Cover

Leseprobe

Table of Contents

Liebe unerwartet

Liebe unerwartet - Davide

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Impressum

Impressum

BRINA GOLD

 

Liebe unerwartet

Teil 1 – Davide

 

Liebe unerwartet – Davide

 

 


Alles, was Davide Gandolfo anfasst, wird zu Gold. Die Dinge könnten nicht besser laufen, wäre ihm nicht jetzt, mit Ende vierzig, bewusst, wie hohl sein Leben eigentlich ist. Die oberflächlichen Bekanntschaften, die knallharte Geschäftswelt und ganz besonders die nichtssagenden One-Night-Stands – das alles reizt ihn nicht mehr so wie früher.
Ein neuer Firmendeal bringt ihn mit Emma zusammen. Die faszinierende Frau geht ihm sofort unter die Haut. Prompt verfällt er wieder in alte Muster und startet seine Charme-Offensive. Aber schon die erste Nacht mit ihr stellt seine Welt auf den Kopf – und er will mehr.


Emma Santini liebt ihren Beruf. Aber ihr ist bewusst, dass ihr mit Mitte dreißig als Model nicht mehr viele Optionen bleiben, zumal sie weiß, was ihr neuer Boss mit dem Modelabel vorhat, für das sie arbeitet.
Als sie Davide zum ersten Mal persönlich begegnet, ist sie von seinem Charisma, seinem Humor und seiner Zielstrebigkeit beeindruckt. Trotz seines schlechten Rufs als notorischer Womanizer werden die beiden ein Paar. Doch Emma möchte ihre Unabhängigkeit keinesfalls aufgeben …

 


Die Geschichte basiert auf dem Zweiteiler »Mit Schönheit, Charme und Millionen« aus dem Jahr 2013.

 

Kapitel 1

 

 

Davide

 

Der Applaus verklang, die Musik wurde leiser. Die Sonne war noch nicht lange hinter den Häusern der Stadt verschwunden, noch lag ihr rotgoldenes Licht über der Piazza Nettuno, die ihren Namen dem prachtvollen Brunnen verdankte, der ihn zierte.

Davide Gandolfo hatte die Show bis hierher mit kritischen Augen verfolgt, doch alles lief reibungslos. Die Models waren heiß und sexy, die Kleider, die sie trugen, würden der Renner der nächsten Saison werden und alles in allem war er höchst zufrieden mit diesem Abend.

Wieder defilierte die Reihe der Mädchen an seinem Logenplatz vorbei, da fing er einen flüchtigen Blick auf. Er beugte sich zu seinem Assistenten, der neben ihm saß.

»Wer ist das?«, fragte er nahe an seinem Ohr. »Die mit den langen Ohrringen.«

Antonio blätterte in seinen Unterlagen, bis er den Namen gefunden hatte. »Sie heißt Emma Santini.« Er musste lauter sprechen, denn der DJ drehte gerade wieder auf.

»Nach der Show will ich sie treffen.«

Was er damit meinte, war klar: Er wollte den Abend mit ihr verbringen. Antonio Bellan nickte und machte sich eine Notiz.

Aufmerksam verfolgte Davide das Geschehen weiter. Für den Rest der Show, die wie erwartet perfekt nach Plan lief, hatte er nur Augen für diese eine Frau.

Schließlich, als sich die Vorführung ihrem Höhepunkt näherte, kamen sie alle noch mal auf die Bühne. Während sich die Musik zu einem dramatischen Crescendo steigerte, warf er einen prüfenden Blick über die Reihen der Zuschauer. Die Augen aller Zuschauer waren konzentriert auf die Darbietung gerichtet, Männer wie Frauen völlig auf das Geschehen vor ihren Augen fokussiert.

Sehr gut. Genauso hatte er sich das vorgestellt.

Zufrieden lehnte er sich zurück.

Schließlich verschwanden die Models, die eben noch schwungvoll über den Laufsteg getänzelt waren, nacheinander in dem dahinterliegenden Palazzo, wo man ihnen eine provisorische Garderobe eingerichtet hatte.

Seine Antrittsrede hatte Davide bereits zu Beginn der Show gehalten, damit endete nun der offizielle Teil der Veranstaltung, und der Conférencier, der durch den Abend geführt hatte, eröffnete das Buffet. Die Anwesenden ließen sich nicht zweimal bitten – sie hatten Hunger. Und vor allen Dingen Durst.

