Woche 4
Gewidmet allen Aufmerksamen
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Veröffentlicht im Elvea Verlag
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Sara Puland
»Mama, hast du das gelesen?«, fragte Sonjas ältester Sohn Max. »Das von der kleinen Ruby in Amerika. Die war in einem Raumschiff gefangen worden. Das, was das Weiße Haus zerstört hat. Und da waren Außerirdische drin gewesen.«
Sonja schreckte kurz auf. Die Worte drangen in ihre Ohren, doch nicht bis in ihr Bewusstsein. Max sprach weiter, ohne dies zu bemerken, denn der Blick seiner Mutter war auf seine Lippen fokussiert.
»Weißt du, dagegen war London richtig langweilig. Ok, die Explosion hatte was, aber sonst? Nur langweilige alte Gebäude, ein paar moderne Hässlichkeiten und diese schrecklich arroganten Engländer. Die haben oftmals so getan, als wollten sie uns nicht verstehen. Ihre Antworten erst, die kamen so rüber, als wenn sie uns nicht antworten wollten. Wie Chinesisch kam mir das vor oder so. Ich habe die so oft nicht verstanden. Da frage ich mich echt, warum ich diese Sprache in der Schule lernen muss, wenn man nicht mal mit den Einheimischen kommunizieren kann. Französisch ist da viel besser. Mama, weißt du eigentlich…? Mama?«
Max‘ Mutter vernahm immer weniger von dem Geplapper ihres Sohnes und dämmerte mit offenen Augen in einen leichten Schlaf. Ihr Kopf lag inzwischen auf den Armen. Die Lider fielen zu. Schlaf, den sie so dringend nötig hatte. Schlaf, der ihr in den letzten Tagen der Klassenfahrt gefehlt hatte.
Bilder aus dieser Zeit erschienen in ihrer Einschlafphase. Besonders die Begegnungen mit dem Oberstudienrat Normann in den verbliebenen zwei Nächten in London. Ein älterer Mann mit so viel Energie, das hätte sie ihm nicht zugetraut. Gut, dass die Jugendlichen das nicht mitbekommen hatten. Für ihn wäre es das Ende seiner akademischen Laufbahn gewesen. Für sie hingegen eine Bereicherung sexueller Entfaltung. Da er verheiratet war, würde sich hier keine weitere Möglichkeit ergeben, diese fortzuführen.
Auch diese Frau mit den bunten Röcken und der weißen Ratte auf der Schulter kam vor. Ihre grünen Augen drangen in ihr Gehirn, übermittelten eine Botschaft, die aus Bildern bestand, deren Sinn Sonja jedoch nicht entschlüsseln konnte. Aber sie waren wichtig, das fühlte sie. Sie hätte sie noch einmal suchen sollen, mit ihr reden.
Freitagabend führte Sonja der Weg zum Treffpunkt mit den Außerirdischen. Ihr Bewusstsein über diese Wesen hatte sich geändert. Zu keiner Zeit war mehr eine Furcht in ihr, dass diese die Menschheit bedrohten. Auch wenn ihr welche begegneten, so verhielten sich diese wie Menschen, hatten sich dem Leben auf der Erde angepasst. Manchmal sah sie beim abendlichen Spaziergang welche aus Mosel oder Rhein steigen, dann aber in ihrer ursprünglichen Form. So spät waren kaum Menschen unterwegs, die sich hätten erschrecken können.
»Sonja, wie schön, dich wieder in unserer Mitte zu sehen«, begrüßte sie Dirk.
»Danke, Dirk. Werden heute Abend alle kommen?«
Insgeheim wünschte sich Sonja ein Treffen mit Mark, gleichzeitig dennoch nicht. Ihre Gefühle fuhren Achterbahn, was ihn betraf.
