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Introduction und Inhalt

 

 

Elvi Mad

 

 

Elvi Mad

Julia und der Junge im beigen Pullover

Darf Dominique geliebt werden?

 

Erzählung

 

Comment un homme dépourvu des vertus
qui sont propres à l'homme peut-il cultiver la musique ?

Confucius

„Du erschienst mir als ein wunderbarer Mensch
und nicht als ein Mann, ein Ficker, der 'ne Frau
fürs Bett sucht. Aber da habe ich mich anscheinend
doch grundlegend getäuscht. Alles nur in meinem
eigenen Kopf produziert, verstehst du? Geträumt.
Zusammen­gereimte Wunschbilder. Kein Bezug zur Realität.
Hast du je gesagt, dass es dir bei einer Frau
nicht vorrangig darum ginge. Nichts Dergleichen.
Alles nur Fantasiegemälde meiner Wünsche.
Ich brauche das nicht, ich brauche dich nicht.
Scher dich endlich zum Teufel, Dominique,
bevor ich mir noch weitere Gedanken über dich
ma­chen muss.“ schrie ich ihn an.
Dominique stand auf, flehte nur: „Julia!“,
wollte mich noch umar­men, aber ich wehrte ab.

 

 

 

Julia und der Junge im beigen Pullover - Inhalt

Julia und der Junge im beigen Pullover 4

Tomorrow will be too late 4

Mit den Serben aufräumen 4

Schnepfe und Auerhahn 5

Der Junge mit dem beigen Pullover 6

Stell dir vor es wären alles Schwaben 7

Marietta kennt die Völker nennt die Namen 8

Dominique, es ist hoffnungslos 9

Meine bourgeoise Sozialisation 11

Ein bisschen Klavierspielen kann ich auch 12

Dominiques Freundin 15

Schwiegertochter in Karlsruhe 17

Evas Ende 20

Der Flügel in Angelmodde 21

Stress im Herbst 22

Wichtige Besprechung 23

Woran erkennst du, dass ich eine Frau bin? 25

Lilo hat's verboten 27

Was soll ich denn machen? 28

Mamis Frauenkenntnisse 28

Weihnachtspläne 30

Noël 31

Weihnachtsüberraschung 34

Elvis lügt 35

 

 

Julia und der Junge im beigen Pullover

Julia studiert Chemie. Sie wohnt in einer WG und hat klare politische und Vorstellungen über ihren potentiellen Freund. Wie es sich für sie entwickelt, scheint aber überhaupt nicht dazu zu passen.

Tomorrow will be too late

 

Heute fahren sie mit dem Auto, öffentlichen Verkehrsmitteln oder dem Taxi zum Bahnhof. Dabei könnten sie jetzt gut zu Fuß gehen. Nicht nur weil es ihrer Ge­sundheit dienlich ist, sie brauchen auch nichts mehr zu befürchten. Sie wer­den nicht mehr belästigt. Das war vor fünfzig Jahren. In Neapel hört man es viel­leicht noch heute, aber das Wehklagen, dass man damals auf dem Weg zum Bahnhof wenigstens dreimal aus Radios, von Schalplatten oder selbst ge­sungen zu vernehmen hatte, dass sein Liebling ihn doch bitte jetzt küssen möge, und es morgen dafür zu spät sei, weil seine Liebe nicht warten könne, beliebte Elvis Presley nicht nur seiner Priscilla oder welcher Frau gegenüber auch immer zu äußern, die ganze Welt ließ er es hören und mit flehen. Dabei kannte die Melodie von 'O sole mio eigentlich längst jeder. Welcher berühmte Tenor hatte es sich nehmen lassen, diese neapolitanische Arie auch schon mal anzustim­men. Wie La Paloma oder Ähnliches ist sie ein Welthit, aber Elvis schaffte es, allen nochmal eindringlich zu vermitteln, dass er einen Ozean voll Tränen wei­nen würde, wenn er seine true love und sweet devotion verlieren würde, be­dingt dadurch, dass sein Darling ihn nicht jetzt unverzüglich küsse. Wem stün­de es an, Elvis dies bei der Inbrunst seines Vortages nicht abzuneh­men. Wie­der und wieder ließ er es uns aus allen Quellen, die in der Lage sind, melodi­sch akustische Signale auszusenden, vernehmen, und bei Kindern, de­ren Ge­hirne noch wuchsen, haben sich bestimmt spezielle Kanäle dafür ange­legt.

 

Mit den Serben aufräumen


Wenn ihnen in ihrem späteren Leben der Spruch 'It's now or never', 'Jetzt oder nie' begegnet, werden sie es voraussichtlich immer mit unaufschiebbaren Lie­besäußerungen assoziieren, während das Wort bislang immer eine ganz andere Konnotation hatte und in eher gegensätzlichen Bereichen Verwendung fand. „Jetzt oder nie“ sei mit den Serben aufzuräumen, hatte Kaiser Wilhelm seine Position vor dem ersten Weltkrieg markiert, was letztendlich mit zu dessen Ausbruch führte. Mit 'Jetzt oder nie' überwindet man mutig, tapfer, waghalsig oder übermütig möglicherweise berechtigte Bedenken. Zaudern, Zögern und Zurückhaltung werden durch diesen radikalen Entscheid in einem heroischen Akt desavouiert. Doch nicht nur der große Kämpfer liebt Entscheidungen dieser Art, auch der Leise, sich schlau und raffiniert Wähnende weiß, wann genau der einzig richtige Zeitpunkt ist, eine finanzielle Entscheidung zu treffen, eine Intri­ge zu starten oder sich um eine begehrte Position zu bemühen. 'Jetzt oder nie' so verwendete man es bislang. Werden ihm die Kinder von damals andere Wir­kungszonen eröffnen. Wird es sich primär im Bereich von Sehnsucht, Liebe und Verlangen ansiedeln? Wird es zum Synonym für das unaufschiebbare Bedürfnis nach Zuwendung werden? Das 'oder nie' markiert zwar immer noch einen har­schen Bruch und eine gewisse Unerbittlichkeit der Forderung, da derartiges Vorgehen aber den Bereichen von Liebe und Sehnsucht wesensfremd ist, könn­te es ausschließlich als zusätzliche Unterstreichung der Dringlichkeit verstan­den werden. Dass sie es zwar heute auch schon lieber sähe, aber dass es mor­gen dafür zu spät sei, wird eine Mutter in Bezug auf die Zuneigung ihrer Kinder wohl nie so erfahren wollen.


Schnepfe und Auerhahn


Dass es morgen für etwas zu spät sein wird, und heute eine Entscheidung zu treffen ist, dem begegnet jeder mehr oder wenig häufig in seinem Leben. Un­abhängig von den großmäuligen Erklärungen Kaiser Wilhelms und all seiner in diesem Dunstkreis folgenden Heroen oder der sehnsüchtig schnelle Zunei­gung Erflehenden, wirst du ständig mit Entscheidungen konfrontiert, die dir nicht leicht fallen, weil dir beide Wege gleich gangbar oder unangenehm er­scheinen. Etwas Klärendes fällt dir nicht ein, aber die Idee, die Entscheidung aufzuschie­ben, immer. Immer kommt aber auch der Zeitpunkt, an dem weite­res Auf­schieben nicht mehr möglich ist. Du musst dich jetzt entscheiden, ein Später wird es nicht mehr geben. Ob es sich dabei um den Kauf eines Hauses, Kon­taktaufnahme zu einem Mann oder einer Frau, oder um die Mitgliedschaft in einer Krankenkasse handelt. Immer ist deine Entscheidung jetzt und nicht spä­ter gefordert.


Natürlich auch bei Beziehungen zum anderen Geschlecht. Langandauernde Vertagungen einer Entscheidungsfindung, die sich in einem „Ich weiß noch nicht.“ artikuliert sind hier nicht selten. Nicht jede oder jeder ist sich so sicher wie Elvis und weiß, dass er oder sie einen Ozean voll Tränen weinen wird, wenn es heute Nacht nicht klappt, aber ohne sich irgendwann zu entscheiden, kann's nichts werden. Ich weinte nicht, weil ich keinen Freund hatte. Au­ßer meinem Bruder schienen sich alle Männer als Chauvis zu entpuppen. Ich vermutete schon mal, dass es eventuell auch an mir liegen könne, dass ich ihr Bedürfnis nach Selbstbehauptung in ihrer Männerrolle provoziere, dass mir an etwas an­derem gelegen war, als sie zu bewundern und sie veranlasste, dies einzufor­dern. Mein Bruder und ich mochten uns sehr. Er erhielt von mir Aufmerksam­keit, Respekt und Zuneigung, ein wundervolles Verhältnis hatten wir. Jungs die ich näher kennengelernt hatte, wollten anscheinen noch etwas anderes. Sie schienen ohne ein gewisses Maß an Bestätigung für ihr Überlegenheitsbedürf­nis nicht auskommen zu können. Auch der sanfteste Typ ent­puppte sich schnell so. Das zerstört für mich die Basis, das will ich sofort nicht mehr. Ich weinte nicht, ich suchte noch nicht einmal. Entweder es würde sich eine Beziehung er­geben, aber ein Verhältnis, in dem die Schnepfe den prächti­gen Auerhahn zu bewundern hätte, würde es für mich niemals geben. Allein zu leben, ohne eine feste Beziehung, war nicht meine gewünschte Perspektive. Obwohl ich all die Probleme sah, die sich aus einer festen Paarbindung ergeben könnten, waren doch die Intimität und persönliche Nähe zu einem geliebten Menschen für mich die überwiegenden Aspekte, und Sex wollte ich auch nicht anders. Jetzt in der WG fühlte ich mich wohl, ich konnte warten, zu einer raschen Entscheidung dräng­te nichts. 'Now or never' konnte es für mich nicht geben.


Nichts war so unterschiedlich und wurde so brennend in der WG diskutiert, wie die Ansichten zu Beziehungen, Lebensformen und Sexualität. Revolutionäre Veränderungen waren von Nöten, und auch die allgemeine Bevölkerung ließ sich mit voyeuristische Stilaugen aufklären. Obwohl ich sonst überhaupt nicht den Ruf genoss, wurden meine Ansichten hier als recht konservativ und teil­weise reaktionär eingeschätzt. Dabei meinte ich nur ehrlich zu sagen, was ich empfand. Das geschah im Allgemeinen nicht. Die meisten sprachen davon, was sie nach ihren Erkenntnissen zu empfinden gehabt hätten, das Erbe ihrer So­zialisation konnten sie dadurch aber nicht einfach zurückgeben. Oft überforder­te man sich und geriet in schwerste persönliche Konflikte, wenn man zum Bei­spiel nicht eifersüchtig sein durfte, weil der Freund oder die Freundin ja kein persönliches Eigentum waren und ähnliche Widersprüchlichkeiten mehr. Im De­tail durchschaut habe ich es oft gar nicht, für mich stand nur fest, dass ich meinen Gefühlen nicht rational vorschreiben würde, wie sie zu empfinden hät­ten. Die große Revolution in den zwischenmenschlichen Beziehungen war für viele Beteiligte eben auch mit schmerzlichen Erfahrungen in verlustreichen Straßenkämpfen verbunden.


Der Junge mit dem beigen Pullover


Der Kommilitone, der mir zufällig in einer Vorlesung und einem Seminar aufge­fallen war, erweckte nicht den Eindruck eines revolutionären Straßenkämpfers. Er wirkte ganz simpel nett, und wie ich sehen konnte, hielt er wohl weniger auf­rührerische Reden, sondern lachte und lächelte mehr. Ich war schon der An­sicht, dass mein Bauch auch recht unvernünftige Wege einschlagen konnte. Ein süßer Junge weckte meine Aufmerksamkeit. Woher hatte ich denn so etwas? Vom Geschmuse mit meinem Teddy oder so ähnlich? Ich wusste doch, dass es darauf ankäme, wie ich mit ihm kommunizieren könnte, aber ich hatte mit die­sem jungen Mann noch kein einziges Wort gewechselt. Auf keinen Fall sollte mein Traumprinz auch Chemiker sein, irgendwelche musischen Ambitionen müsste er haben, Gedichte sollte er für mich verfassen, ich würde Modellsitzen während er mich malte, auf den Flügel würde ich mich stützen, während er für mich die Mondscheinsonate intonierte. Schmelzen würde ich, aber einfach nur süß finden, welche Himmelreiche sollte das denn wohl versprechen? Auch ohne Himmelreichperspektive konnte ich es nicht lassen, irgendetwas über diesen Menschen in Erfahrung bringen zu wollen. Ich hielt mich in seiner Nähe auf, quatschte ihn auch mal belanglos an, aber etwas zu initiieren? Ich kannte ihn doch überhaupt nicht und wollte ja auch nichts von ihm. Er machte auf mich eben nur einen sympathischen Eindruck. Einen ehemaligen Mitschüler von mir sah ich mal in einem Kreis mit ihm zusammen stehen. „Gerd, sag mal, der mit dem beigen Pullover, der gerade bei euch stand, kennst du den?“ fragte ich meinen früheren Klassenkameraden. „Nöh, weiß ich auch nicht. Ich weiß nur, dass er nicht von hier kommt. Er hat mal gesagt, dass er auch zu Hause hätte studieren können, aber raus gewollt hätte. Mehr kann ich dir nicht sagen. Ah ja , Dominique heißt er, manchmal sagen sie auch Nikki zu ihm, scheint 'en ganz Netter zu sein.“ meinte Gerd. Gerd bitten, mehr in Erfahrung zu bringen, wollte ich auch nicht. Erstens mochte ich Gerd nicht und zweitens wäre es mir unangenehm gewesen. Was machte ich denn überhaupt für ein dämliches Ge­zicke. Jeden hätte ich angesprochen, gefragt, was er macht, wo er herkommt, wie er heißt. Was sollte das bedeuten, diese hauchzarten feinziselierten Versu­che einem Kontakt mit diesem Mann näher zu kommen. „Es wird einfach so sein, dass du mal wieder irgendetwas zum Spinnen brauchst, Gertrud.“ sagte ich mir, „Vergiss es und schau da nicht mehr hin.“ Gertrud durfte nur ich selbst mich nennen. Das tat ich, wenn es mir geboten schien, mich für besonders blöd zu halten, ansonsten war ich auch für mich selbst die Julia.


Stell dir vor es wären alles Schwaben


Daran hielt ich mich auch brav, bis mir kurz vor Semesterende einfiel, dass er ja im nächsten Semester eventuell überhaupt nicht mehr hier sein könne. Aber er war mir doch gleichgültig. Na ja, man wüsste ja nie. Now or never. Ich frag­te ihn einfach, ob er mit mir 'nen Kaffee trinken ginge. Das hätte ich vor eini­gen Monaten auch schon machen können, nur jetzt war vielleicht die letzte Chance. Aus Karlsruhe kam er. „Oh je, ein Schwabe.“ stellte ich fest. Domini­que wollte sich nicht wieder einbekommen vor Lachen. „Du hast Glück, dass in Karlsruhe die Scharia noch nicht eingeführt ist, aber ich glaube man würde dich auch ohne steinigen, wenn du so etwas dort sagtest. Die Badener wohnen dort, alles voll mit Badenern.“ „Was ein Glück für dich, stell dir vor es wären al­les Schwaben. Nicht zu ertragen. Aber in diesen Gefilden kenne ich mich so gut wie gar nicht aus. Ich weiß nur, dass das Bundesverfassungsgericht und der Bundesgerichtshof in Karlsruhe sitzen, ah ja und dass die roten Teufel auf dem Betzenberg Fußball spielen.“ antwortete ich. Wieder lachte Dominique sich tot. Rote Teufel und Betzenberg das war natürlich der 1. FC Kaiserslautern. Aber auch ohne Schwaben, Betzenberg und rote Teufel blie­ben wir permanent am Lachen. Oft weil's wirklich lustig war, was erzählt wur­de, aber manchmal auch einfach so, weil's schon in lachendem Tonfall gesagt wurde, als ob unsere Zwerchfelle sich für heute Nachmittag auf Lachen einge­stellt hätten. „Domini­que, bleibst du länger hier, oder wirst du im nächsten Se­mester woanders stu­dieren?“ wurde ich plötzlich ernst. Er müsse mal für we­nigstens ein Semester ins Ausland, wann wisse er aber noch nicht, ansonsten gefiele es ihm hier sehr gut. Er habe sich ja auch nach reiflicher Prüfung für Münster entschieden. Wir sprachen über die Semesterferien. Er wollte seine El­tern auf ihrer Finca in Mal­lorca besuchen, fände es aber sehr öde dort, andere Freunde wollte er noch treffen und ansonsten sei er hier, habe noch einiges zu tun, und die vermehrt regenfreien Tage im Sommer in Münster zu verpassen, sei ja fast sträflich. Wir tauschten Adressen und Telefonnummern aus. Er wolle sich melden, wenn er wieder zurück sei.