»Ich kümmere mich mal um die Santini«, verkündete Antonio und machte sich auf den Weg, ohne einen Kommentar abzuwarten.

Während die Gäste mit Tellern bewaffnet zu den Tischen drängte, gesellte sich Davide zu Raffaele Cavalieri, der für das Catering verantwortlich zeichnete und nun mit Argusaugen darüber wachte, dass alles so ablief wie gewünscht.

»Gratuliere«, sagte sein Freund und nickte anerkennend. »Das war ein voller Erfolg bisher.«

»Danke. Wenn ich mir das hier so ansehe …«, er machte eine ausholende Geste, die die üppigen Teller und Tabletts voller Leckerbissen einschlossen, »… bin ich überzeugt, dass es mindestens genauso erfolgreich weitergeht.« Dass ihm bei diesem Satz ein Paar grauer Augen im Kopf herumspukte, behielt er für sich.

Raffaele nickte. »An mir soll’s nicht liegen. Was möchtest du? Risotto mit Bottarga? Oder lieber …«

»Momentan nichts, danke. Ich kümmere mich nachher ums Essen. Jetzt habe ich erst noch was Anderes vor.« Er klopfte Raffaele freundschaftlich auf die Schulter.

»Nachher ist vielleicht nichts mehr da«, wandte der lachend ein, doch Davide winkte ab.

»Ich werde ganz sicher nicht verhungern, aber ein Glas Prosecco kann nicht schaden, danke«, meinte er und wandte sich dann ab auf der Suche nach Antonio.

Er hatte sein Glas fast zur Hälfte geleert, als sein Assistent aus dem Gebäude und auf ihn zu kam. Seine Miene versprach nichts Gutes.

»Sie hat nein gesagt. Und ich habe mich umgehört – es heißt, sie geht nie mit Kunden aus!«

»Wieso Kunde? Ich bin ihr neuer Boss. Das dürfte wohl etwas Anderes sein, oder?« Davide Gandolfo rückte seine Krawatte zurecht und stellte das Glas ab. »Hier ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.«

Antonio Bellan seufzte ergeben, sein Blick war eindeutig. Davide wusste genau, was sein Assistent dachte, denn in den vielen Jahren, die er schon für ihn arbeitete, war er gewissermaßen sein Vertrauter geworden und bekam natürlich einiges mit. Und er war es auch, der mit der sensiblen Aufgabe betraut war, Davides Eroberungen zum Abschied teure Orchideen-Bouquets zuschicken zu lassen. Der Gedanke, es bei einer Frau zu tun, die jetzt auf derselben Gehaltsliste stand, war sicherlich wenig verlockend.

Aber Davide bekam in der Regel, was er wollte – auch wenn er Gefahr lief, sich die Finger zu verbrennen.

»Wenn du meinst. Versuchen kannst du es ja. Aber sie soll sehr eigensinnig sein, also versprich dir nicht zu viel!«

»Vielleicht überzeugt sie das Argument der anstehenden Stellenkürzungen mehr als mein umwerfender Charme!«

»Das solltest du dir gut überlegen. Sie arbeitet bereits seit über sechs Jahren für E. M. und ist damit am längsten dabei. Das könnte schwierig und vor allem sehr teuer werden!«

»Generell scheint sie das älteste Model zu sein! Warum wurde sie nicht längst ersetzt? Die Jüngeren kosten deutlich weniger und bringen mehr ein!«

»Habe ich auch gefragt, aber das Controlling sagt, was sie trägt, verkauft sich. Also durfte sie bleiben.«

»Ah! Das klingt interessant!« Er gestattete sich ein kurzes Grinsen. »Ich werde einfach mal mit ihr reden, schließlich habe ich nicht vor, sie direkt vor die Tür zu setzen!«

Nach zähen Verhandlungen hatte er vor zwei Monaten endlich die Kaufverträge unterschrieben. Damit gehörte der Gandolfo S.p.A. mit Ernesto Moda online eine florierende Internetplattform für Casual Wear. An diesem Abend hatten sie sowohl den Abschied von Ernesto als auch den Neuanfang bei Gandolfo mit einer gelungenen Schau der aktuellen Katalogkollektion gefeiert. Passend zu seinen Produkten im Bereich Lifestyle, Modeschmuck und Wohndesign hatte er nun auch eine eigene Modelinie am Start.

