Kapitel 01
„Sie mal an! Hier ist ja unser Homo!“, rief Taylor und knallte mir die Hand auf den Hinterkopf, so, dass meine Nase hart auf dem Holztisch aufschlug. „Fuck you Mann! Ich bin nicht schwul!“, fuhr ich ihn wütend an. „Ich weiss… will dich doch nur ein wenig auf den Arm nehmen!“, grinste der grosse, sportliche Typ und schlang seinen Arm um meine Taille und zog mich an sich.
„Aber wir beide wären doch ein süsses Paar!“ Die Klasse um uns begann zu lachen und ich löste mich genervt aus seiner Umarmung. „Nur weil meine Dad’s schwul sind heisst das nicht, dass ich das auch bin!“, knurrte ich dich an. Ich setzte mich wieder an meinen Schultisch ganz hinten in der Klasse und blickte aus dem Fenster.
Zum Glück kam unser Bio-Lehrer in diesem Moment in das Klassenzimmer. Das lief schon seit der ersten Klasse so. Seit meine beiden Dad’s an einem Elternabend waren und alle Eltern ihren Kindern gesagt hatten, dass meine Eltern schwul waren, zogen mich alle damit auf. Ich hatte mich gut damit abgefunden. Es war ja nicht so, dass Homosexualität verboten war.
„Ehm… Alexej… ich war letzte Stunde nicht da und hab dieses Blatt nicht…“, kicherte ein Mädchen neben mir… Anna… wieder einmal. „Dann geh es hohlen!“, fuhr ich sie entnervt an und wandte mich wieder dem Fenster zu. „A…“, wollte sie nochmal anfangen, doch ich brüllte einfach los. „Was bist du eigentlich für eine aufdringliche Pussy? Kannst du nicht aufstehen und dir so ein scheiss Blatt hohlen gehen?“
„Alexej?“, fragte unser Bio-Lehrer. Die ganze Klasse starrte mich an. Ohne, dass ich es wollte war ich aufgestanden. „Vielleicht ist er wirklich schwul! Wer bitte schön lässt Anna abblitzen! Ich meine SIE ist ANNA!“, flüsterte jemand aus der Klasse. Ich war sauer, auf alle! Wieso konnten sie mich nicht einfach als Menschen anschauen?
„Nur weil meine Dad’s so sind…“, flüsterte ich. Die schwarzen, verstrubbelten Haare fielen mir in die Augen und niemand sah wie diese sich langsam mit Tränen füllten. „Können wir jetzt bitte mit dem Unterricht vorfahren?“, fragte der Lehrer. „Entschuldigung“, murmelte ich, doch statt hinzusitzen packte ich meine Schultasche und rannte aus dem Zimmer.
Mein Lehrer rief mir noch irgendetwas nach, doch ich war schon auf dem Gang und suchte verzweifelt den Ausgang. Ich hörte erst auf zu laufen, als ich in einem düsteren Waldstück angelangt war. Der Weg unter meinen Füssen war schlecht und steinig und wohl auf keiner Landkarte festgehalten worden.
Ich schniefte und rieb mir eine Träne aus dem Augenwinkel. Ich hasste meine Dad’s! Wieso hatten sie genau mich adoptieren müssen? „Das ist unfair!“, schrie ich, doch niemand antwortete. Ich spürte das Handy in meiner Hosentasche vibrieren und ich holte es heraus. Auf dem Display machte sich die Anzeige HOME breit.
Abfällig schnaubend stopfte ich es zurück in meine Tasche und wanderte weiter, den Weg entlang auf dem ich gerade stand. Meine Füsse trugen mich wieder aus dem Wald hinaus und auf eine Landstrasse, die in einem weiten Bogen zurück zur Stadt führte.
Ich lief mit grossen Schritten den Weg entlang und strich mir immer wieder die Haare aus den blass, blauen Augen. Als mein Handy sich schon wieder bemerkbar machte und ich auf den Display schaute, machte mein Herz einen erleichterten Sprung.
„Denny!“, rief ich in das Gerät. „Ach du Vollidiot bist abgehauen!“, empfing sie mich. Ich konnte ihren amüsierten Unterton hören und musste grinsen. Denise halt! „Wo bist du? Ich hol dich ab!“, schlug sie mir vor. „Ja bitte! Ich weiss nicht genau. Auf irgend so einer alten Landstrasse südlich der Stadt!“, antwortete ich.
„Da gibt es nicht viele! Du kommst nicht zufälligerweise aus dem Wald oder?“ „Doch!“, bestätigte ich. „Ich bin in zehn Minuten da!“, rief sie und hängte auf. Denny war einfach genial! Sie war zwar auch lesbisch, aber einfach super! Sie war klein, vielleicht 1 m 65 gross, hatte rotbraune Haare, die ihr bis in die Hälfte des Rückens fielen und Augen die die Farbe von dunkler Schokolade hatten.
Obwohl sie schon 24 war, sah man ihr das nicht an. Sie hatte ein kindisches, aber hübsches Gesicht und feingliedrige Finger. Sie war schon 13 gewesen, als unsere Dad’s sie adoptierten und sie kam aus Frankreich. Das hörte man aber heute immer noch, an ihrem starken Akzent.
Texte: Alle © von Céline Karrer
Tag der Veröffentlichung: 23.03.2011
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