Was war das denn? Nichts war es, ein lustiger Nachmittag, sonst nichts. Na ja, sympathisch hatten wir uns gegenseitig auf Anhieb wohl schon gefunden. Das wir uns wiedertreffen wollten, brauchte gar nicht erwähnt zu werden. Unsere Adressen hatten wir selbstverständlich ausgetauscht, direkt nach drei Espres­sos und einem Stückchen Kuchen, aber besprochen hatten wir eigentlich nichts, nur Geschichten zum Lachen hatten wir uns erzählt. Wer er persönlich war, davon wusste ich nichts. Möglicherweise war er erzkonservativ. Da im Sü­den wusste man ja nie. Alles brave christliche CDU-Wähler. Aber konnten die denn auch so lachen? Ich wusste nicht, wie CDU-Wähler lachten. Meine Mutter hatte früher auch CDU gewählt, und es war ein hartes, mühsames, und lang­wieriges Stück Arbeit, sie davon zu überzeugen, das dies unverantwortlich sei. Aber gelacht hat sie als SPD-Wählerin nicht anders als vorher auch, kein Stück befreiter, gelöster oder glücklicher, alles genauso wie vorher bei der CDU. Ich hatte aber auch gar kein Bedürfnis verspürt, mich zu erkundigen. Auf die Idee über etwas Fachliches oder Politisches reden zu wollen, bin ich nicht gekom­men. Sonst fiel mir als erstes immer pflichtgemäß die Frage nach den gesell­schaftspolitischen Zusammenhängen ein, nicht so bei den roten Teufeln vom Betzenberg. Ich wusste jetzt, dass Dominique noch hier blieb. Wir würden uns wiedertreffen. Mehr war's nicht, und mehr hatte ich auch gar nicht gewollt.


Marietta kennt die Völker nennt die Namen


Zu Beginn der Semesterferien fuhr ich für drei Wochen nach Finnland. Absolute Terra inkognita für mich, aber meine Freundin Marietta, die studierte das. Fin­no-ugrische Sprachen, wie konnte man nur, aber spannend war es schon. Wel­che Völker und Namen sie kannte und nannte, die man noch nie gehört hatte. Davon lebten auch noch ganze Völker, und Marietta wusste auch wo und konn­te etwas dazu erzählen. Einige waren zwar bereits ausgestorben, aber auch zu denen konnte sie etwas sagen. Beschämend kam mir mein Wissen über chemi­sche Formeln und Reaktionen dagegen vor. Marietta kannte sich aus in der Welt, zumindest in der, die sonst keiner kannte. Über ihr Interesse als Schüle­rin für die früher noch Lappen genannten Samen, war sie dazu gekommen. Sie war auch damals schon mit ihren Eltern in den Sommerferien hier gewesen, aber die hatten auch mehr vom anderen Finnland sehen wollen. Wir jetzt nicht. Kein Besuch in Helsinki, straightaway Rovaniemi, der Hauptstadt Samlands. Ich sah ja nichts, aber mein erster Eindruck auf dem Flughafen war betrüblich. Es war doch Hochsommer, aber hier schien es Februar/März zu sein. Was ich je­doch dann erlebte, ließ mich die Temperaturen völlig vergessen. Auch wenn Marietta nicht so viel davon hielt, weil es zu touristisch ausgerichtet sei, war der Besuch des samischen Jutajaiset Folklore Festivals, natürlich Pflicht. Für mich war die Vielfalt der Eindrücke aus einer mir unbekannten Welt äußerst be­eindruckend. Ich beschloss, ab sofort nicht mehr zu singen, sondern zum Leid­wesen meiner Zuhörer vielleicht, nur noch zu joiken. Ich könnte jetzt zwanzig Seiten enthusiastisch über Rovaniemi berichten, nur die Besuche bei zwei sa­mischen Familien, die Marietta über die Uni organisiert hatte, haben bei mir den stärksten Eindruck hinterlassen. Familien die noch relativ traditionell von der Rentierzucht lebten, im Grunde genommen Bauernfamilien. Aber es gibt keine Kategorie bei mir, in die ich diese Menschen einordnen konnte. Gebildete Leute in der Wildnis des Nordens Finnlands von einer so ausgesprochen herzli­chen Natürlichkeit nicht nur im Verhalten uns gegenüber, sondern auch unter­einander. So möchte ich gerne leben, so selbstsicher, liebevoll und authentisch, nur in der Tundra? Ich hatte mich ge­spannt auf Mariettas Wünsche eingelas­sen, aber einen Urlaub mit einer derarti­gen Vielfalt an außergewöhnlichen star­ken Eidrücken wie in der 'Ödnis' Nordfinnlands hatte ich meiner Ansicht nach bisher noch nie erlebt. Marietta war auch begeis­tert und hatte einige für sie bedeutsame Kontakte an der Uni herstellen kön­nen. Nur im nördlichen Inari, wo einige hundert Menschen das Inarisamisch, eine ostsamische Sprache spre­chen können, waren wir gar nicht gewesen. Das würden wir sicher im nächsten Jahr nachholen. Vielleicht konnte man dort ja auch im Sommer noch Skifahren, und ob wir dann nicht eventuell doch lieber das Weihnachtsmanndorf bei Ro­vaniemi besuchen sollten? Wie würden wir unseren möglichen Kindern gegen­über später mal dastehen, ganz nah dran aber nicht drin.


Dominique, es ist hoffnungslos


Finno-ugrisch gut gelaunt fühlte ich mich immer noch, als Dominique anrief. Ich hatte wirklich nicht mehr an ihn gedacht. „Komm doch einfach zu uns in die WG. Allerdings ist es mittlerweile ein wenig gefährlicher geworden, seitdem ich mit meinem Sami Knife hier agiere. Damit kann man sogar Rentiere kastrie­ren.“ scherzte ich. Container voller Souvenirs hätte ich mit nach Haus schlep­pen können, nur was wollte ich damit. Mehr als mir eigentlich zur Verfügung stand, hatte ich auch schon für eine Rentierjacke ausgegeben, der ich nicht wi­derstehen konnte, aber das Messer, das sicher sehr wertvoll war, hatte man mir in einer Familie unbedingt schenken wollen, da man ohne ein ordentliches Samenmesser nur ein halber Mensch sei. Es gefiel mir auch, nur zum Brot­schneiden oder zur Verrichtung ähnlich banaler Aktivitäten war es doch zu schade. „Wenn wir etwas anderes machen wollen, können wir uns dann ja hier entscheiden.“ erklärte ich Dominique noch. Wir entschieden aber nichts ande­res. Mein Enthusiasmus konnte natürlich nicht da­von abgehalten werden, Do­minique zunächst einmal die Grundlagen und vieles mehr der Samischen Kultur zu vermitteln. Aber auch wenn ich ja tatsächlich begeistert war, erzählte ich immer mit einem leicht kitzligen ironischen Unter­ton, und meine Fragen an ihn brachten uns oft zum Lachen. Als ob man mit diesem Menschen grundsätzlich Spaß haben und lachen wollte. „Dominique, es ist hoffnungslos. Du wirst nie ein ordentlicher Same werden können. Das Sa­mentum ist eine ernste Angele­genheit, und du lachst immer nur. Hast du mal gesehen, wie ernst der Weih­nachtsmann hinter seinen Rentieren im Schlitten sitzt? Wenn der immer nur ki­chern würde, blieben alle Kinder Weihnachen un­beschenkt.“ ermahnte ich ihn. Er versprach, sich ein wenig mehr zusammenzu­reißen. Aber selbst darüber mussten wir schon wieder lachen. Mir fiel ein, dass ich mit ihm doch über ihn reden wollte, ihn nach seinen politischen Ansichten fragen wollte. „Du, Domini­que, sag mal … .“ begann ich. Was ich eigentlich hatte fragen wollen war ver­schwunden. Mir fiel nur die dämliche Fortsetzung ein: „Wo stehst du eigentlich politisch?“ und ließ mich, anstatt die Frage zu Ende zu führen, wieder losprus­ten. „Ich wollte dich eigentlich fragen, ob du wüsstest, wie es kommt, dass man ständig lachen muss, wenn man besoffen ist.“ wieder pustete ich los und Dominique konnte sich dem nicht entziehen, obwohl er ja den Hintergrund gar nicht kannte. „Ich bin absolut verrückt und albern, Dominique. Ich mach mich mal ein wenig frisch, vielleicht hilft das ja.“ erklärte ich als ich zum Bad ging. Ja tatsächlich, wenn ich nur ein wenig zu viel getrunken hatte, ging es mir so ähnlich. Alles und jedes drehte mein Kopf so, dass es schrecklich lustig und zum Lachen war, zumindest für mich selber. Das war in der Regel aber auch mit einem aufkommenden Gefühl verbunden, dass im Grunde eigentlich alles beliebig sei, und die ganze Welt sowieso mir gehöre. Direkt so empfand ich im Moment nicht, aber ein wenig wohl fühlte ich mich in Dominiques Anwesenheit schon, und Angelegenheiten die sonst für mich von äußerster Wichtigkeit waren, konnten jetzt auch schon mal zurückgestellt wer­den.


Was soll das denn, ich kenne diesen Typen doch überhaupt nicht. Muss ich das einfach so akzeptieren, wenn das Weibchen einen potentiellen Fortpflanzungs­partner sieht, dreht es durch. Alle zivilisatorischen Errungenschaften, die die Menschen über Jahrtausende in immer höher entwickelnden Kulturen sich und ihren Hirnen einverleibt haben, alles Müll bei der Wahrnehmung des Geruchs eines Männchens? Auch wenn es mir Spaß machte, mit Dominique zu lachen, verrückt gemacht hatte er mich aber mit Sicherheit nicht. Ein bisschen zu mö­gen schien ich ihn allerdings schon. „Dominique, ich wollte heute eigentlich ganz ernst mit dir reden.“ als ich es sagte, fiel mir sofort wieder auf, dass man es auch anders interpretieren könne. „Ich weiß überhaupt nicht, woran es liegt, aber wenn wir miteinander reden, kommt es dazu, dass ich nicht mehr ernst bleiben und aufhören kann zu lachen. Passiert dir das sonst auch? Bei mir ist es eine absolute Ausnahme.“ erkundigte ich mich. „Nein, Julia, es kann schon mal sein, das jemand abends etwas sehr Lustiges erzählt, dass man intensiv lachen muss, ein anderer setzt noch eins drauf und ein Dritter nochmal. Dann kann man schon das Gefühl bekommen, dass einem der Bauch weh tut vor La­chen, aber bei dir ist es sehr viel anders. Was du sagst und vor allem, wie du es sagst, erweckt oft den Eindruck, als ob du damit kitzeln möchtest, es hat meist so ironische oder skurrile Untertöne, und man vermutet abstruse Hinter­gedanken. Es kommt mir vor, als ob du spielst, Lust hast zu provozieren und Blödsinn zu machen. Wie du es machst, gefällt mir aber total gut, du scheinst absolut meine Ebene zu treffen. Das ist nicht nur lustig, ich finde es auch sehr erstaunlich.“ er­läuterte Dominique seine Sicht. Ich stritt es nicht ab. Dass ich Lust zu leicht provozierenden Spielereien habe, wenn wir zusammen seien. Das sah ich auch so, aber warum und wodurch kam es dazu? „Ich weiß nicht, Do­minique, so blöde wie es vielleicht klingt, aber meine Wahrnehmungsorgane müssen bei ihren ge­heimen Verarbeitungs- und Interpretationsprozessen wohl beschlossen haben, das ich dich mag, aus welchen Gründen auch immer, und auf dieser Basis ent­wickelt sich dann so etwas. Rational würde ich klar sagen: „Ich kenne den doch überhaupt nicht.“, aber es scheint auch etwas anderes zu geben, als was Auge und Ohr meinem Bewusstsein vermitteln.“ reagierte ich auf Dominique. Der meinte: „Natürlich mag ich dich, du gefielst mir, sonst hät­te ich doch keine Lust darauf gehabt, mich mit dir wiederzutreffen. Aber er­staunt hat mich schon etwas. Hinterher wurde es mir erst bewusst. Wenn man sich mit jemandem Unbekannten trifft, kommt man sich normalerweise lang­sam vortastend näher und lernt sich gegenseitig allmählich ein wenig kennen. Bei uns gab es das al­les überhaupt nicht. Wir wissen nichts voneinander, ken­nen den anderen kein biss­chen, aber gehen vom ersten Augenblick an mitein­ander um, als ob es nie Zei­ten in unserem Leben gegeben hätte, in denen wir nicht gute alte Bekannte gewesen wären. Was hast du mit mir gemacht, Julia? Ich muss es ja erlebt ha­ben, schließlich hab' ich doch darauf reagiert, aber ich weiß nichts, habe nichts gesehen. Du wirst wie viele wissenden Frauen über mediale Kräfte verfügen, die Veleda damals vor 2000 Jahren kam doch auch schon hier aus der Gegend.“ sagte Dominique und lachte. „In Schwaben, nein sorry, in Baden mag es vielleicht nur Frauen vorbehalten sein, aber im Müns­terland können auch Männer dieser Gaben teilhaftig werden. Wenn du nicht in Karlsruhe sondern in Kattenvenne gelebt hättest, könntest du vielleicht mit deinem zweiten Gesicht zukünftig drohendes Unheil erkennen. Wenn deine Vorfahren nicht aus dem Badischen sondern aus Harsewinkel kämen, wärest du jetzt vielleicht der Spökenkiekerei mächtig. Ich denke schon, dass wir Münster­länderinnen und Münsterländer über eine hochgradig entwickelte, feinfühlig dif­ferenzierende Sensibilität verfügen, an der es dem Badenser möglicherweise mangelt.“ klärte ich Dominique auf, der schon wieder halb lachend antwortete: „Julia, ich glaube es geht nicht anders, vielleicht gibt es sich ja im Laufe der Zeit. Du wirst mir alles erklären müssen, nicht nur Samland sondern vor allem das Münsterland. Sollen wir nicht am Wochenende einen Trip zu meinen Wunschvorfahren nach Harsewinkel machen oder lieber nach … Wie hieß der andere Ort nochmal?“ „Oh Nikki, wie wäre es wohl, wenn wir zusätzlich ein we­nig beschwipst wären. Completely outrageous, vermute ich mal.“ war meine Reaktion. Morgen wollten wir uns am Aasee treffen. Wir wollten testen, ob beim Laufen das Lachen anstrengender und komplizierter sei, und man es da­her sehr begrenze. Quatsch, wir hatten einfach Lust, spazieren zu gehen und dabei miteinander zu reden.


Meine bourgeoise Sozialisation


Außer Marietta, mit der ich mich leider viel zu selten traf, hatte ich auch andere Freundinnen, und die drei hier in der WG waren wohl auch so etwas für mich. Nur über persönliche Beziehungen reden? Das war eigentlich nicht so ange­zeigt. Wenn jemand sehr unter einer Enttäuschung litt, klar, aber dann stand die gequälte Psyche der betroffenen Freundin im Zentrum. Dass man sich freu­te, jemanden kennengelernt zu haben, den man nett fand? „Mädel, wie be­deutsam ist das denn, dass ich das wissen muss? Das kannste doch jeden Abend haben. Wird sich dadurch irgendetwas auf der Welt verändern?“ So dachte frau, wollte frau denken oder es wurde zumindest vermutet, dass frau so den­ken würde. Ziemlich dämlich kam ich mir bei meinem Kontakt zu Domi­nique vor, jetzt musste ich mir noch zusätzlich beschränkt vorkommen, weil es mich zu beschäftigen schien, ich öfter an ihn oder unsere Kontakte denken musste. Ich rief meinen Bruder an. Mit ihm konnte ich am besten von Frau zu Frau re­den. Wir ließen uns auf alles vom anderen ein, machten keine Vorgaben und nahmen keine Bewertungen der politischen Relevanz vor. Ich hatte ja kei­ne Probleme, nur ein Gespräch mit ihm war immer erhellend, aufheiternd und zu­frieden stimmend. Es tat einfach gut, mit meinem Bruder zu reden. In der WG wurde auch nicht jedes gesprochene Wort auf politische Relevanz geprüft. Ab­soluter Quatsch. Völliger Unsinn konnte unter uns locker gequatscht werden. Aber wenn man von seinen persönlichen Beziehungen erfasst war, verdeutlich­te es, dass man begann, die Welt aus bourgeoiser Perspektive zu betrachten, und für einen nicht mehr die gesellschaftspolitischen Blickwinkel im Vorder­grund zu stehen schienen. Na ja, wahrscheinlich basierte mein emotionales Empfinden vornehmlich auf der bourgeoisen Sozialisation, die ich durchlaufen hatte, aber unsere heißen Diskussionen über politische Themen und gesell­schaftliche Ent­wicklungen bewegten mich doch auch zutiefst emotional. Viel­leicht gab es im Revolutionären ja auch Aspekte, die eine bürgerliche Seele sehr beglücken konnten. Dass nicht alles Revolutionäre meine bourgeoise Psy­che hoch erfreu­te, konnte ich zum Beispiel daran erkennen, wie schwer es mir fiel, das Kapital zügig zu lesen. Ob es sich bei meiner Kontaktaufnahme zu Do­minique eher um eine Aktivität mit dem Ziel bourgeoiser Bedürfnisbefriedigung handelte, oder ob es doch mehr als ein revolutionärer Akt anzusehen war, konnte ich nicht genau entscheiden, tendierte aber eher und lieber zum Letzte­ren.


