuen Mantel um die Schultern.

 Auch die Angst verschwand kurz aus den grün funkelnden Augen.

,, Weshalb ?“ , wollte sie wissen. Sie traute ihm nicht ganz, das war klar.

Jaret glaubte allerdings  endlich, Jade ein wenig zu durchschauen.

Sie tat vielleicht hart, aber letztlich war es angst. Und ihr Misstrauen das schien ihm nicht mehr als eine Maske zu sein.

,, Reicht schlichte Freundlichkeit nicht ?“ Jaret wollte nicht, das sie sich wieder hinter ihrem Misstrauen vor  ihm und wohl allem, verbarrikadierte.

,, Niemand tut irgendetwas ohne Gegenleistung.“

Er lachte. ,, Ich schon.“

Jade versuchte offenbar eine neutrale Mine zu behalten, lächelte aber schließlich trotzdem.

 ,,Du bist ein seltsamer Mann.“ Sie strich sich geistesabwesend eine Haarsträhne aus dem Gesicht und trat unter dem Vorhang nach draußen in die Straßen.

,, Als ob ich nicht das gleiche behaupten könnte.“ , murmelte Jaret, als er ihr folgte.

Die Wolken hatten sich etwas verzogen und blauem Himmel Platz gemacht. Es war nicht mehr so warm, wie die Tage zuvor, aber angenehm.

,, Also, ich bin eigentlich niemand besonderes.“ , erklärte er, während er Jade durch die Gassen folgte. ,,  Ich hatte einfach nur Glück.“

,, Du bist ein schlechter Lügner Jaret Weißläufer.“ Er  zögerte. Jaret rechnete eigentlich damit, dass sie Augenblicklich wieder abweisend werden würde.

Stattdessen lachte Jade.

Es waren diese kleinen Momente, wenn sie lächelte oder das Misstrauen kurz verschwand, in denen ihm klar wurde, er mochte sie.

Es hatte kaum mehr als das gebraucht, stellte Jaret fasziniert fest.

 ,, Du lebst alleine hier ?“ , fragte er.

Jade überlegte kurz, während sie weiter durch die Straßen gingen. Jaret wusste nicht wohin sie wollte. Vielleicht war das aber auch gar nicht wichtig. Die Wege waren meistens leer, aber auch wenn sie jemanden begegneten war es nun plötzlich Jade, die die meiste Aufmerksamkeit auf sich zog, Der neue Mantel war für diese Gegend alles andere als passend.

Sie erreichten eine Baulücke zwischen den Baracken, wo offenbar vor kurzem eine Hütte in sich zusammengefallen war. Gras und Unkraut wuchs hier und da zwischen den liegengebliebenen Holzplatten hindurch. Es war nicht viel übrig geblieben.

Das meiste war wohl bereits wieder in der einen oder anderen Form weiterverwertet worden um andere Hütten zu reparieren oder zu bauen. Nur das morscheste, älteste Holz war zurück geblieben und vermoderte nun endgültig.

Die Tabajaxie schwieg noch immer.

Offenbar schätzte sie ab, wie viel oder was sie ihm erzählen sollte. Jaret war es egal. Sie war nicht irgendjemand, das war ihm mittlerweile klar. Allein der Ring war schon merkwürdig genug. Aber er würde sie nicht dazu drängen ihm irgendetwas zu erzählen.

,, Erst seit.. kurzem“ , sagte sie.

Jaret runzelte die Stirn. ,, Wieso seit kurzem ?“

,, Schau dich um. Bis vor einigen Wochen gab es hier noch viel mehr Menschen. Aber das ständig Leute verschwinden… Die meisten sind so nah wie irgendwie möglich an die oberen Bezirke herangezogen. Manche haben auch einfach leerstehende Häuser besetzt. “

,, Du jedoch nicht.“

,, So wie die anderen, die noch hier sind.“

Jaret wusste nicht, was er antworten sollte. Verdammt es gab so viele Fragen gleichzeitig. Bis vor ein paar Tagen hatte er nicht einmal gehört, dass irgendwo einfach Menschen verschwanden. In einer Stadt wie Seminium war es gut möglich unterzutauchen, aber von der Bildfläche zu verschwinden, ohne eine Spur…

,, Ich wusste nicht…“

,, Ja, das dachte ich mir.“ , sie klang jetzt wütend. ,, Niemanden kümmert es was mit den Menschen hier geschieht. Geschweige denn mit welchen… wie mir.“

,, Mich kümmert…“

Jade ließ ihn nicht ausreden.

,, Glaubst du wirklich ein neuer Mantel, ein bisschen Freundlichkeit wiegen Jahre der

Verfolgung auf ?“

Ihre ganze Wut schien sich plötzlich auf ihn zu richten. Jaret versuchte wenigstens selbst deshalb wütend zu werden. Aber das ganze schien über so lange Zeit angestaut zu sein…

Kein Wunder, überlegte er. Wenn man so lebt, nicht nur alleine, sondern ständig mit Angst.

,, ,, Es tut mir.. leid…“ Er wusste nicht wofür er sich entschuldigte. ,, Ich wusste nicht… Verfolgt? “

Sie konnte nicht das Verschwinden der Leute meinen, das geschah soweit er nun wusste erst seit einigen Wochen.

Jade schwieg einen Augenblick, bevor sie erwiderte. ,, Das war… das war ungerecht von mir.“ Sie hatte sich von ihm wegedreht und sah über die niedrigen Häuserdächer hinweg in Richtung der Oberstadt.

Die Hände hatte sie Hände allerdings zu Fäusten geballt. ,, Ich meine,  du warst nicht hier, richtig? Du kannst von all dem nichts wissen.“

,, Ich weiß es, ich habe lange selbst so gelebt Jade.“ Er trat zu ihr, wagte sich aber nicht näher. ,, Das vergisst man nicht.“

,, Nicht so wie ich.“ ,erwiderte sie . ,, Ich  habe eben nicht immer so gelebt. Auch wenn es lange her ist. Gut zehn Jahre. Und das schlimmste ist wohl, dass ich es zeitweise selbst vergesse.“ Ihre Stimme zitterte etwas. Sie strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

,, Ich werde, nicht fragen, aber wenn du es mir erzählen willst…“

Sie schwieg so lange, das Jaret schon glaubte, Jade würde nicht mehr antworten.

Dann begann sie langsam wieder zu sprechen. Zuerst Sockend, aber dann schneller, als wollte sie die Geschichte erzählen, müsste es sogar.

,, Ich… wie gesagt, ich lebte nicht immer so. Auch wenn ich mich daran gewöhnt habe. Ich muss damals neun gewesen sein wenn überhaupt…“

Jade hielt kurz inne, bevor sie fortfuhr. ,, Es ist recht ungewöhnlich für einen Tabajaxie, es weiter als zum halbwegs respektierten Stadtbürger zu bringen, aber das weißt du ja. Meine Familie war in diesem Sinne eine Ausnahme.“

,, Das kann ich mir vorstellen.“ , sagte Jaret. Es gab durchaus  reiche Tabajaxie-Händlerfamilien. Nicht viele, aber es gab sie.

Doch meist stießen auch diese auf Ablehnung, sowohl bei der normalen Bevölkerung als insbesondere beim Adel und letztlich sogar, bei ihrer eigenen Art.

,, Du kannst dir sicher vorstellen, wie das war. Alles war soweit gut.  Ein kleines Haus in den oberen Vierteln…genug essen und eigentlich alles was man braucht. Aber eben auch nicht mehr.“

,, Aber dabei ist es nicht geblieben ?“ ,, Nein. Ich weiß bis heute nicht, was genau geschehen ist, aber mein Vater wurde ermordet. In den Armenvierteln. Es ist beinahe Ironie.“

Eine Erinnerung regte sich in Jaret… An einen Tabajaxie, der von einer Gruppe Banditen überfallen und getötet wurde. Das konnte nicht sein, sagte er sich selbst. Und wenn doch ? Es gab keine Zufälle mehr.

,, Was geschah dann ?“

,, Was immer passiert, wenn die Menschen ihre Chance sehen. Plötzlich war alles, was meine Familie aufgebaut hatte nichts mehr wert.“

,, Die Aktion war abgesprochen.“ , meinte Jaret.

,, Ich glaube es zumindest. Noch am selben Abend hat irgendjemand eine ganze Meute aufgewiegelt, die unser Haus gestürmt hat. Es brauch immer nur einen, der losbrüllt, uns die Schuld gibt…“ Ihre Stimme hatte aufgehört zu zittern, aber er konnte jetzt die Wut darin hören. ,, Kann denn keiner von euch für sich selber denken ?“

Jaret dachte erst, sie würde weitersprechen. Aber offenbar erwartete die Tabajaxie eine Antwort von ihm.

,, Menschen sind leider oft sehr dumm.“ , sagte Jaret leise. ,, Was ist danach passiert ?“

,, Was wohl ? Ich bin nur deshalb entkommen.“ Sie hatte den Silberring vom Finger gezogen.

,, Ich dachte mir schon, das man so etwas nicht einfach irgendwo findet.“ , meinte Jaret.

Jade nickte. ,, Ein altes Familienerbstück. Soweit habe ich die Wahrheit gesagt.“ Damit war wenigstens das eine Rätsel gelöst. ,, Ich.. bin als einzige entkommen. Meine Mutter blieb zurück und ich denke nicht, das sonst noch jemand aus meiner Familie überlebt hat.“

,, Und seitdem lebst du hier ? Jemand hat diese Leute gegen euch aufgehetzt. Du müsstest doch versucht haben…“

,, Jaret,  wir sind praktisch  rechtlos. Und selbst wenn nicht  wer weiß, ob wer immer dahinter stand, es nicht einfach  zu Ende gebracht hätte. Vielleicht noch immer versucht.“

,, Deshalb also.“ , sagte er laut. Deshalb die Angst.

,, Deshalb was ?“

Jaret antwortete nicht. Sie hatte Angst, er sei gekommen um zu Ende zu bringen, was vor zehn Jahren begann. Wie konnte man mit so etwas leben? Der Gewissheit dass jederzeit jemand auftauchen könnte um einen zu töten.

,, Jade  ich wusste davon nichts. Aber… es tut mir leid.“

,, Dir kann nicht leidtun, woran du keine Schuld trägst.“ , sagte sie schließlich.,, Du bist ein guter Mensch.“

,, Das weißt du ?“

,, Das glaube ich zumindest.“ Jade schwieg einen Augenblick. Sie sah ihm kurz direkt in die Augen.

 

Was sah sie darin? Jemanden, der bisher doch so gut wie nichts getan hatte. Er war vielleicht ein Seher, das machte ihn jedoch nicht automatisch zu etwas besonderen.  Er hatte bisher nicht das Geringste erreicht. Und doch würde er genau das tun müssen, nicht wahr?

Nicht nur müssen.

Er wollte diese Welt ändern wenn es möglich war.

Seine Gedanken schienen sich in den Augen ihm gegenüber widerzuspiegeln. Grüne Seen , die kaum etwas und doch so viel Menschliches Besaßen.

Lichtreflexe darin, die die verschiedensten Formen anzunehmen schienen. Er wusste nicht ob es Visionen oder nur seine Einbildungskraft war.

Was kann ich sein? Alles.

Was wirst du sein? Jaret kannte die Antwort nicht.

Am Ende musste er sich wegdrehen. Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, aber in Wirklichkeit waren lediglich einige Sekunden vergangen.  

,, Ich habe nur so lange nicht mehr daran gedacht.“ , sagte Jade, langsam legte sie ihren Kopf an seine Schulter.

,, Es ist einfacher, einfach zu vergessen. Aber sich zu erinnern…“

,, Ich verstehe,“ , entgegnete Jaret. Auch wenn er es nicht wirklich glaubte. Er hatte den Unterschied zwischen der Straße und einem Dach über dem Kopf, einem Leben ohne Angst, nie in der umgekehrten Form gekannt. Das machte es leichter. Aber um wie viel grausamer war es, den Unterschied derart  zu kennen?

Er t wusste nicht, wie lange sie dort an den Überresten der Baracke standen. Es konnten wohl höchstens ein paar Minuten gewesen sein, dachte er, auch wenn es ihm länger vorkam. Schließlich trat Jade  einen Schritt zurück. ,,Entschuldigung.“

. ,,Es gibt nichts zu entschuldigen.“

Er erwartete fast, dass sie sich sofort wieder hinter einer Mauer aus Misstrauen verstecken würde. Aber das blieb aus.

Jade nickte lediglich und sah sich um.

,, Ich weiß nicht ob…“  Sie sah einen Augenblick über die Schulter, als fürchtete sie, dass dort jemand war. Aber Abseits der zerfallenden Ruine befanden sich nur weitere Barracken und die unübersichtlichen Gassen  der Unterstadt.

 ,, Du weißt jetzt wer ich bin, Jaret. Sag mir macht das einen Unterschied?“

,, Ich glaube nicht.“ , antwortete er nach kurzem Überlegen.  Im Nachhinein, gibt es womöglich Wahrheiten, die man nicht kennen will. Aber darum ging es ihm nicht.  Jaret überlegte, ob die Idee, die seine eigene Wahrheit enthüllen würde, funktionieren konnte. Er hatte es nie ausprobiert.

,,Ich.. würde vorziehen die Geschichte nicht zu kennen. Ich würde es ungeschehen machen wenn ich könnte. Aber das liegt nicht in meiner Macht.“ Jaret zögerte. ,, Etwas anderes dafür aber schon.“

,, Wovon sprichst du ?“

,, Du traust mir nicht, aber…“ Er seufzte, ,, Wahrheiten sind immer besser als Lügen, so schwer sie auch sein mögen.“

Er streckte die Hand aus, unsicher ob es überhaupt möglich sein würde. Er versuchte eine Erinnerung an jene Nacht in den Gassen heraufzubeschwören. Etwas, das er als Anker benutzen konnte um seine Gabe dadurch zu lenken. Es war schwieriger als er dachte, aber je mehr er sich konzentrierte desto zuversichtlicher wurde er.

,, Was…“

,, Was ich vorhabe ist womöglich etwas…. Erschreckend.“ , sagte er. ,, Aber dir wird nichts passieren. Nimm meine Hand.“ Sie musste es selbst sehen, oder er würde bestenfalls wie ein Verrückter Klingen. Er konnte diesmal spüren, wie sich die Welt um ihn langsam zu verschieben schien. Er hatte die Vision herbeigeführt, nun jedoch versuchte er sie aufzuhalten. Etwas, das sich wie eine glühende Nadel anfühlte schien sich in seine Schläfen zu bohren.

,, Du bist wirklich einer der seltsamsten Menschen, die mir je untergekommen sind.“ Jade schien kurz wieder einen Teil ihres alten Misstrauens wiederzuentdecken. Die Tabajaxie

Zögerte, dann jedoch schien sie sich zu überwinden und gab ihm die Hand.

Im nächsten Moment fiel die Welt auch schon in einem Wirbel aus Bildern zusammen und er konnte Jade erschreckt irgendetwas rufen hören. Es war nicht wichtig. Es funktionierte.

Er kannte den Ablauf schon. Es war seine alte Vision

An einer halb zusammengefallenen Hauswand lehnte  eine einzelne Gestalt im Dunkeln, umringt von mehreren anderen, die jedoch nur Schemenhaft zu erkennen waren. Eine der Schatten hielt eine Klinge in der Hand, die im Mondlicht gefährlich Glitzerte.

Einen kurzen Augenblick schien die Klinge zu verharren wo sie war und die gesamte Vision stillzustehen.

Dann stach der Fremde wiederholt auf die am Boden liegende Gestalt ein, bis sie sich nicht mehr rührte.

Jetzt konnte man auch erkennen, um wen es sich bei der Gestalt handelte…

Etwas riss Jaret mit Gewalt aus der Vision zurück. Etwas, das sämtliche Alarmglocken in seinem Verstand laut zum schrillen brachte.

Der Seher fand sich immer noch auf dem verlassenen Ruinengrundstück wieder.

,, Was zur… Was…“ Jade sah verstört zwischen ihm und dem Weg hin und her, fing sich aber schnell wieder. ,, Jaret was war das?“

Er antwortete nicht.

Etwas hatte ihn zurückgezogen. Er hörte Schritte.

 

 

Kapitel 9 Flucht

 

 

 

 

 

 

,,Es heißt die Schützengarde von Egarium sei in der Lage ein Ziel noch auf Tausend Meter Entfernung zu töten. Ich bin mir fast sicher das dies übertrieben ist, doch Revan vom grauen Orden wurde diesem Anspruch beinahe gerecht.“

Eintrag in Jarets Tagebuch

 

 

,, Was hast du getan ?“ Die Tabajaxie wich ein paar Schritte von ihm zurück, ohne Jaret dabei eine Sekunde aus den Augen zulassen.

