Barbara Schlüter
Verheimlichte Liebe
Gesellschaftsroman um 1890
ELVEA
www.elveaverlag.de
Kontakt: elvea@outlook.de
Auflage: Schardt-Verlag 2014
Neuauflage: © ELVEA 2020
Alle Rechte vorbehalten.
Das Werk darf, auch teilweise,
nur mit Genehmigung des Verlages
weitergegeben werden.
Autorin: Barbara Schlüter
Bildquelle/Titelbild: Andreas-Andrew Bornemann
Hannover Bahnhof
www.postkarten-archiv.de
Covergestaltung/Grafik: ELVEA
Layout: Uwe Köhl
Projektleitung
www.bookunit.de
Barbara Schlüter ist seit 33 Jahren selbständige Kommunikationstrainerin, Coach und Managementberaterin. Als wissenschaftliche Assistentin (damals Barbara Kroemer) am Historischen Seminar der Universität Hannover bot sie als Erste Veranstaltungen zum Thema ›Frauen in der Geschichte‹ an. Mit ihrem Sachbuch ›Rhetorik für Frauen‹ (1987) hat sie Pionierarbeit auf diesem Gebiet geleistet.
Sie lebt nach einigen Jahren im Rheinland seit 2001 wieder in ihrer Heimatstadt Hannover und auf La Palma.
Ihre historische Romanreihe um 1890 ›Vergiftete Liebe‹, ›Verheimlichte Liebe‹, ›Gerächter Zorn‹ mit Detektivin Elsa besteht aus jeweils in sich abgeschlossenen Folgen. Außerdem ist Elsa aktiv in der Hannover Erzählung (1889) Wenn der Kaiser kommt, ist Feiertag in ›Ausgerechnet zum Feiertag – historische Mord(s)geschichten‹ und in ›Ein eiskaltes Händchen‹ (Hannover 1888/89) in: Joachim Anlauf, Peter Gerdes (Hrsg) Tod unterm Schwanz, Anthologie zur Criminale 2020 in Hannover, Gmeiner Verlag.
www.dr.b-schlueter.de
Die Handlung und alle Personen des Textes sind frei erfunden.
Alle möglichen Ähnlichkeiten mit tatsächlichen Vorgängen oder Ereignissen bzw. mit lebenden oder gestorbenen Personen sind rein zufällig.
La Palma
Kein Feuer, keine Kohle kann brennen so heiß,
als heimliche Liebe,
von der niemand nichts weiß!
Maximilian von Elßtorff stand im Arbeitszimmer von Donna Isabella am Wandtelefon. Während er auf seine Verbindung wartete, konstatierte er beiläufig, dass auch bei der Ausstattung dieses Zimmers die Besitzerin des teuersten Edelbordells Hannovers genauso viel Geschmack bewiesen hatte wie bei der raffinierten und kostspieligen Einrichtung des gesamten Etablissements.
»Ich möchte mit Marga Lheiß sprechen, aber schnell«, bellte er ins Telefon, als sich einer der Angestellten seines Architekturbureaus, welches sich ebenso wie seine große Wohnung in der Königstraße befand, meldete. Seine Finger trommelten einen nervösen Marsch an die Wand, während er auf die Stimme der Haushälterin wartete. »Marga, endlich! Wir bekommen Besuch, lassen Sie das beste Gästezimmer richten. Bereiten Sie meine Frau, meinen Sohn und Elsa auf einen besonderen Gast vor. Wir kommen in etwa eineinhalb Stunden. Sorgen Sie dafür, dass reichlich Riechsalz und Cognac bereitstehen! Auch Ihnen steht eine Überraschung bevor!«
»Wird gemacht, gnädiger Herr.« Hinter seiner knappen Ankündigung in der Art des ehemaligen Offiziers erkannte Marga sofort seine große Angespanntheit. Und da sie ihn bereits seit zwanzig Jahren kannte, hütete sie sich nachzufragen, obwohl sie vor Neugierde brannte.
Auch Maximilians Gedanken verweilten einen kurzen Moment bei seiner Haushälterin, die außer ihm und seinem verstorbenen Logenbruder Sartorius als Einzige um das Geheimnis wusste, welches er nun bald zu lüften gezwungen war.
Seine Gedanken überschlugen sich. Die schöne Helena, die er hier besuchen wollte, hatte das Etablissement verlassen, da ein Herr ihr eine eigene Wohnung eingerichtet hatte und sie aushielt – er würde sie wohl nie wiedersehen! Stattdessen begegnete er zu seiner völligen Verblüffung unerwartet Emilie Sartorius, der verwaisten Tochter eines Logenbruders aus Königsberg. Er konnte sie unmöglich als Gesellschafterin bei der Besitzerin des Edelbordells lassen. So gab er sich als Freimaurer und alter Freund von Sartorius zu erkennen und erklärte sich bereit, die junge Frau zunächst in seiner Familie aufzunehmen.
Ein Klopfen riss ihn aus seinen Gedanken, da trat auch schon Donna Isabella ein.
»Während Emilie ihre wenigen Habseligkeiten packt, können wir ja noch ein paar Worte unter vier Augen wechseln, Herr von Elßtorff. Da gab es ja heute für Sie und für mich eine große Überraschung.«
Maximilian von Elßtorff nickte nur stumm.
Ganz Geschäftsfrau, fuhr Donna Isabella fort: »Nun, es gibt einige entzückende Neuzugänge hier, die Sie jederzeit gern verwöhnen werden.«
Von Elßtorffs Reaktion erschien ihr wenig enthusiastisch, daher vertiefte sie das Angebot nicht und wechselte das Thema. »Auch ich habe Helena ungern verloren, aber eine solche Chance bietet sich meinen Mädchen nicht oft, da wollte ich ihr nicht im Wege stehen.«
Obwohl Maximilian den endgültigen Verlust Helenas noch längst nicht völlig begriffen hatte, durchzuckte ihn sofort der Gedanke, dass die Bordellbesitzerin aus ihrem Verlust gewiss Gewinn gezogen hatte. Dieser Mann, der konsequenter gehandelt hatte als er selbst, dürfte ein hübsches Sümmchen als Auslösung hingeblättert haben. Er riss sich zusammen.
»Momentan, Donna Isabella, gilt es sich um Fräulein Sartorius zu kümmern. Den kurzen Aufenthalt von ihr in diesem Haus werden wir beide, ebenso wie Emilie, für immer mit dem Mantel des Vergessens und absoluten Schweigens bedecken. Gott sei Dank ist ja kein Schaden entstanden – sollten Sie Auslagen gehabt haben, erstatte ich Ihnen diese sogleich.«
Nach einem kaum wahrnehmbaren Zögern erwiderte Donna Isabella: »Nicht nötig, Herr von Elßtorff, bleiben Sie meinem Haus gewogen. Es ist nobel, dass Sie sich um Emilie kümmern, der das Schicksal ja in letzter Zeit einiges abverlangt hat.«
Man verabschiedete sich, und Maximilian nahm sich im selben Moment vor, dieses Edelbordell nie wieder zu betreten.
Sein Diener und Kutscher hatte bereits den Zweispänner vorgefahren.
