Entschlossen trat ich in den Raum, er war wunderschön so wie jedes Zimmer des Schlosses, dass ich bisher gesehen hatte. Meine Mutter lag in ihrem großen Himmelbett, mit den Azurblauen Vorhängen. Langsam schritt ich zu ihr und setzte mich neben das Bett, auf einen bequemen Stuhl, als ich meine Hände gefaltet hatte, und zu meiner Mutter schaute, hatte sie die Augen geschlossen.
„Mutter, bist du noch da?“
„Ja mein Schatz, natürlich.“
„Gut, ich bitte um Verzeihung, leider hat mein Pferd mich nicht schneller tragen können.“
„Keine Sorge, es bleibt uns noch genug Zeit, bis meine Energie vollkommen aufgebraucht ist.“
Die Stimme meiner Mutter war so schwach, wie ich sie noch nie erlebt hatte. Alles kam mir so fremd vor, obwohl der vertraute Geruch des Zimmers noch immer da war. Die Blümchentapete sah genauso aus wie immer und auch kein Möbelstück war an einer anderen Stelle, und doch spürte ich deutlich die Veränderung. Der Tot lag in der Luft, ich wusste meiner Mutter und mir blieb nicht mehr viel Zeit, aber was sagte man zu einem Menschen, der das Leben für einen selber geopfert hat?
Als ob sie meine Gedanken lesen könnte sprach sie wieder mit ihrem gütigen Blick, wobei sie so weiß war wie das Laken und die Bettdecke worauf sie lag.
„Kind, mach dir keine Sorgen, ich bin zufrieden mit dem was ich geschafft habe, allgemein mit meinem Leben, gib dir nicht die Schuld an meinem Tot, so ist die Natur nun mal.“
Wie konnte sie sowas sagen? Sie die immer die Stärkere von uns war, die mir alles gezeigt hatte, die die stärkste Hexe war, welche je gelebt hat, sie die sich verliebt hat, geschwängert wurde und so ihre Unsterblichkeit verloren hatte.
„Bitte, ich sehe doch, dass es dich beschäftigt, du musst wissen ich bin stolz auf dich und habe nie darin einen Fehler gesehen, dich zu bekommen, es war das größte Glück was ich je hatte.“
Mit ihren dünnen, kraftlosen Fingern nahm sie meine Hand und drückte sie sanft und durch diese Berührung blickte ich zu ihr auf in diese stahlblauen Augen. Wir beide schauten uns einfach nur an, man hörte durch das große Fenster Schritte, Hufgetrampel und leise Gespräche, überall brummte das Leben vor sich hin, nur hier nicht, hier spürte man den Tot und ohne es zu merken fing ich an lautlos zu weinen, ein Abschiedsgeschenk für meine Mutter, denn dies waren die ersten Tränen, die ich in meinem Leben je vergossen hatte.
Es raschelte leise und ich sah wie meine Mutter langsam in eine bequemere Position rutschte, sie schaute mich noch einmal an, lächelte und drückte das letzte Mal beruhigend meine fast ebenso weiße Hand. Dann wurde sie ganz schlaff, doch das Lächeln auf ihren Lippen blieb.
Eine lange Zeit blieb ich noch in ihrem Zimmer und bereitete mich auf das unvermeidbare vor. Die Vorstellung der neuen Ober-hexe, mich.
Es war der 10.06.999 als ich in meinem wunderschönen, roten Satinkleid langsam auf den Balkon schritt. Ich versuchte auszublenden, dass gerade meine Mutter gestorben war. Ich versuchte auszublenden, dass ich in einem riesigen Schloss war, das auf einem Berg stand, außerdem versuchte ich nicht zu registrieren, dass ich gleich vor geschätzten 100 000 Menschen stehen würde und auch noch Macht demonstrieren sollte.
Nein, ich werde mich nur auf die Blumengirlanden konzentrieren , die an dem gegenüber liegendem Gebäude wuchsen, und auf meinen Vater der stolz und traurig vor mir stand. Er kündigte mich an, noch stand ich in dem Vorzimmer des Balkons, ich spürten den dicken roten Teppich und begutachtete eines der riesigen Gemälde an der Wand, dort war meine Mutter abgebildet, die stolz an mir vorbeischaute und auf den anderen meine Vorfahren, es waren nicht viele, da es meistens sehr lange dauerte bis eine Hexe sich verliebt und den Schritt wagt ein Kind zu bekommen und somit ihre Unsterblichkeit ihrem Kind schenkt.
