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Introduction und Inhalt

 

 Elvi Mad

Neeles Rücken Hochzeitsbekanntschaft

Mystische Mächte in Peters Hand

 

Erzählung

 

 

Gar manches Herz verschwebt im Allgemeinen,
doch widmet sich das edelste dem Einen.

Goethe, Urworte Orphisch, Liebe

 Der gemeinsame Samstagabend wurde selbstverständlich und wir machten
auch andere Dinge als nur gemeinsam diskutieren und sich unterhalten.
„Pit, können wir denn nicht mal zusammen tanzen? Ich würde
schrecklich gern. Mein Kleid hat ja auch keinen freien Rücken und wenn
du dich nicht auf deine Hand kon­zentrierst, passiert doch nichts. Ich habe
da keine Angst vor.“ bettelte Neele ei­nes Abends. Sie hatte ja Recht.
Ich brauchte ja auch keine Befürchtungen mehr haben, Neele wusste ja alles.
Mit meiner Hand auf ihrem Rücken ereigne­te sich auch nichts, aber Neele
schmiegte sich so eng und fest an mich wie es ging. Sie legte einen Arm
um meinen Hals und ihren Kopf auf meine Schulter. Neele, meine Liebe,
was hatte sie vor? Zum Ende des Tanzes bekam ich einen Kuss.
Meine großen Augen, mit denen ich sie ansah, veranlasst sie zu der Er­klärung:
„Pitty, ich bin eine Frau, du scheinst das gar nicht zu merken.“ Mir ging alles
durch den Kopf. Neele wollte offensichtlich, dass wir uns liebten. Wollte sie
heute Nacht mit mir ins Bett oder etwas anderes, nach Alenas Wor­ten
wohl eher . „Neele, ich bin jetzt neunundfünfzig und werde bald sechzig ...“
„Bla, bla, bla, bla, bla,“ unterbrach mich Neele, „Was redest du für ein
Ge­wäsch. Willst du mir deinen Personalausweis aufsagen. Pit, das will ich
nicht von dir hören. Kannst du dir denn gar nicht vorstellen, was ich gern
hören möchte. Was eine Frau, die einen Mann seit Jahren liebt, gerne von
ihm hören möchte?“ Neele standen die Tränen in den Augen. Ich kniete
neben ihr auf der Couch und drückte ihren Kopf an meine Brust.

 

Neeles Rücken Hochzeitsbekanntschaft - Inhalt

Neeles Rücken Hochzeitsbekanntschaft 5

Heiraten 5

Hochzeitsfest 5

Schönheit vom Lande 6

Erster Tanz 6

Gegenseitige Vorstellungen 7

Zweiter Tanz 8

Weitere Vorstellung 9

Die Stories 10

Kein dritter Tanz 11

Meine Hand 12

Claires Rücken 12

Gedankenübertragung 13

Treffen mit Neele 14

Keine Erklärung 16

Am Strand mit Claire 16

Handauflegen passé 17

Zweites Treffen mit Neele im Café 18

Regelmäßiger Samstagstreff 19

Verändertes Leben 21

Claires Freund 22

Die Trennung 24

Claire fehlt 25

Neele kommt 26

Alena und Neele 27

Neele bleibt über Nacht 27

Neele über Alena 28

Guten-Morgen-Kuss 29

Neele heiraten 30

Neeles Integration in die Familie 31

Kein Tanz mit Neele 32

Offenbartes Geheimnis 33

Neeles Liebestanz 34

Erste gemeinsame Nacht 35

Morgen danach 37

Neele zieht zu uns 38

Alenas Entwicklung 38

Gemeinsame Nächte 38

Neue Perspektive 39

Remember Claire 40

Beziehung mit Neele 40

Daily Life 41

Unsere Hochzeit 41

 

Neeles Rücken Hochzeitsbekanntschaft

Sie tanzen nur auf einer Feier.Seine Hand auf Neeles Rücken, verwirrt Peter und Neele ebenso. Seine Verstand verbietet es, aber Neele will ihn auch. Beide müssen erfahren, dass Liebe stärker ist, als tausend Gründe.

Heiraten


Einen der bedeutsamsten Riten im Leben eines Menschen stellt in der Regel die Eheschließung dar. So wie man durch die Pubertät vom Kind zum geschlechts­reifen Menschen wird, ändert sich auch durch die Heirat der Lebenszustand ei­nes singulär lebenden Menschen zu dem eines in Partnerschaft lebenden. Ein Scheinübergang eigentlich. Am Menschen selbst verändert sich prinzipiell nichts und mit einem anderen Menschen zusammen leben kann man genauso gut ohne ausdrückliche Hochzeitszeremonie. Ganz abgesehen davon, dass man im Gegensatz zur pubertären Entwicklung den Zustand der Ehe ja wieder än­dern und sich trennen kann. Die Heirat ist vornehmlich eine kulturell institutio­nalisierte Einrichtung, mit der Rechte und Pflichten verbunden sind, die es im unehelichen Zustand nicht gibt. Begangen wird die Hochzeit aber nicht, als ob man einen Kaufvertrag unterschrieben hätte, sondern in der Regel mit einem Überschwang an Emotionen, als ob man heute die Unendlichkeit seiner Liebe und ein Übermaß an Glück für sein weiteres Leben festgeschrieben hätte. Mehr als ein wenig irrational, aber wenn man es morgen besser weiß, warum soll man sich nicht für einen Tag diesem Glücksgefühl hingeben und es kräftig fei­ern.


Hochzeitsfest


Ob meine Cousine auch so dachte, weiß ich nicht, jedenfalls veranstaltete sie ein pompöses Hochzeitsfest, zu dem alle Verwandten bis ins xte Grad und alle Freunde und Bekannten bis zu den entferntesten eingeladen waren. Sie feierte schon ihre zweite Eheschließung. Von ihrem ersten Mann hatte sie sich ge­trennt. Nun war sie äußerst glücklich und der Ansicht, die absolut große end­gültige Liebe für den Rest ihres Lebens gefunden zu haben. Fast sämtliche Gäste, außer der eigenen Verwandtschaft waren mir ungekannt. Einige wurden mir vorgestellt, aber bei der großen Anzahl der Leute, ein nicht für alle prakti­zierbares Unterfangen. Die Feier gestaltete sich laut und bunt mit großem Ge­lage, den üblichen Zeremonien und Späßen, sowie allgemeinem Tanzen, nach­dem das Brautpaar durch Vorführung seines Hochzeitstanzes den Start dazu gegeben hatte. Später, als die Stimmung sich ein wenig mehr beruhigt gatte, und die Aufgeregtheiten vom Beginn des Festes vorüber waren, spielte die Band auch schon mal langsamere Rhythmen. Mir gefiel so etwas besser, auch wenn es schon mal ein wenig stark sentimental werden konnte. Bei heißen Rhythmen abzurocken, dazu konnte mir mein Körper ebenso wenig Lust ver­mitteln, wie ihn durch sonstige unnötige sportliche Quälereien zu traktieren. Ich hielt mich nicht für lahm und faul, aber außergewöhnlich häufige und star­ke Muskelkontraktionen konnten mir nur angebracht erscheinen, wenn damit die Erreichung eines gewünschten Zieles verfolgt wurde, als l' art pour l' art Aktivitäten schieden sie für mich aus. Darüber hinaus entsprachen auch die oft geschrienen und zornig vorgetragen Liedtexte nicht dem Grad meiner augen­blicklich vorhandenen Wut, der sich eher gegen Null bewegen wollte. Jedenfalls Lust zum Tanzen wecken sie in mir meist nicht.

Zum Tanzen reizte es mich eher, wenn die Möglichkeit bestand, eine Frau als Partnerin nach verträumten oder leicht melancholisch angehauchten Klängen sich gegenseitig haltend im gleichen Rhythmus langsam übers Parkett zu gelei­ten. Es war eine gefühlvolle, entspannende und schlichte Atempause mit Musik zwischen den eifrigen und oft leicht erregten Diskussionen am Tisch.


Schönheit vom Lande


Eine junge Frau, vielleicht Mitte dreißig, sie war mir vorgestellt worden, saß ei­nige Tische weiter mir gegenüber. Ich meinte, sie gehörte zur Verwandtschaft des Bräutigams, aber selbst dessen war ich mir nicht mehr sicher, geschweige denn, dass ich ihren Namen behalten hätte. Bei der Vorstellung war sie mir gar nicht aufgefallen, aber jetzt sah ich sie eben öfter, und da hob sie sich schon ein wenig ab von den vielen Hinterköpfen und Allerweltsgesichtern, die ich sah. Sie war keine Schönheit, wie man sie in Katalogen mit Gesichtern von Models gefunden hätte, aber ihr ein wenig längliches Gesicht mit den markanten Zü­gen reizte mich schon zum Hinschauen. Der Farbton ihrer mittel- bis hellblon­den Haare schien wie extra für dieses Gesicht kreiert. Bei ihrer leicht sturmver­wehten Frisur schien es sich allerdings nicht um einen Urzustand, sondern wohl eher um ein Kunstwerk eines Meisters der Friseurinnung zu handeln. Sie war sicher eine Schönheit vom Lande. Nein, nein, das passte nicht. Ihr Gesicht strahlte nicht die Weichheit und Milde eines unverdorbenen Bauernkindes aus, dem vielleicht noch die Sommersprossen gefehlt hätten. Sowohl ihre markan­ten Züge, als auch ihr scharfer Blick ließen sie zusammen mit ihrem relativ breiten Mund, den sie manchmal zu einem süffisanten Lächeln verzog, eher als eine intellektuelle Frau erscheinen, vielleicht mit früheren ländlichen Vorfahren. Meine Vorfahren schienen aus geistig dunklen Regionen zu stammen, zumin­dest nach dem, was sie mir vererbt hatten. Ich saß, hier wenige Schritte von dieser Frau entfernt, und rätselte aus der Ferne über ihre Identität. Warum stand ich nicht auf und fragte sie oder forderte sie zum Tanzen auf?


Erster Tanz


Beim nächsten Blues tat ich es. „Man hat uns einander vorgestellt. Wenn ich's richtig behalten habe, sind sie mit dem Bräutigam, verwandt, aber ihren Na­men habe ich bei der Vielzahl der Menschen, völlig vergessen.“ entschuldigte ich mich. „Aber ich weiß ihren. Sie heißen Pedro, nicht war?“ reagierte die Frau auf dem Wege zur Tanzfläche, und dann antwortete sie mir doch noch: „Neele Storm heiß ich. Gernod (der Bräutigam) ist mein Onkel.“ Dann tanzten wir. Ihr Kleid war wohl eher nicht speziell für den Rahmen einer Hochzeitsfeier entwi­ckelt worden. Es entsprach einem erotischen Partykleid, kurz und schwarz, vor­ne zwar mit einem Wulstkragen fast vor ihrem Hals, der sich nach hinten aber als Begrenzung für einen so gut wie völlig freien Rücken verjüngte. Das sah ich erst jetzt. Wo sollte ich denn meine Hand hinlegen. Entweder auf die Haut ih­res Rückens, oder ich hätte sie ihr auf den Po legen müssen, da war ihre Haut wieder bedeckt. Ein wenig unangenehm war es mir schon. Ich wollte darauf achten, dass meine Hand auf jeden Fall ganz ruhig liegen blieb, und nicht der Anschein entstehen konnte, ich würde ihr den Rücken streicheln oder sie betatschen wollen. Ich tanzte mit voller Konzentration auf meine rechte Hand. Ein sonderbares Tanzerlebnis. Alles andere verlief fast unbemerkt automatisch, ich war ganz meine Hand. Ich meinte, die Frau zu spüren. Mehr als nur die Wirbel ihres Rückgrads, die sich unter meiner Handfläche befanden. Der gesamte langsame Bewegungsablauf ihres Körpers schien sich auf meine Handfläche zu übertragen. Wie das koordinierte Zusammenspiel der vielen Glieder einer achtbeinigen Spinne, so meinte ich die rhythmische Koordination des ganzen Bewegungsapparates dieser Frau an meiner Hand zu spüren. Meine Gedanken betasteten sie, aber über meine unverrückbar fest liegende Hand. Sie erschien mir eher immer schwerer und fester an dieser Stelle des Rückens der Frau zu liegen, obwohl ich kein bisschen den Druck meiner Hand verändert hatte. Sie lag leicht etwa auf der Mitte ihres freien Rückens. Trotzdem empfand ich, dass die gegenseitige Berührungsfläche unserer Hautpartien langsam wärmer zu werden schien. Ein sonderbar tiefes, leicht verwirrendes Erlebnis. Es war nicht unangenehm, trotzdem fühlte ich mich ein wenig erlöst, als der Tanz vorüber war.


Gegenseitige Vorstellungen


Wir gingen noch zur Bar. Ich musste ihr ja schließlich erklären, dass der spani­sche Pedro Peter Hellwich hieß und außer Barcelona und Bilbao noch nie etwas von Spanien gesehen hatte. Und ich musste ja schließlich in Erfahrung bringen, ob sie tatsächlich nicht vom Lande kam oder doch. Auf dem Weg zur Bar schaute mich Neele tief und vielsagend an, aber ich wusste ihren Blick nicht zu deuten. Sie erklärte auch nichts dazu, sondern atmete nur tief aus. Von den Empfindungen an meiner Hand auf ihrem Rücken berichtete ich ihr natürlich nichts. Abgesehen davon hielt ich es auch für albern und unbedeutend. Ich meinte zwar es so direkt erfahren zu haben, aber im Grunde genommen muss­te es ja Unsinn gewesen sein und konnte sich nur um fantastische Spinnereien in meinem Kopf handeln.

Natürlich war Neele keine Bauerntochter, sondern promovierte Germanistin an der Uni in Köln, die sich zur Zeit in Linguistik mit einer Arbeit zur Rhetorik ha­bilitierte, und dabei bekam sie wohl so schnell keine Sommersprossen. Dass ich kein Spanier, und auch nicht der Holländer Pit, wie mich manche nannten, sondern ein stinklangweiliger, staubtrockener kleiner Rechtsanwalt in einer So­zietät in Köln war, enttäuschte sie. Sie wünschte sich, dass durch Pedro mal ein wenig Exotik in die Familie Einzug gehalten hätte. „Neele, ich bleibe doch der Pedro. Für die meisten Freunde und Verwandten heiße ich schon immer so. Und mit der Exotik? Na ja, zumindest stellt mein Berufsalltag nicht den Lebens­inhalt dar, mit dem ich mich identifiziere. Ich bin mal Anwalt geworden, weil ich frei sein wollte und nicht in irgendeiner Behörde verkümmern. Jetzt verküm­mere ich in der großen Freiheit. Es handelt sich meist um Fälle, die du so ähn­lich gelagert schon öfter hattest. Wie du dabei vorgehst hängt nicht von inter­essanten juristischen Fragestellungen ab, sondern von der Person des Staats­anwaltes und des Richters. Wenn du die nach vielen Jahren alle ziemlich genau kennst, ist es langweilig bis öde. Der Prozess der Rechtsfindung ist die Frage, wie der einzelne Richter eine juristisch stichhaltige und ziemlich wasserdichte Begründung für sein nach vorgefasster Meinungsbildung gefälltes Urteil findet. Oft komme ich mir vor wie der Clown in einem Theaterstück, der immer weiter seine zugewiesene Rolle spielen muss, obwohl er heulen und weglaufen könnte. Damit und daraus könnte ich keine Art von Lebensinhalt mehr ziehen. Ich erledige es wie Fließbandroutine, damit ich Geld für meine Brötchen habe.“ erklärte ich ihr. Was denn dann mein Lebensinhalt sei, woraus ich denn die notwendige Befriedigung schöpfe, wollte Neele wissen. „Es ist kein großer einheitlicher Bereich, es sind viele unterschiedliche Aktivitäten. Ein Schwerpunkt liegt sicher im kulturellen Bereich, aber grundsätzlich ist es immer noch alles, was nähere Assoziationen zur großen Freiheit und zu autonomem Leben ermöglicht, insofern vielleicht doch ein wenig exotisch. Exotisch ist bestimmt auch, dass ich meine stillen Stunden meistens damit verbringe, etwas Belletristisches zu lesen oder selber Stories zu schreiben.“ antwortete ich. „Wie du schreibst selber? Da musst du mir noch mal etwas Näheres zu sagen. Jetzt muss ich aber erstmal kurz wieder zurück zum Tisch. Machen wir gleich, ja?“ reagierte Neele darauf.


Zweiter Tanz


Das Erlebnis mit meiner Hand hatte sich schon wieder völlig verflüchtigt. Wenn ich jetzt zu Neele rüber schaute, und sie sah mich, bekam ich ein Lächeln. Lei­der konnte ich jetzt nur noch die angehende Germanistikprofessorin sehen, das Bild vom unverfälschten Landmädel wollte sich mir nicht mehr zeigen. Gernod, Evas neuer Bräutigam, war mir nicht übermäßig sympathisch, aber das war ja für Eva selbst wohl unerheblich. Zu Neele Storm, die dadurch jetzt mit zu mei­ner entfernten Verwandtschaft zählte, hatte ich jedoch direkt ein lockeres, of­fenes Verhältnis, obwohl sie zu einer anderen Generation gehörte und sicher fünfzehn Jahre oder mehr jünger war als ich. Beim nächsten Slowfox kam sie zu mir. „Erst nochmal tanzen.“ meinte Neele und auf der Tanzfläche flüsterte sie mir ein wenig verschämt grinsend zu, „Ich muss doch deine Hand noch mal spüren.“ Jetzt dachte ich erst wieder daran. Sollte eventuell doch etwas tat­sächlich geschehen sein, von dem sie auch etwas gespürt hatte? Es verunsi­cherte mich leicht. Na wir würden ja sehen, jetzt, da sie mir nicht mehr so fremd war, würde sich sicher alles ganz normal verhalten. Nur leider war das Gegenteil der Fall. Wie blockiert stand für mich meine Hand, von der ich erhoff­te, dass sich nichts mehr tat, im Zentrum meiner Aufmerksamkeit und Konzen­tration. Hand, Hand, Hand schien das Mantra zu lauten, auf das ich in tiefe Me­ditation verfallen war. Anders als beim ersten Mal standen jetzt nicht ihre Be­wegungsabläufe sondern ihr ganzer Körper im Zentrum meiner Empfindungen. Es kam mir vor, als ob ich nicht nur ihren nackten Rücken berührte, sondern diese Frau völlig ohne Bekleidung mit mir tanzte. Und wieder dieses Wärme­empfinden an meiner Hand und auf der Haut von Neeles Rücken, wo sie ruhte. Als der Tanz zu Ende war, holte Neele tief Luft, blies sie zwischen den Lippen wieder aus und blickte mich erneut mit diesem Blick und diesmal leicht geöff­neten Mund an. Sie lächelte und gab mir einen Kuss. Es musste etwas mit die­ser verrückten Hand zu tun haben. Der Tanz allein konnte eigentlich nichts be­wirkt haben. Natürlich war das vom Grundsatz her ein Träum- und Schmuse­tanz, aber wir hatten uns nicht eng aneinander gepresst, innig umschlungen schlurfend übers Parkett geschoben. Da war alles so cool und distanziert gewe­sen, wie es bei diesem Tanz möglich war. Mit meiner Mutter wäre es nicht an­ders verlaufen, aber Neele hatte doch offensichtlich etwas berührt, und ihr Blick schien mir jetzt auch eindeutiger als beim ersten Mal. Wir unterhielten uns nicht an der Bar, sondern nahmen uns etwas zu Trinken mit und setzten uns an einen freien Tisch.


