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Fastenzeit, langweilige Zeit, sage ich immer.

 

Ich wurde im Glauben erzogen. In der Fastenzeit verzichteten unsere Eltern auf tierische Produkte und Alkohol, aber dieses hat sich im Laufe der Jahre und der schrumpfenden Frömmigkeit abgeschwächt. Irgendwann kam so ein Yuppie, Hipster oder wie auch immer sie heißen mögen, auf die Idee, man könne auch auf etwas anderes liebgewonnenes für sieben Wochen verzichten, sieben Wochen, die Zeit zwischen Aschermittwoch und der Auferstehungsfeier Jesu Christie am Ostermontag. Das nannte man kurz >sieben Wochen ohne<, ohne irgendwas, das man sich spontan ausgesucht hatte und auf das man verzichten konnte, wie rauchen, trinken, Süßigkeiten, Fleisch und so weiter.

 

Fastenzeit auch Passionszeit, Passion ist gleich eine Hingabe und diesem Trend schloss auch ich mich, mit meiner Passion, an. Wie all die anderen verzichtete ich regelmäßig in dieser Zeit auf eines der oben genannten Dinge. Mal war es Fleisch, mal das Qualmen der Zigaretten, das ich mittelweile ganz aufgegeben habe, mal das Gläschen Schnaps nach dem mich gelüstete, wenn ich wieder einmal meiner wahren Passion, vergessen wir nicht, gleich Hingabe, nachgekommen war, das Morden.

 

Fasten oder Passionszeit soll uns zum Denken anregen, wir sollen uns auf das Wesentliche konzentrieren, den Glauben an die göttliche Schöpfung. Ansichtssache!

 

Ich bin voller Liebe und Hingabe Serienkiller, Auftragskiller, Spaßmörder. Ich liebe die Rinnsale an Blut. Das ist auch der Grund, dass ich mir immer Tötungsmethoden ausdenke, bei denen Blut fließt, viel Blut. Rote Flüssigkeit, die den Boden entlangläuft, kleine Flüsse bildet, die meist in ein größeres Gewässer einlaufen, wie Abwasserkanäle, Bäche, Flüsse und wenn es wieder soweit ist, beobachte ich, wie dieses Blut sich wieder mit dem Kreislauf der Flüssigkeit des Lebens, dem Wasser, vereint. Traumhaft!

 

Ich suche mir immer Opfer fern meiner Heimat, ohne jeglichen Bezug zu mir. Sie laufen mir über den Weg und wenn ich sie gut riechen kann, dann gibt es sie schon bald nicht mehr. Dieser Passion gebe ich mich seit 30 Jahren hin und seit 25 Jahren nutze ich die Fastenzeit. Ich passioniere mich.

 

Bereits Wochen vorher schalte ich auf Sparflamme, buche mir eine Reise fernab der Zivilisation, bei der ich möglichst wenigen Menschen, besser gar keinen, begegne. Eine einsame Hütte in den Bergen, eine Hütte mitten in Finnland an einem See, einen Flug auf eine einsame Ferieninsel, halt ein Plätzchen ohne viel Tamtam.

 

Dort entspannte ich mich, lasse die Seele baumeln, denke über meine Vergehen nach, erteile mir Absolution und nach sieben Wochen verlasse ich den Ort wieder, allerdings dann seelisch gereinigt und bereit auf neue Fänge zu gehen.

 

Für mich brauche ich keine Gründe jemanden zu töten. Ich bin der Grund, dass jemand getötet wird, beziehungsweise, meine Gier ist es, meine Gier auf einen neuen Strich auf meinem Wandgemälde.

 

Ich nutze die Fastenzeit zur Reinigung meiner Seele, zum Überdenken meiner Taten und wie beim Entsagen vom Rauchen und Alkohol, kehrt man doch wieder in den alten Trott zurück. Da ist man sieben Wochen clean, um sich dann erneut, wie beim Fasten nach langer Entwöhnung, wieder langsam an seine Standardgewohnheiten heranzuarbeiten, aber die meisten haben sich am Ende nur eine Auszeit genommen, wie einen kleinen Urlaub halt und so tue ich es auch.

 

Ein Blick auf meine geöffneten Koffer mit der abgehakten Packliste, alles da. Was ich nicht eingepackt habe, sind Messer, Tranchiersets für Tierkadaver, Brennmittel. Meine Leichen findet man nicht, man hat noch nie eine gefunden. Ich habe sie immer gut vernichtet.

 

Wenn ich aus meiner Fastenzeit zurückkomme, werde ich mich an meinen 250ten Toten machen, ermordet durch meiner Hände Finger, niedergeschrieben auf der Tastatur meines Laptops.

 

Ach, ich vergaß zu sagen, gestatten, mein Name ist Anton Totenreiter, von Beruf Bestsellerautor, Sparte Thriller. Sonst noch Fragen?

 

Ich schließe die Koffer, schnappe mir die Schlüssel und begebe mich in meine Nichtschreibphase auch Electronic-Detoxing von mir genannt. Bis in sieben Wochen, wenn Opfer 250 unter den Händen von Anton Totenreiter eines grauenvollen Todes sterben wird und das Blut erneut gen Wasser fließt.

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Cover: erd Altmann auf Pixabay
Tag der Veröffentlichung: 02.03.2023

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