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Kiriku

Sommer im Jahre 1997. Es ist Mittwoch - Sommerferien. Gelangweilt lehnt sich Dexter zurück an seine Zimmerwand. Dieses ist Lichtdurchflutet, und wird nur selten von vorbei fliegenden Wolken verdunkelt. Ein dumpfer Schlag erregt seine Aufmerksamkeit. Er stützt seine beiden Hände auf den Boden und drückt sich nach oben, verlässt sein Zimmer und trottet gezielt in die Richtung aus dem das Geräuch kam. Grinsend betritt er das Nachbarzimmer. Er lässt seinen Blick durch den zierlichen Raum wandern. Die grünen Wände sind mit einigen Postern versehen, darunter ein schmales Bett, gefolgt von einem dunklen Kleiderschrank. Auf der anderen Seite findet er einen Schreibtisch, welcher jedoch unter unterschiedlichen Dingen begraben ist. "Versteckst Du dich wieder?", fragt Dexter in einem schon fast gelangweilten Ton. Plötzlich rollt der Stuhl, welcher vor dem Schreibtisch abgestellt worden ist, zurseite. Dahinter enthüllt er einen Jungen im Alter von etwa dreizehn Jahren. "Woher weist Du das?", entgegnet dieser, während er kriechend hervor klettert. Dexter hingegen schenkt ihm nur ein wissendes Grinsen. Er ist nun neunzehn Jahre alt, und seit geschätzten sieben oder acht Jahren in dem kleinen zweihundert Seelen Dorf - Vallings in  den USA. Sein braunes, rost-rot schimmerndes Haar, verlief ihm bis zu seinem Nacken. Oft verbindet er dieses zu einem Zopf, wie heute. Sein Gesicht war blasser, als das eines anderen in seinem Alter. Um seine Augen zeichneten sich schwarze Augenringe. "Kommst Du mit, Schafmütze?". Provozierend drehte er sich um, bereit den Raum zu verlassen. Der kleine Junge, Lee, um ihn bei seinem Namen zu nennen, sprang sofort auf und umklammert das Handgelenk von seinem großen Bruder. Der heranwachsende nickt ihm kurz zu, und begibt sich zurück in sein Zimmer. Er schnappt seine, auf dem Bett liegende, rote Jacke. Während er diese über sein graues, an den Enden der Ärmel, schwarz gestreiftes Hemd, zieht, hört er wie Lee die Treppen hinunter stürmt. Er setzt seine nächsten Schritte zurück in Richtung Flur während er sich suchend um blickt. Da war es ja! Er beugt sich nach unten, um es aufzuheben. Er befestigt seinen Fund mit einem kleinen Karabiener, an seinem Gürtel. Er streicht ein letztes mal über seine weite, dunkel blaue, Jeans, und setzt seinen Weg in Richtung Treppe fort. In der Küche angekommen, betrachtet er seinen kleinen Bruder, er unterhält sich mit seiner Mutter. Jedoch kann er kein Wort verstehen, alles um ihn herum ist nur ein dumpfer Geräuchpegel geworden. Sein Blick wandert bereits vor sich auf den Boden. Seine Gedanken beginnen zu kreisen - doch er wusste nicht um was. Erst als seine Mutter vor ihm steht, scheint er wieder komplett anwesend zu sein.

 