,,Ruhig.“ , erwiderte Jaret nur. ,, Ich erkläre es dir später aber wir bekommen besuch. Hör.“ Die Schritte kamen näher. Es waren keine Schritte von jemand der Rannte, aber es waren viele. Eine Gruppe ob nun Bewohner der Armenviertel oder sonst etwas, bedeutete ärger

,,Was..“ Jade hatte die näher kommenden  Schritte jetzt auch bemerkt.

,, Wir müssen weg.“

Sie nickte nur.

Jade berührte  den Silberring an ihrer Hand lediglich, allerdings konnte Jaret nicht genau erkenne, was den Zauber auslöste. Der Effekt war jedoch sofort spürbar.

Er konnte grade noch sehen, wie eine kleine Gruppe von Männern um die Ecke gelaufen kam.

Sie trugen Panzerungen der Stadtwache aber… das konnte nicht sein. Die Wachen gingen nie in die Armenviertel. Es kümmerte schlicht niemanden was hier geschah.

Vielleicht nur eine verirrte Patrouille.

 Allerdings glaubte er einen der Soldaten zu erkennen. Dunik ?

 Dann schien die Welt um sie herum kurz zu verschwimmen.

Jaret konnte nur hoffen,  dass sie nicht bemerkt worden waren, Zwei Personen die sich einfach in Luft auflösten waren etwas, das garantiert jede Wache in der ganzen Stadt alarmiert hätte.

Die Umgebung hatte sich ganz klar verändert. Wo eben noch ein freier Platz gewesen war umgaben sie jetzt Holzwände.

Die Verzauberung hatte sie irgendwo in eine der umstehenden Baracken geführt, dachte Jaret. Auch Jade sah sich kurz um. Vermutlich war der Zauber eher zufällig und teleportierte einen lediglich in einem bestimmten Radius an einen zufälligen Ort.

Das war nicht ganz ungefährlich. Was passierte wenn man genau zwischen einer Hauswand landete?

Er wollte lieber nicht darüber nachdenken und hoffte, dass die Magie  so angelegt war,

das so etwas nicht passieren konnte.

,, Das war mal was andere…“ Ein Finger legte sich auf seine Lippen.

,, Ein Wort und man hört uns.“ , flüsterte Jade. ,, Ich weiß nicht wie weit wir gekommen sind, aber es kann nicht besonders viel sein.“

Die Hütte war schon länger verlassen wie es aussah. Auf einen Regal, das gleichzeitig die einzige Einrichtung bildete, lag eine dicke Staubschicht. Der Boden bestand aus festgestampfter Erde, aus der hier und da Gras sprießte.

Die Tür der Baracke hing nur halb in den Angeln und würde wohl bei der kleinsten Berührung zusammenfallen.

,, Dann bring uns nochmal weg.“ , erklärte Jaret leise.

Die Wolken vom Morgen hatten sich verzogen haben und Sonnenstrahlens suchten sich ihren Weg zwischen den Bretterwänden der Hütte hindurch.

,, Geht nicht. Es dauert schon normalerweise Stunden bis sich der Zauber wiederherstellt. Mit zwei Leuten…“

Damit hatte Jaret fast gerechnet. Auch dauerhafte Zauber mussten sich erst wieder aufladen, wenn sie einmal verbraucht waren. Und wenn der Teleportzauber eigentlich  nur für eine Person ausgelegt war würde es nun umso länger dauern. Ein Wunder, das der Silberring überhaupt so viel Magie speichern konnte.

Draußen hörte er jetzt wieder Schritte und durch das Licht, das durch die Lücken der Bretterhütte fiel huschten nun die Schatten der draußen vorbeigehenden Gestalten.

Man hatte Sie nicht entdeckt. Trotzdem näherten die Wachen sich der Tür der leerstehenden Hütte.

Jaret konnte jetzt sogar einzelne Gesprächsfetzen verstehen.

,, Wie viele diesmal ?“

 ,,Wie immer. So viele wie möglich.“

,, Frage mich was......“ , den letzten Teil konnte er nicht verstehen. Aber was er gehört hatte reichte um ihn zu beruhigen. Viele ? Viele von was ?

Jaret fürchtete, die Antwort zu kennen, auch wenn er es noch nicht zugeben wollte.

,, Wie gut das hier niemand vermisst wird.“

,, Und selbst wenn wir haben Befehle.“ , die Stimme des letzten Sprechers kam Jaret bekannt vor, aber... das konnte nicht sein, oder ? Vermutlich täuschte er sich. Als der erste der Männer die Tür erreichte, konnte er sich schließlich doch sicher sein. Er hatte sich nicht geirrt. Die Soldaten gehörten wirklich  zur Stadtwache und der Mann der gesprochen hatte war ohne Zweifel Dunik.

Besser, dachte Jaret, wenn er den Wachen zuvorkam. Sie kannten ihn. Was hier auch vorging, es war nichts Gutes. Sein einziger Vorteil, ihr einziger Vorteil, war, dass die Soldaten noch nichts von ihnen wussten.

Und wenn Dunik dabei war sollte ihnen eigentlich  nichts passieren.

Der Mann hatte mit Jaret Anfangs vielleicht auf Kriegsfuß gestanden, aber er würde es nicht wagen, Rubens Schützling etwas zu tun.

Dafür fürchtete er den Zauberer nach wie vor zu sehr.

Jaret ging Richtung Tür. Bist du verrückt geworden ?“ Jade versuchte ihn zurückzuhalten. ,,Vertrau mir.“

,, Dir vertrauen ?“ Natürlich war sie erneut misstrauisch. Und dabei hatte er gedacht grade zumindest das Eis gebrochen zu haben. Aber es wunderte ihn nicht.

,, Hast du eine Wahl ?“ , wollte er stattdessen wissen.

,,Nein“ 

,, Ich verspreche, ich erkläre alles.“ Jaret hörte hinter sich ein geflüstertes ,, Verdammt“, als er gefolgt von Jade das Haus verließ.

Die Stadtwache bemerkte die zwei sofort.

Die mit dem Sonne und Kronen-wappen versehenen Panzerungen waren das letzte Indiz, das er brauchte.

Es waren zehn oder mehr, von denen sie bisher aber nur drei bemerkt haben. Dunik unterhielt sich grade mit den übrigen sieben und erteilte vermutlich Anweisungen.

,, Herr, hier sind noch…“ , begann einer der Männer. Bevor er den Satz beenden konnte drehte sich der Hauptmann bereits zu ihnen um.

Er schien einen Moment zu brauchen um Jaret  wiederzuerkennen.

,, Was macht ihr denn hier?“ , fragte er angespannt. Im Gegensatz zu den übrigen Wachen trug er einen Federhelm, der seinen Rang wiederspiegelte. Die Augen, unter den Brauen und Nasenschutz kaum zu erkennen, verengten sich einen Moment zu schlitzen.

,, Ich könnte das selbe Fragen.“ , stellte Jaret fest. ,,Aber wenn ihrs Wissen wollt, einen Spaziergang.“ Er grinste weil er wusste, dass der Mann ihm kaum wiedersprechen würde. Dann müsste er zugeben, Jaret nichts anzukönnen, selbst wenn er ihn als Lügner darstellte.

 So oder so, er hoffte Dunik ruhig zu stellen und einfach mit Jade verschwinden zu können.

Der Hauptmann erwiderte einen Augenblick nichts

Sein Blick fiel auf die Tabajaxie.

Sie strich sich Nervös eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Dann aber musterte Jade ruhig die Gruppe Stadtwachen.

Jaret war erleichtert. Einen Moment hatte er befürchtet, Jade  würde einfach wegrennen.

Dann wäre sie möglicherweise wirklich in Schwierigkeiten.

Die Wachen waren nicht unbedingt freundlich zu den Tabajaxie, aber so lange es keinen falschen oder noch so geringfügigen Grund gab, würde es keine Probleme geben.

Zumindest hoffte Jaret das.

Bis auf Dunik natürlich.

,, Und wie ich sehe in solcher  Gesellschafft“ , sagte er boshaft,  ,,Doch nicht etwa Eure kleine…“

Jade ließ ihn nicht ausreden, sondern versetzte dem Wachhauptmann eine schallende Ohrfeige, bevor Jaret sie davon abhalten konnte.

,, Narr.“

Einige der umstehenden Soldaten lachten, als der Hauptmann zurückstolperte und sich die Wange hielt

Einen Augenblick blitzte Mordlust in den Augen des Hauptmanns, aber eine der Stadtwachen hielt ihn mit einer Hand  zurück.

,, Oho, und frech ist… es… auch noch.“ , sagte er mit gedämpfter Wut.

Das war genau die Situation, die Jaret  vermeiden wollte.

,,Dunik, verschwindet.“ , verlangte er. ,, Ihr habt keinen Grund hier zu sein.“ Noch konnte alles gut werden.

 Wenn der Wachhauptmann nur vernünftig war. Aber dafür war es jetzt wohl zu spät.

 Fast wünschte er, Jade hätte Dunik einfach reden lassen. Oder ihn zumindest nicht verletzt.

Der Tabajaxie war das wohl auch klar. Sie wich ein paar Schritt in Jarets Richtung zurück, schien aber nach wie vor nicht zu wissen, vor wem sie mehr Angst haben sollte.

Den Stadtwachen, oder dem Mann, der ihrem Hauptmann versucht Befehle zu erteilen.

,, Im Namen des Königs“ , sagte Dunik, ,, Sind alle Bewohner der Unterstadt zu erfassen Jaret. Deine kleine Freundin da ebenfalls. “

Ihm war sofort klar, dass etwas damit nicht stimmte. Wieso sollte es den König plötzlich interessieren, wer hier lebte und wie viele… Es machte keinen Sinn. Und es passte zu gut… Eine größere Gruppe Bewaffneter hatte in den Armenbezirken praktisch freie Hand. Man lernte hier wegzusehen, sobald Waffen im Spiel waren.

,, Wer hat diese Anweisungen erteilt ?“ , wollte er lediglich wissen.

,, Hochmagier Ruben Darelto.“

Jaret konnte einen Augenblick nichts erwidern. Das war doch unmöglich… Das war…

Er riss sich zusammen. Dunik log, so einfach war das.

,, Ein  letztes Mal, sie geht nicht mit, ich auch nicht und ihr wollt das Ruben nicht erklären müssen. Egal was ihr sagt.“ Einige zögerten. ,, Zurück, sofort.“ , fügte Jaret mit einer Autorität hinzu, von der er bis zu diesem Moment nicht wusste, dass er sie besaß.

Die Sekunden vergingen, doch diesmal erwiderte Dunik nichts. Stattdessen drehte er sich zu den Stadtwachen um und winkte ihnen lediglich ihm zu folgen. Die Angst vor dem Zauberer siegte schließlich,, Also schön… Wir gehen. Fürs erste…“

 

Jaret sah ihnen mit einer Mischung aus Erleichterung und Verwirrung nach. Er stützte sich an der Bretterfassade einer Baracke ab.  Ruben ? Das konnte nicht sein. Genau so wenig, wie das diese Anweisungen vom König stammten. Aber warum sollte Dunik lügen? Er wusste, dass eine Nachfrage Jarets genügte um alles zu entlarven.

Jades Stimme riss ihn aus seinen Gedanken.

,, Warum bei allen gefallenen Göttern hören die auf dich ?“ , fragte sie.

Jaret zögerte. Konnte er ihr wirklich vertrauen?

Er wusste die Antwort nicht, er wusste nur, es fühlte sich auf eine Weise Richtig an, die ihn ein wenig an seine Visionen erinnerte, allerdings auf eine Angenehmere Art. Und das verwirrte ihn.

, ,Ich bin ein wenig mehr als nur  Rubens Gehilfe.“ , begann Jaret.

Am Ende erzählte er alles, von seinem ersten Zusammentreffen mit dem Zauberer, über dessen Behauptungen er sei ein Seher. Die Jahre die er im Palast verbracht hatte fasste er so kurz wie möglich zusammen. Jaret zögerte einen Moment das Buch und ihre Reise nach Erane zu erwähnen. Sie muss ihn auch so schon für verrückt halten.

,, Wir fanden ein altes Zaubererbuch in Erane.“ , erklärte er schließlich nur. ,, Danach blieb es Monate lang ruhig und jetzt „  , Er zuckte mit den Schultern ,,Jetzt bin ich hier. Du musst mich für verrückt halten.“

,, Auch nicht verrückter als die üblichen Geschichten , die einem jeder Reisende auftischen kann.“ Sie wirkte nicht mehr länger misstrauische, sondern besorgt. ,, Aber die Wachen ? Ihr Anführer, dieser Dunik…“

,, Er muss gelogen haben, als er von Ruben gesprochen hat, wahrscheinlich…“ Jaret stockte. Selbst wenn Dunik log , irgendjemand hatte den Befehl gegeben, jemand der über dem Wachhauptmann stand, jemand im Palast.

,, Wahrscheinlich  was ?“ , fragte Jade.

,, Nichts.“ es passte zu gut mit all den verschwundenen Leuten zusammen.

Es war eine Sache, die Armen einfach nicht zu beachten und vor sich hin leben zu lassen. Etwas anderes war das hier.

Nein an simple Überprüfungen oder gar an einen Zufall glaubte er keine Sekunde lang. Es gab keine Zufälle mehr… oder zu viele davon.

,, Ich werde Ruben stellen und ihn fragen.“ , entschied Jaret. Könnte er die Wahrheit durch eine seiner Visionen herausfinden? , überlegte er kurz. Vielleicht, aber nach wie vor: Er würde dem Zauberer nicht so nachspionieren. Nicht wenn sich alles noch klären konnte.

,, Du bist verrückt.“ , stellte Jade kalt fest.

,, Ich bin sicher, das ist nur ein Missverständnis.“ Es musste eines sein.

,, Und ich bleibe solange hier und… was ?“

Jaret brauchte nicht lange überlegen. ,, Warte bei Luther auf mich, ich komme zurück.“

,, Was wenn du dich irrst und…“

,, Das tue ich nicht.“

 

 

Jaret sah nicht einmal auf, als er  durch die Tore des Palastbezirks trat. Er rannte nicht, ging aber schnell genug, dass die meisten Leute auf den Straßen ihm vorsorglich auswichen.

Selbst die Wachen am Zugang des Palastbezirks traten beiseite. Die meisten kannten ihn mittlerweile auch wenn er immer noch ab und an angehalten wurde. Heute wagte das keiner.

Es war unmöglich, konnte schlicht nicht wahr sein. Und doch je länger Jaret nachdachte,

desto besser passten die Puzzleteile ineinander,

Ruben hielt sich, wie ihm eine der Palastwache ihm mitteilte, in seiner Schreibstube auf.

Dabei handelte es sich um die Privatbibliothek des Zauberers wo er seltene Schriften und Dokumente aufbewahrte. Unter anderem hatte  er das Buch der Seher, das er ihm an jenem ersten Tag gezeigt hatte, dort verwahrt bis er es schließlich Jaret anvertraut hatte.

 

 

 

 

Als Jaret den weitläufigen Raum, dessen Wände vom Boden bis zur Decke mit Bücherregalen bedeckt waren, betrat musste er sich zwingen die Tür langsam zu öffnen und respektvoll einzutreten. Es konnte sich noch alles klären…

Er wiederholte den Satz in seinem Kopf wie ein Mantra, auch wenn er nicht länger daran glaubte. Es musste sich alles klären.

Ruben saß  an einem in der Mitte des Raumes stehenden Tisch.

Er hatte ihn in der letzten Zeit nur wenig gesehen. Seine Augen wiesen tiefe Ringe auf und seine  Haare waren mittlerweile vollständig ergraut. Alles in allem, dachte Jaret, hat er wohl mal wieder ein paar Tage nicht geschlafen. Und er wirkte deutlich abgemagert auf ihn. Beinahe hatte er Ähnlichkeit mit dem Wächter des Buches den sie in Erane getötet hatten.

Jaret schüttelte sich bei dem Gedanken.

Ruben trug seinen gewohnten roten Mantel mit vergoldeten Knöpfen und Schließen, aber an ihm wirkte das in seinem jetzigen Zustand, als hätte man einem Bettler eine Krone aufgesetzt. Bestenfalls Makaber.

Als er jedoch  Jaret bemerkte richtete er sich sofort auf und legte den Band zur Seite den er grade gelesen hatte.

Mit der gewohnt freundlichen, aber gleichzeitig kalten Stimme fragte er : ,, Jaret, was ist denn los? Ich habe gehört du hattest ein kleines Zusammentreffen mit den Wachen?“

,, Dunik war bereits hier ? Was genau hat er euch erzählt?“

,, Das du und noch jemand, den er nicht kannte, sich wie formulierte er es ? , Wiedersetzt habt, als er euch aufforderte mitzukommen.“

,, Das ist Grob zusammengefast aber richtig.“ Jaret dachte über seine nächsten Worte nach. Er entschloss sich die Frage einfach ganz offen zu stellen. Es hatte keinen Sinn es hinauszuzögern. Entweder alles löste sich gleich auf oder…

Jaret weigerte sich über das oder nachzudenken. Noch nicht.  ,, Wieso werden Leute aus der Unterstadt weggebracht?“ Die Worte waren schärfer formuliert, als er es beabsichtigt hatte.

