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Kapitel 1


Joanna

Angewiedert sah ich in mein blasses Gesicht, das mir aus einem alten und zerbrochenem Spiegel entgegenblickte. Grüne Augen, aus denen schon längst der Glanz und die Lebensfreude, einer gruseligen Leere gewichen waren, starrten mir entgegen. Tonnen von Kajal und schwarzem Lidschatten, verklumpten meine Augen und meine Wimpern fühlten sich bleischwer an unter der Last der Mascara.
Nuttenroter Lippenstift überdeckte meine sonst zartrosernen Lippen und passte sich somit meiner ganzen Afmachung an.
Ein hautenges, schwarzes Lederkleid mit Reißverschluss an der ganzen Vorderseite, dazu knallrote Pumps mit zehn Zentimetern Absatz.
Jedes mal, wenn ich mich so sah, hätte ich mich am liebsten übergeben.
Von unten hörte ich laute Stimmen und erneut fing mein Magen an zu rebellieren. Alles drehte sich.
Obwohl ich wusste, was mich erwartete und das nicht zum ersten Mal ertragen musste, schnürte sich meine Kehle zu und mein Körper reagierte mit einem Zittern.
'Keine Panik' versuchte ich mich zu beruhigen, doch es nützte nichts.
'Jo! Du wertloses Stück Dreck! Wo steckst du?' Die Stimme meines Vaters ließ mich zusammenzucken. Ich schluckte. Panik durchströmte mich, als ich donnernde Schritte auf der Treppe hörte. Ich wollte gerade die Tür verschließen, als er schon hereingestürmt war.

Ein dreckiges Grinsen lag auf seinem Gesicht und der widerliche Gestank von Zigaretten und Alkohol drang mir in die Nase. Seine Augen funkelten vor Verachtung und Zorn. 'Beweg dich du Schlampe!' Seine Worte gaben mir einen Stich in die Brust. Ich schluckte.
Schlampe. Er hatte recht.
Als ich mich nicht bewegte, hob er eine Hand und ließ sie schallend auf meine Wange niedersausen. Der Schmerz pochte in meiner Wange und meine Augen wurden wässrig.
Seine Hand packte mich am Oberarm und er zerrte mich mit sich. Er schupfte mich in mein Zimmer, wo schon eine Gestalt in meinem Bett saß. Ich sah auf und blickte geradewegs in die Augen meines Turnlehrers.


Als er mich betrachtete, sah ich die Lust in seinen Augen und er leckte sich widerlich über die Lippen. Ich musste ein Würgen unterdrücken. Plötzlich war er bei mir und riss mir das Kleid vom Leib, warf mich auf das Bett und ich konnte seine Errektion an meinem Oberschenkel spühren. Ich kämpfte die Tränen nieder, schloss die Augen und hoffte, dass die Schmerzen bald vorbei sein würden.


Nachdem er gegangen war, war mein Vater mit Schadenfreude zu mir ins Zimmer gekommen und behauptete, es sei unfähr, dass er nicht drangekommen sei.
Erst, als er fertig war und ich die Haustür zuknallen hörte, ließ ich die Tränen zu. Rollte mich auf meinem Bett zusammen und überließ mich meiner Hoffnungslosigkeit.

Irgendwann wurde aus meiner Verzweiflung bittere Wut. Vor meinen Augen erschien wieder das Bild meines Lehrers und mir kam alles hoch. Ich stürzte ins Bad und übergab mich. Danach flüchtete ich in die Dusche.
Nachdem ich mich ungefähr 30 mal eingeseift und abgeschrubbt hatte, sodass meine Haut rot war, stieg ich endlich aus der Dusche, jedoch fühlte ich mich immer noch beschmutzt und mein ganzer Körper schmerzte.
Blaue Flecken und Schürfungen bedeckten meinen Körper, manche davon waren noch ganz neu, andere verheilten langsam.
Wie in Trance lief ich in mein Zimmer und zog mir eine enge Jeans und einen schwarzen Oversizepulli mit Kapuze an, unter der ich sogleich mein Gesicht versteckte.
Plötzlich wurde mir klar, dass ich morgen in die Schule musste und somit meinen Vergewaltiger wiedersehen würde. Bei dem Gedanken daran verkrampfte sich mein Magen und ich schnappte nach Luft.
Ich konnte das nicht mehr. Ich wusste zwar, dass ich meinen Schulabschluss brauchte, doch ich hatte meine Grenze erreicht. Ich musste weg hier. Weg aus meiner Hölle, obwohl ich wusste, dass es keine Überlebenschance für mich gab, da draußen. Doch ich brauchte auch nicht zu überleben.
Ich war Dreck.
Ein Nichts.
Ich hatte es nicht verdient zu leben.
Langsam setzte ich mich in Bewegung. Ging die Treppe hinab, von der mein Vater mich schon mehrmals gestoßen hatte. Durch die Küche, in der er meine Schulter schon auf die heiße Herdplatte gedrückt hatte.
Alle Erinnerungen prallten auf mich ein und ich wurde immer schneller. Bis ich schließlich aus der Haustüre stürmte, ohne Jacke oder Schuhe, und losrannte.

Keuchend rannte ich durch die Stadt, beachtete die Blicke auf mir nicht. Rannte einfach weiter.
Stieg in U-Bahnen und flüchtete, wenn der Kontrolleur kam.
Rannte ohne Orientierung durch die verschiedenen Stadteile, in der Hoffnung, meinen Gedanken entfliehen zu können.
Rannte so lange, bis ich nicht mehr konnte.
Auf einen Schlag spührte ich die Kälte und bemerkte, dass die Dämmerung hereingebrochen war.
Fremde Personen drängten sich an mir vorbei, hektisches Getümmel umgab mich.
Und doch fühlte ich mich in diesem Moment vollkommen alleine.
Und plötzlich brach die Mauer meines Bewusstseins.
Bilder überfluteten mich, Erinnerungen und Schmerzen verschmolzen zu einer riesigen Welle, die mich verschlang und immer weiter in die Tiefe zog.
Ich gab nach und ließ mich in die Schwärze reißen.