"Was gibts, Mum?". Diese mustert nur angestrengt sein Befund an seinem Gürtel. Sie beginnt einen schon fast nicht hörbaren Seufzer auszuatmen - ihre Lippen formen sich wieder zu einem lächeln. "Hast Du deine Tabletten schon genommen?". Genervt schüttelt er den Kopf. Dexter läuft an ihr vorbei, schnappt sich die auf der Küchenzeile liegende Packung, und nimmt eine der Medikamente. Ohne ein weiteres Wort verschwindet er durch die Hintertür der Küche, raus in den Garten. Lee's Blick wandert ihm nach. Große, golden erscheinende Felder erstrecken sich vor ihm. Diese wiegen sich beruhigend in dem vorbeistreichenden Wind. Seine linke Hand wandert an seinen Gürtel, löst es von seinem Karabiener. Legt seine zweite Hand darum und betrachtet es - minutenlang. Ohne es bemerkt zu haben, schleicht sich ein zufriedenes Grinsen auf sein Gesicht. Diese großen, langen Ohren. Spitze, grünlich, gewundene Hörner. Überdeckt von einem durchgehenden Grau. Diese lange Schnauze. Die schwarz-klaffenden Augenhöhlen. Umrundet von weiteren schwarzen Musterungen. Es war seine Maske. Eine Mythos erscheinende Wolfsgestalt. Es war sein zweites Ich - Kiriku - wie er es gerne nennt. "Heute nicht .... " mahnt er sich. Nach einer gefühlten Stunde betritt er wieder das Gebäude. "Wärst Du so lieb?", kann er von seiner Mutter schließlich hören, bevor sein kleiner Bruder an ihm vorbei, hinaus aus dem Haus, stürmt. Noch bevor er seinem Bruder hinterher blicken kann, fällt die Tür bereits in ihren Riegel zurück. Seine Augen wandern zu der Frau weiter, die einige Meter von ihm entfernt steht. Der Kopf dreht sich weiter, er geht zurück in sein Zimmer. Der Raum war nun in ein sanftes rot getaucht. Nun huschten immer öfter skurille Schatten vorbei. Er legt seine Maske auf seinen Schreibtisch, geht weiter zu seinem hölzernen Bett. Dexter legt sich unbehutsam darauf. Er hebt seinen Arm und betrachtet sein Handgelenk - so blass wie der Rest von ihm. Wie die Adern langsam Blut durch seinen Körper pumpen. Der schmale Brustkorb heb und senkt sich in ungleichmäßigen Abständen. Der, durchgängig arbeitende, pumpende, Muskel in seiner Brust schlug mit einem mal schneller. Der Riegel aus seiner Tür entsprang plötzlich, die Tür öffnet sich für einen Spalt. Entspannt wandert sein Blick hinüber. Lee drückt sich durch die, zuvor geöffnete, schmale Spalte und tritt vor seinen Bruder. Sein Blick - Dexter wusste genau was nun er nun sagen würde. "Mama macht sich sorgen... weist Du? Sie hat gerade wieder mit deinem Arzt tele - ...". Sein Satz wurde mit einem dumpfen Knurren unterbrochen. Dexters Augen verengen sich, starrt mit seinen grünen in seine. Der kleine Junge weicht seinem Blick aus. Bereit erneut etwas zu erzählen, er schluckt es lieber herunter und verlässt das Zimmer. Dexter war bereits eingeschlafen, wurde jedoch plötzlich aus unerkennbaren Gründen wach. Selbst in der Nacht, scheint sein Zimmer Lichtdurchflutet. Durchtränkt ist es jedoch mit markaberen Schatten, die seine Zimmerwand hinaufkriechen scheinen zu wollen. Er dreht seinen Kopf zu seinem Fenster, unter dem der Schreibtisch steht.

Nebelfluten streichen über die Felder. Moment .... Steht dort nicht etwas? Angestregnd richtet er sich auf. Nur schwer kann er seinen verschlafenen Körper hinüber zum Fenster zwingen.

 

Er verengt seine Augen, um besser sehen zu können. Die Schatten der auf dem Feld wachsenen Bäume werfen einfach zu großen Schatten, kaum etwas war zu erkennen. Mit einer Hand griff er nach etwas, zog es sich über seinen Hinterkopf und rückte es über seine Augen. Es ähnelte einer Schweißerbrille, runde, orangefarbene Gläser. Mit dieser könnte er problemlos hinunter sehen können. Aus dem Nebelfeld streckt sich ein gekrümmtes Wesen hervor. Sein Kopf scheint in seine Richtung zu blicken. Stumm. Nicht rührend. Seine Beine kann er nicht erkennen. Und seine Hände? Kalter Schweiß läuft seiner Stirn herunter. Beginnend bei den Beinen spürt er, wie sein Körper zu zittern beginnt. Es scheint keine Hände zu besitzen, seine exzentrisch dünnen Arme scheinen maschienell. Diese Enden in Sichelartigen gebilden.  Luftschnappend, schon fast keuchend richtet Dexter sich auf. Seine Hand wandert an die Stelle, an der das Herz sitzen sollte, dieses scheint fast schon aus seiner Brust springen zu wollen. Mit einem schnellen ruck windert er sich aus seinem Bett. Sonnenstrahlen blenden ihn schmerzhaft, sodass er beide Hände vor sein Gesicht legen muss. Ein erleichtertes seufzen ist zu hören als er realisiert, dass das bloß ein Traum gewesen sein muss.  Die linke Hand streicht durch sein Haar. Er stockt als er etwas auf seiner Stirn  spürt. Seine spitzen Finger tasteten dannach - es war seine Brille, welcher im Traum angezogen hatte. Ohne zu zögern schnellt sein Blick aus dem Fenster.