»John und Susanne kommen nicht. Sie hatten einen speziellen Disput, der noch nicht beendet ist. Aber ansonsten, ja.«
»Wann werde ich mehr über euch erfahren? Wo ihr genau herkommt und so. Und was es mit Washington auf sich hat. Irgendetwas ist da doch faul. Schließlich ward ihr nicht umsonst vor zwei Wochen dermaßen darüber aufgeregt, als ich hereinkam. Ich mag eine solche Geheimniskrämerei nicht.«
»Ruhig Blut, Sonja. Ich werde Mark instruieren, dir alles zu erzählen. Das würde den heutigen Abend sprengen. Am besten sofort nach seiner Ankunft hier. Da heute Chillabend angesagt ist, wird euer Fehlen nicht weiter wichtig sein.«
Ein Abend mit Mark allein. So hatte sich Sonja das nicht vorgestellt. Die Erinnerung an die zwei Treffen zuvor, die beide in Marks Wohnung endeten, verursachten ein gewisses Kribbeln in ihrem Unterleib. Aber sie wollte keinen Sex, sie dürstete nach Hintergrundwissen. Mehr Informationen zu den Flüchtlingen aus dem All. Körperliche Befriedigung konnte sie bei jedem männlichen Wesen finden. Außerdem war seine Vorhersage bezüglich Schwangerschaft nicht richtig gewesen. Ihr wurde flau im Magen, die Knie etwas zittrig bei den Gedanken an Mark.
»Na, er kann mir das auch anschließend mitteilen. Ein bisschen Entspannung würde mir nicht schaden.«
»Wenn du meinst. War nur so eine Idee. Aber wundere dich bitte nicht, wir chillen etwas anders, als ihr das macht. Eher wie eure tierischen Verwandten, die Bonobos.«
»Wer ist das denn? Die kenne ich nicht. Also lasse ich mich überraschen.«
»Deine Entscheidung.«
Die sphärischen Klänge der außergewöhnlichen Musik klangen noch immer in Sonjas Ohren. Ihr nackter Körper fühlte sich wunderbar leicht an. Absolute Entspannung. Die harmonische Vereinigung mit jedem Mitglied des Kreises war ein besonderes Highlight. Anfangs empfand sie die Berührungen etwas eigenartig, zumal, wenn es keine Hände waren. Aber dann ließ sie ihr Bewusstsein los und erlebte. Es war Sex, aber auf eine Art und Weise, wie er vielfältiger nicht hätte sein können. Mit jeder anwesenden Persönlichkeit war ein neuer Erfahrungswert dazugekommen.
»Meine Liebe, dir scheint es richtig gut zu gehen.«
»Mark, das war fantastisch. Mir war nie bewusst, dass man dadurch eine derartige Relaxion erfährt. Leicht und schwebend. Selbst mit den menschlichen Personen im Raum.«
Mark erhob sich in seiner menschlichen Gestalt vom Bett. Wieder einmal waren sie zum Abschluss in seiner Wohnung gelandet.
»Nun erzählst du mir aber etwas mehr über euch E.T.s.«
»E.T.s?«
»Na, euch Außerirdische. E.T. war ein amerikanischer Film über einen kleinen Außerirdischen, der Kontakt zu seinem Raumschiff suchte und den ein Junge versteckt hielt. Irgendwie erinnert mich der heutige Abend daran. Die beiden gingen auch eine Symbiose ein. Aber ok, das war ein Film, hier und jetzt ist Realität.«
Mark lachte kurz auf.
»Realität? Du meinst, weil du uns anfassen kannst? Weil du uns siehst? Wenn du wüsstest, was Realität noch alles ist. Aber gut, ich erkläre dir mehr. Nicht heute. Ich muss zu einem weiteren Treffen mit unseren Freunden. Die gestrige Zusammenkunft musste sein, um unvoreingenommen über die Probleme auf eurer Erde reden zu können.«
Sonjas Gesicht zeigte sich verwirrt.
»Ähm, das kapiere ich nicht.«
»Wir haben gelernt, dass es nichts bringt, aufgewühlt in Diskussionen zu gehen wie ihr Menschen. Da wirft man sich gegenseitig Beschuldigungen an den Kopf, erhitzt sich noch mehr und fährt sich in Verhandlungen fest. Das Ergebnis ist anschließend keines. Also kommen wir auf ein Entspannungslevel und anschließend können wir Gespräche führen, die oftmals schnelle Entscheidungen erhalten.«
»Das klingt interessant. Darf ich mit?«
Die Antwort kam nicht sofort.