Die Übernahme würde einschneidende Änderungen mit sich bringen, was man einigen Models bei der Show auch deutlich angesehen hatte. Ihnen war bewusst, dass ihre Jobs auf dem Spiel standen, denn hauseigene Mannequins waren ein ökonomisches Desaster, wie der Chef seiner Finanzabteilung nicht müde wurde zu betonen. Dennoch war ihm klar, dass die Mädels durchaus ihren Charme hatten. Besonders diese eine hatte sein echtes Interesse geweckt.

Wie die Nacht weiterging und ob das zu ihrem Vor- oder Nachteil war, würde sich nun also in Kürze herausstellen.

Allerdings wurde Davide langsam ungeduldig. Das Warten nervte ihn. Er war es gewohnt, Anweisungen zu geben, die fraglos befolgt wurden. Eine Abfuhr kam für ihn nicht infrage.

»Allora andiamo! Wo ist denn nun ihre Garderobe? Wie hieß sie noch?«

»Santini. Emma Santini.«

Seufzend bedeutete Antonio Davide, ihm in den Palazzo zu folgen, wo eigens für diesen Abend ein paar Nebenräume für diese Veranstaltung reserviert und den Models zur Verfügung gestellt worden waren. Zielsicher manövrierte ihn sein Assistent an etlichen Kleiderständern vorbei, blieb schließlich vor einer Tür stehen und klopfte.

»Signorina Santini? Emma? Wir kommen jetzt rein!«

»Nein – das sagte ich doch bereits!«, ertönte eine energische Stimme von drinnen.

Davide folgte Antonio, der die Tür trotz des offensichtlichen Protests öffnete. Allerdings machte er sich den Spaß, die Stimmung im Schatten seines Assistenten auszuloten und erst einmal zu beobachten.

»Verdammt noch mal!«

Die junge Frau schleuderte ihnen über den Spiegel eisige Blicke aus einem zur Hälfte abgeschminkten Gesicht entgegen. Ein grotesker Anblick, der sie jedoch nicht im Mindesten zu stören schien. Neugierig sah sich Davide um. Offenbar waren die anderen Models schon gegangen, denn sie saß allein in der improvisierten Garderobe.

»Signorina, Sie sollten Ihre Antwort vielleicht noch einmal überdenken.«

»Wieso sollte ich? Nein heißt nein! Ich gehe nie nach einer Show mit jemandem aus – weder Verehrer noch Boss. Das habe ich nie und damit werde ich heute bestimmt nicht anfangen! Ich dachte, ich werde fürs Modeln bezahlt und nicht dafür, mich wie eine Trophäe vorführen zu lassen. Und jetzt? Wollt ihr mir nachher etwa auch noch beim Pinkeln zusehen?!«

Sie war direkt, das musste man ihr lassen! Amüsiert verfolgte er das Schauspiel.

»Vielleicht sollten Sie nur heute mal eine Ausnahme machen, schließlich steht Ihr Job auf dem Spiel.« Antonio kam sichtlich ins Schwitzen. Das merkte man nicht nur daran, dass er sich wohl genötigt sah, das schwere Geschütz nun doch aufzufahren.

Emma hielt in ihrer Bewegung inne, versteifte sich und drehte ihren Oberkörper langsam in ihre Richtung.

»Richte dem neuen Boss bitte aus, dass ich mir die Männer selbst aussuche, mit denen ich ausgehe. Ich lass mich doch nicht erpressen! Dann soll er mich eben als Erste vor die Tür setzen, ist doch sowieso alles nur eine Frage der Zeit. Für solche Aussichten verkaufe ich mich bestimmt nicht mehr!«

Sie wandte sich wieder ihrem derangierten Spiegelbild zu. Mit einem frechen Grinsen auf den Lippen tippte Davide Antonio stumm auf die Schulter und bedeutete ihm mit einer Kopfbewegung, dass er gehen könne. Sein Jagdinstinkt war geweckt. Diesen Spaß würde er sich nicht nehmen lassen.

Sein Assistent nickte knapp und zog sichtlich erleichtert die Tür hinter sich ins Schloss.

»Warum sagst du ihm das nicht selbst?« Er trat aus dem Schatten, ging auf sie zu und zog sich mit einer schnellen Bewegung den Stuhl vom Nachbarschminktisch heran. Rittlings nahm er Platz und musterte sie neugierig. Sein Blick schien sie aus dem Konzept zu bringen.

»Na, wen haben wir denn da? Jagt mir der Alte jetzt schon seinen Jagdhund auf den Hals?«, blaffte sie ihn provokant an.