Damien

Geschockt sah ich, wie das Mädchen zu Boden ging und reglos auf dem grauen Asphalt liegen blieb. Die Menschen schien das nicht zu interessieren, das eizige was sie taten, war hin und wieder einen verächtlichen Blick in ihre Richtung zu machen.
Ohne zu überlegen, bahnte ich mir einen Weg zu dem Mädchen, dessen Gesicht von einer Kapuze versteckt wurde und kniete mich hin. Vorsichtig nahm ich eine Hand und befühlte ihren Puls. Ganz schwach fühlte ich ein Pochen und Erleichterung durchflutete mich. Ich runzelte die Stirn. Warum fühlte ich mich so erleichtert?
Ich hatte noch nicht einmal ihr Gesicht gesehen und schon fühlte ich mich zu ihr hingezogen?!
Ich schüttelte den Kopf, um meine Gedanken zu ordnen und zu überlegen, was jetzt wohl das Beste war.
Schließlich beschloss ich, sie mit zunehmen, schließlich konnte sie ja dann ihre Eltern anrufen.
Sanft hob ich sie hoch und war überrascht, wie leicht sie war. Erst jetzt bemerkte ich, dass ihf Körper völlig abgemagert war und sich jeder Knochen unter der papierdünnen, blassen Haut abzeichnete.
Ich brauchte nicht lang zu meinem Auto -ein schwarzer Maserati- und ich legte sie auf die Rückbank.
Mit gerunzelter Stirn zog ich ihr die Kapuze vom Kopf und für einen kurzen Moment stockte mir der Atem. Wow.
Sie war wunderschön.
Zarte rosa Wangen, und ebenso rosa volle Lippen, die leicht geöffnet waren und in mir das Bedürfnis weckten hinein zu beißen.
Lange schwarze Wimpern und honigbraune Haare, die ihr bis zur Taillie reichten, raubten mir den Verstand.
Ich bemerkte, dass mein Atem sich beschleunigt hatte und spührte kochendes Verlangen.
Ich hätte mich ohrfeigen können. Was sollte das? Ich war nicht der Typ Mann, der Gefühle für eine Frau hatte. Sofort brachte ich mich unter Kontrolle, stieg vorne ein und fuhr los.


Joanna

Ich erwachte, als mir der Geruch von Pfannkuchen und Schokolade in die Nase stieg. Augenblicklich runzelte ich die Stirn. Mein Vater hatte noch nie gekocht.
Ich versuchte mich zu erinnern, was gestern passiert war, doch drangen nur vage Bilder zu meinem Bewusstsein durch.
Ich seufzte und blinzelte in die Sonnenstrahlen, die durch eine riesige Glasfront ins Zimmer fiel.
Wie ein Schlag ins Gesicht, trafen mich die Erinnerungen an Gestern.
Ruckartig setzte ich mich auf.
Ich befand mich in einem großen Zimmer, das eindeutig teuer eingerichtet war.
Ich saß auf einem stylischen schwarzen Bett mit weißer Bettwäsche. Auf dem Boden lag ein weißer Fusselteppich und in einer Ecke stand ein kleiner Glastisch, ein schwarzer Hocker und ein grauer Sitzsack.
An der gegenüberliegenden Wand befand sich ein grauer Kleiderschrank mit grauen Glasschiebetüren, der ziemlich teuer aussah.
Ich wandte meinen Blick der Fensterfront zu und mir stockte der Atem.
Umgeben von Büschen, Waldblumen und grünen Bäumen, lag unter mir ein kristallklarer Waldsee auf dessen Oberfläche das Sonnenlicht tanzte.
Ich starrte eine halbe Ewigkeit auf die Landschaft, bis ich bemerkte, dass ich nur ein Nachthemd trug.
Geschockt schob ich es hoch und eine Welle der Erleichterung durchflutete mich.
Ich hatte meine Unterwäsche noch an und ich war noch nie so froh über die aufdringliche schwarze Spitze gewesen wie jetzt.
Völlig in Gedanken versunken, und immer noch meine Unterhose begaffend, saß ich im Bett und bemerkte viel zu spät, dass die Tür sich leise öffnete und eindeutig ein Mann das Zimmer betrat.
Ich quiekte laut auf und zerrte hektisch das Nachthemd hinunter, wobei ich nach hinten flog und unsanft mit dem Bauch auf den Boden klatschte.
Einige Sekunden blieb es runig, dann beschloss mein Körper meinen grandiosen Auftritt mit einem mickrigen Stöhnen abzuschließen.
'Ähm, wenn du es nicht gerade zu bequem hast, könntest du vielleicht etwas essen kommen?!', sagte er und ich wäre am liebsten im Boden versunken.
Ich blieb noch einige Minuten liegen, dann stand ich langsam auf und blickte in sein belustigtes Gesicht.
Mein Herz stockte und fing dann doppelt so schnell an zu schlagen.
Seine Haut war leicht braun gebrannt und seine dunkelbraunen, fast schwarzen Haare waren leicht verwuschelt, sodass ich unwillkürlich mit den Händen durchfahren wollte.
Dunkelbraune Augen, in denen ein warmer Glanz lag fixierten mich, während auf seinen schmalen Lippen ein leichtes Grinsen lag.


'Ich bin übrigens Damien', sagte er, als ich ihm durch ein riesiges Wohnzimmer mit Plasmafernseher und schwarzer Lederchouch führte.
Sofort bemerkte ich, dass die Fensterfront hier weiterführte.
'Ich heiße Joanna', antwortete ich, während ich staunend das Zimmer betrachtete. Alles war in Grau, Weiß- und Schwarztönen gehalten, was etwas langweilig aussah, jedoch trotzdem teuer und modern wirkte.
Ein großes Regal, in dem teure Skulpturen standen, diente als Raumtrenner und gleich dahinter stand ein reich gedeckter Tisch, auf dem sich goldbraune Pfannkuchen türmten.
Ich hörte meinen Magen knurren und sah etwas unschlüssig zu Damien hoch. Er lächelte und deutete mir mit einer Geste seiner Hand mich zu setzen. Ich lächelte zurück und stürzte mich auf das Essen.