 Nichts. Erst nach langen, gefühlten Minunten, kann er sein Blick losreissen und aus seinem Zimmer heraus gehen, die Treppen hinunter, in die Küche. Seine Mutter sitzt am Tisch, eine ausgebreitete Zeitung vor sich. Aufgeregt stürmt Lee zu ihm. "Hast Du das auch schon mitbekommen?! - Die Polizei scheint zwei Leichen gefunden haben - aufgeschlitzt." Interessiert begutachtet nun auch Dexter die Zeitung. "Daily News 11.06.1997", kann er lesen. Sich abwendend geht er hinüber zu der Küchenzeile, nimmt seine Medikamente. Beim einnehmen der Tablette verzieht er kurz das Gesicht. "Könntest Du bitte für mich einaufen gehen?" Seine Mutter sieht ihn bittend an. Ein genervtes schnauben gibt er von sich. "Kann Lee das nicht tun?" Er dreht sich in Richtung Fenster. Ein ebenso genervter, und enttäuschter Blick folgt ihm. Ohne große wiederworte, sammelt Lee seine Sachen und begiebt sich nach draußen. "Hör mal..." ,beginnt seine Mutter, "Der Arzt sagt, es sei nicht gut, wenn Du weiterhin diese Maske besitzt." Ein unangenehmes schweigen füllt das Zimmer. "Dexter?". Ruckartig dreht er sich zu der Dame um. "Kirikiu!" korrigiert er. "Ich habe einfach kein bock mehr in eurer langweiligen Welt zu leben, mir vorzulügen, dass alles in Ordung sei - was es aber nicht ist!"  fügt er fauchend hinzu. Ein knarren ist zu vernehmen, als die Mutter den Stuhl zurück rutscht um aufzustehen. "Du bist der jenige der sich hier eine Welt zusammen lügt!" erwiedert diese. Ihre Augen sind mit Tränen gefüllt - nicht aus Trauer, wohl eher aus verzweiflung. Dexter holt schon erneut Atem, um ihr zu wiedersprechen. Die Diskussion wurde jedoch durch ein unheilvolles quitschen und einem folgenden scheppern unterbrochen. Dexters Augen weiten sich mit einem mal. Nach dem er für einen Moment unfähig war, sich zu rühren, stürmt er mit fest geballten Fäusten an der Mutter vorbei. Hinaus auf das Feld. Sein Kopf schwenkt er über die Umgebung. Seine Beine leiten ihn in Richtung Straße. Noch bevor er realisieren kann, was geschehen ist, kommt seine Mutter schluchzend neben ihm zu stehen. Eine Tasche mit verschiedenen Lebensmitteln liegt verteilt auf der Straße. Eine rote Flüssigkeit glitztert in der Sonne, welche sich langsam auf der Straße ausweitet. Lee's linkes Bein scheint merkwürdig verdreht. Er liegt sich kaum rührend auf dem Blut getränkten Asphalt. Dexter erscheint das alles unwirklich. Seine Augen mehr auf das Blut gerichtet, als auf seinen Bruder. Unbeholfen schwankt er auf ihn zu. Seine Knie sinken neben ihn. Unfähig ein Wort herauszubringen.


Am Abend sitzt er gemeinsam mit der Frau, mit der er sich noch heute Mittag gestritten hatte, am Tisch. Sieht zu ihr, wie sie das Telefon an ihr Ohr hällt. Ab und zu ein Wort hervor bringt. Endlich legt sie dieses zurseite. "Er schafft es .... ". Starrt ausschließlch auf das Telefon. Der Junge erhebt sich, verschwindet in seinem Zimmer. Er starrt seine Maske an. Er greift nach dieser, streicht einmal darüber, bevor er diese aufsetzt. Seine Sicht verschwimmt etwas, kann sich jedoch auf den Beinen halten. Langsam geht er zu seinem Spiegel, betrachtet seinen schlacksigen Körper. Seine lange, rote Jacke, sein graues Shirt. Unmerklich schleicht sich ein Grinsen auf sein Gesicht. Ein leises, aber doch hörbares, lachen ist zu hören. Mit festen Schritten stapft er auf das geöffnete Fenster zu. 