Weitere Vorstellung


„Du bist verheiratet mit Family und so, nicht war Pit? Ich nenn' dich jetzt Pit. Pedro klingt mir ein wenig albern, auch wenn dich die meisten so nennen. Pit ist mir exotisch genug.“ und Neele lachte. Sie lachte häufig, wenn sie selbst et­was gesagt hatte. „Neele mir ist es ganz gleichgültig, wie man mich nennt, mir ist es wichtiger, was die Leute dabei denken und empfinden, wenn sie meinen Namen sagen. Wenn sie freundliche Gefühle dabei haben, können sie mich Pe­ter, Pit oder Pedro nennen, dann ist alles akzeptiert. Meine Kinder sind jetzt ge­rade in die amerikanische Phase eingestiegen, für die bin ich jetzt meistens der Dad und meine Frau die Mom. Von außen betrachtet ist es sicher kurios und oft zum Lachen, aber sie selbst mit ihren 11 und 13 Jahren täglich erleben zu müssen, kann oft ganz schön nervig sein. Ich kann mich gar nicht erinnern, dass ich in der Pubertät auch so bekloppt gewesen sein sollte. Aber Monsieur Niklas und Lady Alena werden sich selbst auch mit Sicherheit nicht so sehen. Früher waren sie so süß und sie nötigten dir immer ein liebevolles freundliches Lächeln ab, wenn du sie sahst. Heute ist alles so durcheinander und wider­sprüchlich. Ich kann nur hoffen, dass diese Zeit so schnell wie möglich vor­übergeht, und Alena tatsächlich einen BH für ihre Brüste kaufen kann, und meine Frau nicht immer davon zu überzeugen versucht, wie dringend sie so et­was für ihren nicht in Ansätzen erkennbaren imaginären großen Busen brau­che. Hast du denn Erinnerungen an deine Pubertät? Warst du auch so durch­einander?“ fragte ich Neele. „Genau weiß ich das gar nicht, aber ich erinnere mich, dass es öfter Streit gab, was vorher und später nicht der Fall war. Aber hör mal, ein elfjähriges Mädchen braucht tatsächlich einen BH. Das weiß ich von mir auch. Heute brauche ich nur selten einen, aber wenn sich bei einem Mädchen der leisest Anflug einer möglichen Wölbung abzeichnet, braucht sie unbedingt so etwas. Das ist das Signum dafür, dass sie jetzt eine Frau und kein Kind mehr ist, und mit elf Jahren wird man heute bei Mädchen doch sicher er­kennen können, das sich da in den nächsten Jahren etwas verändern wird. Be­rate deine Frau mal entsprechend, auch wenn das Geld im Grunde für die Katz ist, das Ego deiner Tochter wird sie damit mächtig stärken.“ antwortete Neele und schaute mich wieder lächelnd mit tiefem Blick an. „Und du, hast du auch Kinder und Familie?“ fragte ich. Wieder lächelte sie und schaute mich an bevor sie antwortete: „Wie sollte ich das denn wohl machen. Ich habe doch nicht mal Zeit für einen Freund. Nein, im Ernst, es ist mir auch gar kein Bedürfnis. Ich mag schon Kinder, kann mir auch vorstellen, dass es herrlich sein muss, sie aufwachsen zu sehen, aber ich als Mutter? Nein, das geht nicht. Ich traue mir das gar nicht zu. Ich denke, alles würde falsch werden, was ich dann täte. Nein, nein, das bereitet mir keine angenehmen Vorstellungen, gehört absolut nicht auf meine Bedürfnisliste. Ich bin bestimmt so ein wenig emotional sozial gestört. Das ist ja schon mit 'nem Mann so. Na ja, für's Bett hätte ich schon manchmal ganz gern einen Freund, aber da hängt ja immer der ganze Mensch dran. Ich denke ich brauche diese ständig anwesende soziale Beziehung nicht. Es würde mich nur beschäftigen, belästigen und zusätzliche Erwartungen an mich stellen. Und das überwiegt. Das kann durchs gemeinsame Bett nicht aufgehoben werden. Ich habe zwei sehr gute Freundinnen und eine Reihe von Bekannten, für meine sozialen Kontaktbedürfnisse reicht das aus. Vielleicht sehe ich das ja auch alles ein wenig verquer. Möglich, dass sich ja nochmal etwas ändert. Ist mir im Moment auch nicht so wichtig. Aber sag mal, wir wollten uns doch über dein Creative Writing unterhalten. Erzähl doch mal, was du schreibst.“ „Neele, mir ist vorhin eingefallen, das wir uns von Anfang an geduzt haben, obwohl wir uns doch völlig fremd waren. Wie kam es eigentlich dazu?“ fiel mir ein bevor ich auf ihre Frage nach dem Geschriebenen einging. „Na ist doch klar, wir sind doch jetzt verwandt, da kommt man doch nicht auf die Idee Herr Onkel Hellwich zu sagen.“ lachte Neele wieder. „Aber das ist doch so entfernt, dass es dafür gar keine Namen mehr gibt.“ wandte ich ein. Neele meinte, das es für alles sogar für die Unaussprechlichen Kulte Bezeichnungen gebe. „Eva ist durch die Heirat ja jetzt zu meiner Tante geworden und du bist ihr Cousin, also bist du für mich mein Tantescousin.“ erklärte sie und lachte, „Bei dir ist es ein Fitzelchen komplizierter. Ich bin die Nichte vom Mann deiner Cousine, also deine Cousinesmannsnichte. Wir sind uns also Spezialformen von Nichten und Cousins.“ Jetzt lachten wir beide, und ich umarmte sie einfach und gab ihr für den Blödsinn einen Kuss auf die Stirn.


Die Stories


„Aber jetzt, was ist mit deinen Stories?“ drängte Neele. „Ach Neele, es ist völlig bedeutungslos.“ erklärte ich, „Was ich mache ist literarische Selbstbefriedi­gung, vielleicht noch nicht einmal das. Als ich zum ersten mal etwas geschrie­ben habe, war ich so verunsichert, wie es denn wohl zu bewerten sei. Ob es mir nur gut gefiel, weil ich es mir beim Schreiben selber ausgedacht und mir manche Formulierungen gelungen schienen, weil ich vorherige Versionen ver­bessert hatte. Es gab ja keine Art von Kriterien, nach denen ich es hätte be­werten können. Da habe ich mir Bücher über Creative Writing und dergleichen besorgt. Aber ich habe sie nur oberflächlich durchgeblättert. Ich wollte ja keine Strukturpläne für eine Erzählung aufzeichnen, den Spannungsbogen planen und dann alles abarbeiten. Wenn ich anfange zu schreiben, kenne ich die Story ja selber noch gar nicht. Irgendetwas reizt mich, es zu formulieren. Es kann zwar ein dünnes Sujet der Geschichte sein, dass dann aber gefüllt aussieht, wie ich es mir nie vorgestellt hätte, es können aber auch die Impressionen beim Blick aus dem Fenster sein, die Spaß machen, sich beim Schreiben eine Geschichte daraus entwickeln zu lassen. Dass sie zerfranst sind oder ich auf andere Themen gesprungen wäre, ist dabei glaube ich noch nicht vorgekom­men. Ich finde schon, dass es abgeschlossene runde Stories sind.“ Wie um­fangreich sie denn wären, wollte Neele wissen. „So von 20 bis über 200 Schreibmaschinenseiten. Im Duchnitt etwa 50.“ antwortete ich. „Das würde ich ja all zu gerne mal sehen. Du schreibst also, weil es dir Spaß macht, deine Ge­danken beim Schreiben weiter zu spinnen, ohne vorher zu wissen, was es denn überhaupt für eine Geschichte werden soll, und meinst es kommt dann hinter­her doch etwas in sich Geschlossenes heraus. Finde ich ja spannend, obwohl ich es mir eigentlich gar nicht vorstellen kann. Bitte zeig sie mir doch mal.“ bat Neele. „Ich mache es eigentlich, weil mir das Schreiben Saß macht, und nicht weil es andere lesen sollen oder ich eventuell mal etwas veröffentlichen wollte. Niemand hat bis jetzt etwas davon gelesen, selbst meine Frau nicht.“ reagierte ich. „Pit, ich habe dich schon verstanden. Ich werde niemandem etwas davon erzählen. Mich interessiert nur, wie so etwas funktionieren kann, und was da entsteht. Ich werde es auch gar nicht einer eingehenden Analyse unterziehen und dich dann kritisieren. Als Germanistin bin ich zwar Fachfrau, aber ich bin keine Literaturwissenschaftlerin oder -kritikerin, ist nicht mein Ressort. Aber so viel wirst du mir als deiner neu vermählten – Was haben wir vorhin gesagt? - Cousinesmannsnichte doch wohl vertrauen, dass ich es richtig einschätzen und freundlich behandeln werde, oder?“ bettelte Neele und lachte natürlich dabei. Na gut, ich wollte sie auf einen Stick kopieren und ihr zukommen lassen. „Hm, hast du sie sie gar nicht ausgedruckt? Das würde ich lieber lesen, und dann kann ich es mir überall anschauen.“ fragte Neele. „Schon,“ erklärte ich, „aber es ist immer die erste Fassung, von der ich meinte, die Geschichte sei jetzt zu Ende. Hinterher habe ich aber oft noch viel verändert, und das habe ich dann nicht mehr gedruckt.“ Also Stick. Als wir aufgestanden waren und zu unseren Plätzen gehen wollten, schaute Neele mich noch mal intensiv an und gab mir einen Kuss. Anstatt sie zu fragen, was diese Blicke mit dem leicht frivolen Un­terton und begleitet von einem sinnlichen wirkenden Lächeln, diese ein wenig lasziv wirkende Mimik, zu bedeuten habe, schwieg ich und lächelte nur. Dass sie mich erotisch attraktiv finden könnte, brachte mich zum lachen. Allerdings bei Frauen weiß man da ja nie. Nur dass sie wollüstig nach Sex sucht, auch mit einem Mann, den sie kaum kannte, so konnte ich sie nach den Gesprächen auch nicht einschätzen, aber mit ihrem knappen Kleidchen wirkte sie ja schon aufregend. Ich fing schon wieder an, über völlig Unbedeutendes zu grübeln. Mit anderen Männern hatte ich sie noch nie tanzen gesehen, viel mir ein. Viel­leicht traute sich ja von ihren näheren Verwandten keiner, seine Hand auf ihren nackten Rücken zu legen. Ich wollte nicht weiter rätseln und schon überhaupt nicht über Neeles erotische und sexuelle Befindlichkeiten. Sie war eine tolle junge Frau, mit der ich mich prima unterhalten hatte, fini.


Kein dritter Tanz


Mit „Tanzen wir noch mal Pit?“ kam sie sehr viel später zu mir zum Tisch. Sie taumelte und lallte zwar nicht, aber dass der Alkohol bei ihr gewirkt hatte, konnte man eindeutig feststellen. Ich selbst war auch nicht mehr besonders nüchtern. Skeptisch zögernd ging ich mit zur Tanzfläche. Schon nach wenigen Schritten hörte Neele auf und erklärte ärgerlich: „Das wird nix, Pit, funktioniert nicht. Ich habe zuviel gesüffelt.“ Dann viel sie mir um den Hals und flüsterte mir fast ins Ohr: „Aber wenn ich wieder nüchtern bin, dann tanzen wir noch mal zusammen, ja? Versprichst du mir das? Ganz oft tanzen wir dann, nicht wahr?“ und ein Lächeln begleitete sie, als sie sich von mir löste und auf dem gesamten Weg zu ihrem Platz. Meine Frau hatte die Szene mitbekommen. Ich klärte sie über Neele auf, nur das mit meiner Hand erzählte ich natürlich nicht.


Meine Hand


Es war mir ja selber peinlich, denn dass sich tatsächlich zwischen meiner Handfläche und Neeles Haut an ihrem Rücken mehr abgespielt haben sollte, als was die üblichen Rezeptoren der Oberflächensensibilität wahrnehmen und ver­mitteln, hielt ich für Kokolores. Mit parapsychologischen und esoterischen Deu­tungsmöglichkeiten wollte und konnte ich mich nicht befassen. Ich hatte davon überhaupt keine Ahnung, wusste nur, dass bei allem noch nie etwas zu bewei­sen gewesen war und hielt es für für Spinnereien, an die ich niemals glauben würde und mit denen ich mich keinesfalls näher befassen wollte. Diese Berei­che waren für mein intellektuelles Denken 'no-go-areas' und so sollte es auch bleiben. Allerdings das Handauflegen spielte ja unabhängig von irgendwelchen esoterischen Theorien in der gesamten kulturgeschichtlichen Entwicklung über­all und schon immer eine Rolle. Wo wurde nicht überall in der Bibel jemandem die Hand oder die Hände aufgelegt. Konkretes hatte ich zwar vergessen, aber ich erinnerte nur, dass öfter zu allen möglichen Anlässen einem anderen Men­schen die Hände aufgelegt wurden. Vielleicht handelte es sich aber auch nur um eine Überhöhung der Bedeutung der Hände. Sie waren ja schon eines un­serer wichtigsten Instrumente, neben unserem Gesicht mit seinen ganzen Sin­nesorganen und Funktionen bestimmt die bedeutsamsten. Wir konnten ja mit ihnen nicht nur alles mögliche verrichten, die Oberfläche ihrer Haut war ja auch hoch sensibel. Wir berührten und streichelten andere Menschen mit den Hän­den und Fingern und lösten beim anderen damit angenehme Empfindungen aus. Die Wahrnehmungsverarbeitung und Steuerung der Funktionen der Hand belegten im Cortex einen außergewöhnlich großen Bereich. Vielleicht war bei mir dort ja noch so viel Platz frei gewesen, dass ich genügend Raum hatte, um mir für die von mir angenehm empfundene Neele mit Unterstützung anderer unbewusster Areale schöne, mich selbst überraschende Illusionen zu konstruie­ren. Wie dem auch war, weiter damit beschäftigen wollte ich mich nicht, aber als einfaches unbedeutendes Kuriosum vergessen, konnte ich es auch nicht, dafür hatte es mich zu sehr beeindruckt.


Claires Rücken


Zu Hause kehrte die übliche ausgefüllte Routine wieder ein, und dadurch dass die Hochzeitsfeier zur Geschichte wurde, dacht ich auch nicht mehr an Neele. Erst als ich abends wieder an einer Story tippte, fiel mir ein, dass ich ihr die Geschichten ja zum Lesen geben wollte, aber wahrscheinlich hatte sie es auch am nächsten Tag vergessen und wenn nicht, hätten ihre Interessen im berufli­chen Alltag sicher anderswo gelegen, als meine unbedeutenden kleinen Novels zu lesen. Ich konnte die Stories gar nicht richtig einordnen. Vielleicht waren es kleine Romane oder Novellen, ich hatte sie alle immer zu einer Erzählung de­klariert. Aber dazu könnte mir Neele sicher mehr sagen. Eigentlich war es mir aber eher unangenehm, mich ihr jetzt mit meinen Stories aufzudrängen. Ich kannte ja auch ihre Adresse gar nicht. Mit Neele fiel mir aber natürlich die An­gelegenheit mit der Hand wieder ein und ließ mich schmunzeln. Im Bett erklär­te meine Frau, dass sie müde sei und schlafen wolle. Nichts Ungewöhnliches, wir kamen mit der Abstimmung über unsere sexuellen Interessen sehr gut klar. Wenn meine Frau keine Lust verspürte und müde war, konnten sie alle Liebko­sungen nicht dazu motivieren ihre libidinösen Einstellungen zu verändern. Sie hatte es selbst mal rational gewollt, aber wir hatten bald aufgehört, weil es un­ersprießlich war und mir so auch keinen Spaß machte. Bei mir verhielt sich das anders. Wenn ich mich im Bett in ein Buch vertieft hatte oder den Gedanken einer Story nachhing, an der ich gerade schrieb, hatte ich meistens keine Lust dies abzubrechen und mich mit Claire, meiner Frau, zu beschäftigen. Nur wenn ich erklärte, keine Lust zu haben, veranlasste es Claire, mich mit ein paar net­ten Worten, einigen Liebkosungen und Streicheleien zu verwöhnen, und meine vorherigen Intentionen waren schnell vergessen. Obwohl ich zwar wesentlich häufiger derjenige war, der erklärte keine Lust zu haben, hatte es letztendlich noch nie eine Rolle gespielt. Wenn Claire keine Lust hatte, war es so und nicht zu ändern. Es störte mich nicht, kam nicht häufig vor und ich konnte gut damit leben. Heute Abend hatte sie mir ihren Rücken zugewandt und ich wollte weiter an meine Geschichte denkend einschlafen. Da fiel mir die Episode mit der Hand ein. Sollte ich bei Claire mal etwas versuchen? Ich legte ihr meine Hand ober­halb des Pos auf die Gegend ihrer Michaelisraute. Ganz sanft. Ich wollte sie nur freundlich berühren, natürlich nichts Ungewöhnliches. Ich begann mich auf meine Hand zu konzentrieren, rief in mir die Bilder wach, in denen Claire be­gann sich zu erregen. An meiner Hand steigerte sich ihr Verlangen immer mehr bis zur Höchstform. Sie wurde wieder warm, meine Hand und auch Claires Haut, so empfand ich es jedenfalls. Langsam, fast verschlafen zögerlich drehte Claire sich zu mir um. Sie lächelte, küsste mich und schmiegte sich an mich. „Wie gut, dass du noch nicht eingeschlafen bist.“ meinte sie sinnlich träume­risch sich leicht an meinem Körper windend, „Ich konnte nämlich gar nicht schlafen.“ lächelte sie, küsste mich und begann, ihre Bewegungen an mir zu intensivieren. „Hast du Lust? Sollen wir mal im Dunkeln?“ fragte Claire schon erregter. Das war mir auch lieber, dann konnte sie zumindest auf keinen Fall sehen, wie es mich verwirrte und erschreckt hatte. Es war mir unheimlich. Noch nie hatte Claire ihre geäußerte Einstellung zur Lust am Sex jemals geän­dert. Jetzt war kein Wort gefallen, keine irgendwie geartete Liebkosung erfolgt, das einzige, was geschehen war, bestand aus meiner Hand auf ihrem Rücken. Vermittelt über meine Hand sollte ich ihre Einstellung beeinflusst, ihr libidi­nöses Empfinden verändert haben. Das war mir nicht mehr geheuer. Es musste ja meine Hand gewesen sein, etwas anderes gab es ja nicht. Möglich wäre na­türlich gewesen, dass Claire unabhängig von meiner Hand zu träumen versucht hätte und dabei auf andere Gedanken gekommen wäre. Aber das war noch nie vorgekommen, und ausgerechnet jetzt, wo ich die Auswirkungen meiner Hand testen wollte, sollte es ganz außergewöhnlich zufällig und erstmalig so passiert sein? Das schien mir auch mehr als unwahrscheinlich. Als wir uns liebten, war ich ein wenig weggetreten.