Damien


Eine Weile lang sah ich einfach nur zu, wie sie die Pfannkuchen verschlang und irgendwie gefiel es mir, dass sie ihr so schmeckten.
Schließlich beschloss ich das Schweigen zu beenden und sagte:'Du kannst natürlich gleich nach dem Essen bei deinen Eltern anrufen.'
Sofort verkrampfte sie sich und in ihrem Gesicht spiegelten sich Nevosität und...war das etwa Angst??
Ich konnte das nicht genauer hinterfragen, denn schon hagte sie eine neutrale Miene aufgesetzt.
'Ähm...meine Eltern sind...t-tot', brachte sie schließlich heraus und sofort fühlte ich mich schuldig.
'Das tut mir echt Leid', erwiederte ich und meinte es auch so.
Mit einem schwachen Lächeln sah sie mich an. 'Schon gut.'
'Also wohnst du jetzt im Heim?'
Schon wieder stotterte sie. 'N-nein, ich...ich...der Unfall war erst gestern?' Es klang wie eine Frage und irgendwie glaubte ich ihr nicht so richtig.
'Bist du deswegen zusammengebrochen?'
'Schon möglich', flüsterte sie.
'Und wo wohnst du jetzt? Wie alt bist du eigentlich?'
Ihre Nervösität steigerte sich noch etwas und sie malträtierte ihren Pfannkuchen, indem sie ihn in kleine Fetzen zerriss.
'Naja, ich bin 16, also muss ich bald ins Heim, wenn ich keine andere Familie finde.', nuschelte sie.
Sofort begann mein Magen verrückt zu spielen. Und mein Hirn zu arbeiten. Eigentlich konnte sie doch hier bleiben?!
Ich hatte sowiso nie Gesellschaft und das Haus war groß genug.
'Willst du hier bleiben?', platzte ich heraus.
Ungläubig starrte sie mich an.


Joanna


'Du meinst das ernst?', hakte ich nochmal nach.
'Jop', ein cooles Grinsen lag auf seinen Lippen und ich musste schlucken.
Konnte ich hier bleiben? Wo anders würde es mir bestimmt nicht besser gehen, also war meine Antwort eindeutig. 'Ja, gerne'
Ich musste lächeln.



Kapitel 2




Nachdem ich in einem großräumigen Luxusbad geduscht und mir meinen Pulli von gestern übergestreift hatte, fragte Damien:'Willst du zu dir nach Hause fahren und deine Sachen holen?'
Ich stockte.
'I-ich kann dieses Haus nicht betreten', platzte ich heraus und hätte mich am liebsten geohrfeigt.
Er runzelte kurz die Stirn, dann wurde seine Miene mitleidig. 'Es erinnert dich zu sehr an deine Eltern, oder?'
Ich dachte an meinen Vater. Oh ja, das erinnerte mich wirklich an meine Eltern.
Ohne dass ich es bemerkte, bildeten sich Tränen in meinen Augen.
Sofort stand er vor mir und strich mir sanft eine Haarsträhne aus dem Gesicht. 'Hey.' Mit einem Finger hob er mein Kinn, sodass ich ihm in die braunen Augen sah. 'Das wird wieder!'
Seine Arme umschlossen mich und ich genoss das Gefühl der Geborgenheit.
Mich hatte noch nie jemand umarmt.
Plötzlich löste er sich von mir und rief:'Ich weiß, was wir heute machen' Fragend sah ich ihn an.
'Wir gehen shoppen'
Einige Sekunden saß ich nur da und gaffte ihn blöd an, dann fiel mir ein, dass ich keinen Cent hatte. Wie sollte ich das wieder erklähren?
'Ähm, jaaa...weißt du, ich hab mein Taschengeld immer gleich rausgeschmissen...du weißt schon...äh, für Mädchenkram und so.' Oh Gott, was war das gerade?
Ich sah ihn an und versuchte glaubwürdig zu erscheinen.


Damien


Ich betrachtete ihr Gesicht, das etwas ängstlich wirkte und mir wurde bewusst, dass sie mich anlog.
Ich musste nicht lange überlegen und wusste sofort, dass es eine ärmere Familie gewesen war. Man konnte es an ihrer abgetragenen Jeans und dem löchrigen Pullover sehen.
Es gab mir einen Stich ins Herz und ich wollte ihr unbedingt helfen.
'Keine Sorge. Ich habe genug Geld.' Ich sah, wie sie protestieren wollte, doch ich zog sie schnell mit zur Garage.
'N-nein, das kann ich nicht machen!', rief sie und zerrte an meiner Hand.
Ohne darüber nachzudenken hatte ich sie schon auf meine Arme gehoben.
'Bitte', flüsterte ich ihr ans Ohr und sog ihren Duft ein. 'Für mich...'
'Okay?', antwortete sie schwach.
Ich grinste sie an und schob sie auf den Beifahrersitz meines Autos.

Ich schlenderte mit Joanna durch das riesige Einkaufszentrum, das sich eher an Markenkleidung orientierte. Sie sah so verloren aus.
Also schob ich sie in den erstbesten Laden und lächelte sie an. 'Also? Was ziehst du gerne an?'
Sie schluckte, dann antwortete sie:'Ich will dir wirklich nicht-', weiter kam sie nicht, denn ich hatte ihr schon den Mund zugehalten.
'Such dir jetzt was aus!', sagte ich gespielt streng und ließ sie loß.
Ein leichtes Lächeln lag auf ihren Lippen und mein Herz machte einen Sprung.
Sie steuerte auf die Pullover an. Ich runzelte leicht die Stirn, als sie schon wieder einen viel zu großen, schwarzen Pulli herauszog. 'Ähm, wie wäre es mit einer Farbe?!', sie wurde rot und sah betreten zu Boden, ich fühlte mich schuldig. 'Sorry, ich meine, wenn dir schwarz gefällt...', fing ich an. 'Nein, schon gut', sie lächelte traurig, 'Kannst du mir helfen?'
Ich grinste.


Joanna


Damien suchte mir ungefähr 10 verschieden farbige, hautenge Hosen, mindestens 40 T-Shirts, Tops und Pullover in allen erdenklichen Schnitten, Farben und Mustern heraus. Natürlich hatte ich darauf geachtet, dass alle Sachen meine blauen Flecken und Narben verdeckten.
Es war traurig, denn ich hätte gerne ein paar rückenfreie, oder Tops, die etwas Haut zeigen, angezogen.
Dazu kamen Unterwäsche (ja Unterwäsche!!!)-er hatte übrigens besseren Geschmack als mein Vater, jedoch waren die Teile trotzdem aufreizend-, Schuhe und Accessoires.
Ich konnte nicht glauben, dass ein Mensch so viel einkaufen konnte. Ich hatte mein ganzes Leben lang nicht so viel Kleidung gehabt und er kaufte so einen Berg, als wäre es selbstverständlich!
Ich wusste nicht, ob ich mich schuldig fühlen, oder vor Freude weinen sollte.