Auf einmal kam ein ohrenbetäubender Beifall, von vorne und mein Vater drehte sich zu mir um. ‚Kind, denke daran, gerade zu gehen, den Kopf hoch, na los und wehe ich sehe noch einmal deine Schultern nach unten sacken.‘ Das würde meine Mutter jetzt sagen, also tat ich es genauso, wie wir es schon hunderte Male zu vor geübt hatten.
Es war berauschend, man spürte nichts mehr außer dem Beben der Menge. Alle klatschten trampelten, pfiffen und waren einfach so laut wie möglich, das alles war nur für mich, doch anstatt, mich in diesem Gefühl zu suhlen, wurde mir schwindelig, der vertraute Balkon auf dem ich stand, wurde mir fremd, ich verwandelte mich in eine andere Person, dies war nicht mehr die kleine Alex, ich war Alexandra von Edinburgh die Ober-hexe von ganz Europa. Mir gefiel der Applaus nicht, doch ich wusste er gehörte dazu, genauso wie die Aufmerksamkeit und endlich war ich bereit zu sprechen.
Langsam schritt ich durch das das alte Tor, der Kies knirschte unter meinen Sneakers und ich spürte das laue Lüftchen, dass um diese Jahreszeit immer für Erfrischung sorgt, obwohl es bei diesen Temperaturen nicht viel nutzte. Ganz in Gedanken versunken ging ich auf das Eingangsportal zu, es hatte sich viel verändert, meine Halbbrüder hatten mehr Bäume gepflanzt und dort wo früher der Übungsplatz für junge Ritter war, stand nun ein großer Käfig, eine Art abgegrenzte Arena. Außerdem konnte man überall das Blinken einer Videokamera sehen, als ich dieses Schloss noch geleitet hatte, war diese Technik noch nicht erfunden, dies ist schon ganze 600 Jahre her, unvorstellbar wie die Zeit verfliegt.
Plötzlich hörte ich ein Schreien vom anderen Ende des Platzes, dort stand eine Gruppe junger Menschen, die anscheinend noch Schüler waren, auch eine Stimme wurde nun laut:
„Wenn du dich nicht anstrengen willst, gut erledigen wir dies auf die harte Tour. Ich lasse dich in 10 Sekunden fallen, wenn du dich bis dahin nicht verwandelt hast dann hast du nun eben Pech.“
Die Stimme des Mannes zählte nun runter und entsetz stand ich wie erstarrt noch mitten in einem Schritt. Das konnte doch wohl kein Lehrer sein? Nach weniger als 3 Sekunden hatte ich mich wieder gefangen und schritt auf die Gruppe zu. Eher flog ich dort hin, sosehr manipulierte ich den Wind, dass er mich schneller fortträgt.
Gerade noch rechtzeitig kam ich an um dem armen Ding ein Luftpolster zu gestalten, damit es nicht hilflos auf die Erde knallte. Alle drehten sich nun erschrocken um als ich anfing zu schreien.
„ Was fällt Ihnen ein?! Sie können doch nicht auf so eine brutale Weise vorgehen! Das Kind hätte umkommen können! Ganz zu schweigen, von der Angst die es ausstehen muss! Sie sind ein unglaublich schlechtes Vorbild! Das hab ich ja noch nie erlebt!“
Während meinem Gebrüll wurde das Gesicht, des durchaus attraktiven Mann immer roter, man konnte sehen, dass er seine Magie nur mit einer enormen Anstrengung zurück hielt. Anders als erwartet antwortete er ganz leise und bedrohlich:
„Und wer zum Teufel sind sie kleines Gör, dass es sich herausnehmen kann so mit mir zu reden?“
Das Gör war zu viel für meine schwachen Nerven. Kurz davor ihn in seine Schranken zu weisen, unterbrach mich dann eine sehr bekannte Stimme in meiner Konzentration.
