Cover

1.

Ein ungemütliches Zucken fährt durch meinen Körper und scheint langsam aber sicher jedes einzelne Teilchen meines Körpers wiederzubeleben. Das Zucken breitet sich durch meinen Herz hindurch in meinen Brustkörper aus, und verteilt sich von dort in meine Arme, meine Bein bis hin zu meinen Ohren.

Ruckartig setze ich mich auf und schnappe tief nach Luft. Ich scheine gar nicht genügend Sauerstoff zu bekommen, zumindest verlangt mein Körper nach so viel, das ich bedenke habe ich könnte seinen Wunsch erfüllen.

Reflexartig lege ich meine Hand auf die Stelle meines Herzens. Mit wilden, kräftigen Schlägen saugt es gierig das Blut in sich hinein, nur um es auf der anderen Seite wieder hinaus zu Pumpen.

Meine Kleidung ist durchnässt und als ich die Zeit finde einen Blick um mich herum zu werfen, bemerke ich, dass ich absolut keine Ahnung hab wo ich bin.

Um mich herum befinden sich viele Bäume, deren Kronen bedrohlich auf mich herunter wippen, von weiter weg kann ich das Rauschen einzelner, schneller Autos auf nasser Fahrbahn vernehmen.

Erst jetzt wird mir bewusst das es regnet, doch was mir noch viel bewusster wird, ist das ich weder weiß wo ich bin, noch wie ich hier hin gekommen oder wohin ich jetzt gehen soll.

Mein Kopf schmerzt und als ich versuche aufzustehen fühlen sich meine Beine so schwer wie bleierne Kugeln an.

Meine Kleidung klebt völlig durchnässt an mir und meine Haare hängen in tropfenden Strähnen an meinem Gesicht herab.

Schleppend bewege ich mich auf die Straße zu, irgendwohin muss die doch führen. Der Asphalt fühlt sich angenehm vertraut unter meinen nackten Füßen an und die Autoscheinwerfer werfen angenehm Lichtpegel auf die Straße.

Ich scheine Glück zu haben, denn schon nach wenigen Metern taucht hinter einer Kurve eine Siedlung auf. Überall leuchten Fenster in der Dunkelheit der Nacht auf und irgendwie versuche ich krampfartig ein Muster darin zu erkennen, doch egal wie viel ich über irgendetwas nachdenke, ich stoße nur auf eine massive Wand.

Mir ist kalt. Meine Füße brennen. In meinem Kopf sticht es.

Was mach ich jetzt?

Nach einer Bushaltestelle fragen, ja ich werde irgendwo klopfen und nach einer Bushaltestelle fragen. Ein Bus bringt mich sicherlich nach Hause.

Überzeugt von meinem Vorhaben schleppe ich mich endlos lange 5 Stufen hinauf zu einer glasigen Tür. Eigentlich will ich den Namen am Klingelschild lesen, aber es verschwimmt einfach jedes Mal wenn ich es ansehe. Was ist das denn für ein Zauberschild?

Entschlossen klingle ich und stütze mich erschöpft am Türrahmen ab.

Nach wenigen Sekunden öffnet eine kleine, schmale, blonde Frau die Tür und sieht mich durch die Gläser ihrer runden Brille erschrocken an.

Eine Brille brauch ich, ganz sicher, dann wird das mit dem Lesen besser. Eine Brille.

„Wie kann ich ihnen helfen?“ fragt sie mich, doch ihre Stimme klingt besorgt, irgendwie komisch.

„Könnten sie mir sagen wo die nächste Haltestelle ist?“ frage ich, doch meine Stimme bricht immer wieder und klingt kratzig und sehr unangenehm.

„Ja, aber dort fahren um diese Zeit keine Busse mehr.“ Erklärt sie, bedauern in ihrer Stimme.

„Wo müssen sie denn hin?“ fragt sie weiter.

Ja, wo muss ich eigentlich hin? Ich weiß es nicht. Nein! Verdammt ich weiß es nicht. Egal wie oft ich versuche mir klarzumachen wo ich wohne, renne ich wie gegen eine unsichtbare Wand und werde immer wieder zurück geworfen.

Oh mein Gott, ich kann mich an gar nicht erinnern. Erst jetzt wird mir bewusst das ich absolut keine Ahnung habe was ich mitten in der Nacht in einem Waldstück suche, oder wo ich herkomme, doch am schlimmsten ist: Ich weiß nicht wer ich bin. Ich weiß noch nicht einmal meinen Namen.

Mein Herz schlägt so fürchterlich schnell, ich habe bedenken das es in meiner Brust bleibt und mit einem leichten Schwindelgefühl fasse ich mir an den Kopf und sage verwirrt: „Ich weiß es nicht. Ich weiß es wirklich nicht, ich habe keine Ahnung mehr wo ich wohne.“

Das wird mir irgendwie zu viel.

Alles dreht sich, alles verschwimmt so grässlich vor mir und wird eine graue Masse. Ich spüre zwei Hände an meinem Arm und dann nichts mehr. Endlich spüre ich nichts mehr. Endlich ruhe.

 

„Mom, sie ist wach!“ ruft jemand aufgeregt, aber dennoch versucht leise neben meinem Ohr. Erschrocken setzte ich mich blitzartig auf und ziehe die wollige Decke bis dicht unter mein Kinn.

Wo bin ich?

Wer ist der Mann der durch die Tür kommt? Die Frau kommt mir immerhin schon einmal bekannt vor.

„Hey, ich bin Mara und das ist mein Sohn Ben.“ Sagt ihre Stimme vertraut sanft und mit einer hinweisenden Geste stellt sie mir den dunkelhaarigen jungen Mann vor.

Sie schiebt die Decke zu meinen Füßen ein Stück zur Seite und setzt sich auf den Rand des Sofas. Ben setzt sich einfach auf den Boden vor mich.

„Weißt du wie du heißt?“ fragt Mara idiotischer Weise, doch gerade als ich antworten will, merke ich das die Frage doch gar nicht so dumm ist. Ich kann mich nicht erinnern, nicht im geringsten.

„Nein…nein, ich habe keine Ahnung.“ Sage ich erschöpft, lasse meinen Kopf in meine Hände fallen und fahre durch meine Haare.

„Weißt du vielleicht wo du hergekommen bist?“ fragt Ben vorsichtig von der Seite.

Kurz sehe ich zu ihm rüber, seine blauen Augen sehen mich genau an. Ich muss grässlich aussehen.

„Ich weiß nur, dass ich irgendwo mitten im Wald aufgewacht bin und dann bin ich der Straße gefolgt, bis hier her. Ich weiß aber weder wie ich in den Wald gekommen bin, noch wo ich eigentlich tatsächlich herkomme. Ich kann mich einfach nicht erinnern, es ist alles weg.“ Erkläre ich und spüre wie mein Mund trocken wird. Ich habe mich noch nie so einsam gefühlt, gut, oder ich kann mich einfach nicht mehr erinnern.

Verzweifelt verdecke ich meine Augen mit meinen Händen und atme tief durch.

„Das wird schon wieder, ich bin mir sicher dir fällt es bald wieder ein.“ Versucht mich Ben zu ermutigen, doch kann ich ihm nicht so recht glauben.

Mein Blick fällt auf meine Hände. Sie sind dreckig, wie sicherlich der ganze Rest von mir, ich will gar nicht wissen wie lange ich dort im Wald herum gelegen habe.

„Vielleicht ist es gut wenn du dich erst einmal entspannst. Wie wäre es wenn ich dir ein Bad einlasse?“ fragt Mara mich und lächelt mir warmherzig zu.

Ich zwinge mich zu einem Lächeln und sage: „Klingt super.“

Zufrieden lächelnd steht sie auf und läuft in einen breiten Flur, über eine Treppe raus aus meinem Sichtfeld.

„Wie geht es dir sonst so? Tut dir irgendwas weh?“ fragt Ben und sieht mich ein wenig neugierig an.

Wenn ich wüsste wie alt ich bin, dann könnte ich sagen ob er ungefähr ähnlich alt ist, aber so kann ich nur ins blaue raten. Er sieht ziemlich erwachsen aus, also so um die knappen zwanzig herum vielleicht, auch wenn seine Augen sie eines neunjährigen sind. Neugierig, aufgeregt und leuchtend.

„Außer meinem Kopf, tut mir im Moment noch nichts weh.“ Antworte ich und schwinge meine Bein über die Sofakante.

Als ich aufstehen will, springt auf und sagt: „Vielleicht solltest du das erst einmal langsam angehen.“

„Mehr als umfallen kann ich ja nicht.“ Gebe ich müde lächelnd zurück. Das scheint ihn nicht wirklich zu beruhigen. Außer das sich meine Füße ziemlich zerschnitten anfühlen, geht das mit dem stehen ziemlich gut und langsam laufe ich los. Ben läuft immer in einem geringen Abstand zu mir, wahrscheinlich in Erwartung mich notfalls aufzufangen.

„Soll ich dich zum Badezimmer bringen?“ fragt er und lächelt schief.

„Ja, danke.“ Antworte ich und folge ihm zur Treppe. Auf der Treppe frage ich: „Wie spät ist es?“

Er zieht sein Handy aus der Tasche und sieht auf die Anzeige.

Handy! Die Idee. Aufgeregt taste ich meine Taschen ab, und tatsächlich: In meiner Hosentasche befindet sich ein kleines schmales Smartphone, doch leider ist es genauso nass wie der ganze rest von mir.

„Verdammt!“ fluche ich und versuche es zu aktivieren, doch es sagt nicht einen Ton.

„Was?“ fragt Ben verwirrt und dreht sich um.

„Ich habe mein Handy gefunden, aber das ist hin. Es ist komplett aufgeweicht.“ Jammere ich.

„Gib mal her, ich sehe es mir dann mal an, vielleicht bekomme ich es wieder hin.“ Sagt er zuversichtlich und ich reiche es ihm.

„Also es ist viertel nach zwei und du bist so ungefähr vor drei Stunden bei uns angekommen, falls das die nächste Frage wäre.“ Beantwortet er meine Frage von vor hin.

Draußen ist es komplett dunkel, doch das Haus ist schön. Es ist sehr groß, dennoch strahlt es Gemütlichkeit und Häuslichkeit aus.

„Da wären wir, Mom ist bestimmt drin.“ Sagt er und öffnet mir eine hölzerne Flügeltür.

„Danke.“ Sage ich lächelnd und verschwinde in den großen Raum.

„Ah da bist du ja. Ich habe dir ein paar Sachen von meiner Tochter heraus gelegt, die müssten dir passen. Und sonst steht alles da, ich werde dich dann mal alleine lassen.“ Sagt sie herzlich lächelnd.

„Vielen Dank.“ Antworte ich höflich und lächle.

Die Tür hinter mir schließt sich und der warme Dampf eines Bades lockt mich aus meiner Kleidung.

Mitten in der Mitte steht eine sehr große Wanne und als ich zufällig einen Blick in den Spiegel wage, bemerke ich, dass ich noch schlimmer, als gedacht aussehe.

 

Das warme Wasser immerhin entspannt mich etwas und ich tauche komplett ab.

Was ist zur Hölle ist passiert? Warum weiß ich einfach nichts mehr.

Da mir mein Kopf jedes Mal fast zerspringt bei den Gedanken an „Warum“, beschließe ich die Sache einfach mal für eine halbe Stunde ruhen zu lassen.

Nach dem Bad fühle ich mich vergleichsweise besser und die Kleidung passt sogar fast. Mit nassen Haaren laufe ich die Treppen in dem großen Haus nach unten und folge den leisen Stimmen von Ben und Mara.

Mit einem verklemmten Lächeln tauche ich im Türrahmen zu einer schönen Küche auf.

„Na, möchtest du auch eine heiße Schokolade?“ fragt Mara und holt bereits eine Tasse aus dem Schrank.

„Unbedingt.“ Sage ich und setzte mich an einen großen Holztisch, gegenüber von Ben. Die Einzelteile meines Handys liegen verteilt auf dem Tisch herum.

„Meinst du das wird noch mal was?“ frage ich skeptisch in Bens Richtung.

„Doch, wenn das trocken ist funktioniert das wieder, da bin ich mir sicher.“ Sagt er zuversichtlich, vielleicht ein wenig zu zuversichtlich.

Mara stellt mir eine Tasse hin und setzt sich neben mich.

„Ich werde dann zu Bett gehen, ich muss morgen wieder arbeiten. Erschreck nicht morgen Früh, aber die Frau, die hier immer mal herum läuft ist Betty, unser Hausmädchen. Wenn du irgendetwas brauchst, dann frage einfach sie, oder Ben. Zerbreche dir am Besten nicht die ganze Zeit den Kopf, wichtige Dinge fallen einem immer irgendwann wieder ein. Ben wird dir dann dein Zimmer zeigen.“ Sagt sie und lächelt unglaublich herzlich. Wer die Situation nicht so blöd, dann könnte ich es hier wahrscheinlich eine Weile aushalten.

Mara küsst Ben kurz auf die Stirn und geht dann nach oben.

„Soll ich dir dein Zimmer zeigen?“ fragt und sieht mich mit seinen blauen Augen an.

„Nein, ich würde gern einfach noch ein wenig hier herum sitzen.“ Gebe ich müde zur Antwort.

„Gut, dann bleibe ich auch hier.“ Sagt er grinsend.

Der Kakao ist lecker.

„Gehst du noch zur Schule?“ frage ich Ben, um einem Konversation anzufangen.

Er lehnt sich entspannt in seinem Stuhl zurück und sagt, sich streckend: „Nein, ich habe mein Abi schon hinter mir, war dann ein Jahr freiwillig beim Bund und bin jetzt in meinem Medizinstudium.“ Sagt er mit einem Lächeln.

„Wow, klingt nach ziemlich viel Arbeit, ich wünschte ich würde wissen was ich gemacht habe.“ Seufze ich und stütze meinen Kopf auf meine Hand.

„Du hast sicherlich etwas ähnlich cooles gemacht.“ Versucht er mich zu ermuntern, doch irgendwie bringt mich das noch mehr auf den Boden. Warum glauben alles ich bin jemand Gutes gewesen, und habe etwas Gutes getan? Was ist wenn mir das alles nicht umsonst passiert ist? Was ist wenn ich es verdient habe?

Okay, jetzt ist es vorbei, da kommt sie, die Flut aus Emotionen.

Tränen fließen über mein Gesicht und ich lassen mein Gesicht in meine Arme fallen.

„Hey…es tut mi Leid, wenn ich was falsches gesagt habe.“ Sagt Ben sanft und nimmt neben mir Platz.

„Es ist nicht direkt was du gesagt hast…es ist nur…was wenn ich das hier alles verdient habe?“ frage ich verzweifelt und sehe ihn durch meine geschwollenen Augen an.

Er legt eine Hand auf meinen Rücken und sagt: „Alles passiert für einen Grund, nur manches passiert durch einen falschen Grund. Ich glaube nicht das du etwas dafür kannst, niemand kann etwas so schlimmes getan haben um etwas so grausames erfahren zu müssen.“ Erklärt er ganz ruhig und sieht mir dabei die ganze zeit in meine Augen.

Es beruhigt mich, auch wenn ich daran zweifle.

„Weißt du was mich am meisten stört?“ frage ich und muss mit Tränen in den Augen lachen. Seine Augen beginnen zu leuchten als er lächelnd fragt: „Nein, was?“

„Das ich nicht weiß wie ich heiße.“ Sage ich und muss lachen, da dass wahrscheinlich eins meiner kleinsten Probleme wäre. Namenslos zu sein fühlt sich aber irgendwie an, wie Identitätslos zu sein, so wie ein Niemand zu sein.

„Na wenn das dein einziges Problem ist, dann soll es doch daran nicht scheitern!“ sagt er und setzt ein seltsames Grinsen auf.

Erwartend ziehe ich eine Augenbraue hoch und sehe ihn an.

„Wie wäre es mit Claudia oder Sophie?“ fragt er und meint das glaube ich ernst.

„Ey komm nur weil ich blonde Haare hab? Vielleicht sollte ich mich gleich Ashley oder so nennen, immerhin bestätige ich damit das Klischee.“ Sage ich mit viel Ironie in meiner Stimme.

Eigentlich ist das ziemlich spannend, denn meinen letzten Namen durfte ich sicherlich nicht selber wählen, dennoch fühlt sich keiner von diesen Namen passend an.

„Okay, ich glaube ich habe einen der passt.“ Droht er lächelnd an.

„Wenn du mir jetzt mit Lisa kommst, dann…“ funkle ich ihn böse an.

„Nein. Ich bin für Troja.“ Sagt er entschlossen und sieht mich mit seinen ehrlichen, blauen Augen an.

„Troja? War das nicht diese komische Stadt?“ frage ich verwundert, aber nicht abgeneigt.

„Ja, und sie hat gekämpft, deswegen passt das so gut, weil du ebenfalls eine Kämpferin bist.“ Sagt er mit vollem Ernst. Na der hat auch eine leicht philosophische Ader, oder?

„So lange kennst du mich doch noch gar nicht. Außerdem, wurden die nicht besiegt, von diesem komischen Pferd?“ provoziere ich ein wenig weiter, auch wenn ich mich bereits für den Namen entschieden habe.

„Nein, noch nicht lange, aber gut genug um so etwas einschätzen zu können. Und ja, wurden sie, aber es geht ums Prinzip, sieh haben gekämpft.“ Antwortet er grinsend.

„Gut.“ Antworte ich zum ersten Mal richtig echt lächelnd.

„Gut.“ Antwortet er ebenfalls.

Ein Problem weniger, bleiben nur noch geschätzte dreitausend, doch die müssen bis Morgen…oder jedenfalls bis nach dem Frühstück warten.

Ben zeigt mir mein Zimmer und todmüde falle ich einen anstrengenden, traumlosen Schlaf. Aber immerhin schlafe ich.

 

Der nächste Morgen schlug den Regen gegen das Dachfenster, unter welchem das bequeme Bett steht. Mein herz schlägt panisch als ich mich umsehe. Nein, ich kenne das hier alles nicht.

Ich versuche mich zu erinnern. Klar, ich weiß mittlerweile, dass ich nicht mehr weiß wer ich bin, aber wichtig ist jetzt: Weiß ich was gestern hier passiert ist?

Mit einem Schlag kommen mir die Bilder von Mara und Ben in den Kopf und noch dazu ein komisches Gefühl. Auf der einen Seite bin ich froh, dass ich mich wenigstens an Gestern erinnern kann, doch auf der anderen Seite habe ich das Gefühl Ben und Mara zu gefährden. Ich bin einfach immer noch davon überzeugt, dass ich was schlechtes angestellt haben muss, damit mir so etwas passiert.

Ob Ben mein Handy wieder hinbekommen hat?

Eins steht fest: Ich bleibe hier nicht länger, ich muss gehen und herausfinden was geschehen ist, und was auch immer es ist, ich bin mir sicher, dass es weder gut für Mara, noch für Ben wäre.

Leise schleiche ich durch das Haus, runter in die Küche. Ich glaube ich habe lange geschlafen, denn Mara ist schon zuhause, dabei wollte sie doch arbeiten.

„Guten Morgen Troja!“ begrüßt mich Ben freundlich strahlend.

„Guten Morgen, ich habe wahrscheinlich ein wenig zu lang geschlafen.“ Sage ich und reibe mir müde über die Augen. Ein Blick zur Küchenuhr verrät mir, dass es bereits nach zwei am Mittag ist.

„Macht doch nichts, dann hältst du eben Brunch, ich habe etwas leckeres gekocht.“ Sagt Mara erfreut. Wow, ich hoffe ich habe in meinem Leben vor der Nacht auch eine solche Mutter gehabt.

„Okay. Klingt super.“ Antworte ich lächelnd und setzte mich gegenüber von Ben an den Tisch.

Auch hier unten wird der Regen von sehr starkem Wind gegen die Terrassentür gepeitscht und verleiht dem Frühstück noch mehr Geborgenheit.

„Wie ich sehe habt ihr einen Namen für dich gefunden.“ Stellt sie fest und gibt mir etwas Obst auf den Teller.

„Ja, also Ben hat ihn heraus gesucht.“ Gebe ich ein wenig verlegen zu.

„Ich finde ihn perfekt.“ Lobt Mara.

„Mom, das musst du auch. Du findest aus Prinzip alles gut was ich mache.“ Sagt Ben überzeugt und grinst seine Mom an. Was wohl mit seinem Vater ist? Geht mich eigentlich nichts an.

„Übrigens, ich habe dein Handy wieder zum Laufen bekommen.“ Sagt er stolz und holt es aus irgendeiner Tasche.

Aufgeregt sehe ich ihn und das Handy an.

„Und?“ frage ich nervös.

„Nichts, also naja keine Kontakte, keine privaten Dinge, nichts. Das einzige was komisch war, ist das du irgendwie so eine seltsame Software darauf hattest, eine mit der beim Militär gearbeitet wird.“ Sagt er nachdenklich. Na super.

„Vielleicht ist es gar nicht meins.“ Sage ich enttäuscht. Ich kann mir schwer vorstellen was ich mit dem Militär zu tun habe.

„Ja vielleicht.“ Sagt er, doch seine Augen deuten das er es nicht kauft.

„Ich muss euch eh noch etwas sagen.“ Sage ich ein wenig zerknirscht. Beide schauen mich erwartungsvoll an.

„Ich…erm…also erst einmal bin ich auch wahnsinnig dankbar, dass ich euch so um mich gekümmert habt und mich bei euch aufgenommen habt, aber ich habe beschlossen weiter zu gehen. Ich muss irgendwie heraus finden wer ich war und ich möchte euch nicht mit reinziehen, ich habe da irgendwie kein gutes Gefühl bei.“ Beichte ich und sehe auf meine Gabel.

„Ich könnte dir aber helfen!“ protestiert Ben und mustert mich mit seinen blauen Augen, auf der Suche nach irgendetwas.

„Ich halte das für keine gute Idee, ich will niemanden in Gefahr für mich bringen.“ Erwidere ich und fahre durch meine Haare.

„Ich halte das auch für keine gute Idee, also das du alleine losziehst.“ Fällt mir Mara in den Rücken. Na super. Es ist ja total lieb von denen, aber ich muss das alleine durchziehen, vielleicht auch bloß weil das meine Würde nicht her gibt.

An der Tür klingelt es. Mara sieht uns nacheinander an.

„Erwartet ihn jemand?“ fragt sie skeptisch.

„Nein, nicht das ich wüsste.“ Sagt Ben nachdenklich.

„Wohl kaum.“ Sage ich ironisch.

Mit einem verwunderten Blick steht Mara auf und läuft zur Tür. Ben folgt ihr unauffällig und ich ihm.

„ihr bekommt wohl selten Besuch?“ frage ich ironisch, weil ich ihr Verhalten etwas komisch finde.

„Naja, zumindest keinen Unangekündigten.“ Antworte er und sieht zur Tür.

Ich sehe wie Mara die Tür öffnet, sich kurz mit jemanden unterhält sie und sie wieder schließen will. Zuerst denke ich sie dreht sich jeden Moment um und kommt zurück gelaufen, doch wer auch immer vor der Tür steht stößt sie einfach wieder auf und starrt in das Haus-vielmehr direkt in meine Augen.

Auch wenn ich die beiden Männer mit ihren dunklen Anzügen nicht wirklich kenne, fühle ich das etwas definitiv nicht stimmt. Für einen Bruchteil der Sekunde sehe ich einem der beiden in die Augen und noch bevor einer der beiden Männer oder ich reagieren kann ruft Mara laut in Bens Richtung: „Verschwinde mit ihr! Jetzt!“ ich habe erst keine Ahnung was sie da schreit, weil ich grade das Gefühl habe das mich meine Vergangenheit einholt, aber wie immer kann ich es nicht einordnen.