,, Wer erzählt denn so was ?“ Klang Ruben grade etwa unsicher? ,, Soweit ich weiß versucht man grade, sämtliche Bewohner der Unterstadt zu erfassen. Sie werden nirgendwo hingebracht.“

Lüge. Mehr konnte Jaret nicht denken. Der Zauberer log und das wusste er instinktiv. Aber warum. Es musste einen guten Grund geben, es musste einfach. ,, Nachdem was ich gehört habe, tauchen viele nicht wieder auf.“

,, Ich werde mich sobald wie möglich darum kümmern.“ Lüge, musste Jaret wieder denken. Nein, das konnte einfach nicht sein. Er würde nichts hiervon Glauben bis er einen echten Beweis hatte. Aber was brauchte er noch? Schalt Jaret sich selbst, während Ruben weiter sprach: ,,Aber es ist gut, dass du als erstes zu mir gekommen bist. Jetzt geh und am besten schweigst du darüber. “

Jaret musste sich wegdrehen um die Tränen der Wut, die plötzlich in seinen Augen aufstiegen zu verstecken. Konnte Ruben seine Schuld besser unter Beweis stellen, als durch diese Ausflüchte. Der Zauberer würde keine Nachforschungen betreiben, das brauchte er auch gar nicht. Ruben steckte mit drin, was immer hier geschah.

Er wollte Jaret lediglich zum Schweigen darüber  bringen.

,, Schön . Dann wäre das ja hoffentlich… geklärt. Danke.“  Sagte Jaret, als er sich dem Magier wieder zuwenden konnte. Seine Stimme klang überraschend klar für das was in seinem Kopf vorging. Es überraschte ihn selbst.

Ihm fiel etwas an Rubens Ärmel auf. Ein Fleck dunkleren Rots auf dem Stoff..

Das war doch nicht etwa Blut.....

 

 

Ein Sturm aus Bildern riss ihn mit sich, ohne das er sich dagegen wehren konnte.

Jaret fand sich auf dem Boden kniend wieder. Die Hände, die er durch Fremde Augen sah waren gefesselt.

Um ihn herum lagen, undeutliche zu erkennen, weitere Gestalten in der Finsternis. Regungslos.

Er Blickte nach oben.

Über ihm stand jemand. Eine Gestalt in roter Kapuzenrobe, deren Gesicht jedoch im Schatten verborgen blieb. Er musste sie auch nicht sehen.

Jaret wusste, wen er vor sich hatte. Und doch konnte ein Teil von ihm es nicht akzeptieren. Der andere hingegen raste, versuchte die Wahrheit, die er akzeptiert hatte irgendwie zu leugnen.

Jetzt nahm er zum ersten Mal seine Umgebung wahr. Er befand sich in einer Art Gewölbe, möglicherweise einer Höhle.

In einigen Nischen in den Wänden brannten Kerzen deren Wachs bereits Tropfsteinähnliche Gebilde auf dem Höhlenboden formte.

Auf einem Tisch hinter der Gestalt die jetzt vor ihm stand lag etwas.

Ein Messer, dessen Klinge stumpf im schwachen Kerzenschein schimmerte.  Und  einige Glasphiolen von denen ein paar von innen her mit einem bläulichen Licht zu glühen schienen.

Und schließlich war da das Buch. Jaret erkannte es wieder. Wie hätte er diesen Anblick auch je vergessen können? Die roten Augen auf dem Umschlag sahen sich suchend nach allen Seiten um. Bis sie auf ihm zum Ruhen kamen. Es wusste, dass er hier war…

Ruben hingegen nicht. Das war nach wie vor nur eine Vision versuchte Jaret sich zu beruhigen. Wenn auch eine ungewöhnliche…

Der plötzliche Schmerz zwischen seinen Rippen hingegen überzeugte ihn vom Gegenteil.

Ruben hatte das Messer vom Tisch genommen und es dem Fremden, durch den Jaret sah, zwischen die Rippen gerammt.

Dabei war ihm die Kapuze aus dem Gesicht gerutscht und wenn Jaret nicht in Gedanken vor Schmerz aufgeschrien hätte, dann doch wegen der Unmöglichkeit, jetzt noch die Wahrheit zu leugnen.

Rubens Gesicht war ausgezerrt, die Augen starrten leer ins Nichts. Oder darüber hinaus.

Als der Körper durch dessen Augen Jaret sah tot nach vorne Kippte, blieb er selbst zurück.

Endlich schien sein geist nicht länger an den Toten gebunden und die Schmerzen verblassten.

Ruben hatte sich inzwischen umgedreht um das Buch aufzuheben.

Der Zauberer begann etwas daraus zu rezitieren. Worte die für Jarets Ohren keinen Sinn ergaben, ihm aber die Haare zu Berge stehen ließen.

Er sah nach vorne auf den gefallenen Körper.

Als Ruben das Buch wieder schloss und bei Seite legte begann der Leichnam in einem bläulichen Licht zu glühen.

Das Leuchten verstärkte sich noch und wanderte dann aus dem Körper heraus bis es etwa eine Handbreit darüber schwebte. Ruben holte eine kleine Glasphiole von dem Tisch und hielt sie vor sich. Er murmelte wieder einige Worte, dann wanderte das Licht  in die Phiole.

Ruben stellte sie beinahe achtlos zu den anderen zurück auf den Tisch.

,, Bringt den nächsten“ , sagte erzu jemanden der hinter Jaret stand.

Als dieser  sich umdrehte sah er grade noch wie jemand um eine Ecke in der Höhle verschwand. Wenige Augenblicke später kam er zurück und schleppte einen älteren Mann an einer Kette hinter sich her. Der Mann versuchte sich vergeblich zu wehren, aber er war offensichtlich schlecht ernährt und viel zu schwach.

Als der Mann sich in der Höhle umsah und die Leichen bemerkte, weiteten sich seine Augen. Er wusste, dass er verloren war. Mit einem verzweifelten Aufschrei warf er sich herum und riss sich doch noch  los.

Er kam nicht einmal ein dutzend Schritte weit.

Vorher traf ihn ein Feuerbolzen aus Rubens Handfläche und tötete ihn augenblicklich.

,, Ein weiterer. Und diesmal halt ihn besser fest.“ Wies Ruben den Wachmann an. und dann murmelte er noch etwas, dass Jaret das Blut in den Adern gefrieren ließ. ,, Ich brauche mehr.“

Ein Sturm von Bildern riss Jaret mit sich fort.

Sekunden später fand er sich wieder in Rubens Bibliothek. Einen Augenblick fühlte er Erleichterung. Erleichterung, dass der Alptraum vorbei war.

Bis er über die Schulter sah und in die ausgezehrten Züge von Ruben Darelto starrte. Das war kein Alptraum gewesen…

Die Realität befand sich direkt vor ihm.

Seine Gedanken wirbelten durcheinander.

,, Alles in Ordnung ?“ , fragte Ruben hinter ihm. ,, Du blutest.“ Der Blutfleck auf seinem Ärmel war für Jaret deutlicher als je zuvor.

Jaret sah an sich hinab und stellte fest das die Weste  einen sich ausbreitenden roten Fleck besaß. Genau dort wo ihn in der Vision das Messer getroffen hatte....

,, Ich…“ Mehr brachte er nicht heraus, bevor er aus dem Raum rannte.

 

Jaret war zu Verwirrt um sich zu verstellen. Er musste  einfach nur so schnell wie möglich weg von Ruben. Bevor dieser irgendetwas merkte…

Wieder auf dem Flur lief er einfach weiter, ohne darauf zu achten wohin. Nur weiter in Bewegung bleiben.

Irgendwann jedoch zwang Jaret sich dann doch stehenzubleiben. Sein Herzschlag hatte sich kaum beruhigt.

Aber er konnte die Wahrheit nicht leugnen. Ruben hatte es nicht lassen können und angefangen das Buch zu benutzen. Warum ?

Jaret war sich unsicher, ob er die Antwort wissen wollte. Er wusste nur, dass Ruben hinter den verschwundenen Leuten steckte.

Und wer noch ? Die Stadtwache oder zumindest Dunik.

Und der König ? Nein, dachte Jaret. Vielleicht nicht. Vielleicht war es auch nur ein Gefühl. Eines, das tödlich für ihn wäre, erwies es sich als falsch. Aber wenn der König von Rubens Aktionen wüsste, dann wäre dieses Versteckspiel über eine angebliche Einwohnerzählung nicht notwendig. Wie Jade gesagt hatte. Was in den Armenvierteln Seminiums geschah kümmerte keinen. Selbst wenn heraus käme, was mit den verschwundenen Bewohnern geschah, Jaret bezweifelte, dass es einen großen Unterschied machen würde.

Und wenn er sich irrte, wenn der König auf Rubens Seite stand…

Dann wäre so oder so alles verloren. Aber er konnte nicht zusehen.

Jaret  sah hinab auf seine zitternden Hände, die sich langsam zu Fäusten ballten. Das konnte er einfach nicht.

Er hatte seinen Entschluss gefasst.

Ruben hatte ihn von der Straße geholt, aber was er hier tat, war, bei aller Dankbarkeit  die Jaret für ihn empfand nicht entschuldbar. Was immer ihn zu seinen Taten trieb, er würde Avarem dafür Rede und Antwort stehen müssen.

 

Jaret war dem König seit seiner Ankunft im Palast nur noch ein paar Mal begegnet, meist eher zufällig.

Im Thronsaal selbst hatte sich seit Jarets letztem Besuch nichts geändert.

Das in schwarzem Marmor eingelassenen  Sonnenemblem war dasselbe wie vor Sechs Jahren. Auch die restliche Einrichtung hatte sich kaum verändert.

Auf dem Thron saß fast in der gleichen Haltung wie letztes Mal, König Avarem von Dynastes. Allerdings war er seit damals sichtlich gealtert. Die Belastungen durch den grade noch abgewendeten Krieg und die Verpflichtungen seines Amtes  hatten ihn vorzeitig ergrauen lassen. In seinem Gesicht waren bereits deutliche Falten zu erkennen.

Das Ornat das er trug wirkte unpassend und das Zeremonienschwert an seiner Seite viel zu schwer.

Jaret trat respektvoll bis auf ein paar Schritte an ihn heran und sank auf ein Knie.

,, Was gibt es denn ?“ , fragte er grade heraus als er Jaret erkannte.

Jetzt musste sich entscheiden, ob er mit seinem Gefühl richtig gelegen hatte.

Jaret erhob sich.

,, Ruben lässt durch die Stadtwache Leute aus der Unterstadt hohlen. Wisst ihr davon?“

Verwirrung trat auf das Gesicht des Königs. Er wusste es nicht.

,, Herr ?“ , fragte Jaret.

,, Er benutzt das Buch  ?“ Der König hatte die fehlenden Teile selber zusammensetzen können und sprang auf. ,, Ich habe ihm Anweisung gegeben es sicher zu verwahren.“

,, Ich habe es gesehen. In einer Vision.“ , erklärte er.

,, Und ich soll das jetzt einfach so hinnehmen ?“ Avarem schien nicht bereit ihm einfach zu glauben. Verständlich. Jaret  bezichtigte Ruben grade des Verrats.

Und mehr, des Mords. ,, Ohne einen Beweis?“ ,, Nein...“ , Jaret überlegte, ,, Gibt es in hier Katakomben oder vielleicht eine Höhle irgendwo in der näheren Umgebung ? In meiner Vision hielt sich Ruben in einer Höhle auf. Wenn es diesen Ort tatsächlich gibt…“

Der König ließ ihn nicht ausreden. ,, Es gibt tatsächlich eine Reihe von Tunneln unter dem Palast. Aber ich werde nicht auf einen solchen Verdacht hin meinen Hofmagier anklagen. Er soll sich selbst zu den Vorwürfen…“

Diesmal war es Jaret, der Avarem nicht ausreden ließ.

,, Wenn ich die Wahrheit sage, habt ihr die Kontrolle über eure eigenen Soldaten verloren.“

Seine Stimme hallte in dem Saal wieder.

Der Herrscher sackte schwer auf seinen Thron zurück. Er musste Jaret Recht geben. Wenn die gesamte Wache Rubens Befehlen gehorchte, ohne das er davon erfahren hatte… dann konnte er sich nicht mehr auf sie verlassen. ,, Es ist Dunik.“

,, Herr ?“

,, Ein machtgieriger Bastard. Wenn du die Wahrheit sagst, und ich sage wenn, dann hat mein eigener Wachhauptmann mich zusammen mit meinem Zauberer hintergangen. “

Er seufzte, als wäre er nach wie vor nicht ganz überzeugt. Aber das musste er auch gar nicht sein, dachte Jaret. Er musste nur bereit sein zu Handeln. Langsam wurde er ungeduldig.

,, Rubens Labor bildet den Zugang zu einem der Tunnel von denen ich gesprochen habe.

Wenn es stimmt, was du erzählst, finden wir deine… Beweise… dort. Aber eine letzte Warnung, wenn du lügst und mich interessiert nicht wieso dann…“

,, Können wir jetzt einfach gehen ?“ Avarem sah ihn einen Augenblick mit aufgerissenen Augen an. Dann lachte er laut los. ,, Mut hast du ja, das muss ich dir lassen.“

Mit diesen Worten stand der König auf und lief, Jaret hinter sich her, durch die Gänge zu der Treppe die hinunter in die Gewölbe des Palastes führte.

Die Steinstufen hastete Avarem in einem solchen Tempo hinab, dass Jaret kaum folgen konnte.

Er hastete dem König nach,  durch die Tür in Rubens Labor. Hier hatte sich in den Jahren ebenfalls wenig verändert, von der dicke der Staubschichten einmal abgesehen.

An der hinteren Wand des Raums hingegen entdeckte Jaret eine niedrige Tür aus mit Moos bewachsenem Holz, die ihm zuvor nie aufgefallen war.

Entweder hatte Ruben sie durch einen Zauber verborgen oder Jaret hatte einfach nie darauf geachtet.

,, Mach sie auf.“ , wies der König ihn ungeduldig  an.

Jaret zögerte nicht und zog die Tür an einem eisernen Ring der in die hölzerne Oberfläche eingelassen war auf.

Dahinter führte ein Gang, der leicht geneigt verlief, weiter in die Tiefe.

An den Wänden waren brennende Fackeln angebracht.

Jemand war hier…

Avarem nickte Jaret zu hinter ihm zu bleiben. Offenbar, überlegte dieser, verlor der König grade seine letzten Zweifel, dass hier  etwas nicht stimmte.

 Nachdem sie dem Gang eine Weile lang gefolgt waren, kamen sie an einigen großen vergitterten Zellen vorbei, die aus dem Gestein geschlagen worden waren.

Allerdings waren sie alle leer.

Dann machte der Gang eine scharfe Kurve und weitete sich ohne Vorwarnung zu einer großen Höhle.

Jaret erkannte sie sofort wieder.

 In der Mitte stand der Tisch mit den Glasphiolen.

Das Buch war jedoch nirgendwo zu sehen. Er konnte nicht sagen, dass er sich deshalb nicht besser fühlte. Ein wenig. Aber nach wie vor nagten seine eigenen Gedanken an ihm.

Es durfte einfach nicht sein…

In einer der Ecken der Höhle waren Körper aufeinandergestapelt. Die Toten waren nur Notdürftig mit einer Stoffdecke zugedeckt. Die Blutflecke die sich darauf gebildet hatten waren nicht zu übersehen und unter der Decke sickerte bereits eine Blutpfütze hindurch.

,, Das ist.... unmöglich.“ Der König war nun  sichtlich entsetzt. 

,, Ich will es auch  nicht glauben.“ , erwiderte Jaret.

Hinter sich nahm er eine Bewegung wahr. Auch Avarem hatte etwas bemerkt, so dass sie sich beide gleichzeitig umdrehten.

Hinter ihnen im Gang standen Ruben Darelto, eine magische Lichtkugel in der einen und das Buch des Blutes in der anderen und ein Wachmann, der einen weiteren Mann in Handschellen hinter sich her schleifte.

,, Das ist... allerdings unerwartet.“ , sagte der Zauberer tödlich langsam. ,, Jaret, du solltest langsam lernen dich nicht in alles einzumischen. Und ihr  Avarem, seit  grade nutzlos für mich geworden.“

Mit diesen Worten riss er eine Hand hoch. Ein blendend greller Blitz jagte auf den König zu, der jedoch , schneller als Jaret es ihm zugetraut hätte, Beiseite sprang.

Der Zauber erschütterte das steinerne Gewölbe, als er in die Höhlenwand einschlug.