Seine rechte Hand legt er auf das Fensterbrett, und schwingt sich in die Abenddämmerung. Das sich im Luftzug windene Feld, scheint Blutrot. Schnell verschwindet er im nahe gelegenen Wald. Um ihn herum wuchern viele fremdartige Bäume. Befremdliche Kreaturen huschen an ihm vorbei. Unbeirrt geht er weiter voran. Plötzlich, aus dem nichts auftauchend, steht jemand vor ihm. Schwarze, leere Augenhöhlen. Dunkel blaue Jeans. Ein graues Shirt. Eine rote Jacke. Lange, graue Schnauze. gewundene grünliche Hörner, schwarze Verziehrungen um die nicht vorhandenen Augen. Braunes, rost-rot schimmerndes Haar. Es beginnt ein schon fast unheimliches, aber doch beruhigendes Grinsen aufzusetzen. Das vor ihm hatte keine Maske über sein Gesicht gesetzt. Das war seine wahre Gestalt. "Es wird dich noch mehr Opfer kosten, wenn Du nichts unternimmst..." mahnt es, mit einer kalten, durchdringlichen Stimme. Dexters Körper beginnt zu zitter. Aber wieso? Er kennt es doch. Es war Kiriku. Stumm nickt er ihm zu. Durch die schmalen Augenhöhlen der Maske kann er erkennen, wie die pfahle Hand von der Gestalt gegenüber auf ihn zu kommt. Ein dumpfer Schlag ist zu vernehmen, als die Maske vor ihm den Boden berührt. Er beugt sich nach unten, tastet mit seinen Fingerspitzen nach der Maske. Ein letztes klacken hallt durch Wald, nach dem er die Maske wieder an seinem Gürtel befestigt hat. Er rückt seine ungewöhnliche Brille wieder zurück, um sich wieder in der bedrückenden Dunkelheit zurecht finden zu können. Mit schnellen, unsicheren Schritten, geht er den geglaubten Weg entlang. Das Unterholz gibt beklemmende vertonungen von sich. Immer wieder dreht er seinen Kopf nach hinten, um sicher zugehen, dort sei nichts. Plötzlich stoppt er. Sein Haus war ist noch wenige hundert Meter entfernt. Der dämmergraue Nebel jedoch übermahnt die Umgebung. Ein unheilvolles quietschen durchschlägt die Stille. Es ist mit einer alten sich öffneten Metalltür zu vergleichen. Die Geräusche kann er als Schritte ausmachen. Eine sinistere Kreatur enthüllt sich.

Die Beine scheinen keine Unterschenkel mehr zu besitzen, als seien diese durch lange, veraltete Metallstäbe ersetzt worden. Es sieht aus, als habe die Kreatur zu viel Muskelmasse, und zu wenig Haut. Ihr Oberkörper bewegt sich, als hätte man ihn unter Strom gesetzt - als wolle er aus seiner zu engen Haut entkommen. Dort wo der Kopf saß, zeichnen sich nur tiefe Gruben ab, wo das Gesicht sitzen sollte.

Statt Hände besitzt es Sichelähnliche Gebilde. Der Rücken ist krumm, nach vorne gebeugt. In einem schnellen wechsel heb und senkt sich der Brustkorb des heranwachsenden. Er schließt fest seine Augen, schlägt fluchtartig an dieser Kreatur vorbei. Rennt immer weiter, hört die knarrenden Schritte hinter sich - diese waren jedoch langsam und entspannt, als wüsste es, dass es ihn ohne hin bekommen würde. Der Nebel peitscht in sein Gesicht. Langsam löst ein beunruhigendes Grinsen, die Panik von seinem Gesicht ab. Er setzt seinen Weg nach links weiter, in das nahe liegende Gartenhaus. Zum Glück ist dieses nie abgeschlossen. Er reist mit beiden Händen die zwei Flügeltüren des kleinen Schuppens auf. Gemütlich betritt er es. Ohne sich weiter umzusehen, geht er zielsicher auf ein Regal zu. Nur mit einem weiteren Griff packt er kleines Beil. Als hätte er es bereits zurecht gelegt. Seine Hand wanderte an seine skurille Birlle, schob dieses entpsannt nach oben. Das Beil verstaut er, neben seiner Makse, an seinen Gürtel. Seine grünen Augen huschen durch den dunklen Raum, nun war es schwerer etwas zu sehen, doch trotzdessen kann er, ohne größere Probleme, finden er was er sucht. Ein Messer - es besitzt eine breite, sich leicht gewundene Klinge. Ein beängstigendes Lachen hallt auf. Sicher tritt er heraus. Das lachen wird durch das knarrende quietschen abgelöst. Wartend, setzt er sich ein weiteres mal die Maske über sein Gesicht. Ein angenehmer Wind streicht über ihn hinfort. "Ich bin Kiriku ... " gibt er bestätigend von sich, bevor er mit der Klinge ausholt und es hinter sich, in den Körper rammte. Warmes Blut strömt über seine Hand. Gleitet langsam seinen Arm entlang. Er dreht seinen Oberkörper herum und drückt langsam das Messer immer weiter nach oben. Ein langer Schnitt zeichnet sich auf dem Körper ab, bevor er es aus dem noch atmenden Körper zieht. Ein zufriedenes lachen vermischt sich mit dem Schrei der Kreatur gegenüber. Keuchend geht dieses zu Boden. Eine warme, Blut durchtränkte Hand klammert sich um das Bein des Jungen. "Du hast recht.... Du bist Kiriku. - Dexter würde so etwas nicht tun, nicht mein Sohn.", gab die Gestalt schwer atmend von sich. Der Griff lockerte sich. Das Messer klemmt er auf die andere Seite des Gürtels. Verschwindet zwischen den Nebel - lachend. In den letzten Wochen konnte man vermehrt von Opfer eines Mordes in der Zeitung lesen.
. Alle hatte ein gemeinsames Merkmal. Irgendwo am Körper waren die Worte "This World is a lie" eingeritzt bekommen. 