»Auf ein Wort, Franz.« Maximilian wusste, dass er sich auf Franz, der ihm als sein Bursche in der Schlacht von Langensalza 1866 das Leben gerettet hatte, stets blind verlassen konnte. »Beim Anblick der jungen Dame, die gleich mit uns fahren wird, verziehst du keine Miene. Zeit für Erklärungen bleibt nicht, das kommt später.«
Es kostete Franz allerdings seine ganze Selbstbeherrschung, nicht erstaunt aufzuschreien, als Emilie heraustrat. Aber es gelang ihm, sein Gesicht zunächst abzuwenden, sich zu fassen, dann eine gleichmütige Miene aufzusetzen und zwei Hutschachteln, einen großen Koffer und eine Reisetasche zu verstauen.
Er konnte nicht wissen, dass sein Herr mangels anderer Ideen beschlossen hatte, Emilies Einführung in die Familie wie einen militärischen Überraschungsangriff ablaufen zu lassen.
Dies musste er auch unaufschiebbar in die Tat umsetzen, da bereits am nächsten Morgen eine äußerst dringende Geschäftsreise anstand.
Auf der Fahrt von Kleefeld, vor den Toren Hannovers gelegen, in die Königstraße kam ein Gespräch nur stockend in Gang.
»Dein Vater und ich hielten in letzter Zeit kaum noch Kontakt, so wusste ich nichts von seinen Problemen. Wir lernten uns bei einer Reise zu den Kanarischen Inseln näher kennen und schätzen. Paul war ja sehr an Geschichte und auch am Weinbau interessiert.«
Emilie nickte. »Ja, er gab mal zum Besten, dass der britische Hofpoet pro Jahr ein Fass kanarischen Weines erhielt – er wusste so vieles, ich kann immer noch nicht glauben, dass er tot ist.« Nun konnte sie die Tränen nicht mehr unterdrücken. Maximilian reichte ihr sein Taschentuch. Nach einer Weile sprach sie weiter: »Mutter starb bereits vor vier Jahren, danach wurde Vater nie wieder der Alte. Erst nach und nach reimte ich mir zusammen, dass er mit ihr eine Menge Geschäftliches besprochen hatte, sie offenbar viel von Wein verstand und erheblich zu seinen Erfolgen beitrug. Er ertrank letztes Jahr beim Baden in der Ostsee, wahrscheinlich ein Herzschlag, denn er war ein guter Schwimmer.« Ihren leisen Verdacht, der Vater könne bewusst den Tod gesucht haben, verschwieg sie, da schon der Gedanke daran zu schmerzlich war.
Maximilian tätschelte ungeschickt ihre Schulter, um sie zu trösten, und sagte: »Sie Ärmste, wie schrecklich, einen Menschen so plötzlich zu verlieren, mein herzliches Beileid.«
Erneut trocknete sie ihre Tränen und fuhr nach einer Pause fort: »Nach seinem Tod stellte sich allmählich der vollständige Bankrott seines Weinhandels heraus. Abgesehen von einigen wenigen Schmuckstücken meiner Mutter ließ er mich völlig mittellos zurück. Um der Schande in Königsberg zu entkommen und Geld zu verdienen, bewarb ich mich auf die Stelle als Gesellschafterin, nicht ahnend, in welchem Haus ich landen würde. Allerdings behandelte Donna Isabella mich korrekt und zuvorkommend.«
»Das beruhigt mich sehr. Dennoch werden wir so tun, Emilie, als ob wir Sie vom Bahnhof abgeholt hätten – Sie haben mir, als dem Logenbruder Ihres Vaters, überraschend ein Telegramm geschickt. Auf Franz können wir uns verlassen. Dieses Vorgehen erspart uns umständliche Erklärungen.«
»Ja, Herr von Elßtorff, das leuchtet mir ein.« Emilie war froh, dass sie nicht errötete.
Da fängt diese ganze Angelegenheit gleich mit einer Lüge an, ging ihr durch den Kopf‚ allerdings handelt es sich um eine Notlüge, die uns beide vor Peinlichkeiten bewahrt.
Nach einem langen Räuspern raffte sich Maximilian schließlich zu einer weiteren, jedoch rätselhaften Anmerkung auf: »Unsere zufällige Begegnung sehe ich als eine Art Wink des Schicksals – es gibt noch einen zusätzlichen wichtigen Grund, dich in meine Familie aufzunehmen, aber das wirst du gleich erleben.«
Sein Gesichtsausdruck wirkte so angespannt, dass die völlig erstaunte Emilie nicht wagte, nachzuhaken. Schon gar nicht, wieso er sie plötzlich geduzt hatte.
In der Königstraße herrschte indes nervöse Erwartung. Alle fragten sich, was es mit der rätselhaften Ankündigung des Hausherrn auf sich haben könnte.
Im Salon in der Belle Etage saßen bereits Sophie von Elßtorff, ihr Sohn Heinrich, der in Berlin Medizin studierte, aber den Sommer bedingt durch eine Krankheit daheim verbrachte, und seine Ziehschwester Elsa.
»Schwesterlein, hör auf, hin und her zu rennen wie ein Tiger im Käfig. Papa wird bald kommen und das Rätsel, welches hinter seiner dubiosen Ankündigung steckt, auflösen.«
Sophie nippte an einem Kamillentee, den ihr die Haushälterin zur Beruhigung hatte zubereiten lassen. Marga Lheiß stand am Fenster, spürte, wie ihre Aufregung immer stärker wurde, und spähte nach der Kutsche.
Ungeduldig trommelte Elsa mit den Fingern auf der französischen Anrichte. »Hast du gewiss alles ganz genau wiedergegeben, was Onkel Maximilian gesagt hat, Marga?«
»Wortgetreu, Fräulein Privatdetektiv, darauf kannst du dich verlassen.«
»Detektivarbeit brauche ich vorerst nicht mehr. Der Todesfall im Königlichen Schauspielhaus hat mir gereicht«, wehrte Elsa ab. »Die systematische Herangehensweise eines Sherlock Holmes liest sich faszinierend, aber die Realität eines Verbrechens führt eher zu schlaflosen Nächten. Jedenfalls bin ich froh, dass unsere Freundin Roberta keine weiteren Anschläge auf ihr Leben befürchten muss.«
Blass geworden, setzte auch sie sich jetzt hin.
Schon reichte ihr Marga einen Kamillentee. Denn sie wusste genau, dass Elsa immer noch darunter litt, bei dem Giftselbstmord des Täters zugegen gewesen zu sein.
Erneut bezog die Haushälterin ihren Spähposten. Wieso will mich der gnädige Herr dabei haben? Und weshalb wird es auch für mich eine Überraschung? Ob es mit unserer damaligen Reise zu tun hat?
In diesem Moment kam die Kutsche angefahren. Bevor sie in die Toreinfahrt einbog, erhaschte Marga einen flüchtigen Blick auf ein junges blondes Frauenzimmer. Sie rieb sich die Augen, ihr Magen verkrampfte sich. Das konnte doch nicht sein …
Kurz darauf war vom Flur her ein erstickter Schrei zu vernehmen, der eindeutig dem Dienstmädchen Trine zuzuordnen war.