Davide stutzte einen Moment, brach dann aber in schallendes Gelächter aus. Zu gern hätte er gewusst, was in ihrem hübschen Köpfchen gerade abging.

»Der Alte? Wen meinst du damit?«

Sie antwortete nicht, wandte sich stattdessen wieder dem Spiegel zu und befeuchtete ein frisches Wattepad mit Make-up-Entferner, um noch den letzten Rest Wimperntusche und Lidschatten zu entfernen. Amüsiert beobachtete er sie bei der Prozedur. Offenbar hatte sie ihn nicht erkannt und hielt ihn für seinen eigenen Leibwächter. Auch wenn ihn die Situation in gewisser Weise belustigte, störte es ihn, welches Bild sie von ihm hatte.

Als jedoch ihr knallroter Morgenmantel – oder was auch immer das sein sollte, das sie da trug – verrutschte und den Ansatz ihres nackten Busens freigab, verflog sein Groll beinahe augenblicklich. Sein Körper reagierte sofort und es kostete ihn Mühe, sie nicht offenkundig anzustarren. Er räusperte sich und straffte seinen Rücken.

»Wen meinst du mit ›der Alte‹?«, wiederholte er seine Frage, um sich selbst wieder auf Spur zu bringen.

»Na, den neuen Chef, Gandolfo natürlich«, erklärte sie ungeduldig. »Wen sonst?«

»Kennst du ihn persönlich?«

»Nein, ich hab ihn nie gesehen.« Lässig beförderte sie das schmutzige Wattepad in den Papierkorb unter dem Tisch.

»Liest du denn keine Zeitungen?«

»Wenig.«

»Und Fotos googelst du wahrscheinlich auch nicht, oder?«

»Warum sollte ich?« Doch dann zögerte sie und warf ihm einen zweiten, diesmal längeren Blick zu. Hatte sie endlich die richtigen Schlüsse gezogen? Auch wenn sie sich wieder ihrem Gesicht widmete und großzügig Lotion auftrug, hatte sich dennoch etwas in ihrem Verhalten verändert. Ihre Bewegungen waren langsamer und in ihrem Kopf schien es zu arbeiten.

Ihm war bewusst, dass sein Auftreten alles andere als gentlemanlike war, doch er konnte sich einfach nicht abwenden und vor der Garderobe auf sie warten. Schon auf dem Laufsteg war ihm ihre Einzigartigkeit aufgefallen, und das, obwohl vieles davon unter Massen an Make-up verborgen gelegen hatte. Es hätte sicher jüngere und günstigere Optionen gegeben hätte, doch er verstand nun, warum Ernesto dennoch an ihr festgehalten hatte. Auch ihn hatte das fein geschnittene Gesicht mit der geraden, anmutigen Nase, den vollen, wohlgeformten Lippen und den großen, leicht schräg stehenden Augen in seinen Bann gezogen.

Diese Mischung aus Eleganz und Burschikosität war irgendwie einzigartig. Von dieser Frau würde er auf keinen Fall eine Abfuhr akzeptieren. Auch wenn sie eigentlich gar nicht in sein typisches Beuteschema – blond, Anfang zwanzig und nicht besonders geistreich –, passte, sprach ihn ihr Auftreten an. Er wollte, nein, musste herausfinden, was diese hinreißende, schlagfertige und dennoch absolut unterkühlt wirkende Frau noch alles zu bieten hatte.

Er musterte sie ganz offen und konnte den Blick nicht abwenden. Natürlich hatte er sich vorgenommen, seinen Lebenswandel zu ändern, alte Gewohnheiten abzulegen und neu anzufangen. Doch spätestens in dem Moment, in dem sich Emma ihm schließlich komplett ungeschminkt zuwandte und er ihr Gesicht von vorne sah, brach sämtlicher Widerstand in ihm zusammen. Ihr selbstsicherer Blick aus diesen unglaublich hellen, funkelnden Augen traf ihn unvorbereitet.

Sie wirkte nach außen hin völlig unbewegt, doch Davide hatte das leicht nervöse Wippen ihres Fußes unter dem Tisch bemerkt. Ihre Coolness war wohl doch zumindest teilweise nur Fassade.