Als wir alle Taschen im Auto verstaut hatten, setzten wir uns in ein Café und tranken einen heißen Kakao.
Draußen war es kalt und man merkte, dass der Sommer bald vorbei war.
Als wir tranken, fiel mir etwas ein. 'Woher hast du das ganze Geld?', fragte ich ihn.
Er lächelte. 'Ich hab 'n guten Job...'
Wow, sehr hilfreich. Ich beschloss, nicht weiter zu fragen, da er mir offensichtlich auswich.
'Was ist eigentlich mot deinen Eltern? Ich meine du bist...wie alt bist du eigentlich?' Erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich so gut wie gar nichts von ihm wusste.
'19. Und meine Eltern sind schon vor langer Zeit gestorben. Ich wohnte, bis ich 18 wurde, bei meinem Onkel', er grinste. 'Mein Onkel war der beste Vater, den man sich wünschen kann.'
Ich lächelte ebenfalls. 'Und warum bist du weggezogen?'
Er zuckte mit den Schultern. 'Irgendwann muss jeder mal gehen nicht?'
'Stimmt.', flüsterte ich.
Irgendwann muss jeder gehen.
Ich dachte daran, dass ich erst so spät von Zuhause geflohen war und schluckte.
Damien riss mich aus meinen Gedanken. 'Heute ist Samstag. Musst du am Montag in die Schule?'
Vor Schreck verschluckte ich mich an einem Kakao.
'Naja, w-weißt du, ähm...ich dachte, vielleicht kann ich ja die Schule wechseln, weil...' Tja, warum??
'W-weil...ich nicht das Mädchen sein will, das gerade die Eltern verloren hat. Ich meine, da sehen mich alle immer so blöd an und...', mit einem Seufzen beendete ich meinen Monolog, da ich sowiso wusste, dass er mir nicht glaubte.
Doch zu meiner Überraschung, nickte er nur und sagte: 'Ich helfe dir bei der Anmeldung.'
Mir klappte der Mund auf.
'Danke', erwiederte ich, als ich mich wieder gefangen hatte.


Damien


Als wir zu Hause waren, überlegte ich, wo wir Joannas Sachen nun unterbringen sollten, als mir einfiel, dass ich ja einen begehbaren Kleiderschrank hatte, den ich narürlich nie benutzte.
Ich musste lächeln, als ich daran dachte, wie sie sich über die Nachricht freuen würde.
'Komm, du kannst deine Sachen in den Schrank räumen.', sagte ich und sah kn ihr überraschtes Gesicht.
'Ist da nicht dein Zeug drinnen?', fragte sie und ich grinste.
'Ich habe nicht von meinem Schrank, gesprochen.'
Bevor sie etwas erwiedern konnte, zog ich sie mit in mein Zimmer und öffnete die Tür zu dem riesigen Raum mit Kleiderstangen, Regalen und gläsernen Vitrinen.
Mein Herz wurde unglaublich warm, als ich Joannas leuchtende Augen sah.
'Wow!'
'Also, ich lasse dich dann mal alleine...', sagte ich und musste den Kopf schütteln. Frauen waren echt leicht zu beeindrucken.


Joanna


Ich musste zugeben, ich war ja nicht leicht zu beeindrucken, doch Damien schaffte es immer wieder.

Mindestens eine Stunde lang, versuchte ich die verschiedensten Möglichkeiten, meine neue Kleidung einzusortieren.
Und war dabei überglücklich. Welche Frau mochte denn keine Luxusklamotten und dazu ein Luxushaus?
Als ich schließlich fertig war, hatte Damien mich schon fünf mal zum Essen gerufen.
Ich beeilte mich, zum Essen zu kommen, da ich völlig vergessen hatge, wie Männer werden konnten. Ich mochte Damien zwar und trotzdem lag tief in mir diese Angst, etwas falsch zu machen und dann schon wieder geschlagen zu werden.
Als ich am Tisch angekommen war sagte ich hastig:' T-tut mir Leid! I-ich war so in meine Arbeit vertieft, oh Gott ich wollte nicht erst jetzt kommen...t-tut mir Leid', stotterte ich und hasste mich dafür, dass meine Stimme versagte.
Ich bemerkte, dass er die Stirn gerunzelt hatte und hielt den Atem an. War er sauer?
Ich schluckte, als er die Hand zu einer Faust ballte und ruckartig aufstand.
Panik durchströmte mich und ich stolperte rückwärts.
In seinen Augen sah ich einen dunklen Schatten und seine Miene wirkte angespannt.
'I-ich...es kommt nicht mehr vor!', versuchte ich es, doch ich wusste, dass es keinen Sinn hatte.
Er kam auf mich zu, ich wich zurück, doch er packte mich am Arm. Ich zuckte bei der Berührung zusammen, doch es tat nicht weh.
Sanft zog er mich zu sich und hob mein Kinn mit seinen Händen. In seinen Augen lag nun eine unglaubliche Sanftheit, die ich noch nie gesehen hatte.


Damien


Als Joanna das Zimmer betrat, verschlug es mir den Atem.
Ihre Haare waren unglaublich sexy verwuschelt, als hätte sie eine lange Nacht hinter sich, ihre Wangen waren gerötet und ihre Augen glänzten.
Augenblicklich fiel mein Blick auf ihre leicht geöffneten Lippen und ich musste ein Stöhnen unterdrücken.
Ich hatte mich noch nie so zu einer Frau hingezogen gefühlt.
Ich verspührte den Drang, mich auf sie zu stürzen und sie hier und jetzt zu nehmen und ich musste meine Hand zu einer Faust ballen, um nich aufzuspringen und über sie herzufallen.
Ich sah, wie sie etwas sagte, konnte mich jedoch nur auf die Bewegung ihrer Lippen und ihrer Zunge konzentrieren.
Ohne es zu bemerken war ich aufgestanden und hatte die Entfernung zwischen uns überwunden.
Ich sah in ihre wunderschön grünen Augen und plötzlich wurde ich wieder in die Realität zurück geholt.
Joanna stolperte rückwärts und ich realisierte erst jetzt, dass sie Angst vor mir hatte.
Warscheinlich hielt sie mich jetzt für einen kranken Psychopaten, der es auf Jüngere abgesehen hatte!
Innerlich fluchte ich, während ich sie so sanft wie möglich zu mir drehte.
Sie sah mich nicht an. Mit einem Finger hob ich ihren Kopf an und betrachtete sie eingehend.
'Joanna...',fing ich an und konnte ihr immer noch den Schrecken ansehen. 'Das tut mir so leid, i-ich wollte nicht ... das hast du falsch verstanden!'
Was sollte ich sonst sagen?
Ich schickte ein Stoßgebet an den Himmel und hoffte, dass sie sich nicht umdrehte und ging.
Joannas Miene entspannte sich und sie wirkte erleichtert.
'Schon gut...', sie lächelte.
Ich musste die Stirn runzeln, da ich an Ende noch so etwas wie 'Danke' gehört hatte.
Hatte sie sich gerade wirklich bedankt?
Nein, das war doch absurd. Ich hatte mich sicher verhört.