Da öffnete sich die Tür des Salons, Maximilian trat ein und sagte: »Das ist Emilie Sartorius aus Königsberg, die verwaiste Tochter eines Logenbruders von mir.«
Sophie und Heinrich schrien bei deren Anblick laut auf. Marga fasste sich ans Herz: »Also doch …!«
Elsa erhob sich unter Mühen aus ihrem Sessel. Jegliche Farbe war aus ihrem Gesicht gewichen, während sie ihr absolutes Ebenbild fassungslos anstarrte. Ihr Gegenüber trug das blonde Haar genau wie sie selbst, hochfrisiert, was die geraden, dunklen Brauen über aquamarinblauen Augen betonte.
Emilie blickte Elsa an wie eine Erscheinung, stieß einen gurgelnden Laut aus und fiel ohnmächtig in Maximilians Arme.
Zum ersten Mal in ihrem Leben benutzte Marga für sich zuerst das Riechsalz, eilte dann auf Emilie zu, um es ihr unter die Nase zu halten. Aus den Augenwinkeln nahm sie wahr, dass Heinrich, der kurzzeitig zur Salzsäule erstarrt war, seiner Mutter einen Cognac in die Hand drückte und bereits weitere Gläser einschenkte.
Emilie erwachte aus ihrer Ohnmacht und wurde behutsam von Maximilian und Marga zu einem Sessel geführt.
»Bitte, Marga, setz dich hin, bevor du auch noch umkippst«, schnarrte Maximilian und gab ihr einen Cognac.
»Papa, die beiden ähneln sich wie ein Ei dem andern – was hat das zu bedeuten?«, fragte Heinrich.
Sein Vater räusperte sich umständlich. »Es tut mir leid, dass ich alle so überfalle, aber es blieb keine Zeit, euch lange vorzubereiten. Emilie ist die Tochter eines mir nahestehenden Freimaurer-Bruders der Königsberger Loge, der leider kürzlich verstarb.«
»Mein aufrichtiges Beileid, Fräulein Sartorius, dennoch Papa, was erklärt die frappierende Ähnlichkeit?«
Elsas Gedankengänge überschlugen sich derweil, dann jedoch sortierte sie sich wie ihr Vorbild Sherlock Holmes.
»Da wir ja bereits sicher sitzen, möchte ich zunächst wissen, Emilie, wann bist du geboren?« Wie erstarrt blickten alle zu Emilie.
»Ich bin am 7. Oktober 1871 geboren«, lautete deren Antwort.
Heinrich rief: »Elsa ist auch am 7. Oktober 1871 geboren!« Trotz des in ihm tobenden Gefühlsaufruhrs bewunderte er seine Ziehschwester, die selbst in dieser Situation mal wieder schnell zum Kern der Sache vorstieß: »Hast du ein Muttermal links hinter dem Ohr?«
Völlig erstaunt neigte Emilie bestätigend den Kopf.
»Allmächtiger«, seufzte Maximilian leise, »wenn doch wenigstens Paul Sartorius noch lebte, um mich zu unterstützen.«
Elsa und Emilie sahen einander mit großen Augen an. Sophie und Heinrichs Blicke wanderten zwischen den zweien hin und her. Mit tränenüberströmtem Gesicht ging Marga auf die beiden zu, die sich wie auf Kommando gleichzeitig erhoben. Sofort schlang Marga die Arme um sie und flüsterte: »Ich danke dem Herrgott, dass ich euch noch mal zusammen an mein Herz drücken darf.«
Basses Erstaunen legte sich auf alle Gesichter – bis auf das Maximilians …
Sophie straffte schließlich die Schultern. »Du scheinst einige Geheimnisse zu lüften zu haben, mein Gemahl. Ich bin äußerst gespannt auf deine Erklärungen!«
»Ich werde alles erzählen, was ich weiß«, verkündete Maximilian, stand auf und bot seiner Frau den Arm. »Marga, lass bitte im Speisezimmer einen Imbiss servieren, wir brauchen zwischendurch eine Stärkung.«
»Bereits geschehen, gnädiger Herr.«
»Du bist eine unglaubliche Perle«, murmelte Sophie, die sich von der Lebensklugheit wie der Diskretion der Haushälterin schon des Öfteren hatte überzeugen können.
Elsa reichte Emilie die Hand. »Komm, meine liebe Geburtstagsschwester«, sagte sie munterer, als ihr zumute war, »das wird ein denkwürdiger Tag!«
Im Speisezimmer befanden sich erfrischende Getränke, und auf einer Anrichte standen verschiedene kleine Speisen.
»Für den ersten Hunger«, vermeldete Marga. »Für weitere Wünsche brauchen wir nur zu klingeln.«
»Also, Maximilian, bevor du erzählst, müssen wir unbedingt eine Tatsache wissen: Sind die beiden nun wahrhaftig Zwillinge oder nicht?« Sophie blickte ihren Mann ernst an.
»Ja, sie sind Zwillinge.«
Man hätte im Raum eine Stecknadel fallen hören können. Elsa schossen die Tränen in die Augen. Heinrich legte tröstend seinen Arm um ihre Schulter. Dann ging Elsa auf Emilie zu und sagte tief gerührt: »Darf ich dich umarmen?«
Inzwischen zückten Sophie und Marga ihre Taschentücher, und auch den Männern traten beim Anblick der Zwillinge, die sich in den Armen lagen, Tränen in die Augen.
»Maximilian, wie konntest du mir verschweigen, dass es Zwillinge sind? Und wie konntet ihr die kleinen Mädchen trennen?« Fassungslos sah Sophie ihren Gatten an.
»Ich habe oft darüber nachgedacht, ob es richtig war. Aber wenn Kinder verwaisen, werden schließlich auch oft Geschwister getrennt, falls man sie so am besten versorgen kann.« Er seufzte. »Ich brauche eine Kleinigkeit zu essen, mir ist ganz flau im Magen. Und ihr solltet gleichfalls eine kleine Stärkung nehmen. Dann berichte ich, wie alles gekommen ist.«
Bald hatte sich jeder mit einem Häppchen gestärkt, richtigen Appetit verspürte niemand, und Sophie drängte ihren Mann, endlich zu erzählen.
»Ein großes Freimaurertreffen fand vor ungefähr fünfzehn Jahren in Berlin statt. Als mein Logenbruder Sartorius erfuhr, dass ich mich nach Reisewegen zu den Kanarischen Inseln erkundigte, wollte er sofort mit. Seine Begeisterung war kaum zu bremsen. Er war Kaufmann und handelte unter anderem mit guten Weinen. Und die Produkte von den Eilanden der Glückseligen und von Madeira erfreuen ja nicht erst seit gestern den Gaumen. Malvasia-Wein, wie das schon klingt! Ich erzählte Paul – im Laufe der gemeinsamen Tour gingen wir zum Du über – von dem ominösen Brief, der von La Palma gekommen war. Dass ich dir, Sophie, versprochen hatte, die Reise zu unternehmen. Das Ganze hing zusammen mit einer gewissen Ernestine, deiner besten Freundin, Sophie.«
Seine Frau hielt es nicht mehr aus und erzählte weiter: »Ernestine rettete mir in München, wo wir gemeinsam ein Pensionat besuchten, das Leben, als ich ausrutschte und in die Isar fiel. Danach wurden wir enge Freundinnen und schworen uns, bis an das Lebensende einander in jeder Notsituation beizustehen. Der Brief stammte von der Patentante von Ernestine, die sich auf dieses Versprechen berief.«
Dieser Brief, den Sophie in- und auswendig kannte, wurde geholt. Dennoch bat sie: »Bitte lies du vor, Marga, ich bin zu aufgeregt.«
Elsa und Emilie, die über ihre Schulter blickten, versuchten mitzulesen.