Ben greift meine Hand und zieht mich mit. Irgendwie geschieht gerade alles ich Zeitlupe und ich sehe wie die beiden Männer mit gezogenen Waffen in das Haus gerannt kommen und Mara von der Tür wegspringt.

Ich sage doch, ich bringe nur ärger.

Ben rennt mit mir durch einen schmalen Durchgang in eine riesige Garage. Jetzt scheint wieder alles in Echtzeit zu geschehen denn plötzlich kommen alle Geräusche wieder und ich kann mein Herz unglaublich laut in meiner Brust schlagen hören und noch viel schlimmer-die Schritte der beiden Männer hinter mir.

„Steig ein!“ schreit Ben und rennt auf die Fahrerseite des großen, schwarzen Geländewagens.

Als ich im Auto sitze sehe ich wie die beiden Männer aus dem schmalen Gang gerannt kommen, die Waffen auf uns gerichtet. Ein breites Garagentor öffnet sich und Ben gibt so schnell wie möglich Vollgas. Die Männer rennen uns hinterher und scheißen wirklich!

„Kopf runter.“ Sagt Ben unter zusammengebissenen Zähnen.

Ich mache was er sagt und höre wie die Kugeln auf die Karosserie treffen, doch sie scheinen nicht durch zu kommen. Er biegt mich quietschenden Reifen aus der Einfahrt raus und beschleunigt auf 180 Kilometer pro Stunde, mit welchen er durch die kleine Siedlung rast. Als ich keine Schüsse mehr höre richte ich mich wieder auf.

Geschockt sehe ich aus dem Fenster. Genau das wollte ich vermeiden. „Kanntest du die Männer?“ fragt er ein wenig unfreundlich, das erst Mal, dass er nicht so freundlich ist.

„Nein, woher denn?“ antworte ich ein wenig verletzt, weil er genau weiß, dass ich mich an nichts erinnern kann.

„Was weiß ich, aber du hast ihn so angestarrt.“ Wirft er mir an den Kopf und es klingt wie ein Vorwurf. Okay, das reicht mir. Vor Wut steigen mir Tränen in die Augen

„Ich kenne keinen von beiden, sie kamen mir nur bekannt vor! Verdammt, genau deswegen wollte ich nicht bleiben, irgendwie konnte doch was nicht mit mir stimmen!“ schreie ich hysterisch.

Er sieht in den Rückspiegel und ignoriert mich erst mal ganz gekonnt als er beginnt zu fluchen und gibt noch mehr Gas. Ich komme mir irgendwie blöd vor, das ich hier sitze und heule.

„Halt einfach an und lass mich raus.“ Schlage ich kalt vor.

„Die wollen sicher mich, und mich können sie haben, aber ich will nicht das ich dich oder deine Mom in Gefahr bringe, also lasse mich einfach raus.“ Erkläre ich, und meine es ernst.

„Nein.“ Antwortet er und starrt konzentriert auf die Straße.

Ich fühle mich mies. Mies, weil ich ihn in Gefahr gebracht habe. Mies weil ich Mara in gefahr gebracht habe. Mies weil ich hier nutzlos herum sitze und Mies weil Ben mir auch noch den Eindruck gibt, als wäre ich dran Schuld.

Mit sehr hoher Geschwindigkeit fädelt er sich durch die vielen anderen Autos und scheint sich ein wenig zu entspannen, als er das schwarze Auto, von den schwarz gekleideten Männern nicht mehr sehen kann.

Mein Kopf lehnt gegen der kalten Scheibe und langsam kann ich beobachten, wie der Himmel immer dunkler wird.

„Troja?“ fragt Ben leise.

Ich schiele zu ihm rüber, ohne den Kopf zu heben und sage schlecht gelaunt: „Mhm.“

„Es tut mir Leid, ich will nicht das du denkst es ist deine Schuld.“ Sagt er ehrlich.

Das kommt spät.

„ist es aber.“ Sage ich entschlossen und zähle die Autos, die an uns vorbei rauschen.

„Nein ist es nichts, bitte hör auf das zu glauben.“ Erklärt er, seine blauen Augen sehen zu mir rüber.

„Warum ist das Auto nicht kaputt gegangen?“ frage ich um vom Thema abzulenken.

„Kugelsicher.“ Antwortet er mit einem schiefen Grinsen.

„Warum besitzt ihr kugelsichere Autos?“ frage ich verwirrt. Der Regen schlägt laut und stark gegen die Scheibe.

„Mein Vater hat immer darauf bestanden.“ Antwortet er, doch seine Stimme ist kilometerweit entfernt.

„Wo ist dein Vater?“ frage ich vorsichtig, es geht mich immerhin nichts wirklich an.

„Vor zwei Jahren in Syrien gefallen.“ Sagt er kurz angebunden und schluckt schwer. Zwei Jahre sind keine lange Zeit, vor allem nicht für die Abwesenheit von einem Mensch.

„Das tut mir Leid für dich.“ Sage ich leise und sehe zu ihm rüber.

„Du bist die erst die das zu mir sagt.“ Sagt er mit einem traurigen Lächeln. Sagt man das nicht wenn jemand gestorben ist?

„Aber das sagen die Leute doch immer, oder?“ frage ich verwirrt.

„Schon, doch sagen alle nur: Das tut mir Leid. Doch sie können doch gar nichts dafür, um das sagen zu können müssten sie direkt etwas damit zu tun haben, doch das hat keiner hier. Du hast es anders formuliert und das macht den Unterschied, dir tut es Leid weil es mir Leid tut, doch den anderen tut es Leid weil es geschehen ist, dabei können sie doch gar nichts ändern.“ Er sieht kurz zu mir rüber.

Darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht, also glaube ich zumindest.

Ich lächle vorsichtig und sehe dann wieder nach draußen. Es ist dunkel und noch immer regnet es.

„Wohin fahren wir?“ frage ich nach einer Weile.

„In meine Studentenwohnung.“ Antwortet er. Ich weiß nicht wo er studiert, aber ich weiß immerhin, dass er Medizin studiert.

„Ist es weit?“ frage ich einfach weiter um eine Konversation aufrecht zu erhalten.

„Wir fahren die Nacht durch, also wenn du müde sein solltest, dann kannst du jetzt auf jeden Fall schlafen.“ Antwortet er und irgendwie gefällt mir sein Tonfall dabei nicht.

„Und du? Wann machst du Pause?“ frage ich, denn eigentlich soll man aller zwei Stunden eine Pause machen.

„Gar nicht, ich bin die Strecke schon sehr oft gefahren, für mich ist das kein Hindernis.“ Es hätte jetzt keinen Sinn mit ihm zu streiten, also lehne ich meinen Kopf wieder gegen die Scheibe und sehe nach draußen.

Warum haben sie mich nicht getötet als sie konnten? Ich meine irgendwer muss mich doch in den Wald gebracht haben, irgendwer der mich nicht besonders gut leiden konnte. Wie immer bereiten mir diese Gedanken nichts als Kopfschmerzen und ich schließe die Augen. Allmählich wird es still um mich herum, ich kann die Räder leise auf der nassen Fahrbahn hören und den Regen, wie er auf die Fensterscheiben tropft. Regen macht mich traurig, ob er es damals auch schon getan hat?

 

Wahrscheinlich wache ich auf weil das vertraute Geräusch der fahrenden Räder verschwunden ist, mit welchem ich eingeschlafen bin.

Es scheint zu dämmern und der Wagen steht auf einer Art Parkplatz. Als ich auf die andere Seite sehe, merke ich, dass wir längst jegliche Zivilisation hinter uns gelassen haben und jetzt auf einem einsamen Highway Richtung Sonnenaufgang weiterfahren müssten. Rechts befindet sich eine Tankstelle und aus den Augenwinkeln kann ich sehen wie Ben telefoniert.

Verschlafen reibe ich mir über die Augen und steige aus. Es ist kalt.

Ben bemerkt das ich ausgestiegen bin und lächelt mir kurz zu, bevor er auf zwei Kaffees auf dem Autodach deutet und weiter telefoniert.

Ich nehme einen Kaffee und lasse mich an der Autotür nach unten rutschen, bis ich den Boden erreiche. Meine Knie ziehe ich an mich heran und den Kaffee halte ich fest umschlungen, in der Hoffnung etwas Wärme abzubekommen.

Ben sieht mich, läuft auf mich zu, zieht sich seine Sweatjacke aus und reicht sie mir, ohne auch nur mal sein Telefonat zu unterbrechen. Dankend nehme ich die Jacke an und ziehe sie über. Die Jacke riecht total gut und ist natürlich auch extrem warm.

Noch immer telefoniert er und ich sehe ihm dabei zu. Irgendwie hat er sich geändert, in der kurzen Zeit hat er es geschafft ein völlig anderer Mensch zu werden, also zumindest glaube ich das. Er wirkt viel angespannter und ernster, der lustige Typ der mit dem Handy bastelt ist verschwunden.

Endlich legt er auf. Für einen Moment bleibt er noch stehen, starrt einfach gerade. Schließlich dreht er sich um und ich kann sehen wie er sich zu einem Lächeln zwingt, als er sich den zweiten Kaffee greift und zu mir runter rutscht.

Unter seinen Augen habe sich lilafarbene Schatten gebildet und er wirkt müde.

„Mit wem hast du telefoniert?“ frage ich um eine Konversation aufzubauen.

„Mit vielen Leuten, aber hauptsächlich mit Leuten von der Uni die uns vielleicht helfen können und mit meiner Mom.“ Antwortet er und trinkt einen Schluck vom Kaffee. Ein paar einzelne Sonnenstrahlen schleichen sich langsam zu uns durch und lassen alles golden leuchten.

„Wie soll ich jetzt weiter machen?“ frage ich weiter, da ich einfach keine Ahnung habe was ich mit mir oder meinem Schicksal anstellen soll.

„Ich bin mir noch nicht sicher, aber Cam sucht jetzt erst mal nach Infos über dich, er kann sowas, bloß dafür müssen wir zu ihm, weshalb wir auf dem Weg zu meiner Studentenwohnung sind.“ Erklärt und sieht kurz zu mir rüber.

Seine blauen Augen strahlen im goldenen Licht ungewöhnlich, aber dennoch schön. Es ist fast wie als würden sie das Sonnenlicht in viele kleine einzelne Lichtpartikel zerspalten, nur um sie hinterher wieder zu einem großen Reflexionsfleck zusammen zufügen.

„Und wie lange fahren wir dann noch?“ frage ich komme mir vor wie ein nervendes Kind, was auf dem Weg in den Urlaub ist.

„Eine Stunde höchstens noch.“ Antwortet er und steht schon mal auf.

„Soll ich fahren? Du siehst sehr müde aus.“ Frage ich und sehe ihn an.

„Nein, schon gut, ich fahre. Kannst du überhaupt noch fahren?“ stellt er eine Gegenfrage.

Gute Frage.

„Ich denke schon, zumindest wüsste ich was ich tun muss wenn ich drin sitze.“ Stelle ich selber überrascht fest.

„Naja, wir müssen es ja nicht drauf anlegen.“ Ärgert er mich mit einem frechen Grinsen.

„Hey!“ beschwere ich mich und steige ein.

Er startet den Motor und wir fahren wieder auf den verlassenen Highway. Die Sonne scheint golden durch die Autoscheibe und lässt mich kaum noch die Fahrbahn erkennen.

Ob ich Sonnenaufgänge damals auch schon so schön fand?

Mit einem Schlag wird mir kalt, Schauer ziehen über meinen Körper. Meine Atmung wird schneller und das Bild vor mir verschwimmt zu einem anderen, zu einer anderen Straße, eine Straße im selben goldenen Licht, doch ein riesiger Lastwagen kommt auf mich zugerast.

Erschrocken, wie aus einer Art Schutzmechanismus, ziehe ich meine Arme panisch über meinen Kopf und schreie. Der Lastwagen kommt immer näher, und er bremst nicht einmal. Ich stehe nur da, scheine mich nicht bewegen zu können.

„Troja, Troja! Verdammt noch mal sieh mich an!“ schreit eine Stimme von weit weg.

Der Lastwagen verschwindet in dem Moment, in dem er mich erreicht und ein klares paar blaue Augen taucht vor mir auf. Ich atme hektisch ein und aus und starre in die eisige Farbe.

„Was war das?“ fragt Ben aufgebracht.

Ich fahre durch meine Haare und sehe auf dem Fenster. Der Wagen steht.

„Kein Ahnung, ich fürchte ich habe mich erinnert, oder so.“ sage ich und reibe über meine Augen. Das war keine schöne Erinnerung, falls es eine gewesen ist.

„Und…was ist passiert?“ fragt er, deutlich um seinen Tonfall bemüht.

„Ein Laster war dabei mich zu überfahren, und ich stand nur da und hab geschrien.“ Antworte ich, mein Tonfall monoton.

„Aber nehmen wir mal an du bist tatsächlich irgendwann mal von einem Laster überfahren wurden, dann würdest du sicherlich nicht mehr so aussehen. Ich meine, Leute die von Autos überfahren werden sehen ja schon schlimm danach aus und Leute die vom Laster überfahren werden leben für normal danach.“ Was will er bezwecken? Will er mir beweisen das ich Lüge?

„Warum klingt das wie ein Vorwurf?“ frage ich ein wenig beleidigt.

„Ich…man, das soll kein Vorwurf oder so sein, es ist nur einfach unlogisch.“ Sagt er sichtlich genervt. Ich glaube ihm fehlt Schlaf…oder ganz andere Dinge.

Ich antworte darauf nicht mehr, weil ich es sinnlos finde und keine Lust habe mich mit ihm über so belanglose Dinge zu streiten. Gut, meine Vision war jetzt ja nicht ganz so belanglos und sie gibt mir ehrlich zu denken.

Immer noch etwas beleidigt sehe ich aus dem Fenster, langsam tauchen wieder ein paar Häuser auf.

„Okay, keine Ahnung wie oft du das jetzt noch hören wirst, aber es tut mir Leid. Ich kann manchmal ziemlich grob sein, aber, ich möchte dir keinen Vorwurf machen und schon gar nicht Verantwortlich machen für irgendetwas.“ Sagt er und sieht konzentriert auf die Straße, seine Hände umklammern das Lenkrad, so dass seine Knöchel weiß heraus treten.

Ich beobachte ihn von der Seite. Seine Kiefermuskeln sind sehr stark ausgebildet und seine Nase schön geschwungen.

„Ist in Ordnung, ich bin auch nicht einfach.“ Gebe ich zu und atme tief aus.

 Er sieht zu mir rüber und lächelt. Ich sehe zu ihm und frage skeptisch: „Was?“

„Die Jacke steht dir gut.“ Ach ja, die hätte ich beinahe vergessen!

„Das sagst du auch bloß, weil es deine ist.“ Antworte ich ironisch.

Er lacht und schüttelt seinen Kopf dabei. Das gelbe Sonnenlicht fällt ins Auto und irgendwie fühlt es sich wie Urlaub an, unter anderen Umständen könnte es vielleicht sogar einer sein.

„Okay, wie lange noch?“ frage ich, als es sich am Straßenrand immer dichter besiedelt.

„Du bist schlimmer als meine Schwester auf Autofahrten.“ Wirft er mir lachend vor. Ich würde seine Schwester unglaublich gerne einmal kennenlernen, sie muss wunderschön sein, wenn sie auch nur die Hälfte des genetischen Materials mit Ben gemeinsam hat.

„Und, wie lange nun?“ drängle ich weiter.

„Vielleicht noch zehn Minuten.“ Antwortet er und schielt zu mir rüber. Ich sehe stur aus dem Fenster und spüre wie er mich beobachtet. Es ist faszinierend, dass Menschen Blicke spüren können, nicht wahr?

Um das Auto herum tauchen hohe Gebäude auf, stressige Kreuzungen, bunte Werbeplakate, aufregend tummeln sich die Menschen auf den Straßen. Jeder sieht so verschieden aus, obwohl wir doch alle gleich aufgebaut sind. Wieder einmal wird mir klar wie verrückt das Leben eigentlich ist und wie verrückt ich sein muss, immerhin fahre ich mit einem Mann, den ich kaum kenne in eine fremde Stadt. Okay, das ist relativ, jede Stadt scheint mir im Moment fremd, genauso wie jeder Mensch-ich kenne mich ja noch nicht einmal selbst.

Was ist wenn ich mich nie wieder erinnern kann, ist es dann eine neue Chance, oder eher ein Fluch, dass ich alles neu aufbauen muss?

Er biegt in eine Tiefgarage ein und es wird finster um uns herum, bis auf kleine dimme Lichter die dem Fahrer den Weg zum Parkplatz weißen. Er parkt auf einem Parkplatz, der mit seinem Kennzeichen versehen ist.

Als ich aussteige fällt mir zum ersten Mal seit ich im Wald aufgewacht bin auf, wie schrecklich ich eigentlich wirklich aussehe. Ich laufe hier in Joggingklamotten herum und mein Gesicht ist immer noch total zerkratzt von den ganzen Ästen und dem Zeug was dort so an den Bäumen hing.

„Kommst du?“ fragt er und dreht sich nach mir um. Ich zippe kurz an meine Kleidung herum, streiche meine Haare hinter und sage dann ein wenig eingeschüchtert von den neuen Eindrücken: „Ja, ja ich komme.“ Mit schnellen Schritten hole ich auf und steige mit ihm in einen Fahrstuhl.

Hat er nicht Studentenwohnung gesagt? Welche Studentenwohnung kann man denn mit einem Fahrstuhl aus der Tiefgarage erreichen?

Ich glaube ich mag Fahrstühle nicht. Irgendwie engen sie mich ein. Unsicher schlinge ich meine Arme um mich.

„Alles in Ordnung?“ fragt er mich und sieht mich etwas besorgt an.

„Ja, mir ist der Fahrstuhl nur nicht so geheuer.“ Sage ich und sehe auf meine Füße.

„Du musst dich auf die Menschen konzentrieren die mitfahren, darauf was sie tun, wie sie aussehen, was sie tragen und vielleicht was sie erzählen, da vergeht die Zeit schneller und du vergisst den Fahrstuhl.“ Erklärt er mir.

Das werde ich merken. Der Signalton zum Türöffnen ertönt und es ist ein tolles Gefühl endlich dort rauszukommen.

Er läuft vor, zieht einen Schlüssel aus seiner Tasche und schließt eine schwere Tür auf. Es gibt nur einen breiten Gang vom Fahrstuhl aus, mit zwei Türen auf jeder Seite. Ben schließt die Tür zur rechten Seite auf und lässt mich zuerst herein treten. Wow.

Es ist eine verdammt große Loft Wohnung, komplett in Weiß und Schwarz gehalten.

„Sagtest du nicht Studentenwohnung?“ frage ich skeptisch und sehe mich um.

„Ja, naja mehr oder weniger. Meine Eltern haben darauf bestanden mir die zu bezahlen, ich hätte auch die von der Uni genommen, aber Mom wollte es so.“

Okay, das ist verrückt.

„Ich weiß nicht. Also ich werde wahrscheinlich erst einmal ein bisschen Zeug besorgen gehen, der Kühlschrank ist wahrscheinlich leer. Am besten du machst es dir irgendwo gemütlich und fühl dich wie zuhause.“ Sagt er und steckt seine Hände in seine Hosentaschen.

„Das kannst du aber vergessen. Du bist zehn Stunden, wenn nicht sogar mehr noch, durchgefahren. Ruhe dich erst einmal aus, ich gehe das Zeug besorgen.“ Sage ich entschieden, da ich es ungerecht finde, dass er soviel Arbeit mit mir hat.

„Nein, du kannst doch hier nicht alleine los. Was ist wenn du dich verläufst?“ fragt er doch wirklich ernsthaft.

„Das Gebäude ist wohl kaum zu übersehen und nur weil ich mein Gedächtnis verloren habe, habe ich nicht sämtliches Gefühl für Orientierung verloren. Ich schaffe das, wirklich.“ Versuche ich ihn zu überzeugen.

Er sieht mich lange an und sagt schließlich: „Also gut, aber wenn du nicht mehr zurück findest werde ich sagen, dass ich es dir gesagt habe.“

Ich lache und sage: „Damit kann ich leben.“ Ich will zur Tür loslaufen als er hinterher ruft: „Geld?“

Verdammt.

„Ach stimmt.“ Sage ich und drehe mich auf dem Absatz herum. Apropos Gels, ob ich damals viel davon gehabt habe, oder ob ich vielleicht noch irgendwo ein Konto habe?

„Och man, ich will nicht das du alles für mich bezahlen musst.“ Sage ich betreten, da ich es ein wenig peinlich finde.

„Mach dir um sowas bitte keine Gedanken, das ist in Ordnung und denk dran dir Klamotten mitzubringen.“ Sagt er und schreibt mir den Pin von seiner Karte auf, der muss mir aber wirklich vertrauen. Gut, wo und zu wem sollte ich auch sonst gehen.

„danke.“ Sage ich und lächle ihm noch einmal zu bevor ich wieder in Richtung des Fahrstuhls begebe. Dieses Mal ist es einfacher ich zähle die Knöpfe im Fahrstuhl und blitzschnell bin ich unten. Die Leute sehen mich komisch an, wahrscheinlich wegen den Klamotten. Erster Punkt: Neue Kleidung.

Ich gehe in viele Geschäfte und kaufe nicht gerade wenig. Sollte ich je wieder Zugriff zu meinem Konto haben, dann zahle ich ihm definitiv all das Geld zurück!

Ich habe mich bemüht immer nahe am Apartment zu bleiben, immer nah genug um das große Gebäude zu sehen. Sogar einen Einkaufsmarkt gibt es direkt um die Ecke und ich kaufe alles mögliche was man Essen kann. Mir fällt auf, dass ich mich noch zu erinnern scheine wie man kocht, oder zumindest an die Rezepte, die ich gekocht habe.

Zufrieden gehe ich wieder zurück zum Eingang des Apartmentgebäudes und fahre hoch in sein Apartment, beladen mit sehr vielen Tüten. Eine mehr und ich könnte sie nicht mehr tragen.

So leise wie möglich versuche ich rein zu gehen, um ihn nicht zu wecken, glücklicherweise schläft er nicht auf der Couch, sondern vermutlich im Schlafzimmer.

Im Badezimmer zieh ich mir eine Jeans und eine blaue Bluse an, die ich gerade gekauft habe, den rest lasse ich erst einmal in der Tüte. Seine Bankkarte lege ich auf die Kücheninsel und beginne alles andere im Kühlschrank zu verstauen. Ich habe mich dazu entschlossen ein Pasta Gericht zu machen, ich glaube fast das konnte ich damals mal richtig gut.

Gedankenverloren koche ich und schneide die Zutaten. Kochen ist irgendwie wie meditieren, ich schalte vollkommen ab und fühle mich irgendwie glücklich dabei, vielleicht sollte ich öfter kochen.

Gerade als ich die Soße umrühren will höre ich hinter mir Ben wie er sagt: „Hey, das riecht richtig gut.“ Sagt, seine Stimme noch rau vom Schlaf. Ich drehe mich zu ihm um und muss Grinsen, seine Haare sind komplett zerzaust und er hat sein Shirt irgendwie linksherum angezogen.

„Was lachst du so?“ fragt er verwundert.

„Du hast dein Shirt linksrum an.“ Antworte ich und deute auf sein Shirt.

„oh, achso, ja passiert mir irgendwie öfter.“ Antwortet er und muss ebenfalls lachen. Er zieht sich das Shirt über den Kopf um es umzudrehen. Wow, gut trainiert. Schnell sehe ich wieder in die Töpfe, als ich feststelle, dass ich ihn anstarre.

„Du kannst kochen?“ fragt er und sieht über meine Schulter in die Töpfe. Er ist auf jeden Fall besser drauf als zuvor und seine Augen leuchten wieder.