Gedankenübertragung


Die Hand dominierte meine Gedanken, auch später noch, als Clair längst an mich gekuschelt in meinen Armen eingeschlafen war. Aber was sollte ich denn eigentlich denken? Ich konnte nur erschrocken sein, dass ich ja offensichtlich durch meine Hand etwas bei ihr bewirkt hatte, auf sie Einfluss ausgeübt hatte. Sollte ich es akzeptieren, obwohl ich es eigentlich nicht wahrhaben wollte. Ir­gendwelche Antworten oder Erklärungen konnte ich nicht finden. Ich wusste ja im Grunde auch nichts dazu. Entweder würde ich dies Phänomen einfach beer­digen und nie mehr versuchen in dieser Richtung etwas zu probieren, oder ich würde versuchen, mich kundig zu machen, worum es sich dabei handeln könn­te. Ja etwas mehr wissen darüber, wollte ich auf jeden Fall. Als ich am nächs­ten Tag nach Hause kam, versuchte ich jede freie Minute zu nutzen, um mich schlau zu machen. Dass man sich intensiv auf etwas konzentrieren konnte und dass Meditation nicht ohne Auswirkungen blieb, hätte ich nie abgestritten, auch wenn ich es selbst bislang noch nicht praktiziert hatte. Aber meditieren wirkte sich doch auf die einen Gedanken, das eigene Befinden, auf den eigenen Kör­per aus, mit Kontakten zu anderen hatte es doch nichts zu tun. Außerdem musste man es lernen und üben, ich war völliger Laie, der keine Ahnung hatte. Die Konzentration auf meine Hand hatte allerdings schon in gewisser Weise funktioniert. Zum ersten mal ausgelöst dadurch, dass ich aufpassen wollte, sie keinesfalls zu bewegen. Alles was ich zur Wahrnehmung, zur Oberflächen- und Tiefensensibilität und den Funktionen und Fähigkeiten der Rezeptoren fand, schien mir einleuchtend, nur dass sie sich wie Telefonleitungen zur Übertra­gung von Gedanken und Empfindungen einer Person auf eine andere eignen könnten, davon war nirgendwo in Ansätzen die Rede. Alle haptischen Wahrneh­mungsmöglichkeiten hatten mit den zerebralen Aktivitäten der anderen Person nichts zu tun. Auch dass Körperkontakte angenehme Empfindungen und das Gefühl von Zuneigung vermitteln können ist ja eine banale Alltagsbinsenweis­heit, nur wie man von der eigenen Person etwas auf eine andere übertragen kann, dazu äußern sich ausschließlich die Heiler und Handaufleger. Aber von meinem eigenen Energiefeld und der Übertragung meiner Energien auf andere Personen, die zu deren Beeinflussung und zu deren Genesen von Erkrankungen führen könnte, wollte ich nichts wissen. Absolutes esoterisches Geschwafel, das mich anwiderte. Solche Hirngespinste, durch nichts und gar nichts in der Praxis zu verifizieren, erschienen mir unsinniger und blödsinniger als viele Wunderglauben in manchen Religionen. Für meine Stories hätte ich mir so ab­struses Zeug gar nicht ausdenken können. Trotz aller Nachforschungen, ich blieb ratlos. Wenn es meinen Einbildungen entsprungen sein sollte, was ich im­mer stärker annahm, waren es eben kuriose Begebenheiten gewesen, wenn aber tatsächlich so etwas wie eine Beeinflussung stattgefunden hätte, wollte ich in Zukunft nichts mehr damit zu tun haben, dafür waren es mir zu obskure Prozesse. Abschließen wollte ich die Beschäftigung damit, es sollte mich in Zu­kunft nicht mehr belästigen.


Treffen mit Neele


Meine Cousine Eva war zu Besuch. Neele habe sich schon über mich be­schwert. Ich sei ein unzuverlässiger, treuloser Geselle, so wie sie mich nicht ei­geschätzt hätte. Ich hätte versprochen ihr etwas zukommen zu lassen, aber mich nicht gemeldet. Ich versprach, mich darum zu kümmern und ließ mir Te­lefonnummer und Adresse geben. Ich rief Neele an, entschuldigte mich und machte einen Termin mit ihr aus. Nein, nicht bei ihr oder mir zu Hause, son­dern in einem Café wollten wir uns treffen. „Na, ich weiß ja nicht, was deine Frau davon halten würde, wenn dich deine Spezialnichte besucht, möchte ich mich aber auch gar nicht mit beschäftigen. Und bei mir? Hätte ich ja extra Put­zen müssen.“ lachte Neele, „Hier ist es am einfachsten. Wir können Kaffee trin­ken und brauchen ihn nicht mal selbst zu kochen.“ und sie lachte wieder. Neele lachte ja häufig, wenn sie etwas gesagt hatte, aber sie schien gut aufgelegt und in lustiger Stimmung zu sein. „Wir unterhielten uns noch über dies und je­nes zur Hochzeitsfeier. Sie habe bei ihrer Mutter, der älteren Schwester von Gernod gesessen, die lebe auch allein, aber Trennungsschäden als Tochter kön­ne Neele bei sich nicht erkennen und gedenke auch nicht mehr, welche zu ent­wickeln. „Ja doch, vielleicht ist mein Verhältnis zu Männern dadurch beein­flusst. Ich habe prinzipiell überhaupt nichts gegen Männer, im Gegenteil, ich komme prima klar mit ihnen, aber den ganzen Tag so einen bei mir in der Wohnung, oh Gott, da würde ich mir schon eher einen Hund oder 'ne Katze zu­legen, das wäre einfacher.“ meinte sie und lachte wieder, „Wie hält deine Frau das denn aus. Hat die nicht genug zu tun und manchmal Langeweile, oder hältst du dich brav zurück, belästigst und störst sie nicht?“ fuhr sie fort und lachte natürlich wieder. „Neele, du hast 'nen Knall. Das mit deinen Männervor­stellungen halte ich für abstrus und pervers. Du willst eigentlich einen Mann, aber hast Angst davor, ihn nicht ertragen zu können. Hast du mal daran ge­dacht, das du jemanden finden könntest, der dir so gut wie deine Freundin ge­fiele, und das wäre zufällig ein Mann? Meine Frau und ich wir mögen uns als Personen, auch wenn wir zwei unterschiedlichen Geschlechtern angehören. Wir haben sogar festgestellt, dass es die Angelegenheit ausgesprochen positiv be­einflusst.“ reagierte ich auf sie. Auf launiger Ebene unterhielten wir uns bei Es­pressos und Cappuccinos weiter. „Neele, was ich dich mal fragen wollte, wenn wir getanzt hatten, hast du mich immer so sonderbar angeschaut. Jedenfalls kam es mir so vor. Ich habe das nicht verstanden. Trifft das zu und kannst du mir dazu etwas sagen?“ fragte ich sie. Sie schaute mich wieder so an und meinte nach einer Pause lächelnd: „Pit, das waren Gefühle, die fühlt man und sagt man nicht.“ erklärte Neele, „Es ist mir schon ein wenig persönlich, aber was soll's, es ist ja vorbei, warum soll ich's dir nicht erzählen. Ich weiß über­haupt nicht warum und wieso, aber unser Tanzen ging mir völlig durch, es er­regte mich total, als ob ich deine Hand nicht nur auf meinem Rücken, sondern überall an meinem ganzen Körper gespürt hätte. Beim zweiten mal kam's mir noch schlimmer vor. Wenn du gesagt hättest: 'Komm mit ins Bett!“, ohne ein Wort wäre ich mitgegangen. So etwas habe ich noch nie erlebt, und ich kann nicht den geringsten Grund erkennen, warum es so war. Ich finde dich nett und mag dich, aber erotische Ekstasen löstest du bei mir eher nicht aus. Beim drit­ten Tanz wollte ich nochmal, aber da funktionierte es nicht, weil ich zu besüffelt war. Sonderbar, nicht wahr? Ist dir so etwas schon mal mit einer anderen Frau passiert?“ wollte sie wissen. Obwohl ich mit der Hand nichts mehr zu tun ha­ben wollte, wühlte es jetzt alles wieder in mir auf. Halb geistesabwesend ant­wortete ich lapidar: „Nicht dass ich wüsste.“ Die launige Stimmung war bei mir verflogen. Da Neele nicht sagen konnte, wann sie zum Lesen käme, wollte sie sich melden, wenn sie einiges gelesen hätte. Wir könnten uns dann ja wieder am Wochenende hier treffen.


Keine Erklärung


Neele hatte auch nichts benennen können außer meiner Hand. Sollte der ande­re denn eventuell eine Hand, auf die man sich intensiv konzentrierte anders wahrnehmen, anders erfahren und erleben können als eine normale übliche Berührung. Wenn jemand zu einem Handaufleger ging, glaubte er ja an die von den aufgelegten Händen ausgehenden Kräfte. Diese Einbildung aktivierte dann in dem Betreffenden vorher nicht angesprochene Selbstheilungsprozesse, aber bei mir hatte weder Neele noch Claire etwas von den Kräften meiner Hände ge­ahnt oder gewusst. Sie wussten es ja auch heute noch nicht, sie hatten nur darauf reagiert. Furchtbar, ich wollte so etwas nicht können. Ich wollte kein Wunderheiler sein und auch nicht werden. Allerdings hatte ich ja bislang auch noch keine Heilkräfte, sondern nur sexuelle Bedürfnisse aktiviert. Davon war in der ganzen Esoterik nicht die Rede. Da handelte es sich nur um die heilenden, aber nicht um die libidinösen Hände. Was macht ich denn jetzt mit diesen Hän­den? Ich stellte mir vor, eine Mandantin zu begrüßen und mich dabei auf meine Hand zu konzentrieren. Anstatt im angebotenen Sessel Platz zu nehmen, wür­de sie mir um den Hals fallen und beginnen mich auszuziehen. Ich versuchte mir alle möglichen Situationen auszudenken, in denen ich Frauen meine kon­zentrierte Hand reichte. Alberner Blödsinn, der mir zumindest im Moment half, lachend meine unangenehme Hilflosigkeit zu überspielen. Bewusst anzuwenden versuchen würde ich es nicht mehr, aber mit jemandem darüber gesprochen, der kein Esoteriker und auch kein isolierter Neurologe war, hätte ich schon ger­ne. Was geschah denn mit meiner Hand, wenn ich mich meditierend auf sie konzentrierte. Verändert würde ja schon etwas durch die Meditation, aber wohl weniger physiologisch in meiner Hand als mental in meinem Gehirn. Es würden vielleicht andere Bahnen geöffnet und viele komplementäre Wahrnehmungen ausgeschaltet. So hatte es sich ja auch beim Tanzen abgespielt, alles andere außer meiner Hand war wie in Trance erfolgt, ich hatte es gar nicht richtig wahrgenommen. Es würde sich also in meinem Gehirn durch die starke Kon­zentration etwas Außergewöhnliches abspielen. Einverstanden, aber die Aus­wirkungen auf einen anderen Menschen blieben dabei außen vor. „Vergiss es, Peter.“ sagte ich zu mir selber, „es wird immer ominös bleiben, weil es nichts gibt, was Ansätze für Wege zeigt, die zu einen Erklärung führen könnten. Ent­weder sind es Zufälle gewesen, oder es ist Unsinn, weil du es nicht erklären oder beweisen können wirst.“ So sah ich es, so glaubte ich es und damit konn­te ich leben.


Am Strand mit Claire


Am Wochenende waren wir mit der ganzen Family nach Belgien ans Meer ge­fahren. Das hatten wir die ganzen Jahre über oft gemacht, auch wenn es im Sommer manchmal ein wenig voll war. Claire und ich fanden es immer ent­spannend und den Kindern gefiel es auch immer, gleichgültig in welchem Alter. Wir saßen ein wenig schräg versetzt auf einem Handtuch im Sand. Claire hatte ein Buch auf den Knien liegen und las, während ich ein wenig hinter ihr saß, träumend das Meer betrachtete und den Menschen am Strand zuschaute. Meine rechte Hand lag auf Claires Schulter. Plötzlich wurde ich mir meiner Hand bewusst, die ganz selbstverständlich auf Claires Schulter lag. Ich wollte da ja nichts mehr mit zu tun haben, aber was mich im Moment reizte, wusste ich auch nicht, vielleicht entstand es nur aus träumerischer Langeweile. Ich musste es nochmal ausprobieren. An der Schulter würde es bestimmt sowieso nicht funktionieren. In meiner Verträumtheit fiel es schwer mich zu sammeln und zu konzentrieren. Ich versuchte die lesende Claire an meiner Hand nachzuempfinden, ihre Gedanken zu spüren. Ich schreib in ihr Buch: 'Claire ich bin da, liebe dich und warte auf dich.', versuchte sie diese Worte lesen zu lassen, und meine Hand schien sich auch auf Claires Schulter zu erwärmen. Sie drehte ihren Kopf zur Seite und gab meiner Hand einen Kuss. Claire klappte das Buch zu, drehte sich zu mir und warf mich auf den Rücken. „Was ist los, willst du nicht mehr lesen?“ fragte ich naiv. „Nein.“ reagierte sie trotzig stolz lächelnd, warf sich dabei halb über mich und meinte: „Jetzt musst du ein wenig in mir lesen.“ streichelte mein Gesicht und küsste mich. Wenn wir nicht am Strand gewesen wären, hätten wir uns bestimmt geliebt, so schmusten und spielten wir eben nur. Es konnte kein Zufall mehr sein. Eine ganze Zeit lang hatte meine Hand seelenruhig auf ihrer Schulter gelegen. Claire hatte es vielleicht nicht einmal wahrgenommen, ich versuche mich zu konzentrieren, sie küsst meine Hand und erotische Aktivitäten werden für sie vordringlich.


Handauflegen passé


Das wollte ich nicht können. Ich kam mir vor wie ein Gespenst, ein Wesen aus der Welt der Magier, Zauberer und mystischen Gestalten, die über außersinnli­che Wahrnehmungen verfügen und übernatürliche Kräfte haben. Nein, ich woll­te das nicht, wollte kein Esper und kein Nostradamus sein, nicht paranormal, normal wollte ich sein. Andererseits wurde ich mir bei jedem Versuch sicherer, dass ich so etwas konnte. Jedes mal ein außerordentlicher ungewöhnlicher Zu­fall, das konnte eigentlich nicht mehr sein. Vielleicht gab es ja doch die Mög­lichkeit, so etwas zu erklären, man wusste nur noch nicht wie. Bei Vögeln und Tauben wusste man bis vor wenigen Jahren ja auch noch nicht, wie sie sich räumlich orientieren, aber wenn man erlebte, wie die Tauben zu ihrem Schlag zurück kamen oder der Storch aus Afrika in sein altes Nest zurückfand, konnte man es nicht abstreiten, auch wenn man es nicht erklären konnte. Nur mit dem Energiefeld der Hände ist es nicht so eindeutig wie mit der Vogelorientie­rung. Hier bleibt es im Dubiosen. Außer subjektiven Erfahrungen gibt es keine stichhaltigen Belege. Es gibt keine Menschen, die angeblich über Kräfte zur Heilung einer Gürtelrose verfügen, und dies auch bei jedem Patienten erfolg­reich praktizieren können. Es ist immer ein intersubjektiver Prozess, bei dem man nicht eindeutig definieren kann, welche Einfüsse wirksam sind. In dieses Geschäft wollte ich meine Person nicht involviert sehen. Ich wollte nicht auf unserem Kanzleischild stehen haben: 'Peter Hellwich, Rechtsanwalt und Heiler' und ich wollte mich auch ohne Schild nicht so fühlen und empfinden müssen. Handauflegen war endgültig passé.


