Cover

Introduction und Inhalt

 

Elvi Mad

Rebecca Liebesverbot

Einen Mann lieben? Nie wieder

 

Erzählung

 

Aimer, c'est se donner corps et âme

Im Dezember erklärte Gabriel lapidar: „Rebecca, ich werde gehen. Ich stelle
einen Versetzungsantrag.“ Rebecca konnte nichts sagen. Ob sie ihren Mund
tatsächlich aufgesperrt hatte, wusste sie nicht, jedenfalls kam sie sich
innerlich so vor. „Ich halte es so nicht mehr aus. Mich macht das fertig. Diese
perverse, verlogene Situation zwischen uns ertrag ich nicht länger. Wir sind
gute Freunde und mögen uns, mehr nicht, und dann sitzt du vor mir mit
meinem Schwanz in deiner Va­gina und schaust mich an. Ich liebe dich,
dein Gesicht vor meinem, und ich darf es nicht küssen, nicht einmal berühren.
Beim Sex, da gibt es nichts Soziales, nein? Da haben wir keine Beziehung,
da sind wir gegenseitige Befriedigungsmaschi­nen? So ein Schwach­sinn,
Rebecca. Ich weiß nicht, wie du es für dich verstehst. Ich will das nicht mehr
und vor allem kann ich die per­verse Situation nicht mehr ertragen. Welche
Chance hätte ich denn jemals ge­habt, etwas daran zu ändern? „Mehr nicht.“
hätte ich immer nur gehört. Du tust mir auch weh, Rebecca. Ich liebe dich,
und so will und kann ich das nicht mehr. Es zerreißt mich, macht mich
psychisch fertig.“ erläuterte Gabriel es näher. Re­becca sprang auf seinen
Schoß. „Walden, du darfst nicht gehen. Du musst blei­ben, das geht nicht.
Sie umarmte und drückte ihn. Ich liebe dich doch auch, Walden, ich darf es
nur nicht sagen. Weißt du, Gabriel, wenn ich sage, dass ich dich liebe,
dann bekomme ich Ärger mit mir. Hast du Lust, soll'n wir uns mal küssen?“
schlug Rebecca vor, Gabriel schmunzelte. „Das mit dem Ärger
musst du mir nochmal erklären.“ meinte er.

 

 

Rebecca Liebesverbot Inhalt

Rebecca Liebesverbot 4

Der Cowboy 4

Rebeccas Qualen 4

Neue Schule - Neues Leben 5

Béatrice 6

Alles Neu – Neues Leben 7

Now or never 8

Das wird es nicht mehr geben 8

Einweihungsfète 9

Mehr nicht 10

Bei den Grünen 11

Nie wieder mit einem Mann 12

Rebecca allein 13

Heut schon im Wald gewesen? 13

Nicht in dieser Welt 14

Nichts ändern 15

Vor den großen Ferien 16

Im Herbst 16

Gabriels Versetzungsantrag 16

Rebeccas Freund 17

Bleib Gabriel 18

Wer bist du 19

Rebecca verliebt 20

 

 

Rebecca Liebesverbot

„Alle Männer sind potentielle Machos.“ meinte Rebecca. Gabriel bestimmt auch. Trotzdem zog es sie zu ihm, und Rebecca ließ sich zu etwas hinreißen,was sie selbst nicht für möglich halten konnte.

Der Cowboy


Was war er denn für einer? „Na, geht’s?“ brummte er Rebecca an, als er auch zum Kopierer kam. Sie hatte ihn zwar schon mehrfach gesehen, aber er hatte nicht mit ihr gesprochen. Die meisten Kolleginnen und Kollegen teilten ihr, der Neuen, einen Schwall an Informationen und Tips mit. Der Kollege war jünger als sie, Mitte dreißig etwa. Sie fand es lustig. Der Cowboy macht nicht viele Worte, oder verbarg sich hinter seinem Auftreten der kleine Möchtegern-Ma­cho? Einfach antworten: „Na ja, es muss ja.“ oder so, wäre ihr dämlich vorge­kommen. „Die meisten ihrer Kollegen verraten mir, wie sie heißen. Haben sie einen Geheimnamen?“ reagierte Rebecca. „Ach, natürlich, Entschuldigung. Ich heiße Gabriel Nicolai. Wie das mit dem Du und Sie ist haben sie ja sicher schon mitbekommen. Normalerweise bin ich für sie der Gabriel, wenn sie das auch wünschen. Dann müssten sie mir jedoch noch ihren Vornamen verraten. Ich weiß nur dass sie die Frau Westerhoff sind.“ antwortete der Kollege darauf. Jetzt schien er doch ganz locker zu werden. „Willst du denn auch noch wissen, ob's geht?“ fragte Rebecca. „Ja, natürlich, hatte ich schon fast vergessen.“ Ga­briel darauf. „Überhaupt nicht geht’s. Nichts geht. Jeden Tag nur Frust und Ver­zweiflung. Die Schüler machen mich fertig, die Kollegen ranzen mich an, es ist zum heulen.“ erklärte Rebecca. Gabriel schaute sie verdutzt an, dann lachte er los. „Das ist doch Unsinn. Da stimmt kein Wort von. Du siehst nicht gerade aus, als ob dir zum Heulen wäre eher das Gegenteil. Du wirkst als ob du dich wohlfühltest und glücklich seist.“ meinte er. „Und warum fragst du dann?“ woll­te Rebecca wissen. „Vielleicht hättest du mir ja verraten, warum du dich wohl­fühlst.“ Gabriel darauf.


Rebeccas Qualen


Ewige Querelen hatte Rebecca hinter sich, Qualen, Zweifel und Missmut. Sie hatte gelitten, es hatte an ihren Kräften gezehrt, betrübt hatte sie oft ins Leere gestarrt und nicht gewusst, ob sie jemals wieder glücklich sein könne. Ihren Mann schien das gar nicht zu berühren. Er nahm sie nicht wahr, und wenn, dann hätte er wahrscheinlich wieder erklärt, dass es sich dabei um ihre psychi­schen Probleme handle. Alles verlief ganz normal in ihrer Beziehung. „Das ist dein Problem“ sagte er immer. Wenn sie sich über sein idiotisch, stupides Ver­halten aufregte, waren das für ihn hysterische Anwandlungen. Nach dem, wie er sich verhielt, hätte Rebecca sich schon lange von ihm trennen müssen, und anderen hätte sie auch wohl dazu geraten. „Da ist doch nichts mehr zwischen euch, ihr versteht euch doch überhaupt nicht mehr, was willst du denn mit ihm?“ hätte sie rational argumentiert. Dann trennt man sich eben. Einer­seits kann die Beziehung das Wundervollste sein, was du erlebst, aber für Rebecca war sie zur Fessel geworden. Die Verhältnisse waren unerträglich, aber trotz­dem konnte sie sich nicht von diesem Mann lösen. Er war ein Teil von ihr, ein Teil ihres Lebens, und für ein Leben ohne ihn, sah sie kein Bild. Nach endlosen und immer wieder neuen Gesprächen mit ihren Freundinnen, entschloss sie sich schließlich doch zur Trennung. Ihr Mann war sprachlos, konnte es überhaupt nicht fassen und versprach alles zu ändern. „Du brauchst nichts zu ändern, Thomas. Ich habe die Schnauze von dir voll, endgültig voll. Ich will es nicht mehr, keinen Tag länger mehr.“ Ihr Mann redete und redete in der festen Überzeugung, Rebecca wieder umstimmen zu können. „Wirst du mich jetzt endlich einmal für voll nehmen und mit deinem Sermon aufhören. Du hast gehört, was ich gesagt habe. So ist es und dabei bleibt es.“ stoppte ihn Rebecca. Sie empfand es, als ob sich ihre frühere Verbundenheit und Abhängigkeit in Hass gegen diesen Mann zu verwandeln begann. Sie wollte die Scheidung so schnell wie möglich. Sie wollte diesen Namen nicht mehr tragen, nicht mehr die Frau von Thomas Langenbach sein, ihm nicht mehr gehören. So hatte er es anscheinend in den letzten Jahren empfunden. Rebecca wollte alle Zeichen, die sie an diese Zeit erinnern konnten, aus ihrem Leben verbannen, aus ihrem neuen, zukünftigen Leben, von dem sie sich noch gar nicht vorstellen konnte, wie es sich eigentlich für sie gestalten würde. Als sie es ihrem Mann erklärt hatte, war sie nicht gleich anschließend vor Freude in die Luft gesprungen. Erst nach und nach wurde sie sich dessen bewusst und konnte über ihre neu gewonnene Freiheit jubilieren. Allmählich war es ständig gegenwärtig und bereitete ihr ein anhaltend leichtes Hochgefühl. Sie hatte Lust auf ihr neues Leben.


