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Wellness-Wahnsinn

Ich liebe es, wenn diese zärtlichen Hände diesen empfindlichen Körperteil von mir massieren, ihn kneten, streichen, ziehen, diese wohltuende Behandlung tut mir gut. Danach lege ich mich ein wenig flach auf den Rücken und lasse die Zeit dahingehen. Gehen ist das richtige Wort für meine Situation. Ich gehe. Ich gehe in Erwartung auf Vervollständigung meines Körpers, zum Genuss der Augen anderer Menschen und der Reaktion ihrer Körperteile auf mich. Nachdem ich zwanzig Minuten auf dem Holzuntergrund geruht hatte, kam ein junger wunderschöner Mann, stupste mir mit seinem Zeigefinger in die Seite, drückte ein wenig und nickte anerkennend mit dem Kopf.

 

Dann hob er meinen Körper mit der Unterlage an und trug mich an einen anderen Tisch, an dem zwei nette junge Frauen sich unterhielten, dann lachten sie lauthals auf- Ich hatte nichts verstanden und war ganz schön neugierig, aber die beiden unterhielten sich nunmehr nicht mehr über die witzige Angelegenheit, sondern über einen Zettel, den eine von ihnen in den Händen hielt. Man beachtete mich gar nicht. Ich fing an zu frieren und hatte das Gefühl, dass meine Haut etwas schrumpelte. Endlich erlangte ich wieder ihre Aufmerksamkeit. „Es ist soweit, kleine Lady.“ Ihre Hände begannen noch einmal mich zu strecken, zu ziehen. Die Andere stellte ein paar Schälchen und Schüsseln rechts neben meine Unterlage. Ihre Nachbarin betrachtete mich noch einmal, zupfte noch mal leicht an mir, drückte mich etwas und nickte dann zustimmend. Jetzt machte sich die Kosmetikerin von den Beiden an die Arbeit. Sie bestrich meine Haut mit einer roten Creme. Das war bestimmt die Feuchtigkeitsmaske. Der Pinsel glitt liebevoll über meine Haut. Danach legte sie mir ein paar Gurken- und Tomatenscheiben auf die Creme.

 

Von Gurken für Hautfeuchtigkeit hatte ich bereits gehört, aber Tomatenscheiben, never ever. Und, was sollte das jetzt. Sie wedelte ihrer Kollegin mit ein paar Salamischeiben vorm Gesicht herum. Dann schmiss sie diese auf die bereits vorhandene Feuchtigkeitsmaske. Ich konnte jetzt nichts mehr sehen, merkte nur anhand des Geruchs und des Gewichts, dass sie ihre Maske weiter verfeinerte. Ein bisschen Pfeffer, Jalapenos, Champignons und Oregano. Eigentlich eine leckere Mischung für ein Abendessen, aber doch nicht für eine Schönheitsmaske. Sie verschob die Auflage ein wenig, so dass ein kleines Guckloch, durch das ich ein wenig von der Welt, außerhalb der Maske, sehen konnte. Ihre Hand schwebte über mir, dann fielen, wie Schneeflocken, kleine gelbe Teilchen auf mich. Sie nickte bestätigend, hob mich hoch und stellte meine Unterlage und mich in eine Reihe, bereits wartender, gleichgesinnter Schönheitsfanatikerinnen. Ich vernahm aus der Ferne ein Gejohle und Geschreie.

 

„Yeah, Bräunungsstudio naht.“ Nun begriff ich die Verwendung all dieser schönmachenden Zutaten. Eine Verbrennung meiner Haut sollte verhindert werden. Alle fünf Minuten wanderte ich eine Stelle vorwärts, es wurde wärmer und wärmer. Die Freude stieg mehr und mehr in mir auf. Feuchtigkeitsmaske, Bräunungsstudio, was würde noch kommen. Nun lag ich direkt vor der Sonnenbank, die mich gleich aufnehmen und bestrahlen würde und jeder weiß, Sonnenstrahlen machen glücklich. Ich jubelte innerlich. Dann ging die Haube auf und ich wurde hineingeschoben. Die Hitze trieb mir den Schweiß auf die Stirn, doch dann überwog das Glück der heißen Sonne erhob sich in mir. Nach fünf Minuten wurde ich wieder aus dem Ofen gezogen. Anstatt, dass mir nun jemand den Schweiß und die Feuchtigkeitsmaske entfernte und ich mein schönes Spiegelbild betrachten konnte, wurde ich in einen dunklen Karton gelegt und weitertransportiert. Was jetzt wohl kommen würde. Keine zehn Minuten später vernahm ich ein Klingeln in meinem Karton.

 

„Die Pizza ist da!“

 

„Häh?“

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Cover: Pixabay Hans
Tag der Veröffentlichung: 14.11.2022

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