„Ja, also daran scheine ich mich noch zu erinnern. Ich habe das Gefühl es können nur maximal zwei Jahre fehlen, weil ich mich letztens an meine Abi-Party erinnert habe, was bedeutet das ich mich wenigstens an alles bis zu meinem 18.Lebensjahr erinnern kann.“ Sage ich und koste die Soße.

„Na immerhin, das ist doch schon mal was.“ Sagt er und beginnt den Tisch zu decken.

Er lehnt sich an die Kücheninsel hinter mich und wieder kann ich spüren wie seine Blicke mich beobachten. Erstaunlicher Weise macht es mich nicht nervös, oder so, ich mag es irgendwie, es fühlt sich vertraut und angenehm an.

„Die Bluse steht dir gut, vor Allem die Farbe.“ Sagt er sehr überzeugend. Ich werfe eine Lächeln über die Schultern und sage ein wenig schüchtern: „Danke.“ Man, an sowas bin ich irgendwie gar nicht gewöhnt, Komplimente waren aber glaube ich noch nie so mein Ding.

„Das ist interessant.“ Sagt er nachdenklich. Verwirrt drehe ich mich um und lehne mich neben den Herd um ihn ansehen zu können. „Was?“ frage ich ein wenig skeptisch.

„Naja, wenn ich Frauen Komplimente mache, dann tun sie so wie als würde es nicht stimmen und verneinen es, sodass ich es immer öfter sage. Also nicht das ich damit ein Problem habe, aber du hast es einfach hingenommen, das ist irgendwie interessant.“ Gibt er zu denken und sieht mit seinen blauen Augen in meine. Ich glaube gerne, dass er oft die Chance bekommt Frauen Komplimente zu machen.

„Ich…nein, keine Ahnung warum ich das sage. Wirkt das irgendwie…eingebildet, oder so?“ frage ich ihn und merke wie meine Wangen rot werden.

Er sieht mich an und lächelt schief: „Nein, eher selbstbewusst und das ist wahnsinnig attraktiv.“ Gibt er zu. War das wieder ein Kompliment? Findet er mich attraktiv?

Schnell drehe ich mich rum, damit er nicht bemerkt wie verlegen ich bin, denn ich bin eigentlich absolut nicht selbstbewusst. „Essen ist fertig.“ Rufe ich laut und erfreut.

„Warte ich nehme den Topf.“ Sagt er und greift ihn von der Platte weg. Na den hätte ich auch alleine tragen können. Ich greife mir den kleineren Topf mit der Soße und folge ihm zum Tisch. Der Tisch steht mitten in der Mitte des Raumes auf dunklen Parkett.

Wir sitzen gegenüber und kosten was auch immer ich da gekocht habe.

„Ich glaube, ich muss dich behalten.“ Sagt er und grinst kauend zu mir rüber.

„Warum das?“ frage ich lachend in seine Richtung.

„Weil du richtig gut kochen kannst!“ sagt er und isst weiter. 3.Kompliment!

„Ich glaube nicht, das du mich hier so einfach halten kannst.“ Stichle ich ein wenig.

„Ah, da fällt mir schon was ein.“ Seine Augen glitzern und spiegeln das gelbe Licht der Lampen über uns weiter.

Wir essen, und essen, und essen, bis wirklich gar nichts mehr rein passt.

„Was ist hinter dem Vorhang?“ frage ich und deute auf einen großen, fast drei Meter langen und Decken hohen Vorhang.

„Warte, ich zeige es dir, komm mit.“ Antwortet er vielversprechend. Mit einem Zug an einer Kordel auf der rechten Seite verschwindet der Vorhang und vor mir taucht die gesamte Stadt, mit all ihren Lichtern und bunten Anzeigen auf. Es ist Atemberaubend. Das Fenster ist so groß, das man fürchtet mit dem nächsten Schritt auf die Straße hunderte von Meter tief zu fallen.

„Oh mein Gott, das ist wunderschön.“ Sage ich total begeistert und setzte mich im Schneidersitz davor.

Er setzt sich neben mich und sagt: „Ich sitze hier manchmal stundenlang nur herum und beobachte die Autos wie sie fahren, es beruhigt.“ Seine Stimme klingt angenehm und allgemein könnte die Situation gerade nicht schöner sein, na gut, abgesehen von meinem fehlenden Gedächtnis.

Die Lichter der Autos verschwimmen zu aufregenden bunten Streifen und durchziehen die schmalen Gänge zwischen den Häusern. Hier könnte ich für immer bleiben.

„Du hast es wunderschön hier.“ Sage ich beneidend und drehe mich zu ihm. Er fährt sich durch seine dunklen Haare und lächelt als er antwortet: „Ja, ich weiß.“ Als er mich ansieht spiegeln seine Augen nicht nur das Licht der Lampen, sondern das der erleuchtenden Stadt und sie strahlen so hell wie selten.

Wenn ich mich an ein was ganz sicher erinnern kann, dann daran das Menschen dazu neigen die Schönheit um sie als Selbstverständlich hinzunehmen und vergessen sich über die kleinen Dinge zu freuen. Ich habe das Gefühl, dass Ben nicht so ist, er weiß das was er hat zu schätzen und er weiß sehr genau das ihm mehr gegeben ist als den meisten Anderen.

Eine Weile sitzen wir nur da und sehen nach draußen. Es ist richtig still in dem Raum, doch es ist nicht unangenehm, irgendwie sogar schön. Wenn es richtig leise ist, hört man erst die wirklich wichtigen Dinge. Ich kann hören wie mein Herz schlägt, auch wie seins schlägt und wie er atmet. Würde ich jetzt auch nur den kleinen Zeh bewegen würde ich es hören. Es ist unglaublich wie laut solche leisen Geräusche werden können.

„Ich habe dich glaube ich noch nie gefragt wie es dir wirklich geht, ich meine immerhin musst komplett von vorn beginnen.“ Sagt er in die Stille hinein und sieht schüchtern zu mir rüber.

Ich lächle traurig und sage: „Es ist wahrscheinlich nicht ganz so schlimm wie du es dir vorstellst, aber ich würde es keinem Wünschen. Weißt es ist einfach…wie beschreibt man das? Es ist wie als würde es nichts und niemanden mehr für mich geben, wie als hätte die Welt meine Erinnerung verschluckt und ich bin losgeschickt wurden um sie wieder zu finden, doch haben sie vergessen mir eine Karte mit zu geben und irre ich hier herum.“ Versuche ich es ihm zu beschreiben, doch irgendwie ist es richtig schwer den Zustand zu beschreiben.

„Das klingt wie ein Abenteuer.“ Sagt er und lächelt mich an. So kann man es natürlich auch sehen.

„Ja, vielleicht.“ Ich habe das Gefühl das ein Leben nur aus Abenteuern besteht, Abenteuer die uns beweisen wer wir wirklich sind und uns helfen die Dinge zu tun die wir wirklich können. Wie gerne ich auch glauben würde, dass das nur ein weiteres Abenteuer ist, so tief sitzt doch der Gedanke das es viel mehr als das ist und ich hier nicht mehr lebend rauskomme.

„Naja, was machen wir Morgen?“ frage ich um vom Thema abzulenken.

„Wir gehen zu Cam. Der kann dir eventuell helfen etwas über dich heraus zu finden.“ Sagt er, sein Blick auf die Lichter der Stadt gerichtet.

„Was ist wenn ich gar nicht wissen will wer ich war oder bin?“ frage ich.

„Ich glaube nicht, dass du ein so schlechte Person warst wie du immer glaubst.“ Sagt er und seiht kurz zu mir rüber.

„Wie wäre es wenn wir erst einmal schlafen gehen?“ frage er und dreht sich so, dass er mich ansehen kann.

„Klingt gut.“ Sage ich und reibe mir plötzlich ermüdet über meine Augen.

Er steht auf und hält mir die Hand hin um mich hochzuziehen. Ich lasse mich hochziehen und stehe plötzlich direkt vor ihm, aber so richtig nah. So nah, dass ich jede seiner langen, feinen Wimpern zählen könnte. Er sieht mir in die Augen und beginnt zu lächeln, als er meine Hand loslässt und langsam losläuft. Was war das? Ein wenig verwirrt stehe ich immer noch so rum und sehe ihm beim Laufen zu, bis ich schnell hinterher renne.

Er läuft in ein Zimmer und schaltet das Licht an. Ein großes Bett, mit schwarzen Metallrahmen und weißer Bettwäsche steht an der rechten Wand und passt perfekt zu ordentlich weißen Kleiderschränken und einem riesigen Bücherregal.

„Also, ja, hier kannst du schlafen wenn du willst.“ Sagt er und fährt sich durch die Haare.

„Und wo schläfst du?“ frage ich verwirrt.

„Auf der Couch.“ Sagt er und lächelt.

„Nein! Lass mich auf der Couch schlafen, ich will dir nicht dein Bett wegnehmen.“ Sage ich aufgeregt.

„Ich diskutiere jetzt nicht mit dir darüber das du in diesem Bett schlafen wirst. Also schlaf gut.“ Sagt er und dreht sich lachend einfach zur Tür um.

„Man! Du auch.“ Rufe ich verärgert hinter her.

Müde und mit einem schlechten Gewissen, weil er auf der Couch schlafen muss, falle ich in das richtig bequeme Bett.

Es dauert auch nicht lange bis ich tief und fest im Schlaf versunken bin.

 

Am nächsten Morgen wache ich auf, weil es total lecker nach Pancakes riecht, und wenn es eins gibt was ich liebe, dann Pancakes zum Frühstück!

Ich ziehe mir nur einen weiten Pullover über meine Unterwäsche und laufe Barfuß in die Küche. Meine Füße hinterlassen lustige Geräusch auf dem Parkett und der leckere Geruch wird immer intensiver.

„guten Morgen.“ Sagt Ben freundlich, ohne von der Pfanne aufzusehen.

„Gibt es Pancakes?“ frage ich neugierig und schaue auf die Pfanne.

„genau.“ Sagt er und dreht sich um als er mich fragt: „Wie hast du geschlafen?“ seine Augen fallen für einen kurzen Moment auf meine unbekleideten Bein. Ich muss grinsen, das war vielleicht wirklich ein wenig gemein von mir.

„Super, ich fühle mich wie neugeboren.“ Sage ich optimistisch und greife das Zeugs was er schon bereit bestellt hat, um den Tisch zu decken.

„Wie hast du geschlafen?“ frage ich vorsichtig.

„Auch sehr gut. Ich schlafe ab und zu mal auf der Couch, zum Beispiel wenn ich Abends zu faul bin um ins Schlafzimmer zu laufen.“ Sagt er, wahrscheinlich damit ich nicht länger ein schlechtes Gewissen habe.

Ich setzte mich auf den gleichen Platz wie am Abend zuvor und sehe ihm dabei zu, wie er die Pancakes auf einen Teller stapelt und damit zum Tisch gelaufen kommt.

„Wie lange studierst du schon?“ frage ich und esse genussvoll die ersten Bisse.

„Vier Jahre.“ Antwortet er und sieht zu mir rüber.

„Bist du gut?“ frage ich einfach weiter nur damit er irgendwas erzählt, ich mag seine Stimme.

„Ich denke ja.“ Antwortet er ungenau, man es ist aber auch schwer mit ihm ordentlich zu reden.

Als ich fertig bin stehe ich auf, achte dabei darauf, das mein Pullover auch mein Po verdeckt und laufe zum großen Fenster um den Vorhang aufzuziehen. Ich kann seine Blicke auf mir spüren als ich vor dem Fenster stehe und in das wilde Morgen Getümmel auf den Straßen sehe.

„Es ist total faszinierend wie friedlich die Stadt in der Nacht liegt und wie hektisch und nervös es jetzt dort unten auf den Straßen vorgeht.“ Sage ich begeistert und drehe mich zu ihm um.

„Ja, Menschen sind komisch, oder? Machst du dich fertig, damit wir dann zu Cam können?“ fragt mich Ben und seine erste Frage war wahrscheinlich nur eine rhetorische.

„Ach, kann ich so etwa nicht gehen?“ frage ich ironisch und ziehe an meinem Pullover herum. Ben grinst und sagt: „Von mir aus gerne, aber du willst doch den armen Cam nicht gleich auf den ersten Blick durcheinander bringen.“ Entgegnet er mir ebenfalls ironisch. Ich grinse und verschwinde ins Bad, wo ich im Schnelldurchgang mich dusche und fertig mache.

Nach einer viertel Stunde bin ich fertig und stehe im Wohnzimmer, wo Ben vor dem Fernseher auf der Couch liegt.

„Fertig!“ rufe ich laut und er sieht lächelnd auf.

„Das war schnell.“ Sagt er und springt auf, um zur Tür zu laufen.

„Frauen sind nicht so langsam im Bad wie alle Welt immer behauptet.“ Versuche ich mein Geschlecht zu verteidigen.

„Da kennst du meine Schwester noch nicht.“ Sagt er und zieht eine Augenbraue nach oben.

„Nein, das stimmt.“ Bedaure ich und laufe mit ihm zum Fahrstuhl, welcher uns direkt zum Eingang bringt. Anscheinend können wir zu Cam laufen, das finde ich gut, ich will mich eh irgendwie bewegen.

Wir laufen näher an das UNI Gelände und biegen in den Hausflur eines typischen Studentengebäudes ab.

„Also nur zur Vorwarnung, Cam wohnt in der achten Etage und es gibt keinen Fahrstuhl.“ Sagt er und sieht zu mir.

„Und? Komm! Wer als erstes oben ist!“ schreie ich und sprinte los. Er lacht und kommt hinterher. Ich habe noch einen ordentlichen Vorsprung, doch nach der vierten Etage beginnen meine Füße ein wenig zu lahmen und er holt immer mehr auf.

„Na? Schon müde?“ ruft er von unten auf.

„Vergiss es!“ rufe ich zurück und lege noch einmal zu. In der Vorletzten Etage holt er ziemlich locker auf und läuft jetzt neben mir. Er hätte mich wahrscheinlich immer überholen können.

Ich gebe noch einmal alles, doch noch bevor ich die letzte Stufe erreiche heben meine Füße ab und Ben stellt mich neben sich ab und grinst als er sagt: „Erster!“

Wütend boxe ich ihm gegen die Schulter und sage: „Idiot! Ich wäre als erstes oben gewesen.“

Er sagt nichts, sondern lacht nur und klopft an einer Holztür. Ich bin noch immer etwas außer Atem, doch vergessen das atmen doch fast komplett als uns Cam zu sich reinlässt. Ich meine, klar es gibt Leute die stehen total auf Starwars und so, da habe ich auch nichts dagegen, aber man kann es auch übertreiben. Das erste was mich anlächelt als ich zur Tür reinkomme ist eine Lebensgroße Yoda-Figur. Überall in der Wohnung hängen Plakate, Filmzitate und allgemein stehen überall, wirklich überall diese Figuren um, würde mich nicht wundern wenn die auch auf der Toilette stehen.

Cam selber ist ein junger Mann mit eckiger Brille und eine, karierten Hemd sowie einer eher geringen Körpergröße.

„Also Cam, das ist Troja, also zumindest heißt sie jetzt so.“ stellt mich Ben vor und ich schüttle Cam höflich die Hand. „So jemand könnte mir auch mal mitten in der Nacht zugelaufen kommen.“ Sagt Cam ironisch mit einer komischen Stimme. Ich lache und sage: „Glaub mir, das willst du nicht, ich bringe mehr ärger mit als du vertragen kannst.“

„Ich mag sie.“ Sagt Cam zu Ben und deutet auf mich. Ben lacht und fährt sich durch die Haare, ohne eine Antwort zu geben.

Cam führt uns in einen Raum, den man eher nicht wahrnimmt und als wir den betreten bin ich erst einmal richtig froh, dass dort keine Figuren oder Poster herum hängen. Dann fällt mir auf warum. Der ganze Raum ist ausgestattet mit mehreren Computerbildschirmen, Tablets und allgemein soviel Technikzeug, das gar kein Platz mehr für Starwars wäre.

Nicht schlecht, das ist ein Zimmer wie es sich jeder Hobby-Gamer nur wünschen könnte.

„Okay, also willkommen in meinem Reich. Wir werden erst einmal durch die Polizeikartei scrollen, das Problem wird nur sein, dass du wahrscheinlich noch keine Kartei dort hast.“ Naja, hoffen wir es mal.

„Geht klar.“ Sage ich optimistisch und sehe zu Ben. Er sieht auf die Bildschirme, welche zum größten Teil seine Wohnung überwachen.

„Am besten du setzt dich einfach neben mich und ich Filter die Kartei und falls du dich sehen solltest-dann schrei einfach laut.“ Sagt er und deutet auf einen Stuhl neben sich.

Ben stellt sich hinter mich, stützt sich auf die Lehne meines Stuhls und schaut mir über die Schulter.

„Okay, erst einmal Basic Fragen: Haarfarbe?“ fragt er und öffnet eine seltsame Datei.

„Blond.“ Antworte ich kurz und beobachte ihn interessiert. Wie kommt er eigentlich in die Polizeiakten rein?

„Körpergröße?“ fragt er weiter.

„Ein Meter und einundsiebzig.“ Antworte ich, lustiges Spiel.

„Augenfarbe?“ fragt er als letztes und klickt wild herum.

„Grün.“ Antwortet Ben noch bevor ich überhaupt antworten kann. Ich muss grinsen und sage: „Ja, grün.“

Cam füllt das letzte Feld aus und neben mir geht ein Drucker an, gleichzeitig öffnen sich tausend Dateien auf seinem Monitor.

Ben holt, was auch immer aus dem Druck kam und reicht es mir.

„Dein neuer Personalausweis.“ Bemerkt er uns sieht sich im Raum um.

Oh, ja Personalausweis ist natürlich ganz sinnvoll.

„Sag Cam, was blinkt dort eigentlich die ganze Zeit?“ fragt Ben und deutet auf einen der hinteren Monitore.

„Ach, das ist bloß mein GPS-Finder.“ Sagt er und zuckt kurz darauf zusammen um zum Computer zu rennen. Erschrocken springe ich auf und sehe zu ihm.

„Ihr habt nicht zufällig ein Handy mit GPS-Signal hier, oder?“ fragt er und klickt wild herum.

„Nein, Troja hat keins und bei meinem ist das GPS ausgeschaltet.“ Antwortet Ben und sieht verwundert zu Ben.

„Was ist so komisch an dem Signal?“ frage ich, da es ja eigentlich nichts zu bedeuten hat.

„Das es erst da sein muss, seit ihr hier seit.“ Sagt er nachdenklich.

„Ich lasse es orten.“ Fügt er hinzu und startet etwas auf seinem Computer was sich lustig dreht.

Nach kurzer Zeit blinkt es und ein Bild, was ich nicht genau erkennen kann, taucht auf dem Bildschirm auf.

„Es kommt von Troja, besser noch von ihrem rechten Handgelenk.“ Sagt misstrauisch und dreht sich zu mir um. Was?

„Was?“ wiederholt Ben meine Gedanken.

„ja, irgendetwas kann von dort aus Signale senden.“ Erklärt Cam und sieht mich an.

„Heißt das in meinem Handgelenk ist eine Art Peilsender?“ frage ich nun vollends verwirrt.

„Ja, da wollte dich jemand nicht verlieren.“ Sagt er und geht an einen dritten Computer.

„Darf ich mal sehen?“ fragt mich Ben und ich gebe ihm mein Handgelenk. Er drückt vorsichtig ein wenig darauf herum und sieht es sich noch einmal genau an.

„Also knapp unter dem Handgelenk ist irgendein Objekt zu spüren. Was machen wir jetzt?“ fragt Ben Cam.

„Naja, wir könnten es rausschneiden.“ Schlägt Cam trocken vor. Nein! Nein, niemand schneidet an mir herum.

„Bist du verrückt? Da läuft eine Hauptschlagader lang.“ Sagt Ben aufgebracht. Zum Glück.

„Oder“ sagt Cam gedehnt „Ich deaktiviere es über den Computer.“ Super Vorschlag! „können wir herausfinden woher der Sender kommt?“ frage ich vorsichtig.

„Nein, dann müssten wir die erste Variante durchführen. Es ist eh total untypisch Menschen mit einem Peilsender auszustatten, bei Hunden macht man das Mittlerweile, aber bei Menschen habe ich das noch nie gehört.“ Na super, hoffentlich war ich nie das Haustier von irgendwem.

„Ich überlege die ganze Zeit wie sie es in deinen Arm bekommen haben, weil es ist nirgendwo ein einschnitt oder irgendwas, aber das Ding ist zu groß um es zu spritzen.“ Gibt Ben zu denken.

Oh, bloß gut kann ich mich daran nicht erinnern.

„So! Deaktiviert, wer auch immer dich finden will hat jetzt echt schlechte Karten.“ Verkündet Cam triumphierend. Ein Problem weniger.

„Ihr müsst jetzt auch nicht die ganze Zeit hier herum sitzen, ich rufe dich einfach an wenn ich was habe.“ Sagt Cam zu Ben, ohne vom Bildschirm aufzusehen.

„Klingt super.“ Antwortet Ben und läuft schon zur Tür.

„Danke!“ rufe ich Cam zu und laufe Ben hinterher durch die Starwars Wohnung in das trübe Treppenhaus.

Wir laufen zurück zu seiner Wohnung und ich frage unterdessen: „Ich verstehe nicht wer mich so unbedingt finden will und meinst du es waren die Typen von Vorgestern?“ frage ich Ben, als wir bereits im Fahrstuhl sind.

„Kann gut sein, aber das ganze kommt mir ziemlich komisch vor.“ Gibt er zu und läuft mit mir zur Wohnungstür.

Er bleibt davor stehen und schiebt sie sehr vorsichtig auf. Irgendwie war die Tür nicht verschlossen, nur angelehnt.

Er bedeutet mir ruhig zu sein und schiebt mich hektisch zurück in Richtung Fahrstuhl.

„Renn!“ flüstert er mir zu. Schnell laufe ich zum Fahrstuhl, gefolgt von Ben. Er drückt den Knopf zur Tiefgarage und konzentriert starrt er auf die Wohnungstür. Die Tür schließt sich gerade langsam, als ein Mann in schwarzen Anzug seine Waffe zieht und auf den Fahrstuhl, auf uns zu gerannt kommt.

Ben drückt immer wieder den Tür schließen Knopf und ein Schuss trifft auf die geschlossene Tür, das eklige Geräusch von Metall auf Metall schallt in meinen Ohren.

„Okay, hör zu, unten in der Tiefgarage werden noch mehr Leute sein, aber wir müssen bis zum Auto kommen, also renn einfach los wenn die Tür aufgeht.“ Leitet er mich schnell an, da wir gleich da sind. Ich nicke schnell und realisiere gar nicht wirklich was passiert als ich aus dem Fahrstuhl heraus hinter Ben herrenne. Weit kommen wir nicht. Ben bleibt abrupt stehen und starrt finster auf einen weiteren Mann ins schwarz, direkt vor uns, seine Waffe auf uns gerichtet.

Ben schiebt mich hinter sich, so das ich kaum was sehen kann.

„Gib sie uns, dann hast du wieder Ruhe und ich muss nicht unnötig Leute erschießen.“ Droht der Mann. In Ben ist alles angespannt, an seinen Oberarmen scheinen Adern durch und seine Stimme klingt angestrengt als er sagt: „Nein, sicherlich nicht. Ich weiß zwar nicht wer ihr seit, aber wenn ihr sie Erlaubnis habt auf sie zu schießen, werdet ihr sie eh bloß umbringen. Überhaupt, wer seid ihr?“ fragt Ben mit nicht wenig bedrohlicher Stimme.

Ich kreische hysterisch auf, als mich zwei Arme von hinten schmerzhaft an meinen Oberarmen greifen. Ben dreht sich schlagartig um und wendet sich im richtigen Augenblick wieder nach vorne um den schwarzen Mann die Waffe aus der Hand zu schlagen.