Neue Schule - Neues Leben


Rebecca war neu an der Schule. Sie hatte sich versetzen lassen. Alles war neu und unbekannt. Weder Schülerinnen oder Schüler noch Kolleginnen oder Kolle­gen kannte sie. Keine Voreingenommenheiten, keine fest gefügten Strukturen, alles war neu. Fast wie eine neue Welt, so hatte Rebecca es sich gewünscht und freute sich darauf, alles kennenzulernen. Ein neues Leben beginnen? Das hörte sich ein wenig großartig und übertrieben an und war auch wohl gar nicht möglich. Sie hatte ja immerhin sich selbst mitgebracht. Aber sie suchte eine neue Umgebung, in der es so wenig wie möglich Erinnerungsanlässe an ihre Vergangenheit gab. Schlecht gefallen hatte es ihr in der früheren Schule nicht, aber da war sie die Frau von Thomas Langenbach und würde es immer bleiben, zumindest die ehemalige. An der neuen Schule wusste nur die Chefin, dass Frau Westerhoff mal mit Herrn Langenbach verheiratet gewesen war. Die Di­rektorin schien nicht nur eine freundlich aufgeschlossene Frau zu sein, sondern erweckte auch einen feministisch angehauchten Eindruck. „Jetzt suchen sie einen neuen Mann?“ scherzte sie, „nur damit sieht es hier schlecht aus. Hier gibt’s nur biedere Familienväter, und so was ganz Junges sagt ihnen doch si­cher auch nicht zu.“ Die beiden lachten, und Rebecca schlug vor, sie könne ja mal einen Aushang am schwarzen Brett machen. Einen Mann suchen. Warum sollte sie sich einen Mann suchen? Weil Frauen sich immer einen Mann suchen. Frauen brauchen einen Mann. So ein dummes Gewäsch. Sie hatte sehr enge Freundinnen, das reichte ihr nicht nur, die hatten ihr sogar das Leben erträglich gemacht, als sie noch einen Mann hatte und sich noch nicht zu einer Trennung entscheiden konnte. Eine isolierte Frau gab immer noch ein leicht sonderbares Bild ab. Eine Frau ist ohne einen Mann nicht vollständig. Auch wenn sie es nicht mehr zu formulieren wagen, empfinden doch noch viele so.


Béatrice


Es gab nicht nur eitel Sonnenschein. Auch wenn sie damit gerechnet hatte, war es doch nervig, wenn die Schüler herausfinden wollten, wie weit sie es bei 'der Neuen' treiben konnten, und da Latein nach Mathematik das zweitbestgehasste Fach war, übertrug es sich auf das Verhältnis zu den Lehrern. Auch dass Rebec­ca sich mit nichts auskannte und ständig andere fragen musste, hatte weniger den Reiz des Neuen, sondern war oft lästig. Rebecca bedauerte es aber in kei­nem Moment, dass sie sich hatte versetzen lassen. Wahrscheinlich sah sie es durch die Wunschbrille ihres neuen Lebensabschnitts, dass ihr die Kolleginnen und Kollegen hier alle viel unbeschwerter, offener, leichter erschienen als an ih­rer früheren Schule. Vielleicht würde sich das ja im Laufe der Zeit auch noch ändern, wenn jede und jeder erst mal sein Bündel an Erfahrungen, an Urteilen und Vorurteilen aufgeladen bekommen hatte. Trotzdem hatte man natürlich auch sofort von ihnen, von jedem ein Bild. Dass Frau Redemann gouvernan­tenhafte Züge aufwies, konnte keinem verborgen bleiben, auch wenn sie in dem kurzen Begrüßungsgespräch äußerst nett gewesen war. Manche erschie­nen einem eben sympathischer andere weniger. Zu den Rebecca sympathischer erscheinenden gehörte auch die junge Kollegin Béatrice Fehrenbach. Sie kann­te Rebecca und hatte sie schon öfter gesehen. Für die Grünen war sie Mitglied im Rat der Stadt, und an Empfängen, an denen auch der Beigeordnete Langen­bach teilnahm, hatte er meistens seine Frau mit geschleppt. Béatrice wusste nicht, dass sie verheiratet gewesen waren und jetzt geschieden, es interessier­te sie aber auch nicht sonderlich. „Da wirst du mich in Zukunft nicht mehr se­hen. Ich habe das sowieso immer gehasst, aber bin einfach so hingetrottet, weil es sich gehört, dass eine Frau ihren Mann bei so etwas begleitet. Das wird mir jetzt erst nach und nach bewusst, zu wie vielem, dass nicht in meinem persönlichen Interesse lag, ich mich habe verleiten lassen.“ erklärte Rebecca. „Deshalb lebe ich ja auch vorsichtshalber allein.“ meinte Béatrice, „Ich halte mich da auch für sehr anfällig. Wenn du jemanden liebst und immer mit ihm zusammen bist, kannst du dich leicht selbst verlieren.“ „Zu Anfang, als er noch ein kleiner Regierungsrat war, gab's auch keinerlei Probleme. Immer nett und freundlich war er, ließ sich auf alles ein. Nur dann bezog sich plötzlich alles auf seine Kariere. Alles war unwichtig und seine Frau wurde zu einer selbstver­ständlichen Einrichtung bei ihm zu Hause. Nichts war davon zu ahnen, dass er sich mal so entwickeln und verhalten könnte. Ich bin der Ansicht, dass Männer grundsätzlich, gleichgültig ob genetisch oder durch Sozialisation, über ein Frau­en diskriminierendes machohaftes Potential verfügen. Es ist nur die Frage wann und wodurch es zum Ausbruch kommt.“ erläuterte Rebecca. Béatrice musste lachen. „Du bist immer noch ganz schön frustriert und gekränkt, nicht war? Vielleicht war das mit den Männern so, und heute gibt’s die auch sicher noch, aber beim Durchschnitt ist das nicht mehr so. Die Jungs gehen heute eher in Richtung metrosexuell, und so einen wie deinen Mann würdest du heu­te in Mittelschichtkreisen wohl kaum noch finden.“ meinte Béatrice dazu. „Und trotzdem suche ich mir keinen neuen. Hast du denn einen?“ Rebecca fast pat­zig. Lächelnd erklärte Béatrice: „Ja schon, aber er wohnt nicht bei mir. Wir ver­stehen uns ganz gut, mögen uns und machen öfter etwas zusammen. Und manchmal braucht Frau eben einen Mann.“ antwortete Béatrice. Rebecca grins­te und meinte: „Ich brauche keinen, auch manchmal nicht.“ Béatrice antworte­te nicht darauf. Sie hob die Augenbrauen und ihren Mund umspielte ein süß­säuerlich, skeptisches Grinsen. „Ja, Béatrice, so ist das. Seit es mit meinem Mann einschlief, ist da nichts mehr bei mir. Früher habe ich ja auch mal ma­sturbiert, aber heute, kein Bedarf. Alles verschwunden.“ reagierte Rebecca auf ihre fragenden Augen. „Verschwinden kann deine Libido nicht, ebenso wenig wie Hunger und Durst. Sie ist ja Antrieb für alles. Du wirst es sublimiert haben. Etwas anderes wird dir Lust bereiten.“ meinte Béatrice. „Na, umso besser. Nur einen Orgasmus habe ich anderswo bei noch nicht bekommen.“ Rebecca dar­auf. Beide lachten und Béatrice meinte: „Keine Angst, bei unseren Konferenzen wird das geschehen. Die sind so Lust fördernd und Erregungs steigernd, dass du es irgendwann nicht mehr an dich halten kannst.“ „Aber Frau Klingenberg (die Chefin) macht doch einen ganz passablen Eindruck.“ erwiderte Rebecca. „Nein, die ist ja völlig o. k., an den lieben Kolleginnen und Kollegen liegt es, die aus einer Konferenz am liebsten ein endloses Plauderstündchen machen möch­ten. Alle nervt es, aber selber macht es jeder genauso.“ erklärte Beatrice dazu. „Die Klingenberg meinte, sie würde auch bei den Grünen eintreten, wenn sie nicht Schulleiterin wäre. Sie will die Politik der Grünen immer mit mir diskutie­ren, dabei finde ich die ja selber in weiten Bereichen schrecklich, stupide und angepasst. Im Kulturbereich auf kommunaler Ebene, was kannst du da denn schon reißen, außer die Streichung von Mitteln zu verhindern versuchen. Da habe ich dann meine große Stunde und fahre meinen ganzen kulturwissen­schaftlichen Background auf. Aber es ist auch ein wenig öde, ich arbeite fast al­lein.“ Rebecca erkundigte sich nach den Bedingungen, nach Einzelheiten bei den Grünen und der Art von Béatrices Arbeit. „Ja, Rebecca, das wäre doch was. Du machst bei den Grünen mit und kämpfst politisch gegen den Langen­bach. Einen besseren Weg, selber stark zu werden, kann's doch nicht geben.“ schlug Béatrice vor. Rebecca wollte es sich überlegen.