Vertraue Mir

 

Darf ich mich kurz vorstellen? Ich bin Nira, momentan elf Jahre alt und schreibe jeden Tag in mein kleines Tagebuch. 


12.02.2003

Heute versteckte die Sonne sich wieder hinter einer großen Wolkendecke. Regen fiel bereits seit heute morgen herunter. Ununterbrochen.  Meine Eltern sind vermutlich bereits in ihrem Flugzeug, in Richtung Urlaub. Ich wollte nicht mitgehen. Mir gefiel das Angebot, für eine Woche bei meiner Tante aus der Nachbarschaft zu bleiben, viel besser. Gegen 10:15 Uhr holte sie mich Zuhause ab, packte meine kleine grüne Tasche in den Koferraum und fuhren zu ihr. "Ich habe eine kleine Überraschung Zuhause." gab sie zwischenzeitlich von sich. Natürlich war ich aufgeregt. Was das wohl sein mag? Ich grübelte den ganzen Weg, was sie wohl damit meinen könnte. Kurz nachdem wir die Einfahrt erreicht hatten, riss ich die Tür auf und stürmte aus dem Auto. Ungeduldig schnappte ich mir meine Tasche aus dem Kofferraum und wartete vor der Haustür. Meine Tante lächelte mir bloß zu. Nachdem der Schlüssel den Riegel der Haustür zurückrutschen lies, betrat ich ihr gemütlich aufgeheitztes Haus. Vor dem Eingang befand sich eine lange, breite Treppe. Nach links konnte man in die Küche blicken, auf der gegenüberliegenden Seite befand sich das Wohnzimmer. Nachdem ich aus meinen Schuhen heraus geschlüpft bin, stellte ich meine Tasche in das Wohnzimmer, wo meine Tante bereits das Geschenk aus dem Schrank hob. Zu erblicken bekam ich einen kleinen bläuchlich, schwarz gemusterten Hasen. Seine ebenso kleinen Glasaugen schimmerten gelblich. Auf seinem Gesicht war ein zufriedenes Lächeln gestickt worden. Herzlich nahm ich das Kuscheltier in die Arme, drückte es fest an mich. "Oh...Danke schön!",

kam es überglücklich aus mir heraus. Nachdem wir gemeinsam zu Abend gegessen, eine Runde Monopoly gespielt und zusammen einen Film gesehen haben, zeigte sie mir, wo sich mein Zimmer für die nächsten sieben Tage befand.  Müde tappste ich mit meinen nackten Füßen über den kalten Boden. Das Bett stand direkt neben der Tür. Gegenüber befand sich ein breites Fenster. Daneben war ein Schreibtisch und ein Fernseher deponiert. Gähnend, und mit dem blauen Hasen im Arm, verkroch ich mich in das gemütliche Bett. Meine Tante deckte mich zu, bevor ich bereits einschlief. Ein merkwürdiges kratzen riss mich aus den Träumen. Langsam öffnete ich meine Augen, es war alles noch sehr benebelt. Ich glaubte in den ersten Momenten, dass das kratzen von draußen kam, oder noch aus meinem Traum, da ich noch immer im Halbschlaf war. Langsam wurde ich aber wach. Das kratzen war noch immer zu hören. Mein Blick richtete sich in Richtung Fenster. Der Mond blickte hinein, und erleuchtete fast das gesamte Zimmer. Das kratzen jedoch schien nicht von draußen zu kommen. Dafür konnte ich es einfach zu deutlich hören. War es aus dem Nachbarzimmer? Vor meiner Tür? ... Oder doch unter meinem Bett? Ängstlich zog ich die Decke über meinen Kopf, den Hasen fest an mich drückend. Dieses Geräuch war nur noch dumpf zu hören, das beruhigte mich. Ich konnte zum Glück auch schnell weiter schlafen.