Panisch versuche ich mich los zu reisen, doch wer auch immer mich festhält macht es gut und seine Nägel bohren sich nur immer tiefer in meine Haut. Verdammt, wie komme ich hier weg?

Mit aller Kraft die ich aufwenden kann trete ich ihm auf seinen Fuß. Ich muss zugeben, andere Körperstellen wären sicherlich effektiver gewesen aber immerhin lässt er mich für einen Moment los und ich schaffe es mich ihm gegenüber zu stellen.

Mein Körper zittert vor Anspannung und ich kann meinen Gegner absolut nicht einschätzen, seine Brille ist so dunkel, das man seine Augen nicht einmal erahnen kann.

Bevor ich mich irgendwo hin bewegen kann holt er aus und schlägt mir direkt in den Magen.

Ich schnappe nach Luft. Das tut weh. Für einen Moment ist mir schwindelig, der Schmerz betäubt meine Sinne. Aber was der kann, kann ich auch. Ich hole zum Schlag aus und treffe ihn direkt zwischen die Rippen. Wow, ich wusste gar nicht das ich das kann.

Ohne zu warten trete ich ihm noch einmal in die Seite.

„Biest“!“ faucht er und hält sich seine rechte Seite. Selbst Schuld. Womit ich jedoch nicht gerechnet habe, ist dass er aggressiver wird und mir meine Bein wegschlägt so das ich hilflos auf meiner linken Schulter lande. Schmerz durch zieht meinen ganzen linken Arm und ich rolle mich fluchend auf die Seite.

Gerade als ich mich aufrichten will tritt er mir erneut in den Magen.

Feigling, den Gegner zu treten wenn er bereits auf dem Boden liegt ist das aller Letzte.

Stöhnend falle ich wieder auf meine linke Seite und sage zur meine Zähne hindurch: „Du bist wohl zu blöd eine Waffe zu führen, oder darfst du keine mit dir führen weil du eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellst?“

Damit hat er nicht gerechnet und seine Gesichtszüge verlieren für einen Moment an Spannung, bevor er doppelt so wütend wie zuvor seine Waffe aus der Tasche zieht. Zur Hölle noch mal, der Idiot hat auch noch eine dabei. Doch eher er sie überhaupt noch auf mich richten kann kommt Ben von der Seite auf ihn zugestürzt und reißt ihn zu Boden.

Ich kann nichts sehen, aber als ich nichts mehr höre, weiß ich einer von beiden muss gewonnen haben.

Ich versuche mich aufzusetzen um nach Ben Ausschau zu halten. Oh Gott, mein Bauch. Das tut richtig schlimm weh.

„Warte ich helfe dir.“ Sagt Ben und kommt auf mich zugerannt. Gott sei Dank! Ben!

Er weiß gar nicht wirklich wo er mich anfassen weil ich irgendwie überall zusammenzucke wenn er mich anfassen will.

Schließlich legt er einen Arm stützend um meine Hüfte und lenkt mich auf den Beifahrersitz. Stöhnend lasse ich mich reinfallen und atme tief durch. Ben scheint nirgendwo verletzt zu sein. Zum Glück.

Ben taucht auf der Fahrerseite auf und sieht mich besorgt an.

„Okay, wir müssen erst einmal hier wegfahren, die werden wieder aufwachen und dann müssen wir weg sein. Ich beeil mich und dann kann ich mich um die kümmern, versprochen.“ Sagt er und startet den Motor.

„Mir geht es scheiße.“ Bringe ich hervor und bei jedem Atemzug schmerzt mein Bauch.

„Solche Idioten, ich hätte sie umbringen sollen.“ Sagt er sauer und rast aus der Tiefgarage.

An meinen Oberarmen läuft Blut runter, der Typ hatte verdammt spitze Nägel.

Wir biegen auf eine vielbefahrene Straße ab und Ben schlängelt sich in einem wahnsinnigen Tempo durch die Autos hindurch.

Vorsichtig greift er nach meiner Hand, verschränkt sie mit seiner und küsst sie auf dem Handrücken.

Das bringt mich zum Lächeln und es ist schön, das Gefühl das er meine Hand hält entspannt mich und lässt mein Herz sogleich auch schneller schlagen. Mit einer Hand steuert er das Auto durch den Verkehr und langsam wird die Straße leerer. Ich muss lächeln und sehe zu ihm rüber. Konzentriert sieht er auf die Fahrbahn.

„Wohin fahren wir?“ frage ich und sehe zu ihm.

„Keine Ahnung, irgendwohin, hauptsache weg.“ Sagt er, seine Kiefermuskeln scheinen verkrampft.

„Was ist los? Du siehst ein wenig…verkrampft aus?“ frage ich vorsichtig um ihn nicht zu verärgern. Man, mein Bauch und meine Schulter tun richtig weh.

„Die hätten dich umbringen können.“ Sagt er bitter und sieht kurz zu mir rüber.

„Dich genauso.“ Argumentiere ich und sehe ihn unverständlich an.

„Nein, da haben sie es ein bisschen schwerer.“ Sagt er und ihm scheint wieder etwas einzufallen denn kurz darauf fragt er: „Wie hast du den Typen eigentlich so wütend bekommen?“

Ich muss grinsen.

„Naja ich habe ihn gefragt ob er zu blöd ist mit einer Waffe rumzulaufen und darum keine Besitzt. Ich war mir wirklich sicher das er keine besitzt, na gut, wieder was dazu gelernt. Jedenfalls wissen wir jetzt, dass die mich nicht umbringen dürfen.“ Sage ich und grinse immer noch.

Ben sieht zu mir rüber und lächelt kopfschüttelnd: „Du bist wirklich die verrückteste Frau die ich bis jetzt getroffen habe. Für normal müsstest du nicht mal reden können vor Schmerzen und du freust dich darüber das sie dich nicht erschießen dürfen.“ Ich muss schon wieder grinsen und antworte: „Wenn man in so einer blöden Situation wie ich steckt, lernt man alles wert zu schätzen, was einem am Leben hält.“ Sage ich.

Sein Lachen verschwindet und mir wird die Bedeutung meines Satzes bewusst.

Es klingt, wie als würde ich davon ausgehen in den nächsten drei Wochen zu sterben und alles was es in genau diesem Moment verhindert ist gut.

„Ich hatte Angst um dich.“ Sagt er leise und sieht mich mit seinen blauen Augen an.

„Ich würde dir ja gerne sagen das du das nicht brauchst, aber die werden sicherlich wieder kommen.“ Sage ich ehrlich, ich will ihm nichts erzählen, was es schöner macht.

„Ich weiß.“ Flüstert er und sieht wieder konzentriert auf die Fahrbahn.

Nach einer weile erreichen wir eine Stadt und er biegt in die Garage des ersten Hotels ab, welches am Straßenrand liegt. Es sieht sehr edel aus, also zumindest hat es Türsteher engagiert.

„Kannst du laufen?“ fragt er ernst, als der Motor aus ist.

„Ja, ich denke schon.“ Lüge ich, da ich mir nicht sicher bin.

„Nur, kannst du mir ein Pullover oder so borgen? Wenn ich so dort reinlaufen werden die denken du hast sonst was mit mir gemacht.“ Sage ich ein wenig ironisch, als ich meine Oberarme betrachte.

Auf jedem Oberarm sind genau vier tiefe Kratzspuren an denen ein streifen getrocknetes Blut meinen Oberarm durchzieht.

„Oh ja, na klar.“ Sagt er und zieht sich sein Pullover aus. Schnell ziehe ich ihn drüber und Ben hilft mir beim Aussteigen. Okay, das tut weh, das tut verdammt weh. Als ich auf den Beinen stehe atme ich tief durch.

„Geht es?“ fragt er nah an meinem Ohr.

„Ja, ich schaff das.“ Antworte ich und wir laufen los. Er hat seinen Arm stützend um meine Hüfte gelegt und wir laufen zum Fahrstuhl um kurz danach in der Lobby zu stehen. Der Tag geht schon wieder zu ende, die Sonne verschwindet.

Ich nehme nicht sonderlich viel war, weil ich mich darauf konzentriere auf den Beinen zu bleiben. Ziemlich schnell jedenfalls hat Ben eine Zimmerkarte und wir sind wieder im Fahrstuhl. Ich lehne mich gegen die Wand und atme tief durch.

„Alles klar?“ versichert er sich.

„Ja, tut bloß ganz schön weh.“ Gebe ich zu und starre auf die Tür.

„Kein Wunder.“ Sagt er und legt wieder seinen Arm um meine Hüfte als wir durch den Flur zum Zimmer laufen. Er schließt mit einer Hand auf und lotst mich mit der anderen ein. Ein großes Appartement in warmen beige Tönen erscheint vor uns und ohne lange zu suchen öffnet er eine Zimmertür und lenkt mich zum Bett. Erleichtert lasse ich mich darauf fallen, streife meine Schuhe ab und schließe kurz die Augen.

„Ich sehe mir das am Besten mal an.“ Sagt Ben und zieht aus einer kleinen Reistasche einen mini Arzttasche.

„Schleppst du das immer mit dir rum?“ frage ich muss lachen.

„Mein Mom besteht darauf und jetzt hat es sogar einmal einen Sinn.“ Sagt er und muss ebenfalls lachen.

„Kannst du vielleicht dein Shirt mal ausziehen-also wenn es dich nicht stört.“ Fragt er ein wenig vorsichtig.

Ich tue was er sagt und lege mich dann wieder auf den Rücken zurück.

„Das sieht nicht gut aus.“ Sagt er und fährt vorsichtig über meine Bauchdecke.

Sehr ermutigend.

„Sag mal, willst du vielleicht Schmerztabletten oder so haben?“ fragt er, als er meinen Bauch betrachtet.

„Eigentlich war mein Plan mich zu betrinken, aber deine Idee scheint effektiver.“ Sage ich sarkastisch und schlucke drei von irgendwelchen Schmerztabletten, na hoffentlich wirken die auch.

Also auch wenn ich das hier alles wahrscheinlich ziemlich cool überspiele, kann ich wirklich schwer beschreiben was ich für Schmerzen habe, also das ist keines Falls so witzig wie es scheint.

„Ehm ja, das was ich mache kann wahrscheinlich ziemlich weh tun. Ich würde gern erst einmal fühlen ob innen irgendwas verletzt ist.“ Sagt er wissenschaftlich und sieht mich an.

„Klar, mach nur.“ Sage ich und weiß nicht auf was ich mich dort einlasse.

Er sieht mich noch einmal kurz prüfend an und legt dann seine warmen Hände auf meinen Bauch. Kurz und unter meinen Rippen drückt er auf beiden Seiten mit seinen Daumen rein und ich zucke zusammen, weil es dort einfach mal richtig böse weh tut. „Tut mir leid. Geht es?“ fragt er ein wenig besorgt und sieht zu mir. Krampfhaft umklammere ich die Bettdecke und sage durch zusammengebissene Zähne: „Ja, alles gut. Und so kannst du wirklich fühlen ob was nicht stimmt?“ versuche ich ihn in ein Gespräch zu verwickeln, um mich von den Schmerzen abzulenken.

Gezielt tastet er weitere Stellen ab und antwortet: „Also nicht hundertprozentig, dafür müsste man röntgen, aber ich kann immerhin feststellen ob irgendetwas gebrochen ist, was zum Glück nicht der Fall ist.“ Sagt er lächelnd und sucht in seiner Tasche nach etwas. Immerhin nichts gebrochen.

Er schmiert irgendein Zeugs darauf was voll angenehm kühlt und sagt dann: „Soll ich das an deinen Armen vielleicht noch desinfizieren?“ fragt er und deutet auf meine Arme. Die hätte ich bald vergessen.

„Jap.“ Antworte ich und setzte mich etwas müde auf.

Er greift meine Oberarme und desinfiziert die Kratzer schnell mit irgendeiner Flüssigkeit. Langsam wirken auch die Schmerztabletten und es fühlt sich super an die Schmerzen nicht mehr so stark zu spüren.

Als er fertig ist fragt er: „Soll ich noch was zu essen bestellen?“ Ich lächle dankend und sage: „Für mich nicht ich will nur noch schlafen.“

„Okay, brauchst du sonst noch irgendwas?“ fragt er und sieht mich durch seine blauen Augen an.

„Nein danke.“ Antworte ich und stehe auf um seinen Pullover zu suchen.

„Gut, ich gehe mal schnell telefonieren, okay?“ fragt er und sieht mich an.

„Geht klar.“ Antworte ich und sehe ihn aus dem Zimmer laufen. Ich ziehe seinen Pullover über und meine Hose aus, dann schalte ich das Licht aus und krabble unter die Decke. Der Raum ist dunkel und irgendwie fühlt es sich komisch an hier zu schlafen, irgendwie fremd.

Ich kann nur ganz leise den Klang von Ben seiner Stimme irgendwo im Appartement hören, doch kann ich nicht ein Wort verstehen. Der Raum ist so dunkel, dass ich nicht einmal die Tür sehe.

Nach einer Weile öffnet sich dir Tür und Ben schaut kurz rein. Gerade als er gehen will schlage ich die Augen auf und frage flüsternd: „Ben?“ er kommt wieder ein Stück weiter ins Zimmer.

„Habe ich dich geweckt?“ fragt er leise.

„Nein, aber kannst du hier schlafen?“ frage ich vorsichtig. Irgendwie fühle ich mich ziemlich alleine.

„Na klar.“ Antwortet er und auch wenn ich ihn nicht sehe höre ich ein Lächeln aus seiner Stimme.

Er schließt die Tür und zieht wahrscheinlich seiner Jeans oder so aus, bevor er sich auf die andere Seite des Bettes legt.

Ich drehe mich zu ihm und sehe ihn an.

„Können wir wegen sowas wie heute nicht eigentlich zur Polizei?“ frage ich leise und sehe ihn durch die Dunkelheit an.

„Das waren Leute von der Polizei, also zumindest vom Geheimdienst. Die Polizei würde uns direkt dorthin weiterleiten.“ Sagt er bedauernd und sieht mir in die Augen.

„Woher kannst du das mit dem … kämpfen…oder wie auch immer eigentlich so gut?“ stelle ich eine nächste Frage.

„mein Dad hat es mir jahrelang beigebracht.“ Antwortet er.

„Du solltest schlafen, du bist müde.“ Flüstert er und streicht mir eine Strähne aus dem Gesicht, wobei er über meine Wange streichelt. Ich mag seine Berührungen.

Ich nicke und schließe meine Augen, ich bin wirklich müde.

Er küsst mich auf die Stirn und ich schlafe einfach ein, nur viel ich mich tausendmal sicherer nur weil er neben mir liegt.

 

Am nächsten Morgen liegt Ben nicht mehr neben mir und ich bin erstaunt wie einfach ich aufstehen kann und wie wenig alles rund um meinen Bauch noch weht tut. Mein Schulter macht mir zwar noch ganz schön zu schaffen, aber immerhin kann ich wieder laufen. Meine neu gewonnen Freiheit nutze ich direkt um unter die Dusche zu laufen und alles vom letzten Tag abzuspülen.

Ich zwinge mich, nicht in einen Spiegel zu sehen, weil ich hundertpro schlimm aussehe und laufe dann mit nassen Haaren in die Küche des Appartements um nach Ben zu suchen, doch dort ist er nicht.

„Ben?“ rufe ich verwundert und in dem Moment schwingt die Tür auf und Ben kommt herein.

„Ja?“ fragt er und lächelt als er mich sieht.

„Ich hab mich bloß gewundert wo du bist.“ Sage ich und setze mich auf einen der Stühle die dort herum stehen.

„ich habe und Frühstück besorgt und dir gleich noch neue Kleidung.“ Erklärt er und stellt ein paar Tüten ab.

Ich stehe auf und laufe in die Küche vor, er kommt hinterher mit seinen Tüten.

„Wie geht es dir?“ fragt er, während er etliche Lebensmittel auspackt und sie verstaut.

„Viel besser, immerhin kann ich schon wieder ordentlich laufen.“ Sage ich stolz und schnappe die Brötchen und Geschirr um es auf den Tisch zu stellen.

„Das klingt doch mal positiv!“ sagt er optimistisch und wir setzen uns an den Tisch um etwas zu frühstücken.

„Was werden wir jetzt machen?“ frage ich, weil ich mal wieder nicht weiß wie es weiter geht.

„Heute Abend fahren wir weiter zu meiner Schwester, ich habe schon mit ihr telefoniert und dort können wir vielleicht erst einmal länger bleiben, es ist relativ weit weg.“ Sagt er und trinkt einen Schluck Kaffee.

„Ich weiß nicht ob das so gut ist.“ Gebe ich zu bezweifeln und sehe ihn an.

„Hier können wir nicht bleiben.“ Entgegnet er und sieht mir in die Augen.

„Aber ich habe dich schon hier mit rein gezogen, ich will nicht das ich deine Schwester noch mit reinziehe.“ Sage ich aufgebracht.

„Die werden uns dort nicht so schnell finden.“ Sagt er in einem beruhigenden Tonfall.

„Nicht so schnell? Man Ben, willst du dein ganzes Leben lang mit mir vor diesen Typen wegrennen? Das ist doch kein Zustand.“ Sage ich wütend und stehe auf, weil ich nicht mehr sitzen will.

Er steht ebenfalls auf.

„Ich bin eine verdammte Gefahr für dich und deine Familie. Ich sollte mich ihnen einfach stellen, sie wissen sicherlich was mit mir passiert ist.“ Sage ich und fahre mir nervös durch die Haare. Ben kommt auf mich zu und greift meine Hände bevor er sagt: „Troja, wer auch immer diese Leute sind, sind nicht gekommen um die bei der Suche nach deinem verlorenen Gedächtnis zu helfen. Mir scheint es, als ob sie etwas von dir wollen, etwas woran du dich nicht mehr erinnern kannst und somit quasi tot wärst wenn du zu ihnen gehst.“ Erklärt er mir und sieht mir fest in die Augen, das blaue in seinen schimmert unglaublich hell.

„Ich würde mich lieber töten lassen, als noch mehr Leben in Gefahr zu bringen.“ Sage ich und funkle ihn an, weil er das glaube ich nicht so richtig versteht.

„Verdammt nochmal Troja! Ich kann dich nicht verlieren, ich kann dich nicht mehr gehen lassen und ich will auch nicht, selbst wenn ich vielleicht könnte. Ich kann den Gedanken nicht ertragen dich nicht mehr zu sehen. Du kannst dir nicht vorstellen was ich gestern für eine Angst um dich hatte. Du bist soviel mehr für mich geworden als du es dir wahrscheinlich vorstellen kannst und ich kann und werde dich nicht gehen lassen.“ Sagt und kommt mir ein wenig näher. Was war denn das? War das irgendein Geständnis, fühlt er etwas für mich?

Ich sehe vorsichtig in seine Augen und er sieht mich mit so einer Intensität an, das mir Schauer über den Rücken laufen. Irgendwie schaltet sich mein Gehirn gerade komplett aus und mein Blick fällt auf seine Lippen. Sie sind wunderschön geschwungen und gerade als ich mich frage wie sie wohl schmecken, beugt er sich zu mir runter und legt ganz vorsichtig seine Lippen auf meine.

In meinem Bauch startet gerade ein Feuerwerk und mein Herz rast in meiner Brust so schnell, das ich denke es könnte zerspringen. Für einen Moment bin ich sogar erschrocken, doch dann lege ich meine Arme um seinen Hals und erwidere seinen Kuss. Seine Lippen schmecken ein wenig nach Kaffee, doch noch nach irgendetwas anderen was ich nicht definieren kann aber definitiv mehr als nur mag.

Ich glaube er weiß nicht wo er seine Hände hinlegen soll, aus Angst mir wehzutun.

Schließlich legt er eine Hand an meine Wange und seine andere auf meinen Unterrücken. Sein Kuss wird intensiver und er drückt mich näher an sich. Selbst wenn mir jetzt etwas wehtun würde, würde ich es nicht spüren, da mein Herz so damit beschäftig ist mit dem Schlagen hinter her zu kommen, das der Rest meines Körpers wie betäubt ist.

Schließlich löst er seine Lippen von meinen und ich würde ihn am liebsten einfach nur wieder küssen.

Er streicht mir lächelnd eine Strähne hinter meine Ohr und fährt mit seinem Daumen über meine Wange.

„Das scheinst du nicht vergessen zu haben.“ Sagt er bezüglich des Kusses.

„Nein, aber ich wusste auch nicht mehr, dass es so schön ist.“ Antworte ich und muss grinsen. Er hat mich wirklich geküsst!

Er hebt meine Kinn an und küsst mich wieder. Wieder könnte ich ihn einfach nur festhalten, dazu zwingen das es ewig dauert, dass es nie endet. Seine Lippen fühlen sich so gut auf meinen an und seine Hände streichen so vertraut durch mein Haar. Ich habe keine Ahnung wie er das mit seiner Zunge macht aber es fühlt sich auch einfach nur unfassbar an.

Er schiebt mich ein kleines Stück von sich weg, um mir besser in die Augen sehen zu können und sagt leise: „Du bist die aller schönste, lustigste und verrückteste Frau die mir je begegnet ist und ich kann nicht sagen was ich ohne dich noch machen sollte.“ Sagt er ehrlich und zum ersten Mal seit ich im Wald aufgewacht bin fühle ich mich richtig. Ich fühle mich richtig ich zu sein, ich fühle mich richtig hier zu sein und ich fühle mich richtig dabei mit ihm hier zu sein.

Ich lasse mich gegen ihn fallen und lege meinen Kopf an seine Brust. Er schließt seine Arme um mich und wir stehen für einen Moment einfach nur so da.

„Wollen wir noch zu Ende frühstücken?“ fragt er nach einer Weile in mein Haar rein. Ich muss schon wieder grinsen und sage leise: „Ja.“ Er lässt mich los und wir setzen uns zurück an den Tisch.

„Okay, also wie ist deine Schwester so?“ frage ich und esse ein Brötchen.

„ich glaube ihr würdet euch super verstehen, sie ist ungefähr genau so stur wie du.“ Sagt er und grinst mich gemein über den Tisch hinweg an.

„ey, ich bin gar nicht stur!“ sage ich übertrieben empört. Er steht auf, greift seinen Teller und flüstert im Vorbeigehen in mein Ohr: „Doch.“

Ich lache, schnappe mir ebenfalls meinen Teller und folge Ben in die Küche, er stellt meinen Teller in die Spülmaschine und räumt noch irgendwas in den Kühlschrank, während ich mich auf die Anrichte setze und ihn dabei beobachte.

„Wie lange fahren wir bis zu deiner Schwester?“ frage ich und spüre gerade wie sich meine Schulter bemerkbar macht. Ich fasse an meine Schulter und bewege das Gelenk ein wenig. Ben sieht mich und sagt: „Vier oder fünf Stunden. Ist alles in Ordnung mit deiner Schulter?“ fragt er und kommt wie automatisch auf mich zu um meine Schulter zu betrachten. „Ja, alles super, ist nur etwas blau und tut weh.“ Antworte ich.

„Wenn das schlimmer wird sagst du mir bescheid, okay?“ fragt er ernst.

„Ja, Herr Doktor.“ Antworte ich ironisch und springe von der Anrichte, sodass ich direkt vor ihm stehe. Er legt seine Arme um meine Taille und sieht mich einfach nur an.

„Solltest du dich nicht noch ein wenig ausruhen, wenn du heute in der Nacht fahren willst?“ frage ich und lege meine Hände auf seine Brust.

„Naja. Aber ich dachte eh wir bleiben im Hotel, ich will nicht riskieren das und irgendwer erkennt.“ Sagt er.

„Oh ja! Dann können wir einen Sinnlosen Film Tag machen.“ Sage ich erfreut.