Joanna


Ich unterdrückte ein Seufzen. Die Erleichterung war mir sicher anzusehen.
Ich wusste, dass das wohl die einzige Ausnahme von ihm gewesen war, also durfte mir das nicht mehr passieren.
Ich war ihm so dankbar, dass er mir verziehen hatte, dass es mir sogar herausgerutscht war.
Doch er hatte es nicht gehört.
'Wollen wir essen', fragte er und seine Stimme klang entspannt.
Ich lächelte und nickte.
Nachdem ich zwei Teller Salat in mich gestopft hatte, stand ich hastig auf und machte mich daran, den Tisch abzuräumen.
Hastig stapelte ich die Teller übereinander, als sich eine Hand auf meine legte.
Ich blickte auf und sah Damiens Gesicht, das mich forschend ansah.
'Das mache ich!', versicherte er mir. Ich wollte ihm schon widersprechen, als er mich ins Wohnzimmer schob und mir die Fernbedienung in die Hand drückte.
'Ich mache das schon', wiederholte er und ich setzte mich auf die Couch.
'Okay', flüsterte ich.
Er nickte, lächelte und ging.
Ich zappte lustlos durch die Programme, bis ich bei einem Liebesfilm stoppte.
Ich kuschelte mich in das Polster und konzentrierte mich auf den Film.
Irgendwann fielen mir die Augen zu.


Damien


Nachdem ich das dreckige Geschirr abgewaschen hatte, ging ich ins Wohnzimmer und sah Joanna, die auf der Couch lag.
An ihrer gleichmäßigen Atmung erkannte ich, dass sie schlief.
Ich musste lächeln und betrachtete sie.
Ich wusste nicht, wie lange ich da stand und ihr beim schlafen zusah. Ich wusste nur, dass es der schönste Augenblick in meinem bisherigen Leben war.
Ich schüttelte den Kopf. Was war nur mit mir los?
Sonst war ich immer der unnahbare Herzensbrecher! Und jetzt kam ein völlig normales Mädchen in mein Leben und...ja was?
Und berührte mein Herz.
Meine Augen verengten sich zu Schlitzen.
Ich war nicht so ein verliebter Softie.
Niemals.


Joanna


Als ich erwachte blickte ich in Damiens schlafendes Gesicht und etwas schweres drückte auf meine Taille, was wehtat, da ich dort einen Bluterguss hatte.
Ich verzog das Gesicht zu einer schmerzverzerrten Grimasse und wand mich unter seinem Arm durch. Ich sah an mir herunter und bemerkte, dass ich all meine Sachen noch anhatte.
Ich schlüpfte in das Badezimmer und duschte ausgiebig.
Als ich fertig war, band ich mir ein Handtuch um und schielte durch die Tür in Damiens Zimmer.
Er lag immer noch leicht schnarchend im Bett und ich musste lächeln.
Er war wirklich der netteste Mann, den ich je gesehen hatte. Auch wenn er mich gestern fast geschlagen hatte.
Doch das war gar nichts gegen die Dinge, die ich schon erlebt hatte.
Leise tappte ich durch das Zimmer in meinen Kleiderschrank und suchte mir eine pinke Hose, ein schwarzes langärmliges Oberteil und für darüber, ein schwarzes Wollponcho mit weitem Rollkragen heraus und hechtete wieder zurück ins Badezimmer.
Nach einigem Suchen fand ich einen Föhn und trocknete erst meine Haare, dann zog ich mich an.
Meine Haare band ich zu einem hohen Pferdeschwanz zusammen, sodass sie nun nur noch bis zur Mitte meines Rückens reichten.
Ich trug etwas Mascara auf und betrachtete mich schließlich im Spiegel.
Ich mochte meine neue Kleidung und ich fand sogar, dass ich gut aussah.

Als ich das Bad verließ, hörte ich Damien, der sich unruhig im Bett wälzte und schließlich gähnend die Augen aufschlug.
Erst sah er mich verwundert an, dann grinste er frech.
'Hätte nicht gedacht, dass du so sexy sein kannst', sagte er und stand auf.
Mir fielen fast die Augen aus und in mir stieg so etwas wie...Verlangen auf.
Er hatte nichts an, außer einer Boxershort und er hatte einen unglaublichen Sixpack.
Ich wollte nichts anderes, als über seine glatte Haut zu streichen und die Linien seiner Muskeln nachzufahren.
Ich schluckte und sah endlich auf, zu seinem Gesicht.
Ich erstarrte. Er war schon wieder wütend.
Seine Augen funkelten mich an und sein ganzer Körper war angespannt, sodass seine Muskeln noch mehr hervortraten.
Augenblicklich sah ich wieder auf seinen Bauch und mein Blick rutschte noch etwas tiefer.
Natürlich wusste ich, dass das wohl der schlechteste Zeitpunkt war, seine edelsten Teile zu begutachten, doch ich konnte nicht anders.
Ich riss mich von dem Anblick los und versuchte mich auf das Wesentliche zu konzentrieren.
Ich sah in sein angespanntes Gesicht und machte mich für die Schläge bereit.
Ich atmete tief ein, um mich zu sammeln und plötzlich stand er vor mir.
Ich erwartete einen Schlag, doch stattdessen presste er seine Lippen auf meine.
Vor Schreck öffnete sich mein Mund und seine Zunge fand meine.
Einige Sekunden zögerte ich, doch dann gab ich mich dem atemberaubendem Gefühl hin.
Ich presste mich an ihn, er hob mich hoch und ich schlang meine Beine um seine Hüften.
Meine Hände gruben sich in seine Haare, während seine über meinen Rücken wanderten.
Seine Zunge erforschte jeden Zentimeter meines Mundes und ich konnte nicht anders als zu Stöhnen.