»Verehrte Gräfin von Elßtorff, wie Sie wahrscheinlich wissen, bin ich, die unterzeichnete Hanna Martín-Sander, die Patentante von Ihrer besten Freundin Ernestine aus der Pensionatszeit. Ernestine verschwand auf rätselhafte Weise vor vier Monaten und gilt als verschollen. Ich bin sehr schwer erkrankt, und es scheint ungewiss, ob ich am Leben bleibe. Mein Mann, der Agrar-Ökonom Rafael Martín-Perez, starb vor drei Jahren, so besitze ich hier keine zuverlässige Vertrauensperson. Meine große Sorge gilt dem kleinen Mädchen …«
»Halt«, rief Emilie, »hier steht den kleinen Mädchen, das ist ganz eindeutig ein N!«
Sophie erhob sich, um ebenfalls zu schauen. »Tatsächlich, das könnte auch ein N sein!«
Heinrich bat: »Lies weiter, Marga.«
»… Es gibt niemanden an Ort und Stelle, der sich kümmert, falls mir etwas passiert. Ernestine sagte immer, im Notfall könnten wir felsenfest auf Sie bauen. Holen Sie Kleinchen nach Deutschland, es braucht für sie einen passenden Rahmen.
Mehr kann ich nicht schreiben, das musste ich Ernestine auf die Bibel schwören. Gott schütze Sie! Los Llanos im September 1873. Abrazos fuertes, Ihre ewig dankbare Hanna Martín-Sander.«
»Der Tintenfleck vor Kleinchen war bestimmt ein die«, murmelte Marga.
Elsa murmelte zustimmend.
»Von einer Ernestine hast du oft gesprochen, liebe Tante. Und dass ihr ungewisses Schicksal dich bedrückt.«
In Sophies Augen stiegen Tränen, und sie nickte stumm.
»Jedenfalls bin ich dann mit Marga und Paul Sartorius zu der abenteuerlichen Reise aufgebrochen.«
»Was, Marga war auch dabei?« Elsa blickte konsterniert zu Heinrich.
»Ich weiß nichts von alledem, Elsa.«
»Also bitte, ich bin kein großer Erzähler, unterbrecht mich keinesfalls noch öfter. Ich verliere jedes Mal den Faden.«
»Maximilian, sei ein bisschen nett«, mischte sich seine Frau ein. »Überleg mal, um was es geht. Wir bringen dich schon wieder ins richtige erzählerische Fahrwasser. Also, wo seid ihr losgefahren?«
»In Bremerhaven. Das war streckenweise eine stürmische Fahrt. In Teneriffa stiegen wir in Puerto de la Cruz aus, ein sehr interessanter Ort. Es leben dort viele Engländer und Holländer, die Handel treiben und sich im Orotava-Tal in teilweise herrschaftlichen Besitzungen niedergelassen haben. Von Teneriffa aus nahmen wir Kurs auf La Palma, daselbst legten wir im Hafen von Santa Cruz an und erholten uns einige Tage. Dann ging es per Maultier über einen Pass. Je höher wir kamen, desto kühler wurde es. Während uns weiter unten noch Palmen erfreut hatten, begannen hier die kanarischen Kiefern die Herrschaft zu übernehmen. So erreichten wir auf unglaublichen Pfaden ein verschlafenes Städtchen namens Los Llanos.«
Sophie knuffte unauffällig ihren Mann, der völlig richtig verstand, dass er zum Wesentlichen kommen sollte.
»Dort empfing uns Hanna Martín-Sander, die Patentante, offenbar von einer schweren Krankheit gezeichnet. Sie lebte seit 1867 in der Calle Fernández Taño, einer Parallelstraße zur Calle Rey, in einem großen einstöckigen, weißverputzten Stadthaus mit Ziegeldach, an welches sich ein riesiges Grundstück anschloss. Daselbst hatte ihr verstorbener Gatte, ein spanischer Agrarspezialist, unterschiedliche Experimente mit allen möglichen Pflanzen durchgeführt.
Ja, und da existierten zu unserer großen Überraschung statt eines Mädchens plötzlich zwei: die entzückenden kleinen blonden Zwillinge Elsa und Emilie. Sommersprossig und putzmunter, plapperten sie Spanisch und Deutsch durcheinander. Offenbar ließ man ihnen viel Freiheit, sie tobten auf dem reichlich Platz bietenden Gartengelände herum, spielten mit Hunden und Katzen. Die Patentante Hanna sprach häufig von der verschollenen Ernestine, die vor drei Jahren aus Deutschland zu ihr gekommen war. Damals war gerade ihr Ehemann Rafael Martín-Perez plötzlich verstorben, und sie war sehr froh, dass Ernestine gekommen war, um ihr Gesellschaft zu leisten. Drei Jahre später verschwand sie bei einem Aufenthalt in der Hauptstadt Santa Cruz spurlos. Alle Nachforschungen waren ergebnislos geblieben. Quälende Sorgen bereitete Hanna die Ungewissheit über Ernestines Schicksal. Ein Foto von ihr stand auf einer Anrichte.
Wie auch immer, wir sahen uns mit der Tatsache konfrontiert, dass wir statt einem nun zwei Mädchen mit nach Deutschland nehmen sollten. Paul und ich führten zunächst ein Gespräch unter vier Augen. Ich fühlte mich äußerst ratlos. Denn du, Sophie«, wandte er sich an seine Frau, »warst damals von äußerst zarter Gesundheit. Und die Mädchen fand ich entzückend, aber sie schienen rechte Wildfänge zu sein. Zwei von der Sorte, so fürchtete ich, könnten dich überbelasten. Und da kam Paul der Gedanke, selbst eines der Mädchen aufzunehmen. Seine Frau und er hatten bis dato vergeblich auf Nachwuchs gehofft, und er glaubte fest, dass sie mit einem dieser reizenden Mädel glückliche Eltern werden würden.«
Emilie, die die ganze Zeit Hand in Hand mit Elsa gesessen und zugehört hatte, erhob sich mit Tränen in den Augen. »Ich kann es alles noch nicht wahrhaftig begreifen. Nie zweifelte ich daran, dass Jette und Paul Sartorius meine richtigen Eltern sind.«
»Du wirst in gewissem Sinn auch immer ihr Kind bleiben, Emilie«, erwiderte Sophie mit einem warmherzigen Lächeln.
Nachdenklich setzte sich Emilie wieder hin. Elsa betrachtete sie und konnte sich gut vorstellen, welcher Aufruhr in ihr herrschen mochte. Ihre Blicke wanderten von ihrer Schwester zu den von Elßtorffs.
»Ja, und was auch passieren mag, meine Eltern werden sie für mich stets bleiben.« Energisch putzte Emilie sich die Nase.