„Einfach den ganzen Tag nur herum liegen und Film sehen, aber so richtig sinnlose.“ Erkläre ich und sehe ihn grinsend an.

„Von mir aus.“ Sagt er und drückt mich vorsichtig gegen die Küchenanrichte um mich zu küssen.

Ich breche den Kuss schnell ab um ihn zu ärgern und sage: „Ich geh mich umziehen.“ Als ich durch seine Arme hindurch schlüpfe. Ich kann ihn lächeln sehen und laufe ins Schlafzimmer um mir etwas von den Sachen anzuziehen die Ben mitgebracht hat. Er hat zum Glück an eine Jogginghose gedacht und erstaunlicherweise passen die Sachen auch voll gut.

Meine Haare binde ich locker zusammen und gehe dann wieder in das Wohnzimmer wo ich schon den Fernseher hören kann.

Ben liegt auf dem Sofa und zappt durch das Programm. Als er mich hört sieht er zu mir und lächelt.

Als ich an ihm vorbei gehen will, auf die andere Seite des Sofas, hält er meine Beine fest und zieht mich auf sich. Erschrocken lachend lande ich auf ihm und sehe ihn an.

„Die Hose steht dir gut.“ Sagt er und legt seine Hände auf meinen Rücken.

„Ah, ich glaube nicht das Jogginghosen so attraktiv sind.“ Entgegne ich und sehe ihn an.

In meinem Bauch ist schon wieder totales Schmetterlingschaos.

„du siehst immer attraktiv aus.“ Antwortet er und er mein es auch, seine Augen verraten ihn.

„Du Schleimer.“ Sage ich lachend und fahre die Konturen seiner Muskeln durch sein Shirt hindurch nach.

Er küsst meinen Haaransatz und streichelt weiter über meinen Rücken. Ich sehe auf den Fernseher und wir sehen uns tatsächlich einen ziemlich sinnlosen Film an, aber ich mag es hier so auf ihm rumzuliegen und fern zu sehen.

Nach etlicher Zeit sagt Ben: „Ich muss mal aufstehen, ich muss nochmal mit meiner Schwester telefonieren, bescheid sagen wann wir kommen.“

Ermüdet vom rumliegen stehe ich auf damit er aufstehen kann. Kaum ist er weg lasse ich mich auf das Sofa fallen. Man, wäre ich nicht in so einer blöden Lage wäre das gerade alles voll perfekt. Aber naja, das Leben ist eben wie es ist…

Er geht ins Schlafzimmer zum telefonieren und ich schalte von einer langweiligen Tiersendung zu einem alten Schwarz-weiß Film. Er telefoniert nicht lange und kommt dann zurück. Vorsichtig legt er sich auf mich, bedacht meinen Bauch nicht zu belasten und lächelt. Ich lege meine Hände um seinen Hals und fahre durch seine Haar als ich frage: „Geht alles klar?“ er lächelt und sagt: „Jap. Sie freut sich schon auf uns.“ Antwortet er und küsst mich dann. Er ist echt ein super Küsser und wieder einmal verliere ich mich total. Seine Lippen sind wie Drogen für mich und ich will das er nie wieder aufhört wenn er anfängt. Ich ziehe ihn eng an mich heran und küsse ihn intensiver. Es scheint wie als würde er mich das Tempo bestimmen lassen, wahrscheinlich hat er irgendwie immer noch Angst mir weh zu tun. Ihn scheint es gar nicht großartig zu interessieren das er irgendwie sein Gewicht abstützen muss, jedenfalls küsst er nun meinen Hals bis hin zu meinem Schlüsselbein. Eine Gänsehaut zieht sich über meinen Körper, es sind nur kleine Berührungen, doch sie lösen einen ganzen Sprengsatz in mir aus. Schließlich kommt er wieder bei meinem Mund an. Dieses Mal wartet er nicht bis ich das Tempo bestimme, sondern er küsst mich einfach fordernder und ich mag es, ich liebe es. Es stört mich auf gar nicht das er jetzt direkt auf mir liegt und seine linke Hand meine Taille umgreift. Wenn mir irgendwas weh tut, dann spüre ich nichts. Er umgreift meine Taille fest und zieht mich noch enger an sich. Wie elektrisiert lege ich meine Beine um seine Hüfte.

Er stoppt und sieht mich an.

„Nicht aufhören!“ sage ich grinsend und küsse ihn wieder. Er küsst mich, aber nur kurz, dann hört er wieder auf. Verwundert sehe ich ihn an: „Wenn du so weiter machst habe ich mich nicht mehr lange unter Kontrolle.“ Sagt er und sieht mir in die Augen.

„Na und.“ Sage ich, da mir das gerade wirklich egal ist wie weit wir gehen.

„Nein, du bist eigentlich noch verletzt, ich will dir nicht weh tun.“ Sagt er und küsst mich auf die Wange. Bevor er sich hinter mich rollt und mich mit dem Rücken zu ihm zieht.

Man, das ist gemein.

„Bist du jetzt ernsthaft beleidigt?“ fragt er in mein Ohr von hinten.

„Ja! Ich zerbreche doch nicht.“ Sage ich und starre auf den Bildschirm.

Er zieht mich näher zu sich küsst mich auf die Wange und sagt: „Weiß ich doch. Es geht mir aber um mein Gewissen, ich hab mich dann bloß nicht mehr unter Kontrolle.“ Ich drehe mich so, dass ich ihn sehen kann. Er fährt mir durch die Haare und küsst mich kurz auf die Lippen. Lächelnd drehe ich mich zum Fernseher um. Er legt seinen Kopf in die Beuge zwischen meiner Schulter und meinem Hals und wir sehen uns beide den sinnlosen alten Film.

Ich glaube wir müssen beide irgendwann eingeschlafen sein, denn als ich wieder aufwache ist es dunkel draußen und es läuft eine Doku über die Lage in Syrien. Wollten wir nicht irgendwann am Abend losfahren?

Ich drehe mich um und sehe das Ben immer noch schläft. Er sieht voll schön aus wenn er schläft und am liebsten würde ich ihn schlafen lassen, er könnte die Ruhe gebrauchen, aber wir müssen los.

„Ben?“ flüstere ich und küsse ihn auf die Wang. Er wird sofort wach und sieht mich an. Unweigerlich muss ich grinsen, fahre mir über mein Gesicht und sage: „wir sind beide eingeschlafen.“

Er lacht und steht langsam auf. „ich werde mal Jane schreiben das wir später kommen.“ Sagt er und zieht mich mit sich hoch. Jane heißt also seine Schwester.

„Packst du schon mal deine wichtigsten Sachen zusammen?“ fragt er und tippt auf seinem Handy herum.

Welch Ironie, weil ich auch so viele Sachen habe. Naja immerhin umziehen kann ich mich ja.

Nach ein paar Minuten bin ich fertig und sehe wie Ben gerade den Kühlschrank plündert.

„Willst du auch noch was essen?“ fragt er und kaut irgendetwas.

„Nein, danke.“ Antworte ich und lehne mich in den Türrahmen.

„Wir haben übrigens ein Problem.“ Sagt Ben und schnappt sich eine Flasche Wasser. Erwartend sehe ich ihn an: „Cam hat deine Akte zwar nicht bei der Polizei oder irgendwo anders finden können, aber du wirst leider international gesucht.“ Das klingt ja gut.

„Klasse.“ Sage ich und werfe meine Amre hilflos in die Luft.

„Wir bekommen das schon hin. Erst einmal ziehst du dir am besten einen Kapuzenpulli an und wir versuchen aus dem Hotel zu kommen, wenn wir erst einmal im Auto sind, sollten wir kein Problem mehr haben, es sei denn wir kommen in eine Verkehrskontrolle.“ Sagt er. Ich seufze und sage: „Darf ich dein Pullover noch mal anziehen?“ frage ich und fahre mir müde über mein Gesicht.

„Klar, steht dir eh viel besser als mir.“ Antwortet er grinsend. Wie kann er nur so gut gelaunt sein?

„Bist du sonst soweit?“ fragt er.

„Ja, kann los gehen.“ Sage ich und laufe zur Tür. Ben kommt hinter mir her, greift meine Hand und trägt neben seiner Tasche auch noch mein Zeug.

In der Lobby versuche ich mich unauffällig im Hintergrund zu halten und setzte schon im Fahrstuhl die Kapuze auf. Gemeinsam fahren wir zum Auto, erste Problemzone: Überstanden.

Im Auto setzte ich mich recht entspannt hin und warte auf das beruhigende Geräusch des Mototrs.

„Wächst du mich rechtzeitig bevor wir ankommen?“ frage ich Ben und versuche es mir irgendwie bequem zu machen.

Er lächelt zu mir rüber: „Klar.“ Antwortet er.

Nach kurzer Zeit schlafe ich unter den monotonen Klängen des Motors und den leuchtenden Bänder der der Straßenlaternen ein.

 

„Troja, aufwachen.“ Flüstert jemand und ich spüre eine Hand auf meinem Gesicht. Nur langsam nehme ich alles um mich herum war und frage müde: „Wann sind wir da?“

„In fünf Minuten.“ Antwortet er lächelnd.

„Okay, was muss ich wissen über deine Schwester und so?“ frage ich und strecke mich gemütlich.

„Okay, meine Schwester heißt Jane, sie ist drei Jahre älter ist verheiratet und von Beruf Finanzmanagerin. Sie wohnt mir ihrem Mann ziemlich abseits von jeglicher Zivilisation in einem schönen Haus, aber das wirst du ja noch sehen.“ Sagt er und fährt auf eine unebene, kaputte Straße.

„Okay, jetzt sind wir gleich da.“ Sagt er und jetzt verstehe ich was er mit abseits der Zivilisation meint. Das Haus taucht mitten im dunklen Gras auf. Leider kann ich durch die Dunkelheit nur Umrisse erkennen.

„Da wären wir.“ Sagt er und kommt rum um mir Gentleman like die Tür zu öffnen. Im Haus brennen in der oberen Etage Lichter und als wir klingeln kann man aufgeregte Schritte hören und sofort geht unten das Licht an. Ich halte mich an Bens Arm fest und sehe auf die Tür.

Nach wenigen Sekunden öffnet eine schmale, hochgewachsene Frau mit dunklen Haaren die Tür und strahlt uns an.

„Bruderherz!“ sagt sie und fällt Ben um den Hals. Ben küsst sie kurz auf die Wange und geht dann weiter ins Haus um einen Mann mit blonden Haaren und von großer Gestalt .

„Du musst Troja sein.“ Sagt sie feststellend und zieht mich um eine herzliche Umarmung.

„Ich bin Jane und das ist Matthew, mein Mann.“ Sagt sie und stellt mich dem großen Blondhaarigen vor. „Nenn mich einfach nur Mat.“ Sagt er und umarmt mich ebenfalls.

„Habt ihr Hunger?“ fragt Jane hibbelig. Irgendwie wirkt sie ganz und gar nicht wie eine Finanzmanagerin.

„Ich sterbe fast vor Hunger!“ sage ich und laufe hinter Jane her.

„Das müsst ihr auch, sie hat für die halbe Armee Chinas gekocht.“ Sagt Mat und öffnet uns die Tür zu einem gemütlichen Esszimmer. Das Haus ist in einem sehr angenehmen Landhauststil gehalten mit vielen Holelementen und warmen gelb und orange Tönen, es gefällt mir wahnsinnig gut.

Sie hat echt total viel gekocht und es schmeckt himmlisch!

Während des Essens höre ich den Gesprächen Großteils nur zu und genieße das angenehme Stimmengewirr um mich herum. Mat und Ben haben sich bereit erklärt den Tisch abzuräumen und Jane läuft mit mir in ein Wohnzimmer wo wir uns auf die Couch setzten.

Sie bietet mir ein Glas Wein an, aber ich trinke kein Alkohol weil echt nicht mehr weiß wie viel ich vertrage.

„Und du kannst dich echt an so gut wie nichts erinnern?“ fragt sie mich und sieht mich interessiert an.

„Naja, an alles was nach meinem Abi war.“ Antworte ich und lege meine Haare nervös auf eine Schulter. Im Flur kann ich die Stimmen der Männer hören und Ben klingt entspannt, endlich.

„Das klingt schrecklich! Wie bist du zu Ben und meiner Mom gekommen?“ fragt sie weiter.

Ben setzt sich neben mich, legt seine Arme um mich, küsst mich auf die Wange und sagt zu Jane: „Muss das heute noch sein?“ da wären wir wieder: Ich zerbreche nicht.

„Ist in Ordnung Ben, warum soll sie das nicht wissen?“ stelle ich eine Gegenfrage.

„Musst du wissen.“ Antwortet er.

„Ich bin mitten im Wald aufgewacht und solange herum geirrt bis ich eine Straße gefunden hab, der bin ich dann gefolgt und habe am ersten haus, was ich gesehen habe, geklingelt, um nach einer Bushaltestelle zu fragen, als ich bemerkt habe, das ich weder weiß wie ich heiß noch wo ich wohne.“ Sage ich und sehe auf meine Socken.

„Ach du Heiliger!“ sagt Jane und hält sich eine Hand vor den Mund.

„Und wie geht es dir jetzt?“ fragt sie ehrlich interessiert. Ich sehe kurz zu Ben, muss lächeln und sage dann: „Besser. Also man gewöhnt sich daran nicht mehr viel zu wissen, aber schön ist es natürlich nicht.“ Mein Lächeln wird ein wenig traurig und irgendwie bin ich müde. Ich lasse mich gegen Ben fallen und Ben fragt: „Kannst du uns vielleicht zeigen in welchem Zimmer wir schlafen?“ fragt Ben freundlich seine Schwester. Jane springt auf und sagt motiviert: „Na klar. Auf geht’s.“

Wir laufen ihr in das dritte und letzte Stockwerk hinterher und sie führt und in ein geräumiges Zimmer mit einem großen Bett und vier schrägen Dachfenstern.

„Ja, also ich habe jetzt bloß ein Zimmer vorbereitet, aber ihr werdet doch miteinander auskommen, oder?“ fragt Jane und grinst Ben an.

„Ich glaube das bekommen wir schon hin.“ Sagt Ben ebenfalls grinsend.

„Also rechts geht es ins Bad, ja und Frühstück gibt es wenn ihr wach seid.“ Fasst sie kurz das wichtigste zusammen.

„Achja und macht nicht so laut in der Nacht.“ Sagt sie wissend grinsen und zwinkert Ben zu. Ich muss lachen und Ben schüttelt ebenfalls lachend den Kopf.

Leise verschwindet sie aus dem Raum und schließt du Tür hinter sich.

„Ich mag deine Schwester.“ Sage ich und laufe Richtung Bad.

„Ja, ich glaube sie kann dich auch ganz gut leiden.“ Sagt er lächelnd. Ich schließe die Tür und erledige schnell alles Wichtige im Bad bevor ich wieder ins Schlafzimmer gehe. Ben geht auch noch schnell ins Bad und als er wieder kommt stehe ich gerade nur im BH herum auf der Suche nach einer Art Schlafshirt.

„Dein Bauch sieht aber schon viel besser aus.“ Sagt er erstaunt und kommt auf mich zu.

Gut, das kann man relativ sehen, er sieht immer noch ziemlich lila und blau aus, aber es fühlt sich eben schon viel besser an.

„Ja, aber es sieht so hässlich aus.“ Jammere ich und sehe an mir herab.

„Ach quatsch, überhaupt ist es eh bald verheilt und dann wird man nichts mehr sehen.“ Macht er mir Mut und zieht mich an der Hüfte zu sich.

„Hoffentlich. Kann ich ein Shirt von dir zum Schlafen haben?“ frage ich und lege meine Arme um seinen Hals.

„Mhm…von mir aus kannst du auch so schlafen.“ Sagt er und schielt auf meinen Körper.

„Ein anderes Mal sicherlich, aber ich finde meinen bauch noch zu hässlich.“ Sage ich.

Er gibt nach, es ist auch sinnlos mit einer frau über ein Schönheitsverständnis zu diskutieren.

„Ja, wenn du willst kannst du gleich das haben.“ Sagt er und zieht sich seins einfach über den Kopf.

„Perfekt.“ Sage ich und ziehe es über. Er hat wirklich einen super trainierten Körper mit allem drum und dran und ich sehe ihn mir gerne an.

Müde lasse ich mich ins Bett fallen. Blöde Idee. Schulter.

Ben knippst das Licht aus und lässt sich neben mich ins Bett fallen. Er beugt sich noch kurz über mich um mir einen Kuss auf die Wange zu geben und zieht mich dann in seine Arme.

Es dauert nicht lange bis ich schlafe, aber es fühlt sich wunderschön an in den Armen von Ben zu schlafen.

 

Ich wache von ganz alleine auf, ohne irgendeinen Einfluss und sehe zu Ben rüber. Für einen Moment beobachte ich ihn. Seine entspannten Gesichtszüge, seine geschlossenen Augen und das Heben und Senken wenn er Atmet.

Leise schleiche ich mich aus dem Bett, ziehe mir etwas an, verschwinde im Badezimmer und schließlich raus auf den Gang. Das Haus ist bei Tageslicht noch viel schöner und heller. Aus der Küche kommt Geschirr-Geklimper und als ich reinlaufe steht Jane gerade vor dem Kühlschrank und platziert ein paar Gläser Marmelade auf dem Tablett.

„Guten Morgen.“ Sage ich und lächle ihr zu.

Sie dreht sich um und singt beinahe überfröhlich: „Guten Morgen liebste Troja. Wie hast du geschlafen?“ ich muss lachen über ihren Singsang und antworte Wahrheitsgemäß: „Wie ein Stein.“

Jane lacht und drückt mir das Tablett in die Hand während sie selber einen Stapel Teller und Beteck nach draußen balanciert. Frühstück gibt es im Grünen-wort wörtlich. Ein großer Tisch und bequeme Gartenstühle stehen mitten in einem Meer au grünen Gras. Es ist einfach nur wunderschön, denn egal wo man hinsieht-es ist überall wunderschön grün und die Sonne lässt die Farbe erst so richtig leuchten.

Mat sitzt auf einem der Stühle und studiert eine Zeitung, während Jane schon einmal den Tisch deckt.

„Schläft Ben noch?“ fragt sie mich nebenbei.

„Ja, also zumindest hat er das als ich runter gekommen bin.“ Sage ich und setzte mich auf einen Stuhl.

„er hat lange Zeit nicht mehr so lang schlafen können.“ Bemerkt sie und lächelt vor sich hin. Jane ist mir sehr sympathisch, ihre dauerhaft gute Laune färbt komplett auf mich ab.

Sie gießt mir Kaffee ein und ich nehme meine Tasse, umfasse sie mit beiden Händen, winkle meine Beine an und genieße den grünen Ausblick. Ich beneide Jane und Mat um ihr Haus, es ist einfach nur wunderschön.

„Ey! Da kommt er ja!“ ruft Jane, welche mir gegenüber sitzt und den Blick zur Terrassentür gerichtet hat.

Ich drehe meinen Kopf ein wenig um hinter mich zu sehen. Ben kommt mit einem Lächeln an den Tisch und ruft laut: „Guten Morgen, alle.“ Bevor er sich zu mir runter beugt, mir einen Kuss auf die Wange gibt und ich mein Ohr flüstert: „Guten Morgen, Süße.“ Danach setzt er sich neben mich und bedient sich am Frühstück.

„Wisst ihr, ich habe gedacht das wir vielleicht alle an den See gehen könnten, also wir vier.“ Schlägt Jane kauend vor.

„Was für ein See?“ frage ich aufgeregt.

„Der ist hier glich um die Ecke. Also dort ist man echt immer komplett alleine, und der See an sich ist vollkommen Naturbelassen.“ Erklärt Jane und sieht uns abwartend an. Ich sehe zu Ben und sage dann: „Also von mir aus gern.“ Ben und Mat stimmen ebenfalls vor und Jane bietet mir freundlicherweise sogar einen Bikini von sich an.

Als wir den Tisch wieder abräumen sagt Mat: „Wollt ihr schon mal vorgehen, ich muss mit Ben noch was besprechen, wir kommen dann nach.“ Jane sieht Mat enttäuscht an, stimmt dann aber zu und bringt mir einen Bikini.

Wir scheinen eine ähnliche Größe zu haben, denn er passt ziemlich gut. Jane packt noch schnell etwas zutrinken, Kekse und Handtücher ein, danach laufen wir los.

Es ist wirklich nicht weit, nach fünf Minuten haben wir den See erreicht und er ist wunderschön. Total unberührt liegt er umrandet von Gras und Bäumen in einer kleinen Senke. Wir breiten die Handtücher aus, ziehen unsere Kleidung aus und setzten uns gegenüber auf die Tücher.

„Was zur Hölle ist denn mit deinem Bauch passiert?“ fragt sie erschrocken, als ihr Blick auf meine blaue Bauchdecke fällt.

„Blöde Geschichte. Vorgestern wollten Ben und ich von seiner Studentenwohnung aus wegfahren und da waren zwei Männer in der Tiefgarage, die wahrscheinlich auf uns gewartet haben. Naja, und so gut bin ich jetzt auch nicht in Selbstverteidigung, aber Ben hat das dann für mich übernommen.“ Sage ich und sehe an mir herab.

„Ja, das kann er gut.“ Sagt sie leise.

„Wer waren die Männer?“ fragt sie weiter und bindet sich ihre braunen Haare hoch.

„Keine Ahnung, aber die haben uns schon zum zweiten Mal erwischt, also eigentlich wollen sie wahrscheinlich mich.“ Sage ich und sehe ihr zu, wie sie geschickt ihre Haare im Nacken befestigt.

Ich lege mich auf das Handtuch und sehe Jane an.

„Na super.“ Sagt Jane ebenfalls.

„Ja, ist nicht so lustig mit denen, die hatten Waffen dabei.“ Sage ich und betrachte meine Finger.

Jane schüttelt ungläubig den Kopf.

„Das ist der Grund warum ich mich den Typen eigentlich ausliefern will. Ich ertrag das nicht wenn andere Menschen verletzten werden wegen mir, zum Beispiel Ben, sie könnten ihn erschießen und ich würde mir immer die Schuld daran geben.“ Sage ich ernsthaft.

„Du kannst Ben nicht mehr verlassen. Du tust ihm gut.“ Sagt sie mit einem leichten Lächeln auf den Lippen.

„Nein, das glaube ich nicht.“ Sage ich.

„Doch, Troja, er liebt dich mehr als alles andere auf der ganzen Welt, sogar mehr als mich wahrscheinlich. Seit dem Tod unseres Vaters hat er kaum noch gelacht, seine Augen wurden grau vor…keine Ahnung, vor Trauer. Aber nun leuchten sie wieder in dem selben blau, wie die meiner Mom. Troja, du bist das Beste was ihm je passieren konnte.“ 

Wie gerne würde ich ihr glauben, aber irgendetwas in mir lässt es einfach nicht zu.

Für einen Moment schließe ich meine Augen und höre auf die Geräusche um mich herum. Das Rascheln des Grases und der Blätter, die singenden Vögel und ein angenehmes Rauschen vom See aus.

Erschrocken reiße ich die Augen auf, als irgendetwas auf mir landet. Ben!

„Da sind wir.“ Sagt er grinsend und liegt direkt auf mir, ich habe ihn gar nicht kommen hören.

„Boar Ben, erschreck mich nicht immer so.“ sage ich und lege meine Arme um seinen Hals.

„Immer, das stimmt doch gar nicht!“ beschwert er sich und beginnt mich zu küssen. Am Rande meiner fehlenden Wahrnehmung kann ich Mat hören wie er laut sagt: „Jane! Dein kleiner Bruder knutscht rum.“ Ich muss grinsen, aber will nicht das er aufhört mich zu küssen, also ziehe ich ihn näher zu mir.