Zweites Treffen mit Neele im Café


Neele rief an. Sie hatte vier Stories gelesen und wollte mit mir sprechen. „Oh, Pitti, Pitti, das ist ganz klasse.“ waren ihre ersten Worte nach der Begrüßung, „Ich musste immer Schluss machen, weil es zu spät war. Sie sind spannend, unterhaltsam aber nicht oberflächlich, und wie du sagtest rund und in sich ab­geschlossen. Wenn ich mir vorstelle, das du alles einfach beim Schreiben ent­wickelt hast, könnte, ich glaube, ich nicht. Ich brauchte immer ein Schema eine Struktur, ein Gerüst, an dem ich mich lang hangelte. Wunderbar, du wie­derholst dich auch nicht. Es sind völlig unterschiedliche Geschichten, obwohl die Themen Amore und emotionale psychische Befindlichkeit in allen Geschich­ten starken Raum einnehmen, aber eben in unterschiedlichen Situationen bei unterschiedlichen Charakteren. Die Sprache gefällt mir auch, ist nicht außerge­wöhnlich aufregend, aber sagt mir zu, weil der Stil sehr meinem eigenen ent­spricht. Manchmal findest du sehr schöne passende Bilder und kannst dich sehr sensibel in die Personen einfühlen. Es wirkt schon so, als ob du es tatsächlich persönlich erlebt hättest. Alles paletti, du kannst stolz sein, bist, glaube ich, schon ein außergewöhnlicher, ein exotischer Mann.“ erläuterte Neele zu meinen Erzählungen. Wir lachten beide, ich vor Freude, und bei Neele wusste ich nicht genau warum, aber ihr war ja jeder Anlass recht. Für mich konnte sie gar nicht oft genug lachen. Ich empfand es wohlig und es stimmte mich froh, diese kur­ze offen Lachen mit den weichen samtenen A's, wunderschön. „Konnte ich dich denn auch mit etwas beeindrucken, hat dich etwas bewegt oder war es für dich alles mehr so dahin geplaudert?“ fragte ich. „Pit, ich dachte, ich hätte schon gesagt, dass ich sie für tief gehend hielt. Ich werde mir wahrscheinlich jetzt doch einen Mann suchen. Wenn es so nette, einfühlsame und sensible gibt, wie du einige beschrieben hast, muss es ja ein Genuss sein. Bist du selbst so ei­ner? Fahren andere Frauen auf dich ab?“ wollte Neele wissen. „Natürlich bin ich so einer. Neele, ob andere Frauen auf mich abfahren, kannst du beantworten, aber nicht ich.“ feixte ich. „Natürlich fahre ich auf dich ab, hast du doch bei der Hochzeit gesehen. Aber wirklich“ und Neele wurde ernst, „ich finde dich schon sehr nett und mag dich, und interessant bist du ja schließlich auch. Dann wür­den wir deine Geschichten so hinfummeln, dass man sie veröffentlichen könnte und ich würde dir einen Apfelkuchen backen, kann ich ganz lecker. Pit, was rede ich für einen Unsinn. Ich mag dich, aber zwischen uns wird nie mehr lau­fen, als dass wir gute Freunde sind und Verwandte natürlich.“ jetzt lachte sie wieder. „Deine Frau und deine Kinder sind mir heilig, und wenn du etwas ande­res intendieren solltest, werde ich dir auf die Finger klopfen.“ Ich schaute sie an. Ihr „Apfelkuchen backen“ deutete ja schon an, das sie wohlmöglich von et­was anderem träumte, als gute Freunde zu sein. Wir redeten noch weiter über Literaturgattungen und deren spezifischen Merkmale und Neele vertrat die An­sicht das die Bezeichnung 'Erzählung' präzise zutreffend sei. Aber selbst da, wo man romanhafte Züge sehen könnte, wie bei der großen Story, sei die Bezeich­nung Erzählung angebrachter. Man könne es auch schließlich als Oberbegriff ansehen und dann passe es allemal. Wenn man es als Roman darstelle, gebe es sicher eine Reihe von Anforderungen, denen die Story nicht entsprechen könne. „Es gibt übrigens eine eigenständige Forschung über das Erzählen, die Narratologie. Dabei geht es allerdings nicht darum, wie eine Erzählung, eine Geschichte aussehen müsste, sondern eher um die Theorie des erzählenden Kommunizierens. Das ist sehr interessant, finde ich. Wenn dich das auch interessiert, kann ich dir mal etwas dazu geben. Du ließt auch viel, denke ich mir. Soll ich dir nicht mal einen UB-Ausweis besorgen, dann wirst du jedes Buch bekommen, von dem du nur träumen kannst. Möchtest du das?“ fragte mich Neele. Natürlich wollte ich. Eine wunderbare Frau war sie schon, nur ich war schon so alt, lief es mir durch den Kopf. Was für ein Unsinn. Mir war meine Familie nicht nur heilig, ich fühle mich wohl mit ihr und liebte sie. Und sich mit einer wunderbaren Frau zum Besprechen meiner Stories treffen war herrlich, warum musste ich gleich an etwas anderes denken? Weil ich ein Mann bin? Machen Männer das alle und immer so? Wenn sie eine Frau für einen netten Menschen halten, denken sie als erstes daran, wie es wohl mit ihr im Bett wäre? Handelt es sich dabei um einen obligatorischen Bestandteil männlicher Verhaltensmöglichkeiten? Mir selbst war es erst jetzt bei Neele aufgefallen. An Situationen, in denen ich sonst gewünscht hätte, mit einer Frau zusammen sein zu können, gibt es keine Erinnerung. Aber Neele machte sich ja auch wohl, trotz heiliger Familie Gedanken, wie schön es mit mir sein könnte. Nur ein guter Bekannter war ich in ihren Träumen sicher nicht. Etwas tun, das Einfuss auf meine Beziehung zu Claire oder die ganze Familie haben könnte, wollte ich nicht. Ich sah es nicht so, dass die Treffen mit Neele etwas in diese Richtung bewirken könnten.


Regelmäßiger Samstagstreff


Ich traf mich mit Neele fast jeden Samstag für eine bis zwei Stunden in unse­rem Café. Wir sprachen jetzt nicht mehr die Termine ab, sondern informierten uns, wenn einer verhindert war. Meine Erzählungen waren bald abgearbeitet. „Du musst schneller schreiben. Ich brauche etwas zum Lesen.“ scherzte Neele, „Lass dir doch mal etwas einfallen. Denk zum Beispiel an irgendetwas von der Hochzeitsfeier und dann spinnst du weiter, oder an unsere Treffen, machst es mit anderen Personen und erfindest eine bunte, blumige Geschichte dazu.“ Ich schaute sie an und meinte: „Nein nein, da ist mir viel zu viel konkrete Realität, das stört beim fantasieren.“ Ich musste daran denken, dass bei Hochzeit und Neele mir immer bestimmt meine Hand einfallen würde. Das Thema ließ mich mittlerweile völlig in Ruhe. Es beschäftigte mich nicht mehr. Der Handaufleger und Heiler war in mir gestorben. Auch der Drang, mir etwas auszudenken, und es schreibend zu formulieren, hatte sich nicht verflüchtigt aber doch erheblich abgeschwächt. Wir sprachen im Café viel über Neeles Themen, und womit sie sich beschäftigte, wie und wo es zu verorten sei, und welche Fragestellungen sich daraus ergaben. Ich las viel dazu, einfach weil es mich interessierte, aber natürlich gefiel mir auch der Effekt, dass ich mich mit Neele kompetent dar­über unterhalten konnte. Das Schreiben hatte früher für mich die Funktion ei­ner ganz privaten kleinen literarisch Schmuseecke. So etwas schien ich immer weniger zu gebrauchen. Mit Neele in etwa auf ihrer Ebene diskutieren zu kön­nen, gab mir wesentlich mehr. Es forderte mich stärker intellektuell und ver­mittelte mir auch mehr Anerkennung und Bestätigung, selbst wenn Neele mir natürlich in vielen Bereichen uneinholbar überlegen war. Wenn Neele mir den Eindruck vermittelte, dass es für sie von Interesse war, worüber wir redeten, schien mir das sehr zu gefallen und gut zu tun. Wir sprachen nicht nur über Themen aus den Bereichen von Linguistik, Rhetorik, Kommunikation, Literatur oder Germanistik allgemein, das wir auch albernes Zeug redeten und viel lachten war mit Neele selbstverständlich. Die Stories waren bald vergessen, und keiner hätte daran gedacht sie als Anlass für unsere Cafégespräche zu benötigen. Im Laufe der Zeit hatte sich für beide die Bedeutung unsere Gespräche gesteigert, und es war uns immer wichtiger geworden, uns am Samstag zu treffen. Wo speziell Neeles Interessen lagen, konnte ich nicht genau festmachen. Sie fragte mich zwar häufig nach meiner Meinung zu Fragen, die sie beschäftigten, aber sie würde doch Fachkollegen haben, mit denen sie sich darüber unterhalten könnte, oder könnte es mit Studenten diskutieren. Für mich hatten die Gespräche schlicht mein Leben verändert. Sie hatten bei mir neue Interessenspähren entstehen lassen, die mich begeisterten und für die ich in Neele einen überaus kompetenten Kommunikationspartner hatte, dem die Diskussionen mit mir Freude bereitete. Ich schrieb nicht mehr, las viel, aber kaum noch Belletristik und informierte mich übers Netz zu sprach- und kommunikationsphilosophischen Themen sowie anderen Gebieten aus germanistischen Teilbereichen. Ich war mit Sicherheit nicht mehr der, den Neele bei unserem ersten Treffen im Café getroffen hatte.

Bei unserem ersten Treffen trug Neele ihr schulterlanges Haar zusammenge­bunden zu einem Zopf, einem kleinen Pferdeschwänzchen. Von der Sturmfrisur war nichts mehr zu erkennen, nur in dem kleinen Pferdeschwanz waren die Haare noch gewellt. Was von den Haaren vorne zu kurz war, um in den Zopf eingebunden zu werden, hing wie ein langer Pony schräg vorne an der Seite, fast vor ihrem linken Auge. „Neele, was hast du mit deinen Haaren gemacht?“ hatte ich erstaunt gefragt. „Die sind so, und wenn ich das Gummi weglasse, sehe ich aus wie ein siebzehnjähriges Mädchen.“ antwortete Neele, wobei sie das Bändchen entfernte und ihr Haar aufgelockert zur Seite fallen ließ. Ich lä­chelte und betrachtete sie. Wunderschön sah sie für mich aus. Jünger machend wirkte es sicherlich, aber mit ihrem länglichen Gesicht und den nach unten ge­wellten Haaren, wirkte sie wie eine antike Schönheit. Das Gesicht, das mich anschaute, gehörte einer Najade, die an einer Quelle sitzend den Klängen der Lyra lauscht. „Was ist?“ weckte mich Neele aus meinem Traum als ich mich nicht sofort dazu äußerte. „Schlecht sieht das aber nicht aus.“ kommentierte ich nur trocken. „Aber mit deiner Hochzeitsfrisur ist es natürlich gar nicht zu vergleichen.“ „Ja, hat dir das so gut gefallen?“ fragte Neele lächelnd. „Jetzt siehst du aus wie eine schöne normale Frau, auf der Hochzeit warst du eine Diva.“ erklärte ich und Neele brach in lautes Lachen aus. „Nein, nein, das war wirklich toll. Es passte wunderbar zu dir und deinen Haaren. Ich habe sofort gedacht, der Friseur muss ein Künstler sein.“ reagierte ich. Beim nächsten Treffen trug Neele wieder ihre Hochzeitsfrisur. „So, in Ordnung?“ lächelte sie mich an, als wir uns sahen. Seitdem trägt Neele unverändert diese Frisur und geht regelmäßig zum Frisör. Ein Novum für sie, das sie seitdem beibehalten hat. Ihre Lust, sich erotisch attraktiv zu kleiden, schien sich nicht auf den Hochzeitsabend zu begrenzen. Blusen liebte sie weit geöffnet zu tragen, und enge Pullover oder Sweatshirts ohne BH schien sie auch zu mögen. Im Som­mer trug sie Kleidchen, die einem Hauch von Stoff entsprachen, und ihre Jeans glichen einer zweiten Haut für ihren Po. Ordinär sexistisch wirkte es nie, aber attraktiv erotisch ansprechend immer. Als ich Neele später mal darauf ansprach meinte sie: „Es gefällt mir. Ich mag mich so. Zu mir gehört auch meine Sexua­lität. Ein wichtiger, ein schöner Bereich, der mir Freude macht, und den ich nicht missen möchte. Warum soll ich so tun, als gäbe es das bei mir nicht, alles was damit zu tun haben könnte unter Kleidern verstecken, die auf keinen Fall etwas davon erahnen lassen. Kleider sollen doch nicht die Funktion haben, die Person zu verbergen, die darin steckt, sie sollen sie eher betonen, auf sie auf­merksam machen, sie ausschmücken. Sie sind schöne Assesoirs aber keine Verhüllungsgegenstände. Ich liebe es nicht, weil ich Männer damit aufregen kann, na ja, vielleicht ist das ja grundlegend schon enthalten. Sein äußeres Er­scheinungsbild versucht man ja schon an den Vorstellungen anderer zu orien­tieren, die einen sehen, und geschlechtlich will die Frau ja schon vom Mann ge­sehen, und als begehrenswert empfunden werden. Grundsätzlich ist es wahr­scheinlich enthalten, aber konkret verfolge ich damit nur das Ziel, meinem Ge­fallen zu entsprechen.“ erklärte sie.

Fast fünf Jahre trafen wir uns jetzt schon, immer im selben Café. Unser Treffen war auch für's Café schon eine kleine Institution geworden und wir schon zu Vertrauten der Eigentümer. Wenn mal eine Woche ausfallen musste, erkundigte man sich in der nächsten nach dem Grund. Vertrauliche Informationen beka­men wir, die uns eventuell abrieten, einen Kuchen zu bestellen, wenn er mal nicht besonders gut geraten war. Wir selbst waren füreinander natürlich auch zu alten Vertrauten geworden, die mittlerweile wohl fast alles voneinander kannten. Nur bei uns zu Hause gewesen, war Neele noch nie, und ich kannte auch ihre Wohnung nicht, hatte noch nie ihren leckeren Apfelkuchen probieren können.

Es lag nicht nur in meinem Interesse, mich mit Neele zu treffen, auch sie liebte es und hatte kein Interesse es zu verringern, auch wenn es ihr oft nicht mehr so einfach möglich war. Sie wohnte zwar weiterhin in ihrer Wohnung in Köln, aber war mittlerweile Professorin in Bonn. Sie schwärmte mir immer vor, wie angenehm es in Bonn sei. Übersichtlicher, gemütlicher, einfach schöner sei es dort. „Und warum ziehst du nicht nach Bonn, wenn es dort so wunderbar ist, sondern fährst jeden morgen von Köln aus hin?“ fragte ich sie. „Dann müsste ich ja samstags immer zu unserem Cappuccino anreisen, das geht doch nicht.“ meinte sie und lachte. Ich musste rätseln, was der tatsächliche Grund sein könne, aber es waren alles nur vage Vermutungen. Neele sprach nicht nur von den Annehmlichkeiten Bonns, unsere Themenschwerpunkte hatten sich kaum verändert. In Wissenschaft und Forschung eigebunden blieb sie ja weiterhin eher mehr als bislang, und über ihre Vorlesungen und Seminare zu diskutieren, war auch interessant. Zur sich immer wiederholenden Routine wurden unsere Treffen nie. Langeweile oder aufkommendes Desinteresse, waren Begriffe, die im Zusammenhang mit unseren Samstagen nicht denkbar schienen.


Verändertes Leben


Niklas wollte im kommenden Semester nach Berlin und dort Jura studieren. Vielleicht gab es ja doch Wege, damit glücklich zu werden, nur ich hatte nicht den für mich richtigen gefunden. Versuchen, es ihm auszureden, wäre eh zwecklos gewesen und hätte nur unser Verhältnis belastet. Alena war sechzehn und brauchte jetzt keinen BH mehr. Claire war schon länger mit halber Stun­denzahl wieder in der Schule und wollte, wenn Niklas nicht mehr zu Haus wäre, wieder mit voller Stelle arbeiten. Natürlich waren wir auch älter geworden, aber obwohl ich mit achtundfünfzig Jahren ja jetzt langsam auf die grausame Grenze von sechzig zusteuerte, kam ich mir überhaupt nicht so vor. Ich emp­fand mich geistig fitter und dynamischer als je zu vor. Ich wähnte mich nicht älter, sondern reger und lebhafter. Irgendwelche Zipperlein oder oder größere Beschwerden, die das Alter ja mit sich bringen soll, waren bei mir trotz fehlen­der sportlicher Betätigung noch nicht angekommen. Mir ging's schlicht rund­herum gut. Sogar der Kanzleialltag schien mich weniger zu belasten. Als ob mich vieles weniger tangierte und unangenehm belastete. Ich kam mir stärker und gelassener vor. Hatten die Veränderungen durch die Gespräche mit Neele meine ganze Persönlichkeit beeinflusst? Unmöglich schien es mir nicht.

Schon eher entstand für mich der Eindruck bei Claire. Ich kam mir immer sehr beschäftigt vor, und womit ich mich auseinander setzte, darüber konnte ich mit ihr nicht reden. Ihr germanistisches Betätigungsfeld an der Sonderschule be­stand darin, die Schülerinnen und Schüler zur Formulierung von sinnvollen Sät­zen in deutscher Hochsprache zu befähigen und sie lesbar und möglichst feh­lerfrei zu Papier bringen zu können. Vielleicht auch ein sprachwissenschaftlich interessantes Feld, aber mit so etwas wollte Clair sich nicht befassen, sie hatte andere Sorgen. Sie hatte zu dem, was mich intensiv beschäftige keinen Zu­gang und es kam mir so vor, als ob das ein Grund sein könnte, der mich ihr langsam entfremdete. Wir schliefen immer seltener miteinander, weil Claire keine Lust hatte.


Claires Freund


Als wir einmal fast vierzehn Tage nicht miteinander geschlafen hatten, verstand ich es nicht mehr. „Claire was ist eigentlich los? Was soll denn werden? So ist das doch kein Zustand mit dem wir leben können.“ forderte ich von ihr eine Er­klärung. Sie begann zu weinen. Trösten lassen wollte sie sich aber von mir auch nicht. „Ich weiß nicht. Ich kann nicht.“ sagte sie nur weinend. „Claire, das kann doch nicht so weiter gehen. Mit ich weiß nicht und ich kann nicht werden wir doch nichts ändern.“ insistierte ich. „Wir werden auch nichts ändern kön­nen,Peter.“ sagte Claire, die sich mittlerweile im Bett hingesetzt hatte und im­mer weiter schluchzend weinte. „Warum werden wir nichts ändern können und warum weinst du die ganze Zeit schon so?“ wollte ich wissen und mich begann es auch ein wenig zu nerven. „Ich habe jemanden kennengelernt, Peter.“ Was? Wie? Claire hatte also einen neuen Freund mit ihren dreiundfünfzig Jahren. Ich glaubte, es gar nicht richtig gehört zu haben. Meine Claire sucht sich einen an­deren Mann als Freund. Ich war fassungslos, wusste nicht, was ich hätte sagen können, wusste nicht, wie und wohin ich schauen sollte. „Claire, was sagst du, du hast einen Freund?“ fragte ich. Sie nickte nur zustimmend. „Und gehst auch mit ihm ins Bett.“ fuhr ich fragend fort, und wieder nickte sie. Sie hatte es ja gesagt, diese Claire, meine Allerliebste, mit der ich unser ganzes Leben gelebt hatte, schlief nicht mehr mit mir, sondern mit einem fremden Mann, liebte ihn mehr als mich. Jetzt fing ich an zu heulen. Ich schien es kapiert zu haben. „Peter, es tut mir so leid. Es ist ganz bitter für mich. Es geht ja nicht gegen dich. Wir sind uns ja nicht böse. Ich mag und liebe dich doch, aber das andere ist einfach da, ich kann's nicht leugnen oder abstreiten, und verbieten lässt es sich auch nicht. Ich wollte es schon früher sagen, aber ich konnte nicht, hab es nicht übers Herz gebracht, weil ich mir vorstellen konnte, wie weh es dir tun würde, und das wollte ich doch nicht. Ich mag dich doch, ich liebe dich doch.“ erklärte sie mir. Meine Tränen liefen nicht mehr, aber gebessert hatte sich für mich nichts. Ich würde doch nicht schlafen können, ich wollte auch jetzt nicht neben Claire liegen bleiben. Hass auf sie empfinden oder selbst ihr böse sein konnte ich gar nicht, obwohl sie mir ja so unbeschreiblich weh tat. Was werden sollte, wie es weiter gehen würde, darüber hätte man reden können, aber ich wollte jetzt nichts davon hören. Ich stand auf und zog mich an. „Peter, bleib doch hier. Mach nichts Dummes, bitte. Wenn ich irgendetwas tun kann, sag es.“ bettelte Claire besorgt. Ich kümmerte mich nicht darum. Auch wenn ich Claire nicht böse war, ertragen konnte ich sie im Moment nicht. Ich ging in mein Zimmer, wollte mich irgend womit ablenken, aber was könnte das sein. Ich nahm ein Buch, indem ich gerade arbeitete, aber ich konnte nicht lesen, konnte mich nicht konzentrieren. Verständlich, es war wohl durch nichts zu verdrängen. Claire kam rein. „Peter ich habe Angst, wenn du hier sitzt und nicht bei mir bist. Es ist wirklich überhaupt nichts gegen dich. Ich will dir doch nicht weh tun, das tut mir doch selber weh. Das wahr immer so und ist jetzt kein bisschen anders.“ sie begann wieder zu weinen und strich mir übers Haar. Das konnte ich allerdings jetzt nicht ausstehen. „Claire lass mich, bitte. Ich möchte jetzt allein sein. Ich werde schon nichts Unsinniges anstellen. Verspreche ich dir. Geh, bitte.“ forderte ich sie auf, mich in Ruhe zu lassen. Was würde denn werden? Sie würde doch nicht morgen sagen, tut mir leid, war alles ganz falsch und reumütig zurückkehren. Sie würde es doch leben wollen, hatte es ja selbst gesagt, dass man es nicht verbieten könne. Es war vorbei. Ich konnte nicht dabei stehen und zuschauen, wie meine Claire jemand anders liebt. Das würde ich nicht ertragen können und auch nicht wollen. Mein Leben mit Claire war durch wenige Worte beendet worden. Im Prinzip ist Liebe ja etwas Schönes, nur wenn man dadurch alles einreißt, das Haus zur Ruine macht, überlegt man denn dabei nichts? Entsteht denn mit einem Klick so eine Begierde, so ein Verlangen, das man für alles andere blind ist? Ich denke nicht, dass mir so etwas hätte passieren können. Ich mochte so eine Claire nicht. Es war ja müßig, darüber nachzudenken, was der andere Mann ihr bot, dass ihr hier gefehlt hätte, aber Anerkennung und Wertschätzung müssen ja schon meistens mit im Spiel sein. Dass sie ihn liebte und dafür alles andere gleichgültig sein ließ, weil er für Claire im Bett interessanter wäre, das konnte ich mir beim besten Willen nicht ausmalen. Dass sie hier zu wenig Anerkennung und Beachtung gefunden hätte, schien mir gar nicht mal so abwegig. Ich war zwar immer nett und freundlich zu ihr gewesen, aber dass mich ihre Tätigkeiten besonders interessiert hätten, kann ich nicht sagen. Für mich genossen meine eigenen Interessen die höchste Anerkennung. Das war nicht immer so gewesen. Früher, vor meinen Gesprächen mit Neele, hatte die Familie mit Claire und den Kindern im Zentrum meiner Interessen gestanden. Obwohl ich die Veränderungen an mir selbst bemerkt hatte, war mir gar nicht bewusst geworden, dass es ja auch mit Auswirkungen auf meine Familie verbunden war. Ich vermutete nicht nur, ich war mir sicher, dass es für Claire mit weniger Beachtung und Aufmerksamkeit verbunden war. Auch wenn sie es nie bewusst formulierte und beklagte, gespürt und empfunden hatte sie es bestimmt. Das macht sie natürlich empfänglich für jemanden, der ihr so etwas zu versprechen scheint. Anerkennung, Aufmerksamkeit, Wertschätzung und Interesse an ihrer Person, alles Bereiche, die im Zentrum einer Beziehung stehen und ihren Kern bilden. Früher hatte Claire das sicher alles überschwänglich in unserem Verhältnis gefunden, doch wir hatten so getan, als ob es selbstverständlich auch immer so bleiben würde, wenn wir jeden Tag, wie den anderen lebten. Ein verhängnisvoller Irrtum, den wir jetzt nicht mehr korrigieren konnten. Ich sollte also selber mit Schuld daran sein, dass es so gekommen war, unsere Beziehung schon vorher nicht mehr in Ordnung war, wir sie immer nur weiter spielten? Wahrscheinlich war es so. Ich hatte mich zwar beruhigt, aber ertragen konnte ich es natürlich nicht. Als ich jetzt wieder versuchen wollte zu lesen, legte ich meinen Kopf auf's Buch und schlief ein.