Welche die Ausbeutung der darbenden arbeitenden Abhängigen bedingenden Strukturen der Herrschenden dadurch überwunden sein sollten, würde sich später erweisen, zu Zeit musste ich jedenfalls noch viel arbeiten. Ich mochte und liebte es ja, seit der Zeit als ich im Kindesalter aus unerfindlichen Gründen einen Chemiebaukasten zu Weihnachten geschenkt bekommen hatte. Keiner in unserer Verwandtschaft oder Bekanntschaft hatte etwas mit Chemie zu tun. Für mich begann die Forschungsreise meines Lebens. Immer wieder entdeckte ich Neues, noch Spannenderes, noch Fantastischeres. Für alle galt ich als die unumschränkte Fürstin chemischen Wissens und Erklärenkönnens. Nur jetzt sah es einfach so aus, dass es noch unendlich viel mehr gab, dass die Fürstin noch nicht gewusst hatte und das ich jetzt lernen musste. Einfach lesen, an­schauen, vorstellen, behalten. Das war viel und leicht ermüdende Arbeit. Aber dass der Mensch in den befreiten Zeiten nach der Revolution nicht mehr arbei­ten müsse, wurde ja auch nirgendwo verkündet, nur selbstbestimmt sollte es eben sein. In den Semes­terferien ließ sich das bei mir schon weitgehend so in­terpretieren.


Ein bisschen Klavierspielen kann ich auch


Was machte ich, als ich mich mit Dominique nachmittags traf? Ich musste ihn natürlich fragen, wenn er arbeite, ob er das eher selbstbestimmt oder fremd­bestimmt verrichte. Er blickte skeptisch lächelnd zu mir rüber: „Julia, du fängst ja schon wieder an. Ich denke, wenn ich mich mit dir treffen will, können mich dabei nur mir persönlich unbekannte Herrschende dirigieren, selbst bestim­men, dass ich so etwas wollte, würde ich doch wohl niemals.“ „Das Kapital, die unbekannten Herrschenden sind immer das Kapital. Schade, dass du dem noch gehorchen musst. ...“ Wir scherzten noch ein wenig, schienen dann aber selbstverständlich das Bedürfnis zu entwickeln, in üblicher weise miteinander zu reden. Ich erfuhr auch, warum Dominique Chemie studierte und sogar über Politisches sprachen wir. Natürlich dachte er links, war aber nirgendwo aktiv. Er erklärte mir auch warum. So gelassen und ruhig habe ich mich, glaube ich, noch nie über Politik unterhalten. Jeglicher revolutionäre Eifer schien mir für heute Nachmittag abhanden gekommen.


Was geschah da mit mir? Was tat ich da überhaupt? Ich hatte nicht das Be­dürfnis nach einem Liebhaber gehabt, war nicht auf der Suche nach einem Partner gewesen, hatte Dominique gesehen und gedacht: „Oh ja, der könnte es sein.“ Es war eher so, als ob ich in einem Katalog geblättert hätte, und: „Sieh mal, wie hübsch.“ wäre mir entfahren. Jetzt treffen wir uns gleich an zwei aufeinander­folgenden Tagen. Wahrscheinlich würden wir uns morgen wieder treffen wollen. Beim zweiten Treffen stellen wir gleich fest, dass wir uns gegenseitig ungeheu­er sympathisch sein müssen. Was sollte das denn werden? Wollte ich denn jetzt überhaupt eine enge Beziehung zu einem Mann. Fast kam es mir vor, als ob ich in meine eigene Eheanbahnung hineingeschlittert sei. Ja ich schlitterte in etwas hinein, bei dem mir jeder Plan fehlte. Das wollte ich nicht, aber Domini­que einfach ziehen lassen und das Kapitel abschließen, nein das wollte ich auch auf keinen Fall. Was tun? Lenin konnte ich in diesem Fall nicht befragen. Warum sprach ich nicht direkt mit Dominique darüber, wenn wir uns doch so gut verstanden und so sympathisch waren? „Hättest du dich denn schon bei­nah beim Standesamt nach freien Terminen erkundigt?“ wollte er wissen. „Du bist blöd. Das ist überhaupt nicht zum Lachen. Du hast mich völlig missver­standen, und das weißt du. Warum tust du so etwas. Wahrscheinlich, weil du in Wirklichkeit keinen Deut besser bist, als all die anderen auch.“ erschrak ich über meine eigene Rage, nur Dominique lächelte. „Julia, ich glaube, wir brau­chen uns gar nicht darüber zu unterhalten, ob und wie gut wir uns verstehen, und welche Bedeutung der andere für einen hat, wir brauchen nur unser Ver­halten und unseren Umgang miteinander zu betrachten, dann weiß man ei­gentlich Bescheid. Natürlich kannst du sagen, meine Ratio teilt mir mit, dass ich jetzt keine Beziehung zu einem Mann will, also finito. Nur wenn du über­legst, ob du nicht in etwas Unausgegorenes hineinschlitterst, und eigentlich zu­nächst mal einen Plan brauchtest, meine ich, dass das Unausgegorene sich einen feuchten Kehricht um deine Pläne scheren wird, sondern dich schneller schlittern lässt, als du mit all deinen Planvorgaben nachkommen kannst. Wenn du mich ausschimpfst, hört sich das nicht an, als ob wir fast Fremde wären, sondern eher als ob dem die Vertrauensbasis von dreißig Ehejahren zu Grunde läge. Und ich bin nicht indigniert, ich fühle mich wohl, mir gefällt es. Julia, das kommt einfach so von selbst herangeschlittert und ist da. Passt wunderbar, fasziniert mich und ist äußerst angenehm. Wenn du nicht grundsätzlich eine Beziehung ablehnst, denke ich, es wird am besten und schönsten für uns wer­den, wenn wir uns einfach schlittern lassen, wenn wir uns von der Entwicklung, wie sie sich ergibt, tragen lassen. Ich bin da sehr zuversichtlich und meine mich darauf freuen zu können.“ führte Dominique aus. „Nikki, mein Bauch möchte das doch auch, aber stell dir mal vor, wir würden länger zusammen bleiben. Das ganze Leben mit einem Chemiker, nicht zu ertragen. Ich allein bin die Chemie-Prinzessin. Nein Unsinn, aber zwangsläufig wird man nicht nur im Privatbereich auch unendlich viel Chemisches besprechen, es werden auch Im­pulse aus den anderen Bereichen des Partners fehlen, das wird doch auf die Dauer gar nicht gut gehen können. Siehst du das nicht auch so?“ fragte ich zu mei­nem Problem. „Nein“ war Dominiques entschiedene Reaktion. Er erläuterte dann weiter, dass seine Eltern beide in der Pharmaindustrie in der gleichen Fir­ma in Karlsruhe beschäftigt seien. Sich seit dreißig Jahren innig liebten, zwar sehr viel über chemisch-pharmazeutische Angelegenheiten sprächen, aber kei­neswegs lebensfremde Fachidioten seien. Als Horrorbild könne er so etwas auf Grund seiner Erfahrungen keinesfalls sehen. Es liege an den Menschen, wie sie damit umgingen und wohl auch über welche Bildung sie verfügten. „Du malst ein anderes Bild, als es meine Vorstellung dominierte, aber trotzdem wäre es doch schön, wenn der Partner zusätzliche Einblicke in eine andere Welt vermit­teln könnte. Meine Mutter ist Lehrerin, die hätte niemals einen Lehrer geheira­tet. Ich habe mich immer vorrangig um Naturwissenschaftliches gekümmert, war ja auch nicht schlecht. Nur ich singe eigentlich auch sehr gern, höre gern klassische Musik, würde so gern Klavier spielen können, bei Gemälden denke ich, dass die Maler über göttliche Gaben verfügen müssen, ich muss immer nur auf's Neue feststellen: „Ich kann nichts davon.“. Einen Partner zu haben, der Affinitäten zu derartigen musischen Bereichen hätte, wäre nicht nur eine schöne Ergänzung, für mich hat es die Qualität eines Wunschtraumes.“ unterstrich ich nochmal meine Vorstellungen. „Na ja, so ein bisschen Klavierspielen kann ich auch schon noch.“ meinte Dominique. „Und was?“ schaute ich ihn skeptisch an. „So einiges schon. Ich könnte dir ja mal etwas vorspielen, aber da müssen wir uns im Konservatorium treffen.“ antwortete er. „Don't hurt me. Bitte, enttäusche mich nicht.“ dachte ich befürchtend. „Wir haben ein Klavier hier in der WG.“ frohlockte ich. Wir gingen hin und Dominique griff ein paar Mal in die Tasten. „Das Piano ist krank. Das muss zum Onkel Doktor. So kann man da nicht drauf spielen.“ meinte er. Aha, derartige Äußerungen zu unserem Klavier hatte ich noch nicht vernommen, aber wir benutzten es ja auch immer nur bei Fèten. Also Konservatorium.


Wieso Konservatorium? Was machte Dominique dort? Dominique spielte. Nach­dem er seine Finger ein wenig aufgewärmt hatte, zuerst die Mondscheinsonate, danach Für Elise, „Magst du Chopin?“ fragte er. Ich nickte nur eifrig. Obwohl mir innerlich der Mund offen stand, meine Ohren auf andächtigstes Lauschen eingestellt waren und meine großen Augen vor Begeisterung, Freude und Stau­en feucht wurden. „Bisschen Klavierspielen“ Dominique spielte virtuos. „Domi­nique Chopin. Was ist das? Sag etwas dazu.“ forderte ich in freudig lächelnd auf und gab ihm einen Kuss auf die Stirn. Er spiele wohl nicht schlecht, aber außer in Karlsruhe und Umgebung habe er nichts gewonnen. „Da hast du keine Chance. Du kannst dir die Finger wund trainieren, aber gegen die, die vorm Sprechen Klavierspielen gelernt haben, wirst du nie im Leben ankommen. De­nen haben sich beim Aufwachsen spezielle Hirnareale gebildet. Später sind die nicht mehr zu haben. Studieren hätte ich es wahrscheinlich schon können, aber das ganze Leben lang nur Klavier in seichter Mittellage, für die du dich noch ziemlich quälen musst, das war auch keine emotionale Perspektive. Aber jetzt habe ich nichts. Ich muss aufpassen, dass ich meinen Standard nicht verliere. Ein Assi, den ich kenne, hat mir hier für einmal in der Woche die Möglichkeit verschafft, und einmal kann ich bei den Eltern von einem Bekannten hier spie­len. Die hören es gern, weil sonst keiner den Flügel benutzt, nur ist das auch nicht so ein tolles Teil. Eigentlich dürfte kein Tag ohne vergehen. Ich sollte mich auch mal um 'ne WG bemühen, dann könnte ich meinen rüberkommen lassen. Nur da hätte ich wohl Angst drum, wenn er dann einfach so im Ge­meinschaftsraum stünde. Euer Klavier, das muss sicher auch ziemlich leiden, das ist nämlich nicht nur einfach stark verstimmt, da ist auch noch etwas an­deres.“ erläuterte Dominique und dann spielte er noch für mich, bis die Zeit vorüber war. Wunderbar, toll, lustig, genial. Das könne er dann doch wohl je­den Tag für mich tun, dachte ich, und dass unsere Beziehung so beschwingt, lustig und verspielt sein würde, wie Beethovens und Dominiques improvisierten Papagenovariationen, daran hatte ich keinen Zweifel.


Konnte ich jetzt träumen? Ich heulte einfach. Was Dominique gespielt hatte, ich hörte es im Bett genau nochmal, sah ihn sich konzentrieren, mir zulächeln, sah die Schweißperlen auf seiner Stirn. Der nette Junge aus dem Hörsaal mein Traumprinz? Für heute Nacht war er auf jeden Fall der Prinz meiner Träume. O. k., gestern war ein verzauberter Tag, aber meine Welt bestand überwiegend nicht daraus, Zauberklängen zu lauschen, und ich sah darin auch keine alleini­ge Basis für eine Perspektive. Trotzdem mussten für Dominique bessere, aus­reichende Trainingsmöglichkeiten geschaffen werden. Da würde sich etwas fin­den lassen, war meine feste Überzeugung. Meine Eltern sollten als erstes kon­sultiert wer­den. Sie kannten ja jede und jeden in Münster. „Ich kenne da je­manden, nein,“ unterbrach ich mich, „Mein Freund spielt ganz hervorragend Klavier.“ Nach dem ich alles zu 'mein Freund' erläutert hatte, war selbstver­ständlich, dass seine Übungsmöglichkeiten zu verbessern seien. Meine Mutter sprudelte mit Ideen. „Ja, aber wenn er selber einen Flügel hat,“ sinnierte mein Vater, „dann würde er doch darauf sicher am liebsten spielen. Er brauchte nur entsprechende Räumlichkeiten.“ Mein Vater war Architekt, und wenn er so sprach, hatte er be­stimmt schon etwas Konkretes im Hinterkopf. Ich konnte warten. „Wie viel kann er denn im Monat bezahlen?“ wollte er wissen. Wusste ich natürlich nicht: „Wieviel müsste er denn?“ war meine Gegenfrage. „380,-€ all inclusive, das sind Neubauten, absolut schalldicht, da kann er Tag und Nacht in die Tasten hauen. Hier in den Altbauten, wo willst du denn da jeden Tag eine Stunde lang auf dem Flügel spielen. Ohne eigenes Haus geht es doch nirgend­wo. Das sind meiner Ansicht nach auch sehr passable Appartements an sich. Heirate ihn, dann bauen wir euch ein Haus.“ scherzte mein Vater. „Vielleicht ist er ja schon verheiratet. So genau kenne ich ihn auch wieder nicht.“ war meine Replik. Mut­ter wollte sich noch überall umhören. Das wollte ich zunächst mal abwarten und die Angelegenheit mit dem Appartement klären. In Angelmodde war's na­türlich. Am Prinzipalmarkt gibt’s keine Neubauten, auch wenn Domini­que das wesentlich lieber gesehen hätte. Ich tröstete ihn, dass ich an schönen Wochen­enden dann mal eine Kaffeefahrt zur Werse machen und ihn in diesem Rahmen auch besuchen könne. Nur Dominique konnte's gar nicht bezahlen. Dazu muss­te er erst mal nach Hause.


Dominiques Freundin


Verheiratet? Wieso hatte Dominique eigentlich keine Freundin? Dass ich die einzige Frau in Münster oder Karlsruhe sein sollte, die ihn gut leiden mochte, schien mir eher unwahrscheinlich. Warum hatten wir ausgerechnet davon nie etwas erwähnt? Wir hatten über meine Beziehungsperspektive und -geschichte gesprochen, aber bei Dominique gab's da nichts. Bestimmt hatte er da noch etwas, von dem er mir nichts erzählte. Etwas Ernstes, Seriöses und mit mir war's schön lustig. Vielleicht war er ja auch seiner großen Liebe aus der Schul­zeit versprochen, und hatte jetzt die Freiheit der Wanderjahre. Diese ganzen Beziehungsquerelen, dass man sich solche Fragen fragt, über solche Hypothe­sen nachdenkt. Eigentlich stand für mich fest, dass ich mit dieser dämlichen Psychokleinschmiere nie mehr etwas zu tun haben wollte. Soll's mir doch egal sein, solange ich meine schönen Tage mit ihm habe, was will ich denn sonst. Lag's an meiner bourgeoisen Sozialisation, oder handelte es sich dabei um ein amourösen Beziehungen generell immanentes Phänomen. Wenn's an meiner Sozialisation lag, war's sowie zu spät, da etwas ändern zu wollen. Besitzvor­stellungen und Ausschließlichkeitsansprüche wurden gleich beim Zuwendungs­ausbau mit erworben und wenn's sowieso dazugehörte, war ja auch nix zu ma­chen.