„Lass die doch, die sind frisch verliebt.“ Sagt Jane lachend und raschelt in ihrer Tasche rum.

Bedauernswerter Weise beendet Ben den Kuss und fragt: „Kommst du mit schwimmen?“

„Deswegen sind wir doch hier, oder?“ frage ich grinsend.

Er springt auf, zieht mich mit hoch.

„kommt ihr mit?“ frage ich zu Jane und Mat.

„Nein, geht ihr ruhig.“ Winkt Jane ab und Mat ist eh schon wieder mit irgendetwas anderem bezeichnet. Ein schmaler, alter Holzsteg führt ins Wasser rein. Beim Betreten frage ich Ben: „Wer als erstes bei der Insel ist?“ er sieht auf das Wasser, dort befindet sich in guter Entfernung eine Insel mit vielleicht zehn Bäumen und einem riesigen grauen Stein, wie auch immer der dort hin gekommen ist.

„Geht klar.“ Sagt er und sieht mich herausfordernd an.

Fast zeitgleich rennen wir los und springen in das eisige Wasser. Am Anfang ist es echt richtig kalt, aber umso weiter ich schwimme, umso wärmer wird es. Wie erwartet ist Ben natürlich viel schneller als ich und hat die Hälfte der Strecke schon locker hinter sich gelassen. Er scheint sein Tempo ein wenig zu verringern und ich kann etwas aufholen, dennoch erreicht er die Insel vor mir. Das war ein ganz schön langes Stück bis dort hin.

Mit sowas verschätze ich mich immer.

„Gewonnen!“ sagt er triumphierend und wir lassen und beide in den Sand fallen, kaputt von der Strecke. Also zumindest ich bin kaputt.

„Ja, wie hätte es auch anders sein können.“ Sage ich lächelnd und außer Atem.

„Komm lass und die Insel ansehen.“ Schlägt er vor uns zieht mich auf die Beine. Hand in Hand laufen wir zwischen die hohen Bäume. Die Insel ist nicht sonderlich groß, aber ich finde sie hat ihren Reiz.

Es gibt nichts außergewöhnliches oder so, also keine verlassene Hütte oder etwa ein vergessenes Schiff.

Irgendwann zieht mich Ben an beiden Händen zu sich und sieht mir mit einem Lächeln in die Augen.

„Ich bin so froh, dass ich dich kennengelernt habe.“ Gesteht er leise. Der Moment gerade fühlt sich so real an, alles um mich scheint so lebendig und echt. Die Vögel, das leise Rauschen der Blätter und Ben.

Grinsend ziehe ich mich zu ihm hoch, und küsse ihn. Es fühlt sich schon anders an, ihn zu küssen wenn wir beide komplett nass und irgendwie kaum bekleidet sind.

„Weißt du, das es ziemlich fies ist, was du hier machst?“ fragt er mich und legt seine Hände um meine Taille.

„Nein warum?“ frage ich unschuldig und sehe ihn an.

„Weil du nur einen Bikini trägst?“ hilft er mir auf die Sprünge. Das ist sein, nicht mein Problem.

Mir egal. Ich drücke meine Lippen wieder auf seine und mit einem Ruck hebt er mich an und ich wickle meine Beine um seine Hüften.

Er drückt mich stürmisch gegen den großen, grauen Stein und küsst mich umso drängender.

Ich war ja von schwimmen immer noch außer Atem, aber das jetzt raubt mir noch den ganzen Rest.

Er greift an meinen Po und drückt mich gegen sich. Er steht genau in meiner Mitte und wie elektrisiert drücke ich mich noch mehr gegen ihn und will ihn einfach nur auf jedem Millimeter meines Körpers spüren.

Mit einer Hand umfasst er zögerlich meine eine Brust, wie als hätte er Angst ich könnte es ihm verbieten, aber genau jetzt könnte er mit mir alles anstellen.

Ich kann eine Freundin von mir noch genau hören wie sie dazu mal sagt: >ja, wofür sind die Dinger denn sonst gut?< und irgendwie hat sie Recht.

Vorsichtig massieren seine Hände meine Oberweite und ich seufze leise gegen seine Lippen. Ich kann spüren das er zu mehr bereit wäre, ganz ehrlich: Ich auch. Aber wir sind auf einer Insel, im mini Wald, nicht so optimal für „Das erste Mal.“ Zumindest das erst Mal woran ich mich erinnern könnte.

Langsam rutscht seine Hand über meine Taille, meine Hüfte bis zum Beginn meiner Bikinihose und zieht die sehr langsam immer weiter runter.

Nicht im Wald. Eigentlich will ich nicht das er aufhört aber meine Vernunft meldet sich gerade einmal ausnahmsweise.

„Ben, wir sind im Wald.“ Sage ich außer Atem gegen sein Ohr.

„Du bringst mich irgendwann noch um meinen Verstand.“ Entgegnet er und stellt mich vorsichtig wieder auf meine Füße.

„Ich weiß.“ Sage ich grinsend und rücke meinen Bikini wieder zurecht. Er lächelt, küsst mich kurz und zieht mich wieder zum Wasser. Ich habe keine Ahnung wie lange wir auf der Insel waren, aber als wir zurück zu den Handtüchern kommen fragt Mat: „Was habt ihr dort so lange gemacht? Ihr braucht auch nicht lügen, wir konnten die Bäume wackeln sehen.“ Ben, Jane und ich müssen laut lachen, Jane schlägt Mat auf die Brust und sagt: „Mat! Kannst du deine schweinischen Ideen nicht bei dir behalten?“ Mat grinst zufrieden.

Ben legt mir ein Handtuch um die Schultern, zieht mich zu sich, legt die Arme von hinten um mich, seinen Kopf auf meine Schulter und sieht zu Jane und Mat.

„Wie wäre es, wenn wir heute Abend ein Lagerfeuer machen? Das haben wir schon so lang nicht mehr gemacht Mat.“ Bettelt Jane und hängt sich an Mat seinen Arm. Mat verdreht die Augen, blättert in seiner Zeitschrift und sagt: „Ja, wenn es sein muss.“ Jane freut sich ähnlich wie ein kleines Kind und gibt Mat einen Kuss auf die Wange.

„Weißt du noch Jane, das haben wir damals immer mit Mom und Dad gemacht, wenn wir im Sommer am Meer waren.“ Sagt Ben über meine Schulter. In seiner Stimme klingt irgendwie Schmerz mit. Ich wünschte ich wüsste wer meine Eltern sind. Ich kann mich absolut an nichts wichtiges mehr erinnern, das kann doch nicht sein.

„Ja, da müssen wir auch mal hin, meinst du das Haus kann man noch mieten?“ fragt Jane Ben.

„Wahrscheinlich.“ Antwortet er nur. Ich glaube nicht, dass er im Moment dort hin möchte, das wöllte ich auch nicht. Es sind einfach zu viele Erinnerungen.

Er vergräbt sein Gesicht in meinen Haaren. Ich lege meine Hände über seine, welche auf meinem Bauch liegen.

Das Leben kann grausam sein oder?

„Ist dir kalt?“ fragt mich Ben und fährt an meinen Armen entlang.

„Nein, alle gut.“ Antworte ich. Trotzdem zieht er das Handtuch enger an mich.

„Jane, kannst du mir mal bitte das Wasser geben?“ frage ich und prompt kommt die Flasche zu mir geflogen.

„Was wollt ihr beide jetzt eigentlich machen?“ fragt Jane, wahrscheinlich um die Stimmung etwas anzuheben, doch ist das Thema kein Stück besser.

„Naja, auf jeden Fall unentdeckt bleiben. Troja ist international nur mit einem Foto gesucht.“ Sagt Ben, müde von dem Thema.

„Das ist blöd.“ Stellt Mat fest.

Er sagt es.

„Ich hoffe immer noch, dass mir einfach irgendwann mal wieder alles einfällt.“ Gebe ich zu und lehne mich an Ben an.

„Das kann alles schon vorkommen.“ Sagt Jane hoffnungsvoll.

Ich nicke. Es ist der Wahnsinn wie schnell die Tage vergehen. Der Himmel brennt in einem feurigen Abendrot und setzt die Wolken in Brand.

„Na gut, dann auf nach Hause.“ Schlägt Jane vor und packt schon mal die Handtücher ein.

Ich will meins Jane gerade geben, doch Ben hält es fest und sagt: „Lass es lieber um, es wird kalt.“

Nicht das mir kalt ist oder so, aber wegen sowas will ich mich nicht mit ihm rumstreiten, also lasse ich es um.

Im stummen rot des Abends laufen wir nach Hause, Jane und Mat voraus und wir hinterher.

Als wir im Haus ankommen gehe ich erst einmal nach oben und ziehe mir bequeme Sachen an. Die Stimmung ist gerade irgendwie ziemlich am Boden, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es Jane mit ihren Kochkünsten wieder ins Lot bekommt.

Ich laufe langsam die Stufen im Haus herunter und höre wie Ben und Jane aufgeregt in der Küche miteinander reden. Ich kann hören wie Jane meinen Namen sagt und ich weiß, dass man das eigentlich nicht macht, aber ich stelle mich so das mich beide nicht sehen können, aber ich beide hören kann.

„…ich kann das nicht, Jane, ich kann sie nicht verlieren. Ich kann es einfach nicht! Und es bringt mich um, das ich weiß ich kann sie nicht beschützen, doch ich will es so sehr. Ich will das sie normal leben kann, doch ich weiß ich kann ihr das nicht ermöglichen. Verdammt nochmal Jane, das Gefühl-es bringt mich um, ich weiß es.“ Sagt Ben, seine Stimme unstabil. Mein Mund klappt auf. Das ist das was ich nie wollte, das wovor ich Angst hatte.

Ich trete in den Türrahmen und fühle wie sich Wasser in meinen Augen staut, als ich auf Ben seinen Rücken starre. Jane hat mich längst gesehen und sagt nur leise: „Jane…“

Ben dreht sich ruckartig um und sieht mir in die Augen. Ich drehe mich rum und laufe weg, ich will einfach nur weg.

„Troja!“ kann ich ihn schreien hören.

Draußen ist es dunkel, es riecht nach Sommer und nach dem Feuer, welches auf der anderen Seite des Hauses gemütlich flackert. Ich laufe einfach weiter, und Tränen fließen wie in Bächen an meinen Wangen herab.

„Troja, bleib doch stehen!“ kann ich Ben dicht hinter mir hören und Sekunden später greift er nach meiner Hand und zwingt mich zum Stehen.

„Es tut mir Leid, es tut mir so Leid.“ Sagt Ben und umgreift mein Gesicht. Ich schubse seine Hände wieder runter und sage: „Nein, das denkst du Ben und ich kann dir nicht einmal böse deswegen sein. Genau das war der Grund, warum ich niemanden bei mir haben wollte und ich will dir nicht weh tun Ben. Mir tut es Leid, dass ich in dieser Nacht vor deinem Haus stand.“ Sage ich und muss mehrmals zwischendrin Luft holen, weil meine Stimme so zittert. Seine Augen glänzen nass und er sieht mich mit so einer Angst an, dass es mir die Luft abschnürt.

„Ich wollte nicht, dass du denkst du bist daran Schuld, denn es ist nicht deine Schuld.“ Sagt er, seine Stimme klingt nicht so fest wie sonst.

Langsam kommt er einen Schritt auf mich zu und wischt meine Tränen aus meinem Gesicht.

„Ich kann aber nicht zulassen, dass du langsam aber sicher durch mich kaputt gehst. Es tut mir einfach nur so leid, dass ich vor deinem Haus stand.“ Wiederhole ich.

Ben schüttelt den Kopf und umgreift mein Gesicht wieder, dieses Mal lasse ich ihn.

„Troja, ich kann nicht ohne dich Leben. Ich will jeden Morgen neben dir aufwachen und jeden Abend neben dir einschlafen und jeden Tag in deine grünen Augen sehen und jede Sekunde mit dir verbringen. Ich würde mit dir um die gesamte Welt reisen, nur um dich in Sicherheit zu wissen.“ Er sieht mir in die Augen, ohne Unterbrechung. Er holt tief Luft und sagt leise: „Troja, ich Liebe dich.“

Für einen Moment kann ich nicht glauben was ich höre. Ob mir jemand schon sowas gesagt hat?

Ich kann es nicht erwidern, auch wenn ich wöllte, aber ich finde meine Stimme einfach nicht mehr.

Schluchzend lasse ich mich an seine Brust fallen, das sind gerade irgendwie zu viele Emotionen, ich weiß nicht was ich denken will. Er schließt seine Arme fest um mich und küsst mich auf den Scheitel.

Ich schniefe noch einmal, wische mir die Tränen aus dem Gesicht und küsse ihn kurz auf die Lippen bevor ich mich an seinen Arm klammere und mit ihm zum Haus zurück laufe. Die Sterne sieht man hier viel zahlreicher und deutlicher als in der Stadt-ein wunderschöner Anblick.

Wir laufen zum Feuer wo Mat und Jane schon sitzen und wahrscheinlich warten. Jane sieht uns ein wenig skeptisch an und fragt: „Alles in Ordnung bei euch?“

Ben sieht mich an, ich lächle und er antwortet: „Ja, alles gut.“

Jane grinst und sagt: „Ich habe Stockbrot vorbereitet, Ben kann dir ja erklären wie das geht.“

Sie reicht uns eine Schüssel gefüllt mit Teig und Ben holt zwei lange Stöcke. Verwundert sehe ich ihm zu.

„Also, du musst den Teig um den Stock herum wickeln und dann möglichst gleichmäßig im Feuer erwärmen. Irgendwann wird der Teig dick und warm.“ Leitet er mich an. Ich probiere was er sagt und lasse mein Teig Dings im Feuer bruzeln. Wir sitzen alle vier um das Feuer herum und unterhalten uns über Belanglose Dinge. Ich hole mein Stockbrot aus dem Feuer und betrachte es krittisch. Jane lacht sich kaputt und sagt: „Anfängerfehler.“ Mein Brot ist komplett verbrannt.

„Probiere einfach noch eins.“ Schlägt Ben vor.

„Ich habe aber Hunger.“ Nörgle ich wie ein Kind und lege den Stock weg. Ben grinst und holt sein perfekt gebräuntes Brot heraus.

„Warte, dann nimm meins.“ Sagt er und reicht mir sein Stockbrot.

Zufrieden lächelnd setze ich mich zwischen Ben seine Beine und lehne mich bei ihm an. Er umarmt mich und küsst mich auf die Wange. Sein Stockbrot schmeckt echt richtig lecker.

„Okay, was war das peinlichste was ihr je gemacht habt?“ fragt Jane nach einiger Zeit und sieht uns alle an.

„Oh, ich fange an!“ sagt Mat plötzlich total begeistert.

„Geht los.“ Sagt Jane und sieht in erwartend an.

„Also ich bin mal in einen Elektroladen eingebrochen und habe einen Handstaubsauger mitgehen lassen. Man sollte vielleicht sagen das es eine Mutprobe war und ich den Staubsauger echt cool fand, aber das peinliche war, das ich ihn meiner Mom schenkte und der kaputt ging. Als sie in den Laden ging um ihn umzutauschen musste ich dann leider ein Geständnis abliefern.“ Erzählt Mar. Ich klaue Ben etwas von seinem Stockkuchen und lege mich ausgestreckt auf die Wiese, mit dem Kopf auf seinen Beinen.

„Das war ja nichts!“ sagt Jane und lacht abwertend. Ich muss lachen, denn es ist witzig zu sehen wie verschieden Mat und Jane eigentlich sind.

„Ich bin mal im Sportunterricht mit meiner Unterwäsche über meinen Sportklamotten erschienen, weil ich einfach noch so viel Restalkohol von der Nacht zuvor intus hatte, das ich mich nicht erinnern konnte was man wie rum anzieht.“ Okay, jetzt muss ich lachen. Wie gesagt Finanzmanagerin passt einfach nicht zu ihr.

„Daran kann ich mich noch erinnern, Mom hat sich damals noch ewig mit dem Direktor gestritten.“ Sagt Ben lachend und fährt mir durch mein Haar.

„Ja, die wollten mich ernsthaft von der Schule schmeißen.“ Sagt sie fassungslos.

„Was ist mit dir Troja?“ fragt mich Jane.

„Ehm also das peinlichste woran ich mich erinnern kann war in der zehnten Klasse. Mein bester Freund damals hat mit mir gewettet das ich es nicht wage eine Essenschlacht anzuzetteln. Naja und als wir in der Caféteria saßen bin ich aufgesprungen, habe laut Essenschlacht ausgerufen und meinen Kartoffelbrei irgendwo hin geschmissen. Das Peinlich war, das niemand mitgemacht hat und mein Kartoffelbrei im Gesicht des Typens klebte, auf den ich damals stand.“ Sage ich und sehe die Situation noch vor mir.

Jane und Mat lachen sich gerade kaputt und auch Ben muss lachen.

„Gab das ärger?“ fragt Ben und sieht mich an.

„Ja, ziemlich, ich musste drei Wochen lang der Caféterialady bei der Essensausgabe helfen.“ Sage ich lachend, obwohl das ziemlich lustig war, sie war eine sehr nette Frau.

„Okay, das ist schwer zu toppen, aber ich habe auch was.“ Warnt uns Ben vor und beginnt zu grinsen.

„Ich habe damals Fußball für unsere Schulmannschaft gespielt und wurde an dem Nachmittag eher in die Umkleide geschickt, obwohl das spiel noch lief, aber das passiert häufiger. Jedenfalls war ich gerade dabei meine Klamotten auszuziehen als aus meinen Schrank ein Mann mit total hässlicher Clownsfratze springt. Ich bin so erschrocken, dass ich so wie ich war, also in Unterhose und Socken über den ganzen Fußballplatz, vor den Augen von ungefähr dreihundert Leuten panisch schreiend davon gerannt bin. Im nachhinein hat sich heraus gestellt das es ein Typ von der gegnerischen Mannschaft war obwohl ich mich bis heute frage wie er in meinen Schrank gepasst hat.“

Jetzt habe ich Kopfkino. Alle müssen lachen und Jane sagt unter Tränen vom Lachen: „Den Tag vergesse ich nie. Da saßen neben mir und unseren Eltern auch noch unsere Großeltern im Publikum und wir haben dich halbnackt und schreiend über den Platz rennen sehen.“ Fasst Jane nochmal zusammen und fasst sich den Bauch vor Lachen.

Ben und Jane reden noch eine Weile über die guten alten Zeiten. Ich sehe mir die Sterne an. Ob man rein theoretisch auf einem Stern stehen könnte? Kann man Sterne kaufen? Und wenn ja, woher nehmen die Menschen das Recht Himmelskörper zu verkaufen, vielleicht haben Aliens die Sterne längst verkauft. Ich denke immer es gibt einen Stern für jeden Menschen und zu jedem Stern gehört ein zweiter, einer der genauso hell leuchtet.

Meine Augenlider werden schwer und das angenehme knistern de Feuers, sowie die Stimmen von Jane, Mat und Ben wirken ziemlich beruhigend. Noch immer liege ich auf Ben seinen Beinen. Er legt mir seine Jacke über die Schulter und ich schlüpfe schnell in die Ärmel.

Irgendwann zieht der Schlaf an mir und ich gebe nach.

Wach werde ich als irgendetwas ruckelt. Müde schlage ich die Augen auf um zu sehen das Ben mich hoch in unser Zimmer trägt. Ob Ben Superman ist? Ich meine, sonst könnte er mich sicherlich nicht so einfach die Treppen hochtragen.

Vorsichtig legt er mich auf dem Bett ab. Ich wirsche mich aus meinen Schuhen und Sachen raus, ziehe mir die Bettdecke bis unters Kinn und schlafe sofort wieder ein.

 

Beim Aufwachen merke ich, dass Ben fehlt also entscheide ich erst einmal duschen zu gehen. Mit nassen Haaren und nackten Füßen tapse ich die helle Holztreppe nach unten. Es riecht nach Mittagessen, da habe ich wahrscheinlich ganz schön lang geschlafen, naja, Schlaf soll ja angeblich ziemlich gesund sein.

In der Küche steht-wie erwartet-Jane am Herd und kocht irgendetwas was aussieht wie eine Suppe.

„Guten Morgen Schlafliese.“ Begrüßt sich mich und wirft mir ein Lächeln zu.

„Ist es schon Mittag?“ frage ich und strecke mich.

„Ja.“ Antwortet Ben für Jane und umarmt mich von hinten mit einem Kuss auf die Wange.

Ich drehe mich um, lege meine Arme um seinen Hals und frage: „Ist für heute was geplant?“

Ben streicht mir eine Strähne aus dem Gesicht und sagt: „Ja, Mat und ich werden dir beibringen wie du mit einer Waffe umzugehen hast.“ Wow, das klingt interessant.

„hier?“ frage ich skeptisch.

„Ja, hier hört und sieht einen Niemand.“ Sagt Ben und zieht mich nach draußen.

„In einer Stunde gibt es Mittag!“ ruft uns Jane noch hinterher.

„Bis dahin sind wir hoffentlich fertig.“ Antwortet Ben und zieht mich auf eine Grünfläche hinter dem Haus. Die Sonne scheint warm auf uns herab und erwärmt meine Haut angenehm.

„Meinst du, du hast schon mal geschossen?“ fragt er mich.

„Ich kann mich nicht direkt daran erinnern.“ Sage ich und bin ein wenig aufgeregt.

„Dann lass und mal sehen wie du dich anstellst.“ Sagt Ben und drückt mir eine Pistole in die Hand.

Er und Mat haben eine Art Ziel aufgebaut, also gut, sie haben eine alte Dartplatte an den Baum genagelt, aber der Wille zählt. In einem ordentlichen Abstand, den ich leider nicht abschätzen kann, stehe ich nun der Platte gegenüber und kann geradeso den Mittelpunkt erkennen. Das Gewicht der Pistole fühlt sich in meinen Händen seltsam vertraut vor.

„Weißt du wie man sie entsichert?“ fragt Mat, welcher in einem sicheren Abstand zu mir steht.

„Ja, also zumindest glaube ich das.“ Antworte ich und kann die Pistole tatsächlich mit einem wohlbekannten Knacklaut entsichern.

„Halt sie am Besten mit beiden Armen, wegen dem Rückstoß.“ Beratschlagt mich Mat.

Ich umgreife sie mit beiden Hände, ziele, schieße und treffe direkt in die Mitte-das war einfach.

„Was?“ fragt Mat ungläubig und sieht sich den Einschuss in der Platte an.

„Ich denke, ich habe das irgendwann mal gelernt.“ Sage ich und sehe verwundert auf die Waffe in meiner Hand.

„Aber wo warst du, das du den Umgang mit Waffen gelernt hast?“ fragt Ben skeptisch.

„Würde ich mich daran erinnern können, wäre ich sicher nicht hier.“ Sage ich ein wenig trotzig.

„Okay, damit hätten wir das.“ Sagt Ben und sieht ebenfalls auf die Platte.

Aber gute Frage eigentlich, was habe ich gemacht, dass ich so gut schießen kann?

„Ben, Troja, könnt ihr bitte mal schnell kommen?“ ruft Jane mit einem komischen Unterton.

Ich sehe zu Ben und gemeinsam laufen wir durch die Küche zu Jane. Jane steht an der Hautür und unterhält sich mit jemanden. Als ich sehe wer dort steht verschwindet mein euphorisches Gefühl von gerade eben schlagartig. Ein Mann in schwarzen Anzug. Ben schiebt mich beschützend hinter seinen Rücken und stellt sich neben Jane.

„Was wollen sie?“ fragt er wenig höflich.

„Ihre Mutter schickt mich.“ Antwortet er und sieht abwechselnd zu Ben und Jane.