»Seltsam«, sagte Elsa, »im Gegensatz zu dir glaubte ich ja, dass ich ein Waisenkind bin. Darauf führte ich immer das vage Gefühl zurück, dass mir etwas fehlt. Aber was ich vermisste, warst du, eine kleine Erinnerung muss noch in mir vorhanden gewesen sein.«
Emilie sah Elsa lange an. Dann nickte sie: »Ich glaube, ich weiß, was du meinst.«
»Vor unserem Künstlerhaus in der Sophienstraße liegen zwei mächtige Löwen, Skulpturen natürlich. Einen davon streichelte ich als Kind immer, wenn wir daran vorbeikamen. Du, Onkel Maximilian fragtest mich mal, wieso ich stets nur den einen tätschelte. Und ich erwiderte, dass der zweite zu einem anderen kleinen Mädchen gehört. Das weiß ich deshalb noch so genau, weil du mich daraufhin fest an der Hand nahmst, ganz bleich aussahst und mich rasch weiterzogst. Jetzt vermute ich, dass du an meine Zwillingsschwester denken musstest.«
Maximilian nickte mit beklommener Miene. »Ja, auch ich erinnere mich genau daran.«
Nachdenkliches Schweigen herrschte.
»Jedenfalls habt ihr da Schicksal gespielt und in unser Leben tief eingegriffen«, äußerte Elsa in vorwurfsvollem Ton. Die beiden Schwestern sahen einander an.
»Ich kann es immer noch nicht fassen, wenn ich dich ansehe, Elsa! Es ist, wie in einen Spiegel zu sehen – und doch auch wieder nicht.«
»Mir geht es genauso, Emilie.«
Sie wandten sich wieder Maximilian zu und zupften sich gleichzeitig, während sie ihn anblickten, am rechten Ohrläppchen.
Heinrich beobachtete die beiden fasziniert.
Maximilian räusperte sich.
»Ich kann mir und Paul Sartorius diesen Vorwurf nicht ersparen. Aber wir hielten es eben damals für die beste Lösung.« Er fuhr sich über die Stirn und holte tief Luft. Seine Erklärung kam ihm selbst lahm vor.
»Wenn ihr gestattet, möchte ich gern fortfahren, um zumindest für heute meine Geschichte so weit abzuschließen.
Solange wir noch in Los Llanos waren, kümmerte sich Marga rührend um die Patentante. Diese zeigte sich sehr erleichtert, dass für die Mädchen gut gesorgt werden würde. Nur äußerst ungern trennte sie sich von den beiden, sah aber keine andere Möglichkeit. Immerhin besaß sie eine vertraute Freundin, die allseits beliebte Lehrerin Josefina. Diese sprach sehr gut Deutsch, sie hatte auch Ernestine Spanischunterricht gegeben. Als unverheiratete Frau, die zudem auf ihr Lehrerinnensalär angewiesen war, konnte sie sich aber nicht gut um die Mädchen kümmern. Außerdem war es der ausdrückliche Wunsch von Hanna Sander, dass die Mädchen möglichst standesgemäß in Deutschland aufwachsen sollten, und zwar im evangelischen Glauben.
Ich war ja für sie der Mann von Ernestines bester Freundin und damit ihr Ansprechpartner, und sie fasste rasch Vertrauen. Es schien ihr sogar ein wenig besser zu gehen, als alles soweit geklärt war. Marga und ich waren froh, dass Josefina uns in die Hand versprach, sie werde sich gut um Hanna kümmern. Dann kam die Stunde des Abschieds. Und die lange Rückreise. Die beiden Mädchen freundeten sich im Nu mit Marga an.«
Zum ersten Mal ergriff diese das Wort: »Ich war nicht dafür, die munteren Gören zu trennen, sie wuchsen mir schnell ans Herz. Und sie hingen aneinander, obwohl sie ja so klein waren. Aber aus Vernunftgründen schloss ich mich, wenn auch ungern, den Entscheidungen der Herren an. Denn ich wusste ja, dass ihr«, sie blickte ernst zu Elsa und Emilie, »zwar getrennt wurdet, jedoch in sehr gute Hände kamt. Das können weder damals noch heutzutage viele Waisen kaum von sich behaupten – und gerade die Mädchen werden oft wie Dienstmägde behandelt.«
Maximilian unterbrach nach einer Weile die gedankenvolle Stille. »Paul schickte seiner Frau von Sevilla aus ein Telegramm, in der er sie über eine mögliche Adoption informierte, sie war mit Freude einverstanden. In Bremerhaven trennten sich unsere Wege.«
»Blieben Sie denn mit meinem Papa in Kontakt?«
»Nur sporadisch, bei Logenveranstaltungen. Ich glaube, wir vermieden beide, an der Angelegenheit zu rühren. Und auch von La Palma kam nie wieder eine Nachricht. Die Postwege gelten allerdings als äußerst unzuverlässig. So kann ich nur vermuten, dass Hanna Martín-Sander verstorben ist.«
»Wie geht es jetzt weiter?«, warf Heinrich ein.
»Nun, Emilie bleibt selbstverständlich bei uns.« Sophie, die es erst kürzlich gelernt hatte, eigene Entscheidungen zu treffen, blickte fest entschlossen in die Runde. Nachdem sie aus ihrer Kur in Salzuflen zurückgekommen war, hatte sie nicht lange übersehen können, dass ihr Gatte kaum noch das Bett mit ihr teilte und häufig auswärtige Termine wahrnahm. Das war ungewöhnlich, zumal sie bis dato kaum Grund hatte, an der Treue ihres Mannes zu zweifeln. Die verunsicherte Sophie beschloss nach einem streng vertraulichen Gespräch unter vier Augen mit Marga abzuwarten. Zugleich begann sie jedoch, ihre eigenen Interessen stärker zu berücksichtigen und sich weniger mit ihrem Gatten abzustimmen.
Maximilian erhob sich sofort, küsste seiner Gemahlin die Hand und murmelte: »Liebste Sophie, du hilfst mir, einen ungern getroffenen Beschluss, soweit dies überhaupt geht, wiedergutzumachen.«
Seine Frau strich ihm wie verzeihend über das Haar. Da stand auch schon Emilie vor Sophie, hauchte ebenfalls einen Kuss auf deren Hand und flüsterte tränenüberströmt einen Dank. Die Dame des Hauses erhob sich und nahm sie in den Arm: »Du darfst Tante zu mir sagen!« Elsa trat zu den beiden, wurde ebenfalls ans Herz gedrückt. »Ab heute gibt es in der Familie zwei große Mädchen.«
Maximilian schloss sich mit erleichtertem Gemüt an und reichte, weniger gefühlvoll, aber herzlich gemäß seines Standes als Familienoberhaupt, Emilie die Hand: »Ab sofort bin ich dein Onkel, der wie wir alle gut für dich sorgen wird.«
»Vielen Dank, Oheim«, knickste seine neue Ziehtochter.
»Wir alle haben, besonders Elsa nach ihrem abenteuerlichen Detektiveinsatz, eine Sommerfrische dringend nötig. Obwohl ich in der Kur in Salzuflen doch einige Kräfte sammeln konnte, brauche ich nach diesem Schock eine erholsame Pause. Mein Vorschlag ist, dass wir alle zusammen nach Norderney fahren. Auch du Maximilian«, wandte Sophie sich an ihren Gatten, »wirkst etwas abgespannt auf mich. Ich hoffe, du kannst dich dieses Mal länger anschließen als sonst. Schließlich mussten wir uns bereits wegen meiner Kur wochenlang entbehren.«
Wenn er ob seines Seitensprunges ein schlechtes Gewissen hat, wie Marga in unserem geheimen Gespräch meinte, so wird er dem zustimmen, schoss es Sophie blitzschnell durch den Kopf.