Avarem rappelte sich auf,  während er gleichzeitig das Schwert aus der Hülle riss und damit nach Ruben ausholte.

Dieser seinerseits hatte erneut die Hände gehoben, in denen sich magische Energie sammelte. Kurz bevor die Klinge Ruben erreichte löste dieser den Zauber aus.

Der König wurde von dem magischen Energiestrom getroffen wurde und sank zu Boden. Das Schwert fiel ihm aus der Hand und landete scheppernd bei seinem Besitzer auf dem Stein.

Jaret nutzte den kurzen Moment um an dem Wachmann, der mit dem Gefangenen beschäftigt war vorbeizurennen.

Ruben nahm der Wache  den alten Mann ab.

,, Schnapp dir den Jungen, er sollte wenn möglich am Leben bleiben. Wenn nicht... wäre das zwar bedauerlich, aber verzeihbar. Er hat seine Schuldigkeit getan.“

 

 

 

Jaret rannte durch die Flure des Palastes. Er konnte hier nicht mehr bleiben, konnte nicht in der Stadt bleiben. Doch vorher musste er irgendwie den Wachmann loswerden, der ihm dicht auf dem Fuß folgte.

 Er lief die Treppe hinauf die in sein Zimmer führte, tauchte aber auf halbem Weg in eine Nische auf einem der Treppenabsätze. Mit etwas Glück und der schlechten Beleuchtung des Turms, könnte er sich dort verstecken und die Wache würde einfach an ihm vorbeilaufen....

 

Wenige Augenblicke nachdem Jaret sich versteckt hatte, kam auch schon der Königliche Soldat die Treppe hinauf gerannt.

Aber er lief nicht wie Jaret gehofft hatte einfach vorbei. Stattdessen blieb er außer Atem stehen und sah sich um.

Trotzdem kamen Jaret die schlechten Sichtverhältnisse zu Gute.

Die Wache entdeckte ihn nicht sofort und Jaret versetzte ihr einen Stoß der den Mann die Treppe hinabschickte. Die  Panzerung des Wachsoldaten  tat ihr übriges

Er schrie einmal auf dann schlug sein Kopf auf eine Stufe.

Der Mann blieb regungslos liegen.

 Jaret sprang weiter die Stufen hinauf. Es war gefährlich noch zu bleiben, aber er brauchte noch etwas.

 

Sein Zimmer war einfach eingerichtet.

Ein Schrank ,ein Bett , ein kleines Bücherregal und ein Schreibtisch. Alles was Jaret interessierte, war das Regal, aus dem er die Bücher herausfegte um an das zu kommen, was dahinter verborgen war. Ein weiteres Schriftstück, mit vergilbtem Einband.

Das Buch der Seher.

Rasch packte er es in seinen alten Rucksack, der neben dem Bett stand.

Dann schnappte er sich seinen alten Wanderstab und das Messer das er von Ruben bekommen hatte und legte es an. Besser als gar keine Waffe war es allemal.

Schnell und mit zunehmender Unruhe sammelte er noch ein paar kleine Habseligkeiten und alles Geld das er finden konnte  ein und stürmte aus dem Zimmer.

Insgesamt hatte er nicht einmal eine Minute in dem Raum verbracht.

 

Als Jaret  die Treppe hinablief rannte traf er auf den gestürzten Soldaten.

Grade als er einen Schritt über den Körper machen wollte regte sich dieser.

Der Wachmann war vermutlich trotzdem so gut wie Tod. Blut floss aus einer gewaltigen Platzwunde am Hinterkopf und seine Augen waren verdreht.

Jaret wollte schon zum Messer greifen um dem Mann ein schmerzarmes Ende zu bereiten, dann jedoch zögerte er.

Er hielt dem Soldaten  die Klinge an den ungeschützten Hals.

,, Wieso tut ihr das? Wieso folgt ihr Ruben? Wieso habt ihr den König verraten?“

Der Wachmann schien einen Moment nicht zu begreifen was Jaret meinte. Er war vermutlich immer noch von dem Sturz benebelt.

,, Wir folgten ihm bereitwillig.“

,, Warum ?“ Jaret wusste das ihm die Zeit in rasendem Tempo davonlief, aber er brauchte diese letzte Antwort.

Der Kopf des Mannes kippte lediglich zur Seite und er rührte sich nicht mehr.

Er würde seine Antwort nicht bekommen…

Jaret  wusste nur noch eins. Er musste raus aus der Stadt. Und das schnell. Es gab einig Nebenausgänge aus dem Palast und wenn er sich beeilte würde er aus einem davon verschwinden können, bevor Ruben alles abriegeln ließ.

 

Jaret hastete durch die menschenleeren Palastgänge. War ihm der Ort einmal zumindest ein wenig wie sein Zuhause erschienen, jetzt wirkten die Hallen auf ihn tot, bedrohlich. Durch einige hohe Glasfenster erhaschte er einen Blick auf das im Dunkeln liegende Seminium. Um diese Zeit waren nur noch die Wachen in den Sälen und Gängen unterwegs.

Und wenn er einer davon begegnete wäre vermutlich alles aus.

Er hatte sein Ziel gut wie erreicht. Der Nebenausgang  endete in einem Viertel außerhalb des Palastbezirks. Gleich hätte er es geschafft....

Schritte brachten ihn dazu langsamer zu werden und sich hinter einer Säule zu verstecken.

Er duckte sich so gut er konnte in die Schatten und wartete ab. Er müsste nur abwarten, bis die Patrouille vorbei wäre.

Aber es waren keine einfachen Wachsoldaten, die aus dem halbdunkel  auftauchten.

,, Wir müssen uns auch um diese Tabajaxie kümmern.“ , sagte Duniks Stimme, bevor der Hauptmann selbst in Sicht kam.

,, Wozu ?“

Jaret hielt den Atem an, als Ruben aus dem Dunkel trat.

,, Weil, sie Bescheid weiß. Nicht so viel, wie der Junge, aber genug.“

,, Ich lasse euch in dieser Sache freie Hand. Wenn ihr sie finden könnt heißt das. Ansonsten… wer glaubt so jemanden schon?“

,,Wie ihr wünscht.“ , erwiderte Dunik. ,, Die Wache steht noch nicht vollkommen hinter uns. Meine eigenen Leute sind mir gegenüber Loyal. Aber nicht jeder wird einen Magier als Regenten akzeptieren.“

,, Sie werde es akzeptieren, wenn wir einen Königsmord… aufzuklären haben. Ich denke wir werden ihnen einen passenden Schuldigen präsentieren können.“

,, Den Jungen ? Meine Leute suchen nach ihm, aber momentan scheint es, er sei entwischt.“

,, Das ist er nicht.“ , erwiderte Ruben kalt. ,, Nicht war Jaret ?“ Und dabei sah er direkt in Richtung seines Verstecks. Das keines mehr war…

Er trat zögerlich auf den Gang hinaus, dann aber zwang er sich wenigstens grade zu stehen.

Jaret wusste, dass er verloren war.

,, Warum ?!“ , rief er dem Zauberer entgegen. Eine letzte Anschuldigung, die er hören würde, egal was geschah. ,, Warum ?“ , wiederholte er ruhiger.

Was hatte Ruben nur so verändern können?

Oder hatte der Mann, den er glaubte zu kennen nie existiert?

,, Gibt es einen Grund für Macht ?“ Er lachte. ,, Muss ich einen Grund dafür haben ?“

Ruben existiert nicht mehr. Das wurde Jaret bei diesen Worten endgültig klar. Was auch immer er einst einen Freund, Retter oder Meister genannt hätte… es war weg oder nie dagewesen. Nur eine Hülle und ein Blendendes Schauspiel.

,, Du warst nützlich. Aber das ist jetzt vorbei.“

Mit diesen Worten hob der Magier  seine Hand und schleuderte einen Feuerball auf Jaret.

Dieser sah fasziniert  wie das magische Feuer auf ihn zurast. Es schien sich beinahe in Zeitlupe zu Bewegen.

Instinktiv hob er die linke Hand um sich vor den Flammen zu schützen, in dem Wissen, das es vergebens war.

Ihm ging nur ein Gedanke durch den Kopf. Er wollte so nicht enden. Er wollte Leben. Und…

Er musste Jade wenigstens warnen.

Schmerz raste seinen Arm hinauf, als das Feuer ihn einhüllte.

Aber er verbrannte nicht, wie Jaret nach einem Augenblick feststellte.

Irgendetwas hielt das den gesamten Gang füllende Inferno ein winziges Stück von seiner Hand entfernt in der Schwebe.

Trotzdem verbrannte ihm die Hitze die Haut, die Hand, kochte Nerven und Blut…

Einige Sekunden lang prallte das Feuer wirkungslos auf eine schimmernde Barriere direkt vor ihm.

Dann erlosch es und Jaret hielt sich die versengte Hand.

Die Haut hatte sich fast vollständig  schwarz verfärbt.

Ruben war vollkommen überrascht. ,, Was zum...“

Jaret hingegen fragte gar nicht erst lange was ihn gerettet hatte.

Er nutzte den Moment der Ablenkung um erneut wegzurennen und in dem Durchgang der aus dem Palast führte zu verschwinden.

Die verbrannte Linke  hielt er dabei dicht an den Körper gepresst.

 

 

 

 

 

 

Lange nach Sonnenuntergang schlich Jaret durch die Straßen der Unterstadt.

Er würde aus der Stadt verschwinden müssen. Aber er würde nicht allein gehen wenn es möglich war.

Ruben wusste von Jade und hatte Dunik mehr oder weniger einen Freibrief ausgestellt.

Aber auch so. Nachdem, was er herausgefunden hatte, war niemand in den Armenvierteln der Stadt mehr sicher.

Er suchte sich seinen Weg durch die Gassen, bis er an Luthers Schänke ankam.

Das Gasthaus war an diesem Abend gut besucht, wie er erleichtert feststellte. Das gab ihm wenigstens einen gewissen Schutz.

Während er durch die Menge zum Tresen ging, hielt er die verletzte Hand unter seinem Reisemantel verborgen. Er wollte unangenehme Fragen besser vermeiden.

Er ging noch einmal seine Optionen durch, während er nach der Tabajaxie umsah.

Das wichtigste war jetzt aus der Stadt herauszukommen. Aber wohin dann ?

Er dachte an das Buch der Seher, das sich nun in seinem Rucksack befand.

Und an dessen Verfasser…

Gerret Giller. Laut Rubens Aussage lebte er in den Bergen nördlich der Stadt. Er konnte sich in Seminium an niemanden mehr wenden und sich bis nach Dynastes durchzuschlagen… Selbst wenn Ruben nicht weiter nach ihm suchte, er hatte kaum eine Chance die Stadt zu erreichen.

Nein. Wenn ihm jemand helfen konnte, dann war es vermutlich ein Magier. Und neben Ruben wusste er nur von diesem einen weiteren in der Nähe.

Es war zumindest seine einzige Hoffnung.

Schließlich entdeckte er Jade an einem Platz im hintersten Winkel des Gebäudes.

Ein kurzes Funkeln in ihren Augen sagte ihm, das sie ihn ebenfalls bemerkt hatte.

Erschöpft und froh kurz ausruhen zu können ließ er sich ihr gegenüber nieder.

,, Was ist passiert ?“

,, Es ist Ruben. „ , begann Jaret. Die ganze Tragweite der letzten Geschehnisse traf ihn erst jetzt.  ,,Er selbst steckt hinter den Entführungen. Hör zu. Ich habe ihm geholfen ein Buch über schwarze Magie zu finden und nun benutzt er die Seelen der Stadtbewohner für die Zauber darin. Der König ist Tod. Wir müssen...“

,, Moment. Langsam…Der König ist Tod?“ , fragte Jade ungläubig.

,, Rube hat ihn getötet nachdem er herausgefunden hatte, was der Zauberer tat. Die Wache steht hinter ihm. Er kann einfach so weitermachen. Wir müssen aus der Stadt raus. Hier ist es nicht mehr sicher.“

,, Und wo bitte würdest du hingehen ? Es gibt nichts was wir tun können.“

,, Wir brauchen einen Magier.“ , erklärte er. ,, Jemanden, der Ruben stoppen kann.“

,, Die Wachsen nicht grade auf Bäumen.“

Er musste kurz lachen. ,, Nein leider nicht. Aber ich weiß zumindest  von einem der in den Nördlichen Bergen lebt. Ich will ihn finden und um Hilfe bitten.“

Die Tabajaxie schüttelte den Kopf. ,, Du scheinst dir das Naiv einfach vorzustellen.“

,, Nein. Das wird sicher nicht einfach. Wir müssen zuerst einmal überhaupt aus der Stadt hinauskommen.“

Während er das sagte hatte er die Linke auf den Tisch gelegt. Jades grüne Augen wurden weit,

als sie die Verletzung bemerkte.

,, Was ist mit deiner Hand passiert ?“

,, Ruben hat mich erwischt.“ Er hielt die verbrannte Hand nach oben. ,, Ich hoffe allerdings das nicht noch mal erleben zu müssen.“

,, Wie schlimm ist es ?“

,, Tut immer noch höllisch weh , aber ich denke es könnte schlimmer sein.“ Wenn er genauer darüber nachdachte, hätte der Zauber weniger als Asche von ihm übriggelassen.

,, Also ums noch mal zusammenzufassen und nur davon ausgehend, das ich dir alles glaube : Dieser verrückte Zauberer, hat den König ermordet, kontrolliert die Armee und nutzt die Seelen der Bürger Seminiums als Rohmaterial für seine Zauber ? Und unsere einzige Hoffnung ist ein weiterer Zauberer, denn wir erst suchen müssen und von dem du nur ungefähr weist wo er ist. Noch weiter. Du willst mir weiß machen, du könntest in die Zukunft sehen. Ich sag es nur ungern aber. Das klingt verrückt.“

Jaret seufzte. Es klang wirklich ziemlich verrückt. ,, Vermutlich. Wenn du allerdings nicht hierbleiben und selbst rausfinden willst, ob ich die Wahrheit sage, sollten wir uns besser beeilen hier wegzukommen. Bleibt nur die Frage, wie wir aus der Stadt kommen.“

Jade strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Da habe ich eine Idee. Ich wette die Haupttore sind mittlerweile  alle Bewacht. Aber es gibt unter der ganzen Stadt ein Kanalsystem. Ich kenne mich da unten ein wenig aus. Es ist recht nützlich wenn man sich mal wieder vor der Wache verstecken muss. Darüber könnten wir die Stadt verlassen.“

,, Klingt gut.“ Es war zumindest besser, als jede Möglichkeit, auf die er gekommen wäre. ,, Dann los.“ Jade lächelte zum ersten Mal wieder. ,, Mir nach.“

 

Zwei Gestalten huschten wenige Minuten später durch die dunklen Straßen Seminiums. Jaret sah sich immer wieder hektisch um, während er Jade folgte.

Diese blieb schließlich vor einem in den Boden einer gepflasterten Seitengasse eingelassenen Gitter stehen.

,, Das ist einer der Eingänge. Normalerweise sind sie verschlossen, das Schloss von dem hier habe ich allerdings schon vor Monaten geknackt.“, erklärte sie.

,, Na dann. Jetzt müssen wir nur noch...“

Schritte, wie von schweren Ketten-Stiefeln, unterbrachen ihn.

Stiefel wie sie die Stadtwache trug.

Drei Gestalten stauchten in ihrem Rücken auf  und blockierten den Weg zurück zur Straße.

,, Sieh mal an. Der passt doch genau auf die Beschreibung die Kommandant Dunik heute verteilt hat. Festnehmen.“

Der erste der Männer zog einen kurzen Stab aus seinem Gürtel. Als er die Waffe auf Jaret richtete, erkannte diese sofort was es war. Ruben hatte die Stadtwache mit Zauberstäben ausgerüstet.

Diese magischen Objekte ermöglichten es auch gewöhnlichen Menschen Zauber zu wirken allerdings nur den auf den der Stab eingestellt war und auch nur solange die magische Ladung des Stabes hielt. Trotzdem war es eine gefürchtete Waffe.

Jaret wurde von einer unsichtbaren Kraft getroffen und zu Boden geschleudert, schaffte es aber, die Wucht des Hiebs größtenteils abzufangen.

Auch Jade ging von dem Zauber getroffen zu Boden.

Die beiden anderen Wachen zogen nun ebenfalls ihre Waffen, einfache Schwerter, und liefen auf die beiden Flüchtigen zu um sie endgültig festzusetzen.

Und aus Jarets Sicht würde ihnen das auch gelingen. Sie hatten keine wirkliche Chance.

Grade als der erste Wachmann sie erreicht hatte, stockte dieser  jedoch mitten im Lauf.

 Blut lief aus dem Mundwinkel.

Das Schwert fiel dem Mann  aus der Hand und er kippte nach vorne.