»Eigentlich ungern. Aber ich glaube, vielleicht wäre es nicht verkehrt, auch einen Erdvertreter dabei zu haben. Schließlich geht es um euren Planeten, also auch um eure Zukunft.«
Dirk war wie üblich der Vorsitzende und derjenige, der das Gespräch eröffnete.
»Liebe Freunde, willkommen. Wir heißen Sonja in unserer Runde herzlich willkommen.«
Die Blicke richteten sich auf die Erdenfrau, Gemurmel erhob sich.
»Ja, Sonja wird bei unseren heutigen Gesprächen und Entscheidungen zugegen sein. Ich würde ungern erst noch einmal eine Entspannungsphase einlegen, die Dringlichkeit der Situation erfordert schnelle Taten.«
Der Raum erhielt die Ruhe zurück. Vereinzelt fielen kritische Blicke in Richtung Sonja, aber immer nur kurz.
»Wie ihr alle wisst, ist das Raumschiff der Wukuwaner nicht wirklich sachgemäß oder in friedlicher Absicht auf der Erde gelandet, sondern hat Verwüstungen angerichtet, die vermieden hätten werden sollen. Zu spät über das zu reden, es ist passiert. Der amerikanische Präsident ist tot. Die Brut der Ewanzler oder auch Hanocks, wie wir Elenser sie nennen, verbreitet sich ungehindert auf diesem Kontinent. Es bleibt abzusehen, wann die anderen Kontinente folgen. Das Bordquak, also der Computer des wukuwanischen Schlachtschiffs, hat heimlich Kontakt mit anderen Aliens in Amerika aufgenommen. Diese Funktion dürfte der Crew unbekannt sein. Es berichtet, dass Hir-Ni, seines Zeichens Kommandant der Flotte beziehungsweise des Raumschiffes, von seiner Crew entmachtet wurde.«
»Dirk, woher wollen wir wissen, dass die Wukuwaner nicht absichtlich die Ewanzler freigelassen haben. Dass es bewusst ein Angriff auf die Erde war? Es waren immer schon Flüchtlinge aus allen Teilen des Alls dabei, die gezielt Unruhe stiften wollten. Nur konnten wir sie jedes Mal vorher entschärfen. Dieses Mal sind wir zu spät.«
La-Toda-Mun, eine sehr bezaubernde sirische Schönheit, klang sehr kritisch.
»Weil die Wukuwaner ansonsten kein so kriegerisches Volk sind. Außerdem greifen sie nur diejenigen an, die ihnen etwas angetan haben. Und jetzt sagt mir, was haben die Erdenmenschen ihnen an Schaden zugefügt? Die weiteste Strecke, die je ein bemanntes Raumschiff geflogen ist, ging bis zum Mond. Also können die Wukuwaner keine feindliche Absicht gehabt haben.
Allerdings ist das Chaos perfekt. Keiner von ihnen hat eine Ahnung, was das heißt, Hir-Ni entmachtet zu haben.«
Sonja folgte gespannt Dirks Ausführungen. Alles verstand sie nicht, dafür war sie nicht genügend involviert. Die Gefahr jedoch durch die mitgebrachten Wesen kam deutlich zum Vorschein. Die Welt drehte langsam durch. Langsam bereute sie es, sich überhaupt hatte jemals hierher bringen zu lassen. Nun war es zu spät. Sie steckte mittendrin in einem realen Film.
»Wie wird unser weiteres Vorgehen aussehen?«
Diese Frage kam von einer roten Kugel mit lauter bunten Vierecken als Tentakeln.
»Das werden wir besprechen mü…«
Dirk unterbrach seinen Redefluss, als sein Handy klingelte. Sklave dessen hielt er sich das Teil sofort ans Ohr. Sein Aussehen verwandelte sich unaufhörlich. Außerirdischer, Erdling. Sonja wurde es schwindlig beim Zugucken und sie wandte sich ab. Mark berührte sie mental und ihre Ruhe kehrte zurück.