Alles Neu – Neues Leben


Für sie selbst stand keinesfalls der Kampf gegen Thomas zur Disposition. Re­becca sah ein neues Betätigungsfeld, neue Gruppenzusammenhänge, die viel­leicht hervorragend in die Vorstellungen zu ihrem neuen Lebensabschnitt pass­ten. Mit Politik hatte sie sich immer nur privat beschäftigt, hatte die Zeitungen gelesen und sich ihre Gedanken gemacht. Mit Thomas konnte sie nicht darüber reden. Wegen seiner Position kam er sich wie der oberste Politikpapst vor, ob­wohl seine Ansichten oft sehr simpel waren. Mit den Spielregeln der politischen Kumpanei kannte er sich allerdings sehr gut aus. Sie dachte zunächst, mit Béa­trice im Kulturbereich zusammen zu arbeiten, meinte dann aber, dass sie im Moment feministische Fragen stärker interessierten. In der Frauengruppe schi­en man jedoch nur Quotenpolitik und Lohnfragen zu kennen. Sicher ganz wich­tig, aber ihrem Klärungsbedarf in Frauenfragen entsprach das nicht. Folglich wechselte sie doch zu Béatrice in den Kulturbereich. Béatrice kam zu Rebecca, um mit ihr etwas vorzubereiten. Sie bestaunte die schicke Einrichtung. „Hat al­les der Langenbach bezahlt.“ kommentierte Rebecca. „Alles ist neu in meinem Leben. Neue Wohnung, neue Möbel, neue Umgebung, neue Arbeit, neue Aktivitäten, ob das wohl ein ganz neues Leben werden kann?“ erklärte Rebecca mit leicht scherzhaften Unterton. „Ich kann mir gar nicht vorstellen, wo ich denn immer noch die alte sein sollte.“ Béatrice schmunzelte. „Neu ist deine ganze Umgebung und deine Kontakte, das macht sicher viel aus, um sich zu verändern, aber das geht ganz langsam. Deine Empfindungen, deine Einstellungen, wie du etwas wahrnimmst und beurteilst, das ändert sich nicht so schnell. Das hat sich über dein ganzes Leben hin in dir entwickelt. Deine Libido zum Beispiel stellt sich nicht von heute auf morgen um, weil du in einer neuen Wohnung lebst.“ meinte sie. „Du willst sagen, dass ich auch mein Leben mit Thomas Langenbach psychisch noch einige Zeit mit mir herumschleppen werde?“ fragte Rebecca nach. „Was willst du machen? Vergessen kannst du es nicht. Du hast es zum Beispiel mit ihm erlebt, verliebt zu sein, da wirst du dran denken, wenn es wieder geschieht.“ meinte Béatrice. „Das wird nicht wieder geschehen. Ich werde mich nicht mehr in einen Mann verlieben können.“ Rebecca dazu, worauf Béatrice nur lächelte.


Now or never


In der Schule frotzelte sie der Cowboy an. Er blickte nicht mürrisch, aber im­mer sehr ernst und gefasst. Wenn sie sich jetzt begegneten, schenkte er ihr großzügig ein Blinzeln und seine Lippen ließ er dabei sich zu einem leichten Lä­cheln formen. „Na, geht’s schon ein bisschen besser? Nicht mehr so viel heu­len?“ ironisierte er. „Hast du nicht von dem Boom der Taschentuchindustrie ge­hört? Alles meine Tränen. Einen Ozean voll, wie Elvis es versprach, wenn sein Darling ihn nicht now or never küssen würde, habe ich aber noch nicht ge­schafft.“ reagierte Rebecca. „Was ist das mit Elvis, Elvis Presley wahrscheinlich doch, oder?“ fragte Gabriel. Der junge Schnösel kannte „It's now or never“ nicht. „“'Oh, sole mio' ist das.“ meinte er, als Rebecca ihm ein Stückchen vor­sang. „Genau, die ganze Welt war damals zu Neapel geworden und litt mit Elvis an seiner Sehnsucht. Heute schreien sie alle nur hart und herb, und romanti­sches Wehklagen hat keine Chance mehr.“ meinte Rebecca und Gabriel konnte sich nicht mehr halten vor Lachen. „Hörst du denn überhaupt Musik, dass du zu solchen Urteilen kommst?“ fragte er erstaunt, „Oder hast du mal zufällig je­manden kreischen gehört, und das hat dich genervt.“ „Mein Junge, das bezog sich ironisch auf Elvis sentimentales Gejammer. Manchmal muss man da eben ein wenig erläuternd nachhelfen, oder?“ Rebecca darauf. Gabriel schien es zu gefallen. „Wir sollten mal öfter miteinander reden.“ meinte er, „Nur gibt es fachlich zwischen Mathematik und Latein so wenig Berührungspunkte.“ „Wir könnten uns ja auch über etwas anderes unterhalten, Musik zum Beispiel.“ schlug Rebecca vor, und Gabriel schmunzelte.


Das wird es nicht mehr geben


Fast noch häufiger als früher telefonierte Rebecca mit Miriam, ihrer Freundin. Damals war es fast immer darauf hinaus gelaufen, das Rebecca ihr Leid be­klagte, Miriam ihr zuhörte, es mit ihr besprach und sie tröstete. Jetzt musste sie wie ein Kind Miriam jede Lappalie mitteilen, die für sie neu war. Wenn sie sich trafen, umarmte sie Miriam. „Meine Liebe, du bist süß. Dass du dich so freust, macht mich selber glücklich. Es will mir erscheinen, als ob wir uns damals ständig in tiefen Gruften von dunklen Kellern bewegt hätten, und jetzt bist du ans Tageslicht gekommen, lässt dich von der Sonne bescheinen und strahlst selber.“ meinte sie. „Ich bin selber erstaunt, Miriam, wie tief das Empfinden von Freiheit wirkt. Unbeschwert und leicht, wie ein junges Mädchen erlebe ich mich manchmal. Nie wieder gefangen, worin auch immer.“ verkündete Rebecca lachend. „Das hört sich gut an,“ meinte Miriam, „aber manchmal musst du auch abwägen. Wenn du Kinder haben willst, zum Beispiel, gibt es eben nicht alle Freiheiten.“ „Ich denke du hast Recht. Eine völlige Freiheit kann es gar nicht geben, aber du kannst dich hüten, dir den Genuss von Erwünschtem durch leichtfertige Aufgabe von Freiheiten zu erkaufen. Jedenfalls weiß ich, was für ein schätzenswertes Geschenk sie ist und werde sie sorgsam hüten.“ „Manchmal kannst du dich auch gar nicht dagegen wehren.“ meinte Miriam, „Zum Beispiel, wenn du dich verliebst, begibst du dich auch immer mehr oder weniger in eine Abhängigkeit.“ Mit Kopfschütteln und einem „M, M.“ erklärte Rebecca, „Das wird es nicht mehr geben.“ „Ach so, wenn sie dich überfallen will sagst du ihr „Nein, nein nicht bei mir.“, und dann zieht sich die Liebe wieder zurück?“ versuchte Miriam Rebecca zu verstehen. „Ich will das nicht mehr Miriam. Was ich durchgemacht habe reicht mir. Ich bin froh, dass ich allein und frei bin, und ich habe keine Lust, mich auf etwas anderes einzulassen.“ verdeutlichte Rebecca ihre Position. „Trotzdem glaube ich, dass so etwas auch bei dir, Rebecca, anderswo entschieden wird, als in deiner Ratio.“ fügte Miriam noch an.


Einweihungsfète


Leicht möglich wäre es schon, dass sie sich verlieben könnte. Rebecca fand alle Leute nett, seitdem sie frei und immer gut aufgelegt war. Sie hatte noch keine Fète gemacht. Viele Kolleginnen oder Kollegen wollte sie nicht einladen, da hätte sie ja auch Näheres erklären müssen. Außer Béatrice sollten nur noch zwei weitere Kolleginnen, zu denen sie intensiveren Kontakt hatte, kommen. Den Cowboy, sollte sie den auch einladen? Er blinzelte jetzt nicht mehr, son­dern sprach immer Rebecca an. Hatte immer ein paar nette Worte für sie, oder fragte und erzählte etwas. Sie unterhielten sich auch schon mal länger wäh­rend der Pause. Er war ein völlig anderer Mann, als sie es kannte. Ein starker Mann, der nach außen zwar ein wenig herb und spröde wirken konnte, aber wenn Rebecca sich mit ihm unterhielt, war er das keinesfalls. Da war er sanft und freundlich. Dass er sich auch mal völlig verändern könne, hielt Rebecca bei Gabriel für ausgeschlossen, aber wie Thomas sich entwickelt, konnte sie sich vorher ja auch nicht denken. Nein, nein, sich in einen Mann zu verlieben, blieb immer potentiell riskant. Ein Risiko, das Rebecca nicht noch einmal eingehen wollte. Ob so wie Gabriel metrosexuelle Männer waren. Sie hatte dabei immer eine negative Konnotation von Männern, die sich Homo-Al­lüren zugelegt hat­ten, aber Béatrice musste damit ja wohl etwas völlig anderes verbinden. Nichts hät­te zu Gabriel weniger gepasst als Weichheit und Wehlei­digkeit und eine Vor­liebe für modischen Tand. Aber nein, Rebecca würde ihn keinesfalls einladen, was hätte das denn bedeutet. Außerdem hatte sie mit ihm neben den Pausen­gesprächen über irgendetwas nichts zu tun. Sie kannte ihn überhaupt nicht, wusste nichts von ihm, nicht ob er Familienvater oder Single war, nichts wusste sie. Ausgelassen ging es auf der Fète zu. Rebecca bekam eine Geburtsurkunde für ihr neues Leben, und zum Taufen nahm man Wein statt Wasser, der ihr aber nicht über den Kopf, sondern in den offenen Mund gegossen wurde. Zwei Frauen von den Grünen waren auch auf der Fète. Sie wunderten sich, dass Re­becca in so kurzer Zeit völlig genesen schien. Sie meinten, wenn man so lange mit dem verheiratet gewesen sei, müsse man doch für's Leben gezeichnet sein.