Ein Armbrust-Bolzen ragte aus seinem Rücken.

Die beiden verbliebenen Wachen sahen sich nach dem verborgenen Angreifer um.

Ein zweiter Bolzen kam aus dem nichts und traf einen zweiten Wachmann. Er fiel wie der erste. Und hinter ihm stand eine Gestalt  in der Dunkelheit.

Sie  trug einen weiten schwarzen Mantel, dessen Kapuze die  Züge verdeckte.

Darunter trug der Fremde  einen Lederpanzer und einen Gürtel mit Bolzen. Der Griff eines Kurzschwerts ragte über seine Schulter hinaus.

Der letzte Überlebende Wachmann richtete den Zauberstab auf den Fremden, doch dieser Wich der Schockwelle gekonnt aus.

Und noch während der Wachmann versuchte den Stab

wieder auf den Fremden zu richten, hatte dieser bereits die Armbrust angelegt und auf ihn gefeuert. Der Bolzen traf die Wache ins Bein so, dass der Mann stürzte.

Sofort sprang der Fremde heran und trieb ihm mit einer flüssigen Bewegung das Kurzschwert ins Herz.

Der Wachmann zuckte noch ein paar Mal. Dann war alles vorbei.

Die Gestalt zog die Klinge aus der Leiche und richtete sich auf.

,, Okay , Lis, das dürften alle gewesen sein. Sieh dich aber besser noch mal um.“ , flüsterte der Fremde.

Aus dem Mantel der Gestalt tauchte eine kleine Leuchtende Gestalt auf und verschwand in der Nacht.

Der Mann kam näher und hockte sich vor Jaret auf den Boden.

,, Bei euch alles in Ordnung ?“ , fragte er. Die Stimme klang mehr abwesend als Besorgt.

,, Ich glaube schon.“ , erwiderte Jaret und rappelte sich auf. Noch einmal so schien es hatte ihn heute der Zufall gerettet. ,, Wer seid ihr ?“

,, Das erklär ich euch, wenn wir aus der Stadt raus sind. So wies aussieht“ , meinte er mit einem Blick auf das Gitter, ,, hattet ihr das sowieso vor.“

Die Leuchtende Gestalt kehrte zurück und verschwand wieder im Mantel des Mannes. Dieser richtete sich auf und öffnete das Abflussgitter.

,, Ich bin übrigens  Revan.“ , sagte er, bevor er in der Dunkelheit verschwand.

 

Kapitel 10 Aus der Stadt

 

 

,, Es gibt drei Arten von Menschen. Solche die man respektiert, solche die einem egal sind….und solche denen man aus dem Weg geht wenn man weiterleben will.“

 

 

Der Mann der sich als Revan vorgestellt hatte, lief ihnen voraus durch die Dunkelheit.

Ab und zu tauchte die leuchtende Gestalt, die sie vorher schon gesehen hatten, auf und erhellte die Dunkelheit, so dass sie ihre Umgebung klarer  sehen konnten.

Die kleine dreiköpfige Gruppe ging auf einem Laufsteg, der neben einem breiten  Kanal für Abwässer entlang lief. Ab und zu scheuchten sie eine Ratte auf, die quiekend in der Dunkelheit verschwand. Ansonsten war es, bis auf das Rauschen des Wassers, totenstill.

,, Also, wieso habt ihr  uns geholfen ?“ , brach schließlich Jade das Schweigen.

 ,, Ihr wisst das die Wachen Leute aus der Unterstadt  entführen ?“ , stellte der Fremde eine Gegenfrage.

Sie kamen jetzt an eine Stelle wo der Kanal von einem weiteren Gekreuzt wurde und der Fußweg  über eine kleine Brücke führte.

Jaret nickte, als sich Revan kurz zu ihnen umdrehte.

,, Nun ich habe begonnen etwas dagegen zu unternehmen.“

,, Das heißt ihr tötet sie ?“

,, Ich bin gut in dem was ich tue.“ , war die Antwort. ,, Und sagen wir einfach, ich habe ein gewisses Interesse daran, das jemand der die Seelen seines Volkes raubt erledigt wird.“

,, Ihr wisst also davon ?“

,, Ich erkenne die Zeichen für einen Seelenmagier. Belassen wir es dabei.“ Offenbar würde der Mann sich nicht weiter dazu äußern. Jaret wusste nicht, ob er ihm schon trauen konnte. Andererseits hatte er sie vor wenigen Minuten gerettet. Ein kleiner Vertrauensvorschuss schien ihm angebracht.

Während Revan sprach, hatte dieser unbewusste eine Hand an die Armbrust gelegt, die er an einer Schlaufe an seinem Gürtel befestigt hatte. ,, Aber jetzt zu euch. Wer seid ihr?“

,, Ich bin Jaret Weißläufer“ , stellte er sich vor.

,, Jade.“

,, Nun ich hab mich ja bereits vorgestellt. Und dass…“

Die Leuchtende Gestalt  tauchte wieder aus dem Mantel auf.

,, Ich kann durchaus für mich selbst sprechen.“  , sagte es mit einer hellen, fast piepsigen Stimme. ,, Ich bin Lis.“

,, Und was genau...seit ihr?“ , fragte die Tabajaxie.

,, Ein Irrlicht.“ , erwiderte Revan um leicht spottend hinzuzufügen : ,,Folgt mir schon seit ich ein Kind bin. Ich werd sie einfach nicht los.“

Ein kleiner  Blitz sprang von dem strahlenden Licht auf Revan über.

,, Autsch, ist ja schon gut. Ehrlich, ohne sie wäre ich schon ein paar Mal  gestorben.“, dabei strich er mit einer Hand seine Kapuze zurück.

Er hatte nicht übertrieben. Eine breite Narbe zog sich über die Linke Gesichtshälfte, vom Kinn bis zum Haaransatz quer über das Auge. Er grenzte an ein Wunder, dass  Revan nicht blind war. Seine Haare hatten eine merkwürdige Farbe irgendwo zwischen braun und tiefschwarz. Blassbraune  Augen die alles zu registrieren schienen starrten ihnen entgegen.

,, Und ihr ? Wieso wolltet  ihr aus der Stadt fliehen?“

,,  Wir wissen was mit den Entführten Städtern geschieht. Wir wollen einen weiteren Magier suchen, der sich in den Bergen im Norden der Stadt aufhalten soll.. Und der uns hoffentlich helfen kann.“ , endete Jaret.

,, Nun, dass erklärt zumindest warum ihr aus der Stadt raus wollt. Und wenn es stimmt sollte ich vielleicht...“

,, Wir kommen mit.“  , entschied das Irrlicht ohne Rücksprache für Revan.

,, Ähm... danke.“ , erwiderte Revan. ,, Aber sie hat recht. Wir kommen mit.“

,, Dann solltet ihr vielleicht auch noch die ganze Geschichte hören.“

Während sie sich weiter ihren Weg durch die Tunnel und Kanäle suchten, erzählte noch einmal alles. Wie er Ruben begegnet war, die Suche nach dem Buch, die Rückkehr nach Seminium, das Treffen mit Jade, der Tod des Königs. Dort unterbrach ihn Revan.

,, Der König ist tot ?“ , fragte er.

,, Ruben hat ihn getötet, als er herausfand das der Magier das Buch verwendet.“

,, Nicht gut.“ Das schien die einzige Reaktion des Mannes auf diese Nachricht zu sein.

Danach fuhr Jade fort, bis zu ihrer Begegnung mit der Stadtwache, wo Revan sie gerettet hatte.

,, Also nur damit ich das richtig verstehe, du ,,siehst „ Ding vorher ?“ Auch wenn die Frage wohl beiläufig sein sollte, Revan klang leicht nervös. Man könnte meinen es gibt keine Zufälle mehr.“

,, Oder das Gegenteil, es gibt zu viele Zufälle.“ , erwiderte Jade.

Revan schüttelte den Kopf. ,, Ist auch egal.Ich glaube da vorne ist ein Ausgang.“

 

Tatsächlich endete der Tunnel wenige hundert Schritte weiter an einem eisernen Gitter, durch das frische Luft strömte.

Das Wasser aus dem Kanal strömte über einige Steinstufen in einen Fluss.

Auf Höhe des Stegs, dem sie folgte, gab es im Gitter eine Tür.

Das Metall war im Laufe der Jahre oder Jahrzehnte so rostig geworden, das es unter einem gezielten Tritt Revans nachgab.

Draußen führte eine, beinahe ebenso rostige, Leiter hinab ans Ufer des Flusses.

Revan kletterte als erster hinunter, gefolgt von Jade und Jaret.

Unten lehnte Jade sich erschöpft gegen die Leiter.

,, Alles in Ordnung ?“ , fragte Jaret besorgt.

,, Es geht schon. Wir müssen weiter.“, sagte sie lediglich, wehrte seien Hand ab und stand entschlossen wieder auf.

,, Hier. Ich denke, dass sollte helfen.“ Jaret reichte ihr seinen Wanderstab.

Einen Moment sah Jade ungläubig auf das Holz. Irgendetwas daran schien ihr bekannt. Es müsste Jahre her sein, aber sie erkannte es trotzdem wieder.

Es gab keine Zufälle mehr. Wie Revan der Fremde gesagt hatte.

,, Gut, wir sind aus der Stadt raus. Was als nächstes ?“ , fragte dieser im selben Moment.

,, Ich vermute es hat keinen Sinn mehr besonders weit zu gehen.“ , meinte Jaret.

Revan nickte. ,, Trotzdem wäre es dumm zu nah an der Stadt zu bleiben. Irgendjemand wird die Toten finden.“

,, Ein paar mehr sollten dich auch nicht mehr stören.“ , erwiderte Lis, die kurz auftauchte nur um sofort wieder zu verschwinden.

,, Mich nicht, aber die Stadtwache.“

,, Dann wart ihr das also ? Ich habe in letzter Zeit von ermordeten Stadtwachen gehört…“

,, Wie gesagt, ich handle.“ Mehr wollte Revan dazu offenbar nicht sagen. Stattdessen  setzte er sich einfach wieder in Bewegung und ließ Jaret und Jade keine Wahl, als ihm zu Folgen.

Die restliche  Nacht über richteten sie sich ein Lager im Wald auf einer Lichtung ein. Möglichst weit entfernt von den  großen Straßen, die um Seminium verliefen.

 

 

Am nächsten Morgen wachte Jaret noch vor den anderen auf. Mangels alternative, hatten sie sich auf dem bloßen Waldboden in ihre Mäntel gerollt.

Als er die Augen aufschlug, war die Sonne grade erst Aufgegangen. Nebelfetzen trieben zwischen den hoch aufragenden Bäumen umher und hinaus auf die kleine Lichtung. Jaret setzte sich auf und schüttelte den Tau von seinem zur Decke umfunktionierten Mantel.

Er versuchte ganz aufzustehen, stützte sich dabei aber auf seine verbrannte Linke. Der Schmerz sorgte dafür, dass er die Hand sofort wegzog und sich grade noch mit der anderen Hand abfangen und so einen Sturz verhindern konnte. Einen Moment lag er einfach nur durch den Schmerz betäubt da, durchdrungen von der Frage ob er seine Hand je wieder würde wirklich benutzen können. Vermutlich hatte er schon Glück, wenn sich die Wunde nicht noch entzündete und ihn womöglich umbrachte.

Wenigstens dagegen, überlegte er, könnte er etwas tun.

 

Langsam versuchte Jaret   noch einmal aufzustehen, diesmal mit der Rechten.

Er sah sich in ihrem provisorischen Lager um.

Jade lag ein paar Meter von ihm entfernt auf dem Boden. Das Sonnenlicht spiegelte sich in den Tautropfen die sich auf der  Decke und in dem feinen Pelz gesammelt hatten der das Gesicht teilweise bedeckte. Jaret verlor sich einen kurzen Moment in dem Anblick.

Er sah sich allerdings schnell weiter auf der Lichtung um. Er wollte nicht erwicht werden wie er sie ansah, falls Jade aufwachte.

 Revan hatte sich ganz an den Rand der Lichtung gelegt und in den schwarzen Mantel gehüllt den er auch schon in der Stadt getragen hatte. Lis, das Irrlicht, war nirgends zu sehen.

Jaret  begann seinen Rucksack nach den spärlichen Vorräten zu durchsuchen, die er aus der Stadt hatte mitnehmen können. Eine Feldflasche Wasser, etwas Brot und Trockenfleisch.

Nicht grade viel aber es würde reichen. Weil er Feuer machen wollte, verliest er die Lichtung und suchte nach brauchbarem Holz.

Und noch etwas anderem. Ruben hatte ihm genug beigebracht, das er wusste, wonach er suchen musste. Der Gedanke an den Zauberer brachte in ihm nach wie vor gemischte Gefühle hervor. Was konnte nur so schrecklich schief gegangen sein… Fast hoffte er noch, alles sei ein seltsamer Traum und er würde jeden Augenblick aufwachen.

Es dauerte nicht lange und er kam mit einem Arm Brennmaterial und einer Hand voll Kräuter zurück.

Rasch entfachte Jaret ein Feuer. Als die Flammen endlich loderten, nahm er  in Ermangelung eines Topfes nahm ein breites Stück Rinde als Schüssel und füllte diese mit Wasser.

Dann wartete er einen Augenblick, bis das Wasser kochte, bevor er die gesammelten Kräuter zerkleinerte und dazugab. Es dauerte nicht lange, bis sich das Gemisch zu einer dunkelgrünen Paste eindickte. Diese trug er Vorsichtig auf die verletzte Hand auf um dann einen Stoffstreifend darum zu Wickeln.

Es war nicht perfekt, aber besser als nichts zu tun.

,, Morgen“ , hörte er eine Stimme hinter sich. Revan war, ohne dass Jaret es gemerkt hätte, aufgestanden und war zu ihm herübergegangen. ,, Das sieht ungesund aus.“ , erklärte er und deutete auf Jarets Hand.

,, Keine Sorge Ich kenne mich zufällig etwas mit Heilpflanzen aus.“

Der Mann tat es mit einem Schulterzucken ab, bevor er sich zu ihm ans Feuer setzte und ungefragt die wenigen Vorräte zu durchstöbern begann.

,, Na bei der Auswahl…“ , seufzte Revan schließlich, als er mit einem Stück Brot wieder zum Vorschein kam.

,, Ich hatte nicht erwartet das euch so etwas Probleme bereitet.“ , bemerkte eine weitere Stimme. Jade war mittlerweile auch aufgewacht.

,, Ich habe schon Dinge gegessen Tabajaxie,  die so Lebendig waren, das sie sich beim Kauen noch gewehrt haben.“ , erwiderte Revan mit dem Anflug eines schadenfrohen Lächelns.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nach dem sie gegessen hatten, das Irrlicht Lis tauchte während des kurzen Frühstücks aus einem Baum auf, machten sie sich auf den Weg in Richtung der Berge.

Gegen Nachmittag kamen sie in ein kleines Dorf. Jaret nutzte die Gelegenheit um sich bei einem Bauern mit neuen Vorräten einzudecken. Das einzige was Jaret zum Glück genug besaß, war Geld. Er hatte bei seiner Flucht einen ganzen Beutel mit Goldmünzen mitgenommen und mittlerweile ganz unten in seinem Gepäck versteckt.

Revan hingegen verschwand irgendwo zwischen den Hütten.

Der Bauer den er nach Vorräten fragte, war bei Anblick einer der Münzen sofort bereit ihm welche zu verkaufen. Und als Jaret ihm erklärte, dass er die Münze ohne Wechselgeld behalten durfte, war er mehr als bereit ihm die neusten Neuigkeiten mitzuteilen.

,, Gestern Nacht ist hier ein Bote eingetroffen. Mit Nachricht aus Seminium.“

,, Wirklich ?“ , fragte Jaret. Es überraschte ihn nicht unbedingt aber er war Neugierig. ,, Ich habe in letzter Zeit nicht viel aus der Hauptstadt gehört.“

,, Der König ist tot.“ Der Mann zuckte lediglich mit den Achseln. ,, Mir kann es ja egal sein. Solange der neue Regent die Abgaben nicht erhöht, was soll es.“ Regent ? Er wurde hellhörig. ,, Es gibt also schon einen Nachfolger ?“

Der Bauer schüttelte den Kopf. ,, Weil es keinen Erben gibt, hat der Hofzauberer zusammen mit dem Anführer der Wachen fürs erste die Regierung übernommen. Ganz Seminiums ist deshalb in Aufruhr.“

,, Das kann ich mir vorstellen.“ Jaret musste sich Mühe geben, nichts zu erwidern.