 


13.02.2003

Gähnend streckte ich mich in meinem Bett. Die Sonne verteilt skurille Schatten in meinem Zimmer. Aber sie gefallen mir irgendwie. Sie schienen schon fast zu tanzen! Ich war so fasziniert davon, dass ich meine Tante gar nicht herein kommen hörte. Sie bat mich zum Frühstück herunter zu kommen. Sie schloss hinter sich die Tür. Langsam stand ich auf, kramte mir meine Klamotten aus der Tasche und zog mich um. Als ich auf dem Weg in Richtung Tür war, stockte ich für einen Moment. "War das schon immer da?" schoss mir durch die Gedanken. Kopfschüttelnd wand ich mich ab, öffnete die Tür und ging den kleinen Flur entlang, die Treppe herunter, in die Küche. Als ich die Küche betrat, setzt sie sich gerade mit einer Tasse Kaffe an den Tisch und ich mich neben ihr. "Sag mal, waren die Kratzer schon immer an der Tür oben - im Gästezimmer?". Sie nahm einen Schluck aus ihrer Tasse. "Ja, schon vor einigen Jahren tauchten sie plötzlich auf. Doch ich weis nicht woher...".

Ich wusste nicht was ich davon halten sollte, aber ich fragte nicht weiter.  Nach dem Frühstück sind wir gemeinsam weg gefahren. Waren einkaufen, und später im Zoo. Am Abend, nachdem ich eine Sendung im Fernseher zu ende gesehen hatte, begab ich mich wieder in mein Zimmer. Nachdem ich meiner Tante noch eine schöne Nacht wünschte, dauerte es wieder nicht lange, bis ich eingeschlafen bin. Plötzlich war es da wieder. Dieses kratzende Geräuch. Als würde jemand seine Pranken in eine hölzerne Wand schlagen. Ich hatte es am Tag über komplett vergessen. Ich richtete meinen Oberkörper auf. Der Mond war fast komplett hinter Wolken versteckt. Ich konnte ausmachen, dass das kratzen irgendwo in meiner nähe war. Ich befürchte, dass sich eine Kreatur in meinem Zimmer verstecke, und wenn ich zu schreien beginnen würde, dass es sich auf mich stürzte... Ich schüttelte den Kopf, um diesen Gedanken loszuwerden. Wieder wie gestern Nacht, überdeckte ich meinen Kopf mit der Decke. Den Hasen fest in meinen Armen verstaut. Es schien zu helfen. Denn wieder konnte ich ohne mühe einschlafen.

 


14.02.2003

Ich rollte mich herum. Noch immer im Halbschlaf. Ich taste in meiner Hand nach dem Geschenk, welches ich von meiner Tante erhielt. Meine Finger konnten, außer der Mattratze unter mir, nichts finden. Ich öffnete meine Augen, um nachzusehen ob es vielleicht irgendwo unter der Decke war. Nichts. Mein Kopf wanderte weiter in Richtung Boden. Auch dort war es nicht. Angestrengt begann ich zu überlegen, ob ich gestern Nacht noch aus dem Zimmer gelaufen sein könnte. Mit einem Sprug stand ich auf den Beinen, und lief auf die Tür zu. Ich beachtete nicht weiter die Kratzspuren, da sie mir ja bereits bekannt waren. Also ging ich in den Flur weiter. Suchend, nach dem kleinen blauen Hasen. "Wer sucht, der findet!", glitt es mir grinsend über die Lippen. Das Kuscheltier lag einsam vor der Treppe. Wie er wohl dort hin kam? Ich erklärte es mir damit, dass ich ihn wohl morgens, nachdem ich wahrscheinlich etwas trinken war in der Küche, ihn dort fallen lassen habe. Meine Tante begrüßte mich mit einem freundlichen Lächeln.  Am Vormittag schaute ich einen Film im Fernseher, zeichnete etwas und machte mit meiner Tante einen Spaziergang. Am Nachmittag gingen wir in ein großes Schwimmbad, kamen erst spät zurück. Ich war bereits im Auto eingeschlafen und meine Tante muss mich wohl in mein Zimmer getragen haben. Diese Nacht schien ich nicht aufgewacht zu sein. Vielleicht lies mich dieses etwas jetzt in Frieden?

 


15.02.2003

Ein wisperndes Geräuch weckte mich auf. Als mein Blick auf die Digitaluhr wanderte, zeigte sie 5:43 Uhr. Es war noch dunkel. Ich wurde schnell wach, denn diese Stimme lief mir Eiskalt den Rücken herunter. Ich versuchte zu verstehen, was es sagen würde. Jedoch waren es keine Worte. Es ähnelte einem kurren, gemischt mit einem leisen wimmern. Es schien sogar näher, als das kratzen der letzten Nächte. Ich verkroch mich ein weiteres mal unter meiner Decke. Mein Atem war schneller. Wo war es? Ich vermutete, dass es vielleicht vor meinen Bett stand. Aufgrund der Dunkelheit konnte ich es davor nicht sehen. Ein subtiles keuchen erfüllte den Raum. Es war langsam, gleichmäßig. Schon fast beruhigend. Aber dieses wimmern .... Aus dem Gang waren Schritte zu vernehmen. "Aufstehen! Die Sonne scheint schon.", konnte ich hören, als die Tür aufgerissen worden ist. "Es schon Zehn Uhr, Nira." erklärte meine Tante, bevor sie wieder in ihre Küche verschwand. Ich muss wohl wieder eingeschlafen sein. Vielleicht war es auch nur ein Traum? Heute war geplant, dass wir gemeinsam ins Kino gehen. Jedoch war der Film ausverkauft, daher verschoben wir es auf morgen. Glücklicherweise hatte meine Tante immer ein Plan B auf lager. Wir trafen uns heute mit meinem Onkel, der hatte eine Zeit im Zirkus gearbeitet. Ich mochte ebenfalls, der konnte uns immer so coole Tricks zeigen!