Die Trennung


Geweckt wurde ich durch Claire, die rein kam um nachzuschauen, ob nichts passiert sei. Sie habe auch die ganze Nacht nicht schlafen können. Ich wollte mich für heute in der Kanzlei krank melden. Claire wollte auch nicht zur Schule gehen. „Das haut nicht hin Claire, wenn du nicht zur Schule gehst, werde ich arbeiten. Ich will nicht mit dir allein hier den ganzen Tag zu Hause verbringen. Das mach ich nicht.“ erklärte ich. Clair ging zur Schule. Als Alena aus der Schule zurückkam berichtete ich ihr, dass Claire einen Freund habe. „Warum das denn?“ entfuhr es ihr entsetzt. Ich machte ihr klar, dass es wohl das Ende unserer Beziehung bedeuten würde, und sie demnächst nicht mehr mit Papi und Mami gemeinsam leben werde. Alena viel mir um den Hals und weinte. „Warum tut die doofe Kuh denn so etwas, die ist doch absolut megabescheu­ert.“ schimpfte sie auf ihre Mutter. Clair würde es ihr sicher aus ihrer Sicht er­klären.

Als ich am Nachmittag mit Claire redete, kam ich aus dem Staunen nicht mehr heraus. Dass wir uns trennten, nein das wollte sie nicht. Als sie mir erklären sollte, wie sie sich es denn vorstelle, hatte sie keinen Plan. Zu ihrem Freund ziehen? Nein das ginge nicht, und das wolle sie auch nicht. In ihrer Naivität tat sie mir fast leid. „Claire ich habe dir erklärt, warum das nicht geht, dass wir hier einfach weiter zusammenleben. Ich will es nicht mehr. Ich möchte, dass wir uns trennen. Wenn du das eigentlich alles gar nicht gewollt hättest, müss­test du es vorher abschätzen, bevor du dich auf so etwas einlässt. Ich möchte auch nicht, dass du dich von deinem Freund trennst, weil dir jetzt die Konse­quenzen klar werden, die du nicht gewollt hättest. Es wird nicht mehr so wer­den. Ein Zurück kann es für mich nicht geben. Ich möchte nicht mehr gemein­sam mit dir leben. Wenn du nicht zu deinem Freund kannst und willst, wirst du dir eine eigene Wohnung suchen müssen. So sehe ich es, und da wird sich nichts dran ändern.“ stellte ich deutlich klar. Jetzt fing Clair an zu weinen. „So etwas habe ich doch alles gar nicht gewollt. Können wir es denn nicht noch mal neu versuchen? Peter ich liebe dich doch, das ist doch mein Zuhause, das will ich doch nicht alles verlieren.“ jammerte Claire, aber ich wollte nicht mehr. Die Frau mit der ich den größten Teil meines Lebens in Liebe gelebt hatte, war mir unangenehm geworden. Ein zurück zu früher war für mich absolut unvorstellbar. Claire weinte in den nächsten Tagen viel, besorgte sich aber eine Wohnung und war in vierzehn Tagen ausgezogen. Es tat mir nicht weh. Ich wusste, wie ich sie geliebt hatte, erinnerte mich wehmütig an unsere herrlichen Erlebnisse und gemeinsamen Erfahrungen, aber die Frau, die ich in den letzten Tagen hier erlebt hatte, mochte ich nicht mehr. Mitleid hätte ich allenfalls für sie empfinden können. Meine glücklichen liebenden Emotionen konnten sich auf sie nicht mehr beziehen. Sie sollte ihr Leben alleine führen. Ich würde lieber so klar kommen. Dass Alena bei mir blieb, stand nie zur Diskussion. Sie hätte es nicht nur gewollt, weil damit keine Umstellungen verbunden waren. Wir beide waren immer prima miteinander ausgekommen, sie fühlte sich von mir besser verstanden, war eindeutig schon immer Daddys Daughter gewesen.


Claire fehlt


Als ich Neele zum ersten Mal, direkt nach der beschlossenen Trennung, dar­über berichtete, fragte sie nur: „Und jetzt?“ Als ich ihr erklärte, dass ich jetzt eben mit meiner Tochter allein leben würde, erkundigte sie sich: „Damit wirst du klar kommen?“ Natürlich, kein Problem. Etwa einen Monat später kam Nee­le auf die Idee, wenn ich jetzt alleine sei, könnten wir uns ja mal bei mir tref­fen, meine Frau irritieren könne es ja nun nicht mehr. „Jetzt war ich schon über fünf Jahre gespannt darauf zu sehen, wie du wohnst. Ich glaube, ich platze vor Neugier.“ lachte sie wieder. Bei den letzten Treffen war Neele zurückhaltender gewesen, hatte kaum gelacht. Ob sie Rücksicht auf meine möglicherweise nicht zu Späßen aufgelegte Stimmung nehmen wollte? Einfach verkraften, mich freuen, das Claire weg war, so war es auch wirklich nicht. Claire hatte zwar in den letzten Tagen keine positiven Emotionen mehr bei mir wecken können, aber jetzt war doch alles anders. Ich freute mich zwar mit Alena, aber zur Fa­milie gehörte Claire dazu. Die Claire der letzten Tage tauchte hier nicht auf, sondern die von vorher, und die fehlte jetzt. Das war schade und gefiel mir nicht. Als Niklas gegangen war, hatte er auch zuerst gefehlt, es wäre zwar schöner, wenn er dagewesen wäre, aber man konnte es akzeptieren. Jetzt war es anders. Ohne Claire wurde das Bild nicht komplett. Es blieb immer ein Tor­so. Ich redete mit Alena viel über die negativen Auswirkungen für sie. Ich woll­te, dass sie sich rechtzeitig damit auseinandersetzte, es nicht einfach unreflek­tiert erfuhr und möglicherweise Schäden für ihr ganzes Leben davon trug, wie Neele, die mittlerweile auch schon zweiundvierzig war, und sich immer noch nicht für einen Mann entscheiden konnte. Ich liebte sie, die junge siebzehnjäh­rige Frau, die meine Tochter war, und sie gab mir die Liebe zurück, machte meinen Alltag bunt, beglückte ihn mit ihrer jugendlichen Blüte, und vermittelte ihm ihre lebendige Frische. „Ist es denn wirklich unmöglich, dass ihr es noch­mal versuchen könnt?“ meinte sie eines Abends beim Abendbrot, „Mami ist todunglücklich und verflucht sich jeden Tag erneut für das, was sie angestellt hat. Mit ihrem damaligen Freund hat sie fast sofort Schluss gemacht. Sie konn­te ihn nicht mehr ertragen. Für sie war er wohl der Schuldige, der ihr das alles eingebrockt hatte, was sie nie gewollt hatte.“ „Alena, diese absolut dämliche Naivität, Familie und lieben Mann zu haben, sich aber ohne an irgendetwas zu denken, einen Freund zulegen, und das im Alter von dreiundfünfzig Jahren. Das hat sie gemacht. Das ist da. Das kann man nicht wieder ungeschehen machen. Das gehört jetzt mit zu ihrem Bild, das ich von ihr habe. Das gefällt mir nicht. Ich werde es nie mehr anerkennend achtend lieben können, auch wenn sie es noch so sehr bereut und sich entschuldigt, sie kann es nicht ungeschehen machen. Es wird nicht mehr so werden können wie früher. Ich möchte nicht mit deiner Mutter eine gequälte Beziehungstortur versuchen. Das will ich nicht, dafür sind sie und unsere frühere Beziehung mir zu schade. Ich möchte meine Erinnerungen daran nicht zermartern. Sie wird sich auch ein neues Leben entwickeln müssen. Für uns ist es doch auch nicht einfach, dass es unser früheres Leben nicht mehr gibt. Claire fehlt uns beiden. Nur ich kann sie nicht zurückrufen, meine Claire gibt es nur noch in Erinnerungen.“ versuchte ich zu verdeutlichen. Alena schaute mich an, nickte mit dem Kopf und viel mir um den Hals, wobei sie mir mit einer Hand den Hinterkopf streichelte. Als sie mich wieder losließ, meinte sie mit leicht coolem Unterton aufmunternd: „Dad, wir schaffen das schon.“


Neele kommt


Neele war gekommen und als Alena den Raum betrat und ich Neele erklärte, dass sie meine Tochter sei, war ihre erste Reaktion: „Ah, sie tragen ja gar kei­nen BH!“ Ich musste schrecklich lachen, Neele lachte über sich selber und die arme Alena stand verdutzt unsicher grinsend dabei. „Wieso? Sollte ich das?“ fragte sie leicht grinsend Neele. Alena sollte aufgeklärt werden, nur stellte ich vorher klar das Neele und Alena ja auch verwandt seien und sich doch bitte du­zen sollten. Alenas BH-Geschichte gab natürlich Anlass zum Lachen. „Ja, ja ich erinnere mich genau. Das muss so vor sechs sieben Jahren gewesen sein. Als Mami dann endlich mit mir einen kaufen gegangen ist, hat sie mürrisch ge­meint, ich sollte mich mal bei Daddy bedanken, sonst hätte ich keinen ge­kriegt. Du stecktest also dahinter. Ja, dann ein bisschen spät nachträglich noch vielen Dank.“ erinnerte sich Alena zur allgemeinen Erheiterung, „Ist das nicht bescheuert, erst wenn man diesen dämlich Fetzen Stoff hat, fühlt man sich richtig anerkannt.“ Es sei nur das Zeichen, das für vieles mehr stehe, was zwar nicht benannt werde, worüber aber allgemeiner unwidersprochener Konsens bestehe. Neele fuhr fort und kam ins Philosophieren aber immer in verständlich volkstümlicher Sprache. Unterbrochen wurde sie erst durch Alena, die stau­nend anerkennend meinte: „Du bist aber voll gut drauf.“ Wir bogen uns und Neele erklärte noch lachend: „Ja, das muss ich auch schon mal sein, sonst könnte ich vielleicht Schwierigkeiten bekommen.“ Ich klärte Alena auf, die dar­aufhin meinte: „Alle Achtung, wie kann man als Frau denn so etwas schaffen?“ „Genauso wie Männer auch, vielleicht sollte frau sich nur nicht all zuviel um sie kümmern, ist meine persönliche Meinung.“ antwortete Neele. „Aber um Dad kümmerste dich?“ war Alenas Frage, die wieder Lachanfälle auslöste. „Seid doch nicht so albern, jedes mal, wenn ich etwas sage, fangt ihr an zu geiern. Wie die Kinder.“ beschwerte sich Alena. „Alena, meine Liebe,“ versuchte ich zu erklären, „wir lachen nicht über dich. Du kennst nur die Zusammenhänge nicht,und da wirkt dann manches schon mal kurios. Aber ein wenig hast du vielleicht auch Recht, wir lachen ganz gern, besonders Neele.“


Alena und Neele


„Bist du denn jetzt Dads Freundin oder nicht?“ insistierte Alena. Neele sagte nicht ja oder nein oder etwas dazwischen, sondern sie erklärte unsere Ge­schichte und dass wir uns jetzt noch immer träfen, um uns zu unterhalten, so auch heute. Sonst hätten wir uns immer im Café getroffen, damit ihre Mami da nichts Falsches vermute. Alena war absolut interessiert. Sie wusste zwar, dass ich mich samstags immer mit jemandem traf, hatte aber gedacht es sei so eine Art Stammtisch gewesen und nie weiter nachgefragt. Jetzt wollte sie von Neele alles wissen, auch wie genau sie es bis zur Professorin gebracht hatte, ließ sie sich noch mal detailliert erklären. Die Fragen zur Männerbevorzugung disku­tierten sie, wobei Alena meinte, viel zu wenig Ahnung zu haben. Die beiden hätten sich wahrscheinlich das ganze Wochenende unterhalten können. „Alena, Neele ist eigentlich hier, weil wir beide uns unterhalten wollten. Jetzt wird sie gleich schon wieder gehen müssen, und wir konnten noch kein Wort miteinan­der reden.“ unterbrach ich das Gespräch der Beiden. „Lass doch, Pit. Ich habe heute Zeit, und mir gefällt es, mich mit Alena zu unterhalten. Sie ist ja richtig gierig.“ lachte Neele, „Tolle junge Frau, deine Tochter.“ Alena strahle und fügte dem hinzu: „Dad, und deine Neele ist 'ne supertolle junge Frau.“


Neele bleibt über Nacht


Es war Abendbrotzeit, ich hatte noch kein Wort mit Neele gewechselt, und sie machte keinerlei Anstalten, als ob sie langsam mal wieder aufbrechen müsste. „Neele, du bleibst doch zum Abendbrot, nicht war?“ rief ich zu den beiden rü­ber. „Ja, ja!“ rief Neele knapp zurück, als ob sie nie etwas anderes vorgehabt habe. Ich bereitete das Abendbrot zu, Neele war gerade zur Toilette und Alena kam zu mir. „Dad, die Neele ist eine total superaffengeile tolle Frau. Liebt ihr euch eigentlich oder nicht?“ fragte sie. „Alena, Neele ist siebzehn Jahre jünger als ich. Wir mögen uns gut leiden, sind sehr gut befreundet und kennen uns eben schon sehr lange. Das ist alles. Mehr ist nicht. Außerdem war ich ja auch noch bis vor ein paar Wochen mit Claire zusammen.“ antwortete ich. „Die Nee­le mag dich, glaube ich, sehr gern.“ sagte sie noch, bevor Neele zu uns an den Küchentisch kam.

