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Onkels und Tanten

Seine Verwandten kann man sich nicht aussuchen, sie werden einem auf den Lebensweg mitgegeben, man muss lernen das Beste daraus zu machen und die Weisheiten aufzusaugen.

 

Bei mir in der Familie sind alle ein klein wenig spleenig. Mama versucht, Landestracht ähnlich auszusehen, wenn sie verreist. Papa gerät in unmögliche Situationen.

 

Aber, meine Onkels und Tanten sind nicht besser. Da haben wir den Psychopathen, wie er von seinem Schwiegervater genannt wird, der Bruder meines Vaters. Seine Vorliebe liegt darin, Alle und Jeden anzuschreiben. Er schreibt an die/den Bundeskanzler/in, legt ihnen seine politische Meinung dar. Lebensmittelkonzerne haben unter seiner Kritik, an ihren Produkten und Verpackungen, zu leiden. Vergessen wir auch nicht die Autohersteller und die kleinen Fehler an ihren Werken oder den Tischler von nebenan. Im Haus meines Onkels gibt es einen Büroraum, voll mit Ordnern, in denen er seine Anschreiben und die Antworten

 

Nicht immer sind seine Anschreiben für jeden verständlich, was auch auf einen Fall, mich betreffend, zu traf.Ich war noch Teenager, hatte mir von meinem, mühsam erwirtschafteten, Geld aus meiner Tätigkeit in einer Heißmamgelei, eine teure Stoffhose gekauft. Mein Onkel kam zu Besuch. Wir rangelten ein bisschen rum, ich wollte weglaufen, er hielt mich an der Hose fest, ich machte einen komischen schritte und die  Hose riss am Bein ein. Natürlich gab ich ihm die Schuld.

 

Er wollte mir aber das Geld für die Hose nicht geben, aber er nicht faul und des Schreibens gewieft, konstruierte einen Fall daraus, der ihm, in seinen Augen, garantiert eine Erstattung des Geldes einbrachte. Wir hätten am Abendbrottisch gesessen, er das große Schneidemesser in der Hand. Beim Schneiden des harten Brotes sei er abgerutscht, an mein Bein gekommen und dabei hätte er die Hose aufgeschnitten. Antwort der Versicherung, ob wir die Messerstecherei bereits der Polizei gemeldet hätten, wenn nicht, sollten wir dies als aller erstes tun und dann noch mal die Unterlagen einreichen. Nach einer Odyssee von Schreiben meines Onkels an die Versicherung, gab es dann das Geld für die Hose zurück.

 

Der nächste Onkel ist Pastor und bekennender Dauerstudent. 20 Semester hat er Theologie studiert. Er ist nicht faul, nur motiviert nichts zu tun.

 

Vergessen wir nicht meinen Onkel >Keiner weiß, was ich mache<. Über ihn kursieren nur Gerüchte. Niemand aus der Familie hat eine Ahnung, was er so getrieben hat. Selbst als er vor einem halben Jahr verstarb, wurde die Familie erst drei Monate später informiert, nachdem er bereits lange unter der Erde lag. Und auch hier hielt er sich an sein Motto, >Keiner weiß was<. Die Geschwister wissen nicht, wo er beerdigt wurde, das versuchen sie gerade in mühsamer Kleinarbeit herauszubekommen.

 

Als letzter aus der Riege meines Vaters bleibt der Udo Jürgens unter ihnen. Jahrelang glaubte ich, er wäre der Bruder von Udo Jürgens, bis ich das Thema Verwandtschaft kapiert hatte. Er tanzte und tanzt noch immer auf allen Hochzeiten. Er liebt die Bauen, allerdings immer nur kurz. Unglaublich, wie viele neue Tanten ich immer wieder hatte.

 

Nun kommen wir zur Seite meiner Mutter. Bei vier Geschwistern muss man einfach kommunikativ werden. Meine Mutter ist >Master of Kommunikation<, der jüngste Bruder macht dem Namen Schweiger alle Ehren, meine Tante hätte im Karneval als Tanzmariechen und Freudentaumel gehen können, während der älteste Bruder auf Komfort setzte. Jeder hatte so seine Ideen.

 

Meine Tante, das Nesthäkchen, war nur 10 Jahre älter als wir. Das machte sie zum perfekten Partner für den Disco-Gang, das jugendliche Saufgelage, die Verwahrerin unserer Geheimnisse. Mit ihr konnten wir abhängen, singen, lachen, tanzen. Leider starb sie viel zu früh.

 

Mein ältester Onkel baute bereits in den siebziger Jahren seinen Campingplatz zum Komfortplatz aus. Dort gab es nicht nur den Wohnwagen mit Vorzelt, nein, er hatte auch einen eigenen Waschsalon, mit Spülklo, anstatt Chemieklo, mit Waschmaschine und Tümmler. Im Vorzelt kein Campingkocher, nein, wenn schon denn schon, Herd mit Backofen und Geschirrspüler. Alles top. Nur wenige Handgriffe für meine Tante.

 

Jetzt kommen wir zur Krönung, der jüngste Bruder. Er riss die Vorderfront seines Hauses, genauer dem Wohnzimmer ein, baute einen Holzbau davor und erschuf sich seinen Lebenstraum in der guten Stube, ein großes Segelschiff. Schiff wohlgemerkt, nicht Boot.Währenddessen prüfte mein Vater seinen Motorbootmotor im Wohnzimmer in der Mülltonne voll Wasser.

 

Die beiden Brüder und meine Großeltern mütterlicherseits, lebten direkt neben uns, also konnte es nicht anders kommen, als dass auch ich infiziert wurde von dieser Familie.

 

Nunmehr 63 Jahre alt, gehe ich auf Scooter-Konzerte, gebe bei jeder Gelegenheit die Königin, quatsche mit jedem der mir unter die Augen kommt und reise durch Europa, um meine Philosophie zu verbreiten.

Impressum

Cover: Angela Punddschus
Tag der Veröffentlichung: 11.02.2023

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