Als wir Zuhause waren, verlief der Abend eigentlich wie fast immer. Nur diesmal grübelte ich, ob ich überhaupt noch in diesem Raum schlafen sollte. Jedoch tat ich die Vorfälle als nicht geschehen ab und betrat das Zimmer. Nachdem ich das Licht löschte, und das am kleine Nachtlicht einschlatete, griff ich mir den kleinen Hasen vom Schreibtisch. Müde ging ich auf das Bett zu. Schon im nächsten Moment schlang sich etwas kaltes, dünnes um meine beiden Fußgelenke. Mit einem mal zog es daran und brachte mich zu fall. Ich konnte mich meinen Hände noch am Boden abstützt und schlimmeres verhindern. Das Kuscheltier flog etwa eine Armlänge vor zu Boden. Mein Herz drohte aus der Brust zu springen. Mein Brustkorb hob und sank sich in einem schnellen Tempo. Ein bizarres knacken war zu hören - meine Gedanken schossen wild umher. Dieses etwas begann mich unter das Bett zu ziehen. Ich konnte nichts erkennen, die Schatten hatten die Überhand. Voller Panik wirbelte ich meine Beine umher, in der Hoffnung ich könnte mich befreien. Gleichzeitig tasteten meine Fingerspitzen nach dem Hasen. Er gab mir immer das Gefühl von Sicherheit. Jetzt würde er mir sicher auch helfen! Verzweifelt streckte ich den Arm immer weiter. Ja! Ich hatte ihn erwischt. Ich drückte ihn ohne zu zögern fest an mich. Der Versuch, nach Hilfe zu schreien, konnte ich vergessen. Ich hatt kaum Luft in meiner Lunge um das noch fertig zu bringen. Als ich diesen Hasen fester und immer fester an mich drückte, lies diese Kreatur locker. Verschwand vermutlich. Erschöpft bemerkte ich nicht, dass ich sofort einschlief.

 


16.02.2003

Gleich am nächsten morgen, nachdem ich aufwachte. Stürmte ich angsterfüllt zu meiner Tante. Ich erklärte ihr, was geschah. Wir schauten gemeinsam im Zimmer nach - natürlich, sie fand nichts. Noch immer zitternd drückte ich den kleinen Lebensretter an mich, als ob ich nie wieder loslassen wollen würde. Am Mittag saß ich mit meiner Tante im Garten, über das Ereigniss nachdenkend. Dabei erblickte ich einige Kinder aus der Nachbarschaft, ebenfalls in ihrem Garten und im wohlmöglich ähnlichem Alter. Ich hatte sie schon öfter gesehen. Die Mädchen saßen oft mit ihrem kleinen Koffer auf ihren Gartenmöbel und schminkten sich, spielten mit ihren neuen Handys oder schauten gemeinsam langweilige Fernsehsendungen. Manchmal, so wie heute, trafen sie sich mit anderen Kindern in ihrem Alter. Hörten laute Musik und tranken Energy Drinks. Sie schienen ihre älteren Geschwistern nacheifern zu wollen. Ihre kindliche Fanatsie viel zu früh weg zu geben.  Nachdem wir nach dem Kinobesuch wieder im Auto saßen, und zurück fuhren, begann meine Tante mir etwas zu erzählen.