„Neele, wir kaufen immer sehr kleine Mengen für uns beiden und natürlich nur das, was wir mögen. Wurstaufschnitt gibt es zum Beispiel gar nicht, weil den keiner von uns isst.“ entschuldigte ich die nach meiner Ansicht relativ spärliche Tafel. „Oh je,“ meinte Neele, „ich brauche aber unbedingt mein Salamibrot und mein Blutwurstschnittchen.“ mittlerweile freute sich Alena noch mehr über Neeles Scherze als sie selbst, „Pit, du bist nicht gescheit. Für mich ist das eine fürstliche Tafel, wie ich sie bei mir nie bekomme. Sei stolz drauf und entschul­dige dich für nichts, das ist lächerlich.“ Am Abendbrottisch unterhielten wir uns noch weiter, obwohl schon längst keiner mehr aß. Neele hatte sich auch noch Wein nachschenken lassen, und wollte mit dem Taxi nach Hause fahren. Ein Glas sei zu wenig, wenn Alena sie den ganzen Nachmittag sich die Kehle habe trocken reden lassen. Alena schien total happy zu sein. Es überraschte mich, wie pfiffig und eloquent sie parieren konnte, und wenn sie etwas Lustiges erzählen wollte, lachten wir meistens schon alle, bevor die Geschichte zu Ende erzählt war. Mir fiel auf, dass ich sie ganz anders wahrnahm. Sie gehörte voll dazu. Als die kleine Jugendliche konnte ich sie gar nicht mehr sehen. Wenn das auch morgen so bleiben sollte, empfände ich es großartig. Mittlerweile war es schon 22:00 Uhr geworden. Alena bekam keinen Wein mehr, und Neele ließ immer noch nicht erkennen, dass sie nach Hause müsse. „Neele, du kannst auch hier schlafen, wenn du möchtest.“ bot ich ihr an, obwohl ich das im Grunde gar nicht wollte, „wir haben mehrere freie Betten. Nur du hast ja nichts dabei, was du eventuell brauchtest. Alena vielleicht kannst du Neele da helfen?“ „Nein, eigentlich möchte ich das nicht, aber mir gefällt's richtig gut bei euch. Würden wir denn morgen früh wieder zusammen frühstücken? Dann müsste ich mir das vielleicht doch nochmal überlegen.“ antwortete sie und Alena drängte sie: „Ja bitte, Neele bleib doch, du kannst alles von mir benutzen, und du brauchtest nicht zweimal das Taxi löhnen. Das wäre doch gaga, wenn du hier schlafen kannst. Mach doch so etwas nicht.“ Die beiden schauten sich an, und Alena schien Neeles Anwort verstanden zu haben. „Na, siehst du, hätte ich auch nicht anders von dir erwartet.“ meinte sie während sie über Neeles Unterarm strich. Mir war das alles nicht so angenehm. Neele würde vielleicht noch mehr trinken und käme eventuell auf andere Gedanken. Das wollte ich nicht, aber dass sie sich von mir zurückgewiesen fühlte, wollte ich auch nicht direkt. Ich wollte unser Verhältnis so behalten, wie es war. So gefiel es mir gut und befriedigte mich. Dass sie heute einfach so den ganzen Nachmittag und Abend hatte hier bleiben können, war ja schon sehr sonderbar. Wir hatten mal darüber gesprochen, wie ausgefüllt bei ihr alles sei. Viel Luft habe sie eigentlich gar nicht. Sie hatte sich schon eine Putzfrau zugelegt, weil sie selbst nie dazu kam. Allenfalls mal am Sonntagnachmittag ein kleiner Spaziergang, aber der müsse auch häufig ausfallen. War es ein ungewöhnlicher Zufall, oder wollte Neele etwas anderes. Es konnte doch keine gemeinsame Perspektive geben. Ich konnte doch als Opa dieser jungen Frau nicht das Leben verbauen. Nein, dafür war sie mir viel zu kostbar. Sie wollte ja auch gar keinen Mann dauerhaft um sich haben. Fürs Bett wäre ein Freund nicht schlecht. Sollte ich so etwas machen? Nein das würde ich nicht tun. Neele ab und an abends zum Ficken besuchen? Nein, keinesfalls. Aber was wollte sie dann. Alena gegenüber hatte sie ja auch erkennen lassen, dass sie mich sehr gern möge. Was auch immer, heute Abend mit ihr ins Bett gehen, würde ich auf keinen Fall.


Neele über Alena


Alena ging ins Bett, und ich saß noch mit Neele zusammen. „Ein sehr sonder­barer Tag war das, nicht wahr.“ suchte ich Neeles Zustimmung. „Nein,“ korri­gierte sie mich, „ein sehr wunderbarer Tag war es. Ich wüsste nicht, dass ich je so einen ausgefüllten, spannenden und lustigen Family-Day erlebt hätte. Pit, du hast eine wunderbare Tochter, du musst dich um sie kümmern. Die hat Hunger, die ist gierig, Nahrung, Futter braucht die. In ihr brennt ein heißes Feuer und man lässt es verglühen. Von ihren Freundinnen bekommt sie nur Tand angeboten und von den Lehren gibt’s nur langweilige Hausaufgaben. Sie will alles wissen, aber keiner hat Lust daran, sie zu informieren, keiner zeigt ihr Wege zu neuen Horizont, die sie gerne erforschen möchte. Alena vertrocknet so, und sie weiß es, hat sich schon damit abgefunden. Pit, du liebst sie doch, da kannst du doch nicht daneben stehen und zusehen. Lass sie teilhaben an allem, was dich interessiert. Wenn du sie für voll nimmst und ihr Beachtung schenkst, wird sie dich mit ihren Fragen unterstützen und dir weiterhelfen. Liebhaben, Schmusen und nett sein ist sicher ganz wichtig, aber das ist nicht alles, das ist nicht die Welt, allein reicht das nicht. Bitte Pit, kümmere dich um sie, wenn du's nicht tätest, machte mich das sehr traurig.“ Natürlich, völlig Recht hatte Neele. Warum sah ich so etwas nicht. Ich hatte es doch an mir selbst erlebt, wie es mich hatte aufblühen lassen, aus mir einen anderen Mensch gemacht hatte. Warum fiel mir so etwas bei Alena nicht ein. Sollte für sie nett und freundlich sein reichen? Alles andere musste die junge Frau in ihrer Welt mit sich allein ausmachen. Ich konnte unbeabsichtigt anscheinend sehr brutal zu meiner Liebsten sein. Es sei sehr schön gewesen aber auch anstrengend, sie sei richtig müde, ich solle ihr nicht böse sein, aber sie würde jetzt gern ins Bett gehen, erklärte Neele. Nein, wunderbar, ich war nicht böse, sondern froh. Keine von den befürchten Komplikationen eigetreten. Erleichtert und gut gelaunt ging ich auch ins Bett.


Guten-Morgen-Kuss


Am Sonntagmorgen um halb zehn war von Neele immer noch nichts zu sehen und zu hören. Alena schickte mich, sie wecken. Als ich das Zimmer betrat, schlief sie noch. Sie wurde erst wach, als ich sie ansprach: „Neele, Guten Mor­gen, es ist schon halb zehn. Wir würden ganz gerne frühstücken, aber wenn du noch ein wenig schlafen möchtest, warten wir noch.“ Als sie ihre Augen auf­schlug, hatte ihr erster Blick fast erschrocken gewirkt, aber sie schien sich so­fort orientiert zu haben und verzog ihren Mund zu einem breiten verträumten Smilen. „Nein, nein, ich stehe auf. Ich habe wunderschön geschlafen.“ erklärte mit zu Beginn noch nicht eigespielter knarzender Stimme. „Pit, du musst mich mit einem Guten-Morgen-Kuss wecken.“ forderte sie mich auf. Ich schaute sie leicht erstaunt an, gab ihr einen Kuss. Später beim Frühstück erläuterte Neele, dass sie immer von ihrer Mutti mit einem Kuss geweckt worden sei. Wunderbar sei es, als ob man aus der Schlafwelt kommend in der Welt der wachen Men­schen als erstes begrüßt würde mit einem 'Du bist willkommen, wir mögen dich.' Das erste, was man morgens beim Wachwerden von der Welt erfahre, sei ein Liebeszeichen, ein Zuneigungssymbol. „Das ist nicht übel. Ein schöner Be­ginn ist das. Mir hat es immer viel bedeutet. Wenn eine liebe Person dir einen Kuss gibt, löst es immer angenehme Emotionen aus, und so stehst du dann auf. Dass ich morgens verknatscht und mürrisch gewesen wäre, daran kann ich mich nicht erinnern. Und wenn du es über Jahre so erfahren hast, habituali­sierst du die Aufwachsituation, auch wenn die Mutti dir keinen Kuss mehr gibt. Wenn ich morgens die Augen aufmache, geht für mich immer eine Sonne auf. Ich bin beim Wachwerden und Aufstehen immer gut drauf.“ erläuterte Neele und Alena reagierte mit einem entzückten: „Schön! Dad das musst du auch bei mir machen. Bald ist es zu spät. Ich glaube ich kann das ein wenig nachempfinden. Ich habe es auch viel lieber, wenn Dad reinkommt und mich weckt, als wenn ich von dem blöden Wecker aufstehen soll. Ich höre den manchmal gar nicht, obwohl der tierisch laut und nervig ist. Vielleicht will mein Unterbewusstsein den nicht hören, weil ich von Dad geweckt werden will.“ „Ja, das ist wirklich möglich.“ reagierte Neele, „als ich klein war wurde mein Vater immer zu Hause geschäftlich angerufen, selbst an Wochenenden. Er konnte es nicht ausstehen, und irgendwann hörte er kein Telefonklingeln mehr. Meine Mutter schickte ihn zum Ohrenarzt, weil er ja schwerhörig sein musste, aber es war alles völlig o. k. Sein Gehirn hatte beschlossen, die als Telefonklingeln interpretierbaren Reize von den Ohren nicht mehr seinem Bewusstsein zugänglich zu machen. Ich muss aber jetzt bald fahren. Das war ja wie ein nicht eingeplantes Urlaubswochenende. Es hat mir wunderbar gefallen. Ihr beiden seid herrliche Menschen. Alena, du kannst auch deinen Dady fragen, der weiß sehr, sehr viel, anscheinend will er's vor dir nur verheimlichen und für sich behalten. Und wenn er etwas nicht weiß, soll er sich drum kümmern, dafür ist dein Dad doch da. Der hat einen UB-Ausweiß und kann fast alle Bücher, die es gibt bekommen. Halt ihn in Bewegung, das tut ihm gut.“ „Kommst du am nächsten Wochenende wieder zu uns?“ fragte Alena als wenn sie von einem 'Ja' ausginge. Neele holte tief Luft und antwortete: „Alena, wenn's danach ginge, was mir am besten gefiele, käme ich bestimmt, aber ich habe dir ja gestern schon erklärt, was ich alles zu tun habe. Ich mache das gerne und es ist mir für mich selber wichtig, dass ich es gut mache, nur braucht es dann sehr, sehr viel Zeit. Für den Samstag habe ich mir immer zwei Stunden reserviert, weil mir das auch sehr wichtig ist, aber sonst ist so gut wie alles belegt. Ich werde zum Beispiel von gestern auch einiges nachzuarbeiten haben, was ich mir eigentlich vorgenommen hatte. Wenn wir uns wieder hier treffen, habe ich Angst, dass ich mich wieder von dir verführen lasse, undiszipliniert zu sein, dazu mag ich dich viel zu sehr.“ Alena strahlte und meinte: „Wir können das ja so machen so machen, dass ich euch ganz bestimmt nicht störe. Ich finde es einfach auch schön, wenn du nur zum Kaffeetrinken hier bist und dich mit Dad unterhältst. Dass ihr euch im Café trefft, damit ich euch nicht störe, das ist doch albern.“ „O. k.,“ lachte Neele, „wir können's ja mal versuchen. Ist dir das denn auch Recht, Pit?“ fragte sie zu mir gewandt und ich nickte Zustimmung.


Neele heiraten


Ob mir das so recht war, und ich es auch begrüßen sollte, wusste ich gar nicht. Ich mochte Neele sehr, im Café mit ihr zu diskutieren, gefiel mir sehr gut, aber wenn sie häufiger bei uns sein sollte, würde es den Charakter unserer Gesprä­che verändern. Auch jetzt hatte es mir ja gut gefallen, wie sie sich um Alena gekümmert hatte, wie wir uns abends lange unterhalten hatten, als einmaliges Ereignis völlig in Ordnung, aber dass es dauerhaft familiärer werden würde, behagte mir eher nicht. Keinesfalls weil ich Neele nicht gern genug gemocht hätte, eher das Gegenteil. Ich wollte es nicht auf die Bahnen zu amourösen Querelen kommen lassen, das hatte überhaupt keine Perspektive, die mich hätte erfreuen können, und ich wollte auch zum Beispiel gar nicht erst die Möglichkeiten zulassen, dass es dazu kommen könnte, dass ich mich in Neele verlieben würde. Diese Ebenen wollte ich nicht betreten, und je familiärer unsere Treffen würden, umso größer war die Gefahr.

Alena versuchte mir, nachdem Neele gefahren war, intensivst klar zu machen, dass ich Neele unbedingt heiraten müsse, warum es wie nötig und möglich sei und Neele bestimmt damit einverstanden sei und es sogar wünsche. Sie habe bezweifelt, dass sie sich in einen wesentlich älteren Mann verlieben könne. Ale­na habe ihr verdeutlicht, woher diese Einstellung käme und was bei der Liebe entscheidend sei. Wenn man das so sehe, spiele der Altersunterschied über­haupt keine Rolle. „Das heiß doch, wenn sie dich liebt, ist es ihr völlig gleich­gültig, dass du siebzehn Jahre älter bist als sie, und ich bin fest davon über­zeugt, dass sie dich liebt. Wenn du hörst, wie sie von dir und über dich spricht, so kann man nur von seinem Liebsten, von dem man träumt, sprechen. Dad, wenn du überhaupt noch wieder eine Frau findest, so eine wie Neele findest du auf keinen Fall, weil's die nämlich nur einmal gibt. Dad so eine tolle Frau, die so klug ist, die so viel weiß und kann und trotzdem so nett und auch noch so lustig ist, wo soll es die denn geben? Ich habe so eine Frau noch nie irgendwo gesehen.“ versuchte Alena mich eindringlich zu bearbeiten. „Alena, ich kann deine Begeisterung gut verstehen. Ich finde Neele ja auch klug und freundlich und lustig. Ich mag sie ja auch sehr und treffe mich ja schon seit sechs Jahren jede Woche mit ihr. Würde ich bestimmt nicht mehr machen, wenn ich sie nicht toll fände und für eine großartige Frau hielte. Es gibt nur zwei Gründe, weshalb es mehr als jetzt mit Neele und mir nicht geben wird. Neele will gar nicht mit einem Mann in einer festen Beziehung leben, das würde sie zu sehr belästigen und stören, dafür hätte sie gar keine Zeit. Und bei mir ist das im Moment so, dass ich auch gar keine Lust habe, mich mit so etwas zu beschäftigen. Ich habe Claire sehr geliebt und den größten Teil meines Lebens glücklich mit ihr verbracht. Das ist einfach so zerstört worden, als ob es nichts bedeute, das tut immer noch weh, die Wunde ist noch nicht verheilt. Da an Liebe und Glück mit einer anderen Frau zu denken, fällt mir sehr schwer und gehört im Moment nicht zu meinen Wünschen.“ erklärte ich Alena. Sie antwortete nicht, gab mir einen Kuss und ging in ihr Zimmer.


Neeles Integration in die Familie


Als Neele am nächsten Wochenende kam, überschlug sich Alena. Sie hatte sich extra bei Neele erkundigt, welchen Kuchen sie bevorzuge. Alles war vorhanden und Kerzen sorgten für das Wohlgefühl. Bevor Neele wieder ging, wollte sie mit Alena sprechen. Fast eine ganze Stunde hockten sie zusammen. Neele hatte ihr Zeiten genannt, wann sie am besten telefonisch zu erreichen sei und ihr an­geboten, gemeinsam mit ihr ins Kino oder ins Theater zu gehen. Alena war überaus glücklich. Mir erklärte Neele beim nächsten Mal, Alene habe keine Mutter mehr, eine junge Frau brauche das Bild einer Frau, das ihr Orientierung geben könne, und gegen ihre leibliche Mutter hege sie ja eher Aversionen, als dass sie ihr freundlich anerkennend zugetan sei. Sie habe ihr, so wie Alena es darstelle, auch wohl nichts zu bieten, sondern versuche sie eher wie ein Kind zu behandeln. Wenn Neele sich ein wenig um sie kümmere, würde ihr das si­cher sehr gut gefallen und ihr auch helfen. Natürlich, natürlich, wunderbar, nur andererseits behagte mir die Nähe, die dadurch entstand, dass Neele jetzt schon für Alena Mutterfunktionen übernahm überhaupt nicht. Nein ich wollte es eigentlich nicht, kam mir aber machtlos vor. Ich hatte keine Lust mehr, mir darüber Gedanken zu machen. Ich würde es einfach laufen lassen, wie es lief, würde auf mich zukommen lassen, was da kam. Was sollte ich denn tun? Sollte ich strikt darauf bestehen, dass wir uns wieder im Café trafen? Keiner hätte das gewollt oder verstanden. Neele war gern bei uns und Alena freute sich, wenn sie Neele sah. Jetzt hatte sie Neele vorgeschlagen, unsere Treffen doch später beginnen zu lassen, so dass sie zum Abendessen bleiben könne. Das müsse sie ja schließlich zu Hause auch, und gemeinsam sei es doch schöner. Die beiden würden ihre Gemeinsamkeiten immer weiter ausdehnen. Warum sollte Neele nicht bei uns übernachten, schlafen müsse sie ja schließlich zu Hause auch. So würde es sich weiterentwickeln, bis Neele eines Tages voll in unseren Haushalt und unsere Familie integriert wäre, uns mit Alenas Unterstützung schleichend okkupiert hätte. Ob ich es mal mit Neele deutlich ansprechen sollte, welche Perspektive sie sehe und was sie sich vorstelle. Das wäre ja albern gewesen. Es waren ja alles nur kleine Nettigkeiten und Erfreulichkeiten. Die großen Linien zeichneten sich ja nur in den Befürchtungen und Unsicherheiten meines Kopfes ab.


Kein Tanz mit Neele


„Sag mal, Pit,“ meinte Neele eines abends beim Essen, „ich habe dich zuerst für unzuverlässig gehalten, weil du dein Versprechen nicht einhieltest. Das hat sich ja alles geklärt, aber weißt du eigentlich, dass du mir noch etwas verspro­chen hattest?“ Neele, nein, nicht dass. Sofort war es mir gegenwärtig. Ich war sicher, sie hätte es vergessen oder es interessiere sie nicht mehr. Als wir über das Tanzen gesprochen hatten, war davon auch nichts erwähnt worden. Dass sie es in ihrem angesäuselten Zustand gesagt hatte, war ja erklärlich, aber warum musste sie jetzt darauf zurückkommen. Nein ich wollte davon nichts hören. „Nein, was denn?“ log ich. „Du wolltest mit mir tanzen, wenn ich wieder nüchtern wäre.“ klärte mich Neele auf. „Das ist zu lange her. Daran kann ich mich nicht mehr erinnern.“ log ich erneut. Neele schaute mich skeptisch zwei­felnd an. Sie glaubte mir nicht. „Tanzt du nicht mehr gerne? Bist du vielleicht zu alt geworden?“ fragte sie provozierend. Alena hörte mit großen Augen zu. Sie wusste natürlich überhaupt nicht, worum es sich handelte. Neele bekam es mit und klärte Alena auf, in dem sie ihr erläuterte: „Pit ist ein ganz schlimmer. Er verführt die Frauen beim Tanzen. Mich hat er vor sechs oder sieben Jahren zweimal verführt. Kann einem ja schon mal ganz gut gefallen, mir gefiel's je­denfalls. Er hat mir versprochen, das wir es wiederholen, ganz oft sogar. Und jetzt will er alles vergessen haben. Kannst du dir erklären warum.“ Alena lä­chelt nur aber richtig verstehen konnte sie natürlich nicht. „Ja, und wie macht er das, wie geht denn so etwas, drückt er die Frau dann ganz fest an sich. Dad was machst du für Sachen?“ meinte sie zu mir gewandt. „Nein, nein, das macht er nicht. Er tanzt ganz lieb und brav, aber zum Schluss hast du das Ge­fühl, dass du unbedingt mit ihm ins Bett willst. Woher das kommt, weiß ich auch nicht. Vielleicht hat er ja so magische Kräfte. Vielleicht hat das ja auch nur bei mir gewirkt. Ich weiß es überhaupt nicht. Wir können ja mal 'ne Party machen, er hat es mir ja sowieso versprochen, vielleicht bekommen wir's dann heraus.“ schlug Neele vor „Nein, das machen wir nicht.“ lehnte ich Neeles Vorschlag harsch und kategorisch ab. Neele und Alena erschraken. Wie ich reagiert hatte, war völlig falsch gewesen. Mein ungewöhnliches Verhalten weckte natürlich erst recht Interesse. „Was ist denn los? Warum regst du dich denn so auf? Was hast du denn gegen eine Party?“ wollte Alena wissen. „Weil ich nie mehr mit Neele tanzen werde.“ antwortete ich.