„Alex, du bist da! Komm lass uns reingehen wir erklären dir das, ja? Kein Grund zur Aufregung.“
- mein Bruder, die Ruhe in Person, war dies und mit ihm hatte ich eindeutig ein größeres Hühnchen zu rupfen, als mit dem arroganten Typ, der sich Lehrer nannte. Also funkelte ich nur noch einmal an und verschwand mit den Worten, „Sie werden noch früh genug erfahren, wer ich bin.“
Die Eingangshalle war angenehm kühl, obwohl ich die Wärme draußen nicht groß spürte, war es doch angenehmer. Dazu kam der vertraute Geruch, auch nach so langer Zeit und so vielen Veränderungen blieb er doch haften und das beruhigte mich ungemein. Als ich also wieder ein bisschen runter gekommen bin, sah ich mich neugierig um.
Die große Eingangshalle sah noch fast genauso aus wie vor 300 Jahren, der Boden war aus grauem Stein und an den Wänden, die neu in weiß gestrichen waren hing alles Mögliche dran. Von einer Ritterrüstung bis zu Gemälden unserer Vorfahren. Vor mir ging eine große Treppe in das nächste Geschoss, die mit einem roten dicken Teppich ausgelegt war. Doch mein Bruder ging in einen Seitengang der durch große helle Fenster warm leuchtete. Wir gingen erst schweigend an mehreren Türen entlang von denen ich wusste, dass sie Unterrichtsräume beherbergten.
„Was war das gerade für ein Lehrer, wie könnt ihr das zulassen? Und wie kannst du sagen, das sei kein Grund zur Aufregung?! Da hätte was weiß ich passieren können!“ Ging ich auf ihn los, Geduld war leider keine meiner Fähigkeiten.
„Komm runter, ja? Das ist ein Lehrer den wir erst seit kurzem an unserer Schule haben, er ist der beste Lehrer für Verwandlung den es gibt und es ist bisher nichts Großes passiert.“
Sprachlos schaute ich ihn an, wie konnte er so gelassen sein, während draußen seine Schüler verletzt werden.
„Ich kenn den Gesichtsausdruck Alex, ja ich habe darüber nachgedacht und bin zu dem Schluss gelangt so ist es die beste Wahl.“
„Percy, das kann nicht dein Ernst sein.“
„Doch ist es, seine Unterrichtsmethoden sind gut, die Schüler lernen so wie nie zuvor, das bekommst noch nicht mal du hin.“ Grinsend knuffte er mich in die Seite. Aber so richtig konnte ich es immer noch nicht fassen. Kopfschüttelnd ging ich mit ihm in sein Büro, wie es neuerdings hieß und ließ mich dort in einen bequemen Sessel fallen.
„Komm, sei nicht so geschockt, er bringt echt gute Ergebnisse.“
„Aber ich versteh nicht wieso du es ihn nicht einfach verbietest? Er kann doch nicht älter sein als du, es gibt soweit ich weiß nur noch 4 Hexer die älter sind als du.“
„Es gibt nur noch zwei, Hampholys ist vorkurzem verstorben und Henry kümmert sich um sein Kind.“
„Du hast meine Frage nicht beantwortet.“ Immer noch verärgert rutschte ich in dem grünen Sessel umher und pustete mir eine Strähne aus dem Gesicht, dieses Zimmer war früher das Zimmer meines Vaters gewesen, es war seltsam wieder hier drin zu sein. Statt dem großen Bett stand nun ein massiver Schreibtisch aus Eichenholz und ein Schreibtischstuhl vor mir. An den Wänden waren nun keine Gemälde mehr sondern nur noch Regale voller Ordner und man hörte das summen des PCs, der auf dem Schreibtisch stand, sehr ungewohnt.
„Ich kann ihm nichts befehlen, weil er stärker als ich ist, das dort draußen ist Enrico de Galemo.“
Fassungslos starrte ich meinen Bruder an, das konnte er nicht sein, nicht der Mann der mich fast um einen Kuss gebracht hätte, der arrogante Schnösel der sich nicht mal verabschiedet hatte, der nicht wahrhaben wollte, das ich stärker als er bin, dem es Angst gemacht hat. Dieser behinderte Feigling, der mich fast verführt hatte, NEIN, das konnte er, und durfte er nicht sein, andererseits hatte gleich eine kleine Alarmglocke geklingelt als ich ihn ansah.