»Eine gute Idee«, erklärte Maximilian auch sofort. »Ich treffe die nötigen Vorkehrungen und folge euch für mindestens zwei Wochen in die Sommerfrische auf unser schönes Norderney.«
Sophie wusste nicht so recht, ob sie sich freuen sollte oder nicht, entschloss sich dann aber, dies als gutes Omen für den Fortgang ihrer Ehe zu sehen.
Nach all den Aufregungen schmeckten die hervorragenden Speisen nun doch. Es wurde kein langer Abend mehr, alle fühlten sich von den Gemütsbewegungen ungemein erschöpft.
»Wir werden noch viele bewegende Gespräche führen«, meinte Heinrich, als man sich mit Wünschen für eine gute Nacht verabschiedete. »Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut.«
»Wer weiß, welche abenteuerlichen Geheimnisse es noch zu lüften gilt«, sinnierte Elsa.
Keiner der Beteiligten ahnte, wie außerordentlich sich dies in den folgenden Wochen und Monaten bewahrheiten sollte.
Zum Frühstück versammelte sich am nächsten Morgen pünktlich – worauf der Hausherr als ehemaliger Offizier Wert legte – die ganze Familie.
Wirklich munter sah an diesem Vormittag aber niemand aus. Das neue Mitglied der Familie hatte Ringe unter den Augen, und auch Elsa hatte eine äußerst schlechte Nacht hinter sich, zu viele Gedanken und Gefühle waren in ihr durcheinander geschwirrt. Schließlich war sie aufgestanden, um sich einige Notizen zu machen.
»Sag bitte, Onkel Maximilian, wieso heiße ich, oder eigentlich wir, nur Martin? Im Pensionat gab es eine Spanierin, ihre Großeltern waren deutsch, die führte einen Doppelnamen.«
Maximilian räusperte sich. »Ihr tragt in der Tat einen doppelten Nachnamen, wie es in Spanien üblich ist.«
»Wie also lautet der?«
»Euer Familienname ist Martín-Sander, das spanische Martín von eurem Vater, Sander von eurer Mutter.«
»Wieso heiße ich dann treudeutsch Martin?«, hakte Elsa nach.
Innerlich aufseufzend machte sich Maximilian klar, dass er noch etliche Gespräche dieser Art vor sich hatte. Wie gut, dachte er, dass die Reisevorbereitungen nach Norderney zunächst für Ablenkung sorgen. Auf der Insel mögen dann die Frauen untereinander sich mit dem Ganzen befassen. Ihm war das Rundherum viel zu gefühlvoll!
»Weil der Standesbeamte mit den wenigen Papieren, die ich hatte, fast alle auf Spanisch, völlig überfordert war. Ihr wisst ja, dass es leicht zu unterschiedlichen Schreibweisen kommt. Jedenfalls dachte ich, ein unauffälliger deutscher Nachname sei ebenso gut.«
Elsa durchquerte rastlos das Speisezimmer. »Verstehe! Mir ist ja nun klar, warum du mir nie viel über den Aufenthalt auf La Palma erzählen wolltest. Denn du musstest ja die Entscheidung, uns Zwillinge zu trennen, allein mit dir ausmachen. Aber ich möchte endlich, endlich mehr von meinen wirklichen Eltern wissen.« Sie blickte zu Sophie: »Du warst wie eine gute Mutter zu mir, ich wusste jedoch immer, dass du es nicht bist, und dass Heinrich nicht mein Bruder ist, obwohl ich es so empfinde.«
Sie brach ab, hielt sich die Hände vor die Augen, ein heftiges Zittern lief durch ihren Körper. Der besorgte Heinrich fasste sie behutsam um die Schulter. »Du bist und bleibst meine Schwester, große Kleine!«
Diese zwischen ihnen gebräuchliche liebevolle Redewendung ließ Elsa nochmals tief aufseufzen, dann straffte sie sich und fuhr mit kräftigerer Stimme fort: »Als ich zum ersten Mal die bekannten Zeilen von Goethe las: ›vom Vater hab ich die Statur, vom Mütterlein die Frohnatur‹, weinte ich bittere Tränen. Es macht mich einsam, keinen Anhaltspunkt zu haben, von wem ich abstamme. So viel wie möglich möchte ich über meine Familie erfahren. Nichts besitze ich, was mir eine Vorstellung vermittelt, kein Foto, keinen Brief, rein gar nichts. Wem sehe ich ähnlich, von wem haben wir, Emilie, die ungewöhnlichen dunklen Augenbrauen geerbt, von wem die hohe Gestalt, unsere Talente, von wem die Untugenden? Wer waren unsere Großeltern?«
Emilie verfolgte den Gefühlsausbruch ihrer Zwillingsschwester mit großen Augen. »Das ist mir alles zu viel. Immer hielt ich Jette und Paul Sartorius für meine leiblichen Eltern. Gänzlich klar schien, von wem ich was im Aussehen und was von meinen Talenten geerbt hatte – und nun schwebe ich in der Luft, fast noch mehr als du, Elsa. Du hast von Kindesbeinen darüber gegrübelt, ich falle völlig ins Leere.« Schwankend erhob sie sich – der aufmerksame Heinrich sprang schnell hinzu, um sie zu stützen. Sofort hielt ihr Sophie das Riechsalz, welches sie stets in einem kleinen Pompadour bei sich trug, unter die Nase. Während Emilie wieder zu sich kam, drückte Elsa ihre Hand und streichelte ihr übers Haar.
Heinrichs Blicke wanderten immer wieder irritiert zwischen Elsa und Emilie hin und her. Da gab es seine Schwester plötzlich in doppelter Ausfertigung. Aber mit Emilie, die ihm äußerlich so vertraut schien, war er nicht in liebevoller Gemeinschaft aufgewachsen. Dies Ganze ist sehr verwirrend, dachte er. Da werden uns noch einige Überraschungen bevorstehen. Und wie wird unsere Familie reagieren, wie unsere Freunde? Ein Zwillingspaar an sich ist ja schon aufsehenerregend, aber wenn plötzlich ein erwachsener Zwilling auftaucht, das wird Anlass für Gerede und Spekulationen geben. Auf die entsprechenden Kommentare der spitzzüngigen Tante Edelgarde können wir uns jetzt schon gefasst machen! Ob Mama und Papa klar ist, dass sich Elsas Verdoppelung wie ein Lauffeuer herumsprechen wird?
In diesem Moment räusperte sich Maximilian. »Ihr wisst, dass meine heutige Geschäftsreise existentiell wichtig und unaufschiebbar für mich ist, da es um ein großes Bauvorhaben geht. Unser Familienzuwachs wird sich schnell herumsprechen. Wenn ich zurück bin, werde ich meine Mutter und die wichtigsten Familienmitglieder und Freunde informieren. Geht offensiv mit der Situation um! Am besten machst du, Elsa, nachher mit Emilie einen kleinen Stadtbummel. Zeig deiner Schwester ein wenig von unserer schönen, ehemaligen Residenzstadt! Und nun entschuldigt mich, die Eisenbahn wartet bekanntermaßen nicht.«
Er hauchte seiner Frau, die ihn zustimmend anlächelte, einen Abschiedskuss auf die Wange. »Bis morgen Abend, meine Lieben.« Damit war er von der Bildfläche entschwunden. Und er gestand sich selbst ein, dass es ihm ganz recht war, erst mal aus dem Feuer zu sein …
Nachdenklich blickte Sophie ihrem Gatten nach. »Es wird Fragen geben. Wir brauchen eine kurze Erklärung zu Emilies plötzlichem Auftauchen hier.«
Alle schauten gedankenvoll vor sich hin.
