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Der Wolf und das Mädchen

Sie spürte die eisige Kälte des Windes, ihre Hände waren blau, ihre Lippen trocken und rissig. Das Kampfgeschrei hallte noch immer durch ihren Kopf und ihr ganzer Körper schmerzte, zitternd berührte sie ihre Stirn und sah auf das Blut an ihren Fingern. Schwer lag das Schwert in ihrer Hand, der Bogen zerbrochen, die Lederrüstung nur noch ein Haufen fetzen. Schmerzerfüllt fasste sie sich an die Schulter und spürte einen Pfeil in ihrer Haut stecken. Mit aller Kraft und sich auf die Lippen beissend brach sie ihn ab und warf das Ende weg.

Verwirrt sah sie sich um. Wo war er nur? War er nicht gerade noch an ihrer Seite? Wie konnte sie ihn verloren haben?! Panisch drehte sie sich um, suchte verzweifelt ihren Freund. Dann am anderen Ende des Feldes erblickte sie ihn. Schnell schlug sie sich einen Weg durch die noch immer tobende und brüllende Menge. Schwerter prallten aufeinander und das klirren der Klingen drang durch jedes ihrer Glieder. Männer fielen zu Boden, Pfeile flogen durch die Luft und überall roch es nach Rauch. Erneut traf sie ein Pfeil ins Bein, sie ging zu Boden und auch ein zweiter fand seinen Weg in ihren Rücken. War es jetzt vorbei? Nein! Das durfte nicht sein, sie musste ihn doch noch erreichen. Schauen, was mit ihm ist...

Mit letzter Kraft rappelte sie sich auf. Ihr Adrenalin kochte fast über und so schleppte sie sich in Richtung Feldende. Als sie endlich bei ihrem Freund ankam, fiel sie auf die Knie und sah sich um. Der Schnee war getränkt in dem Blut der Gefallenen und auch ihr alter Freund lag in einer Lache aus Blut und atmete schwer. Sie hob seinen Kopf auf ihren Schoß und streichelte ihn sanft.

Warum musste sie ihn mitnehmen? Warum konnte sie ihn nicht im Wald lassen, in der kleinen Hütte wo sie wohnten? War es letzten Endes alles ihre Schuld, warum er nun starb? Er war immer treu, hatte sie beschützt und bis zuletzt mit ihr gekämpft. Nun lag er da, wimmerte und rang nach Luft. Es war zu spät, sie konnte ihm nicht mehr helfen.

Tränen rannen ihre Wangen hinab und lösten das verkrustete Blut auf ihrem Gesicht. Kraft-und mutlos legte sie sich an seine Seite, schob ihren Arm unter seinen Kopf, streichelte seinen Körper und sprach mit ihm. Er schaute sie an, so als ob er wüsste, was jetzt passieren würde und er schien ihr zu sagen, dass es so in Ordnung sei. Sie küsste seinen Kopf, nahm ihren Dolch aus dem Stiefel und stach ihm ins Herz.

Kurz zuckte er zusammen und fiepte leise, doch dann verstummte sein Atem und sein Körper lag friedlich da. Ein letztes Mal sah sie sich um, sah die Menschen kämpfen, sah tote Körper und hörte Schreie. Dann schwand auch ihre Kraft und sie schlief ein. Neben dem, was ihr in ihrem Leben immer am meisten bedeutete. "Freunde für immer...", waren ihre letzten Worte. "Freunde bis über den Tod hinaus..."

 

 

Die Sonnenblume

Es war einmal eine wunderschöne Sonnenblume, die gedieh auf einer Lichtung mitten im Wald, umringt von vielen großen Bäumen.

Tag für Tag sprach sie mit den Bäumen, doch keiner von ihnen antwortete ihr. Als sie eines schönen Tages ihren Kopf der Sonne entgegenstreckte und das goldene Licht auf ihre Blätter viel, wurde sie ganz traurig. Da kam zufällig ein kleines Eichhörnchen des Weges und fragte: "Liebe Blume, warum bist du so traurig?" Darauf antwortete sie: "Ich bin so einsam auf dieser Lichtung. Niemand spricht mit mir oder leistet mir Gesellschaft." Das kleine Eichhörnchen überlegte nicht lange und bot ihr die Freundschaft an. Vor Glück jauchzend nahm sie das Angebot an. Von da an kam das Eichhörnchen jeden Tag zur Lichtung und sie redeten, lachten und spielten miteinander. Dies bekamen die anderen Tiere im Wald mit und waren von der Idee so begeistert, dass sie sich, einer nach dem anderen, dazugesellten.

Doch an einem schönen Morgen, als das Eichhörnchen wie immer zur Lichtung kam, sah es, dass es der Blume nicht gut ging. Mit gesenktem Kopf stand sie in Mitten ihrer herabfallenden Blütenblätter. Ausser sich vor Schreck, rief es die anderen Waldbewohner zu sich. Vorsichtig traten diese heran und als sie sahen, was mit ihrer Freundin passiert war, weinten sie bitterlich.

Langsam und mit letzter Kraft hob die Sonnenblume ihren Kopf und sprach: "Weint nicht um mich meine Freunde. Meine Zeit ist nun gekommen und ich danke euch für die schönen Dinge, die ich mit euch erleben durfte. Ich werde nun gehen müssen, doch bin ich nicht gänzlich verschwunden. In euren Herzen werde ich immer ein Teil von euch sein und aus mir wird nun etwas neues entstehen. So lebt dann wohl, meine treuen Freunde.." Daraufhin verstummte die Blume und liess ihren Kopf wieder hängen.

Träne um Träne vergossen die Tiere an diesem Tage und überall im Wald erklangen Klagelieder. Von da an betrat niemand mehr die Lichtung....bis es eines Morgens das Eichhörnchen dorthin verschlug. In Gedanken bei seiner geliebten Freundin, traute es seinen Augen kaum als es die Lichtung erreichte. Schnell rief es in den Wald hinein und die Lichtung füllte sich mit neugierigen Waldbewohnern. Doch was sie dann sahen übertraf bei Weitem alles, was sie sich erhofft hatten. Sie standen in einem Meer aus Sonnenblumen, die wild durcheinander plapperten.

Ausser sich vor Freude, spielten die Tiere bis in die späte Dämmerung mit den Blumen. Sie lachten, tanzten und feierten mit ihren neuen Freunden....Und so behielt die alte Sonnenblume recht. Ihre Samen erschufen wunderschöne, neue Blumen und niemals würde einer der Tiere ihre alte Freundin vergessen, denn in ihren Herzen und in Gestalt der jungen Blumen, lebt sie fortan und auf ewig weiter.

Impressum

Texte: Sabrina Faust
Tag der Veröffentlichung: 12.01.2014

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