Niemand wusste von unserer kleinen Affäre wieso auch? Ist nichts daraus geworden.
„Du bist ja noch weißer als sonst! Hat es dir so die Sprache verschlagen? Kennst du ihn etwa?“
„Sowas in der Art Percy. Aber kommen wir zu dem Thema weswegen ich überhaupt hier bin. Ich habe gehört du brauchst eine neue Lehrerin für die Verteidigung? Gut, ich bin hier um mich zu bewerben, allerdings mache ich nur mit, wenn ich bei dem Unterricht des Herrn Galemo zu schauen darf und hier und dort die Schüler außer Gefahr bringen kann.“
Genervt schaute ich zu den Händen meines Bruders, er die ganze Zeit seinen Kugelschreiber immer Klacken lassen, was auf die Dauer echt ätzend ist. Dieser Blick sagte wohl alles und er hörte sofort wieder damit auf.
„Bewerben? Dir ist klar, dass ich dich sowieso annehmen muss, nicht nur weil du meine Halbschwester bist, sondern auch weil du meine Ober-hexe bist und zwar die älteste und mächtigste die je gelebt hat.“
Selbstzufrieden stand ich auf und drehte mich im Gehen noch mal um „ Danke, für deine Annahme, ich weiß ich bin geeignet für diesen Job, ich nehme mein übliches Zimmer, aber ich habe noch viel mit dir und Meronis zu besprechen. Also sag mir Bescheid wann ihr morgen zu Mittag esst. Als ich die Tür zu knallte hörte ich nur noch das Seufzen und ein Gemurmeltes „Sie hat sich ja kaum verändert.“
In Wahrheit hatte ich mich sehr stark verändert, in den 300 Jahren wo ich mich komplett zurückgezogen hatte, habe ich viel studiert, über den Menschen, Technik, Religionen, Verteidigung und Kampfkunst. Den Entschluss mich zurückzuziehen kam von einer Frau namens Philodeli, sie hatte sich vor meinen Augen zerstört. Lange habe ich geforscht was passiert sein könnte und bin am Ende zum Schluss gekommen, dass sie einfach ihre Magie falsch angewendet hatte. So habe ich mich ebenfalls sehr mit meinen Fähigkeiten auseinander gesetzt.
In Gedanken versunken war ich auch schon bei meiner Tür angelangt. Diese wurde nicht verändert, man konnte sie auch nicht verändern, denn sie gehörte zu meinem Haus. Die Oberhexen bekamen nämlich immer eine verhexte Tasche. Sie war der Schlüssel zu allen Haustüren. Die Türen waren eigentlich keine, sondern eher Portale die zu einem versteckten Haus führten, weit in einem Gebirge versteckt. Es gab in jeder Hauptstadt Europas mindestens ein Portal für mich und in diesem Internat, was früher der offizielle Heimatort für jede Ober hexe war. Ich mochte es allerdings sehr mit dem Taxi zu fahren, also war ich nicht direkt ins Internat gekommen, was eindeutig gut war, denn sonst hätte ich die fürchterlichen Unterrichtsmethoden von Galemo nie mitbekommen!
„Diese Tür ist verschlossen, sie brauchen gar nicht zu zögern daran zu klopfen oder sie zu versuchen auf zu machen, es wird niemand antworten und auch die Tür wird nicht aufgehen.“ Diese besserwisserische Stimme konnte nur von einem Menschen kommen und zwar von Enrico de Galemo höchst persönlich.
Entschlossen nahm ich den Türknopf in die Hand, öffnete die Tür und schritt mit erhobenen Haupt und selbstzufriedenen Grinsen in den Raum mit dem Portal. Entschlossen knallte ich die Tür zu ohne ihn auch nur eines Blickes zu würdigen. Dieser vermalledeite Dummkopf konnte mich mal am Allerwertesten mit seinem besserwisserischem Getue. Leider kam alles nicht ganz so rüber wie ich es erhofft hatte, denn mit meiner Jogginghose und dem Schlabbert-Shirt konnte es einfach nicht so elegant aussehen, wie früher mit meinen Roben. Aber aus meinem Aussehen machte ich mir nichts mehr, es war bei meinen Studien immer mehr in den Hintergrund getreten.