,, Es heißt außerdem  , der König sei Ermordet worden. Von einem Mann, der jetzt auf der Flucht ist, einem persönlichen Assistenten des königlichen Hochmagiers. Kann man sich das vorstellen?“

,, Nein.“ , mehr brachte er einen Augenblick nicht heraus. Das Ruben jagt auf ihn machen würde, damit hatte er gerechnet. Das der Zauberer ihm seinen Mord an König Avarem anhängte hingegen…,, Sicher nicht. Vielen Dank.“

 Er konnte sich wohl glücklich schätzen, dass der Bote keine Beschreibung von ihm gehabt hatte.  Aber eines war klar. Je eher sie hier verschwanden, desto besser.

Er packte die gekauften Vorräte in seinen Rucksack und machte sich auf die Suche nach Jade und Revan.

Revan unterhielt sich mit einigen Dörflern, die sich, neugierig auf den Fremden, um ihn versammelt hatte.

,, Wir müssen los.“ , rief Jaret ihm zu.

,, Hast du die Vorräte ?“ , fragte Revan ihn als er sich aus der Menschengruppe löste.

,, Zusammen mit dem neusten Tratsch.“ Er versuchte entspannt zu wirken. ,, Aber das erzähl ich euch später. Wir könnten Probleme bekommen.“

Revan schüttelte den Kopf. ,, Die haben wir auch jetzt schon.“

Jaret sah sich um. ,, Wo ist eigentlich Jade?“

,, Keine Ahnung.  Sie wollte sich eigentlich ein wenig im Dorf umsehen.“

Jaret sah sich erneut auf dem Platz um und suchte die Menge nach der Tabajaxie ab, entdeckte sie aber nirgends. Aus Richtung eines größeren Gebäudes hörte er allerdings lautes Stimmengewirr. Offenbar ein Streit. Jaret lief, Revan im Schlepptau  auf die Geräusche zu.

 

 

 

Die Stimmen kamen aus dem Hinterhof des Hauses, bei dem es sich wohl um die Herberge des Dorfes handelte. Der Hinterhof war eine mit Stroh gedeckte Terrasse, auf der einige Tische verteilt standen. An schönen Tagen wie diesem, versammelten sich hier die Dörfler, die nicht auf dem Feld arbeiteten, redeten, tauschten die neusten Gerüchte aus und, was für den Herbergswirt vermutlich das wichtigste war, Tranken nicht grade wenig.

Als Jaret allerdings auf die Terrasse trat, war ihn sofort klar, dass der Tumult keinen erfreulichen Grund hatte.

Eine Menschenmenge hatte sich an dem niedrigen Zaun versammelt, der die Terrasse begrenzte. Mehrere saßen auch darauf.  Ein Mann stand auf der Terrasse. Seinen geröteten Wangen  war anzusehen, dass er wohl nicht grade wenig getrunken hatte. Jade war von ihm und einigen weiteren Dörflern in eine Ecke gedrängt worden.

,, Dieses Stück Dreck hat meine Geldbörse gestohlen.“ , sagte der Mann.

Der betrunkene Mann und seine Meute waren offensichtlich nur darauf aus, jemanden Ärger zu machen, Jaret konnte von seiner Position aus genau sehen, dass der Geldbeutel  dieses Idioten nach wie vor an seinem Gürtel hing.

Und das mussten auch die restlichem umstehenden Leute. Trotzdem tat niemand etwas.

Wütend  sprang  Jaret über den Zaun, Revan hinter sich. Dieser machte, unbemerkt von ihm und der Menge seine Armbrust schussbereit.

,, Wieso soll ausgerechnet sie euch bestohlen haben ?“ , fragte Revan, bevor Jaret etwas sagen konnte.

,, Tabajaxie nehmen doch alles mit, was sie kriegen können. Hör auf dich da einzumischen.“

Er holte mit einer Faust nach Jade aus. Diese jedoch löste sich wo sie stand in Luft auf und tauchte dafür im Rücken des Mannes auf. Mit einem Tritt ins Schienbein klappte der Kerl zusammen.

Die bestürzte Menge trat ein paar Schritte zurück. Dass ein Mensch vor ihren Augen verschwand hatten sie noch nicht erlebt. Magie war außerhalb der Städte, wo man ab und an zumindest darauf stieß, noch seltener.

,, Schon mal an deinem Gürtel nachgesehen du Genie ?“ , fragte sie nun mit zusammengebissenen Zähnen.

 

Der Mann geriet jetzt in Verlegenheit.

,, Was mischt ihr euch überhaupt ein ? „ rief er nun aggressiv. ,,Ihr seid nicht mal von hier, was kümmert es euch überhaupt ?“

Der Mann machte einen Schritt auf Jaret und Revan zu. Seine Leute, die sich langsam von dem Schock der Magie erholt hatten,  schlossen sich ihm an.

Jaret war instinktiv klar das eine Grenze überschritten worden war. Das Ganze würde nun nur noch in einem Kampf enden können.

Der Mann ging einige  weitere Schritte  auf Jaret zu. Und erstarrte als ein Bolzen wenige Zentimeter an seinem Gesicht vorbeiflog. Die Dörfler die am Zaun standen, schreckten erneut zurück.

Bevor der Betrunkene  sich wieder fassen konnte, hatte Revan bereits die Armbrust wieder gespannt und zielte erneut auf ihn. ,, Noch ein Schritt und der nächste geht nicht daneben.“ , sagte er tödlich ruhig.

Jaret dankte Revan innerlich. Der Mann war vielleicht betrunken, aber er wäre bestimmt nicht dumm genug, einen bewaffneten Gegner anzugreifen.

,, Wir gehen.“ , rief Jaret Jade zu. ,, Wenn du nicht doch noch länger mit deinen neuen Freunden diskutieren willst , beeil dich besser.

Das ließ Jade sich nicht zweimal sagen. Sie drängte sich durch die Leute, die Revan mit der Waffe in Schach hielt.

,, Also dann, ich entschuldige mich für den kleinen Zwischenfall und ähm... wir sollten so schnell wie möglich hier weg.“ , sagte Revan. Während er , die immer noch geladene Armbrust in der Hand, die Nachhut bildete, gingen Jaret gefolgt von Jade so schnell wie möglich durch das Dorf zurück zur Straße.

Sobald die Siedlung  außer Sichtweite war, verstaute Revan seine Waffe wieder und sie setzten ihren Weg in Richtung Berge fort.

Am Horizont zeichneten sich bereit die grauen Gipfel ab.

Wenn Jaret sich nicht verschätzte,  und wenn sich nicht noch weitere Zwischenfälle ereigneten, sollten sie in weniger als Zwei Tagen dort sein.

Er sah zu Jade.

,, Alles in Ordnung ?“

,, Ich wäre damit durchaus alleine klar gekommen.“ , erwiderte sie lediglich.

,, Was ?“ Jaret blieb stehen.

Revan lachte lediglich leise, als er an ihm vorbeiging.

Wer war dieser Mann eigentlich?

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kapitel 11 in die Berge

 

 

,, Armeen ? Was sind Armeen, wenn ein Mann jede Strategie zu Nichte machen kann. Magie ist der unberechenbarste Faktor jeder Sache. Man zahlt einen Preis, grade dann wenn man nicht damit rechnet. Und ich habe ihr nie getraut.“

Letzte Worte eines ravenischen Clanfürsten

 

 

Jaret erwachte während es noch stockdunkel war.

 

Seit dem Zwischenfall im Dorf waren zwei Tage vergangen. Gestern hatten sie die ausgedehnte bewaldete Ebene zwischen Seminium und ihrem Ziel verlassen und  die ersten Ausläufer des Gebirges erreichten. Die Berge boten, als sie endlich in Sicht waren, eine beeindruckende Aussicht. Die steinernen Granitgipfel schienen unendlich weit in den Himmel zu ragen. Die Hänge waren, wie aus der Ferne zu erkennen war, noch mit Bäumen und Sträuchern bewachsen. Doch danach gab es nur noch Schroffe graue Felsen und die Schneebedeckten Kronen des Massivs welche sich zu großen Teilen in Wolken hüllten. Jaret freute sich nicht grade darauf in diese unwirkliche Gegend zu gelangen. Noch hatte er keine Ahnung, wo genau sie den Magier Giller finden könnten. Sie würden einfach suchen müssen und bräuchten ein wenig Glück.

 

Er stand auf und ging etwas auf und ab. Ihm fiel auf das Revan nicht an seinem Platz lag. Die Decke des Mannes war beiseite geschlagen und seine Waffen verschwunden.

Jaret wusste nicht was er davon halten sollte. Vielleicht sieht er sich nur um, dachte er kurz. Wirklich schlau wurde er aus dem Mann nach wie vor nicht, der sich so spontan entschlossen hatte, sie zu begleiten. Was genau hatte er hiervon ?

Das Feuer, das sie am Abend zuvor entfacht hatten, war fast völlig heruntergebrannt. Schnell suchte Jaret  noch etwas Holz zusammen und entzündete es wieder.  Danach setzte er sich, in eine Decke gehüllt, an die Flammen.

Gedankenverloren holte er das Buch der Seher aus seinem Rucksack.

Jaret hatte kaum mehr an das Buch gedacht, seit sie aus Seminium geflohen waren. Obwohl es erst ein paar Tage her war, schienen ihm die Ereignisse bereits fern und unwirtlich.

Er blätterte vorsichtig durch die alten, vergilbten Seiten, bis er an der  Stelle mit dem Sternensymbol angekommen war.

Er wusste nicht genau, weshalb er auf die Idee kam, aber er fuhr mit den Fingern die Zeichnung nach. Irgendwie kam ihn das Bild plötzlich plastischer vor.

Das war immer das Symbol gewesen, das für ihn persönlich die größte Bedeutung zu haben schien. Vielleicht, dachte Jaret, hoffte er ja wirklich auf einen Hinweis, Irgendetwas wenigstens…

Ein Sturm aus Bildern brach über ihn herein.

 

Jaret fand sich an der Kante einer Klippe wieder. Ein Pfad zog sich hinter ihm den Berg hinauf. Vor ihm hingegen  fiel der Felsen steil in die Tiefe ab.

Endlos erstreckten sich die Wälder, die sie erst am gestrigen Tag zurückgelassen hatten in der Ferne. Etwas näher konnte er das Feuer ihres provisorischen Lagers erkennen.

Dann war auch schon alles wieder vorbei.

 

Er fuhr aus seiner Vision hoch. Neben sich hatte Jaret das Symbol aus dem Buch in den Staub gezeichnet.

Seltsam… Jaret  konnte sich nicht daran erinnern. Noch mehr, er konnte überhaupt nicht gut Zeichnen.  Es musste während seiner Vision geschehen sein. Irgendwie war der Gedanke beunruhigend. Wenn sein Geist ganz wo anders war… was steuerte dann seine Bewegungen?

Rasch verwischte er die Zeichnung mit der gesunden Hand.

Jaret sah hinauf zu den ersten Gipfeln und Klippen, die nicht mehr weit entfernt lagen. Seien Vision hatte ihm einen dieser Anhöhen gezeigt.

Einen Moment sah er sich zu Jade und dem leeren Platz um, an dem Revan gelegen hatte. Jaret überlegte sie zu wecken, ließ es dann aber. Was immer seine kurze Vision bedeutete, er würde es alleine herausfinden.

 

Langsam begann er den Aufstieg. Den Pfad aus seiner Vision fand er schnell wieder. Der Weg hinauf zum Gipfel hatte sich wie viele seiner Visionen direkt in seine Erinnerung gebrannt.

Auf halber Strecke fing es jedoch an zu regnen.

Die Nässe machte den mit losen Steinen übersäten Pfad extrem tückisch und durchnässte ihn langsam bis auf die Haut.

Jaret wünschte er hätte sich die Decke mitgenommen, dann könnte er sich wenigstens etwas vor dem Regen schützen. Momentan jedoch wurde der  Aufstieg zu einer kleinen Tortur. Jeder Schritt entlang der tief abfallenden Steinkanten war ein Wagnis. Aber eines, das er eingehen musste, wenn er der Vision folgen wollte. Seltsam. Er hatte sich nie viel daraus gemacht jetzt aber war er beinahe dankbar für die Weisung durch seine Gabe.   

Als Jaret  schon glaubte gar nicht mehr vom Fleck zu kommen, war er endlich oben.

Langsam sah er sich um.

In der Entfernung konnte er  die Straße sehen, die sich aus dem Wald heraus schlängelte. Zuerst bemerkte er es kaum, dann jedoch tauchten unter dem Blätterdach Lichter auf. Etwa zwanzig Stück, die zwei grade Linien bildeten. Das unstete Auflodern  von Fackeln, die gegen den immer stärker werdenden Regen kämpften.

Jaret brauchte sich nicht lange zu fragen, wer da auf der Straße unterwegs war. Es bedeutete in jedem Fall Ärger.

Sie wären besser längst weg wenn die Fackelträger hier eintrafen.

Als er sich umdrehte, stellte sich ihm ein Schatten in den Weg.

,,Jaret was machst du hier oben ?“ , 

Ein Lichtschein tauchte neben der Gestalt auf und  erst jetzt erkannte Jaret Revan, der reglos an der Bergwand gestanden und so fast unsichtbar geworden war. Lediglich Lis hatte ihn verraten. Das Irrlicht kreiste in einigen Abstand über seinem Kopf.

Statt auf die Frage zu antworten, deutete Jaret nach unten auf die näherkommenden Fackeln.

,, Siehst du das ?“ , fragte er.

Revan nickte. ,, Ich habe sie auch bemerkt. Siehst du wie die Lichter aufgeteilt sind? Jeweils eine Linie an jeder Straßenseite. Marschformation. Es sind Soldaten.“

Jaret nickte. ,, Wir sollten hier so schnell wie möglich weg.“

Revan erwiderte nichts, sondern ging vor ihm die Felsen hinab.

Mit fast unheimlicher Sicherheit fand er einen Pfad über die Rutschigen Steine  Jaret versuchte mit ihm Schritt zu halten , hatte aber wesentlich mehr Mühe einen sicheren Weg nach unten zu finden.

Im Lager angekommen fanden sie Jade, die bereits wach am Feuer saß. Als Jaret und Revan näher kamen, schreckte sie sofort hoch und drehte sich zu ihnen um.

,, Wir müssen los“ ,  sagte Revan und begann die Decken zusammenzulegen.

,, Ich habe sie schon bemerkt.“ ,  antwortete  sie und deutete in Richtung der Bäume, die ihr Lager  noch vor den Augen der näherkommenden Soldaten verbargen. Die Lichtpunkte waren mittlerweile schon bedrohlich nah und schimmerten durch die Blätter.

Jaret schüttete seine Feldflasche auf dass mittlerweile wieder fast heruntergebrannte Feuer. Wasser hatten sie, dank dem Regen, momentan ohnehin mehr als Jaret lieb war. Hoffentlich würde er  aber ihre Verfolger etwas aufhalten.

 

Nachdem sie das nötigste zusammengepackt und alle ihre Rucksäcke aufgesetzt hatten  machten sie sich so schnell wie möglich auf den Weg weiter in die Berge.

Sie mussten unbedingt so weit wie möglich von den Fremden weg. Diese würden das Lager vermutlich bald entdecken. Und wenn sie wirklich hinter ihnen her waren…

Jaret hoffte das sie vorher weit genug weg wären oder selber einen sicheren Unterschlupf finden würden.

Revan sah angespannt zu den Lichtpunkten zurück. ,, Los jetzt.“ , wies er sie an, als Jaret langsamer wurde. ,, Wir müssen endlich weg.“

 

 

Sie waren mittlerweile seit Stunden unterwegs. Der Regen hatte immer noch nicht nachgelassen  und den Weg in eine einzige Schlammwüste verwandelt, der ihr Vorwärtskommen behinderte. Wenigstens, dachte Jaret, würde er auch ihre Verfolger verlangsamen. Denn das diese wirklich hinter den drei her waren, daran bestand für ihn jetzt kein Zweifel mehr. Die Lichtpunkte schlossen langsam aber beständig zu ihnen auf.

Revan hatte Lis auf dem Weg zurückgeschickt um die Soldaten zu beobachten Das Irrlicht war bisher noch nicht zurück.

Und soweit er sehen konnte, gab es weit und breit keine Möglichkeit sich zu verstecken.

,, Jemand eine Idee ?“ , fragte Jaret.

,, Ja weiterlaufen.“ , wies Revan ihn ungehalten an. ,, Wir müssen so schnell wie möglich tiefer in die Berge. Dort gibt es genug Verstecke und Höhlen. Sie sind praktisch Durchlöchert damit.“

,, Woher weist du das ?“ , fragte Jade ihn

,, Ich war schon einmal hier.“ , sein Tonfall verriet, dass er dazu nicht mehr sagen würde. Aber seine Worte verliehen Jarets Zweifeln eine neue Dimension. Wie sollten sie einen einzelnen Mann in einer Region übersäht mit Versteckmöglichkeiten finden? Vorausgesetzt  natürlich sie entkamen erst einmal…

Er sah den Weg zurück, den sie gegangen waren Er meinte erst sich zu täuschen, aber in einiger Entfernung konnte er einen schnell näherkommenden einzelnen Lichtschein  sehen.