»Das Schlimmste, was passieren konnte. Wartet, ich schalte den Fernseher ein.«
Der Bildschirm flackerte kurz.
»Was ist das?«, wollte Sonja wissen, als sie die Frau fliegen sah.
»Wir wissen es noch nicht ganz genau. Aber wie es aussieht, wurde sie infiziert. Von den eingeschleppten Ewanzlern. In all den Jahren auf der Erde haben wir keine solche Mutation erlebt. Es kann nur durch diese Invasoren passiert sein. Schau, sie kann fliegen. Könnt ihr Menschen ohne technische Hilfsmittel fliegen?«
Sonja schüttelte energisch den Kopf.
»Deshalb kann sie nur infiziert sein. Auch auf anderen Planeten veränderten sich die Bewohner, sobald sie mit den winzig kleinen Invasoren in Berührung kamen. Viele überlebten das nicht. Andere mutierten. Sie entwickelten Kräfte, die nicht normal waren. Aber auch sie starben oft eines qualvollen Todes, je nach Rasse.«
Auf dem Bildschirm war eine Szene erkennbar, bei der Sonja an Superman denken musste, den Helden ihrer Kindheit mit Christopher Reeves. Nur trug die Frau kein solches Kostüm und war eben eine Frau.
»Sonja«, sagte Mark, der plötzlich neben ihr stand. »Du wirst eine von denen eurer Rasse sein, die mehr weiß. Ob wir das überleben werden, wissen wir nicht. Du aber besitzt jetzt ein Wissen, das dir noch nicht bewusst ist. Das ist einer der Effekte unserer Chillphasen. Austausch von Wissen und Erfahrungen. Falls du infiziert werden solltest, können wir nur hoffen, dass es bei dir ein Schnupfen wird, keine tödliche Grippe. Nur um dir einen Vergleich der Gefährlichkeit zu geben. Dann würdest du mutieren, zu was auch immer. Deine Überlebenschance hingegen wäre ungleich höher. Du wärest in der Lage, zu helfen, die Invasoren zu bekämpfen, sobald die Infektion vorbei ist.«
»Mark, nein!«
Sophias Tonfall war sehr ärgerlich.
»Das darfst du ihr nicht sagen. Sie ist ein Mensch.«
»Und was nutzt uns sonst unser Wissen, wenn wir es nicht weitergeben?«, fragte Mark zurück. »Irgendjemand muss ein Wissen besitzen, es vermitteln und helfen, diesen Planeten zu retten. Oder willst du die Retterin sein, Sophia?«
Mit einem lauten Knall wurde aus der rothaarigen Sophia Luft.
»Mensch, Mark«, schimpfte Dirk. »Du hast sie schon wieder angegriffen. Du kennst doch ihre empfindliche Art. Samthandschuhe aus Worten und sie kann alles verarbeiten. Aber nicht so.«
»Entschuldige Dirk. Aber die Situation geht uns allen an die Substanz.
Zurück zum Thema, kommen wir irgendwie an das Raumschiff mit der Crew ran? Ich meine, ihr kennt alle Area 51. Nicht der Ort, an dem einer von uns gerne sich aufhalten würde. Überlebenschance gleich Null.«
»Das wird schwierig, denke ich«, erwiderte La-Toda-Mun. »Die einzige Möglichkeit, die ich da sehe, ist, dass sie jemand hier schmuggelt. Aber wie?«
Sonjas Hinterteil schmerzte von dem langen Sitzen auf dem harten Stuhl. Unruhig rutschte sie hin und her. Ihre Gedanken schwirrten zwischen Zuhören und Verarbeiten sowie eigener Lösungssuche.
»Lassen sich diese Invasoren, diese Ewanzler, in irgendeiner Form beeinflussen? Mir scheint es wichtiger zu sein, diese in den Griff zu bekommen, als die Crew vor ihrem Tod zu retten. Vielleicht sind sie es schon. Oder haben sie eine Immunität gegenüber den mitgebrachten Invasoren?«
»Keine Manipulation dieser
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Texte: ELVEA VERLAG
Tag der Veröffentlichung: 09.03.2017
ISBN: 978-3-7438-0159-2
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