»Am besten ist immer die Wahrheit«, meinte schließlich Heinrich nach längerem Schweigen. »Emilie wurde von einem Logenbruder von Papa adoptiert und ist nun als Waise zu ihrer Zwillingsschwester gekommen und in unsere Familie aufgenommen worden.«
Elsa nickte. »Das hast du gut auf den Punkt gebracht, Heinrich.«
»Was ja sonst eher deine Stärke ist Schwesterlein«, frotzelte er, um die Stimmung etwas aufzuheitern.
In der Tat entlockte dies Elsa ein kleines Lächeln.
Auch Sophie zeigte sich zufrieden. »Das gefällt mir gut, mein Sohn. Je weniger wir erklären und rechtfertigen, umso besser. Und heute Nachmittag werden wir vier den Stier bei den Hörnern packen. Wir gehen ins Café Kröpcke und zeigen uns dem staunenden Hannover.«
»Das Kröpcke wird dir gefallen, Emilie, es gibt dort zum Beispiel eine wunderbare heiße Schokolade!«
Emilie nickte ihrer Schwester genießerisch zu. »Ja, die mag ich auch so gern.« Die beiden sahen sich an – wie schön, solche kleinen Gemeinsamkeiten zu entdecken.
»Was haltet ihr davon, wenn Franz euch drei nach seiner Rückkehr ein wenig durch die Stadt kutschiert, damit Emilie zumindest die Georgstraße mit unserem schönen Königlichen Schauspielhaus zu Gesicht bekommt, außerdem den Bahnhof, die Marktkirche, die im Bau befindliche Markthalle, das Leineschloss und einen Teil unseres wunderbaren Stadtwaldes, der Eilenriede …«
Marga Lheiß trat in diesem Moment ein und ergänzte: »Wenn es recht ist, gnädige Frau, könnten die jungen Herrschaften auch gleich Earl Grey von Tee-Seegers mitbringen. Fräulein Emilie muss ja auch nach und nach unsere guten Geschäfte kennenlernen.«
»Das machen wir, Marga. Emilie wird bald der Kopf schwirren von all den neuen Eindrücken. Gern möchte ich meiner Schwester die vielen schönen Seiten Hannovers zeigen, wobei Onkel Maximilian ihr sicherlich noch mal genau alle unsere schöne Architektur von Laves, Tramm und unserem Meister der neuen Gotik, dem Baumeister Conrad Wilhelm Hase, erklären wird.«
»Gnädige Frau«, wandte sich Marga nun an Sophie, »bereits in zwei Wochen soll es nach Norderney gehen, da ist noch einiges zu besprechen.«
»Du liebe Güte«, platzte Elsa heraus, »bei den Aufregungen der letzten Wochen habe ich mich noch keinen Deut um meine Feriengarderobe gekümmert! Und einige Ballkleider für die abendlichen Veranstaltungen brauchen wir auch. Das wird knapp, wenn noch einiges gerichtet oder neu gemacht werden muss.«
»Das werden wir schon hinbekommen, Marga wird helfen, und unsere Schneiderin Frau Oppermann ist ja auch noch da.« Sophie bemerkte gleichzeitig mit Elsa, wie Emilie sich auf die Lippen biss. In dem wenigen Gepäck, mit dem sie gekommen war, konnte sich nicht allzu viel an standesgemäßer Kleidung befinden.
In der Tat erinnerte sich Emilie daran, wie sie fast alle ihre aufwändigen Abendroben und Ballkleider in Königsberg für einen Bruchteil des Wertes versetzt hatte. Sie hatte gemeint, diese Garderobe doch nie wieder zu benötigen, während ihr jedes Bargeld willkommen war. Da unterbrach Elsa ihre traurigen Gedanken.
»Ich muss noch all die wunderbaren Kleider durchsehen, die Roberta mir geschenkt hat, da sie für ihre Reise nach Amerika ja fast vollständig auf Reformkleidung setzt. Wir werden sehen, was dir davon gefällt, und schwesterlich teilen, Emilie!«
Sie bemerkte sehr wohl die leichte, verlegene Röte am Hals der Schwester und erklärte daher eilig: »Meine liebe Freundin Roberta Stein ist Schauspielerin und ist nach Amerika gefahren, um ihren kranken Vater zu besuchen.«
Sofort bekam sie Unterstützung von Sophie: »Auch ich schätze Roberta sehr, sie war einige Wochen mit mir in Salzuflen zur Kur. Ausgerechnet in diesem Bauernbad entdeckten wir eine Schneiderin, die ebenso hübsche wie bequeme Reformkleider anfertigt, unter denen man kein Stahlkorsett tragen muss. Wenn ihr wollt, werde ich noch ein paar leichte Sommerkleider für euch entwerfen, und Marga wird sie nähen. Eine Nähmaschine habe ich schon gekauft.«
Es ist erstaunlich, wie selbständig Tante Sophie in letzter Zeit Entschlüsse fasst und in die Tat umsetzt, konstatierte Elsa nicht zum ersten Mal.
»Allerdings würde ich euch dann in die Ferienvorbereitungen mit einbeziehen müssen, sonst bleibt uns nicht genügend Zeit. Und das muss auch vorerst unser absolutes Geheimnis bleiben.«
Emilie hatte sich schon über die locker fließende Morgentoilette der Hausherrin gewundert, die offensichtlich nicht über einem auf 48 Zentimeter Taillenweite geschnürtem Korsett saß. Verschwörerisch lächelte Sophie sie an. »Es soll vorerst niemand wissen, dass ich selbst Kleider entwerfen möchte. Die Reformkleidung ist eine viel bequemere Mode als das Mieder. Mein Hausarzt warnte mich schon länger vor den gravierenden gesundheitlichen Folgen des Schnürens, und ich werde die herrschende Mode nach und nach nur noch in Ausnahmefällen tragen. Seitdem ich mich in meiner Kleidung und in meinem Schuhwerk vernünftig bewegen kann, fühle ich mich wie neugeboren. Keine Atemnot mehr, keine Magenkrämpfe, keine Schnürfurchen, und ich kann Spaziergänge machen, ohne sofort zu ermüden.«
»Das kann ich nur bestätigen«, rief Elsa, die sich vor Sophies erfolgreicher Kur große Sorgen um deren schlechte Konstitution gemacht hatte. »Ich schlage vor, wir Frauen stellen uns gleich mal vor die Kleiderschränke. Diese höchst wichtige Angelegenheit duldet keinen Aufschub. Und die Kutschfahrt könnten wir heute Nachmittag mit dem Kaffeehausbesuch verbinden.«
Und so geschah es. Heinrich, der immer noch leicht ermüdete, war froh, sich in seine Räume zurückziehen zu können.