Revan bemerkte es ebenfalls und blieb stehen.

Wenige Augenblicke später war das Irrlicht Lis bei ihnen.

,, Wie sieht es aus ? fragte Jade besorgt

,, Wie schon. Sie sind uns auf den Fersen. Ich habe sie belauscht.“ Lis wendete sich Jaret zu

,, Sie haben den Befehl, jemanden zu suchen, dessen Beschreibung sich sehr nach dir anhört.“

,, Ruben muss irgendwie erraten haben, dass ich Giller suchen will. Verdammt, eigentlich logisch. Ich habe ihn selbst nach dessen Aufenthaltsort gefragt. Er wusste von Anfang an, wo wir hinwollen.“ Jaret musste einen Fluch unterdrücken. Wie hatten er nur so dumm sein können...

,, Uns bleibt nur eins. Wir müssen vor ihnen in die Berge und wenn sie uns einholen sind wir erledigt.“ , ermahnte Revan sie erneut. Der Mann sah zurück zu ihren Verfolgern, dann aber richtete sich sein Blick auf die sie umgebenden niedrigeren Felsen, welche den Pfad auf beiden Seiten einengten. Als würde er dort nach etwas suchen…

,, Immer mit der Ruhe. Der Regen behindert sie noch mehr als uns. Solange wir nicht anhalten müssen, sollten sie uns nicht einholen“ , versuchte Jade die Situation zu entspannen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Sie setzten ihren Weg auf dem immer steiler werdenden Pfad mit gesteigertem Tempo fort.

Es sah so aus als könnten sie den Wachen Rubens tatsächlich entkommen, dachte Jaret. Wenn sie weiter in Bewegung blieben. Es würde knapp, aber es war machbar.

Ihr Glück jedoch hielt nicht lange an.

Als die Gruppe an eine Stelle kam, wo der Pfad sich durch eine tiefere Schlucht zwischen den Klippen hindurch führte, war der Weg in deren Mitte plötzlich verschwunden. Lediglich eine Barriere aus Dreck und Geröll ragte vor ihnen auf.

Ein Erdrutsch, vielleicht verursacht durch den immer noch anhaltenden Regen, hatte  den kompletten Weg blockiert.

Jaret wollt erst versuchen darüber zu klettern, doch das lose Gestein gab unter seinen Füßen sofort nach und er konnte nur mit Mühe einem Steinschlag ausweichen.

Revan hielt ihn davor zurück es noch einmal zu versuchen.

,, Vergiss es, das hat keinen Sinn.“ Seine Augen suchten nach wie vor die Umgebenden Steilhänge ab. Vielleicht fand der Mann ja noch einen Ausgang, überlegte Jaret.

Sie saßen in der Falle.

Jade ließ sich nach Jarets erfolgslosen Kletterversuch auf einen Stein fallen. ,, Sieht aus als wär’s das dann gewesen.“ , sagte sie nur.

,, Du kannst jederzeit verschwinden.“ , erwiderte Jaret. Es sollte nicht wie ein Vorwurf klingen, hörte sich aber selbst in seinen eigenen Ohren wie einer an.

,, Hältst du mich für so feige  Jaret Weißläufer ?“ , fragte Jade und nahm den Silberring Demonstrativ vom Finger. Gleich darauf strich sie sich jedoch nervös eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

Jaret schüttelte, schwach lächelnd, den Kopf. Und das war einer der Gründe, aus dem er Angefangen hatte die Tabajaxie zu mögen.

Er wollte allerdings nicht so einfach aufgeben. ,,  Wir müssen zurück , raus der Schlucht.“ , erklärte er. ,,Hier sitzen wir in der Falle, aber wenn wir uns beeilen, können wir den Erdrutsch vielleicht umgehen.“

Revan nickte. ,, Besser als Warten ist es allemal.“

Sie rannten den Pfad zurück in Richtung des Einstiegs in die Schlucht. Nur an den Kurven wurde Jaret langsamer um zu überprüfen ob sie dahinter nicht ihre Verfolger bereits erwarteten.

Während sie liefen nahm Revan seine Armbrust in die Hand und spannte die Waffe.

Bei der Dritten Biegung hatten sie Pech.

Der erste Soldat kam Grade, eine Fackel in der Hand haltend, um die Kurve gelaufen.

Jaret konnte das Kronenemblem auf seiner Brust erkennen.

Revan zögerte keine Sekunde.

Ein Bolzen traf den Mann in die Kehle und er ging ohne einen Laut zu Boden.

Das verschaffte ihnen vielleicht ein paar Sekunden, doch die restlichen Soldaten kamen nun in  einer Zweierreihe um die Kurve marschiert. Sie entdeckten sofort ihren gefallenen Späher und die drei Reisenden die bewegungslos  im Regen standen.

Der Mann an der Spitze der Truppe, vermutlich der Kommandant. bellte einen Befehl und sofort zogen alle verbliebenen Soldaten die Schwerter.

Der Hauptmann war wie Revan mit einer Armbrust bewaffnet. Gegen so viele hatten sie keine Chance. Revan konnte vielleicht zwei weitere Erledigen bevor sie zu nahe wären und dann....

,, Wir sind ja so was von Tod“ ,dachte Jaret laut zu Ende.

Revan lachte. ,, Dabei merkt man erst, das man lebt.“ Mit diesen Worten zog er mit der anderen Hand das Kurzschwert und reichte es Jaret.

Diese betrachtete die Waffe lediglich unsicher. Jade nahm wiederum ihr Messer und trat neben ihn.

Der geordnete Trupp löste sich auf und Zwanzig bewaffnete Soldaten  Schritten auf sie zu. Revan blieb davon gänzlich unbeeindruckt. Es gelang ihm Drei der Soldaten auszuschalten. Mit kalter Präzision zielte er und jeder Bolzen traf sein Ziel tödlich.

 ,,Wenn ich hier noch mal lebend rauskomme, erklärst du mir, wo du das gelernt hast“ , rief Jaret.

,, Wenn.“ , war Revans Antwort.

 

Der erste der Soldaten hatte sie erreicht. Das Schwert  hatte er bereits zum Stoß bereit und der nur mit der ungewohnten Klinge bewaffnete Jaret erwartete jeden Moment tödlich getroffen zu werden.

Der Treffer blieb aus. Stattdessen fasst der Mann sich an den Hals. Blut rann aus seinem Mund. Dann brach er zusammen.

Der nächste Bewaffnete, der sie erreichte, wurde von einem Lichtblitz getroffen.

Wo der Mann vorher gestanden hatte, war nur etwas Staub zurückgeblieben.

Die nächsten zwei gingen in Flammen auf und liefen schreiend hin und her. Das Feuer ging  erlosch trotz des strömenden Regens nicht und brannte ihnen das Fleisch von den Knochen.

 Die übrigen Männer schauten sich verwirrt nach dem neuen Angreifer um, konnten aber nichts entdecken. Nur der Hauptmann bewahrte die Ruhe. ,, Schnappt sie euch schon. Wenn wir versagen reißt der Regent euch den Kopf ab.“ Und ihm vermutlich auch, dachte Jaret.

Die Soldaten sammelten sich wieder und versuchten erneut vorzurücken. Fünf von ihnen  traten in einer geschlossenen Reihe vor aber kurz bevor sie ihre drei Ziele erreichten . wurde jeder einzelne von einem Blitz gefällt.

 

Jaret sah sich nun ebenfalls nach dem Neuen Angreifer um. Er brauchte nicht lange suchen.

Eine in eine Robe gehüllte Gestalt stand über ihnen auf der Kippe.

Der Kommandant ihrer Gegner schien seinem Blick gefolgt zu ein, denn im selben Moment riss dieser die Armbrust hoch und feuerte auf die fremde Gestalt im Regen. Der Bolzen ging weit daneben. Und die Soldaten gingen immer noch zu Boden, ohne sich wehren zu können. Einer zerfiel im vollem Lauf vor seinen Augen zu Staub, während der Kommandant die Armbrust wider nachlud.

Vielleicht war es Verzweiflung, vielleicht der eiserne Wille seinen Auftrag zu erfüllen, oder auch beides, aber als der Hauptmann sah wie seine Männer weiterhin fielen, riss er die Waffe wieder hoch und drückte erneut ab.

Eine Sekunde später wurde er von einem Blitz in seiner Rüstung gekocht.

 

Jaret  spürte einen brennenden Schmerz in der Brust. Er blieb noch einen Moment auf den Beinen. Der Bolzen hatte ihn Links in die Brust getroffen und ein kleines Blutrinnsal lief aus der Wunde.  

Wirklichen Schmerz spürte er nicht, eher Überraschung.

 Er fand den Gedanken fast zum Lachen. Nach allem sollte er hier sein Ende finden. Kurz vor ihrer Rettung. Es war wirklich zum Lachen, die pure Ironie, und er hätte es getan wenn er die Kraft dazu gefunden hätte.  Dann gaben seine Beine nach. Er fiel auf den Rücken. Der Regen strömte ihm in Gesicht. Das letzte was er sah, bevor alles um ihn herum Dunkel wurde, war eine in eine Robe gekleidete Gestalt die sich über ihn beugte.

,, Sieht nicht gut aus.“ , hörte er Revans stimme und etwas das fast wie Weinen klang im Hintergrund.

,, Er ist ein Seher ?“ , fragte  eine Stimme die Jaret nicht kannte und beantwortete sich die Frage selbst,,  Sonst wäre er wohl nicht hier. Helft mir ihn wegzubringen. Er wird ohne Hilfe nicht überleben.“

,, Woher wissen sie...“ , setze Jade an

  ,, Das ?“ , fragte wieder die unbekannte Stimme, ,, Ich habe mein Leben damit verbracht Sehermagie zu studieren. Ich werde ja wohl einen erkennen wenn ich einen sehe.“ Der Fremde klang fast ein wenig beleidigt.

Dann war da nichts mehr außer ineinander wirbelndem Schatten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Kapitel 12 Erwachen

 

 

 

 

,,  Die größte Gefahr für einen Seher ist letztlich seine eigene Gabe. Im Voraus zu wissen ob man scheitert macht es schwierig die Richtigen Entscheidungen zu treffen“

Varis Galeron

 

 

 

 

Wirbelnde Dunkelheit, Farben. Ein Ufer schälte sich aus dem Nebel in seinem Verstand. Er hatte es schon mal gesehen. Eine Vision von sich selbst an einem Sees, den der Sonnenaufgang Rot färbte. In der rechten  Hand hielt er ein Schwert. Die Linke hatte er lose in die Hüfte gelegt. Er stand mit dem Rücken zum See. In der Ferne näherte sich etwas. Eine Gruppe von Reitern kam mit gewaltigem Tempo auf ihn zu. Die Staubwolke verdeckte seine Sicht. Kurz bevor die Kavallerie ihn erreichte, endete seine Vision.

 

Als Jaret  aufwachte wusste er einen kurzen Moment nicht wo er war. Dann brachen die Ereignisse der letzten Nacht über ihn herein wie eine Flut. Mit einer Hand tastete er nach dem Bolzen. Ein weißer Verband spannte sich über die Wunde. Dort wo er getroffen worden war befand sich lediglich ein roter Fleck. Auch an seiner linken Hand befand sich ein Verband Langsam setzte Jaret sich auf und sah sich um. Er lag in einem kleinen Bett, das in einer Holzhütte stand. Durch ein einzelnes  Fenster konnte er sehen, dass er sich noch immer in den Bergen befand. Ich durchfuhr nur eine einzige Frage als er an seine letzte Vision dachte. Hatte er seinen Tod gesehen? Und während sein Verstand langsam begann seine Bruchstückhafte Erinnerung zusammenzusetzen, keimte in ihm eine weitere Frage auf. Wer hatte sie gerettet?

 

Er versuchte aufzustehen und obwohl er immer noch ein wenig wacklig auf den Beinen war, ging es ihm doch besser als er selbst vermutet hatte. Eigentlich sogar besser als seit Tagen.

Seine Sachen lagen, ordentlich zusammengefaltet, auf einem Stuhl in der Nähe der Tür. Sein Rucksack stand daneben. Sein Wanderstab lehnte an dem Stuhl.

Nachdem er sich angezogen hatte, durchsuchte er den Rucksack. Das Buch der Seher fehlte....

Er durchsuchte den Rucksack ein weiteres Mal. Nichts. Das Buch war Weg.

Jemand musste es herausgenommen haben. Vielleicht waren es Revan oder Jade gewesen oder der Mann der ihnen in der Schlucht geholfen hatte. Er hatte nur ein paar Bruchstückhafte Erinnerungen an die Zeit nach dem er von dem Bolzen getroffen worden war. Regen, ein vom alter und Wetter gezeichnetes Gesicht, die Worte.....

Hatte ihr Retter tatsächlich gesagt er habe die Seher-Magie studiert? Möglicherweise…

 

Er würde es bestimmt nicht durch Rumstehen herausfinden. Jaret verließ das Zimmer und fand sich in einem großen Zimmer wieder.

An der Wand stand ein Kamin in dem ein kleines Feuer brannte. Ein kleines Bücherregal, in dem neben drei Wälzern noch ein Sammelsurium aus Kleinkram gestapelt lag. Ein Kristall, dessen glasklare Oberfläche  das Sonnenlicht brach, das ihn traf.

Mehrere versiegelte Schriftrollen… und ein goldener Globus, der bequem in Jarets Hand passte. Fasziniert betrachtete er einen Moment die Oberfläche, in die die Umrisse des Kontinents und die Grenzen der drei Länder eingearbeitet waren. Raven hoch im Norden, wo die Konturen des Landes zerfaserten zu Inseln und Fjorden, die die Gegen durchschnitten.

Darunter Egarium. Sie mussten jetzt bereits ziemlich nah an der Grenze sein, wenn er darüber nachdachte. Und parallel dazu gelegen Arbitrium.

Darum befand sich nur der Ozean.

Jaret legte die Kugel zurück.

 Von einer weiteren Tür hörte er Stimmen. Er trat hindurch und wurde einen Augenblick lang von der Sonne geblendet, die ihm entgegenschien.

Vor der Hütte saßen Revan, Jade und der Mann aus der Schlucht an einem grob gehauenen  Tisch. Das Irrlicht Lis  kreiste in einigem Abstand um ihre Köpfe.

Das Buch der Seher hatte der fremde Mann aufgeschlagen vor sich liegen. Seine grauen Augen wendeten sich Jaret zu, als er diesen in der Tür stehen sah. Ein von Wetter und auch Alter gezeichnetes Gesicht sah ihm entgegen.

,, Sieh mal einer an wer da von den toten Auferstanden ist. Komm her Junge wir haben einiges zu Besprechen. “, sagte der Alte in einem herzlichem Tonfall, der allerdings auch keinerlei Wiederspruch duldete.

Das schlechte Wetter das sie auf ihrem Weg begleitet hatte war verflogen. Stattdessen Schien die Sonne und von dem Vorsprung aus auf dem die kleine Hütte erbaut worden war schien es Jaret so als könnte er unendlich weit sehen. Was wie ihm natürlich bewusst nicht stimmen konnte. Trotzdem warf der Wetterumschwung eine weitere Frage auf.

,, Wie lange war ich...“

,, Bewusstlos ?“ , fragte Revan, der grade an einem Stück Käse knabberte. ,, Nur einen Tag und dank der Heilkunst von Gerret hier, war mehr auch nicht nötig.“ Er sah zu dem alten Mann. Das war er also… Gerret Giller, der Magier wegen dem sie hierhergekommen waren. Es gab keine Zufälle mehr.

Die Art allerdings, wie Revan den Zauberer musterte gefiel ihm gar nicht. Der Schütze kam ihm plötzlich Fremder vor, als jemals zuvor. Kannte er Gerret etwa?

Dieser schien  allerdings nicht zu bemerken oder Revan einfach zu ignorieren: ,, Allerdings, gestern haben wir alle eine Weile gedacht, du würdest gar nicht mehr aufwachen.“ Er sah zu der Tabajaxie, die bisher geschwiegen hatte. ,,Jade hier auch, oder ?“

Einen Augenblick sah sie nur vor sich hin, dann stand sie jedoch auf und umarmte Jaret einen Augenblick.

Jaret war von der plötzlichen Umarmung so überrascht, dass er fast rückwärst gestolpert wäre. Aber nur fast.

Danach setzte sie sich einfach wieder hin. Ohne ein Wort.

Jaret stand einen Augenblick nur da, dann räusperte er sich verlegen und setzte sich gegenüber von Giller an den Tisch.

Er wusste nicht recht wie er beginnen sollte.

,, Wie viel wisst ihr schon ?“

Gerret schmunzelte. ,, Das meiste, aber vielleicht beginnst du noch einmal von vorne. Ich kann nicht ganz glauben, was deine Freunde mir erzählt haben.

