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Roadtrip to St. Petersburg

Meine Liebe zu Russland wurde mir in die Wiege gelegt und ich habe sie unbewusst an meine Tochter weitergegeben. Mein Vater wurde im Zweiten Weltkrieg von den Russen nach Russland verschleppt. Er lebte dort 14 Jahre. Aus seinen Erzählungen lernte ich ein Land anders kennen, als wir es in der Presse dargestellt bekommen. Dies ist Teil eins des Vorwortes, zu St. Petersburger Traum.

 

Teil zwei beginnt mit dem Satz; »Sollte ich jemals eine Busreise machen wollen, erschießt mich.« Hintergrund, ich war jung und brauchte das Geld. Quatsch, ich dachte immer, Busreisen machen nur alte Leute, dass ich selber schon etwas älter bin, habe ich 2019 noch nicht bedacht. Teil drei des Vorwortes war Facebook mit einer Werbeanzeige für eine Busreise nach St. Petersburg. Sie flatterte urplötzlich über mich herein und ich war fasziniert, 900 Euro, 10 Tage Reise St. Petersburg, Halbpension im Doppelzimmer. Wow!!!

 

Da wollte ich doch schon immer mal hin und meine Tochter auch. Also Griff zum Telefon, sie angerufen und die Reise gebucht.

 

Reisevorbereitungen:

 

Mein Reisepass für New York war schon lange abgelaufen. 2005 bis 2019 ist halt eine zu lange Zeit. Also musste ein Neuer her. Die Beantragung war einfach und schnell erledigt. Dann das Visum. Wir dachten, wer weiß, was der Opi alles in Russland angestellt hat, vielleicht kamen wir da gar nicht rein. Oh Wunder, oh staune, der Opi schien nichts falsch gemacht zu haben. Das mit dem Visum ging ratzfatz. Nun hatten wir alles zusammen. Die Reise konnte starten.

 

St. Petersburg, wir kommen! 

 

Als wir am ZOB vor dem Bus standen und die Mitfahrenden betrachteten, fühlte ich mich bestätigt, nur sehr alte Leute, jeder mit irgendeinem Gebrechen, das erst einmal diskutiert werden musste. Von 66 Mitreisenden war meine Tochter mit Abstand die Jüngste, dann gab es noch eine Alleinreisende mittleren Alters und zwei Pärchen, dann kam schon ich. Boah!

 

Es ging los nach Travemünde. Dort wartete die Fähre nach Helsinki auf uns. Wir beide setzten uns am Abend in die Bar und kippten uns alkoholische Getränke hinter die Binde. Wir wollten die Abfahrt doch miterleben. Nachts um 4 ging es los. Wir standen mit unseren Getränken, Ende September, draußen auf dem Oberdeck und genossen die Ausfahrt aus dem Hafen.

 

Der zweite Tag war ein Seetag. Da die Fähre immer verhältnismäßig dicht an der Küste entlangfuhr, konnte man teilweise das Festland sehen. Den Tag verbrachten wir mit Wellness und Shoppen, den Abend mit trinken in der Bar.

 

Nächster Tag, Ankunft in Helsinki, ab in den Bus und losging es gen Russland, die Fahrt untermalt mit Schauergeschichten unseres Busfahrers, ein Kenner der russischen Szene und Seele, was alles beim Grenzübergang passieren kann. Zwischenstopp beim Jagdschlösschen des Zaren in Finnland und dann endlich das ersehnte Land.

 

 

 

Wir sollten ganz ernst bleiben, die Grenzbeamten nicht anlächeln, keine Miene verziehen. Schwer für mein Fleisch und Blut und mich, die, wenn wir zusammen sind, ständig am Lachen sind. Ich blickte dem Grenzsoldaten mit ernstem Gesicht an und war durch. Unser Reisetrupp war das genaue Gegenteil all der Schauergeschichten, die wir in den letzten 3 Stunden genießen durften, Keine Gepäckkontrolle und keiner wurde angehalten.

 

Im Hotel, einem großen Touristenhotel mit 20 Stockwerken angekommen, packten wir aus und erkundeten dann die Umgebung. Erster Lichtblick des ernsthaften Tages, ein Schild über einem Geschäft, das wir kannten. McDonalds auf Russisch. Natürlich konnte meine Familie das lesen, da meine Tochter und ich die Sprache gelernt hatten.

Ich kann sie nicht mehr sprechen, aber lesen und ich verstehe immer noch Wortfetzen, nach mehr als 40 Jahren. Am Abend gingen, meine Tochter Desiree und ich, in die Bar im 15. Stock. »Mama, ich beweise dir meine russischen Kenntnisse und bestelle uns die Getränke in der Landessprache, die können ja kein Englisch hat der Busfahrer gesagt. Was möchtest du?« Die Bestellung sollte lauten, ein Bier und einen Bacardi mit Cola-light. Sie ging zum Tresen, bestellte stolz in der seit fünf Jahren erlernten Sprache und bekam etwas anderes. Okay, zweiter Versuch. Ging wieder daneben. Jetzt ich, auf Englisch, eine Sprache, die für mich fast schon Muttersprache ist. Prompt bekamen wir das gewünschte Getränk. Nebenbei bemerkt, der Blick über die Skyline von St. Petersburg war berauschend.