„Dominique, wo steckt eigentlich deine Freundin? Du hast noch nie etwas da­von erzählt,“ feixte ich ihn grinsend an. Er lachte wieder laut, meinte aber dann: „Das ist gar nicht zum Lachen, dass ist bitter, ganz bitter. Ich kann mich gar nicht von ihr trennen.“ Ich schaute ihn nur fragend an, „Ja, so richtig mei­ne Freundin ist sie eigentlich nie gewesen. Wir sind nach einer Fète im Bett ge­landet und dann für ein paar Tage nicht mehr aufgestanden. Du kannst ja nicht anschließend sagen: „Ja, war schön, vielen Dank. Wie hießt du nochmal?“. Aber so klar war es mir da auch noch gar nicht, nur als wir uns dann öfter tra­fen, stellte ich fest, dass wir in völlig unterschiedlichen Welten lebten. Im Grunde gab es nicht's worüber wir beide interessiert gemeinsam reden konn­ten. Ich konnte über ihre Scherze nicht lachen, sie berührten mich eher pein­lich. Ich konnte aber nicht unfreundlich zu ihr sein. Sie war immer so lieb und herzlich zu mir, sie kam mir so verletzlich vor und mag mich eben wohl sehr gut leiden. Es war ja auch schön gewesen mit ihr im Bett, aber die Vorstellung, mit ihr zusammenleben zu müssen, stellt ein Horrorbild für mich da.“ erläuter­te Dominique. „Und warum machst du nicht Schluss, wenn alles so eindeutig für dich ist?“ erkundigte ich mich. „Da liegt ja das Problem. Ich denke nicht, dass ich ein Schlaffi bin, der sich vor Entscheidungen drückt, aber hier ist es eben ganz anders. Es tut mir selber weh, ihr weh tun zu müssen, und dass werde ich dadurch mit Sicherheit sehr. Wie ein naives Kind kommt sie mir vor. Sie hätte es doch längst merken müssen, an meinem Verhalten, daran, wie oft ich sie vertröstet, wie oft ich mich zu drücken versucht habe. Dass ich sie lie­be, hat sie von mir noch nie zu hören bekommen. Aber Evchen akzeptiert alles. Was soll ich denn da machen? Ja, ja, da bin ich ganz nett in etwas reingeschlit­tert, was ich nie gewollt hätte.“ erläuterte Dominique seine Ratlosigkeit. „Liebst du mich denn?“ fragte ich mit einem schelmischen Grinsen. Er lachte sich wie­der tot. „Sag's am besten gleich, damit ich nicht nach zwei Jahren feststellen muss, so etwas hat Dominique noch nie zu mir gesagt, vielleicht liebt er mich ja gar nicht.“ Dominique lachte immer noch und meine: „Julia, das ist es was ich an dir liebe, dass du so etwas in solchen Situationen auf diese weise fragst. Ich könnte dich küssen und umarmen. Das sind doch Liebesäußerungen, oder?“ „Das würde für heute reichen, aber du tust es ja nicht.“ reagierte ich. Er schaute mich fragend an: „Darf ich denn?“ „Wir wollten doch unseren Emotio­nen schlitternd folgen. Wenn dir danach ist, was sollte dich aufhalten, kluge Gedanken doch wohl nicht.“ so ich. „Meine klugen Gedanken raten mir auch dringend dazu.“ bemerkte Dominique noch, bevor wir uns umschlangen und küssten. Wir lächelten uns an, fast ein wenig mokant aber in freundlich wohl­wollender Form, vielleicht auf einer selbstironischen Basis: „Sind wir nicht doch ein wenig verrückt, aber schön war's schon.“ Ein Lächeln, das auch einen Un­terton von tiefem wissenden gemeinsamen Verständnis beinhaltet. Selbstver­ständlich nochmal. Wir ließen uns nach hinten fallen, und aufhören hätte ich ei­gentlich gar nicht mehr gewollt. Nur der Herr begann, an meiner Gürtelschnalle zu nesteln. „Mhm, mhm, Dominique, du weißt ja wozu das führt, oder legst du Wert auf eine weitere Freundin, die du nicht mehr los wirst?“ wehrte ich ihn ab. Er erklärte mir, welch Unsinn ein Vergleich sei, und warum und wie sich zwi­schen uns alles völlig anders darstelle, was für ein toller Mensch und Frau im Besonderen ich doch sei. Die Gürtelschnalle blieb trotzdem zu. Dominique hat­te allerdings auch keine erneuten Ambitionen erkennen lassen.


Schwiegertochter in Karlsruhe


„Julia, wenn du mit zu meinen Eltern kämst, würden sie mir das Apartment be­stimmt bezahlen.“ meinte er. „Als Schwiegertochter, potentielle Gebärerin der zukünftigen Enkelkinder oder was? Wie stellst du dir das vor?“ reagierte ich. „Red' nicht so einen Blödsinn. Als meine tolle, nette Freundin, die sie ganz si­cher auch mögen werden. Und auch mein Vater wird es für unerträglich halten, dass sie keine Möglichkeit haben soll, dem Klavierspiel seines Sohnes zu lau­schen.“ erläuterte Dominique. „Und ohne Freundin ist ihnen dein Klavierspiel nicht so wichtig?“ wollte ich wissen. „Schon, nur das ist ein wenig kompliziert. Es ist noch nichts endgültig entschieden. Ich habe zum ersten Mal im Leben meine Eltern sich richtig streiten gesehen, richtig. Sie haben sich vorgeworfen, sich gegenseitig nicht zuzuhören, heftig. Sie waren sich zwar wieder einig, dass man auf diese weise nichts klären könne, aber geändert hat auch keiner seine Position. Dass ich von zu Hause weg wollte, hat sie maßlos enttäuscht. Sie ha­ben mir jeden Wunsch von den Augen abgelesen, aber deshalb wollte ich ja auch weg, nicht mehr die Möglichkeit haben, Mami und Papi mein Leid klagen zu können und sicher sein, dass sie es regeln würden. Meine Mutter hat unter Tränen versprochen, mir nie mehr bei nichts behilflich sein zu wollen, wenn ich bliebe. Sie würde ich allerdings schon gern öfter sehen. Weißt du, Julia, das ist eine Amour fou zwischen uns beiden. Als ob wir zusammen auf die Welt ge­kommen wären. Ja, stimmt, sie hatte auch immer Lust daran, mich zu ärgern, solange ich mich erinnern kann. Einmal meinte sie, warum die Bauern denn nicht gleich die Kühe an den Strom anschließen würden, dann brauche man die Milch doch nicht extra für den Kakao wieder heiß zu machen. Ich wusste da­mals zwar, das so etwas irgendwie nicht möglich war, warum aber nicht, das konnte ich nicht sagen. Ich musste mich immer kringeln, wenn sie mir auf mei­ne Behauptung, dass es nicht ginge, neue Erläuterungen bot. Stromkühe wa­ren ihre Fantasien, die mich kitzelten, zum lachen brachten, aber von mir auch nicht so leicht zu widerlegen waren. Ja, so spielten wir, und du machst es heu­te nicht viel anders. Das wird es sein. Dass meine Mutter und ich uns lieben ist so selbstverständlich, sicher und unveränderlich. Dass es irgendwann nicht mehr so sein könnte, unvorstellbar. Unsere Liebe ist wie losgelöst von der Au­ßenwelt. Ich konnte den größten Mist machen, meine Mutter konnte mir etwas verbieten, ich konnte sauer auf sie sein, aber unsere Beziehung tangierte, das alles überhaupt nicht. In der Pubertät habe ich ihr mal gesagt, dass ich sie lie­be und davon träumte, dass sie auch anders meine Freundin wäre. Da hat sie mir alles erklärt, warum das so und ganz natürlich sei und gemeint, dass sie, solange ich keine Absichten hege, sie zu vergewaltigen, alles ganz in Ordnung fände. Sie war natürlich schnell dafür, dass ich das entsprechende Geld be­käme, obwohl sie damals auch mit meinem Vater der Ansicht war, wenn ich selbständig die Realität draußen erleben wolle, dazu ebenso gehöre, mit be­grenzten finanziellen Mitteln wie andere auch auskommen zu müssen. „Für welchen Studenten gehört es denn zur normalen Alltagsrealität, sich ein schal­lisoliertes Apartment leisten zu können, in dem er seinen Flügel unterbringen kann? Würdest du mir das mal, bitte, erklären.“ hatte mein Vater unter ande­rem argumentiert. „Seinem eigenen Sohn die Finger steif werden zu lassen, weil man das Geld nicht rausrücken will, rationale Argumente können das allein nicht sein. Dazu muss schon ein ziemliches sadistisches Potential gehören. So habe ich dich bislang noch nie gesehen.“ hatte seine Mutter vorgebracht. Sein Vater war kein Sadist mehr, und seine Mutter brauchte auch nichts mehr zu erklären, aber entschieden war nichts. Sein Ibach-Schatz stand weiter in Karlsruhe und das Appartement in Angelmodde leer.


Dominique hatte ja auch kein Auto, fuhr mit dem Fahrrad wie alle anderen in Münster und hatte es auch vorher in Karlsruhe schon getan. Er lebte tatsäch­lich wie jeder andere schlichte, normale Student auch. Komisch kam es mir schon vor, mich von den Schwiegereltern begutachten zu lassen. Wussten sei­ne Eltern denn von der anderen Freundin? Seiner heißgeliebten Mami würde er doch bestimmt etwas davon erzählt haben. Im Zug überlegten wir immer bes­sere Sprüche, wie ich seinen Alten denn anranzen könne, nun mal flott die Kohle rauszurücken. Wir kamen so lustig und entspannt in Karlsruhe an, dass ich, anstatt an Schwiegertochter-Casting zu denken, viel mehr darauf achten musste ernst zu bleiben. Als Dominique erzählte, wie wir uns kennengelernt hatten, und er sicher sei, ich hätte genau gewusst, das Karlsruhe nicht in Schwaben läge, bekam ich von seiner Mutter ein sehr vertrauliches sympathi­sches Schmunzeln. Jetzt wollte ich aber doch sehen, was man da eventuell nach Münster transportieren lassen wollte, und ob es sich denn überhaupt loh­nen würde. Als ich sah was da in der Mischung aus Bibliothek und Musikzim­mer stand, bekam ich Augen und Mund nicht mehr zu. „Und der gehört dir?“ fragte ich entgeistert. „Na ja, er ist für mich damals angeschafft worden, da ich immer zum Üben in die Schule ging, weil unser Klavier nicht mehr reichte. Mami war ganz begeistert von dem Klang und meinte, sie würden es ja schließ­lich immer hören müssen. Ein wenig kann sie selber auch spielen. Und schließ­lich könne man so etwas ja auch immer wieder verkaufen.“ So ein dickes prächtiges Teil, ein richtiger großer Konzertflügel, Richard Wagner hieß er, ein­fach in einer Wohnung. „Der ist doch viel zu schade zum transportieren. Hast du da keine Angst?“ fragte ich noch, aber jetzt wollte ich doch endlich etwas hören. Revolutions-Etüde spielte mein Dominique Chopin für mich. Wie kann man so etwas können? Liszt h-Moll Sonate folgte und nochmal Chopin Noctur­ne. Der Impresario ließ alle seine Talente auftreten. Bei dem, was er gespielt habe käme der Klang besonders gut zur Geltung. Bis auf die Revolutions-Etü-de, die hätte er speziell für die Barrikadenkämpfe in Münster gespielt. Mein beliebtestes und am meisten gehörtes Stück war die Ungarische Rhapsodie Nr 2 von Franz Liszt, und ich hatte einen Freund, der so etwas selbst spielen konnte. Morgen sollte Hungarian Rhapsodie Tag sein. Seine Eltern waren auch gekommen, und ich musste Dominique erst mal küssen. „Ja, stellen sie sich vor, das bekamen wir sonst jeden Tag zu hören. Und was macht dieser Schlin­gel? Lässt einfach seinen besten Freund in Stich, und wir können wieder CDs auflegen. Können sie das verstehen?“ meinte sein Vater. „Eigentlich nicht,“ meinte ich dazu zu, spürte schon wieder mein Zwerchfell und Domini­ques Mut­ter schien auch schon ein erwartungsvolles Grinsen aufgelegt zu ha­ben, „aber wie hätte er sonst mich kennenlernen sollen. Ob Freundin Julia so wertvoll ist wie Freund Ibach, weiß ich nicht, nur eins allein könnte für ihren Sohn auf die Dauer vielleicht ein bisschen zu wenig sein, oder?“ „Sie sind ein Schatz.“ wobei mich Vater Reber umarmte und mir einen Kuss auf die Stirn gab. Für Vater Re­ber war ich ein Schatz und für Mutter Reber goldig und je­mand von dem sie nicht gern mit Frau Dr. Reber, sondern mit Lilo angeredet werden möchte. Bei der Abendessenszubereitung wollte ich Lilo ein paar Zu­sammenhänge verdeut­lichen. Ich hätte ihn einfach nur gesehen und sympa­thisch empfunden. „Das geht mir doch genauso, Julia.“ kommentierte Lilo, und wir prusteten los. Die ganze Zeit ging es so ähnlich weiter. Unbelievable, Domini­que kam mir vor, wie eine Kopie seiner Mutter. Eine herrliche Frau. Ich würde später mal beide heira­ten und ganz viele kleine Kinder bekommen, die auch alle so albern wären, wie Dominique und seine Mami. Über das Geld für's Apartment wurde kein Wort mehr verloren. Sein Vater fragte nur noch, ab wel­chem Monat Dominique denn dort einziehen wolle.


Ja es war ein wunderschönes Wochenende. Seine Eltern mochten mich und be­handelten mich, als ob ich selbstverständlich zur Familie gehörte. Was sollte ich denn kritisieren, ich war ja happy, aber gefragt, ob ich so etwas wollte, hat­te mich niemand. War ich denn eigentlich noch frei? Konnte ich überhaupt noch sagen: „Nein, ich will das alles nicht?“ Ich würde doch nicht alles verlieren wol­len. Dominique, seine Eltern, sein Klavierspiel, das war doch alles bedeutend für mich. Was war denn sonst noch für mich bedeutend, was wollte ich sonst nicht verlieren? Zum Beispiel meine Freundin Marietta. Wenn sie einen Job in Finland bekäme, wäre das sehr schade für mich, aber ich würde es hinnehmen, wäre ja schließlich nicht zu ändern. So war das bei Dominique nicht, da würde ich nicht sagen können 'schade, war nicht zu ändern'. Der hatte sich bei mir selbst eingenistet, als ob seine Anwesenheit, seine Leben schon mit mir verwo­ben wären. Es würde Lücken in mir hinterlassen und sehr weh tun. Grundsätz­lich kam es eigentlich für mich nicht in Frage, dass ich so etwas mit mir ge­schehen ließ, dass ich mich durch bestimmte Ereignisse in etwas treiben ließ, ich wollte schon selbst bestimmen was ich tat, und was mit mir geschah. So Ähnliches wie Dominique, der in seine Liebschaft mit dieser Eva gerutscht war, sollte mir nicht passieren können. War ich jetzt auf dem besten Wege dorthin? Bestimmten die Verhältnisse mich, statt ich die Verhältnisse. Das Verhältnis zu meinem Gesellschafter sollte nicht mein Bewusstsein bestimmen, ich wollte mit meinem Bewusstsein Bestimmerin des Verhältnisses bleiben. Aber bei der Pro­duktion von Liebesbeziehungen scheint es nicht viel anders als bei den übrigen Produktionsverhältnissen auch vor sich zu gehen. Zwar hatte Marx nicht spezi­ell auf diesen Produktionszweig Bezug genommen, aber auch hier schien es unvermeidbar, dass das Sein das Bewusstsein bestimmte und nicht umgekehrt. Auch wenn mir in bestimmten Bereichen meiner Psyche immer ein Rest Un­wohlsein blieb, zumindest legitimierend erklären konnte ich es jetzt wenigs­tens.