Mehr nicht


Rebecca musste Aufsichtsvertretung für eine erkrankte Kollegin machen. Zufäl­lig war das Gabriels Aufsichtstag. Sie sprachen über ihre Bekleidungsvorlieben und Mode. Rebecca hatte etwas gesagt, aber Gabriel reagierte nicht darauf, sondern schwieg. Plötzlich sagte er: „Rebecca, ich mag dich. Ich mag sich sehr. Du gefällst mir.“ Rebecca traute ihren Ohren nicht. Nie hatte es Andeutungen in dieser Richtung gegeben. Sie verstanden sich gut, und meistens machte es Spaß, miteinander zu reden. So wollte sie es auch verstanden wissen. „Ich mag dich auch, Gabriel. Es ist schön, dass wir es wissen, und es gefällt mir. Aber das ist es, Gabriel. Das ist alles, mehr nicht. Verstehst du? Mehr ist da nicht und wird es niemals geben.“ antwortete Rebecca. „Ist es unverschämt, wenn ich nach dem Grund frage?“ erkundigte sich Gabriel. „Das geht dich nichts an, Gabriel. Mehr nicht, ist das klar.“ reagierte Rebecca. In der Pause sprachen sie nicht mehr weiter miteinander. Am folgenden Tag war Gabriel aber schon wieder ganz locker. „Ich glaube, ich habe mich in dich verknallt. Die einfachste Erklärung ist ja, du hast einen Partner, aber warum hättest du das nicht sagen sollen. Wenn du wüstest, wie viele Gründe es geben kann, dass man keine Beziehung zu einem Mann wünscht, könntest du die Qualen meines endlosen Grübelns erfassen. Liegt es an mir, habe ich etwas falsch gemacht, oder bin ich überhaupt nicht dein Typ?“ wollte er von Rebecca wissen. „Natür­lich, alles machst du falsch.“ antwortete die, „Ein ganz schlimmer Fehler ist es zum Beispiel, dass du jetzt doch wieder anfängst zu fragen, obwohl ich dir ge­sagt habe, dass es dich nichts anginge. Du hörst mir offensichtlich nicht zu oder nimmst mich nicht für voll. Gabriel, Gabriel, das hätte ich nicht von dir gedacht. Befrage mich fürderhin nie wieder.“ Gabriel starrte Rebecca an. Seine Lippen grinsten, aber seine Augen sprachen Wehmut. „Lass es, Gabriel. Entwe­der es wird wie immer sein oder überhaupt nicht. Auf den enttäuschten Lover habe ich keine Lust.“ meinte Rebecca zu seinem Gesicht. Wie es mit Gabriels Zuneigung bestellt war, konnte Rebecca nicht abschätzen, jedenfalls verhielt er sich wieder ganz wie gewohnt, als ob es dieses kleine Interludium nicht gege­ben hätte. Rebecca war ja sieben bis zehn Jahre älter als er, was er wohl an ihr fand? Ganz vor sich selbst verheimlichen, dass es ihr auch gefiel, konnte sie es nicht. Sie kannte Gabriel zwar überhaupt nicht außer von ihren kurzen Pausen­gesprächen, aber wenn für sie so etwas wie Beziehung zu einem Mann in Frage gekommen wäre, hätte sie Gabriel schon ganz interessant gefunden. Er mach­te einen so natürlichen, direkten Eindruck. Diese ganze schmierig, verlogene Politeness, die auch schon junge Referendare zeigten, schien ihm zuwider. Er wirkte kräftige, leicht hart und herb, konnte es viel­leicht auch sein, aber zu Re­becca war er immer sanft und offen für sie, ließ sich auf alles ein, schien gern zu lachen und hatte Lust zu scherzen. Als sehr ungewöhnli­chen Mann sah ihn Rebecca schon. Aber außer­gewöhnlich war ihr Thomas ja damals auch erschie­nen. Wohl Voraussetzung für den Beginn jeder Liebe, und das würde es für sie nicht mehr geben.


Bei den Grünen


Bei den Grünen war Béatrice gar nicht allein, nur die Arbeit für den Rat musste sie alleine machen. Sonderlich an Kommunalpolitik interessiert, schienen die Mitglieder des Kulturarbeitskreises allerdings nicht zu sein. Sie diskutierten lie­ber die neue Inszenierung der Traviata oder die gerade eröffnete Skulpturen Ausstellung. „Béatrice, das ist ein Dilemma.“ meinte Rebecca als Béatrice mal wieder bei ihr war. „Was soll man auch großartig über Mittelkürzungen für's Theater diskutieren. Man lehnt sie ab, mehr ist da nicht zu sagen, wie du es vertrittst, ist deine Sache. Dabei steckt die ganze Kultur in dieser Stadt in ei­nem riesigen Dilemma. Das Theater wird nur voll, weil viele Leute von außer­halb kommen, obwohl diese Stadt von der Bevölkerungszahl her zwei Theater füllen könnte. Diese Stadt ist ausgesprochen kulturfern. Dass es unsere tollen Philharmoniker überhaupt gibt, wissen sicher nur die wenigsten Schüler. Wer kennt schon unsere wundervolle Orgel in der Halle? Weltstars, aber von unse­ren Bürgern nur wenige. Unsere Hochkultur hier ist nicht heimisch. Sinnvolle Kulturpolitik wäre, da etwas dran zu ändern, aber wie, das weiß ich auch nicht.“ Béatrice überlegte. „Völlig Recht hast du natürlich.“ meinte sie dann. „Die gebildete Mittelschicht ist hier zu dünn, Und in den Schulen, da sieht's auch ziemlich mau aus. Musiklehrer und Kunstlehrer fehlen überall. Trotzdem finde ich es ausgezeichnet, das mal zu besprechen. Wir sehen dadurch ja auch, worum wir uns zur Zeit überhaupt kümmern. Den Kampf der Arbeiterklasse unterstützen wir jedenfalls nicht.“ erklärte Béatrice lachend. „Sag mal, Rebec­ca,“ fuhr sie fort, „den Nicolai magst'e sehr gut leiden, nicht wahr?“ „Nein, wir finden uns ganz nett, aber sonst ist da nichts, überhaupt nichts, und wird es auch nicht geben.“ beantworte es Rebecca. „Im Kollegium meint man, ihr hät­tet etwas miteinander. Wie oft ihr zusammen redet, und wie man euch dabei erlebt, scheint es eindeutig zu sein. Ich weiß von dem Nicolai auch kaum et­was. Der ist ja nicht sehr gesprächig. Ich weiß nur, dass er eine Freundin hat oder zumindest hatte.“ erklärte Béatrice.


Béatrice wusste, was sie besprochen hatten, begeisternd darzustellen. Man er­götzte sich daran, Beispiele dafür anzubringen. Bei einem weltberühmten Violi­nisten hatte man Karten in den Schulen verschenkt, damit der Künstler nicht vor halbvollen Rängen spielte. Dergleichen gab es aus allen Bereichen zu be­richten. Die Elternhäuser könne man nicht ändern, aber in Schule und Freizeit könne man doch hineinwirken. Eine Schauspielerin wusste davon, was das Theater in einer ähnlich strukturierten Stadt tat. Als ob alle plötzlich wach ge­worden wären. Darum wollte man sich kümmern, wie man Theater, Oper und Philharmonie der Bevölkerung und vor allem der Jugend näher bringen könne. Eine Theatergruppe, ein Chor und ein Schulorchester müsse eigentlich für jede Schule selbstverständlich sein. Jetzt hätten sie nichts von alledem, früher an ihrer Schule hätte sie das nicht als etwas Besonderes empfunden, meinte Re­becca. Ein Kollege von einer anderen Schule, wollte sich auch sofort darum kümmern, und Béatrice und Rebecca an ihrer Schule natürlich auch. Sie woll­ten es mit Frau Klingenberg klären, und es auf der nächsten Konferenz ge­meinsam verlockend darstellen. So kam es auch. Jede und jeder erinnerte sich wehmütig an die eigene Zeit im Chor oder der Theatergruppe.