Offenbartes Geheimnis


Immer sagte ich das Falsche. „Was ist das denn? Du wirst nie mehr mit mir tanzen? Warum das denn nicht. Pit, erkläre, was du verbirgst.“ forderte mich Neele auf. „Nein, das kann ich nicht und will ich auch nicht. Ich habe noch nie einem Menschen davon erzählt und ihr werdet es auch nicht erfahren. Es ist für mich vorbei, ich will da nichts mehr mit zu tun haben.“ antwortete ich. Jedes mal wenn ich etwas gesagt hatte, viel mir hinterher auf wie dumm es war. Ich machte die Angelegenheit nur obskurer und die Zuhörer neugieriger. Neele wollte es sicherlich auch dringend wissen, nur sie war geschickter, ließ sich auf mich ein, meinte vergessen könne ich es ja wohl nicht, ob ich mich denn manchmal dadurch belastet fühle, ob es etwas sei, dass für mich tiefgreifende psychische Bedeutung habe, ob es denn für meine Persönlichkeit eine große unangenehme Bloßstellung bedeute, weshalb ich noch mit jemandem darüber gesprochen habe. Zwischendurch bemitleidete sie mich und wollte wissen, ob sie mir denn nicht irgend wodurch helfen könne. Wer es denn anders machen könnte außer meiner geliebten Tochter und meiner vertrauensvollen Freundin. Zum Schluss war ich der Ansicht, wenn ich je mit einem Menschen darüber re­den wollte, der mich deshalb mit Sicherheit nicht für ein Monster hielt, sonder garantiert mich verstehen wollte, dann waren es Neele und Alena. „Na gut, ich will es mal erzählen, aber ihr müsst mir garantieren, das ihr es mit absoluter Verschwiegenheit behandelt und nie irgendeinem anderen Menschen, auch eu­ren engsten Vertrauten, nie etwas davon erzählen werdet. Dass immer nur wir drei es bleiben werden, die es wissen.“ begann ich und erzählte die ganze Ge­schichte mit der Hand. Wie es bei Neele begonnen habe, wie ich mich damit gequält hätte, dass ich selber nicht daran glaube, es aber immer funktioniert habe. Deshalb hätte ich beschlossen, nichts mehr damit zu tun haben zu wol­len und es nie mehr ausprobieren zu wollen. Die beiden hatten mit großen Au­gen zugehört. Sie schauten mich an. Keine wusste, was sie sagen sollte. Neele strich mir über die Wange. „Und seit dem Versuch bei deiner Frau in Belgien damals hast du es nie wieder ausprobiert?“ fragte Neele. Ich schüttelt mit dem Kopf. „Neele, ich will damit nichts zu tun haben. Wenn es wirklich so funktio­niert, wie es sich mir dargestellt hat, will ich so eine Fähigkeit nicht besitzen, zumindest auf keinen Fall Gebrauch davon machen, und wenn es sich um Ge­spinste in meinem Kopf handelt will ich so etwas auch nicht betreiben. Diese ganze Angelegenheit mit der Hand ist für mich seitdem vorbei. Du hast es jetzt wieder mit dem Tanzen und verführen aufgewühlt.“ erläuterte ich. Nachdem das anfängliche sprachlose Staunen vorüber war, bot das Thema natürlich An­lass zu einer endlosen Diskussion. Es wurde so spät, das Neele wieder zum Schlafen blieb. Alena meinte zwischendurch, dass man es doch nicht nur nega­tiv sehen dürfe. Den Geheilten sei es doch letztendlich gleichgültig, durch den Einfluss welcher Faktoren sie geheilt worden seien, nur ohne Heiler wären sie jetzt noch krank. Ich solle doch mal versuchen, ob ich mit meiner Hand nicht auch etwas anderes könne, als Frauen verführen. Das hätte ich doch noch nie ausprobiert. Wenn sie mal krank sei, solle ich das doch mal versuchen, wenn sie dann merke, dass sie Lust bekomme, mit mir zu ficken, da könne sie sich schon bremsen. Neele war der Ansicht, dass ich wahrscheinlich über eine außergewöhnlich hohe Sensibilität verfüge. Sie erinnere sich daran, dass es ihr damals bei meinen Stories auch häufiger aufgefallen sei. In Westfalen gebe es zum Beispiel relativ viele Menschen, die über das sogenannte zweite Gesicht verfügten, sie sähen etwas, dass sich später ereigne. Alles nicht verifizierbar, reine Hellseherei, aber die ganz einfachen Menschen sähen etwas, konstruierten unerwartete Bilder, wahrscheinlich nur ungewöhnliche Fähigkeiten des Gehirns, über die andere nicht verfügen. „Vielleicht passiert bei dir ja auch etwas Ungewöhnliches, wenn du dich ganz stark konzentrierst. Aber ich habe ja beide Male etwas gemerkt, und das war keine Fiktion, das war Fakt.“ bemerkte Neele. Am nächsten Morgen beim Frühstück wollten wir nicht mehr darüber reden, aber immer wenn eine der beiden irgendetwas zu dem Thema gehört hatte, sprach sie mich darauf. Neele hatte dadurch, dass nur sie und Alena jetzt die Zusammenhänge kannten, ein Eintrittsbillett zum intimsten Familienkreis erhalten. Mir war es auch recht, sie gehörte ja sowieso dazu, und ich mochte sie ja sehr gern.


Neeles Liebestanz


Mittlerweile blieb sie meistens von samstagabends bis sonntagmorgens. Der gemeinsame Samstagabend wurde selbstverständlich und wir machten auch andere Dinge als nur gemeinsam diskutieren und sich unterhalten. „Pit, können wir denn nicht mal zusammen tanzen? Ich würde schrecklich gern. Mein Kleid hat ja auch keinen freien Rücken und wenn du dich nicht auf deine Hand kon­zentrierst, passiert doch nichts. Ich habe da keine Angst vor.“ bettelte Neele ei­nes Abends. Sie hatte ja Recht. Ich brauchte ja auch keine Befürchtungen mehr haben, Neele wusste ja alles. Mit meiner Hand auf ihrem Rücken ereigne­te sich auch nichts, aber Neele schmiegte sich so eng und fest an mich wie es ging. Sie legte einen Arm um meinen Hals und ihren Kopf auf meine Schulter. Neele, meine Liebe, was hatte sie vor? Zum Ende des Tanzes bekam ich einen Kuss. Meine großen Augen, mit denen ich sie ansah, veranlasst sie zu der Er­klärung: „Pitty, ich bin eine Frau, du scheinst das gar nicht zu merken.“ Mir ging alles durch den Kopf. Neele wollte offensichtlich, dass wir uns liebten. Wollte sie heute Nacht mit mir ins Bett oder etwas anderes, nach Alenas Wor­ten wohl eher . „Neele, ich bin jetzt neunundfünfzig und werde bald sechzig ...“ „Bla, bla, bla, bla, bla,“ unterbrach mich Neele, „Was redest du für ein Ge­wäsch. Willst du mir deinen Personalausweis aufsagen. Pit, das will ich nicht von dir hören. Kannst du dir denn gar nicht vorstellen, was ich gern hören möchte. Was eine Frau, die einen Mann seit Jahren liebt, gerne von ihm hören möchte?“ Neele standen die Tränen in den Augen. Ich kniete neben ihr auf der Couch und drückte ihren Kopf an meine Brust. „Neele, ich habe jahrelang ver­sucht zu verhindern, das es bei mir dazu kommen könnte, weil ich dich da­durch nicht unglücklich machen wollte. Wenn ich mich in dich verliebte, würde es unsere gute Freundschaft stören, das stand für mich fest. Dass ich es mir nicht verbieten könnte, wenn ich mich verliebt hätte auch. Also musste, ich dafür sorgen, dass es gar nicht in diese Richtung kommen konnte, ich in dir nicht die begehrenswerte Frau sehen durfte. Ich kann dir jetzt nicht so einfach sagen: 'Ich liebe dich' das wäre unehrlich. Aber wenn ich weiß, dass du es möchtest, und wir offen damit umgehen, werde ich sicher sehr schnell so weit sein. Vielleicht musst du mir dazu aber auch erst deinen Apfelkuchen backen.“ erläuterte ich Neele. Wir küssten uns. Zum ersten Mal bekam Neele nicht nur einen Schmatzer von mir irgendwo hin, sonder wir tauschten innige Zungenküsse, die kein Ende nehmen wollten. Es war das erste Zeichen, dass uns mehr als Freundschaft und Zuneigung verband, und wir füllten es aus, als ob wir Angst hätten, das alles wieder vorbei sein könnte, wenn sich unsere Lippen trennen würden. Der lange Kuss bliebe natürlich keine isolierte Handlung. Er stellte wie eine Eröffnungszeremonie den Beginn eines neuen Abschnitts unserer Beziehung und unseres Umgangs miteinander dar. Als ob er eine gegenseitige Berührungssucht ausgelöst hätte. Neele saß vor mir auf meinem Schoß, wir ertasteten gegenseitig alle Bereiche unserer Gesichter immer wieder unterbrochen von gegenseitigen Küssen. Wir sprachen leise miteinander, als ob es für die Beweise von Zärtlichkeit und Liebe erforderlich sei, den anderen nicht durch eine laute Stimme zu verletzen. Wie kleine Kostbarkeiten behandelten wir uns gegenseitig, die einen zarten und vorsichtigen Umgang miteinander erforderten. Immer wieder lächelten wir uns an, als ob wir voll von stiller Freude über die unerwartete Glückseligkeit wären. Eigentlich hätte man sich erotische um weitere Körperbereiche des Partner gekümmert, das geschah nicht. Ob wir es als tabu ansahen oder ob es nicht zu den zärtlichen feinfühligen Ertastungen passte, ich weiß es nicht, keiner versuchte es.


Erste gemeinsame Nacht


„Pit, hättest du Lust, nochmal zu tanzen? Ich schon.“ erkundigte sich Neele. Also tanzten wir. Tanzen war eine nicht ganz zutreffende Bezeichnung für das, was wir machten. Wir standen eher eng umschlungen, unsere Körper aneinan­der gedrückt, rieben wir uns aneinander zu dem Rhythmus der verträumten Musik. Ihre Arme um meinen Hals geschlungen, blieb Neele stehen. „Peter, ich würde sehr gerne mit dir zusammen ins Bett gehen, wäre das für dich noch zu früh, oder hättest du auch Lust dazu?“ fragte Neele leise, mich mit großen Ant­wort erwartenden Augen anschauend. Ich lächelte sie an, nickte und küsste sie. Auf dem Weg zum Schlafzimmer blieben wir immer wieder stehen, umarm­ten und küssten uns. Wir standen voreinander, wollten uns ausziehen aber wir mussten uns natürlich erst wieder umarmen und küssen. Alles spielte sich un­endlich langsam und vorsichtig ab. Nach jedem Knopf, den man beim anderen langsam geöffnet hatte, schaute man sich wieder an und lächelte. Mit sexueller Begierde hatte dass nichts zu tun, eher als ob man vorsichtig eine kostbare Statue auspackte, von einer Ikone die Umhüllung entfernen wollte. Es änderte sich als Neele beim Hose ausziehen das Gleichgewicht verlor und ich, der sie stützen wollte, mit ihr zusammen aufs Bett fiel. Bei Neele löste es einen Lach­anfall aus, und die stille Andacht, mit der wir uns behandelt hatten, war been­det. Wir zogen uns auf dem Bett weiter aus und starrten uns nackt voreinander sitzend lächelnd an. Nach einem kurzen Blick umschlangen wir uns und ließen uns aufs Bett fallen. Wir schienen unendliche Zeit zu haben. Von erregtem Ver­langen war nichts zu spüren. Das kam erst viel, viel später. Es war eher als ob wir beide, das Wunder bestaunten das sich in unserem Beisein, mit uns und zwischen uns abspielte. Es stellte sich später heraus, das Neele tatsächlich seit der Hochzeit absolut begeistert von mir war. Was es genau ausmachte, konnte sie gar nicht benennen. Dass sie das Tanzen mit mir erregte, war es nicht. Es hatte vielleicht ihr Interesse an mir beeinflusst. Sie konnte vieles benennen, was ihr gut an mir gefiel, aber das, warum sie mich wollte, von mir träumte, sich nach mir sehnte, war es nicht. „Es sind alles nur Gefühle, Empfindungen, die ich beschreiben kann.“ sagte sie, „Ich habe mich fast vom ersten Moment an wohlgefühlt in deiner Nähe. Es hat mich nicht nervös gemacht, aber es war wie ein angenehmer Kitzel, den ich verspürte. Ich hatte Lust, mit dir zu lachen, und ich war mir sicher, du würdest auch so empfinden. Als ob ich dich vom ers­ten Moment an verstehen könnte. Die übliche distanzierte Reserviertheit, die man sonst Unbekannten gegenüber hat, kam bei dir gar nicht auf, als ob du mir sofort völlig vertraut gewesen wärest, ich sicher sein konnte, dass du mein Freund sein würdest. Eine Ursache, einen Grund oder irgendetwas, woran ich das festmachen könnte, gab es nicht. Es war einfach so da, dieses Empfinden. Ich mochte dich, du gefielst mir, fast von Anfang an. Dass ich mich täuschen könnte, war ausgeschlossen. Daran habe ich gar nicht gedacht. Ich liebte es, in deiner Nähe zu sein. Es löste freudige, glückliche Emotionen in mir aus. Und so ist es bis heute geblieben, Pitty.“ Das Bild eines anderen Man­nes, den sie mö­gen und lieben würde, konnte sie für sich nicht mehr zulassen. Ich war ihr Ge­liebter, Platz für einen anderen konnte es nicht geben. Auch wenn es für sie völlig perspektivlos schien, ich glücklich verheiratet war und nicht die geringste Aus­sicht bestand, dass ihre Liebe jemals von mir erwidert würde, sie konnte ihr Bild von mir rational nicht entfernen. Sie würde mit die­ser unerfüllten Liebe le­ben müssen, etwas anderes konnte sie nicht. Jetzt lag sie nach fast sieben Jah­ren mit diesem Mann, ihrer unerfüllbar erschienenen Liebessehnsucht im Bett. Konnte ihn überall befühlen, berühren und küssen, fassen konnte sie es nicht. Für mich selbst war Neele auch die wunderbarste Frau, die mir je begeg­net war, die mein Leben verändert hatte und die ich mir verboten hatte zu lie­ben. Jetzt war in so kurzer Zeit alles gelöst. Jetzt spürte ich nicht nur die nack­te Haut ihres Rückens, jetzt spürte ich ihren nackten Kör­per, ihre Brüste, ihren Bauch, ihre Venus und ihre Beine tatsächlich an mir. Ich brauchte nicht mehr befürchten, dass ihr meine Handbewegung als Streicheln missfallen könnte. Jetzt erwartete sie es und würde es freudig genießen. Jetzt lag ich mit der Frau, die schon vor fast sieben Jahren nach einem Tanz direkt mit mir ins Bett gegangen wäre, tatsächlich im Bett. Aber an so etwas alles dachte ich gar nicht. Die Frau, die mit mir im Bett lag war nicht eine aus Ge­schichten von vor vielen Jahren, sondern die Neele, die mit uns heute zusam­men Abendbrot ge­gessen hatte und die gerne mit mir tanzen wollte. Es waren bestimmt schon Stunden vergangen, als es zum Sex zwischen uns kam, aber auch dabei wurde alles zelebriert als ob es ein heiliger Ritus sei. Wir schienen aber durch den Or­gasmus wieder ein wenig normal geworden zu sein, und mussten uns unend­lich viel erzählen, ganz normal wie immer, ohne jegliche amouröse Verzückt­heit. Ich holte noch Wein, und Kerzen mussten ja schließlich auch sein. Es stellte sich auch heraus, das Neele schon mal längere Zeit mit ei­nem Freund zusammengelebt hatte. Mit der großen Liebe war es wohl schnell vorbei gewe­sen und der Mann war Neele immer mehr auf die Nerven gegan­gen, aber Neele hatte sich gar nicht wehren können. Dann hätte sie immer das Bild von dem lieben Menschen vor Augen gehabt, den sie doch mal schrecklich geliebt habe. Nach viel zu langer Zeit, sei ihr endlich klar geworden, dass sie sich gegen ihre eigenen Emotionen durchsetzen müsse, und habe ihn rausge­schmissen. Sie habe so unangenehme Erinnerungen daran, dass sie nicht mehr mit jemand anders habe zusammenleben wollen. Ob ich auch so etwas vorha­be und sie auch befürchten müsse, dass unsere große Liebe morgen vorbei sei. Die an­fängliche sakrale Achtung voreinander fehlte, und derartige provokative Äuße­rungen sollten vornehmlich kleine Rangeleien auslösen. Unsere Nacht hat­te jetzt eine Phase erreicht, in der wir uns über unser Glück kindlich freuen konn­ten, und Lust und Freude dabei empfanden miteinander zu balgen. Neele woll­te anscheinend nur noch lachen und ließ sich ständig neue kleine Provokatio­nen einfallen. Eine Interimskusspause bewirkte, dass wir uns erneut erreg­ten und wieder Sex hatten. Von sakralem Zelebrieren war jetzt allerdings nichts mehr zu spüren. Jetzt dominierten eindeutig sexuelle Lust und Begierde die Szenerie. Hinterher waren wir erschöpft und grenzenlos happy. Wir wech­selten noch ein paar Worte und schliefen eng umschlungen ein.