Du bist ein Seher?“

,, Es würde keinen Unterschied machen ob ich in dieser Hinsicht  Lüge oder nicht.“ , gab Jaret zu bedenken.

Der Zauberer nickte. ,, Wenn der Rest auch nur halb wahr ist, nicht.“ Er schlug das Buch der Seher zu und reichte es wieder Jaret. ,, Aber das hier ist nicht ohne Grund in deinem Besitzt.“

,, Wenn es euch wirklich nur darum geht, ja. Ich bin was ich bin. Ein Seher.“ Er sah dem Magier direkt in die Augen, hinter denen dasselbe geheime Feuer zu brennen schien wie einst hinter Rubens. ,, Ob ich Angst davor habe ? Oh ja. Aber noch mehr Angst macht mir die Tatsache, dass ein Mann, dem ich dachte vertrauen zu können, die Seelen seiner eigenen Untertanen stiehlt.“

,, Davor… solltest du tatsächlich Angst haben.“ , erwiderte Gerret ernst.

,, Ich bin nur aus einem Grund hier.“ , fuhr Jaret fort. ,, Um Hilfe zu suchen. Was Ruben tut ist falsch in jeder Hinsicht. Es gibt nur eines, das mich interessiert. Werdet ihr etwas tun?“

,, Du bist ziemlich vorlaut.“ , antwortete der Zauberer. ,, Aber das ist gut. Ein Seher sollte das recht haben für andere Voreilig zu sein.“ Er seufzet ,,Das musste ja irgendwann so kommen.“

,, Was musste irgendwann so kommen ?“ , fragte Jaret.

,, Wisst ihr, ich kenne Ruben schon sehr lange. Er hatte immer eine  Schwäche dafür, Grenzen zu übertreten.“ , sagte  Giller mit Ernstem Ton.

Danach blieb er lange Still. Jaret wollte schon fragen was los war, als der Zauberer anfing zu sprechen.

,, Das Buch des Blutes.“ , setzte er an, machte dann aber wieder eine Pause, als wüsste er nicht wie er fortfahren sollte. ,,. Das Buch hat die Eigenschaft entwickelt,  ich suche nach einem passenden Wort…, den Benutzer zu beeinflussen. Fast wie ein verzauberter Gegenstand. Es ist praktisch das Gefäß für den Willen der Magier von damals.

Ich fürchte Ruben hat diese Gefahr maßlos unterschätzt und ist auf dem besten Weg  so zu werden wie sie. Und wenn das stimmt, steht das Schlimmste noch bevor. Desto mehr Zeit vergeht desto schlimmer wird es werden.“

,, Und was bitte sollen wir jetzt tun ?“ , fragte Revan angespannt. Er sah zwischen dem Magier und Jaret hin und her, als erwarte er jeden Moment, dass einer der Beiden auf ihn losging. Was war nur mit ihm los…

,, Nun vielleicht erzählt er mir , was mit seiner Hand passiert ist ?“ , sagte Giller mit einiger Schärfe und deutete auf Jaret. ,, Falls du nämlich nicht zufällig damit in ein Lagerfeuer gefallen bist ,und ich glaube kaum das du so dumm wärst, gibt  es nur eine andere Ursache dafür und die hättest du nicht überlebt, also ?“

 ,, Ruben hat mich angegriffen.“ , erwiderte er unsicher. ,, Ich weiß nicht was dann passiert ist.“

,, Du hast überlebt.“ , antwortete der Magier ,, Interessant. Darf ich die Hand noch mal sehen?“

Jaret streckte dem Zauberer die Linke über den Tisch hinweg hin. Vorsichtig löste der Mann den Verband darum. Das Brandmuster bildete Mittlerweile Schwarze streifen die sich quer über den Handrücken zogen.  Langsam fuhr der Alte mit einem Finger eine der Linien nach.

,,  Ich habe versucht es zu heilen aber der Zauber der das hier verursachte hat sich tief eingebrannt. Wirklich Interessant. Bei mir war es ein Sturz von einer Klippe.... War vermutlich weniger Schmerzhaft.“

,, Was meint ihr  damit ?“ , fragte Jaret.

,,  Die Begabung zur Magie ist zwar angeboren , aber es braucht bei dem meisten einen ersten Auslöser, einen Moment, in dem  spontane Magie wirken kann, meistens ein Moment in dem man  unter großem Stress steht. Bei dir war es Rubens Angriff.“

,, Mir gefällt nicht, worauf das hinausläuft.“ , bemerkte Revan. Jaret nickte. Er musste ihm zustimmen. Er ahnte die Bedeutung.

,, Du bist ein Magier , Jaret. Nicht verwunderlich. Die Seherbegabung ist nur eine andere Art von Magie. Und du wirst lernen müssen, das zumindest zu kontrollieren.“ Er sah zu Revan. ,, Magie ohne Kontrolle, kann gefährlich sein.“

 Gerret  streckte ihm die linke  Hand über den Tisch hinweg hin. Eine Erinnerung kehrte an die Oberfläche von Jarets Bewusstsein zurück. Er hatte diese Situation bereits in einer Vision gesehen. Damals hatte er die Hand ergriffen. Hatte er überhaupt die Möglichkeit anders zu handeln? Er wusste es nicht. Er wusste nur dass er letzten Endes Einschlug. Hatte er überhaupt eine Wahl gehabt?

 

 

 

 

 

 

Danach zerstreute sich die kleine Runde. Revan stand beinahe fluchtartig auf und verschwand einen ausgetretenen Weg hinab, der von der Hütte des Zauberers ins Tal führte. Gerret sah ihm einen Augenblick nach, bevor er sich ebenfalls erhob. ,, Es gibt wohl… einiges zu klären.“ Er klang angespannt, bevor er ohne eine weitere Erklärung dem Schützen folgte.

Jaret und Jade sahen sich nur einen Augenblick an. Jaret zuckte mit den Schultern. ,, Was immer das jetzt grade war…“

,, Er hat Angst.“ , antwortete Jade, die kaum aufsah.

,, Wer, Revan ?“

Sie nickte. ,, Ich schätze, ab hier ist für uns alles vorbei. Ab jetzt ist es dem Zauberer überlassen.“

,, Nein. Ich könnte nicht einfach gehen, bis ich weiß, dass Ruben aufgehalten ist“ Wie immer das aussehen würde. Er bemerkte wie seine linke Hand anfing zu zittern. Es schien nur eine Möglichkeit zu geben.

Aber wenn Gerret Recht hatte, war der Zauberer nicht selbst für seine Taten verantwortlich. Nicht ganz zumindest… Ein Erleichternder Gedanke. Auch wenn er akzeptieren musste, das der Mann, den er einmal gekannt hatte vielleicht nicht länger existierte.

,, Du kannst dich nicht um alle kümmern. Das Beste,  was du noch erreichen wirst, ist dich umbringen zu lassen.“ , bemerkte Jade beinahe vorwurfsvoll.

,, Das sollte mich aber nicht daran hindern es zu versuchen. Ich war einmal geblendet.“ Er hatte vergessen, was auf den Straßen Seminiums geschah. Und er hatte Rubens Absichten zu spät hinterfragte wie es ihm schien. ,, Das passiert mir nicht noch einmal. Wenn du gehen willst, steht dir das jedoch frei.“ Jaret versuchte neutral zu klingen.

,, Genau das habe ich vor.“

Er musste ein leises Lachen unterdrücken, als er die Lüge erkannte. ,, Nein hast du nicht. Deine Ohren zucken, wenn du lügst.“

Sie strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. ,, Ich wüsste überhaupt nicht wohin ich sollte. Seminium wäre ein Todesurteil.“

Insgeheim war er froh, dass sie blieb.

,, Sieh es einfach als Neuanfang.“

,, Das fällt dir offenbar leicht.“

,, Hey, abwechslungsreich ist es. Abgesehen von den Momenten, wo man versucht mich umzubringen.“

Jade schüttelte lediglich den Kopf. Als sie wieder aufsah lächelte sie jedoch. ,, Du bist ein seltsamer Mensch.“

 

 

 

,, Also, wer seit ihr wirklich  ?“ , fragte Gerret, als er sich der in schwarz gekleideten Gestalt näherte.

Revan schwieg lediglich und sah einen Augenblick den Weg zurück, den sie gekommen waren. Die Hütte des Zauberers war längst außer Sichtweite und um sie herum fiel der Felsen auf drei Seiten steil ab.

Ein falscher Schritt und ein unvermeidbarer Sturz in die Tiefe wäre die Folge.

Gerret musste gemerkt haben, in welche gefährliche Position der Mann ihn geführt hatte. Der Magier wurde langsamer und blieb stehen.

,, Ist es wirklich wichtig, wer oder was ich bin ?“ , erwiderte er und wiederholte damit fast Jarets Worte. ,, Wir stehen auf ein und derselben Seite in dieser Sache.“

,, Tuen wir das ? , fragte  Gerret

Das Irrlicht schwebte in einiger Entfernung in Schulterhöhe Revans, der dem Zauberer nun den Rücken zudrehte.

,, Und wenn die Situation anders wäre, wären wir dann immer noch auf derselben Seite ? ,, Ich rieche die Magie in eurem Blut bis hierher, aber ihr habt sie nicht genutzt um euch zu verteidigen.“ , sagte er. ,, Ihr seid nicht, was ihr vorgebt zu sein.

Revan lächelte müde.

,, Ich habe dem grauen Orden schon vor einiger Zeit den Rücken gekehrt.“ , erwiderte Revan.

,, Dann gibt es ihn noch?“

,, Ich weiß es nicht. Ich schätze wen, dann haben nur wenige überlebt.“

,, Und doch reißt ihr mit einem magischen Wesen zusammen.“ , stellte der Magier fest und sah in Richtung des Irrlichtes.

,, Das ist eine lange Geschichte.“

,, Die euch nichts angeht.“ , fügte Lis hinzu.

,, Wichtig ist nur, das ich keinen Streit mit euch habe.“ , sprach Revan weiter. ,, Und ich nicht Plane euch zu schaden.“

,, Ihr hättet wenig Erfolg damit.“ , versicherte Gerret, dessen Stimme jetzt jedoch weniger streng wurde. Hatte er etwa Mitleid mit der einsamen Gestalt? ,, Was ist mit Jaret ?“

,, Was soll mit dem sein ? Wir sind uns mehr zufällig begegnet.“

,, Wenn wir über Seher sprechen gibt es keine Zufälle.“

,, Ihr setzt voraus, das er die Wahrheit sagt.“

,, Und ihr Zweifelt daran ?“ , wollte der Magier wissen.

,, Die Zukunft vorherzusehen ist eine Macht, die niemand besitzen sollte. Würde ich nicht daran zweifeln, hätte ich ihn in Seminium getötet.“

,, Er ist kaum mehr als ein Junge.“ , meinte Lis. ,, das hättest du nicht übers Herz gebracht.“

,, Mag sein.“ , erwiderte Revan. ,, Aber ein Junge mit einer Macht, die einen Seelenmagier Armselig und Harmlos erscheinen lassen würde.“ Er wendete sich dem Magier zu. ,, Und ihr wisst das.“

,, Nicht solange es eine andere Option gibt.“ Gerret wendete sich zum Gehen. ,, Ich werde mit Jaret reden.“

 

 

 

Es war Abend geworden.

Jaret saß an einem Feuer auf einem Hügel über Gillers Hütte und wartete.

Der alte Magier hatte ihn nach Sonnenuntergang dorthin bestellt, wozu auch immer.

Er sah den sich schlängelnden Weg hinab zur Hütte des Zauberers. Eine einsame Gestalt ging den Weg hinauf. Er war noch weit entfernt, aber Jaret wusste wer es war. Über der rechten Hand schwebte eine blaue Lichtkugel die den Pfad vor ihm erhellte. Die Gestalt trug eine einfache Braune Robe.

Giller setzte sich ohne ein Wort zu ihm  ans Feuer.

,, Es gibt Dinge über Magie, die du verstehen musst.“ , begann er schließlich.,, Du hast zwei äußerst gefährliche Gaben in dir vereint. Die Begabung zur Magie wie zur Vision.“

,, Ich möchte keine davon.“ , antwortete Jaret.

,, Ich fürchte,  Magie kümmert es selten, was jemand möchte.“ , sagte Gerret. ,, Heb deinen Arm.“

Jaret hielt die Hand unsicher hoch.

,, Versuch dir vorzustellen, wie die Wärme des Feuers in deine Handflächen wandert. Probiere nicht es zu erzwingen.  Manche brauchen Jahre bis ihnen die einfachsten Zauber gelingen.“

Jaret tat wie ihm geheißen. Er konzentrierte sich so gut er konnte auf das Feuer. Doch so sehr er sich auch anstrengte, die Flammen zeigten nicht die kleinste Reaktion. Der einzige Effekt war, das ihm langsam der Arm einschlief.

Er sah hoch zu Giller.

Dieser  Seufzte und schloss für einen Moment die Augen.

Feuer schlug  aus Jarets offener  Handfläche und hinterließ neben dem Lagerfeuer eine zweite kleinere Flamme. Giller öffnete die Augen wieder und lächelte schwach.

,, Das Potential ist da. Die Umsetzung aber… eher Mangelhaft. Ich habe dir ein wenig geholfen. Diesmal versuch es alleine.“

Sie saßen fast eine geschlagene Stunde vor dem Feuer, allerdings ohne nennenswerten Erfolg.

Nichts.

Giller unterbrach ihn schließlich.  ,, Genug für heute. Wie gesagt: Es braucht seine Zeit. Erzwing nichts. Das kann nur schief gehen.“

Jaret stand auf. ,, Ich fürchte ich habe schon genug mit einer Gabe zu tun, die ich nicht beherrschen kann.“ Ohne ein weiteres Wort ging er den Weg zurück zur Hütte. 

Giller blieb am Feuer zurück und starrte verloren in die Flammen. ,, Du wirst es eines Tages kontrollieren müssen.“ , hörte er ihn sagen. Er war sich nicht sicher ob Giller nicht  nur laut gedacht hatte.

 

 

Am nächsten Morgen, nach einem Frühstück bei dem sie ihre letzten Vorräte und Giller einige Dinge aus der Speisekammer der Hütte beisteuerten, erklärte der Magier  ihnen seinen Plan.

,, Wenn Ruben das Militär kontrolliert und sich selbst als Regenten eingesetzt hat, ist er praktisch unangreifbar. Selbst wenn einige möglicherweise die Wahrheit ahnen. Wenn wir eine Chance haben wollen, müssen wir die anderen Länder darüber informieren was vorgefallen ist. Einen Schwarzmagier auf dem Thron werden sie niemals dulden.“

,, Was genau sollen wir also tun ?“  , fragte Jade.

,, Ganz einfach. Ich habe immer noch Kontakte zu einigen Beamten und Adeligen in Raven und Egarium. Wenn wir es schaffen sie dazu zu bekommen gegen Ruben in den Kampf zu ziehen, haben wir eine Chance. Ich fürchte allerdings, dass wir dabei einige Probleme bekommen könnten. Die Länder wissen, dass Ruben das Buch besitzt und was es bedeutet.

Ein Krieg stellt für sie eine große Gefahr da und wir haben keine Ahnung was Ruben mit dem Buch vorhat oder wozu er inzwischen damit in der Lage ist. An Seelen für Zauber dürfte es ihm ja leide nicht mangeln und jetzt wo der König aus dem Weg ist, muss er sein Vorgehen nicht mal mehr tarnen.“

,, Dann sollten wir so schnell wie möglich aufbrechen. Desto länger wir zögern, desto stärker wird Ruben werden.“ , stellte Jaret fest.

,, Und was bitte wenn das nicht klappt ? Ihr habt es bereits angesprochen. Sie könnten sich entscheiden einfach aus Angst nichts zu tun.“ , warf Revan ein.

,, Haben wir eine Wahl ?“ , fragte Giller ihn.

Revan sah eine Weile zu Boden. ,, Nein. Ich sage ja nur, dass der Plan ziemlich viele wenn’s enthält. Aber, ihr habt recht, was bleibt uns anderes übrig.“

,, Nun, “ , Giller war mittlerweile aufgestanden und durchsuchte einen Schrank in der Ecke des Raums, ,,  dann sollten wir keine Zeit mehr verschwenden “ , meinte er und warf Revan einen Rucksack zu. ,, Na los. Der füllt sich nicht allein. Es ist eine Strecke von mehreren Tagesreisen bis nach Egarium.“

,, Wieso als erstes dorthin ?“ , warf Revan ein. ,, Wisst ihr ich habe nicht grade, das beste Verhältnis zu den Regierenden dort.“

Giller sah ihn einen Moment fragend an. Doch Revan schwieg beharrlich. Er würde wohl nicht mehr dazu sagen. Sie würden früh genug erfahren, was er meinte.

 

 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 14.06.2014

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