Nie wieder mit einem Mann


„Da ist ja anscheinend doch tatsächlich mehr mit Musik bei dir.“ staunte Gabri­el am folgenden Tag. Sie waren wie so häufig in der Pause in ein Bespre­chungszimmer gegangen, denn die Hektik und der Lärm im Lehrerzimmer wirkten oft störend. „Spielst du ein Instrument?“ fragte Gabriel. „Nein, ich sin­ge gern.“ antwortete Rebecca, „Aber mein Repertoire ist äußerst begrenzt. Ich kann nur „It's now or never““ Gabriel schmunzelte und strich Rebecca liebevoll über den auf dem Tisch liegenden Handrücken. Sie schaute ihn an und erklärte dann: „Gabriel, lass es. Du nötigst mich. Wenn du so etwas vor hast, werden wir nur noch ins Lehrerzimmer gehen können.“ So hielten sie es auch erst ein­mal in der folgenden Zeit. Als sonderbar empfand Rebecca es schon, dass sie in den Pausen am häufigsten mit jemandem redete, der ein Mann war. Natür­lich hätte sie sich auch öfter mit Béatrice oder anderen netten Kolleginnen un­terhalten können, aber irgendetwas schien sie zu ihrem Cowboy zu ziehen. Zu Anfang war es immer lustig gewesen. Sie fanden Gefallen daran sich gegensei­tig leicht zu provozieren und zu scherzen, aber mittlerweile redeten sie auch ernsthaft miteinander. Gabriel war durchaus nicht immer ihrer Ansicht, aber er war of­fen, beharrte nicht und versuchte nicht seine Meinung durchzusetzen. Mit ihm zu diskutieren empfand Rebecca als äußerst angenehm. Aber da schien auch mehr zu sein. Er hatte es ihr ja erklärt, dass er sie sehr gern möge, aber Re­becca wollte dieses Empfin­den von Zuneigung in sich nicht aufkommen las­sen. Es musste schon dieser Mann, dieser ungewöhnliche Mann sein, der etwas in ihr ansprach. Aber da war doch nichts bei ihr. Was sollte sie denn verspüren. Der Gedanke daran, mit Ga­briel ins Bett zu gehen, ließ sie lachen. Rebecca fand viele Leute sympathisch, ob Mann oder Frau war ihr dabei gleichgültig. Gabriel gehörte natürlich auch dazu. Sie würde sich nur nie wieder auf eine en­gere Be­ziehung mit einem Mann einlas­sen. Sie liebte ihre Freundinnen auch, aber mit einem Mann würde das nie wie­der funktionieren.


Zusätzliches Geld bekam niemand in der Stadt. Wenn keine Mittel gekürzt wur­den, war das ein Anlass zur Freude. Trotzdem wollten sie es frech versuchen, zusätzliche Gelder für die Schulen zu beantragen, damit sie Kräfte zur Einrich­tung eines Schulchores, einer Theatergruppe oder eines Orchesters beschäfti­gen konnten. Béatrice hatte damit gerechnet, dass man sie auslachen würde. Nach ihrer Jeremiade über den kulturellen Zustand der Bevölkerung dieser Stadt, und der Rat es bevorzuge, sich dem gegenüber blind zu stellen, sollte der Beigeordnete für Kultur eruieren, welche Möglichkeiten es gäbe, und was sich machen ließe. Wäre ja sowieso seine Aufgabe gewesen, nur hatte er sich darum bislang nicht gekümmert. Jetzt machte es Spaß bei den Grünen. Am Theater tat sich auch schon etwas und zwei neue Mitglieder waren zum Ar­beitskreis Kultur hinzu gekommen.


Rebecca allein


Für Rebecca hatten sich die aufregenden täglichen Neuerungen gelegt. Sie war in ihrer neuen Wohnung heimisch geworden, und auch im Supermarkt kannte man sie bereits. Eigentlich wollten sie damals Kinder haben, aber Rebecca konnte keine bekommen. Es war ihnen beiden nicht so wichtig, und Kinder ad­optieren, das wollten sie nicht. Später war Rebecca oft froh für die potentiellen Kinder, dass sie diese Situationen nicht erleben mussten. Jetzt könnte sie es sich gut vorstellen. Sie hatte dabei das Bild von Miriams Kindern vor Augen und sah die Freude, die es bereiten konnte. Vor allen sah sie auch die Freude, die es allein schon machen würde, dass sie da wären. So sehr Miriam die große Freiheit des Alleinlebens auch schätzte, aber es war nie jemand da. Sie merk­te, dass sie sich freute, wenn die Putzfrau kam. Genauso wichtig wie die Frei­heit, sei ihr die Möglichkeit zur Kommunikation. Aber was sollte sie machen? Kaffeekränzchen? Nein, das mochte sie nicht und das hätte es ja auch nicht gebracht. Hätte sie damals vielleicht gar nicht in eine isolierte Wohnung son­dern in eine WG mit einer anderen Frau ziehen sollen? Damals hätte sie es überhaupt nicht überblickt, und es war sicher besser, dass sie zunächst mal al­lein gewohnt hatte, aber jetzt konnte Rebecca es sich schon sehr gut und auch realisierbar vorstellen. Ob sie sich mal darum bemühen sollte? Sie wollte es mit Freundinnen und Bekannten besprechen. Béatrice selbst wollte lieber allein in ihrem Reich wohnen bleiben, aber sie wusste von einer Freundin, die entfernt mit ihr verwandt sei, die so etwas suche. Sie studiere aber noch. Als sie kam, musste Rebecca lachen. „Hat Béatrice dir überhaupt nicht gesagt, wie alt ich bin?“ fragte Rebecca Lucy, die junge Frau. „Doch schon. Dich stört mein Alter eher, nicht wahr?“ reagierte Lucy. „Im Gegenteil, Lucy. Wenn du mit mir zufrie­den bist, freut mich das in ganz besonderem Maße.“ Sie besprachen ihre Vor­stellungen, und Rebecca konnte es gar nicht fassen. Würde sie demnächst mit einer so jungen Frau zusammenleben. Ihre Referendarinnen kamen ihr immer schon wie Kinder vor, Lucy war anders, ganz anders. Sie habe sich aus welchen dummen Gründen auch immer dazu verleiten lassen, Jura zu studieren. Sie sei dringend darauf angewiesen, dass sie mit Rebecca das wirkliche Leben erfah­ren könne. Sie freue sich darauf und sei voller Hoffnungen. „Warum müssen wir uns eine neue Wohnung suchen?“ fragte Lucy erstaunt, „Diese Wohnung ist doch für Vater, Mutter und zwei Kinder gebaut. Wirst du da nicht wenigstens eine Tochter unterbringen können?“ Natürlich, umso besser, Lucy zog einfach zu Rebecca. Wieder ein Wandel in Rebeccas neuem Lebensab­schnitt. Sie kam sich mit Lucy oft jünger vor. Als Lucy sie mal im Bad gesehen hatte und an­schließend fragte, ob sie ins Fitnesscenter gehe, weil sie noch so jung und straff wirke, empfand sich Rebecca wie fünfundzwanzig.


Heut schon im Wald gewesen?


„Na, mein Schatz, heut schon im Wald gewesen?“ raunzte sie Gabriel an. Der lachte zwar, aber er verstand ja nichts. „Nein, wieso? Hätte ich da schon sein sollen?“ fragte er lachend. „Ach, Gabriel, das ist eine ganz lange Geschichte. Die kann ich dir gar nicht erzählen.“ Rebecca dazu. Da Gabriel auf sie so ur­sprünglich, natürlich wirkte, hatte sie an das Buch „Walden oder Leben in den Wäldern“ des amerikanischen Romantikers Thoreau denken müssen. Wenn sie daran dachte, dass Gabriel wahrscheinlich in einer Blockhütte im Wald lebte, ließ es sie innerlich kichern, aber in gewisser weise urwüchsig wirkte er schon. Als sie wieder im Besprechungszimmer saßen, und Rebecca Gabriel musterte, fiel ihr die Erhebung an seiner Hose auf, unter der sich sein Geschlechtsteil verbarg. Nie war ihr das aufgefallen, warum auch, aber jetzt musste sie noch einmal hinschauen. So dämlich, auf die Beule in der Hose beim Mann blicken. Rebecca wusste gar nicht, was sie sich dabei dachte und was sie daran interes­sieren könne. Welche Frau konnte daran Gefallen finden. Rebecca dachte zwar nicht häufig an Gabriel, aber wenn sie jetzt an ihn dachte, war da immer auch das verrück­te Bild von dieser Ausbuchtung an seiner Hose, und es ließ sie nicht unbewegt. Saßen sie zusammen, musste sie jetzt natürlich auch öfter darauf schauen. Irgend­wann blieb es Gabriel nicht verborgen, wohin Rebecca blickte. „Was ist, Rebec­ca?“ eine lange Pause. Ihre Blicke fixierten sich gegenseitig. Gabriel grinste. „Möchtest du mal anfassen, mal fühlen?, fragt er. „Nein, nein.“ sagte die hastig, führte aber doch ihre Hand zaghaft zu Gabriels Hose. Ihre Bli­cke trafen sich wieder und sie lä­chelten ein wenig verlegen. „Willst du mal rich­tig anfassen, nicht nur durch die Hose?“ fragte Gabriel kurz darauf und öffnete schon ohne Rebeccas Antwort abzuwarten seine Hose. Re­becca betastete vor­sichtig Gabriels Penis, der schon im Begriff war steif zu werden. Rebecca schob ein paar mal die Vorhaut hin und her und befahl: „Es ist gut. Pack das wieder ein.“ Sie schauten sich ernst an und sprachen nicht, nur Rebecca atmete im­mer noch tiefer. Was da in sie gefahren war, konnte Re­becca nicht begreifen. Es hatte sie ja offensichtlich erregt, Gabriels Penis zu se­hen und anzufassen.