Die erste Veränderung, denn die frühere Alexandra von Edinburgh, hätte sich eher von einer Klippe gestürzt, als ungeschminkt mit Schlabberklamotten in die Öffentlichkeit zu treten. Aber die Hexen waren in den Hintergrund getreten, als meine Mutter noch gelebt hat, war es ein Offenes Geheimnis, dass die Herren, allesamt Hexen und Hexer waren, irgendwann überwog, aber doch die Angst vor den Zauberkunststücken und somit begann die Hexenverfolgung. Ich konnte nichts dagegen tun und war mit meinen jungen Jahren total überfordert. Gerade so schaffte ich es mich und meine Brüder in Sicherheit zu bringen, aber mein Vater bekam einen giftigen Pfeil und verstarb 10 Jahre darauf, da alle Heilungsmethoden das Gift nur verlangsamt hatten.
Durch dieses schreckliche Zeitalter wurden wir sehr minimiert, aber nun bekamen so gut wie alle Hexen Zwillinge und die Hexen erholen sich langsam wieder. Deswegen wurde auch dieses Internat gegründet, durch die vielen Kinder waren die meisten Hexer und Hexen überfordert, so beschloss man es zu versuchen, bisher klappte es, erst lange unter meiner Führung und nachdem ich mich in meine Studien vergraben hatte, auch unter der von meinen Brüdern.
Entschlossen schritt ich durch das Portal und sofort kam mir der vertraute Geruch meines zu Hauses wieder entgegen. Überall standen Blumen und viele Türen zweigten von dem Gang ab wo man rauskommt. Ich nahm die erste Tür links und kam in einen großen Raum der vollgestopft war mit verschieden Taschen, Schuhen und Mänteln, denn genauso wie eine normale Frau in dieser Epoche bin ich dem Materialismus verfallen und war süchtig nach Mode. Natürlich hatte ich die ganzen Taschen verhext, sodass das kleine Handportal nicht auffällt. Denn niemand außer die Oberhexe und manchmal auch ihr Partner weiß von diesem Portal. Ich schmiss meine Tasche in eine Ecke, meine Sneakers in eine andere Ecke und schlüpfte in meine bequemen Hauspuschen.
Von Hunger gequält ging ich nun schlürfend zwei Türen weiter in eine Küche, die ebenfalls vollgestopft war mit den verschiedensten Dingen, vor allem aber mit getrockneten Kräutern, die ich für mein Essen benutzte. Hexentränke hatten mich nie sehr gelockt, sie sind mir zu langsam und eher für die schwachen und jungen Hexen geeignet. Da ich aber genau wusste, dass ich sehr stark bin und auch wahrscheinlich sehr lange leben werde und somit immer stärker werde, habe ich mich damit nie groß beschäftigt. Für mich war das interessanteste die pure Energie und Verwandlung.
Vorsichtig schlängelte ich mich dann durch die Küche und versuchte weder eines der ganzen Bücher noch die Kräuter ins Gesicht zu bekommen. Nach gefühlten 10 Minuten hatte ich es dann endlich geschafft und kam an den Kühlschrank an, eine wunderbare Erfindung der Menschen, ein besonderer Grund, weshalb ich mich auch sehr für Technik interessiere.
Wie man auch insgesamt in meinem Haus sieht. Überall habe ich technische Geräte, die ich zufällig wenn ich mal wieder in die aktive Welt musste entdeckt hatte. 300 Jahre Studienzeit heißt nämlich keines Weges 300 Jahre nur vor seinen verstaubten Büchern zu sitzen und zu lesen, ich hatte ja immer noch die Pflichten meiner Familie, die immer sehr reich war und deren Geld ich nicht einfach ausgeben konnte ohne Geld wieder zuzuverdienen, also habe ich mich teilweise nach draußen begeben um spezielle Leute nach Aktienwerten zu befragen und hatte damit sehr großen Erfolg. Außerdem habe ich einmal im Jahr eine Konferenz gehalten, wo die wichtigsten Hexen in ganz Europa zusammen kamen und mich auf den neuesten Stand brachten. Natürlich auch zum shoppen, aber ich habe meine Tätigkeiten versucht auf das Minimalste zu beschränken. Für den Rest wie frische Lebensmittel, hatte ich immer meine treue Haushälterin Amanda, sie weigerte sich aber mittlerweile die Küche aufzuräumen, da ich jeden Tag wieder neue Bücher aus der riesigen Bibliothek des Hauses anschleppte um sie zu lesen.