„Sie hat mich beauftragt im Fall von Troja zu ermitteln und das habe ich getan. Ich möchte sie zu ihren Eltern bringen.“ Ein Klos bildet sich in meinem Hals. Eltern? Ein Stück Vergangenheit.

„Woher wissen wir, dass wir ihnen trauen können?“ fragt Ben skeptisch und mustert den Mann.

Oh mein Gott, meine Eltern. Vorsichtig schiebe ich mich an Ben vorbei und sehe den Mann an.

„Ihre Mutter meinte, sie würden diese Fragen stellen. Bitte rufen sie ihre Mutter einfach an.“ Sagt er in einem monotonen Ton. Ben sieht zu Jane und Jane zieht ihr Handy aus der Tasche um Ben seine Mom anzurufen.

Nach einem kurzen Telefonat erscheint Jane wieder neben Ben und sagt: „Es stimmt, Mom schickt ihn.“ Ich glaube mein Herz geht gerade kaputt, zu viel Aufregung.

Ben sieht ihn immer noch skeptisch an, schaut dann zu mir und sagt: „Aber ich fahre mein eigenes Auto.“ Typisch Ben.

„Natürlich.“ Entgegnet der Mann starr.

Der Mann geht vor und steigt in seinen schwarzen BMW.

„Troja, alles gut?“ fragt Ben und sieht mich an.

„Was? Warum?“ frage ich hektisch.

Er streichelt mir über die Wange und sagt: „Du siehst ein wenig blass aus.“ Ich lächle gequält und sage: „Ja, ich fühle mich auch seltsam.“ Gebe ich zu.

Ben küsst mich auf die Stirn und sagt: „Alles wird gut.“ Ich zwinge mich zu einem Lächeln.

„Dann geht es jetzt also los.“ Sagt Jane und lächelt mich warm an.

„Ja, es sieht so aus. Ich kann das gar nicht glauben.“ Sage ich und fühle wie alles in mir zittert.

Ich umarme Jane fest. Irgendwann muss hier unbedingt noch einmal herkommen, es ist ein wundervoller Ort.

Danach umarme ich Mat und Ben legt den Arm um mich, läuft mit mir zum Auto.

Ob jetzt alles anders wird? Ob ich jetzt weiß warum mir das passiert ist?

Wir steigen in Bens Wagen und ich stehe wie unter Strom. Alles in mir ist angespannt und ich kaum stillsitzen. Das schwarze Auto fährt los, und wir folgen.

Ben legt seine Hand auf mein Knie, sieht zu mir rüber und sagt: „Hey, entspann dich, es kann nur besser werden.“ Ich atme tief durch und sage: „Ich weiß nicht, nicht das ich mich mit ihnen gestritten hatte, oder das wir uns so vollkommen nicht mehr verstehen oder was ist wenn sie mich gar nicht lieben?“ frage ich nervös.

„Ach Quatsch, keine Eltern könnten ihre Tochter hassen.“ Versichert er mir.

Ich versuche mich abzulenken mit den Bäumen die an mir vorbei ziehen. Die Fahrt dauert lange und die Nacht bricht über mich rein. Nachdem wir stundenlang über Landstraßen und Autobahnen gefahren sind, kommen wir schließlich in einer kleinen Siedlung an. In vielen Häusern brennt schon kein Licht mehr.

Wir halten vor einem Haus und ich hätte das Gefühl schon beinahe wieder vergessen, aber ich kenne das Haus, ich kenne es wirklich. Ich weiß es sind genau zehn Stufen bis zur roten Haustür und rechts trägt der kleine Apfelbaum bereits rötliche mini Äpfel.

„Ben, ich kenne das Haus! Ich weiß zum ersten Mal wo ich bin.“ Sage ich aufgeregt und fahre mit den Händen über den Gartenzaun.

„Ich muss sie hier verlassen.“ Sagt der Mann in schwarz und winkt uns zu.

„Danke!“ schreie ich ihm hinterher. Ich sehe zu Ben, atme tief durch und laufe durch das Gartentor. Zehn Stufen und ich stehe vor der niedlichen runden Klingel. Aber irgendwie kann ich nicht klingeln. Ben steht etwas hinter mir, legt seinen Arm um mich und sagt leise: „Du schaffst das.“

Ja, ja, ich schaffe das.

Mein herz schlägt irgendwo mitten in meinem Herz und vorsichtig drücke ich den Klingelknopf nach unten. Jetzt gibt es kein zurück mehr, willkommen Vergangenheit.

Ich verkrampfe meine Hände so sehr ineinander, das meine Knöchel weiß werden.

Nach ein paar Sekunden schiebt sich die schwere Tür auf-in dem Moment denke ich echt ich sterbe genau hier an einem Herzinfarkt. Als ich Mom sehe, ihre hellen Haare wie sie auf ihren Schultern aufliegen und ihren Duft von Flieder wahrnehmen, weiß ich das ich richtig bin und ich kann nicht anders als weinen.

Mom sieht mich mit großen Augen fassungslos an.

„Rose? Oh mein Gott, Rose, meine Rose.“ Sagt Mom fassungslos und beginnt zu weinen. Ich falle ihr in die Arme. Rose heiße ich also, ja das kenne ich.

„Jake, komm her!“ ruft meine Mom aufgeregt und unter Tränen in das Haus hinein.

„Wir dachten du bist tot, wir, wir dachten wir hätten dich für immer verloren.“ Sagt meine Mom in meine Haare und hält mich so fest, das ich befürchte keine Luft mehr zu bekommen.

„Rose?“ kann ich mein Vater hören und plötzlich kommt mir so viel bekannt vor.

Mom lässt mich los, nur damit mein Vater mich kurz darauf zerquetschen kann.

„Meine kleine Rose, weißt du was du hier angestellt hast?“ fragt er und ich kann eine Träne an seinen Augenwinkeln sehen. Ich muss lachen und schniefe dabei: „Nein, ich kann mich an so gut wie nichts erinnern.“ Sage ich und wische mir meine Augen ab.

„Mom, Mom, ist das Rose?“ kann ich jemanden aus der oberen Etage rufen kann.

Tommy. Mein kleiner Bruder Tommy.

„Ja Schatz, komm runter.“ Sagt Mom und mein kleiner Bruder kommt unbeholfen beinahe die Trepper herunter gefallen. Für seine fünf Jahre ist er wahnsinnig ungeschickt.

„Rose!“ schreit er und ich hebe ihn in meine Arme, küsse ihn auf die Wange und würde ihn am Besten nie wieder loslassen.

Noch immer fließen Tränen über meine Wange und Dad scheint gerade Ben entdeckt zu haben.

„Erm, Mom, Dad, das ist Ben. Ben seine Mom hat jemanden engagiert, der mich zu euch gebracht hat und Ben hat mich bis jetzt überallhin bekleidet und mir wahrscheinlich schon fünfmal mein Leben gerettet.“ Sage ich und wische meine Augen trocken.

Ben kommt rein, reicht Mom und Dad die Hand und sagt: „Sie übertreibt.“ Ich lache und Mom, welche immer noch total emotional ergriffen scheint umarmt Ben herzlich und bedankt sich. Dad steht ihm etwas kritisch gegenüber, aber ich schätze, das muss er als mein Dad.

„Kommt erst einmal rein ihr beiden.“ Sagt Mom und Tommy rennt voraus.

Im Wohnzimmer sieht alles so aus wie damals. Die schwarze Sofargarnitur und der viel zu große Fernseher hängen immer noch an der gleichen Stelle wie damals.

Ich setzte mich auf das Sofa uns ziehe Ben zu mir. Dad kommt wenige Minuten später aus der Küche mit einem Tablett mit fünf Tassen Kakao und Keksen.

Wie damals.

„So, ich glaube du hast uns eine Menge zu erzählen sagt Mom und lächelt mich und Ben an.“

„Tommy, du musst doch eigentlich ins Bett, oder?“ frage ich meinen kleinen Bruder, da ich nicht will das er meine Geschichte hört.

„Nein. Ich gehe nicht.“ Sagt er und verschränkt trotzig die Arme.

„Hey, hast du Figuren von Starwars?“ fragt Ben auf gut Glück meinen Bruder.

„Ja!“ sagt Tommy begeistert.

„Zeigst du mir die mal?“ fragt Ben weiter.

„Ja, komm mit.“ Sagt Tommy total aufgeregt und springt auf.

Bevor Ben gehen kann küsse ich ihn noch kurz auf die Wange und mache mir es dann auf dem Sofa bequem, bevor ich die gesamte Geschichte von vorn erzähle.

Es vergehen glaube ich Stunden bis ich alles erzählt habe.

„Und du kannst dich nicht erinnern? Du weißt nicht wie du in den Wald gekommen bist?“ fragt mich Mom zum ungefähr dritten Mal und wieder verneine ich.

„Was habe ich nach meinem Abi gemacht?“ frage ich um vielleicht noch etwas über mich heraus zu finden.

„Ein Studium bei der Polizei, später bist du zum Geheimdienst.“ Sagt Dad, das erklärt warum ich so gut schießen kann.

„Und dann?“ frage ich weiter.

„Dann haben wir vor ungefähr drei Monaten eine Nachricht erhalten, dass du auf einem deiner Einsätze verunglückt bist.“ Sagt Mom vorsichtig.

„Und ihr habt nie gefragt ob ihr mich sehen könnt?“ frage ich skeptisch.

„Doch vielleicht tausendmal, aber sie sagten immer, sie dürfen dich nicht freigeben für eine Beerdigung.“ Antwortet Dad. Oh Gott, das müssen schlimme Zeiten gewesen sein.

Ich bin froh, als ich Ben runter kommen sehe und frage lächelnd: „Hast du ihn ruhig bekommen?“

Ben lächelt, lässt sich neben mich fallen und sagt: „Jap, schläft tief und fest.“

Mom lacht und sagt: „Dich behalten wir.“

Lachend sage ich: „Nein, der gehört mir.“

Dad gewinnt sich endlich auch ein Lachen ab, sagt dann aber: „So Prinzessin, ihr beide seht müde aus, vielleicht geht ihr erst einmal schlafen und wir besprechen den Rest Morgen.“ Super Vorschlag.

„Ich werde aber nicht lange hier bleiben, das ist zu gefährlich.“ Warne ich meine Eltern schon einmal vor.

„Darüber sprechen wir Morgen Prinzessin. Dein Zimmer ist oben, genauso wie du es verlassen hast.“ Sagt Dad und ich stehe langsam auf.

Schnell drücke ich Mom und Dad einen Kuss auf die Wange und führe Ben dann unter das Dach zu meinem Zimmer.

Als ich die Tür hinter mir geschlossen habe, fahre ich mir durch meine Haare und sage müde: „Ich bin so froh, hier zu sein.“ Ben kommt auf mich zu, legt seine Arme auf meine Hüfte und sagt: „Ja, jetzt sind wir ein paar ganze Schritte weiter.“

Ich lächle und ziehe mich zu ihm hoch um ihn zu küssen. Er drängt mich langsam zum Bett und ich lasse mich fallen. Vorsichtig legt er sich auf mich, küsst meinen Hals, mein Schlüsselbein und wieder meine Lippen. Er zieht sein Shirt aus und ich fahre begeistert seine Muskeln nach. Der Kuss ist intensiv und fühlt sich einfach nur richtig an. Schnell streife ich mir mein Shirt über den Kuss und sehe wie Ben grinst.

„Was?“ frage ich verwundert.

„Das fühlt sich an wie zu Schulzeiten, irgendwie verboten.“ Sagt er. Ich lache und sage: „Umso besser.“ Bevor ich ihn wieder an meine Lippen ziehe.

Unauffällig öffnet er den Verschluss von meinem BH und schon liegt der neben meinem Bett.

Vorsichtig erkundet er mit seinen Händen meinen Oberkörper, massiert meine Oberweite. Meine Atmung wird unregelmäßiger und schneller, so wie seine. Langsam streift er mein Hose von meinen Beinen und legt sich dann zwischen meine Beine. Ich wickle meine Beine um seine Hüfte und drücke ihn näher zu mir.

Er fährt mit seinen Händen an der Innenseite meiner Oberschenkel entlang immer höher, bis zum Beginn meines Slips und fährt dann mit seiner Hand darunter. Ich seufze gegen seine Lippen und drücke mich gegen seine Mitte. Unauffällig versuche ich den Verschluss seiner Hose zu öffnen, doch Ben hält meine Hand fest und sagt: „Wir sind bei deinen Eltern.“

Mit einem Seufzen lasse ich von seiner Hose ab. Er lächelt, rollt sich von wir runter, auf die andere Seite des Bettes. Ich lege mich auf seine Brust und er fährt mich beruhigend durch mein Haar.

„Rose also.“ Sagt er mit einem Lächeln in der Stimme.

„Mhm, ich glaube mir gefällt Troja besser.“ Gebe ich lachend zu.

Ich erzähle ihm noch, das ich mal bei der Polizei gearbeitet hab, erzähle ihm ein paar Eigenschaften meiner Familie und irgendwann dann müssen wir eingeschlafen sein.

 

„Aaaaufstehen!“ schreit Tommy und kommt in mein Zimmer gestürmt. Müde knurre ich und spüre das Ben die Arme um mich gelegt hat und jetzt gerade die Bettdecke ein Stück höher zieht, damit ich nicht unbedingt nackt vor meinem Bruder liege.

„Frühstück!“ ruft Tommy weiter.

„Tommy, es ist voll früh am Morgen.“ Jammere ich rum.

„Wir kommen gleich.“ Sagt Ben und fährt sich über sein Gesicht.

Tommy verschwindet wieder aus meinem Zimmer und seufzend lasse ich mich zurück in mein Bett fallen.

„Willkommen in meiner Familie.“ Sage ich sarkastisch und muss Lachen.

„ich mag deine Familie.“ Sagt Ben feststellend und küsst mich kurz.

Wir ziehen uns beide an und gehen nach unten in die Küche. Wie immer riecht es nach frischen Kaffee und warmen Brötchen. Mom, Dad und Tommy sitzen schon, Ben und ich setzten uns dazu und Tommy fragt, sofort als er uns sieht: „Mom, warum schlafen Rose und Ben in einem Bett?“

Mom und Dad sehen mich grinsend an und Mom antwortet: „Weil Rose und Ben sich sehr lieb haben genau wie ich und Papa.“ Redet sich Mom gekonnt raus.

Ben legt eine Hand auf mein Knie und muss ebenfalls lachen.

„Habt ihr gut geschlafen?“ fragt meine Mom uns beide.

„Ja, sehr gut.“ Antwortet Ben.

„Was werdet ihr jetzt machen?“ bringt mein Dad gleich das wichtigste Thema auf den Tisch.

„Wir werden weiterfahren, hier würden bloß euch in Gefahr bringen.“ Sage ich und trinke meinen Kaffee.

„Wollt ihr euer Leben lang um die Welt reisen, bloß um nicht gefunden zu werden?“ fragt Mom.

„Mom, ich habe auch keine Ahnung, aber irgendwie muss ich heraus finden was wann wie mit mir passiert ist, und die Antwort kommt mir hier so oder so nicht zugeflogen.“ Sage ich wahrheitsgemäß.

„Schatz, wir wollen dich bloß nicht noch einmal verlieren.“ Sagt Mom und sieht mich ernst an.

„Das werdet ihr nicht, ich weiß was ich tue und überhaupt passt ja Ben auf mich auf.“ Sage ich und sehe kurz zu ihm rüber.

„Ach Prinzessin, du machst es uns nicht einfach.“ Sagt Dad und schüttelt mit dem Kopf.

Ja, wer es hier schwer hat ist ja wohl eindeutig…

„Ben?“ fragt Tommy neugierig.

„Kannst du Fußball spielen?“ seine Augen funkeln aufgeregt.

„Na klar.“ Antwortet Ben lieb lächelnd.

„Kommst du mit mir spielen?“ fragt Tommy mit großen Augen.

Ben sieht kurz zu meinen Eltern, jaja, Tischmanieren und so, nicht aufstehen bevor der letzte aufgegessen hat.

Mon nickt Ben lächelnd zu und blitzschnell springt Tommy auf und rennt über die Terrasse in den Garten.

Mom und Dad räumen den Tisch ab und nachdem ich mich umgezogen habe setzte ich mich auf die Terrassenstufen und sehe den beiden Jungs beim Spielen zu. Ben spielt gut, aber lässt Tommy ab und zu mal ein Tor durchgehen. Ich muss lächeln als ich den beiden zusehe, Ben kommt sichtlich super mit Kindern klar.

Mom setzt sich neben mich und sagt grinsend: „Erzähl mir über ihn.“ Ich muss lachen, Eltern-Kind-Gespräche, aber naja ich bin ja jetzt auch schon so gut wie erwachsen.

„Er ist wahrscheinlich der beste Mensch auf der ganzen Welt.“ Sage ich kitschig, bemerke es aber erst danach. Mom lacht.

„Und was macht er sonst so? Wie ist seine Familie?“ fragt mich Mom aus.

„Seine Mom ist wahnsinnig freundlich, doch sein Vater ist vor zwei Jahren gestorben. Ben hat auch eine Schwester, Jane. Bei Jane waren wir auch zwei Tage, bevor wir hier her kamen, sie hat ein wunderschönes Haus mitten auf einem Feld, ohne Nachbarn.“ Schwärme ich von Jane und Mats Haus.

„Das ist bestimmt schön ruhig dort.“ Stellt Mom grinsend fest.

„Ja, himmlisch kann ich dir sagen. Ben selber studiert noch Medizin, ja und ich glaube er trägt mich komplett auf Händen.“ Sage ich lachend.

Ben scheint es zu hören und sieht kurz rüber, ich lächle ihm zu.

„Das muss er auch!“ sagt Mom und legt einen Arm um meine Schultern.

„Du liebst ihn, oder?“ fragt sie weiter. Komische Frage irgendwie. Ben liebt mich, das hat er mir gesagt, aber ich habe ihm nie geantwortet. Er lässt Tommy wieder ein Tor durchgehen und lächelt mir zu. Keine Ahnung warum genau jetzt, keine Ahnung warum überhaupt, aber plötzlich bin ich mir sicher was ich Mom antworte: „Ja, ich liebe ihn.“

Mom grinst und sagt: „Ich weiß das er gut auf dich aufpassen wird, aber dein Dad sieht das etwas kritischer.“ Ich verdrehe meine Augen, muss aber lächeln.

Tommy und Ben scheinen ihr Spiel beendet zu haben, denn Tommy rennt in die Küche um zu trinken.

Ben setzt sich neben mich und sieht mich und meine Mom an.

„Können wir dich irgendwie mieten?“ fragt meiner Mom.

Ben sieht sie verwundert an.

„naja, so als Beschäftigung für Tommy.“ Erklärt sie. Ben lacht und antwortet: „Ich glaube ich komme lieber freiwillig.“

„Noch besser.“ Sagt Mom.

„Was meinst du, wollen wir dann weiter?“ frage ich Ben.

„Wie du willst.“ Antwortet er mit einem Schulterzucken.

 

„Dann gehe ich jetzt schon mal etwas packen.“ Sage ich, stehe auf und lasse Ben mit Mom dort sitzen.

Zum Glück habe ich zuhause noch ein paar Sachen, da fällt mir ein: Ich muss Mom unbedingt fragen ober ich irgendwo eine Wohnung habe.

Nachdem ich mein Zeug im Bad zusammen gepackt habe, stehe ich vor meinem Schrank und überlege was ich mitnehme.

Die Tür geht auf, Ben kommt rein und umarmt mich von hinten.

„Wenn du möchtest können wir auch noch bleiben.“ Schlägt er vor und küsst mich auf die Schulter.

„Nein, ich habe Angst sie in Gefahr zu bringen.“ Sage ich und drehe mich zu ihm um.

„Ich bin eine Gefahr für alle im meinem Umfeld.“ Sage ich trocken und sehe ihn an.

„Ich stehe auf gefährliche Dinge.“ Sagt Ben mit einem Grinsen.

„Ja, das glaube ich.“ Sage ich lachend, bevor ich Kleidungsstücke für jeden Anlass in meine Tasche schmeiße, schließlich weiß man nie was man brauchen wird, oder?

Ben trägt meine Tasche nach unten und schon geht das große Verabschieden los. Klar ist es blöd seine gerade erst wiedergefundene Familie zu verlassen, aber noch blöder ist es sie zu verlieren-für immer.

Tommy jammert herum, warum wir gehen, obwohl wir gerade erst gekommen sind und Mom und Dad wünschen uns alles Gute und raten uns vorsichtig zu sein. Ich schwöre ich werde alles machen was mir früh nach dem Aufstehen einfällt, wenn ich das Problem mit meinem Gedächtnis hinter mir gelassen habe.

Ben weiß schon ein Hotel, weit von hier weg, in welches wir fahren werden. Und so geht die Fahrt los, schon wieder. Wie immer schlafe ich ein, das gleichmäßige Schnurren des Motors macht mich eben schläfrig.

Dieses Mal wache ich sogar zehn Minuten vor Ankunft selber auf. Ich glaube wir sind irgendwo in der Nähe vom Meer, aber ich kann es leider nicht sehen.

Ein Mann fährt vor der Tür des Hotels Bens Auto davon und Ben legt einen Arm um mich und führt mich in die riesige Empfangshalle des Hotels.

„Mein Dad hat uns immer mit hier genommen. Hier hat er Mom kennengelernt.“ Sagt Ben und hat ein lächeln auf den Lippen. Ich klammere mich an seinen Arm und habe plötzlich die Vorstellung von dem Hotel vor ungefähr dreißig Jahren, doch irgendwie in schwarz-weiß, was ja eigentlich total sinnlos ist. Ben klärt das mit der Zimmerkarte. Irgendwie bestehen viele Tage bei uns aus langen Autofahrten den Tag über, und einchecken in teure Hotels während der Nacht, hoffentlich wird das nicht zur Gewohnheit.

Unser Zimmer ist der Wahnsinn, also eigentlich ist es eine Art Apartment mit einer Küche, Wohnzimmer und sowas eben. Es sieht alles sehr edel aus, doch einfach nur unglaublich schön.

Ich sehe mir das Schlafzimmer an und Ben fragt hinter mir: „Sag mal hast du Lust zum Tanzen?“ ich drehe mich um und frage verwirrt: „Tanzen?“

Ben grinst und sagt: „Ja, heute ich Tanzabend im Hotel.“ Sagt er. Wenn ich ehrlich bin, habe ich gerade richtig Lust zum Tanzen, das ist mal was neues.

„Oh ja!“ sage ich aufgeregt.

„Ich muss mich bloß noch umziehen!“ füge ich hippelig hinzu.

„Okay, keine Eile, die Musik rennt nicht weg. Ich warte draußen auf dich.“ Antwortet er und ich kann aus den Augenwinkeln sehen wie er sich aufs Sofa fallen lässt. Ich liebe tanzen, es ist so…naja irgendwie schon leidenschaftlich.

Meine vordere Haarpartie stecke ich zurück und bin dann erst einmal überglücklich, dass ich tatsächlich mein rotes Kleid eingepackt habe. Passend Schuhe habe ich natürlich instinktiv dazu gepackt.

Ich bekomme den Reißverschluss am Rücken leider nur nicht zu.

Mit offenen Reißverschluss und meinen Pumps in der Hand laufe ich zu Ben in das Wohnzimmer.

„Ben? Kannst du mir mal bitten mein Kleid zumachen?“ frage ich.

Sofort steht er auf und sagt: „Das lässt sich einrichten.“

Vorsichtig legt er meine Haare über meine Schulter, zieht den Reisverschluss hoch und küsst mich in den Nacken.

„Du siehst so wunderschön aus.“ Flüstert er mir ins Ohr und ich werde tatsächlich ein wenig verlegen.

Er dreht mich zu sich und grinst als er mich sieht: „Wirst du gerade rot?“

Ich verdrehe meine Augen, muss aber ebenfalls grinsen und sage: „Ich kann da auch nichts für.“

Er lacht, zieht mich bestimmend zu sich und küsst mich kurz auf den Mund.