Evas Ende


20:30 Uhr. Dominique kam ohne Ankündigung hereingestürmt. „Buh“ mit ganz langem 'uh' brachte er nur heraus, als er sich auf's Bett fallen ließ. Er konnte die sieben Kilometer von Angelmodde schnell hierhergefahren und deshalb er­schossen sein, aber wenn er einfach so um diese Zeit kam, lag da etwas ande­res vor. „Du machst mir Angst, Nikki. Sag ganz einfach mit zwei Worten worum's geht.“ forderte ich ihn auf, doch er tat es nicht. „Ich halt' das nicht aus. Ich kann so etwas nicht. Das bringt mich um. Das wird mich nicht loslas­sen. Ich werde es immer vor Augen sehen. In meinem ganzen Leben bin ich mir noch nie wie so ein Schwein vorgekommen.“ stieß es hervor, legte seinen Kopf auf meine Schulter und begann zu weinen. Ich konnte mir zwar denken worum es ging, aber nach kurzer Zeit begann er zu erklären: „Ich habe ge­dacht, mein Umzug nach Angelmodde sei die Gelegenheit mit Eva endgültig Schluss zu machen. Jetzt oder nie, dachte ich. Ich wollte einfach stark sein und es ihr klar machen. Ich hab es auch getan, bin auch nicht eingeknickt. Eigent­lich könnte ich ja froh und stolz sein, aber das Gegenteil ist der Fall. Wenn du erlebst, wie Evchen die ganze Zeit weint, zu sterben scheint, sich entwürdigt, erklärt alles ganz anders machen zu wollen, dich fragt, was und wie du's denn gerne hättest, fragt, ob ich sie für beschränkt hielte, Julia, das hältst du nicht aus. Wer bin ich denn, dass sie meint, sich so vor mir so erniedrigen zu müs­sen? Ich möchte aus der Situation fliehen, möchte das alles nicht erleben müs­sen. Meiner Ansicht nach hat es nie etwas gegeben, wodurch ich ihr diese Vor­stellungen vermittelt hätte. Das sind alles Wunschproduktionen ihres eigenen Kopfes, die auf kein bisschen Gegenseitigkeit beruhen.“ Ich streichelte ihm über Stirn und Wangen und hielt es für angezeigt, dass wir uns zur Beruhigung zunächst mal küssten. Ich hatte gar keine Lust über Eva zu reden, was ich wusste zeichnete mir das Bild einer armen bedauernswerten Kindfrau. Ich war allerdings schon der Ansicht, dass sie nicht die einzige Frau mit derartig servi­len Tendenzen sein würde, nur dass die meisten nicht an Männer wie Domini­que gerieten, die auf so etwas keinen Wert legten. „Dominique, ich habe, glau­be ich, auch sehr starke devote Tendenzen, ich lasse mich von den Verhältnis­sen total dominieren.“ erklärte ich mit aufgestütztem Arm neben ihm liegend völlig ernst und begann erst den Mund ein wenig zu verziehen, als er mich ver­stört leicht grinsend anstarrte. „Du sprichst in Rätseln, Liebste. Mir stellt es sich immer so dar, dass du in unserer Beziehung die dominantere Position ein­nimmst.“ kommentiert Dominique lachend. Mit einem Satz schien Eva verges­sen, Dominique war bei mir. Wir lagen noch lange redend und scherzend bei mir auf dem Bett. „Dominique, du willst doch nicht mitten in der Nacht noch nach Hause fahren, schlaf doch hier bei uns.“ forderte ich ihn auf. „Bei dir?“ fragte Dominique lächelnd mit großen Augen. Seit der Gürtelschnallenaktivität hatte er nie wieder etwas in der Richtung geäußert oder versucht. Natürlich enthielten unsere Umarmungen, gegenseitigen Berührungen und Küsse auch sexuelle Bezüge, aber dass wir miteinander schlafen könnten, war nie erwähnt worden. „Dominique ich würde sehr gern mit dir ins Bett gehen, aber ich habe Angst. Angst, dass es uns gut gefällt, und dass unsere wunderbare Beziehung dann schnell zu einer Fickbeziehung verkommt, eine Beziehung zur Befriedi­gung sexueller Bedürfnisse. Das ist nicht meine Perspektive, das entspricht nicht meinen Vorstellungen.“ erklärte ich. „Du wünscht dir eine Beziehung ohne Sex? Wir sollen uns lieben, aber nicht miteinander schlafen, weil wir sonst nur noch daran denken?“ fragte Dominique nach. „Nein, Unsinn, nur noch nicht so­fort, weißt du, wenn unsere Beziehung gefestigter sein wird. Ich habe Angst, dass es uns dominieren und vieles zerstören oder sich nicht entwickeln lassen würde. Wenn wir jetzt immer miteinander pennten, und ich käme nach An­gelmodde, weil du mir etwas vorspielen wolltest, würden wir zunächst mal ins Bett müssen. Das mag ich nicht. Ich möchte dir ganz ruhig zuhören und mich darauf konzentrieren können, was du spielst und mich vielleicht hinterher so gut fühlen, dass ich Lust darauf hätte, mit dir ins Bett zu gehen.“ erläuterte ich. „Also ich könnte mich heute auch schon ohne weiteres beherrschen.“ meinte Dominique. „Es geht doch nicht um's beherrschen können. Wenn wir's machen, ist es einfach da und wird auch immer eine Rolle spielen. So sind wir frei davon, und die Ent­wicklung unserer Beziehung wird nicht dadurch geprägt oder beeinträchtigt.“ verdeutlichte ich nochmal.


Der Flügel in Angelmodde


Der Flügel kam. Dominique machte sich große Sorgen, dass man in dem relativ engen Treppenhaus irgendwo anstoßen könne, aber die Transporteure waren keine Möbelpacker sondern absolute Profis. Aufgebaut, ausprobiert, alles her­vorragend, nur der kleine Raum war von den Klängen noch viel voller als zu Hause. Was ein ganzer Konzertsaal schlucken konnte, mussten unsere vier Oh­ren jetzt verkraften. Wir strahlten uns an. „Nikki, das ist Wahnsinn, ich werd' verrückt.“ Nachdem er ein wenig gespielt hatte, mussten zunächst mal Fotos für zu Hause in allen übermütigen Konstellationen gemacht werden. Mami wur­de angerufen und bekam die Bilder. „Nikki, das ist doch zu schade, wenn nur wir zwei das zu hören bekommen.“ war meine Ansicht. „Soll ich hier in der Bude Konzertabende geben?“ fragte Dominique launig. „Nein, aber einzelne Leute, zum Beispiel meine Mutter würde sich wahnsinnig freuen. Mein Vater auch, der hat ja schließlich für die Räumlichkeiten gesorgt.“ fiel mir ein. Also sollte ein Besuch mit Mama und Papa Weinrich vereinbart werden. Einmal in der Woche kam ich raus zum Lauschen. Dann standen weniger Übungsge­sichtspunkte im Vordergrund, sondern mehr was uns gemeinsam Freude ma­chen konnte. Ich dachte, ich hörte gern Klaviersonaten und würde auch wohl einiges wissen, aber jetzt sah ich es so, dass mir erst durch Dominique lang­sam die höheren Weihen zuteil würden. Ich solle es doch selber unbedingt ler­nen, drängte er und wischte meinen Einwand, dass ich zu alt sei zur Seite. Er habe jemanden gekannt, der noch mit fünfundvierzig begonnen habe. Zur großen Tastenkünstlerschaft würde man es wohl nicht mehr bringen, aber sei­ne Mutter zum Beispiel habe auch nur für kurze Zeit in ihrer Jugend Unterricht gehabt, aber es mache ihr immer Freude zu spielen. Oh je, wie sollte ich das denn alles organisiert bekommen.


Meine Mutter war überwältigt und außer sich. Immer wieder drückte und küss­te sie den verwirrt lächelnden Dominique. „Das ist ja unverantwortlich, dass sie hier versauern. Sie sind doch ein hervorragender Künstler. Die Leute wollen sie hören. Ich muss mal die Trude fragen, die weiß bestimmt, wo man etwas orga­nisieren kann.“ erklärte sie. Natürlich mussten wir sie auch besuchen kommen und Dominique sollte feststellen, ob unser altes Klavier noch etwas tauge. Das Klavier war hervorragend, nur verstimmt und brauchte kleine Ausbesserungen. Ich bekam es für mein Zimmer in der WG. Jetzt konnte ich mich soeben noch umdrehen. Viel mehr Platz war nicht mehr. Drei Säle mit Flügel hatte meine Mutter aufgetan, Dominique sollte testen welche bespielbar wären. Erstaunli­cherweise schnitt der im Gemeindesaal der Kirche am besten ab und ein Kon­zertabend wurde organisiert. Alle populären Lieblinge sollten erklingen, um Zu­hörer anzulocken. Es wurde tatsächlich proppenvoll und die Leute waren be­geistert. Weil sie ihre Elise wieder gehört hatten, oder weil sie den Pianisten so toll fanden? Als Außenstehende war man sich da nicht so sicher, aber für die Köpfe hinter den klatschenden Händen stand fest, dass der Pianist ein großer Künstler sei. Dominique Reber aus Karlsruhe, aus Angelmodde wäre nicht so gut gekommen, die Presse interviewete ihn, und er ließ verlauten, dass er sich öfter in Münster aufhalte, weil seine Freundin hier studiere. Die Damen hatten an alles gedacht und waren so zufrieden mit ihrem Erfolg, dass sie Fortsetzun­gen planten.


Stress im Herbst


Meine Tage waren so voll geworden. Klavierunterricht, Üben, Treffen mit Domi­nique, ihn in Angelmodde besuchen. Ausgefüllt waren mir meine Tage immer erschienen, jetzt kamen mir manchmal Anwandlungen von Stressempfinden. Das gefiel mir nicht. Im Sommer war ich mir noch paradiesisch frei vor gekom­men. Ich wusste wohl, dass es auf Mallorca Regionen geben sollte, die vom Tourismus unberührt waren, aber ein wenig weiter von der Finca von Domini­ques Eltern entfernt, schien tiefstes Mittelalter oder noch früher zu herrschen. Ich traute mich nicht, weil ich mir vorkam, als ob ich die Eingeborenen bei ih­ren täglichen Verrichtungen beglotzen wollte. Dominiques Vater kannte solche Winkel, ich wollte das aber nicht mehr, nur noch kleine Dörfer. „Ja, ja, das ist schon alles wunderschön,“ meinte Dominique, „aber das meiste in der Natur erschließt sich mir nicht, weil viel zu wenig Ahnung davon habe. Ich unterhalte mich ja auch ganz gern mit meinen Eltern, aber es wäre ja auch nicht schlecht, wenn abends mal Besuch vorbei käme, aber da bist du absolut sicher, dass so etwas hier nie passieren wird. Es gibt mir nicht viel hier. Nach einer Woche möchte ich unbedingt wieder weg.“ Ich sah das jetzt zumindest überhaupt nicht so. Dominiques Eltern kümmerten sich bezaubernd um mich. Was sie über die ungewöhnlichen Pflanzen hier wussten, stieß bei mir nicht auf taube Ohren. Ich hatte mich in der Schule stark für Biologie interessiert, und wollte eventuell auch meinen Schwerpunkt auf Biochemie legen, und die köstliche Lilo konnte einem jeden Tag verzaubern. Es war wunderschön ohne jegliches aber.


Zu Hause war es nicht wunderschön. Schon im September nichts mehr vom Sommer zu spüren, graue Tage und viel Regen. Der Oktober vergaß, dass er etwas goldenes mit sich zu tragen hatte, er brachte nur mit Beginn des Winter­semesters viel zusätzliche Arbeit. Wenn ich mich im Stress fühlte klappte alles nicht. Für die dämlichsten Sachen am Klavier musste ich bis zur Weißglut trai­nieren, und wenn ich zu Dominique fuhr, war es mir gar nicht möglich, sein Spiel zu genießen. Was, wenn du gut drauf warst, ein orgiastisches Erlebnis war, kam dir dann oft recht laut und langandauernd vor. Das machte ich nicht mehr. Das war ja wie Sex, wenn man keine Lust hatte. Es lief alles nicht sehr beglückend für mich, in diesen grauen griesgrämigen Novemberwochen. Auch die Treffen mit Dominique hatten nicht immer die früher übliche freudige Stim­mung. Manchmal kam es mir vor, als ob es sich dabei um etwas wie regelmäßi­ge Stammtischsitzungen handele, bei denen meine Gedanken oft ganz woan­ders waren. Bei dem waren, was ich noch zu erledigen hatte oder was morgen anstand oder bei der Klärung irgendwelcher WG Probleme. Worauf ich am meisten Lust gehabt hätte? Ich sah mich in einer psychischen Situation, in der sich diese Frage gar nicht stellt. Wie bekommst du dies und jenes geregelt und was hast du wie und wann zu erledigen. Eine Rangliste positive Emotionen aus­lösender Ereignisse schien es nicht zu geben. Das einzig Positive schien, mir den selbstgesetzten Anspruch es zu erledigen, erfüllt zu haben. Emotional schi­en ich dem meisten gegenüber, bis auf einen fast unmotivierten, relativ be­langlosen Wutanfall, gleichgültig zu sein. Ich war nicht zufrieden und sah mich öfter in einer herben, aber auch Blues ähnlichen Stimmung. Das war nicht ich. Ich hätte die Zustände für unhaltbar erklärt, und sie zu ändern versucht.


Wichtige Besprechung


Dominique rief an, ob ich Zeit habe und wir heute etwas besprechen könnten. Er käme zu mir, es sei etwas sehr Wichtiges, was er mit mir zu bereden habe. Was waren das denn für Zeremonien, mit denen er sein Erscheinen ankündigen wollte? Überlegte er für's nächste oder übernächste Semester ins Ausland zu gehen, oder hatte er vielleicht noch ein anderes Mädel kennen gelernt? Ich ki­cherte in mich hinein. Als er bei mir saß, atmete er mehr­mals tief und begann: „Ich glaube, ich sage das mal ganz direkt. Ich mag dich sehr, sehr gern Julia, daran hat sich nichts geändert und wird es auch nicht, nur wenn wir beide zu­sammen sein wollen, dann brauche ich eine Perspektive. Ich möchte sehen können, wohin es sich voraussichtlich entwickeln wird, möchte davon träumen können. Nur ich sehe da nichts. Und es stellt sich für mich auch so dar, dass ich die Perspektive nie se­hen werde. Natürlich mögen wir uns, aber unsere Verbindung besteht darin, das ich mich nach dem richte, was du gerade vor­gibst. Gleichgültig ob ich das mittragen kann oder nicht. Wenn sich für dich et­was in bestimmter weise darstellt, dann ist das so. Etwas ande­res gibt es nicht. Es tut mir weh, dass du nur noch so selten das Bedürfnis hast, mir beim Spie­len zuzuschauen. Ich denke oft, wenn Julia jetzt hier wäre, und dann werden mir die Augen feucht. An so etwas denkst du gar nicht. Ist das denn Liebe? Kann es denn bei Liebe so etwas geben? Was soll denn dran wünschenswert sein und lässt sich Vorstellungen von Glück in dir entwickeln? Wir ge­hen nicht zusam­men ins Bett, weil du es so für richtiger hältst. Üblicherweise gehen Leu­te beim zweiten oder dritten Treffen zusammen ins Bett. Alles nur Fickverhält­nisse ohne tiefere Beziehungsmöglichkeit? Es ist selbstverständlich, dass ich deinen Wünschen entspreche, auch wenn ich sie für sehr ungewöhn­lich halte, nur du hältst es überhaupt nicht für nötig, dir mal Gedanken darüber zu ma­chen, was es denn für mich, deinen Liebsten, bedeuten könnte. Ihn et­was dar­über wissen zu lassen, wann und womit der erforderliche Grad der Liebe denn er­reicht sein würde, dass man auch zusammen ins Bett gehen könnte. Ob und welche Gedanken ich mir darüber mache, interessiert dich nicht. Julia, bei dei­ner Liebe zu mir, siehst du mich gar nicht. Das ist keine Zukunftsvorstellung, wie ich sie möchte, ja eigentlich erwarte und für unverzichtbar halte, Julia. Kannst du dir vorstellen, dass ich das alles so nicht mehr will? Es betrübt mich und zerstört meine Freude. Es quält mich mehr, als dass es mich erfreut. Auch wenn ich es eigentlich als sehr, sehr scha­de empfinde, und ich meine dich sehr zu lieben, aber so kann ich es nicht er­tragen und werde es auch nicht länger. Eine Perspektive gibt es nicht und das ist kein Leben. Ich halte es nicht mehr aus, Julia, und will es nicht mehr.“


Was bekamen meine Ohren denn da zu hören? Was sollte das denn bedeuten? Er wollte sich von mir trennen, weil wir nicht zusammen fickten. Oh, Domini­que, wie gut dass ich so lange gewartet hatte. „Dominique was willst du? Sol­len wir zusammen ins Bett gehen und dann ist alles gut. Kein Problem, über­haupt kein Problem, Lust darauf hab ich schon so lange wir uns kennen. Nur ich hatte in dir etwas anderes gesehen, ganz anderes, glaubte etwas in dir er­kennen zu können, das davon gar nicht tangiert war. Du erschienst mir als ein wunderbarer Mensch und nicht als ein Mann, ein Ficker der 'ne Frau fürs Bett sucht. Aber da habe ich mich anscheinen doch grundlegend getäuscht. Alles nur in meinem eigenen Kopf produziert, verstehst du? Geträumt. Zusammen­gereimte Wunschbilder. Kein Bezug zur Realität. Hat es je einen realen Anlass dazu gegeben, zu ver­muten dass es bei dir anders sein könnte? Hast du je ge­sagt, dass es für dich nicht das Primäre und Zentrale sei? Hast du je gesagt, dass es dir bei einer Frau nicht vorrangig darum ginge. Nichts der gleichen. Von dir habe ich kein Wort dazu gehört. Alles nur Fantasiegemälde meiner Wünsche. Ich brauche das nicht, ich brauche dich nicht. Scher dich endlich zum Teufel, Dominique, bevor ich mir noch weitere Gedanken über dich ma­chen muss.“ schrie ich ihn an. Dominique stand auf, wollte mich noch umar­men, aber ich wehrte ab.