Mittlerweile hatte ich schon eine Bratpfanne und Eier rausgeholt, dazu noch eine Scheibe Brot die ich gleich mit Knoblauch einrieb, das wohl leckerste was es gibt. Komischerweise scheine ich so abgestumpft zu sein, dass ich den Geruch von Knoblauch nicht mehr rieche, was sehr angenehm ist, und ein Grund um noch mehr zu essen, zu dem Leidwesen von Amanda.
Summend briet ich alles nun an und ging in das großzügige Wohnzimmer, was früher mal der Salon war. Alle Wände waren orange, rot gestrichen und dunkle Möbel sorgten zusammen mit dem großen Fernseher für eine gemütliche Atmosphäre. Da ich es mir aber abgewöhnt hatte meine Fähigkeiten für einfache Dinge wie den Teller zu tragen zu benutzen, stieß ich prompt mit meinem großen Zeh gegen den Türrahmen beim Versuch ihn und mein Glas Wasser unbeschadet zum Wohnzimmertisch zu balancieren.
Zwei Stunden später, gesättigt und müde schlurfte ich in mein Zimmer mit dem riesigen Himmelbett kramte meine Nachtwäsche raus, machte mich kurz fertig und fiel dann auch ins Bett.
Frühzeitig stand ich dann auch schon auf, lange konnte ich seit dem Tod meiner Mutter nicht mehr schlafen, und als ich mich dann endlich aus dem Bett gehievt hatte, weil mir klar war, dass ich sowieso nicht mehr einschlafen werde, ging ich mit fast noch geschlossenen Augen in mein Bad und gönnte mir eine lange Dusche.
Mit immer noch geschlossenen Augen und dem beruhigenden Wasser das auf mich rauf plätscherte, dachte ich über den gestrigen Tag nach. Enrico hatte mir gerade erst gefehlt. Ich wollte in dieser Schule mein Selbstbewusstes Auftreten von früher wieder üben, denn da ich mich die letzten Jahre immer zu verkrochen hatte, hatte ich fast vergessen wie es ist nicht das graue Mäuschen zu sein. Außer natürlich auf den alljährigen Ratssitzungen, doch dort hatte ich mir immer eines der edlen Gewänder von früher angezogen, diese Strahlen Selbstbewusstsein von alleine aus. Da musste ich nur noch gerade gehen, aber mit meinen jetzigen Anziehsachen, den großen Schlabberpullies und den Jogginghosen, geht dies nicht so leicht.
Langsam stieg ich aus der Dusche und hüllte mich in einen sehr gemütlichen flauschi- Bademantel. Meine Haare ordentlich in einem Handtuch verstaut ging ich dann zu meinem riesigen Kleiderschrank, der ist riesig weil dort aus sehr vielen Epochen sehr viele Anziehsachen hingen, alles ordentlich geordnet und verpackt, damit auch bloß nichts kaputt geht. Im ersten Regal worauf ich dann auch zu steuerte waren die Sachen der Neuzeit. Also der letzten 10 Jahre, denn dieser Zeit veränderte sich die Mode rasend schnell, wo ein Kleid früher 100 Jahre modern war, ist heute eins wenn man Glück hat nur noch ein halbes Jahr in. Deswegen hatte ich beschlossen die Pullies und die Jogginghosen anzuziehen, damit ich meine Zeit nicht für das aussuchen meiner Anziehsachen verschwende. Aber wie eine Frau des heutigen Zeitalters habe ich es mir nicht nehmen lassen trotzdem sehr viele Sachen einzukaufen und so hängen die meisten noch unberührt in diesem Regal.