Nicht in dieser Welt


Zwei Tage später saßen sie wieder im Besprechungszimmer. Rebecca hätte ja ahnen können, wohin es sich entwickeln würde, hätte ins Lehrerzimmer gehen können und das Besprechungszimmer meiden. Es drängte sie aber, ohne es ra­tional zu überdenken. Sie blickten sich vielsagend an. „Ja?“ fragte Gabriel nur und Rebecca nickte. Jetzt befasste sie sich intensiver mit Gabriels Penis, schob die Vorhaut rauf und runter und befühlte alles. Nach kurzer Zeit fragte Gabriel: „Möchtest du?“. Auf Rebeccas fragende Augen fuhr er fort, „Für dich wird der so steif.“ und lächelte. Rebecca katte verstanden aber an so etwas nicht ge­dacht. Sie zögerte, war sich unschlüssig, sie schaute Gabriel noch mal an und stimmte dann „M,m“nickend zu. Rebecca zog Ho­sen und Slip herunter und leg­te sich gebückt über den Tisch. Gabriel be­fühlte noch ihre Vulva und dann merkte Re­becca, wie sein Penis langsam in sie ein­drang. Als Gabriel fertig war, zog er sich die Hosen hoch und ging. Rebecca versuchte sich so gut wie mög­lich mit Tempos abzuwischen und legte sich noch eins in ihren Slip, der sowieso schon feucht war. Jeder könne riechen, dass sie nach Sperma stinke, meinte Rebecca. In der folgenden Unterrichtsstunde war sie nicht in dieser Welt. Sie hatte etwas getan, was sie niemals gewollt hätte. Das spielte in dem Moment selbst keine Rolle, da hatte sie es unbedingt ge­wollt. Trotz der unmöglichen Bedingungen und der rational eindeutigen Ableh­nung, hatte es Rebecca keines­falls als unan­genehm empfunden. Eine sie tief berührende, aufregende neue Erfahrung, die sie innerlich aufwühlte, so hatte sie es emotional erlebt. Das Nachdenken dar­über ließ sie den ganzen Tag und Abend nicht los. Hatte ihr neues Leben auch Perversitäten für sie bereit? Dass sie direkt Sex wollte, hatte sie in ihrem Le­ben noch nie erfahren. Ein Penis hat­te sie noch nie interessiert oder gar erregt. An den Penis ihres Mannes konnte sie sich gar nicht erinnern. Aber jetzt, da sie frigide war, regte sie so etwas auf. Jetzt brauchte sie kein Lie­besspiel und all­mähliche Erregung, jetzt erregte sie der Gedanke daran, diesen Mann haben zu wollen, schon genug. Aber sie woll­te ja nicht allgemein Sex. Sie war ja nicht nymphoma­nisch geworden. Nur die­ser Mann hatte das ausge­löst. Sie wollte Gabriel. Rebecca machte sich Vorwür­fe über ihr idiotisches Ver­halten, aber da­durch konnte sie es ja nicht ungesche­hen machen. Am nächsten Tag fuhr sie zu Miriam. Sie musste es jeman­dem er­zählen. Als sie es erzählte, begann Re­becca zu weinen. Das war so abge­schmackt und unter ihrer Würde. Sie schämte sich für das, wozu sie sich hatte verleiten lassen und wusste nicht im Geringsten warum, nur dass sie es in dem Moment gewollt hatte. Nachvoll­ziehen konnte Miriam es auch nicht. Direkte Lust auf puren Sex und dann mit einem doch reletiv Fremden, das überstieg ihr Vorstellungsvermögen. Sie meinte nur: „Da gibt es so manches in dir, wovon dein Bewusstsein nicht die geringste Ahnung hat, und wenn es dann ge­schieht, bist du völlig erstaunt, weil du so etwas in deinem Ego gar nicht vor­gesehen hattest.“ Na schön, aber was erklär­te ihr das?


Nichts ändern


Sonst waren sie immer freundlich lächelnd aufeinander zugegangen. Jetzt blickten Rebecca und Gabriel ernst und gefasst. Sie schwiegen, als sie gemein­sam am Tisch im Lehrerzimmer saßen. „Mehr nicht, Gabriel“ bemerkte Rebec­ca. „Ist ja schon o. k.. Wir brauchen das ja nicht zu wiederholen.“ Gabriel dar­auf. „So nicht, Gabriel. An unserer Beziehung ändert sich nichts. Da bleibt alles beim alten. Wie damals, mehr nicht.“ erläuterte Rebecca, was sie meinte. Re­becca merkte, dass sie sich unbeabsichtigt in der Pause häufiger mit anderen unterhielt. Ga­briel, der jetzt auch von ihr Walden genannt wurde, hatte sie da­bei aber immer fest im Blick. „Was wollte der Kollege da bei ihm? Er sollte ver­schwinden. Der Cowboy gehörte ihr.“ fiel Rebecca ein und ließ sie schmunzeln. Ihren Begeg­nungen fehlte diese kindlich offene unvoreingenommene Freude, von der sie sonst getragen waren. Sie verhielten sich eher so, als ob sie ge­meinsam etwas wüssten, woran sie schwer zu tragen hätten. Für Rebecca war es ja auch so, sie hatte etwas getan, das sie sich nicht erklären konnte und von dem sie nicht wusste, warum sie es getan hatte. Ob sich so der pure Ge­schlechtstrieb äußern könnte, dem es nur um die Kopulati­on ging, und alles andere kulturgeschicht­lich entwickelte Accessoires waren? Wenn sie daran dachte, wie es zum Sex zwischen Thomas und ihr, zu Zeiten als es noch schön war kam, konnte sie kei­nerlei Verlangen danach spüren. Als ob es gar nicht Sex wäre, was sie gewollt hätte, sie wollte diesen Mann, Gabriel. Sie hatten untereinander gar nicht darüber geredet, Gabriel und sie, und Rebecca wollte es auch nicht.


Vor den großen Ferien


Das Schuljahr ging zu Ende. und bald gab es Sommerferien. Länger als ein Monat war vergangen als Rebecca und Gabriel wieder im Besprechungszimmer saßen. Sie hatte ihm von Walden erzählt und Gabriel hatte sich schließlich das Buch selbst gekauft. Es war häufig Anlass ihrer Gespräche gewesen und Rebec­ca nannte Gabriel selbst öfter scherzhaft und liebevoll Walden. Sie würden sich jetzt für län­gere Zeit nicht treffen. Sie schauten sich an und Rebecca spürte ein sonderbares Gefühl. Sie merkte, wie sich et­was in ihr veränderte, sie in einem Trance ähnlichen. Zustand versetzte. In ihrem Blick musste es sich abzeichnen. „Ist etwas, Rebecca?“ erkundigte sich Gabriel. Rebecca antwortete nicht, son­dern schaute Gabriel nur durchdringend an. Gabriel überlege, wie er ihren Blick in­terpretieren sollte. „Möchtest du das wieder? Nochmal?“ fragte er. Anders hatte er Rebeccas Blick nicht deuten können. Der Gedanke daran hatte Rebec­cas Atem schon intensiviert, sie nickte nur zustimmend. Ga­briel wollte liebevoll zu ihr sein und streichelte zärtlich Rebeccas Po. Sie merk­te, dass sie so etwas ei­gentlich nicht wollte. „Mach, wir haben keine Zeit.“ hät­te sie am liebsten ge­sagt.


Im Herbst


Nach den Sommerferien hatten sie einmal zusammengesessen und über die Ferien geredet. Aber Rebecca hatte schon gespürt, dass sie nach dieser langen Zeit Gabriel, den Mann wieder wollte. In unregelmäßigen Abständen machten sie es jetzt immer wieder. Es gab einen Blick zwischen den beiden, der danach fragte, ob der andere heute auch wolle. Kopfschütteln oder ein krauses Gesicht teilten mit, dass man es heute nicht wolle. Wenn Rebecca, die sonst fast immer Jeans oder andere Hosen trug, ein Kleid oder einen Rock an hatte, war das in der Re­gel schon ein Hinweis. Sie machten es jetzt auch anders. Gewöhnlich saß Re­becca bei Gabriel auf dem Schoß. Sie schauten sich dabei an, konnten sich et­was sagen und lachen. Den ganzen Herbst über machten sie es so. Re­becca fragte sich nichts mehr, als ob es selbstverständlich und in Ordnung sei. Trotz aller Widrigkeiten ließ Rebeccas Verlangen nicht nach. In der Schule konnte es niemand mitbekommen, da die Besprechungszimmer von in­nen ver­schließbar waren, damit man nicht gestört werden konnte, und da Re­becca nicht laut stöhnte, sondern nur intensiv atmete, konnte auch nie­mand etwas hören. Rebecca hatte sich an ihr sonderbares Verhalten gewöhnt. Außer Mi­riam, die auch nur verständnislos den Kopf schüttelte, wusste nie­mand et­was davon.