Ich atmete hastig. In meinem Zimmer hielt ich es nicht aus. Einen Espresso in der Küche trinken. Was war denn eigentlich passiert. Dominique kommt ein­fach so vorbei und sagt, dass es vorbei sei mit uns bei­den. Ich raste aus, schrei ihn an, dass er ein dummer Fi­cker sei und schmeiß ihn raus. Wo gibt’s denn so etwas? War das witzig oder hatte ich das ge­träumt? Nein, ausrasten konnte ich prinzipiell schon, wenn auch ganz, ganz selten. Mit dreizehn wäre ich deswegen schon fast von der Schule geflogen, weil ich einem der stärksten Schüler das Nasenbein gebrochen und noch eini­ges mehr zugefügt hatte. Du bist dann wie in Trance, hast unglaubliche Kräfte und machst automatisch alles genau richtig. In völlig bewussten Wachzustand hatte ich mich wohl gerade auch nicht befunden. Na wenigstens hatte ich Do­minique nicht verprügelt. Was war denn jetzt? Alles vorbei? Das konnte doch nicht sein. Dominique anrufen, mich entschuldigen, wäre alles nicht so gemeint gewesen? Dämlich. Oh je, was war da passiert? Einfach so an einem normalen Freitagabend innerhalb von zehn Minuten. Ich müsste doch traurig sein, es müsste mir doch das Herz zer­reißen. Nichts davon. Orientierungslos, fassungs­los, einfach dumm fühlte ich mich. Marcel kam rein. Ich glotzt ihn wohl blöd grinsend an. „Ist was?“ erkun­digte er sich. „Ich hab' gerade meinen Lover rausgeschmissen.“ er­klärte ich mit einem leicht verlegenen Grinsen und fügte hinzu, „Er wollte sich von mir tren­nen.“ Marcel schaute mich auch grinsend an. „Du und Dominique?“ fragte er ungläubig, „Erzähl was Gescheites.“ „Nein, das ist wirklich wahr, Mar­cel. Domi­nique hat erklärt, dass er es mit mir nicht länger aushalten könne, und ich hab ihm gesagt, dass er ein dummer Ficker sei und ihn rausgeschmis­sen.“ versi­cherte ich. „Dass ihr verrückte Hühner seid, weiß ich ja, aber so et­was kann man doch nicht machen, das ist doch kein Spaß.“ meinte Marcel. „War's ja auch nicht, voller Ernst, alles ganz richtig voller Ernst.“ bekräftige ich. „Seid ihr denn verrückt geworden? Was soll das denn?“ fragte Marcel, der eine Trennung zwischen uns beiden wohl schlicht für unzulässig zu halten schien. „Fahr da hin, regele das sofort und bleib auf dem Teppich, das kannste doch.“ meinte er. „Da ist nichts zu regeln, Marcel, Dominique will nicht mehr, und ich werde den Teufel tun und ihm in den Arsch kriechen.“ war meine Ansicht. „Ju­lia, willst du von mir hören, was Dominique dir bedeutet? Jeder hier weiß es,nur du selbst anscheinend nicht. Du meinst damit spielen zu können? Das glaubst du doch selber nicht. Du bist im Moment gar nicht in der Lage zu sehen, wie es dir mor­gen gehen wird, wenn du erkennst, was da eigentlich passiert ist. Ich möchte das nicht erleben. Tu es für uns. Kriech mir in den Arsch, tu mir den Gefallen und sprich mit Dominique. Heute noch, ich kann dich auch hinbrin­gen.“ insis­tierte Marcel. Ich überlegte. „Ich weiß ja gar nicht, ob er schon zu Hause ist. Da muss ich erst anrufen.“ erklärte ich, und Dominique war zu Hau­se. „Wegen gerade wollte ich noch unbedingt mit dir reden. Erklär ich dir alles gleich“ ließ ich ihn wissen.


Woran erkennst du, dass ich eine Frau bin?


Ich hatte einen Schlüssel von Dominiques Apartment. Er kam mir entgegen. Wir standen uns gegenüber, umarmten uns nicht, starrten uns nur verlegen grinsend an. „Julia“ sagte Dominique ein wenig bedeutsam klingend. „Weißt du, Dominique, ich habe ein Problem, es ist mir schon ein paar Mal passiert in meinem Leben. Zum ersten Mal mit dreizehn. Da hat mir ein Junge einfach an eine Brust gefasst und dazu eine dämliche Bemerkung gemacht, und da bin ich ausgerastet und habe ihn total verprügelt. Dich hab' ich zwar nicht verprügelt, aber ausgerastet bin ich glaube ich schon. Ich weiß gar nicht mehr, was ich ge­nau gesagt habe. Ich habe ein­fach nur meinem Entsetzen und meiner Wut frei­en Lauf gelassen. Aber du kannst doch auch nicht einfach kommen und mir sa­gen: „Es ist vorbei“, Schatz. Hast du kein Bett? Hier kann man doch nicht re­den.“ erklärte ich. „Aber was soll ich denn sagen?“ fragte Dominique auf dem Bett liegend mit schelmischem Grinsen. „Na was man zu seiner Liebsten eben so sagt: 'Ich liebe dich und werde dich lieben, werde dich lieben bis ans Ende aller Tage. Wohin du gehst, dahin will auch ich gehen, und wo du bleibst, da bleibe auch ich.' solche Sachen eben. Kennst du so etwas gar nicht?“ antworte­te ich. „Julia, ich bin wirklich verrückt, wie will ich denn ohne so etwas in mei­nem Leben glücklich sein können?“ reagierte Dominique mit freundlichem Ge­sicht. „Aber es stört und quält dich doch schon 'ne ganze Menge, du hast es ja gesagt, vorhin. Bis dahin hast du es einfach zugedeckt, hast es verwischt. Das machen wir jetzt nicht und du musst das auch nie mehr machen. Du tust nie­mandem einen Gefallen, wenn du über etwas schweigst, was dich stört. Dir beim Spielen zuschauen, ein idiotischeres, größeres Missverständnis kann es nicht geben. Nichts ist mir lieber als dich spielen zu sehen und zu hören. Nur es ist wie beim Sex, du musst in Stimmung dafür sein, dann wird es ein groß­artiges Erlebnis. Mein normales Empfinden ist, dass ich mich darauf freue und nicht genug da­von bekommen kann. Nur in letzter Zeit fühlte ich mich häufig gestresst und wusste oft gar nicht, wo mir der Kopf stand, und dann ist es echt zu schade, für mich eine einzige Taste zu betätigen. Dein Klavierspiel, Domini­que, ist und war immer ein Traumerlebnis für mich. Was spinnen wir uns für dumme Gedanken zusam­men, wenn wir nicht darüber reden? Dass ich so blind bin und manchmal nur meine Person sehe, ich glaube, das kann schon so sein. Nur ich will das im Grunde überhaupt nicht, Dominique. Sag's mir oder schimpf mich aus oder wie auch immer, nur lass es mich wissen, wenn du dich nicht berücksichtigt fühlst, wie soll ich's denn sonst merken.“ stellte ich meine Sicht dar. Wir küssten und streichelten uns, aber der Gedanke, dass Dominique sich von mir trennen wollte, hatte sich schon wohl früher verflüch­tig. Ich denke schon, dass Dominique die Entscheidung ernst war. Aber viel­leicht hatte er lan­ge zwischen zwei Alternativen hin und her geschwankt, sich gesagt, es kom­men keine neuen Gesichtspunkte mehr, jetzt muss entschieden werden, jetzt oder nie. Sobald ihm jedoch Anlass geboten wurde, sich für die Alternativ zu entscheiden, war er schnell bereit, seine heroi­sche Entscheidung aufzugeben. „Du wirst mir das immer genauestens sagen und erklären müs­sen. Nichts könnte ich weniger ertragen, als deine Wünsche nicht zu berück­sichtigen. Das ist es doch, was mich glücklich sein lässt, wenn ich weiß, dass du glücklich bist, weil ich dir deine Wünsche erfüllen konnte. Machst du das bei mir auch so?“ fragte ich. „Naturellement mon amour, haar­scharf genauso.“ war Domini­ques Antwort. „Aha, und warum beschwerst du dich dann darüber, wenn du meine Wünsche berücksichtigten sollst, das möchte ich bitte von dir erklärt ha­ben.“ forderte ich Dominique auf. „Julia, deine Wünsch sind immer Befehle, mir liegt es mehr, sie dir von den Augen abzulesen.“ rea­gierte Dominique „Du schummelst, mein Liebster. Meine Augen suchen nämlich schon eine ganze Zeit nach Weingläsern. Ist dir offensichtlich völlig verborgen geblieben.“ bemerkte ich dazu. Wir tranken und redeten dummes Zeug, spot­teten und ironisierten, zwischendurch mussten wir uns immer wieder küssen. „Sag mal Dominique, woran merkst du, ich meine jetzt dich persönlich, nicht all­gemein, eigentlich, dass ich eine Frau bin?“ stellte ich eine Frage zu deren Be­antwortung sich Do­minique zunächst wegen Lachens nicht in der Lage fühlte. Dann beabsichtigte er sich auch weiter am Lachen zu halten. Nannte alle skur­rilen unbedeutenden Merkmale, von meinen braunen Schuhen bis zu den blon­den Haaren und er Aura über mir. „Das ist schade, sehr schade, ich dachte, Männer würden auch etwas empfinden und es daran merken. Aber du scheinst tot zu sein, tot und kalt. Ich dachte heterosexuelle Männer würden so etwas wie Bedürfnisse, Wün­sche, Begierden, Verlangen oder Gelüste empfinden und daran merken, das sie es mit einem femininen Wesen ihrer Art zu tun haben. Bei dir ist das nicht so, nein?“ erkundigte ich mich. „In der Regel ist das nicht so, nein, nur bei den Wesen, die solche Fragen stellen, da tritt es in äußerst ex­tremen Formen auf.“ war seine Reaktion. Meistens verstanden wir uns auf Anhieb, es schien nur We­niges, das dezidiert geklärt werden musste. Wir verstanden uns auch, als um drei Uhr in der Nacht Dominique nackt am Flügel sitzend sang:


Ich liebe dich, so wie du mich,
Am Abend und am Morgen,


ich mich an seinem Rücken rieb, ihn ständig küssend unterbrach, und Domini­que so oft neu beginnen musste, dass ich Beethovens „Zärtliche Liebe” auch schon fast singen konnte.


Lilo hat's verboten


Während Dominique meinte, unbedingt für's Wochenende noch einkaufen zu müssen, quälte ich mich damit, ihm meine Setzung, dass wir das keinesfalls bräuchten, und wir bei seinen Vorräten schon nicht verhungern würden, beizu­bringen. Als Kompromiss bot sich an, bei Bedürfnislage ja Delikatessen der An­gelmodder Küche zu ordern und bringen lassen zu können. Aber trotz Brunch und Einkaufsstreit mussten wir noch telefonieren. Ich musste Marcel kurz in­formieren und mich bedanken. Wenn er nicht für mich entschieden hätte: 'Jetzt und nicht später', darüber wollte ich mir lieber keine Gedanken machen. Und Dominique musste unbedingt die Mami anrufen. „Ja, ja, ja, ist alles o. k.. Nein überhaupt nicht. Aber sprich doch selber mit ihr. Sie sitzt hier neben mir am Tisch.“ redete er heftig mit seiner Mutter und gab mir das Telefon. „Hey Julia, wie ist dir? Bist du o. k.. Ah, meine Liebe, ich muss dich sehen. Komm mich besuchen. Julia, mein Junge, ich kann es immer noch nicht fassen.“ Lilo sprach hastig und konfus. „Lilo, sollen wir nicht mal miteinander sprechen, wenn wir unsere Ruhe haben und ganz unter uns sind? Ich würde mich bei dir melden.“ schlug ich vor und so sollte es gemacht werden. „Ja, meine Mutter, die ist die Hauptschuldige an allem.“ verkündete Dominique, wobei ich ihn fragend an­schaute. „Über alles in meinem Leben habe ich immer ganz vernünftig mit ihr reden können, aber seit ich zum ersten Mal erwähnt habe, dass ich Probleme für uns sähe, wurde sie zur Furie. Sie beginnt immer damit, es sei ja unsere Angelegenheit und sie wolle sich da nicht einmischen, oder mit ähnlichen Flos­keln und dann beschimpft sie mich, droht mir, redet völligen Schwachsinn. Sie hätte nie gedacht, einen Sohn bekommen zu können, der so ein Idiot würde. Sie würde sich überlegen, ob sie das Verhältnis mit mir nicht auch lieber been­den solle, so enragiert dummes Zeug, immer wieder. Wenn ich nicht davon sprach, fing sie von sich aus an. Wozu sie sich alles verstiegen hat, unglaub­lich. Ausrasten, das kann Mami mit Sicherheit auch. Ich wusste gar nicht mehr wo ich war. Mit Julia zusammenbleiben, weil Mami es unbedingt will? Nein. Das würde es keinesfalls geben. So sah's für mich aus.“ erläuterte Dominique, „Was du und warum meiner Mut­ter bedeutest ist unergründlich. Wahrscheinlich ver­fügst du über einen Schlüssel zu ihrer Seele. Wenn ich nochmal so etwas ver­suchen sollte, schlägt sie bestimmt mich tot und adoptiert dich.“ scherzte Do­minique. „Da brauche ich jetzt immer nur Mami Reber anzurufen, wenn der böse Dominique nicht ganz lieb und artig zu seiner Julia ist. Sehr praktisch.“ teilte ich meine neu gewonnen Erkenntnisse mit. „Aber willst du denn nicht doch mal in Ruhe mit deiner Mutter darüber reden. Das scheint ja nicht ohne Bedeutung für euch beide gewesen zu sein, und ist doch jetzt nicht einfach aus der Welt wie nicht geschehen.“ fügte ich hinzu und Dominique versprach es.


Was soll ich denn machen?


