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Wider dem inneren Schweinehund

Wider dem inneren Schweinehund

 

Der Begriff Feind ist ein anderes Wort für Widersacher. Ich kenne keine Feinde, gehe auf jeden Menschen offen zu, aber einen imaginären Feind habe ich, den inneren Schweinhund.

 

Seit Jahren studiere ich, im Hobbybereich, Psychologie, Anatomie, Ernährungswissenschaften, Kriminaltechnologie und alles über Russland und Großbritannien. Jedoch hat mir all dieses erworbene Wissen nie etwas genützt im Kampf gegen meinen größten Feind, den inneren Schweinehund.

 

Ständig erscheint er mir, sagt mir, »geh den bequemeren Weg«. Und was tue ich, ich folge seinen Anweisungen. So manches Mal gewinne ich auch, dann gehe ich schnurstracks am Konditor oder Eis-Café oder Bäcker vorbei.

 

Mein Arzt riet mir, ein paar Pfunde abzunehmen, also eine passende Diät musste her. Was habe ich noch gelernt, keine Radikaldiäten, es muss also eine rigorose Essensumstellung her. Ich entscheide mich für eine Low-Carb-Diät. Nun bring das Mal dem Hund in dir bei.

 

Ich war nie der Typ für Kuchen, aber seit ich den Entschluss fasste, kohlehydratarm zu essen, erscheint mir jedes Mal, wenn ich an einem Konditor vorbeigehe, dieser kleine gefräßige Hund und flüstert mir zu: »Komm kauf dir ein Stück, eines wird dich nicht umbringen. Eines hat nicht soviel Kalorien wie du denkst und von den Kohlenhydrathen, wollen wir erst gar nicht anfangen zu reden.« Erscheint mir dieses Wesen, versuche ich, sie zu ignorieren. Schüttel ich abrupt den Kopf, wende mich vom Schaufenster des Cafés, mit all seinen Leckereien, ab. Dann erscheint mir sofort ein kleiner süßer Hund, der mit dem Schwanz wedele und bellt: »Komm, spiel mit mir. Fang den Kuchen.«

 

Ich kämpfe gegen mich und einen meiner treuesten Begleiter. Mein Kühlschrank ist auf Low Carb eingestellt. Gemüse, Eier, Joghurt, Quark, Fleisch, Mandelmehl, Kokosmehl, Nüsse, eigentlich alles leckere Dinge, aber der kleine Freund in mir hat etwas dagegen. Gehe ich abends an den Kühlschrank, für einen gesunden kleinen Snack, übergibt er sich auf meiner Schulter. »Wer hat dich bloß auf diese krude Idee gebracht, Low-Carb zu essen? Mach Dir einen Quark, haue dir Zucker rein und ein paar Früchte, hmm, lecker.«

 

Nachdem ich einige male gegen dieses Tier versagt hatte, meldet sich der hässliche Hund auf der anderen Schulter. »Du kannst ihn doch nicht gewinnen lassen; kämpfe mein Freund.« >Ha, auf diesen hässlichen kleinen Hund hört doch keiner<.

 

Nun ist es ja so, dass man sich lieber mit schönen Dingen umgibt, in meinem Fall einen kleinen schwanzwedelnden süßen Hund, der mir einredet, dass das ja alles gar nicht so schlimm ist mit den Kohlenhydraten und den Kalorien, und Sport tut auch nicht not.

 

Täglich dieser Kampf, nicht auf diesen inneren imaginären Feind zu hören, ihm zu widersprechen, dieSchokolade nicht aus dem Regal nehmen, doch die 10.000 Schritte vollzumachen, und auf das Fernsehprogramm zu verzichten. Je länger das Verbot anhält, um so härter wird dieser Kampf und das gilt nicht nur für Diäten, da gibt es die Maskenpflicht, das Kaufverbot, das Alkoholverbot, Rauchaufgabe, jeder hat seinen imaginären Feind, den es zu besiegen gilt. Ich habe gerade das Gefühl, ich verliere erneut.

 

Das Eis-Café, bei uns um die Ecke, hat letztes Wochenende wieder seine Tore geöffnet. So eben fuhr ich mit dem Bus dran vorbei. Die Bushaltestelle liegt 200 Meter davon entfernt, normalerweise gehe ich direkt nach Hause und nicht zurück zum Eis-Café, aber kaum habe ich den Bus verlassen, war er da, dieser schwanzwedelnde kleine Hund, der sagt, »ach komm, stell dich nicht an. Eine Kugel Eis wird schon nicht schaden. Bitte, Bitte, Bitte. Wau, Wau, Wau.« Er braucht wirklich nicht lange, da hat er mich. Ich stehe in der 100 Meter langen Schlange und stelle mich für eine Kugel Eis an.

 

»Psst, ich bins, dein Schweinehund, eine Kugel Eis ist zuwenig für diese lange Wartezeit, nimm zwei und wenn es länger als fünf Minuten dauert, dann auch noch Sahne dazu.« Was soll ich sagen, er hat wieder gewonnen, statt einer Kugel Eis in der Waffel, kaufe ich zwei Kugeln mit Sahne und einen Cappuccino dazu.

 

Wieder einmal habe ich den Kampf verloren. Es gibt aber auch Phasen, da gewinnt der Hässlichere von beiden, das ist aber nur der Fall, wenn gerade keine Verbotszone im Blickfeld erscheint. Dann gewinne auch ich mal gegen den niedlichen kleinen Schweinehund.

 

Dies hat aber meist andere Gründe, als einen Kampf zu gewinnen. Es gibt Wichtigeres, ich muss ganz dringend nach Hause, da wartet etwas anderes darauf, von mir bedient zu werden. Da kann das Viech auf meiner Schulter noch so sehr mit dem Schwanz wedeln,

 

Der innere Schweinehung Brunnen in Bad Harzburg

Impressum

Cover: Angela Pundschus
Tag der Veröffentlichung: 10.04.2022

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