Gabriels Versetzungsantrag


Im Dezember erklärte Gabriel lapidar: „Rebecca, ich werde gehen. Ich stelle einen Versetzungsantrag.“ Rebecca konnte nichts sagen. Ob sie ihren Mund tatsächlich aufgesperrt hatte, wusste sie nicht, jedenfalls kam sie sich innerlich so vor. „Ich halte es so nicht mehr aus. Mich macht das fertig. Diese perverse, verlogene Situation zwischen uns ertrag ich nicht länger. Wir sind gute Freunde und mögen uns, mehr nicht, und dann sitzt du vor mir mit meinem Schwanz in deiner Va­gina und schaust mich an. Ich liebe dich, dein Gesicht vor meinem, und ich darf es nicht küssen, nicht einmal berühren. Beim Sex, da gibt es nichts Soziales, nein? Da haben wir keine Beziehung, da sind wir gegenseitige Befriedigungsmaschi­nen? So ein Schwach­sinn, Rebecca. Ich weiß nicht, wie du es für dich verstehst. Ich will das nicht mehr und vor allem kann ich die per­verse Situation nicht mehr ertragen. Welche Chance hätte ich denn jemals ge­habt, etwas daran zu ändern? Mehr nicht, hätte ich immer nur gehört. Du tust mir auch weh, Rebecca. Ich liebe dich, und so will und kann ich das nicht mehr. Es zerreißt mich, macht mich psychisch fertig.“ erläuterte Gabriel es näher. Re­becca sprang auf seinen Schoß. „Walden, du darfst nicht gehen. Du musst blei­ben, das geht nicht. Sie umarmte und drückte ihn. Ich liebe dich doch auch, Walden, ich darf es nur nicht sagen. Weißt du, Gabriel, wenn ich sage, dass ich dich liebe, dann bekomme ich Ärger mit mir. Hast du Lust, soll'n wir uns mal küssen?“ schlug Rebecca vor, Gabriel schmunzelte. „Das mit dem Ärger musst du mir nochmal erklären.“ meinte er. Nach wenigen Worten war schon klar, dass Gabriel keinen Versetzungsantrag stellen würde, aber jetzt gab es unge­heuer viel zu besprechen, wozu die Pause na­türlich überhaupt nicht ausreichte. Er sollte nach der Schule mit zu Rebecca kommen und nicht in seine Blockhüt­te fahren, worin er nach Rebeccas Vorstel­lungen zu wohnen hatte.


Rebeccas Freund


Lucy staunte nicht schlecht, als Rebecca ihr Gabriel als ihren neuen Freund vorstellte. Sie kannte ja auch Rebeccas Einstellungen und Schwüre. Lucy nahm es nicht ernst und meinte Rebecca mache einen Joke. „Aha, und seit wann ist er dein neuer Freund?“ fragte Lucy scherzhaft. „Seit der großen Pause heute.“ Rebecca darauf. Jetzt lachten alle. „In Wirklichkeit weiß ich es gar nicht, Lucy. Ich glaube schon sehr lange. Nur heute morgen musste ich es mir endlich ein­gestehen.“ Leicht übermütig hatte Rebecca Gabriel Lucy als Tochter vorgestellt. Die sagte nichts und grinste nur. Für Rebecca selbst war es viel unfassbarer. In dem Schock als Gabriel gehen wollte, wurde es ihr blitzartig klar, dass sie ihn liebte. Wie Männer sind und welche Gefahren es mit sich bringt, sich zu verlie­ben, wie wichtig ihr die Unabhängigkeit und größtmögliche Freiheit waren, in dem Moment tauchte das alles nicht auf. Die Angst, Gabriel, ihre Liebe verlie­ren zu können, ließ alles andere in den Hintergrund treten. Neben Freiheit und Möglichkeiten zur Kommunikation war auch für Rebecca Liebe, Liebe zu einem Mann wieder zu einem unverzichtbar hohen Gut geworden.


Als Rebecca Gabriel das Schlafzimmer zeigte, schauten sie aufs Bett. „Meinst du, wir würden es da auch können?“ fragte Re­becca scherzhaft. Tatsächlich sah sie aber schon ein Problem. Diese übliche Entwicklung, die früher dann zum Sex geführt hatte, reizte sie immer noch nicht. Im Hinblick auf das Interesse an Sex hatte sich bei ihr nichts geändert. Aber zum Küssen und Liebkosen lie­ßen sie sich erstmal darauf aufs Bett fallen. Für Rebecca war es ein tatsächli­ches Tabu gewesen, sodass sie auch kein Be­dürfnis danach verspürt hatte, Ga­briel zu streicheln. Aber das schien in einem Moment verflogen. Jetzt betastete sie sein Gesicht überall, küsste es, spielte zärtlich mit Lippen und Zunge und lä­chelte Gabriel wieder an. Der strahlte nur ständig vor Wonne und wusste nicht wohin mit seinem Glück.


Du kommst öfter Gabriel, nicht wahr, und bleibst auch für länger, aber hier wohnen kannst du nicht. Gabriel sollte auch ein Zimmer bekommen, entweder das zweite Kinderzimmer oder Rebecca würde umziehen und Gabriel bekäme ihr Zimmer, was Gabriel aber keinesfalls zuließ. „Wir müssen das noch mit Lucy, abklären.“ meinte Rebecca. „Lucy, Gabriel, wird in Zukunft öfter hier sein, auch mal für zwei, drei Tage, und da braucht er einen Raum, in dem er ungestört arbeiten kann. Wäre das o. k., oder stört es dich, wenn sich für meh­rere Tage ein Mann in unserer Frauen-WG aufhält?“ fragte Rebecca. „Grund­sätzlich stört mich das nicht, aber eine Veränderung ist es ja schon, und da kommt es eben darauf an, was für ein Typ er ist. Meinst du er ist so nett, dass ich ihn auch mögen könnte?“ erklärte Lucy. „Weißt du, Lucy, er wollte mir im­mer gern zeigen, wie lieb er mich hat, aber weil ich es nicht wollte, hat er es stets unterdrückt. Nur einmal hat er mir das Händchen gestreichelt. Ist er nicht süß?“ Rebecca darauf. Lucy musste lachen. „Was unterrichtest du denn, Gabri­el?“ fragte Lucy ihn. „Oh Gott!“ stieß sie erschreckt aus. „Dann geht das nicht.“ erklärte sie scherzhaft, als sie erfahren hatte, das Gabriel Mathe und Physik unterrichtete. „Rebecca, wenn du dich doch schon verliebst, hättest du da nicht euren Musik- oder Kunstlehrer nehmen können?“