Es war nichts vergangen, gestorben, wir hatten nichts zu beerdigen oder zu betrauern. Dieser Monat der Tristesse hatte für uns beide zu guter Letzt doch Knospen neuen Glücks sprießen lassen. Jetzt war ich häufig in Angelmodde. Am Wochenende sowieso und obwohl ich in der Nacht oft weniger Schlaf be­kam und die allgemeinen Belastungen nicht geringer geworden waren, konnten mir meine Stressoren im Grunde nichts mehr anhaben. Vielleicht war es ja so, wie Beethoven in seiner 'Zärtlichen Liebe' erklärte: 'Auch waren sie für dich und mich, Geteilt leicht zu ertragen'. Jedenfalls fühlte ich mich blendend. Auch wenn es keineswegs heller und der Regen überhaupt nicht weniger wurde, er­trug ich die Tage einfach besser, wenn es auf Weihnachten zuging, als wenn ich sie in Erwartung des Totensonntags verbrachte. Noël, que fair? Weihnachten stand vor Tür. Natürlich musste jeder zu seinen Eltern. Aber auch zu den Schwiegereltern? So sehr ich Lilo mochte, und so sehr sie mich liebte und al­lem Anschein nach verehrte, ich konnte dieses Gefühl nicht ertragen, von den Verhältnissen einfach verheiratet worden zu sein. Unsere Beziehung war nicht nur wegen Lilos Sicht der Dinge, sondern auch für uns ein Verhältnis, dem die Vorstellung temporärer Begrenztheit wesensfremd geworden war. Aber ich hat­te gar keine Perspektive, außer dass für mich feststand, von diesem jungen Mann nicht lassen zu können und zu wollen und dass er mir fast alles zu be­deuteten schien. Bürgerliche Kleinfamilie war auch trotz bourgeoiser Sozialisa­tion nie eine emotionale Wunschvorstellung, sondern eher ein Horrorszenario für mich gewesen. Ich persönlich hatte nichts Schlimmes erlebt, aber andere Lebensvorstellungen erschienen mir wünschenswerter und gesellschaftlich fort­schrittlicher allemal. Man könnte doch in WG-ähnlichen Zusammenhängen auch später leben, aber mit Dominique in einer WG? Theoretisch ginge das schon, aber irgendwie passte das Bild nicht, es gefiel mir nicht und eigentlich wollte ich ihn auch viel lieber für mich ganz alleine haben. Nur ich sollte ihm wichtig sein. Nur für meine Ohren und mein Herz sollte er spielen und spielen wollen, nicht für ein multiples Lauscherkonsortium, in dem ich eine unter vielen war. Ich wollte schon die Eigentümerin seiner Liebesproduktionsmittel bleiben und mich nicht durch revolutionäre Genossenschaften enteignen lassen. „Dir fehlt nicht nur je­der Plan, du bist berausch und dazu nicht unerheblich be­scheuert“ stellte ich mit Gertrud fest. So war es wohl. Eigentlich eine unerträg­liche Vorstellung für mich, selbst ohnmächtig durch andere Geschehnisse zu ir­gendetwas gedrängt oder genötigt zu werden, aber jetzt? Was sollte ich denn anderes machen, es gefiel mir doch auch nicht schlecht. Ich würde mich am besten einfach weiter überraschen lassen, von den Entwicklungen und von mir selbst. Eine andere Chan­ce hatte ich ja auch gar nicht.


Mamis Frauenkenntnisse


Abends bekam ich immer etwas zur Nacht gespielt. Aber ob Schumanns Träu­mereien oder was auch immer, leider stimmte es mich nie schläfrig und müde, sondern weckte eher sinnliche Erwartungen nach der Ankunft des Klavierspie­lers im gemeinsamen Bett. „Hast du eigentlich schon viele Freundinnen ge­habt, Nikki?“ wollte ich wissen. „Nöh, das war auch immer so nebenbei. In der Schule war es eben selbstverständlich, dass man auch 'ne Freundin haben musste, mit Eva das kennst du ja und davor war ich noch kurz mit einem Mäd­chen zusammen, die eigentlich so ganz vernünftig war, aber uns war beiden schnell klar, dass wir das nicht weiter wollten.“ antwortete Dominique. „Und von wem hast du das? Nicht nur Freund Ibach wird deine Finger lieben, bei Freundin Julia dürfte es nicht viel anders sein. Hat Evchen dir gesagt, was schön ist?“ fragte ich. „Nein Mami hat mir das erklärt.“ reagierte Dominique ganz trocken und nüchtern, während ich mich in einem Lachanfall kugelte. „Ich lag schräg über ihm und musste immer noch lachen: „Wahrscheinlich leben wir schon längst im Matriarchat. Was wären die Männer ohne das, was ihre Mamis ihnen verraten haben? Ob sie's auch alleine herausfinden würden, was zu tun wäre, damit ihre Spezies nicht mit der nächsten Generation ausstirbt. So ganz sicher bin ich mir da nicht. Aber wie hat deine Mamis dir denn verraten?“ „Das ist überhaupt nicht lächerlich und albern. Du platte Kuh verstehst nur nix“ nur lustig war es nicht, wie Dominique reagiert hatte. „Hey, hey, benimm dich. Ent­schuldigung, aber ich weiß doch überhaupt nichts davon, nur wie du's gesagt hast, war's ungemein lustig.“ reagierte ich. Dann erzählte er, dass er bei ihrem Verhältnis seine Mutter natürlich alles habe fragen können, und es sei nichts Besonderes gewesen, dass irgendetwas die Sexualität Betreffendes selbstver­ständlich auch dazugehört habe. Sich schämen? Bei seiner Mutter sei so etwas in ihm nicht aufgekommen. In der Pubertät habe man natürlich häufiger dar­über gesprochen, und seine Mutter habe das für damalige Verhältnisse äußerst frei und offen getan. „Sie sagte, dass sei Biologie, die Kirche solle sich da raus­halten, das ginge sie nichts an und da habe sie keine Ahnung von. Sie solle sich um ihre Außerirdischen kümmern. Religiöse Menschen, das waren für Mami alles Freunde der Außerirdischen, sie selbst sah sich mehr an den Irdi­schen interessiert. Wenn die Kirche es schaffe, den Schneeglöckchen zu ver­mitteln, dass es moralisch richtiger sei, im Herbst zu blühen, dann würde sie auch vielleicht nochmal darüber nachdenken, ob sie sich durch moralische Vor­schriften in den Fortpflanzungstrieb des Menschen und seine Ausgestaltung einmischen dürfe, bis dahin halte sie es für ein unerträglich anmaßendes Ver­halten dieser Freunde des Jenseits. „Das ist bei allem so, was wichtig ist,“ hat sie gesagt, „damit man es sich wünscht, Freude daran hat und es bestimmt nicht vergisst. Das ist beim Essen und Trinken so, und beim Sex ist das kein bisschen anders. Nur wie und warum das Spaß macht, das ist bei Männern und Frauen sehr verschieden. Und wenn die Männer nur das tun, was ihnen gefällt, sagen die Frauen meist nicht: 'Hey, ich bin auch noch da!' sondern lassen den Mann einfach machen und haben bald keine Lust mehr dran.“ Selbstverständ­lich hat sie mir genau erklärt, wie das bei Frauen ist, wie es abläuft, wie und wodurch sie sich erregen und zum Orgasmus kommen, was sie angenehm empfinden und was sie tun, wenn sie sich selbst befriedigen. Wie sie mir klei­nem Jungen das alles sagen konnte. Ich hätte mich an ihrer Stelle total ge­schämt damals. Im Nachhinein denke ich schon, dass sie auch bewirken wollte, dass ich mich später Frauen gegenüber gescheiter verhielt. Aber wie sie es mir erklärte, kam mir kein bisschen obszön vor. Ich fand es wunderbar, wie sach­lich sie mir alles erläutern konnte. Aber das war bei allem so. Nicht nur bei der unterschiedlichen Lust von Mann und Frau beim Sex. Sie ist eben einfach im­mer 'ne tolle Frau, ein wunderbarer Mensch für mich gewesen, gleichgültig ob Mami oder nicht.“ erläuterte Dominique. „Mhm, ich finde auch, dass Lilo 'ne tolle Frau ist. Sie hat dir, so weit ich es beurteilen kann, alles richtig erklärt.“ scherzte ich schmusend, „Es wird schon wichtig sein, dass du ihr auch weiter­hin gut zuhörst, mein Liebster. Bestimmt ist es so, dass eine Frau für dich zu wenig ist, und du ein Beraterinnenteam brauchst, Lilo und Julia.“ Diese Lust zu säuseln, mich sinnlich zart anzuschmiegen und in meinem auf Dominiques Schulter träumenden Kopf Juliasmorgenblütenträume reiften zu lassen, das hatte mit meinen als Kind geübten Schmusepraktiken mit meinem Teddy nicht mehr viel Gemeinsames. Offensichtlich hatte ich bei meinen Vorstellungen und Ausführungen von Zärtlichkeiten und Sanftheiten Veränderungen vollzogen, die ich als Auswirkungen und Beweis meines auch in dieser Beziehung Erwachsen geworden seins interpretierte. Wenn ich nicht weiterhin der Ansicht gewesen wäre, dass Zeus seinen Himmel doch lieber bedeckt halten sollte, hätte ich vermutet, dass ein Blick ins Paradis nicht viel andere Gefühle auslösen könne als die, die ich soeben empfand.


Weihnachtspläne

 

Lilo und Piet, Dominiques Vater, waren von Freunden in Hamburg zu Silvester eingeladen worden. Warum nicht Weihnachten in Münster verbringen? Nur wie? Rebers im Hotel übernachten oder in Nikkis Apartment und wir in der WG, oder auf Matratzen unterm Flügel? Als meine Eltern erfuhren, dass Dominiques El­tern zu Weihnachten nach Münster kommen wollten, hatte ich keine Chance mehr, ihnen auszureden, dass sie unbedingt für die Zeit bei ihnen wohnen müssten. Mein letztes Argument, dass wir dann ja Heiligabend ohne Klavier wären, und ich dann weinen müsste, veranlasste meine Mutter zu Überlegun­gen. „Wenn andere Männer zu Weihnachten von ihren Frauen Socken ge­schenkt bekommen, wird Gerd sich über ein Klavier doch erst recht freuen müssen. Seine Fin­ger fangen sowieso schon an steif zu werden. Höchste Zeit etwas dagegen zu tun, und seine heiß geliebte Elke kann er ja dann auch öfter treffen. Ein Klavier haben wir sowieso immer gehabt, da bekommen wir jetzt wieder eins, ein Ge­schenk für uns alle.“ argumentierte meine Mutter. Eigentlich keine schlechte Idee, nur die Vorstellung, dass Daddy zu Weinachten ein Kla­vier bekäme, nahm sich schon sehr skurril aus. Ästhetisches war ihm ja nicht grundsätzlich wesensfremd, aber Papa Gerd am Klavier, das ergab für mich schon ein Bild, das sich nicht einfach in den Katalog der anderen üblichen ein­reihen lassen wollte. Wir hatten aber unsere liebe Mühe damit. Es gab über­haupt nichts zu deuteln, eins klang wunderbar. „Das wird aber nicht ganz billig sein.“ meinte Dominique und der Maître des Pianohauses hielt sich dezent be­deckt. Als Nikki ihn anschaute, meinte er: „Das könnte man wohl so sehen.“ nannte den Preis aber nicht, sondern schwärmte von den vorzüglichen Eigen­schaften. „Sie brauchen es mir nicht zu erklären. Ich kenne das Klavier und spiele nicht zum ersten Mal darauf. Sagen sie es konkret, wie viel es kos­ten soll.“ unterbrach ihn Dominique. „Ihr seit wohl verrückt!“ fuhr meine Mut­ter entsetzt auf, „Da bekommt man doch einen Flügel für. Wie soll ich so etwas denn bezahlen?“ „Wenn man nicht so viel Geld ausgeben will, kann man natür­lich nichts machen, aber ich glaube dies Klavier klingt besser als jeder Flügel in der gleich Preislage.“ meinte Nikki und spielte noch mal. „Aber das ist doch viel zu schade für Gerd, der wird dem doch mit seinen krummen Fingern weh tun.“ sagte Mama halb lachend halb weinend. Es einfach nicht haben wollen, weil's zu teuer war, schien ihre feste Position wohl nicht zu sein, dafür war sie zu klangverliebt. „Würden sie denn auch manchmal kommen und es ein wenig streicheln, Herr Reber? Wenn ich es gar nicht zu hören bekäme, lohnte es sich ja überhaut nicht!“ fragte sie. „Aber selbstverständlich, Frau Weinrich, wir wür­den dann die Ver­wandten und Bekannten zu kleinen In-house Klavierabenden einladen. Julia wird bald so weit sein, dass wir auch vierhändig spielen können. Das Klavier wird nicht nur ein Geschenk für ihren Mann sein, sondern ihren ge­samten Wohnsitz zu ei­nem House of Music verwandeln.“ antwortete Nikki lä­chelnd und Mama strahl­te. Ich hatte nur Dominique gern spielen gehört, jetzt, kurze Zeit später war alles voll mit dicken Flügeln und Klavieren: Dominiques Konzertflügel, mein Schimmel C16 war ja auch nicht ganz schwachbrüstig und jetzt auch noch das kapitale K 132 von Steinway für uns zu Hause, mon amour konnte überall sei­ne Künste zeigen.

 

Meine Mutter hatte einen Kredit aufgenommen, und das Wundergerät war eini­ge Tage vor Weihnachten gebracht worden. Wir hatten es mit Staffagen und Verpackungen umhüllt, dass die Idee, ein Klavier könne sich darunter befinden, völlig abwegig erschien. Den Scherz, Daddy Weihnachten bei der Enthüllung zu erleben, wollten wir uns alle nicht entgehen lassen. Beiläufig konnte ich meiner Mutter noch klar machen, dass die Bezeichnung Herr Reber für sie nicht mehr die angezeigte Ansprache für Dominique sei, sie solle das schleunigst ändern.

 

Noël

 

„Ich hab ja immer gewusst, dass Dominique kein Stadtmensch ist.“ wusste Lilo im Taxi vom Bahnhof nach Angelmodde zu berichten, „Wenn man hört mit welch elegischer Hingabe er musikalisch die weiten Landschaften der Puszta malt, spürt man die Sehnsucht, die ihn mit diesen Bildern verbindet.“ Nach kurzen Erläute­rungen zur elegisch weiten Puszta von Angelmodde waren wir auch schon angekommen. Lilo wollte natürlich sofort den Flügel hören. Sie lachte sich tot. „Wie haltet ihr das denn aus? Da weiß man ja nicht, ob der Flü­gel hier wohnt, oder man selbst im Flügel wohnt.“ stellte sie fest. „Schön ist das, Lilo, berauschend, wunderschön. Da kannst du nix machen, da gehörst du einfach mit zu den Klängen, gehörst der Musik. Entziehen geht nicht. Du mit deinem ganzen Körper bist Teil der Musik und die Musik ist alles von dir. Das ist Musikerleben pur.“ erklärte ich es strahlend. Lilo brachte diese launige Grund­stimmung wieder mit, die kitzelt, Albernheiten er­wartet, schelmisch provoziert. Am meisten hatte Dominique darunter zu leiden, der es aber gar nicht so emp­fand, sondern sich kringelte vor Lachen. „Immer wieder unternimmt dieses Büblein Versuche, sich von der Mutterbrust zu lösen, und immer geht’s in die Hose. Das kann man doch auch in dem Alter nicht mehr machen, das ist doch viel zu spät. Lass es Dominique, es wird nix mehr. Sei froh, zufrieden und ge­nieße es, dass du zu Hause die Mami hast und für außerhalb deine Amme Ju­lia.“ so Lilo. „Ja aber meine Amme Julia ...“ weiter kam er vor Lachen gar nicht mehr. Wir alberten noch ein wenig weiter und wollten dann doch anders als ge­plant Essen gehen. Vom Restaurant aus wollten wir zu meinen Eltern fahren. „Julia, ich habe dir nur ein Buch mitgebracht, das ich ganz gut fand,“ sagte Lilo zu mir, „Das Wich­tige, was ich dir schenken möchte und was ganz wertvoll ist, kann man gar nicht einpacken, ein Bändchen drum binden und einen Glück­wunsch dazu schreiben, verstehst du?“ wir standen ganz dicht voreinander und schauten uns in die Augen, „ich habe es schon abgeschickt. Bestimmt ist es schon ange­kommen. Ich glaube, eigentlich es ist sowieso immer bei dir, meine Liebe.“ Lilo wurden die Augen feucht. Wir umarmten uns und mir kamen auch die Tränen. Es macht ein ex­trem wundervolles Gefühl, einem anderen Men­schen so viel zu bedeuten, sich so geschätzt und geliebt zu fühlen. Ich hatte schon mehrfach gerätselt, warum Lilo mich denn wohl so gut leiden könne, es war doch nichts Besonderes dran an mir. Na ja, wir verstanden uns gut, einfach so auf Anhieb, wie bei Domini­que auch. Ob sie etwas von dem sehen und er­kennen konnte, was Dominique und ich immer nur erstaunt konstatierten, ob ihr mehr von dem bewusst würde, was sich in unserer Psyche abspielte und sie abschätzen konnte, wie bedeut­sam es für uns, aber auch für Menschen allge­mein war? Mit meiner Mutter ver­stand ich mich sehr gut. Probleme kannten wir nicht. Es war so eine übliche positive Mutter-Tochter-Beziehung, aber Lilo hatte etwas ganz anderes. Als ob sie ei­nerseits einen tieferen Durchblick habe, eine Art Übermutter, aber auf der an­deren Seite auch ganz nahe bei mir war, mit mir war, wie eine liebste Freundin. Wundervoll empfand ich es, Lilo zu kennen und ihre Freundin sein zu dürfen.