"Ich habe mich schon immer für unsere Familiengeschichte interessiert. Damals kamen unsere Vorfahren aus dem Asiatischen Gebiet. Viele von ihren glaubten an Buddha, und waren Mönche. Sie überlieferten eine kleine Geschichte, die heute noch kaum präsenz ist. Sie erläutert, dass Kinder, bis zu ihrem 27 Lebensjahr, anfällig für Seelenraube sind. Kleine Kreaturen verstecken sich dabei oft irgendwo in unseren Häusern, warten bis die Kindern einschlafen. Ältere Menschen sind dabei nicht mehr gefährdet, sie können sich physisch zu gut abblocken. Kinder mit viel Fantasie sind dabei geschützter als andere, sie erlauben das Glauben an "Suhikenzo". Asiatische Schutzdämonen. Andere jedoch verlieren ohne Fantasie den Glauben an sie, daher können sie nicht beschützt werden - so kann man viele ungeklärte Kindestode erklären. Die Medien vertuschen es mit einem normalen Herzstillstand, bloß weil sie es nicht besser wissen." Interessiert bllickte ich meine Tante an. "Das muss es sein!" ,brach es aus mir heraus, "Dein Geschenk muss eines von diesen Schutzdämonen sein...". Am Abend hatte ich mich entschieden Sicherheitshalber bei meiner Tante im Bett zu übernachten. Diese Nacht war es nicht so leicht einzuschlafen. Ständig musste ich an gestern denken. Was wenn es wieder kam? Doch der Gedanken, dass mein kleiner blaue Hase mich beschützen würde, beruhigte mich. 

 


17.02.2003


Am Frühstückstisch schaltete meine Tante das Radio ein. Es wurde von einem Mord aus der Nachbarschaft berichtet. Ein Kind wurde ausgeweidet in Kinderzimmer gefunden. Spuren für einen Einbruch konnten jedoch nicht festgesllt werden. Bei dem Gedanken, dass eines dieser Monster gewesen sein könnte, wurde mir etwas schlecht. Ich schob dabei meinen Teller an die Seite.  Ich ging wieder nach oben in das Gästezimmer. Ich zog mein Nachthemd aus und kleidete mich um. Mein Blick wanderte dabei auf das Bett. Der kleine blaue Hase lag dort. Aber wie kam er dort hin? Ich wurde aus den Gedanken gerissen, als meine Tante mir zuruf, dass sie kurz bei den Nachbarn sei. Mein Kopf wendete sich wieder zu dem Bett. Er war weg. Mein Herz schlug panisch in meiner Brust, als ob es wüsste, dass etwas nicht stimmt. Dabei blieb mein Blick auf den Kratzspuren stehen. Ich trat näher heran. Es waren nicht bloß irgendwelche Kratzer. Ich glaubte, dort etwas lesen zu können. Und es waren mehr als letztes mal. Noch bevor ich entziffern konnte, was dort stand, raubte mir eine knarrende Bodendiele die Aufmerksamkeit. Vier blutrote, schon fast schwarze Pranken standen am Ende es Raumes. Darüber verbanden knochige Beine einen abgemagert aussehenden, mit einem ebenso gleichfarbenen felligen Körper. Zwei lange Schweife peitschten durch die Luft. Spitze Ohren waren nach vorne Gerichtet um alles zu hören. Der Kopf war ausschließlich ein großes Skellet. Lange, dünne, weiß-gräuliche Schnauze. Schwarze leere Augenhöhlen. Sich übereinander schneidene Fangzähne. Die zwei Kiefer schienen nur noch durch vereinzelnde Sehnen zusammen gehalten zu werden. 


Mich kaum auf den Beinen haltend Schritt ich immer weiter zurück in Richtung Tür. Ich drehte meinen Kopf für einen Moment, um sehen ob die Tür offen war. Dabei bemerkte ich ein weiteres mal die Kratzspuren auf dem Holz, diesmal konnte ich es lesen. "Halte Dich von dem Hasen fern." ... Noch bevor ich etwas realisieren konnte durchfuhr mich ein stechender Schmerz. Ich konnte mich nicht mehr auf den Beinen halten und stürzte zu Boden. Ich blickte auf die schmerzende Stelle. Es pulsierte. Durch meinen unteren Teil des Beinen wurde ein Messer hinein gehauen! Blut überströmte den Boden um mich herum. Bloß ein verwirrtes und schmerzerfülltes keuchen konnte ich von mir geben. Dieses wurde von einem wiederlich, in meinen Gedanken immerwieder hallendes, lachen ersetzt. Ich blickte dem kleinen blauen Hasen, welcher sich vor mir aufbäumte, in die Augen. Sein unschludiges Lächeln wurde durch ein verstörendes Grinsen ersetzt.  Noch bevor er etwas ausführen konnte, hörte ich ein krachendes Geräsuch neben mir. Benebelt vom Schmerz schaute ich schließlich auf. Der Kiefer der befellten, zweischweifigen, Kreatur schnellte neben mir zu. Die wuchtigen Zähne durchstachen das vorher blaufarbene Tier, welches nun Blutdurchtränkt war. 


"Vetraue mir." schnaufte die Kreatur berhuigend, nachdem es das Monster, welches mich fast umbrachte, zerissen hatte.

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Tag der Veröffentlichung: 10.08.2015

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