 

 

Am nächsten Tag erst einmal Stadtrundfahrt, dann Besuch einer Kirche, gefolgt von einem Besuch in dem größten Einkaufszentrum der Stadt. Hier sprach Desiree und mich eine talentierte russische Fachverkäuferin für Manikürartikel an, die uns zeigte, wie man mit einer neuen Feile, russischen Fabrikats, ganz toll Nägel und Nagelhaut kürzen kann. Die Dame war des Englischen nicht mächtig, also setzte meine Tochter ihre Kenntnisse ein und siehe da, die Beiden verstanden sich. Sie diskutierten etwas länger und Schwupps, hatten wir zwei Feilen gekauft, ohne umzurechnen. Als wir das Nobelkaufhaus verließen, rechneten wir um. Eine Feile gleich 43,00 Euro. Die Teuersten, die wir je gekauft hatten.

 

 

 

Danach eine kurze Mahlzeit, irgendwelche Teigkuchen und weiter ging es in die Eremitage.

 

 

Nächster Tag, Newa-Rundfahrt und Besuch eines der größten Souvenirshops der Stadt. Den konnte ich mir nicht entgehen lassen. Während der Fahrt gab es alle paar Minütchen ein Wässerchen, sprich Wodka, zum Warmhalten. Denn trotz Wolldecken fror man hier bereits im September. Im Souvenirshop konnte ich, die Frau, die man auch Mrs. Kleingewinne, Mrs. Christmas oder Mrs. Souvenirgeil nennt, nicht an mich halten. Ich kaufte alles, was glitzerte oder russisch aussah.

Am Nachmittag besuchten wir den Petershof, mir blieb vor Staunen der Mund offenstehen, ich konnte vor so viel Prunk und Glanz nicht mehr sprechen. Verschwendung pur, einfach nur pompös, dies sollte allerdings noch getoppt werden in den nächsten Tagen. Und das, obwohl wir uns hier nur die Gärten und das Außenbild ansehen durften.

 

Am nächsten Tag ging es in den Katharinen Palast, hier wurde man von Gold erschlagen. Allerdings muss ich sagen, hier steht auch das wieder aufgebaute Bernsteinzimmer, das hat der Herr Putin sich echt was kosten lassen. Man darf es nicht fotografieren, streng verboten, aber angucken und was soll ich sagen, es ist weniger pompös als erwartet, aber der Rest ist einmalig, da kommt nicht mal Schönbrunn ran. Allerdings nervte mich etwas, dass man als Reisegruppe dort nur getaktet durchgehen durfte. Wir nahmen uns vor, wieder zu kommen und dann den Katharinenpalast auf eigene Faust zu erkunden. Er hat, so viele schöne Dinge zu zeigen.

Am Nachmittag ging es noch zur Kasaner-Kathedrale, um sich die heilige Mutter Maria Ikone anzugucken. Da steht jemand mit Putzlappen daneben, weil die Russen diese Ikone alle küssen wollen. Danach muss das Glas gereinigt werden. In Corona-Zeiten unvorstellbar.

 

Am Abend folgte dann der russische Folkloreabend. Tanzgruppe, Musikgruppe, Delikatessen des Landes, natürlich Gesang und nicht zu vergessen, der Wodka floss in Strömen.

 

Am letzten Tag besuchten wir die Peter und Paul Kathedrale, in der die Gebeine der letzten Zarenfamilie liegen und da stand er, mein Traum, ein echter Thron. Der Thron des Zaren.

 

Wir hatten dann einige Stunden zur freien Verfügung und bummelten mal wieder durch die größte Einkaufsstraße der Stadt. Wenn man durch diese Straße geht, fühlt man sich wie in jeder anderen europäischen Großstadt. Erst in den Außenbereichen merkt man, dass man nicht in England, Belgien, Frankreich oder Österreich ist. Wir gingen in den angesagtesten Delikatessshop der Stadt, noch ein paar Geschenke kaufen. Was durfte nicht fehlen? Wodka!

 

Dann sahen wir es und es hielt uns nichts mehr. Wir bekamen Kaffeedurst. Erinnerungen an New York wurden wach. Starbucks! Wir hinein und einen Venti Kaffee Latte genossen. Wir mussten da noch aus dem üblichen weiblichen Gründen hinein, die Blase rief nach einer Toilette. Diese waren etwas strange und wir kamen ohne die Hilfe der Bedienung nicht wieder hinaus. Gefangen genommen von einer russischen Toilette. Das wäre eine Schlagzeile geworden.

 

 

Nach einer kurzen Nacht ging es zurück nach Deutschland. Noch ein kurzer Zwischenstopp in Helsinki und dann dekadent die Zeit an Bord der Fähre genossen.

 

 

Wir schworen uns, wir würden wiederkommen, da hat jetzt jemand uns einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Impressum

Cover: Angela Pundschus
Tag der Veröffentlichung: 11.10.2022

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