Kurzentschlossen nahm ich mir eine schwarze Röhrenhose und ein weites rotes Top, wo die Farbe langsam verblasst, denn ich konnte ja nicht wirklich vor so vielen Schülern als die Ober-hexe auftreten und einen Schlabberpullie und eine Jogginghose anhaben. Mit meinen 22 Jahren, so sehe ich nämlich schon seit 1014 Jahren aus, kann ich so ziemlich alles tragen. Meine treue Hauskatze sagt mir auch immer bewundernd was ich noch für eine tolle Figur hatte, was mir so ziemlich egal ist, dann bin ich eben schlank, sowas interessiert mich nicht, insgesamt würde ich aber eher sagen, dass ich ziemlich mittelmäßig bin, 70 B ist mittelmäßig und auf die Kleidergröße achte ich kaum.
Schnell zog ich mir noch schwarze Ballerina an und hoffte einfach nur, dass ich die lange Hose bei diesen Temperaturen Mitte Juli kein Fehler war.
Ich trat mit einer passenden schwarzen Tasche durch die Tür, bzw. Portal, in die Schule und stieß prompt mit Enrico zusammen, was ein Start in den Tag. Verlegen strich ich mir meine blonden langen Haare hinter das Ohr und lief schnell weiter, sowas war noch nie etwas für mich. Privat bin ich nämlich alles andere als schlagfertig, das spricht eigentlich gegen meine Natur. Ich spürte nur noch den ungläubigen Blick in meinem Rücken und ein gemurmeltes: „Was zum Teufel?!“.
Ja es ist klar, dass er nicht mit meiner Flucht rechnet, nach meinem Auftreten von Gestern. Auch, wenn ihm schon aufgefallen ist wer ich bin, würde er nicht damit rechnen, vor allem nicht Enrico der mich nur selbstbewusst in der Gesellschaft vieler anderen kennt, oder alleine im dunkeln wenn wir rumgemacht haben.
Als ich dann auch noch Schritte hinter mir hörte, wollte ich einer Begegnung mit Enrico unbedingt vermeiden und nahm kurz entschlossen einen Geheimgang der auch gleichzeitig eine Abkürzung in das Büro meiner lieben Halbbrüder ist. Überall waren Spinnweben und die Kerzen waren natürlich auch nicht mehr da, wahrscheinlich weggeschleppt von irgendwelchen Kleintieren. Also machte ich schnell eine Energiekugel für Licht und schickte ein bisschen Energie voraus um die ekligen Spinnweben zu eliminieren.
Nach kurzer Zeit war ich dann schon da und platze in das Büro von Meronis und grinste ihn an: „Na Brüderchen gut geschlafen?“
„Ich dachte wir sollten dich erst zur Mittagszeit treffen?“
„Ich konnte es nicht erwarten euch zu sehen.“
Ein ungläubiges Schnaufen erklang darauf hin nur von meinem Halbbruder, ja sie haben mich eindeutig immer noch lieb.
„Ach komm schon, so schlimm bin ich nicht und ich gehe euch auch nicht auf die Nerven wenn ich mein Ding durchziehen darf.“
„Was heißt ‚dein Ding durchziehen‘?“
Schmunzelt sah ich ihn an, Melonis war schon immer ein bisschen mürrisch und ungeduldig, also der komplette Gegensatz zu seinem Zwillingsbruder Percy.
„Den Kindern richtige Verteidigung beibringen und natürlich auch Selbstbeherrschung.“
„Alex, du warst miserabel in Verteidung, deine Strategie war 700 Jahre immer Angriff ist die beste Verteidung.“
Schnaubend antwortete ich ihm darauf aber nur trotzig, dass ich mich in den letzten 300 Jahren sehr damit beschäftigt hatte, den Grund nannte ich nicht das interessiert ihn so wieso nicht. Als ich geendet hatte nahmen wir ein Gespräch von der Nachbarseite wahr, dort war das Büro meines anderen Bruders, wo ich gestern noch war. Er sprach gerade seufzend mit jemanden:
„Ich kann gegen diese Frau, die dein Unterricht gestört hat nichts tun und ich werde ihr auch nicht verbieten hier zu unterrichten. Es tut mir leid, aber wir brauchen sie, es wäre sehr nett von dir, wenn du ihr erlauben würdest deinen Unterricht ein bisschen zu sichern, sie kann sonst nicht arbeiten.“
„Was heißt du kannst nichts dagegen tun? Verdammt, die einzige die stärker ist als wir ist deine verfluchte Schwester und die ist abgetaucht! Und was soll das bitte heißen, sie kann sonst nicht arbeiten?!“
Um meinen Bruder wenigsten eins bisschen zu Unterstützen betrat ich leicht lächeln und ruhig das andere Büro, Melonis im Schlepptau.