Nach einer gefühlten Ewigkeit, lösten wir uns wider voneinander.
Grinsend strich er mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
'Du bist so schön', flüsterte er und mein Herz machte einen Sprung.
Ich lächelte. 'Geh duschen', lachte ich, da er immer noch verschlafen aussah.
Mit einem schiefen Lächeln zog er ab und ich machte mich auf den Weg in die Küche.

Als ich das Frühstück vorbereitete, dachte ich an gestern. Damien hatte mich nicht schlagen wollen.
Er fand mich begehrenswert. Ich schüttelte den Kopf über meine Blindheit und zugleich schwirrten tausend Gefühle in mir herum.
Ich war zum ersten mal in meinem Leben glücklich und das wegen einem Mann, den ich erst seit zwei Tagen kannte.


Damien


Ich betrat die Küche und umrundete die Kochinsel, um zu Jo zu gelangen.
Sie stand an der Küchenplatte und schnitt gerade Brot auf.
Anscheinend hatte sie mich noch nicht bemerkt, denn sie summte ein Lied vor sich hin und konzentrierte sich völlig auf ihre Arbeit.
Ich schlich mich von hinten an sie heran und schlang meine Arme un ihre Hüften. Sie quiekte auf und sah mich erschrocken an, dann kicherte sie und wandte sich wieder dem Brot zu.
'Tisch decken!', sagte sie gespielt streng und ich zog meine Augenbrauen hoch.
'Wirst du jetzt überheblich?', scherzte ich und sah eine leichte Unsicherheit in ihrem Blick.
'Sorry, ich wollte nicht...', fing sie an, doch ich unterbrach sie. 'Das war ein WITZ!', ich verdrehte die Augen und piekste sie in die Seite.
Augenblicklich kehrte ihr Lächeln zurück.
'Achso...', sagte sie und sah etwas beschämt aus.
Schnell machte ich mich daran, den Tisch zu decken und half ihr, die Sachen auf den Tisch zu stellen.


Joanna


Als wir fertig gegessen hatten, wuschen wir gemeinsam das Geschirr ab, was viel lustiger war als alleine.
Damien fagte mich, was ich heute machen wollte und ich überlegte, doch mir fiel nichts ein.



Kapitel 3


Damien


Ich kramte eine gefühlte Ewigkeit in meinem Kleiderschrank herum, bis ich endlich fand, was ich suchte.
Eine schwarze Digitalkamera mit Touchscreen, die ich mir vor Jahren einmal gekauft- und bis jetzt nie benutzt hatte.
Ich schlenderte in den Gang, wo Jo sich schon einen türkis-blauen Mantel anzog.
Dazu trug sie eine schwarze, enge Hose und schwarze Ankleboots mit leichtem Absatz.
Ihre Haare hatte sie zu einem lockeren Gugel gebunden und sie sah einfach zum anbeißen aus.
Ich zog meine Schuhe und meine graue Manteljacke an, während ich sie immer noch betrachtete.
Fragend sah sie mich an. 'Was?'
'Nichts', antwortete ich und musste lachen, als ich ihre verwirrte Miene sah.
'Wieso schaust du mich so an?', fragte sie mich leicht verärgert.
Ich zog sie an mich. 'Weil du wunderschön bist', murmelte ich in ihre Haare und meinte es auch so.
Ich löste mich widerwillig von ihr und sah ihr Lächeln.


Joanna

Ich hatte diesen Teil der Stadt noch nie gesehen, also mussten wir weit weg sein von meinem Zuhause.
Ein riesiger Stein fiel mir vom Herzen und zum ersten Mal konnte ich so sein wie früher.
Damien zeigte mir alles und mit jeder Sekunde, die ich mit ihm verbrachte, flog mein Herz weiter weg.
Ja, es war zum Ersten mal so etwas wie Glück, das ich fühlte.
Wir machten tausend Bilder.
Von uns beim Eisessen- obwohl es dafür schon zu kalt war.
Von mir beim Taubenverscheuchen.
Von ihm, wie er seinen Hot-Dog verschlag.
Von mir in der Kirche, wie ich betete, obwohl ich zuvor nie an einen Gott geglaubt hatte.
Von ihm, wie er neben einem Penner saß und sich mit ihm unterhielt.
Und unglaublich viele Schnappschüsse von uns zusammen.

Ohne es zu bemerken war ich etwas langsamer geworden und betrachtete nun Damien, der vor mir schlenderte. Ich holte Anlauf und warf mich von Hinten auf ihn.
Lachend drehte er seinen Kopf, während er mich an den Schenkeln festhielt.
Ich drückte meine eiskalte Wange an seine warme und lächelte.
'Danke', hauchte ich und seine Lippen lagen plötzlich auf meinen.
Umständlich schafften wir es, mich nach vorne zu bringen, sodass ich meine Beine um seine Hüften geschlungen hatte.
Seine Lippen waren so weich und sein Kuss so intensiv, dass ich alles um mich vergaß.
Es war unglaublich atemberaubend und ich fragte mich unwillkürlich, woher er so gut küssen konnte.
Es versetzte mir einen leichten Stich, da es eindeutig daran lag, dass er schon eineige Freundinnen gehabt haben musste.
Er löste sich von mir und sah mich leicht verwundert an.
'Was', fragte ich.
'I-ich liebe dich', flüsterte er und es klang sogar leicht beschämt.
Ungläubig starrte ich ihn an. 'Ähm...habe ich das richtig verstanden???', hakte ich nach. 'Du-du liebst mich?'
Geschockt sah ich ihn an und konnte nicht glauben, dass er das gesagt hatte. Ich hätte nicht gedacht, dass mich je irgendjemand lieben könnte, geschweige denn er.
Ich hatte gar nicht bemerkt, dass mir eine Träne über die Wange lief, die er mir jetzt wegwischte.
'Ich liebe dich auch', hauchte ich und hatte Angst vor seiner Reaktion. Vielleicht hatte er nur einen Scherz gemacht? Oh Gott, natürlich hatte er nur einen Scherz gemacht!
Bevor ich weiterüberlegen konnte, lagen seine Lippen schon wieder auf meinen.
Leicht geschockt erwiederte ich den Kuss und schmolz in seinen Armen dahin. Meine Arme schlangen sich um seinen Nacken und er zog mich noch enger an sich.
Als wir uns endlich voneinander gelöst hatten, entschieden wir uns, nach Hause zu fahren.