Schnell ziehe ich meine Schuhe an und Hand in Hand laufen wir zum Fahrstuhl und fahren dann zum Tanzsaal. Der heißt hier richtig Tanzsaal, das ist voll cool. Vor einer großen Flügeltür stehen zwei Männer, welche uns die Tür öffnen, als wir näher kommen.

Es hat ein bisschen was aus einem Märchen. Der Saal ist komplett mit kitschigen Goldelementen überladen und das Parkett glänzt frisch poliert.

Es halten sich etliche ältere Pärchen auf dem Parkett auf und tanzen zu einem langsamen Walzer. Ein paar einzelne Frauen und Männer halten sich am Rande auf, trinken etwas und beobachten die Tanzenden.

Ben stellt sich vor mich, hält seine Hand aus und fragt: „Dürfte ich um diesen Tanz bitten?“ Ich lache und lege meine Hand in seine bevor wir uns an den langsamen Walzer wagen. Er tanzt richtig gut, ich hatte ungelogen noch nie so einen guten Tanzpartner!

Die Schwierigkeitsgrad der Tänze wird zunehmend schwerer und spätestens nach Cha-Cha-Cha ist der Großteil der Leute von der Fläche verschwunden. Genau jetzt bin ich verdammt froh das meine Eltern mich damals zum Tanzkurs gezwungen haben, sonst müsste ich jetzt auch schon zusehen.

Als nächstes kommt Rumba. Latein-amerikanisch-leidenschaftlich.

Ich hoffe man sieht es auch als Außenstehender, aber ich finde Ben und ich sind so irgendwie das perfekte Tanzpaar und es macht mehr als nur Spaß!

Nach Rumba kommt wieder ein langsamer Walzer, wahrscheinlich um die Fläche zu füllen. Wir können wieder etwas Luft holen und uns sogar etwas unterhalten.

„Ich dich auch.“ Sage ich leise und sehe ihn grinsend an. Natürlich weiß ich das er nicht weiß was es bedeutet.

„Was?“ fragt er total verwirrt.

„Du hast neulich gesagt du liebst mich.“ Fange ich an und spüre wie ich schon wieder rot werde.

„Ich dich auch.“ Wiederhole ich noch einmal und sehe vorsichtig in seine blauen Augen, welche einen Grünstich durch das ganze Gold um uns herum bekommen haben.

Ein Lächeln, welches seine Augen komplett einnimmt, breitet sich auf seinem Gesicht aus und er zieht mich von der Tanzfläche runter, nur um mich kurz darauf zu küssen. In seinem Kuss liegen so viele Emotionen, es ist einfach nur unbeschreiblich und irgendwie habe ich plötzlich Lust auf mehr bekommen.

„Wollen wir ins Appartement zurück?“ fragt Ben mit einem Funkeln in den Augen.

Lächelnd nicke ich und er zieht mich zur großen Tür und rein in den Fahrstuhl, wo er erneut meine Lippen angreift. Ich bin richtig froh, das niemand im Fahrstuhl dazu gestiegen ist, denn das schickt sich in einem solchen Hotel sicherlich nicht.

Die Tür öffnet sich zu unserem Stockwerk und Ben und ich laufen zu unserem Appartement.

Kaum hat er die Tür hinter sich geschlossen zieht er mich zu sich und drückt mich gegen die Wand bevor er mich verlangend küsst.

Ich streife mir meine Schuhe ab, weil auch wenn sie schön sind, bequem sind die Dinger nicht.

Er zieht sich sein Hemd aus und küsst meinen Hals, während er den Reißverschluss meines Kleides öffnet. Schnell streife ich das auch noch ab. Mit einem Ruck hebt er mich hoch und ich lege meine Beine um seine Hüften. Ohne mit dem Küssen zu stoppen trägt er mich ins Schlafzimmer und legt mich unter sich ins Bett.

Er zieht sich seine Hose aus und schmeißt sie unachtsam aus dem Bett. Sekunden später fliegt mein BH hinter her. Unser Atmung wir unregelmäßig, mein Herzschlag rasend schnell.

Mit einer Drehung setzte ich mich auf ihn und sitze nun direkt auf seiner Mitte. Gemein wie ich bin nutze ich diese Position natürlich aus und bewege mich ein wenig hin und her.

Ben greift an meinen Po und dreht mich wieder unter sich. Bestimmend schiebt er meine Beine auseinander und legt sich dazwischen. Naja, und den Ende des Abend kann sich jeder selber denken.

 

Wie so oft fehlt Ben als ich aufwache und nach dem Duschen laufe ich durch das Appartement auf der Suche nach Ben. In der Küche finde ich ihm, er sitzt mit einer Tasse Kaffee vor seinem Laptop und scheint etwas zu lesen.

„Morgen.“ Sage ich verschlafen. Ben dreht sich mit seinem Stuhl zu mir um lächelt und zieht mich an den Beinen zu sich. „Morgen.“ Antwortet er und seine Augen glänzen im trüben Sonnenlicht.

„Was machst du da?“ frage ich und setze mich auf seinen Schoß, den Blick zum Laptop gerichtet.

„Bekomme ich erst einmal einen Kuss?“ fragt Ben ein wenig beleidigt, als ich nach dem Laptop greife.

Ich drehe mich grinsend zu ihm und küsse ihn.

„Also was ist das auf deinem Laptop?“ frage ich weiter, ich bin nun einmal neugierig.

„Ich habe mir Gedanken gemacht warum dich der Geheimdienst verschwinden lasse sollte, vor Allem wenn du für die mal gearbeitet hast.“ Sagt Ben, greift um mich herum und scrollt durch einen Zeitungseintrag.

„Jedenfalls dachte ich, ich finde im Internet vielleicht was, aber Fehlanzeige.“ Sagt er und küsst meine Schulter.

„Das einzige was ich mir denken kann, ist das du vielleicht irgendetwas heraus gefunden hast, etwas was denen Schaden würde oder so, also musstest du verschwinden. Was ich nur nicht verstehe ist, warum sie dann deine Gedanken manipulieren anstatt dich umzubringen, also nicht das mir das lieber gewesen wäre, aber mal so rein logisch gedacht.“ Spekuliert er.

Ich greife nach seiner Kaffeetasse und trinke einen Schluck.

„Ich wünschte ich würde wissen warum.“ Sage ich leise und umklammere die Tasse.

„Naja, genug spekulatives Gerede für heute. Hast du deine Eltern mal angerufen, dass du angekommen bist?“ fragt er und klappt den Laptop zu. Ich stöhne, stehe auf und sage: „Nein, das habe ich vergessen.“

Er steht ebenfalls auf, dreht mich zu sich um und sagt: „Mach das noch.“

Jaja. Irgendwann. Er weiß das er keine Antwort bekommt, küsst mich kurz und sagt dann: „Ich werde der Geheimdienst-Zentrale einen Besuch abstatten, vielleicht können die mir ja weiter helfen.“ Präsentiert er seinen Plan und gießt mir auch eine Tasse Kaffee ein.

„Ich komme mit!“ sage ich schnell und suche nach den Brötchen.

„Nein, du bleibst schön da, wenn die dich dort kennen haben wir ein Problem.“ Sagt er ernst und zaubert eine Tüte Brötchen aus irgendeinem Schrank.

Beleidigt verschränke ich meine Arme und sage: „Na und dich kennen sie nicht, oder wie?“ Er seufzt, legt die Brötchen ab und kommt zu mir. Vorsichtig greift er nach meinen Händen und verschränkt unsere Finger ineinander.

 „Sei nicht immer so stur, du weißt das die mich sicher deutlich weniger kennen als dich, schließlich habe ich dort nicht gearbeitet.“ Na und. Das ist mein Problem, nicht seins.

„Aber“ setze ich an, doch er lässt mich gar nicht weiter reden sondern sagt: „Nein, nichts aber.“ Und geht nun höchst wahrscheinlich auf die Suche nach seiner Jacke. Man, das kann der doch aber nicht einfach so bestimmen, ich will mitkommen.

„Man Ben! Ich will auch mit.“ Jammere ich weiter herum, in der Hoffnung das sich meine Hartnäckigkeit auszahlt. Als er seine Jacke angezogen hat kommt er zu mir, hebt mich auf die Kücheninsel und stellt sich zwischen meine Beine, seine Hände auf meiner Hüfte. Ich versuche so sauer wie möglich zu gucken, aber das war glaube ich noch nie so mein Ding.

„Ich kann nicht riskieren dich in Gefahr zu bringen.“ Sagt er und will mich küssen. Beleidigt drehe ich mich weg.

Er lacht leise und dreht mein Gesicht zu sich: „Bist du jetzt einsthaft beleidigt deswegen?“

Ich verdrehe die Augen und sage: „Man Ben, es geht immerhin um mein Leben und ich will nicht immer das du deinen Kopf dafür hinhältst.“ Sage ich beleidigt.

„Komm Rose, das macht jetzt keinen Sinn darüber zu diskutieren. Ich werde jetzt gehen und du bleibst hier.“ Sagt er bestimmend. Und was ist wenn ich ihn nicht gehen lasse? Ich will echt nicht, dass er sich in Gefahr bringt wegen mir. Ich kann auch anders.

Ich lege meine Arme um seinen Hals und ziehe ihn grinsend zu mir.

„Na gut.“ Sage ich und küsse ihn. Zuerst küsst er auch zurück, doch leider scheint er meinen Plan zu durchschauen.

Er schiebt mich ein Stück von sich weg und sagt: „Ich weiß genau was du vorhast.“ Er streichelt mir über die Wange und sagt: „Wenn ich wieder komme können wir da gerne weitermachen, aber ich werde jetzt erst einmal losfahren.“

Okay, ich glaube ich kann aufgeben. Er zieht sich seine Jacke über und ich laufe noch mit ihm zur Tür.

„Mach dir einen schönen Tag, du kannst ja auch im Pool schwimmen gehen, oder in den Wellness Bereich gehen.“ Schlägt er vor.

Ich zwinge mich zu lächeln und sage: „Nein ich glaube nicht, ich hasse Wellness Bereiche.“

Er lacht küsst mich kurz und ist dabei zu gehen.

„Pass auf dich auf!“ rufe ich ihm hinterher.

„Immer.“ Ruft er zurück und ich schließe die Tür.

Na toll und was mache ich jetzt?

Deprimiert lasse ich mich auf die Couch fallen und schalte gedankenlos durch das Fernsehprogramm, bis ich schließlich entscheide ein Bad zu nehmen.

Ich kippe sämtliches Badezeugs in die Wanne und habe dann ein riesiges Schaumchaos, was ich ziemlich lustig finde.

Nach einer halben Stunde wird es dann aber doch langweilig. Mit meinem Handtuch laufe ich ins Schlafzimmer, es ist gerade einmal zwei Stunden her seit Ben weg ist.

Der Tag wird lang.

Nachdem ich mir was angezogen habe laufe ich in die Küche um mir Kaffee zumachen, doch bleibe stutzig stehen, weil die Tür zum Appartement offen steht.

„Ben?“ rufe ich verwundert.

„Nein, eher nicht.“ Sagt eine komisch raue Stimme und als ich kurz erschrocken aufschreie, spüre ich kurz danach eine Faust in meinem Gesicht und dann gar nichts mehr.

Ich lerne aber auch einfach nicht dazu, klar würde Ben die Tür nicht einfach offen stehen lassen.

Warum müssen die mir eigentlich immer ins Gesicht schlagen.

 

Als ich aufwache fehlt mir erst einmal irgendwie meine Erinnerung, doch als ich mich bewege und spüre wie als weht tut, fällt es mir wieder ein.

Verdammt.

Beim umsehen kommt mir der Raum komisch bekannt vor. Er ist komplett weiß und riecht so eklig klinisch rein. Ich selber bin unpraktischer Weise an der Wand angebunden. Also meine Hand und Fußgelenke sind mit Kabelbinderähnlichen Stricken befestigt, welche unangenehm in meine Haut einschneiden.

Mein Herz schlägt unruhig, da meine Erinnerungen an den Ort nicht positiv sind. Das letzte mal lag ich auf dem Tisch-festgekettet und Menschen in weißen Anzügen waren um mich herum verteilt, und dann bin ich im Wald aufgewacht. Was zur Hölle habe ich angestellt?

Die schwere Metalltür vor mir schwingt auf und ein Mann mit weißen Kittel kommt herein. Sein Gesicht erschreckend vertraut.

„Roselie Harrisson. Schon wieder.“ Sagt er mit einem dreckigen Grinsen und kommt auf mich zu.

„Kannst du dich wieder erinnern?“ fragt er und stellt sich genau vor mich.

Ich sehe ihn an, sehe ihm fest in die Augen, denn das soll angeblich Stärke beweisen.

„Du hättest es so einfach haben können.“ Sagt er mit einer Geste und komischen Tonfall.

„Einfach? Genau, weil ich ja kein Leben mehr hatte, klar ein Leben ohne auch irgendjemanden zu kennen oder irgendetwas zu können, das ist ein super Leben.“ Sage ich und sehe in verächtlich an.

„Ach Rose, immer noch so rebellisch wie damals.“ Sagt er und fast um mein Kinn. Ruckartig drehe ich mein Kinn weg.

„Warum habt ihr mich nicht umgebracht, ich meine was habe ich überhaupt gemacht?“ frage ich, da ich das tatsächlich immer noch nicht weiß.

„Du brauchst dich jetzt gar nicht dumm stellen, wir wissen, dass das Mittel versagt hat und dich an alles erinnern kannst.“ Sagt er aggressiver.

„Nein! Ich habe keinen Plan.“ Sage ich hysterisch.

Ohne Vorwarnung schlägt er mir in die Magengegend und ich stöhne laut vor Schmerzen.

„Du sollst nicht Lügen Rose, haben das dir deine Eltern nicht beigebracht?“ fragt er unter zusammengepressten Zähnen.

„Sie haben mir gar nichts zusagen.“ Zische ich, auch wenn ich kaum noch Luft holen kann und ich weiß, dass das jetzt ziemlih kontraproduktiv war.

Natürlich habe ich ihn jetzt noch wütender gemacht und der Mann hat sich absolut null unter Kontrolle und schlägt ein paar Mal auf meine Rippen ein, ich kann sie brechen hören.

„Du bist so ein feiges Schwein!“ sage ich, trotz der Schmerzen noch. Irgendwie ist mir gerade alles egal, weil ich das Gefühl habe, dass ich hier eh sterbe und ich im Moment einfach nur froh bin das ich Ben gestern noch gesagt habe, das ich ihn liebe.

Er macht mich tatsächlich von der Wand los, doch fehlt mir die Kraft mich auf den Beinen zuhalten und breche auf dem Boden zusammen.

„Jetzt besser?“ fragt er und tritt auf mich ein. Was ist sein verdammtes Problem?

„Ich habe keine verdammte Ahnung was ich gemacht habe!“ versuche ich zu schreien, doch meine Stimme bricht.

„Erzähl keine Lügen!“ ruft er mit extrem aggressiven Unterton und tritt mindestens fünfmal auf mich ein. Hustend merke ich wie mein Bewusstsein langsam verschwindet, doch ich kann das nicht auf mir sitzen lassen und frage: „Warum bringt ihr mich nicht um?“ Auf den weißen Fliesen läuft eine rote Blutspur davon und ich bin mir sicher es ist nicht die einzige, so wie mir alles weh tut.

„Weil das zu schmerzlos wäre, es würde dich nicht quälen und du sollst leiden für das was du getan hast.“ Sagt er. Was zur Hölle nochmal habe ich angestellt???

Er tritt zu-immer und immer wieder und mit jedem Tritt schwindet mein Bewusstsein ein wenig mehr, bis es schließlich ganz verschwunden ist.

Es ist komisch, dieses Mal fühlt es sich nicht an wie Bewusstlosigkeit. Es fühlt sich an wie fallen und etwas in mir will loslassen und mich einfach fallen lassen.

Immerhin habe ich meine Eltern nochmal gesehen und Ben gesagt, dass ich ihn liebe.

 

Irgendetwas in dem Raum pieps nervig und irgendwie riecht es widerlich nach Chemie.

Ich schlage meine Augen mit sehr viel Mühe auf. Super-Krankenhaus.

Was ist passiert?

Zu meiner rechten Sitzt Ben, seine Kopf auf seine Arme gelegt schläft er auf dem Rand von dem hässlichen Krankhaus Bett.

Ich hebe meine Hand an und es fühlt sich an wie das Schwerste was ich je getan habe und fahre durch sein dunkles Haar.

Ich wollte ihn nicht wecken, aber er wird wach und sieht verwirrt nach oben. Seine Augen sind rot, ob vor Müdigkeit oder vor Tränen wage ich nicht zu beurteilen, doch als er mich sieht wirkt er plötzlich hellwach.

„Oh mein Gott, Rose.“ Flüstert er und greift nach meiner Hand.

„Es tut mir so leid, es tut mir einfach nur so leid.“ Flüstert er und küsst meine Handfläche.

Verwirrt fahre ich mir über die Stirn. An meiner Hand hängen hässliche Schläuche und an meiner Stirn scheint ein Pflaster oder so zu kleben.

„Was ist passiert?“ frage ich, weil ich immer noch kein Bild im Kopf habe.

Ben fährt vorsichtig über mein Kinn. Mir tut alles, wirklich Alles weh.

„Kannst du dich nicht erinnern?“ fragt er und lacht traurig. Würde ich sonst fragen?

„Nein.“ Sage ich und suche vergeblich den blauen Glanz in seinen Augen.

„Kannst du dich erinnern, dass ich dich im Appartement alleine gelassen habe um Zentrale zu fahren?“ Fragt er und umgreift meine Hand. Das weiß ich wirklich noch-und schon kommt der ganze Rest hinterher geflogen, also zumindest bis ich bewusstlos geworden bin.

„Oh verdammt, ja ich weiß was passiert ist.“ Sage ich und betrachte die Schläuche an meiner Hand.

„Aber wie bin ich dort rausgekommen und was ist dann passiert?“ frage ich aufgeregt, weil ich schwören könnte, ich wäre dort gestorben.

„Ich bin zurück ins Appartement und als du dort nicht warst bin ich wieder zur Zentrale gefahren, habe diesen komischen Mann außer gefecht gesetzt und dich mitgenommen.“ Sagt er und irgendwie sieht er verdammt traurig aus.

„Und…wie lange war ich weg?“ frage ich vorsichtig.

„Drei Wochen.“ Sagt Ben und schluckt schwer.

„Rose, es tut mir leid, ich dachte ich würde dich nie wieder sprechen hören.“ Sagt er leise und kann sehen wie sich in seinen Augen Wasser staut.

„Was tut dir denn Leid?“ frage ich, da ich das nicht ganz verstehe.

„Das ich dich alleine gelassen habe, das ich nicht bei dir war um dir zu helfen, es tut mir nur so Leid.“ Flüstert er. Ich streiche ihm über die Wange und sage ruhig: „Das ist doch aber überhaupt gar nicht deine Schuld.“ Er hält meine Hand fest und sagt: „Doch, ich hätte bei dir sein sollen.“

Das ist Quatsch.

„Ben, du kannst nichts für meine Vergangenheit, es brauch dir nicht leid zu tun.“ Versuche ich ihm das auszureden.

Er antwortet nicht mehr.

„Weißt du nun eigentlich warum die mich gesucht haben?“ frage ich um ihn abzulenken und das große Rätsel zu lösen.

Er sieht mich an und sagt: „Ja. Du hast, als du dort gearbeitet hast Aufnahmen von Folterungen gefunden. Die Leute wurden so zu Geständnissen gezwungen und als sie herausgefunden haben das du es weißt, musstest du unauffällig verschwinden. Außerdem hat dieser komische Doktor eine Persönlichkeitsstörung und ist nicht vollkommen zurechnungsfähig.“ Sagt er mit einem schiefen Grinsen. Wer hätte das gedacht. Aber hey, ich war kein schlechter Mensch!

„Und was passiert jetzt?“ frage ich weiter.

„Die Leute die daran beteiligt waren sind verhaftet wurden, auf die kommt ein langer Strafprozess zu, außerdem müssen sie richtig viel Schmerzensgeld an dich zahlen.“ Sagt er. Na immerhin.

Total verrückt.

Die Ärzte sagen ich muss noch mindestens drei Wochen bleiben, da ein paar Rippen gebrochen waren und ich auch innere Verletzungen habe, die sie noch beobachten müssen, aber es sollen immerhin keine langfristigen Schäden bleiben. Mom, Dad und Tommy kommen noch am gleichen Tag mich besuchen und Tommy bringt mir sein Lieblings-Teddybär mit, damit ich mich Nachts nicht so alleine fühle. Ich glaube ich würde mich auch so Nachts nie alleine fühlen, da Ben immer da ist und mit hier schläft, die erste Zeit noch auf dem Stuhl daneben und als es mir besser geht schläft er einfach mit in meinem Bett. Meine Krankenschwester wusste davon, hat aber nie etwas dagegen gesagt, nur ihre Vertretung meinte das es nicht erwünscht ist.

Von meiner Krankenschwester habe ich auch erfahren das Ben tatsächlich die ganzen drei Wochen wo ich im Koma lag an meinem Bett saß und nebenbei locker seine Doktorarbeit geschrieben hat. Dieser Mann ist einfach nur unglaublich.

Bens Mom und Jane und Mat sind auch zwischendurch oft da gewesen und haben mich besucht. Die Zeit verging recht schnell und schon waren drei Wochen rum und auch wenn es mir noch nicht vollends perfekt geht bin ich mehr als nur froh aus dem Krankenhaus heraus zu kommen.

Mein Knie hat irgendwie ganz schön was abbekommen und wird auch noch etwas brauchen, das heißt ich muss noch etwas humpeln.

Ben kommt um mich abzuholen, ich bin gerade dabei meine Sachen in einer Tasche zu verstauen.

Er klopft kurz und kommt dann schnell rein.

„Hey.“ Rufe ich und suche meine Bücher zusammen.

„Na, wie geht es dir?“ fragt er und legt seine Hände auf meine Hüften.

„Ich glaube so gut wie in sechs Wochen nicht mehr.“ Antworte ich grinsend und lege meine Arme um seinen Hals.

Er streicht mir eine Strähne hinter mein Ohr und küsst mich kurz.

„Hast du alles zusammengepackt?“ fragt er und sieht sich um.

„Ja, ich habe alles.“ Antworte ich und humple zu meiner Tasche.

„warte, ich nehme die!“ ruft er erschrocken als ich sie tragen will.

„Du kannst doch selber noch nicht mal richtig laufen.“ Sagt er feststellend und greift nach meiner Tasche.

„Oh Gott, ich bin so froh hier herauszukommen.“ Sage ich erleichtert als wir das Zimmer verlassen.

„Ich erst!“ sagt Ben und küsst mich auf die Wange.

Ich klammere mich an seinen Arm und langsam laufen wir nach draußen zu seinem Wagen. Die Temperaturen sind deutlich gesunken und nun ist es schon nicht mehr so sommerlich warm, aber angenehm.

Wir fahren zum Haus meiner Eltern, denn ich habe versprochen dort aufzutauchen bevor ich irgendwo mit Ben hingehe.

Zuhause warten schon alle auf mich, Mom hat sogar Kuchen gebacken und ich genieße den Nachmittag mit meiner Familie und registriere zum ersten Mal das jetzt irgendwie alles vorbei ist, und das ich komplett von vorn beginnen könnte.

Endlich weiß ich was passiert ist und endlich kann ich ein normales Leben leben. Es ist mal wieder so wie es ist: Hätte ich nicht meine komplettes Gedächtnis verloren, wäre ich wahrscheinlich nie Ben begegnet.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 24.10.2014

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