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Ich erwachte aus meinem zarten Schlaf und schrie auf. Der Schmerz war wieder da. Mein Schmerz. Wieder war es am Anfang nur ein Stechen im kleinen Zeh, das sich dann aber in rasender Geschwindigkeit zu meinem Kopf ausbreitete. Der Moment, wenn es den Kopf erreicht, ist immer am schlimmsten. Dort explodiert es förmlich und schießt durch alle Adern und Nerven wie kleine Glassplitter zurück zu den Füßen, wo es, wie vor Schwäche zusammenbrechend, verebbte. Langsam öffnete ich wieder meine Augen, die ich fest zusammen gekniffen hatte. Keuchend holte ich Luft, wobei ich merkte, dass mein Kopf fest im Kopfkissen vergraben war. Ich hasste diese Anfälle. Ich hasste diese Abende vor einem Anfall, gefüllt mit angstvollem Warten, und ich hasste mich. Ich hasste meinen Körper dafür dass er mir das antat. Und ich hasste mein Leben, eine schreckliche Routine gefüllt von Schmerz und Abgeschiedenheit. Wenn die Anfälle nur nicht bei jedem mal schlimmer werden würden, hätte ich mich auch mit meinem Schicksal abfinden können, doch immer wenn ich meinte, dass es nicht mehr schrecklicher werden würde, setzte die Krankheit einen drauf.
Wir geben dieser Krankheit keinen Namen, denn nur etwas Lebendes, Friedliches und Gutmütiges hatte einen Namen verdient. Doch nach meinen Erfahrungen mit ihr kann ich mit großer Sicherheit sagen, dass sie nichts von diesem ist. Wir, das ist meine Familie inklusive mir. Alle von uns haben diese Anfälle, und die einzige Erfüllung in unserem Leben ist die, Antworten zu finden wieso unsere Familie seit Jahrhunderten unter diesen leidet. Nur mein Leben hatte noch eine andere. Sie war klein, mit kastanienbraunem Haar, Smaragdgrünen großen Augen und die lebendigste, friedlichste und gutmütigste Erfüllung die die Welt je gesehen hat. Sie hatte wahrhaftig einen Namen verdient.
Der Wecker klingelte mich unbarmherzig aus meinem doch verdienten Schlaf. Ich versuchte die Augen zu öffnen, doch diese waren sehr stark verklebt. Vorsichtig strich ich mit meinem Finger über meine Augen um diese zu öffnen. Als mir das gelang erschrak ich sofort, denn neben meinem Bett stand jemand, den ich bei genauerem Hinsehen jedoch als meine Mutter identifizieren konnte. Sie war gerade dabei die großen Fenster zum Garten hin zu öffnen, damit die noch nicht von der Sommersonne erwärmte Morgenluft in mein Zimmer hineinströmen kann. Vorsichtig schielte sie zu mir herüber, um mich dann mit einem ekelhaft süßem „Guten Morgen Timothy!“ zu begrüßen. Missmutig drückte ich auch ein „Morgen!“ hinterher, um sie nicht zu beleidigen. Ich quälte mich aus dem Bett. Zitternd kam ich mit beiden Beinen auf dem blauen Teppich neben meinem Bett zum Stehen. Blaue Fluseln quollen zwischen meinen Zehen hindurch. „War es schlimmer?“ fragte meine Mutter mich. Ich brachte nur ein „Mhm“ heraus, ich hasste es über meine Anfälle reden zu müssen. Mum selbst hat keine Anfälle, da sie nicht aus unserer Familie stammt, sondern von Dad geheiratet worden war. Ich zähle Mum nicht gern zu unserer Familie. Sie weiß nicht was wir durchmachen und doch legte sie so ein widerliches Verständnis an den Tag. Es fühlt sich einfach falsch an, wenn jemand so mit einem spricht, der keine Ahnung hat, und meistens hasste ich sie dafür. Langsam schlurfte ich aus meinem Zimmer, die Marmortreppe hinunter in Richtung Küche. Ich setzte mich an den großen, dunklen Holztisch und wartete auf Sue-Ann, unsere rau für alles. Ihre Famlie ist schon seit Ewigkeiten im Dienst von unserer. Sie betrat gerade die Küche. Sue-Ann war eine hochgewachsene Frau ende Fünfzig. Ihre langen rotgefärbten Haare hatte sie mit einem blauen Kopftuch zurückgebunden. Diese Farben stachen sich wunderbar mit ihren grünen Augen, und gaben das perfekte Bild einer Hellseherin ab, was sie allerdings leider nicht war. „Guten Morgen Timmy.“ Ich mochte es, wenn sie mich so nannte. Sue-Ann mochte ich generell viel lieber als Mum. Sie wusste so viel mehr über unsere Familiengeheimnisse und wusste für alles Rat. Für mich war sie wie eine Großmutter.

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Tag der Veröffentlichung: 08.08.2012

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