Damien

Jo saß im Schneidersitz auf dem Sofa und folgte mit leicht geöffneten Lippen und gespanntem Gesichtsausdruck dem Film.
Ich hatte mich nicht wirklich auf den Film konzentriert.
Wie auch, wenn so eine Frau neben mir saß?
Sie hatte zwischendurch zu mir herübergeschielt, war jedoch sofort rot angelaufen, als sie bemerkte, dass ich sie betrachtete.
Ich lächelte. Das war also das, von dem alle schwärmten. Liebe. Ich musste zugeben, es war wirklich ein schönes Gefühl, jemanden an seiner Seite zu haben und diejenige zu mögen.
Bis jetzt waren alle meine Freundinnen bedeutungslos gewesen. Klar, sie waren hübsch gewesen und vielleicht haben ein paar von ihnen mich wirklich geliebt, doch ich hatte noch nie etwas für eine Frau empfunden.
Naja, Jo war eigentlich viel jünger, als die, die ich früher hatte. Lag es daran? Man sagte ja, dass junge Mädchen an den Beschützerinstinkt eines Mannes appellieren. Und es stimmte. Jo kam mir so zerbrechlich vor.
Aber ich hatte das Gefühl, dass das nicht nur daran lag, dass sie drei Jahre jünger war als ich, sondern, dass es noch etwas gab, das sie mir verschwieg.
Naja, ihre Eltern waren gestorben. Das musste doch seelische Narben hinterlassen.
Ich beschloss, nicht weiter darüber nachzudenken und wandte mich dem Film zu.


Joanna


Das graue Gebäude ragte bedrohlich aus der Landschaft und schüchterte mich extrem ein. Ich schluckte und atmete tief ein. 'Okey, Jo! Das schaffst du...,redete ich mir gut zu, obwohl ich mir kein Wort glaubte. Früher war ich eine Außenseiterin gewesen und ich hatte nicht das Gefühl, dass sich das jetzt ändern würde.
Ich machte mich auf den Weg zu der gläsernen Eingangstür, die sicher schon bessere Zeiten erlebt hatte.
Die Schüler standen alle um mich herum und ich hatte das Gefühl, dass jeder mich astarrte.
Ich schluckte und beeilte mich, in das Gebäude zu kommen, um das Sekretariat zu suchen. Ich drängte mich an Schülermassen vorbei, jedoch fand ich es nicht. Völlig ratlos irrte ich herum und bemerkte, wie sich die Schülermenge auflöste und nur mehr vereinzelt ein paar Teenager standen.
Plötzlich spührte ich eine Hand auf meiner Schulter und ich drehte mich um. Ein schwarzhaariges Mädchen mir pinken Strähnchen und einem hübschen, blassen Gesicht.
'Hi', lächelte sie. 'Ich bin Ally. Kann ich dir helfen? Du siehst leicht gestresst aus.'
Ich fühlte mich plötzlich unglaublich erleichtert und lächelte zurück. 'Ja, ich finde das Sekretäriat nicht.'
'Achso, dann bist du also Joanna!', freute sie sich. 'Komm...ich bring dich hin.'


Ich folgte Ally in die Klasse und sofort lagen alle Blicke auf mir. Ich fühlte mich unwohl und hätte mich am liebsten sofort auf den hintersten, freien Stuhl gesetzt, um nicht angestarrt zu werden. Jedoch machte mir ein kleiner, glatzköpfiger und ziemlich fies blickender Lehrer mir einen Strich durch die Rechnung.
Mit einer kratzigen Stimmer verlangte er, dass ich mich vorstellte, was ich relativ zügig hinter mich brachte.
Nach einer heruntergerasselten Vorstellung meinerseits, durfte ich mich endlich setzen. Suchend sah ich mich im Raum um und sah eine lächelnde Ally, die auf einen freien Stuhl neben sich deutete.
Erleichtert ließ ich mich neben sie fallen.

In der großen Pause plauderten Ally und ich über dies und das. Ich erfuhr, dass sie ein Einzelkind war und zusätzlich ein Scheidungskind. Ich fühlte mich augenblicklich mit ihr verbunden. Wir waren einfach auf einer Wellenlänge.
Natürlich hatte ich auch bemerkt, dass sie nicht viele Freunde hatte, was vielleicht an ihren Piercings und ihren schwarzen Klamotten lag.
Das störte mich jedoch nicht im geringsten, da ich auch eine Aussenseiterin war.
Dies zeigte sich auch schon wenig später, als eine nuttig geschminkte Wasserstoffblondiene mit schwarzem Ansatz und 10 Zentimeter Pumps auf uns zustolzierte. Gefolgt von einer, nicht weniger aufgetackelten Tussimeute.
'Na, was haben wir denn da?? Unser Emo hat doch tatsächlich eine Freundin gefunden...', sagte sie in hochnäsigem Tonfall, während alle um sie herum lachten.
Ihre blauen Augen fixierten mich und ein spöttisches lächeln lag auf ihren Lippen. 'Wow, bis jetzt dachte ich, 'Das hässliche Entlein' ist nur 'n Kindermärchen!"
Es versetzte mir einen Stich, so etwas zu hören, obwohl ich das gewöhnt war. Sofort kam mir das Gesicht meines Vaters in den Kopf. Sein grässliches Lachen.
'Du unnötiges Stück Dreck. Wenn du schon nicht gut aussiehst, so hast du wenigstens Titten! Also leg dich hin und stell dich nicht so an, du Fotze!', hallte es in meinen Ohren.
Ich musste meine Tränen zurückhalten. Er hatte Recht. Augenblicklich musste ich an meine jetzige Situation denken. Wie konnte ich überhaupt bei Damien sitzen und ihm das Geld aus der Tasche ziehen? Irgendwann würde er merken, wie wenig er an mir hatte. Und dann hätte ich gar nichts.
Ich war so in meine Gedanken vertieft, dass mir gar nicht aufgefallen, war, wie Ally aufgesprungen war.
Nun stand sie der Blondiene gegenüber und schrie:'Weißt du was, du aufgeblasene Tusse? Ich hab kein' Bock, mir deine weichgekochte Scheiße anzuhören, also verzieh dich wieder in deine Parfumerie, wo du aus 'nem Schminktopf gekrochen gekommen bist!!'
Die Schülermeute gaffte sie einige Sekunden perplex an, doch schließlich verzogen sie sich murrend.
Ally verdrehte die Augen. 'Immer dasseleb mit diesen unterbelichteten Freaks...', murmelte sie, ehe wir weiterredeten, wobei ich versuchte, nichts zu meiner Familie zu sagen.