 

Lilo smilte, als sie das große verpackte Klavier sah. „Da bekommt er also in die­sem Jahr keine Socken, sondern einen Schrank für die Socken. Da wird er sich aber freuen.“ feixte sie. „Pschscht! Die ganze Spannung ist ja futsch, wenn er's vorher schon weiß“ meinte Mama dazu. Sie schienen sich gut zu verste­hen. Als wir am nächsten Morgen zum Frühstück kamen, duzten sie sich schon. Was sie wohl wie besprochen hatten? Bestimmt hatten sie schon die Hochzeits­feierlichkeiten geplant. Nein heiraten, das würde ich aber nun wirklich nicht. Ein Brautkleid hatte im Schrank meiner emotionalen Modekollektion keinen Platz. Aufgeregte Präparationen für den Heiligabend, ja aus meiner Kinderzeit kann­te ich diese Hektik noch. Mein Bruder kam mit seiner fast neuen Freundin Kathi. Ein fre­ches Luder, schien mir. Sollte die etwas mit mir zu tun haben? Hatte die etwas gemein mit dem Bild, das mein Bruder von mir hatte? „Micha, ich war doch immer so llieb zu dir.“ Irgendwie mochte ich sie schon, auch wenn es hinter ihrer großen Klappe manchmal ein wenig hohl zu sein schien, aber la­chen konnte sie wenigstens ganz natürlich und schi­en es auch gern zu tun. Das Warten auf's Christkind begann. Jetzt müsste ei­gentlich gesungen werden, aber ohne Klavier, ne, das ging nicht. Also wurde nicht gewartet. Keine gefüll­ten Teller, kein gedeckter Tisch, nur für Papa stand ein dicker Schrank an der Wand. Da müsse er es eben auspacken, vielleicht kämen die anderen Geschen­ke ja später. Mama stand wachend daneben und begleitete den Vorgang durch ein öfter wiederholtes: „Vorsichtig! Pass auf! Gerd, sei doch etwas vorsichtiger!“. Es dauerte nämlich, bis mein Vater unzweifelhaft zu­geben muss­te, dass das, was er erkannte, ein Klavier sei. „Ein Klavier, was soll ich denn mit einem Klavier machen, Doris? Ich und ein Klavier. Das wird mich beißen.“ äußerte er sich erstaunt und bekam sich vor Lachen nicht mehr ein. Später tauschten alle ihre Kleinigkeiten untereinander aus, bewunderten sie brav und bedankten sich, aber ein anderes Thema als das Klavier gab es nicht. „Gerd, das ist nicht einfach nur ein Klavier, das ist Liebe in Klängen. Aber man muss sie ihm entlocken, und nichts wäre ein größerer Liebesbeweis, als wenn du es für mich tun würdest. Dominique zeig ihm doch mal, wie das geht.“ meinte Mutter. Dominique trällerte ein paar schnelle Läufe. „Siehst du, so ein­fach geht das. Jetzt du.“ erläuterte Mama auch ständig mit untergründigem La­chen, „Aber nein, du hast die Hände nicht gewaschen. Mit schmutzigen Fingern gehst du mir nicht an das Klavier.“ Mama erklärte ernsthaft, was sie sich ge­dacht hatte, und wie es davon ausgegangen sei, dass man einen Heiligabend mit Do­minique aber in CD-Untermalung für unzumutbar gehalten habe. Also musste er jetzt spielen. Er klimperte alles durcheinander, von 'Freuet euch ihr Christen' über 'Süßer die Glocken', englischen Carols und auch etwas, das sich bedeut­samer anhörte, ich aber nicht kannte. Bestimmt hatte er schon oft zum Weih­nachtsliedersingen unter dem Tannenbaum spielen müssen. „Das ist wunder­bar, ganz toll und passt hervorragend zu dem Raum. Nicht so eine Bedröh­nungsanlage wie bei euch. Ich möchte auch mal.“ äußerte sich Lilo, begann ganz toll mit Feliz Navidad, konnte dann aber ihren Schalk nicht zurückhalten. Als im Auditorium bei 'Kling Glöckchen, klingelingeling' Unmutsbekundungen auftra­ten, wechselte sie zu 'Morgen Kinder wird’s was geben'. 'Still, still, still' into­nierte sie noch um lachend mit 'Stille Nacht, heilige Nacht' ihren Vortag zu be­schließen. Diese Frau war fast dreißig Jahre älter als ich, aber genau so hät­te ich's gemacht, wenn ich's gekonnt hätte. Das musste es sein, wir beide dach­ten und empfanden sehr, sehr ähnlich, obwohl sich unsere Leben bis vor kurz­em nicht berührt hatten und sich unter völlig anderen Bedingungen vollzo­gen. Ich musste und wollte natürlich auch noch spielen. In Weinachtsliederge­klimper konnte ich zwar nicht suhlen, sondern nur Papa demonstrieren, was er in den ersten Monaten bei Elke lernen werde. „Julia das ist toll, bleib bei der Stange. Lass dich durch nichts frustrieren.“ meinte Lilo und Dominique unter­stützte sie. Er hatte mir natürlich auch geholfen und einiges gezeigt, völlig al­lein Elke war es nicht ganz. Dominique sollte vorm Essen noch mal spielen. Englische Carols und ein französisches Lied spielte und und sang er, und mach­te sich einen Spaß daraus, sich in improvisierten Variationen auszutoben. „Lilo was the mother mild, Dominique her little child.“ sang er zu den Schlussakkor­den von 'Once in royal Davids city' und kam lächelnd zum Tisch. Kathi hatte die ganze Zeit mit Micha, meinem Bruder getuschelt, wahrscheinlich wähnte sie sich in einer fremden Welt und wollte alles erklärt haben. Ich meinte, sie hätte sich später nicht mehr so vorlaut und patzig aufgeführt. Mit Sicherheit würde mein Vater Klavierstunden nehmen. Er hatte sich zwar formal noch nicht ent­schieden, aber seine Einwände waren nur Verzögerungsargumente, um vor sich selbst erklären zu können, er habe es sich reiflich überlegt, mit seinem Herzen war er schon längst bei Elke.

 

Wir wurden relativ früh müde und wollten nach Angelmodde. Dominique hatte für mich ein kleines Collier gekauft. Er gab es mir erst jetzt. Was war das denn? Ja, es wahr sehr schön und gefiel mir ausgesprochen gut. Aber von mei­nem Liebsten mit Schmuck behängt zu werden, das irritierte mich doch zu­tiefst. Wie sollte ich Dominique das klar machen? Gar nicht. Ich konnte es nicht. Ich fiel ihm um den Hals und fing einfach an zu heulen. Warum genau weiß gar nicht, wahrscheinlich steckte auch die Anspannung des ganzen Tages und Abends dahinter. Später im Bett konnte ich es erklären, so erklären, dass er nicht auf die Idee kommen konnte, sein Geschenk bedeute mir nichts. Wir sprachen über Schmuck und Mode und äußeres Erscheinungsbild und ob ich denn zu Weihnachten ein Kleid anziehen müsse, ich hatte nämlich außer ein paar Sommerkleidchen kaum etwas. Doch, das kleine Schwarze, sollte ich das morgen zu Hause anziehen? Ich lachte mich halb tot. Ja, ich wollte es auf je­den Fall machen, aber meine Pumps, meine High-Heels, die waren in der WG. Mit flachen Tretern oder Boots ging das einfach nicht, keine Wahl.

 

Weihnachtsüberraschung

 

Alle staunten, fragten ob etwas anstünde, nur Lilo fragte nicht, sondern grinste nur. Was wollte sie denn wissen? Gar nichts konnte sie wissen. Warum fragte sie denn nicht? Sollte ich sie mal fragen, warum sie nicht fragte? Ahnte sie etwa, in welcher Situation ich mich befand und hätte sich auch so entschieden? War sie mein zweites Ich? Bestimmt verband uns etwas Übersinnliches. Anders konnte es ja nicht sein. Sie war bestimmt Dominiques leibliche Mutter und mei­ne gute Fee. So musste es sein. „Hast dich chic gemacht, meine Süße, steht dir sehr gut, richtig weihnachtlich.“ bemerkte sie später. Beim Essen erklärte mein Vater so lapidar, dass die Leute die Qualität der Apartments in Angelmod­de gar nicht zu würdigen wüssten. Mit Mitteln aus allen möglichen Töpfen seien sie finanziert worden, bei freier Finanzierung würden die Mieten mehr als dop­pelt so hoch sein müssen. Da sei ja nicht nur die hervorragende akustische Qualität. „Wenn du da drei Streichhölzer anzündest, hast du's warm und die Wärme hält sich den ganzen Tag. Das sind keine Biohäuser, die sind viel besser. Biobaustoffe, die so etwas bringen gibt’s nicht. Und die Leute ziehen wieder aus, weil sie meinen, 'ne andere Schabracke, die zwei Euro weniger Miete kos­tet, sei günstiger. Willst du nicht auch nach Angelmodde ziehen, da wird per­manent etwas frei?“ fragte er. Wie, was, ich nach Angelmodde zu Dominique, und er würde das bezahlen? Was war das denn alles auf einmal? Ich konnte gar nicht so schnell denken. Ich wohnte doch in der WG, in meiner WG, da konnte ich doch nicht einfach ausziehen und auf Kleinfamilie im Dorf machen. Bitte, lass mich das nicht entscheiden müssen. Alle redeten darüber, wägten meine potentiellen Argumente ab, nur ich hielt die Klappe. Ich sah es, sah wie es einfach so mit mir gemacht werden würde. Auch wenn ich brennend gern in der WG wohnen bliebe, meinem Wunsch, ständig in Dominiques Nähe zu sein, könnte ich mich nicht widersetzen. Mein Verlobungskleid trug ich heute. Ich hatte es nicht gewusst, aber Lilo hatte es bestimmt gesehen. Ich sagte zwar, es sei jetzt zu überraschend, und ich müsse noch überlegen, bevor ich mich entscheiden könne, aber worauf es hinaus laufen würde, war mir doch längst klar. Ihrem Grinsen nach zu urteilen, Lilo anscheinend auch.

 

Mein Vater meinte, wenn ich ein wenig warten könne, ergebe sich eventuell et­was in sehr geringer Distanz zu Dominique. Dominique selber erzählte, dass die Frau im Parterre unter ihm zum März ausziehen wolle. Sie kannte zwar je­manden, der dort eingezogen wäre, aber in diesem Falle sah sich die Woh­nungsbaugesellschaft dringend genötigt, vorrangig mir die Nutzungsrechte zu überlassen. 'O sole mio, ein Apartment mit Terrasse und kleiner Wiese und über mir dieser Mann mit dem dicken Flügel und dem warmen Bett. Ob die ers­ten warmen Tage nicht nur den beginnenden Frühling mit dem folgenden Som­mer ankündigten, sondern auch vermitteln wollten, das das Tor zum Paradies langsam geöffnet werde? Mein Empfinden tendierte stark zu Letzterem. Natür­lich konnte ich Beethovens 'Zärtliche Liebe' längst spielen und mit umformu­lierter letzter Strophe singen, aber ob meine Laute den Sphärenklängen der Engelschöre gleich kamen, würde ich eher bezweifeln wollen. Schade, dass es so grässlich klang. Ein wenig Gesangsunterricht könnte doch nicht schaden, ich würde es doch so gerne können. Sich auf musikalischen Genüssen und Liebes­wonnen in Angelmodde schwebend tragen zu lassen, das war es wohl, was un­zweifelhaft als Glück bezeichnet werden musste.

 

Elvis lügt


Psychologisch hielt ich mich nicht für besonders bewandert. Ich hatte mich nur immer mal informiert, wenn ich mir Widersprüchliches nicht erklären konnte. Es reichte aber aus, um den Kommilitonen, die mich besuchen kamen und meinten, mein Verhalten aus gesellschaftspolitischer Sicht kritisieren zu müs­sen, klar zu machen, was für Heuchler und großmäulige Revolutionsphrasen­drescher sie seien. Neben den revolutionären Kräften hatten sich für mich die emotionalen Kräfte sehr stark in den Vordergrund gedrängt und mir verdeut­licht, dass es gar nicht möglich war, sie zu missachten. Anstatt für mich ratio­nal wegweisende Entscheidungen zu treffen, kam ich mir oft vor, als ob ich ih­ren Beschlüssen hinterher hechelte. „It's now or never“ hatte es für mich nur zweimal gegeben. Den kühnen Beschluss, Dominique zum Kaffee einzuladen, und beim zweit Mal war ich es gar nicht selber, sondern Marcel, der so für mich entschieden hatte. Aber Situationen wie 'Kiss me now or never' so etwas hatte es bei uns doch nie gegeben. 'Kiss me now or a little bit later or tomorrow in the morning' das könnte man sich vorstellen aber 'or never'? Ob's denn in an­deren Beziehungen so etwas gab, und man mit Ausschlussfrist auf die Liebe keinen Moment warten konnte? Ohne es durch statistische Erhebungen exakt belegen zu können, neige ich mehr dazu, es für einen höchst ungewöhnlichen, seltenen Vorfall zu halten. Liebe kann doch sehr wohl warten und muss es nicht selten zwangsläufig. Liebe kann auch sehr hartnäckig, ausdauernd und geduldig sein. Die unerfüllte besteht nur im Warten und und für die wahre soll es nie zu spät sein, sagt man. Elvis wollte uns erklären, dass seine Liebe es nicht mal bis morgen schaffen könne. Um was für eine Liebe soll es sich den da handeln? Wer soll so etwas denn glauben können?. Elvis hat uns einen Bären aufgebunden. Mit seinem Ozean, das mag dahin gestellt bleiben. Obwohl ein wenig traurig war Elvis ja schon immer. Aber in der Liebe gibt’s so etwas gar nicht, und die damaligen Kinder, die heute Fünfundfünfzigjährigen verfahren auch in der Liebe nicht nach dem von Elvis vorgegebenen Paradigma der uner­bittlichen augenblicklichen Liebesforderung. Wahrscheinlich weil es sich in der Alltagspraxis als völlig untauglich erwiesen hat und amouröse Intentionen eher stört, als ihnen dienlich sein zu können. Elvis muss sich sagen lassen, dass sein 'Its now or never' für die Liebe nichts taugt. Ob man es da nicht doch lie­ber in seinen alten Bereichen bei den sich heldenhaft Gebärenden und Schnäppchenjägern belassen sollte?


Wenn uns auch der theoretische Hintergrund von Elvis Vortrag als irrational und unbrauchbar erscheinen mag, sollten wir nicht vergessen, dass es sicher nicht in seiner Absicht lag, einen wissenschaftlichen Diskussionsbeitrag zum Thema Liebe zu liefern. Elvis wollte uns mehr etwas zur Sehnsucht empfinden lassen. Und was hat die wehmütig gefehlte Sehnsucht denn mit Argumenten und ratio­nalem Denken zu tun? Wo sollten denn da die Berührungspunkte lie­gen?



FIN




Comment un homme dépourvu des vertus qui sont propres à l'homme
peut-il cultiver la musique ?

Confucius


„Du erschienst mir als ein wunderbarer Mensch und nicht als ein Mann, ein Ficker, der 'ne Frau fürs Bett sucht. Aber da habe ich mich anscheinend doch grundlegend getäuscht. Alles nur in meinem eigenen Kopf produziert, verstehst du? Geträumt. Zusammen­gereimte Wunschbilder. Kein Bezug zur Realität. Hast du je gesagt, dass es dir bei einer Frau nicht vorrangig darum ginge. Nichts Dergleichen. Alles nur Fantasiegemälde meiner Wünsche. Ich brauche das nicht, ich brauche dich nicht. Scher dich endlich zum Teufel, Dominique, bevor ich mir noch weitere Gedanken über dich ma­chen muss.“ schrie ich ihn an. Dominique stand auf, flehte nur: „Julia!“, wollte mich noch umar­men, aber ich wehrte ab.



Julia und der Junge im beigen Pullover – Seite 35 von 35

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Tag der Veröffentlichung: 08.04.2013

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