„Hm. Ich bin echt enttäuscht von dir Enrico, ich dachte du hättest ein besseres Gedächtnis, war ich denn so austauschbar?“ Diese Worte versetzten mir selber einen Stich, denn ich hatte ihn nie vergessen, er war einfach zu gut, doch kurz danach ist die Sache mit Philodeli passiert und ich musste mich einfach zurückziehen, erst jetzt fiel mir ein, dass ich mich von ihm persönlich nie verabschiedet hatte.
Geschockt von meinem Auftreten und dem Funken des Widererkennens in den Augen sah er mich an, ja ich hatte schon immer ein Faible dafür dramatisch aufzutreten, oder auch überraschend.
„Alex?“ Kam es dann auch nur von ihm, mit leicht unterdrückter Wut.
Aber ich bekam kein Wort mehr raus, die letzten Worte hatten mir einfach meinen gesamten Mut gekostet und so schaute ich ihn nur mit großen blauen Augen an, ohne ein Wort rauszubringen. Aber die Reaktion von Enrico war ganz anders als wohl meine Brüder und ich erwartet hatten, denn er fing schallend an zu lachen, prustend bekam er nur noch ein paar Wörter heraus: „Du.. bist… niemals.. Alex.. das kann nicht… sein.“
Leicht verärgert schaute ich ihn an, ich hasste es wenn jemand über mich lacht und mit leicht bebender Stimme sagte ich nur ein Wort: „Wieso?“ Und dies war wohl mit so viel Autorität ausgesprochen, dass er sofort verstummte. Ja wenn ich was wissen wollte, kehrte meine Machtgewohnte Stimme wieder zu mir zurück auch bei privaten Angelegenheiten. Leicht verwundert schaute er mich nur an.
„Weil du sonst eine schlechte Kopie wärst, die Alexandra von Edinburgh die ich kenne, war selbstbewusst und hat nie große Augen gemacht, sie hat auf alles und jeden herunter geguckt und wusste genau was sie wollte. Sie hatte ein Hoheitsvolles auftreten und immer die schönsten Gewänder, sie hat jeder anderen Frau die Show gestohlen, weil ihre Ausstrahlung so gewaltig war, und du bist wohl in so ziemlich allem das Gegenteil.“
Zum Teil geschmeichelt, zum Teil geschockt und wütend schaute ich ihn an. Aber meine wütende Seite ergriff dann doch die Überhand und Funken von Energie sprühten aus meinen Händen, langsam ging ich erhobenen Hauptes auf ihn zu, meine 1.63 m im Gegensatz zu seinen über 1.80 m, bemerkte man kaum und ganz leise und langsam, mit einem gefährlichen Unterton, fragte ich nur:
„Und du bist dir da ganz sicher?“ Aber seine Antwort wollte ich nicht mehr hören, denn schon drehte ich mich um und rauschte davon, wieder in das andere Büro, meine Energie war aufgebraucht, ich hatte ganz vergessen wie anstrengend es ist sich gegen seine Natur zu stemmen, leise zu sein und sich einfach nur zu verkriechen. Anscheinend waren die anderen alle noch ein bisschen geschockt, denn normaler Weise, verlor ich nie so schnell die Kontrolle über meine Energieblitze, aber dieser Mann lässt einfach komplett meine Sicherungen durchbrennen.
Schnell schrieb ich nur noch einen Zettel für meinen Bruder, sie sollen mich um halb eins bei meiner Tür abholen und mich zum Essenssaal führen. Und weg war ich wieder in meinem Geheimgang, kurz darauf dann auch in meinem Haus um mir ein Beruhigungstee zu machen. Ich hatte noch 2 Stunden, dann sollten sie mich abholen.
Tag der Veröffentlichung: 18.04.2013
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