.

Ally und ich verließen gerade das Gebäude und unterhielten uns, als sich uns eine Schülergruppe in den Weg stellte. Ich erkannte sofort die Blondine wieder und schluckte. Mit einem überheblichen Blick stand sie vor uns. 'Na Allylein? Immer noch mit dieser Naturkatastrophe unterwegs?' Ihr Blick durchbohrte mich förmlich. 'Es ist echt schwierig zu sagen, wer von euch beiden hässlicher ist...'
Die Anderen lachten. Ally sah schon wieder so aus, als würde sie gleich losschreien, also zog ich sie schnell weg. 'Lass sie reden...', beschwichtigte ich sie, obwol ihre Worte mir wehtaten.
'Diese blöde bitch Dina...', regte Ally sich auf.
Dina, so hieß sie also. Willkommen in meiner neuen Schule.


Damien

Ich stand gerade in der Küche -als echter Koch natürlich mit einer 'Kiss The Cook'-Schürze bekleidet- und machte Abendessen, als Jo hereinkam. Sie hatte leicht gerötete Wangen von der Kälte draußen und sah echt süß aus.
'Hey!', begrüßte ich sie und sie lächelte. 'Hi.' 'Und? Wie war dein erster Schultag?' 'Oh, ja. Das war suuuper! Alle sind echt nett und ich hab schon echt viele Freunde gefunden...', strahlte sie.
Augenblicklich musste ich lächeln. Ich freute mich für sie.
'In welche Klasse gehst du denn?', wollte ich nun wissen.
'7 bc, wieso?', antwortete sie.
Hmm, 7 bc. Ging in diese Klasse nicht auch Dina? Dina war eine meiner besten Freunde und wir machten öfter etwas gemeinsam. Sie war einfach lustig, nett und man konnte mit ihr überall Spaß haben.
'Wow, dann gehst du ja mit meiner Freundin in die Klasse! Hast du schon Dina kennengelernt?'


Joanna

Perplex starrte ich Damien an. Er kannte Dina. Die Dina, die mich und Ally fertiggemacht hatte, obwol sie mich gar nicht kannte.
Und diese Dina war auch noch seine FREUNDIN! Das versetzte mir einen Stich ins Herz. Wie konnte ich nur glauben, dass ein Mann wie er single war?
Wie konnte ich nur glauben, dass ihm der Kuss zwischen uns genauso viel bedeutet hatte, wie mir?
Ich war eine willkommene Abwechslung gewesen. Und ich hatte mir etwas darauf eingebildet.

'Ääähm, nein...ich hab noch keine Dina kennengelernt...',nuschelte ich und lächelte gequält. Er lächelte ahnungslos zurück und sagte:'Keine Sorge, sie wird sicher bald mit dir reden... Sie ist keine Person, die Andere lange ignoriert.'
Wie wahr.


Damien

Ich fuhr gemütlich mit dem Auto zu Jo's Schule, um sie abzuholen. Ich hatte mich spontan dazu entschieden und freute mich schon, sie zu überraschen.
Und wer weiß, vielleicht hatte ja auch Dina Zeit, mitzukommen. Ich war mir sicher, dass die beiden sich gut verstanden.
Lächelnd parkte ich auf einem Parkplatz vor der Schule, auf dem sich schon Schüler scharten.

Joanna

Ally und ich waren umzingelt von Dina und ihrer Meute. Überheblich grinsend baute sie sich vor mir auf und starrte mich hasserfüllt an. 'Na du hässliche Kröte? Du hast wohl den Weg zum Chirurgen noch nicht gefunden, was?' Für diesen Spruch erntete sie amüsiertes Gelächter von den Anderen. Plötzlich packte sie meine Haare und zog mir ein großes Büschel aus. Schmerzestränen schossen mir in die Augen, doch mir entkam kein Laut. 'Du solltest deine Haare einmal schneiden...wenn sie noch länger wachsen, kannst du dir damit deinen fetten Arsch abwischen!', zischte sie und holte zu einem Schlag aus. Ich machte mich schon auf eine kräftige Ohrfeige bereit, doch wurde Dinas Hand von einer anderen aufgehalten.
Geschockt starrte ich auf die Hand. Die Hand, die ich unter Tausenden wiedererkennen würde. Traute mich nicht aufzusehen, da ich dann in SEIN Gesicht hätte sehen müssen.
Denn dann hätte ich den Spott und die Verachtung in seinen Augen gesehen.
Es herrschte eine angespannte Stille, die Damien nach einigen Sekunden mit gelassener Stimme durchbrach.
'Dina?', fragte er ruhig. Stille.
Ich sah immer noch auf die zwei Hände. Ich schämte mich zu sehr, um ihm ins Gesicht zu sehen, obwol ich wusste, dass ich dadurch nur noch schwächer wirkte.
'Wolltest du Jo da gerade schlagen?', fragte Damien immer noch völlig unbeeindruckt.
Einige Sekunden Stille. Dann schrie Dina schon fast:'Seit wann hast DU denn Probleme damit, wenn jemand geschlagen wird?...und woher kennst du überhaupt ihren Namen?'
'Ich wiederhole mich nur ungern...', überging Damien die Frage. 'Hast du gerade versucht MEINE Jo zu schlagen??'
Diesmal war es länger Still.
Dina schluckte. Perplex hob ich langsam meinen Blick und starrte in Damiens wütendes Gesicht. 'Was?', fragten Dina und ich gleichzeitig.
Verwirrt sah mich Damien an. 'Ich habe dir doch schon gesagt, dass ich dich liebe.' Alle starrten ihn geschockt an.
'I-ich dachte...du hättest das nur so gesagt...ich meine...ich dachte SIE wäre deine Freundin!?' Ich zeigte auf Dina.
Angeekelt starrte er diese an und ließ ihre Hand los. 'Auf keinen Fall!', erwiederte er. 'Wir WAREN bis jetzt gute Freunde, aber dass sie so durchtrieben ist, wusste ich nicht...'
Entschuldigend sah er mich an. 'Tut mir leid, dass ich das falsch ausgedrückt habe.' Ich schüttelte den Kopf und lächelte. 'Passt schon...das war mein Fehler.', sagte ich.

'Lass uns gehen', lächelte Damien.


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Texte: Alle Rechte sind mir vorbehalten ;D
Tag der Veröffentlichung: 06.11.2012

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