Morgen danach


Ich hatte mitbekommen, dass irgendwann mal kurz die Tür geöffnet worden war, hatte aber sofort weitergeschlafen. Als wir uns wohl durch Räkeln gegen­seitig geweckt hatten, war es schon nach Elf. Bevor wir richtig wach waren, schmusten und küssten wir schon wieder. „Lass uns aufstehen, Pitty. Alena ist schon ganz lange alleine.“ meinte Neele. Alena strahlte, als sie uns aus dem Bad kommen sah. Sie hatte ihr Ziel erreicht. Ob sie es auf dieses Ergebnis hin gemacht hatte, weiß ich nicht, zumindest hatte sie alles gefördert, was der weiteren Integration Neeles diente. Beim Frühstück setzte sie sich natürlich mit an den Tisch. „Ja so geht das.“ erklärte Neele, „Als du schon im Bett warst, ha­ben wir miteinander getanzt, und dann hat's nicht mehr lange gedauert, bis klar war, das wir zusammen ins Bett wollten. Und da hat's dann bestimmt bis heute morgen gedauert, dass wir endlich eingeschlafen sind.“ „Jetzt hat Neele mich aber verführt und nicht ich sie.“ meinte ich noch bemerken zu müssen. „Klasse, Nele.“ bekam sie von Alena anerkennende Zustimmung, „und was macht ihr jetzt? Wollt ihr immer einmal in der Woche von Samstag auf Sonntag miteinander pennen?“ „Nein, wieso das denn? Ich will heute Abend wieder mit Pit ins Bett.“ verkündete Neele laut und lachte, „Alena, wir haben uns darüber überhaupt noch keine Gedanken gemacht. Heute Nacht war uns was anderes wichtiger. Aber schlafen muss ich ja bei mir auch, wie du gesagt hast. Und das gilt ja nicht nur für Samstag-Sontag-Nacht. Wenn ich deinen Dad an sechs von sieben Tagen vermissen muss, das wäre ja doch ein bisschen viel. Mit so einem hohen Sehnsuchtsfaktor käme ich nicht gut zurecht. Aber wie wir's genau ma­che werden, müssen wir noch überlegen.“ Das tat Alena, die mich in einem Moment, als wir beide mal allein waren, mit Küssen überdeckte. Sie schien sich darüber, dass wir beiden miteinander geschlafen hatten, fast mehr zu freuen als wir selber.


Neele zieht zu uns


Wahrscheinlich hatte Alena hier schon beschlossen, die Organisation unseres größtmöglichen Zusammenlebens zu übernehmen. In Zukunft tat sie es näm­lich. Sie versuchte Neele Stück für Stück davon zu überzeugen, was sie doch zu uns verlagern könne, bis Neeles Wohnung schließlich nur noch die Funktion eines Arbeitsplatzes hatte, an dem sie sich gerade mal einen Kaffee kochen konnte. Dass sie dann oft spät abends noch zu uns rüberfahren musste, wurde als unangenehme Last empfunden, und es wurde die Möglichkeit geprüft, in wieweit Neeles Inventar in unser Haus integrierbar sei. Von den gesparten Geldern für Miete und Nebenkosten könne man zur Erleichterung der Arbeit aller eine Haushaltsgehilfin finanzieren. Schon nach gut einem halben Jahr wohnt Neele vollständig bei uns. Alena hatte alles initiiert und organisiert. In meiner Tochter brannte nicht nur ein Feuer, das Nahrung suchte, sie war auch eine schlaue Füchsin, die auf ein fern liegendes Ziel kontinuierlich hinarbeiten und hervorragend organisieren konnte.


Alenas Entwicklung


Seit ihrer ersten Begegnung mit Neele hatte sich Alena stark verändert. Vorher war sie ein durchschnittliches nettes freundliches Mädchen, das seinen Alltag lebte und alles so irgendwie geregelt bekam. Neele hatte in ihr das fast erlo­schene Feuer wieder entfacht, hatte ihr gezeigt, dass es auch ein anderes Le­ben geben kann, das erfüllt ist, Anerkennung und Selbstachtung vermittelt. Sie hatte bewirkt, das Alenas Selbstbewusstsein erheblich gestärkt wurde und ihr sicheres Vertrauen in ihre eigene Kräfte vermittelt. Sie hatte aus dem in den Tag lebenden Mädchen eine starke selbstbewusste junge Frau werden lassen. Kann eine Mutter ihrer Tochter mehr und besseres vermitteln, als Neele, die von sich selber meint, als Mutter nur alles falsch machen zu können. Alena for­derte mich, und mir gefiel es. Wir hatten oft lebhafte lange Diskussionen und diskutierten es nicht selten mit Neele weiter. In der Schule hatten sich Alenas Leistungen fast sprunghaft verbessert. Ihre Hausaufgaben sah sie jetzt nicht mehr als lästige Pflicht an, die sie unter Einsatz möglichst geringer Ressourcen minimal erfüllte, sie suchte den Kern dessen, was sie interessierte, und setzte sich intensiv und ausführlich damit auseinander. Nicht selten sah sie sich in der Lage, mit Lehrern auf gleicher Ebene zu diskutieren und nicht nur rezipierend ihre Lehrinhalte aufzunehmen. Durch ihre eigenen Aktivitäten erfuhr sie ihre Welt als eine sie stärkende und anerkennende. „Siehste Dad, ich habe ja ge­sagt wir schaffen es. Ich hatte nur gedacht, dass wir uns gut über Wasser hal­ten und ein wenig glücklich und zufrieden leben könnten, und jetzt? Mensch Daddy so etwas kann man gar nicht träumen,wollen und planen. Der einzige Nachteil ist nur noch, das Neele so viel fahren muss.“ meinte sie einmal zu mir.


Gemeinsame Nächte


An die permanenten Fahrten konnte sich Neele nicht gewöhnen. Sie blieben ihr eine unangenehme Belästigung, erträglich zwar, aber zufrieden konnte sie da­mit nicht werden. Verkehrshektik, egal ob Straße oder Bahn, waren ihr zuwi­der. „Sag mal wirklich, Neele, warum bist du damals eigentlich nicht nach Bonn gezogen?“ fragte ich sie. Neele lächelte und erklärte: „Ja, wirklich deinetwe­gen. Vielleicht ein wenig verrückt, aber es war so. Es kamen mehrere Aspekte zusammen. Der Samstagnachmittag war immer meine schönste Stunde in der Woche. Ich habe mich darauf gefreut, dich zu sehen, mit dir zu sprechen, von dir gesehen zu werden. Es hat mich immer glücklich gemacht. Dazu von außer­halb mit Auto oder Bahn anreisen, hätte es verdorben, wäre ein Stilbruch ge­wesen. Außerdem habe ich befürchtet, dass unsere Treffen dann seltener wer­den könnten, zumal die An- und Rückfahrzeiten ja immer noch dazugekommen wären. Und noch etwas ganz Banales, ich wollte einfach da leben wo du auch lebst. Dass ich die Professur in Bonn bekommen habe war ja absolutes Glück. Ich habe mich total gefreut, weil ich dann in Köln wohnen bleiben konnte. Und so habe ich es eben gemacht. Ich glaube, wenn ich nach Bonn gezogen wäre, würden wir heute bestimmt nicht zusammen leben. Ist doch gut dass ich hier geblieben bin, oder?“ erklärte Neele. So kleine Fragen und Petitessen leiteten meistens unsere abendlichen Schmuseszenen ein. Jeden Abend erneut schie­nen wir festzustellen, welch außergewöhnliches Wunder uns widerfahren war, dass wir uns jetzt haben konnten und beieinander waren. Ob der beziehungs­weise die andere Lust auf Sex hatte, war nie eine Frage, die man sich gegen­seitig stellte, wir hatten Lust aufeinander, auf den anderen Menschen und dabei kam es dann zwar meistens auch zum Sex oder auch nicht. Es spielte über­haupt keine Rolle. Sexuelles und soziales schienen bei uns beiden total ver­quickt. Diese Vorstellungen von früher, das ich gerne ficken wollte, Claire aber keine Lust hatte, erschien mir jetzt unangenehm bis widerlich. Neele und ich liebten uns immer, zu welchen Formen es sich entwickelte, blieb dem Verlauf überlassen, und da war alles offen und möglich. Hauptsache es gefiel uns bei­den und machte uns beide glücklich, und das war für jeden selbstverständlich. Wir sprachen schon über Sex, und Neele meinte: „Ich kann kann es gar nicht sagen, ich weiß es vorher nicht, ob ich heute Abend Sex haben will oder nicht. Prinzipiell ist es ja prima,wenn die Situation danach ist, aber dass ich vorher das Gefühl habe: 'Oh wie bin ich rattig. Ich brauche es heute Abend unbe­dingt.', so etwas gibt es nicht.“ und sie lachte. „Ist das bei dir denn manchmal so?“ wollte sie wissen. So war es bei mir nicht, aber Neele und das Zusammen­sein mit ihr erregten mich schon sehr leicht und dass ich sagen könnte: „Ich habe keine Lust, meinen Kopf beschäftigen gerade andere Gedanken.', so et­was war unvorstellbar. Lust auf Neele hatte ich immer, ob wir miteinander schlafen würden oder nicht.


Neue Perspektive


Beim Abendessen erklärte Alena: „Ich habe ja in diesem Jahr Abitur, und wenn sich meine Noten nicht verschlechtern, werde ich alles überall studieren kön­nen. Auch in Bonn. Und du Dad wirst sechzig, kannst du dann nicht mal lang­sam aufhören mit der Arbeit in der Kanzlei? Dann könnten wir nämlich alle nach Bonn ziehen. Neele brauchte nicht mehr zu fahren. Ich könnte zu Hause wohnen bleiben, was ich absolut möchte, und könnte sogar bei Neele studie­ren, wenn ich wollte, und du Dad hättest ganz viel Zeit und könntest alles ganz schön sauber putzen. Nein Quatsch, wenn du unbedingt noch arbeiten müss­test, gäbe es doch in Bonn auch bestimmt für die paar Jahre noch eine Mög­lichkeit.“ Alena hatte wieder Organisationspläne entwickelt. Wir schauten uns an. „Das wäre schon fantastisch, wenn ich nicht mehr zu fahren brauchte, und mit der Straßenbahn zum Institut fahren könnte. Der Stress entfiele, ich wäre viel mehr zu Hause. Also aus meiner Sicht nur Vorteile, für dich Pit, wie sieht das für dich aus?“ reagierte Alena. „Aus meiner Sicht auch fantastisch, wenn ich nicht mehr in die Kanzlei brauchte. Ich kann jeden Tag aufhören, wir hätten dann eben nur weniger Geld.“ antwortete ich. „Das ist doch kein Problem Pit, unser Geld reicht allemal, selbst wenn wir nur von meinem Gehalt leben müss­ten.“ erwiderte Neele. Alena würde schon dafür sorgen, dass rechtzeitig alles organisiert und in die Wege geleitet würde, dessen konnte man sicher sein. Wenn sie es wollte, und so war es ja, würde sie es auch erreichen.


Remember Claire


Zu Claire hatte ich gar keinen Kontakt mehr. Wenn ich daran dachte, tat es im­mer noch weh, auch wenn ich jetzt so glücklich war. Natürlich hatte ich mich schon lange damit abgefunden, und ein Bild, dass sie irgendwo fehlen könnte, erschien auch nie mehr, aber es waren ja meine Jahre gewesen, mein Leben und dazu gehörte Claire. Ich hatte keinesfalls ein Bedürfnis, wieder mit ihr zusammen sein zu wollen oder etwas ähnliches, es waren wehmütige Erinnerungen. Alena hatte auch überhaupt kein Interesse mehr an ihr. Sie wisse gar nicht was sie mit ihr reden solle. Ihre Besuche bei Claire waren Pflichtveranstaltungen, zu denen ich sie überreden musste. Sie rede immer davon, dass es die größte Dummheit gewesen sei, die sie je in ihrem Leben begangen habe, erzählte Alena, hinzufügend, dass sie jetzt aber auch nichts Gescheites mache. Es machte mir ein schlechtes Gewissen. Wir hatten miteinander und voneinander gelebt, bis ich begonnen hatte mein eigenes, von Neele gestütztes Leben zu beginnen. Ich hatte zwar keine andere Frau gehabt, aber unser gemeinsames Gleis hatte ich verlassen. Was Claire dann gemacht hatte, war zwar ungeheuer naiv und dämlich gewesen und natürlich auch von ihr zu verantworten, aber den Boden dafür vorbereitet, hatte ich durch mein Verhalten ihr gegenüber. Claire, würde nicht nur als Erinnerung an die schönen Tage mit ihr, sonder auch als Einsicht meiner eigenen Fehler in mir bleiben. Ständige Vorwürfe, das ich der eigentlich Schuldige sei, macht ich mir allerdings nicht. Schließlich war ich nicht der Übervater unserer Beziehung gewesen, sondern Claire selbst genauso wie ich waren dafür verantwortlich. Und was hatte sie dazu beigetragen? Nichts außer einem neuen Freund.


Beziehung mit Neele


Dass ich Neele je innerlich verlassen könnte, und mir eigene andere Wege su­chen würde, war unvorstellbar. Darüber hinaus konnte ich mir sicher sein, dass Neele schon dafür sorgen würde, dass es dazu nicht kommen konnte. Warum sie mich liebte, konnte sie nicht benennen und ich wusste es natürlich auch nicht. Ich konnte nur feststellen, dass sie sich immer freute, mich zu sehen und gemeinsam mit mir etwas zu unternehmen. Nicht weniger wichtig schien es ihr auch zu sein, dass wir auf gleicher Ebene miteinander reden konnten. Ob sie es bewusst für wichtig hielt und so wollte, weiß ich nicht, jedenfalls ver­stand sie es geschickt, mein Interesse zu wecken und mich zu motivieren. Die Gemeinsamkeiten mit Neele waren größer und intensiver als mit Claire damals. Nicht das wir uns stärker liebten. Das kann ich gar nicht beurteilen, weil so et­was nicht zu vergleichen ist. Nur in der Beziehung zu Neele gab es andere Di­mensionen, die eine wichtige Rolle spielten. Das Leben jedes einzelnen wurde in wesentlich vielfältigeren und bedeutenderen Bereichen durch unsere Bezie­hung angesprochen, erfüllte uns und gab untererem Verhältnis mehr Kraft und Energie. Unsere Beziehung war voller und intensiver, als ich es damals mit Claire erfahren hatte.


Daily Life


Zwar gab es auch bei uns einige Rituale und regelmäßig sich wiederholende Abläufe, aber ein Gefühl von grauem Alltag konnte nicht aufkommen. Dafür war unser Leben viel zu bunt. Dass das Lachen nicht verstummte, dafür sorg­ten Neele und Alena, die mittlerweile genauso oft lachte wie sie. Regelmäßige Fachgesprächstermine zwischen Neele und mir gab es natürlich nicht mehr. Das wäre auch albern gewesen. Wir unterhielten uns ja ständig. Für Neele be­deutete unser gemeinsamer Haushalt mit Gehilfin eine starke Entlastung, so­dass sie über wesentlich mehr freie Zeit verfügte als früher. Jeden Morgen be­weinte ich sie für ihre lästige Fahrt und nachmittags oder abends wurde sie von mir oder Alena begrüßt, als ob die verlorene Tochter wieder nach Hause zu­rückgefunden habe. Jetzt konnte ich sie morgens trösten, dass diese Fahrerei ja bald ein Ende haben würde.

Selbstverständlich war zu Alenas Studienbeginn alles geregelt und wir wohnten in Bonn. Dass Alena etwas anderes als Germanistik studieren würde, war nicht vorstellbar und dass sie es weiterbringen würde, und nicht aus Verzweiflung doch Lehrerin werden müsste, stand für mich und Neele fest. Mit dem Leben in Bonn begann nicht nur ein neues Semester, sondern ein neuer Sommer für un­sere Gemeinsamkeiten. Unsere Familie schien jetzt eine neue Heimat gefunden zu haben, die für alle das Zuhause war. Obwohl Familie? Wir waren eher eine WG, Neele war keinesfalls die Mama, und Alena war zwar meine Tochter, aber in dieser Funktion lebte sie nicht mit uns. Meine Vaterrolle war funktionslos ge­worden. Wir hatten Lust zu leben und zu arbeiten, und unsere Alltage erschie­nen uns oft als pures Glück.


Unsere Hochzeit


Ob die Änderungen des Lebenszustandes für das damalige Brautpaar immer noch bestanden, wussten wir nicht, für Neele und mich, die wir ja gar nicht die Hauptakteure waren, hatte diese Hochzeit allerdings Veränderungen initiiert, die kein Scheinübergang waren und auch nicht einfach revidiert werden konn­ten. Wir konnten den veränderten Lebenszustand, dessen Entwicklungsprozess hier begonnen hatte nicht wieder rückgängig machen. Wir hatten keinen Ver­trag über Rechte und Pflichten unterschrieben, wir waren andere Menschen ge­worden. Für uns war diese Hochzeit Ausgangspunkt zur Entwicklung eines neu­en, anderen Lebens gewesen. Ob wir davon etwas ahnen konnten? Ob unsere Blicke etwas erkannten? Wir wissen es bis heute nicht. Vielleicht glaubte mein Unterbewusstsein ja mehr in diesem Gesicht erkannt zu haben, dass ich immer wieder betrachten musste und beinahe als Schönheit vom Lande kategorisiert hätte, und es hatte den Kräften meiner Hand auch dieses vermittelt. Hatte es sich vielleicht ohne dass ich es wusste und bemerkt hätte, gegen die testoste­rongesteuerten Erregungsübertragungen behaupten können? Hatte es ohne mein Wissen Neele vermittelt, dass ich sie liebe und ich ihr idealer Geliebter sei? Be­stimmt, denn rationale Erklärungen dafür und für unser heutiges Glück gibt es keine.



FIN




Gar manches Herz verschwebt im Allgemeinen, doch widmet sich das edelste dem Einen.

Goethe, Urworte Orphisch, Liebe


Der gemeinsame Samstagabend wurde selbstverständlich und wir machten auch andere Dinge als nur gemeinsam diskutieren und sich unterhalten. „Pit, können wir denn nicht mal zusammen tanzen? Ich würde schrecklich gern. Mein Kleid hat ja auch keinen freien Rücken und wenn du dich nicht auf deine Hand kon­zentrierst, passiert doch nichts. Ich habe da keine Angst vor.“ bettelte Neele ei­nes Abends. Sie hatte ja Recht. Ich brauchte ja auch keine Befürchtungen mehr haben, Neele wusste ja alles. Mit meiner Hand auf ihrem Rücken ereigne­te sich auch nichts, aber Neele schmiegte sich so eng und fest an mich wie es ging. Sie legte einen Arm um meinen Hals und ihren Kopf auf meine Schulter. Neele, meine Liebe, was hatte sie vor? Zum Ende des Tanzes bekam ich einen Kuss. Meine großen Augen, mit denen ich sie ansah, veranlasst sie zu der Er­klärung: „Pitty, ich bin eine Frau, du scheinst das gar nicht zu merken.“ Mir ging alles durch den Kopf. Neele wollte offensichtlich, dass wir uns liebten. Wollte sie heute Nacht mit mir ins Bett oder etwas anderes, nach Alenas Wor­ten wohl eher . „Neele, ich bin jetzt neunundfünfzig und werde bald sechzig ...“ „Bla, bla, bla, bla, bla,“ unterbrach mich Neele, „Was redest du für ein Ge­wäsch. Willst du mir deinen Personalausweis aufsagen. Pit, das will ich nicht von dir hören. Kannst du dir denn gar nicht vorstellen, was ich gern hören möchte. Was eine Frau, die einen Mann seit Jahren liebt, gerne von ihm hören möchte?“ Neele standen die Tränen in den Augen. Ich kniete neben ihr auf der Couch und drückte ihren Kopf an meine Brust.



Neeles Rücken Hochzeitsbekanntschaft – Seite 40 von 40

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Tag der Veröffentlichung: 14.04.2013

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