Bleib Gabriel


Gabriel wollte nach dem Abendbrot zu sich fahren, aber Rebecca bat ihn zu bleiben. „Mehr nicht, und jetzt ist in ganz kurzer Zeit sehr viel mehr dazu ge­kommen, nicht wahr, Rebecca?“ fragte Gabriel. „Es muss schon länger da ge­wesen sein, nur es hat sich mir nicht gezeigt oder als Zeichen der Liebe offen­bart, weil ich es mir verboten hatte. Ich denke, dass unsere Sexsitua­tionen auch daraus resultierte. Ich wollte dich, mir ging es ja nicht darum, auf irgend­eine Art Sex zu haben, ich wollte dich und das betraf alles in mir, und das war da, auch wenn ich nicht empfinden durfte, dass ich dich lieb­te.“ Rebecca dar­auf. „Mir tat es immer weh. Ich wollte diese Quicky-Pausensex Si­tuationen nicht, ich hätte mir gewünscht, dass wir uns richtig liebten, aber so empfand ich mich dir schon als sehr nah. Diese Per­versität war allerdings uner­träglich. Ich darf nicht dein Händchen streicheln, du sitzt vor mir mit meinem Penis in deiner Vagina, ich liebe dich, aber ich darf dich nicht küssen.“ erklärte Gabriel. „Ja, natürlich. Ich war absolut erschrocken über mich selbst, verwirrt und blind. Wann ist man sich so nah, wie beim Sex. Das wollte ich ja auch, dir ganz nahe sein. Es war nie seelenlos, eine irgendwie ge­artete sexuelle Befriedigung brauchte ich nicht. Ich war dir immer ganz nah, darum ging es. Wem willst du denn ganz nahe sein und dann in so einer inti­men Situation? Den du liebst, wem sonst. Aber das darf ich blinde Kuh nicht er­kennen, muss es vor mir selbst verleugnen. Ich hätte nach dem ersten mal gleich zum Psychiater gehen sollen. Der hätte mir wahrscheinlich nach fünf Mi­nuten erklärt, dass ich inten­siv in dich verliebt sei.“ bestätigte ihn Rebecca. Sie lachten und scherzten über die ungewöhnliche Situation, jetzt gemeinsam im Bett zu lie­gen. Für alle Zärt­lichkeiten, die sie sich in der Vergangenheit versagt hatten, war jetzt Zeit. Wundervoll empfand es Rebecca, die nicht wusste, wie viele Jahre schon ver­gangen waren, seit sie liebevoll umarmt, zärtlich gestreichelt und begehrlich geküsst worden war. Es existierte nicht mehr in ihrer Erinnerung, oder es hatte zumindest mit dem, wie sie es jetzt erlebte, nichts zu tun. Sie schmolz vor Wonne, aber sexuell erreg­te es sie nicht. Sie nahm Gabriels Hand von ihrer Vulva, weil es ihr unange­nehm war. „Das geht nicht, Gabriel.“ sagte Rebecca und ihre Au­gen begannen sich zu befeuchten. „So geht das nicht. Da ist nichts, keine Lust.“ Sie erläuter­te Gabriel, dass sie eigentlich gar keine Lust auf Sex habe, frigide sei, und wie völlig unerklärlich ihr daher das eigene Verhalten er­schienen sei. Jetzt war es ja ganz wie früher, sich streicheln, langsam erregen und zum Sex kommen. So bewegte es Rebecca nicht. Gabriel wuss­te zunächst nicht, ob es ein Scherz von Rebecca sein sollte, spürte dann aber, dass es ernst war. Er starrte Rebecca an, umschlang sie mit seinen Armen, drückte sie inten­siv und meinte lachend: „Das musst du mir aber noch mal ge­nauer erklären.“ Gabriel strich ihr das Haar zurück und sagte tröstend: „Rebec­ca wir ha­ben Lust aufeinander. Das wis­sen wir doch. Vielleicht nicht heute Abend beim Schmusen im Bett, aber wir werden es schon herausfinden, wann es uns drängt.“ So kam es auch bald. Bei jeder Gele­genheit konnte es sie drängen. Rebec­ca musste nur Gabriel, den Mann erleben, dann war es möglich, dass sie Lust auf ihn be­kam und ihn wollte. Zunächst ge­brauchten sie das Bett zu jeder Tageszeit, aber langsam wurden sie ein wenig disziplinier­ter. Jetzt konnten sie ihre Liebe zuein­ander körperlich voll erleben. Die ausge­dehnten Liebesszenen hatten mit dem, was in der Schule geschehen war, nichts zu tun hatten. Sie hatten sich ganz und nicht nur das Gesicht des anderen und seine Genitalien. Wenn Rebec­ca Gabriel hatte, existierte nichts von fehlendem sexuellen Bedürfnis oder ir­gendwelchen Einschränkungen. Ihr gan­zes Begehren, ihre Liebe, ihre Sehn­sucht nach Gabriel erfüllte sich in diesen Si­tuationen. Es ging sogar abends im Bett. Gabriel musste nur et­was machen, bei dem Rebecca ihn beobachten konnte. Wenn er etwas vorlas, oder auch schon wenn er etwas er­zählte, konn­te sie Lust auf diesen Mann, der das gera­de machte, bekommen. Sie musste Lust auf Mann, auf diesen Mann haben. Nach längerer Zeit konnte das auch einfach so ohne erkenntliche Anläs­se ge­schehen. Wer das war, die ihre Liebe und ihr Begehren äußerte, indem sie Lust auf diesen Mann hatte, wusste Re­becca nicht. Aus ih­rem früheren Leben war ihr eine solche Person nicht be­kannt.


Wer bist du


Bislang in der Schule war der oder die andere persönlich immer sehr fremd ge­blieben. Sie wussten kaum etwas von sich. Rebecca hatte auch nicht den Wunsch, mehr Persönliches von Gabriel zu erfahren. Was sie über ihn erfuhr, wenn sie ihn erlebte, wenn er redete, das war bedeutsam. Jetzt war nichts so inter­essant, wie ihr persönliches Leben, alles aus ihrer privaten History muss­ten sie sich erzählen. Warum Rebecca Gabriel nicht lieben durfte, hatte sie gleich in der Schule schon erklären müssen, warum sie es aber trotzdem getan hatte, war ihr auch jetzt noch schleierhaft. Sie habe gar nichts getan, es sei mit ihr geschehen. Aber wer oder was es hatte geschehen lassen, wusste sie auch nicht. Vielleicht hatte sie als Kind mal ein Buch von einem Cowboy gele­sen, der ganz sanft war und ein mildes Herz trug. Gabriel hatte sich schon sehr früh wegen Rebecca von seiner Freundin ge­trennt. Er liebe Rebecca und es mache keinen Sinn, sei­ne Bezie­hung aufrecht zu erhalten, wenn er dabei doch immer nur an Rebecca dächte. „Eigentlich war es ganz dumm. Du hattest ja klar gesagt, dass du es nicht woll­test. Trotzdem habe ich untergründig fest daran geglaubt. Warum? Ich kann es nicht sagen. Vielleicht hat mich etwas Unbestimmtes spüren las­sen, dass du es doch woll­test. Ich habe gespürt, was du vor dir selbst nicht wahr haben wolltest, das war es bestimmt. Oder ich empfand, dass es so sein müsste, weil ich wusste, dass wir beide einfach zu­sammen gehörten. Un­seren Sex habe ich auch als Bestätigung dafür empfun­den. Und am nächs­ten Tag sagst du: „Alles bleibt wie bisher.“. Oh Rebecca, da war mir der Selbstbetrug offen­sichtlich.“ erklärte Gabriel.


Rebecca verliebt


Am Schlimmsten für Rebecca war, dass sie jetzt allen erklären musste, sie habe einen Freund und sei verliebt. Man wollte wissen, wie es doch dazu ge­kommen sei, aber bei der Erklärung musste Rebecca natürlich viele Details verschweigen und das Entscheidende wusste sie ja auch selber gar nicht. Béa­trice meinte: „Vor dir selbst kannst du es vielleicht verber­gen und abstreiten, aber man hat es immer gesehen, wie viel Freude es euch beiden bereitet, mit­einander zu reden. Und wer will das denn für einen Zufall halten, dass ihr bei­de permanent zusammen sitzt. Was vermutet man denn, was euch zu einander hin zieht? Der Gabriel, der sonst eher als wortkarg und reserviert gilt, schien mit dir richtig aufzublühen. Das blieb keinem verborgen.“ Nur mit ihrem Sex das blieb allen, auch Béatrice verbor­gen. Außer Miriam wusste niemand davon, und die schüt­telte nur immer den Kopf. Wer sollte das auch schon verstehen. In der Schule spielten Béatrice und Gabriel jetzt auch nicht mehr Verstecken. Man küsste sich und hatte keine Pro­bleme sonstige Lie­besbezeugungen öffent­lich zu zei­gen. „Na so was,“ meinte Frau Klingenberg, „also doch einen gefun­den.“ „Ne, der hat mich gefunden. Ach wo, da müssen sich wohl doch beide finden.“ rea­gierte Rebecca.



FIN




Aimer, c'est se donner corps et âme


Im Dezember erklärte Gabriel lapidar: „Rebecca, ich werde gehen. Ich stelle einen Versetzungsantrag.“ Rebecca konnte nichts sagen. Ob sie ihren Mund tatsächlich aufgesperrt hatte, wusste sie nicht, jedenfalls kam sie sich innerlich so vor. „Ich halte es so nicht mehr aus. Mich macht das fertig. Diese perverse, verlogene Situation zwischen uns ertrag ich nicht länger. Wir sind gute Freunde und mögen uns, mehr nicht, und dann sitzt du vor mir mit meinem Schwanz in deiner Va­gina und schaust mich an. Ich liebe dich, dein Gesicht vor meinem, und ich darf es nicht küssen, nicht einmal berühren. Beim Sex, da gibt es nichts Soziales, nein? Da haben wir keine Beziehung, da sind wir gegenseitige Befriedigungsmaschi­nen? So ein Schwach­sinn, Rebecca. Ich weiß nicht, wie du es für dich verstehst. Ich will das nicht mehr und vor allem kann ich die per­verse Situation nicht mehr ertragen. Welche Chance hätte ich denn jemals ge­habt, etwas daran zu ändern? „Mehr nicht.“ hätte ich immer nur gehört. Du tust mir auch weh, Rebecca. Ich liebe dich, und so will und kann ich das nicht mehr. Es zerreißt mich, macht mich psychisch fertig.“ erläuterte Gabriel es näher. Re­becca sprang auf seinen Schoß. „Walden, du darfst nicht gehen. Du musst blei­ben, das geht nicht. Sie umarmte und drückte ihn. Ich liebe dich doch auch, Walden, ich darf es nur nicht sagen. Weißt du, Gabriel, wenn ich sage, dass ich dich liebe, dann bekomme ich Ärger mit mir. Hast du Lust, soll'n wir uns mal küssen?“ schlug Rebecca vor, Gabriel schmunzelte. „Das mit dem Ärger musst du mir nochmal erklären.“ meinte er.





Rebecca Liebesverbot – Seite 20 von 20

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Tag der Veröffentlichung: 14.04.2013

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