Sophie nahm Elsa beiseite. »Ich möchte etwas mit dir besprechen, mein Kind.«
Sofort spürte Elsa, dass ihre Tante sich mit einem Entschluss schwer tat. Daher wählte sie die vertrauliche Anrede aus Kindheitstagen, als sie nicht verstanden hatte, wieso Heinrich Maman und sie selbst Tante sagen sollte. »Tante-Maman, um was geht es denn?«
»Ich würde gern nach Norderney außer meiner Zofe noch Marga mitnehmen. Es geht mir weniger darum, ihre Dienste in Anspruch zu nehmen. Personal gibt es in den Bremer Häusern genug. Mir wäre wichtig, dass sie, die immer so treu zu uns steht, auch mal etwas Erholung findet. Und wenn das Gespräch auf La Palma kommt, könnte sie erzählen. Was hältst du davon?«
»Liebe Tante-Maman, das ist eine wunderbare Idee! Marga ist doch für uns alle eine Art von Vertrauensperson geworden – und nun weiß ich auch noch, dass sie damals die Reise nach La Palma mitgemacht hat. Dann wären wir erst mal mit Heinrich und Isidora und Marga zwei Wochen auf der Insel, und Emilie könnte uns alle näher kennenlernen. Und wenn dann Onkel Maximilian mit seiner Mutter nachkommt, erweitert sich der Kreis.«
»Dann werden wir es so handhaben – ich freue mich, dass du meine Überlegungen teilst, meine liebe Elsa.« Damit nahm Sophie ihre Ziehtochter herzlich in die Arme. »Was hältst du davon, wenn ich auch gleich noch deine Freundin Isidora Kaulbach einlade? Isidora ist eine verständige Person, auch war sie ja bei der Aufklärung des Todesfalles mit beteiligt.«
Stürmisch wurde sie von Elsa unterbrochen, die jubelte: »Du bist die Allerbeste, Tante Sophie! Isidora mit ihrem ausgleichenden Wesen wird uns sicherlich eine angenehme Gefährtin sein.«
»Das denke ich auch. Ich werde mit ihren Eltern sprechen.« Mit dem bekannten Maler Friedrich Kaulbach und seiner Frau bestand bereits eine längere Freundschaft, zumal Kaulbach vor über zehn Jahren ein wunderbares Porträt von Sophie angefertigt hatte.
Währenddessen nutzte Emilie die Gelegenheit, mit Marga allein zu sein, um eine Frage loszuwerden, die ihr auf der Zunge brannte. »Was hat es mit Elsa und dem Todesfall auf sich, worüber gestern kurz gesprochen wurde?«
»Eine schreckliche Geschichte, mein Kind. Bei einer Premiere im Königlichen Schauspielhaus am Freitag, den 13. Juni, geschah ein mysteriöser Todesfall. Nur durch Elsas Aufmerksamkeit kam heraus, dass es sich um einen Mordanschlag handelte. Und es gelang Elsa tatsächlich, den Mörder zu entlarven und zu stellen. Allerdings musste sie auch miterleben, wie dieser Selbstmord beging. Das alles hat Elsa mehr mitgenommen, als sie zugibt. Also sprich sie vorläufig besser nicht darauf an, sondern frag mich, wenn du etwas wissen möchtest.«
Fassungslos starrte Emilie Marga an. »Elsas hat einen Mord aufgeklärt? Wie kam sie dazu?«
»Sie machte sich Sorgen um eine Freundin, befürchtete, es könnte zu einem weiteren Anschlag kommen. Außerdem liest Elsa leidenschaftlich gern Detektivgeschichten und kann gut kombinieren.« Emilie blickte ziemlich entgeistert, so dass Marga sich zu einer Erklärung veranlasst sah. »Dadurch, dass sie praktisch mit Heinrich aufgewachsen ist, hat Elsa einiges gelernt, was für eine höhere Tochter sicherlich nicht typisch ist. Wahrscheinlich seid ihr recht unterschiedlich aufgewachsen«, fügte sie nachdenklich hinzu, »ihr werdet Zeit brauchen, euch kennenzulernen.«
Nach einer fast zweistündigen Fahrt in der offenen Kutsche zeigte sich Emilie begeistert von ihren ersten Eindrücken von Hannover. Man war an der im Bau befindlichen Markthalle in prächtiger Eisenarchitektur, an der Wasserkunst entlang am Leineschloss vorbeigefahren. Franz hatte es sich als stolzer Hannoveraner nicht nehmen lassen, noch die Allee nach Herrenhausen zum Schloss und dem prächtigen, von Königin Sophie und Leibniz so geliebten Barockgarten zu fahren, auch wenn die Anlage nicht mehr in allerbestem Zustand war. Nun setzte Franz die Herrschaften auf der Georgstraße ab – man wollte nach der Einkehr ins Café Kröpcke zu Fuß nach Hause gehen. Es fand sich ein schattiges Plätzchen im Freien mit Blick auf das Königliche Schauspielhaus, einem Bau von Laves, wie Heinrich sofort erklärte. Während man auf Veilchen- und Zitroneneis wartete, sah Elsa den Rechtsanwalt Dr. Victor Rehnhoff kommen, den sie durch ihre Nachforschungen zu dem mysteriösen Todesfall im Königlichen Schauspielhaus näher kennengelernt hatte. In eine sommerliche Leinenjacke gekleidet, machte er eine gute Figur, und Elsa, die sich anfangs des Öfteren wegen seiner konventionellen Ansichten mit ihm gekabbelt hatte, spürte, wie ihr das Herz bis zum Hals schlug. Auch Heinrich, mit dem neun Jahre älteren Victor befreundet, erblickte ihn jetzt. Amüsiert beobachtete er, wie das erfreute Lächeln auf dessen Miene gefror und er nun offenen Mundes seine Augen zwischen den Schwestern hin und her wandern ließ. Tja, alter Junge, dachte Heinrich, um es dir vollends schwerzumachen, hat Elsa heute auch noch ein neues Sommerkleid an, so dass du noch nicht einmal durch das Kleid einen Anhaltspunkt hast.
»Gnädige Frau«, stammelte Victor, sich nun endlich an Sophie wendend, »entschuldigen Sie, dass ich Sie nicht gleich begrüßt habe, aber Sie sehen mich fassungslos und verwirrt!«
»Mein lieber Herr Dr. Rehnhoff, möchten Sie sich zu uns gesellen?« Sophie zeigte auf einen freien Stuhl und bedeutete Heinrich mit einem schnellen Blick, die Situation zu klären.
»Mein lieber Victor, die wundersame Verdoppelung von Elsa beruht auf ihrer Zwillingsschwester Emilie, deren Adoptiveltern verstorben sind, weshalb sie nun zu uns gekommen ist.«
»Ich wusste gar nichts von einer Zwillingsschwester«, brachte der sonst so logisch denkende Anwalt schließlich heraus.
»Mein Gatte musste damals auf La Palma eine schwierige Entscheidung treffen«, entgegnete Sophie, »und so wurden die Mädchen getrennt. Emilie weilt seit gestern hier und wird genau wie Elsa zu unserer Familie gehören.«
Beide Schwestern nickten gleichzeitig und zupften sich am Ohrläppchen. Verzweifelt blickte Victor von einer
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: Elvea
Bildmaterialien: Andreas-Andrew Bornemann
Cover: Elvea
Satz: Elvea
Tag der Veröffentlichung: 30.01.2020
ISBN: 978-3-7487-2791-0
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