»Also Sie sind Gandolfo? Dann kann ich mir am Montag im Personalbüro wohl meine Papiere abholen, oder?« Auch wenn sie selbstsicher, beinahe spöttisch klang, so schienen ihre eisgrauen Augen mit einem Mal das Funkeln zu verlieren. »Sagen Sie nichts, ich hab schon verstanden. Keiner ist frech zum Boss und einen Korb verträgt sein Ego bekanntlich auch nicht gut.«

Und noch ehe er auf ihre Aussagen eingehen konnte, fing sie auch schon an, energisch ihre Sachen in ein Beauty-Case zu packen. Ihre impulsive Art war ungewohnt, aber irgendwie auch erfrischend anders.

»Jetzt erst mal ganz langsam mit den jungen Pferden«, beschwichtigte er sie und hielt ihr Handgelenk fest, als sie an ihm vorbei nach einer Cremedose greifen wollte. Wider Erwarten hielt sie ohne Gegenwehr inne. »Frech warst du bisher ja nur zum Leibwächter, nicht zu deinem Boss. Und einen Korb hast du ihm persönlich auch noch nicht gegeben, oder?«

Er grinste sie breit an und zu seiner Überraschung lächelte sie zurück.

»Nein, da haben Sie wohl recht.«

Widerwillig ließ er sie los. Wie gern hätte er die zarte Haut … Er verbat sich jeden weiteren Gedanken und versuchte stattdessen, cool zu bleiben.

»Sollen wir noch mal von vorn starten? Was meinst du?«

»Wie Sie wollen, Sie sind schließlich der Boss.«

»Na, immerhin wäre das jetzt schon mal geklärt!« Er konnte sich ein weiteres Grinsen nicht verkneifen. »Dennoch verstehe ich nicht, warum du deinen Job so leichtfertig aufs Spiel setzt. Wären ein paar Stunden mit mir wirklich so schlimm für dich, dass du ihn freiwillig opfern würdest?«

Sie schien einen Moment zu überlegen. »Sie wollen nicht ernsthaft eine ehrliche Antwort von mir, oder?«

»Doch!« Überrascht hob er die Augenbrauen. »Warum nicht?«

»Weil ich mir nicht sicher bin, ob ihr Ego die Wahrheit verträgt. Leute wie Sie kommen in der Regel nicht damit klar.«

Das wurde ja immer besser! Davide müsste lügen, wenn er behaupten würde, ihr Kampfgeist und ihr Scharfsinn würden ihm nicht imponieren. Sie war definitiv anders als jede Frau, die er kannte. Und genau diese individuelle Ausstrahlung reizte ihn ungemein.

»Und wer sind Leute wie ich?«, hakte er bewusst provozierend nach.

»Reiche Männer, die der Meinung sind, sich alles kaufen zu können. Die kein Nein akzeptieren und denken, mit Geld lässt sich alles regeln. So wie Sie offensichtlich. Nur weil sie diese Firma gekauft haben, sehen Sie das Personal jetzt als Ihr persönliches Eigentum an, oder wie? Dabei dachte ich, die Sklaverei sei abgeschafft worden.«

»Autsch! Das tat weh. Warum beleidigst du mich, obwohl du mich doch gar nicht kennst?« Er fixierte sie mit einem intensiven Blick.

»Womit beleidige ich Sie denn?«

»Soll ich deine Worte noch einmal wiederholen?«

Emma schwieg. Offensichtlich hatte er sie aus dem Konzept gebracht. Das gefiel ihm, auch wenn ihn ihre Argumentation irritierte. Irgendwie hatte er damit gerechnet, dass sie auf seinen miesen Ruf als Weiberheld eingehen würde, stattdessen kam sie ihm mit so was!

»Ich habe dich zu keiner Zeit wie mein Eigentum behandelt. Ein Mann hat lediglich eine Frau gefragt, ob sie mit ihm ausgehen möchte. Das ist etwas Anderes, zumindest für mich.«

Er bemerkte, dass sie stutzte und dann tatsächlich leicht errötete.

»Sie haben recht«, räumte sie schließlich ein, hob den Blick und sah ihm fest in die Augen.

Auch dieser zweite Blick ging ihm durch und durch. Ihre unglaubliche Wirkung auf ihn war schon beinahe beängstigend. Zudem fragte er sich, warum er ihr Nein nicht einfach akzeptieren konnte und stattdessen so viel Energie in sie investierte. Seit Jahren war keine seiner Gespielinnen viel älter als zwanzig gewesen. Außerdem hatte er sich doch vorgenommen, seinen Lebenswandel zu ändern – und nun das!

»Also noch einmal – und diesmal bitte eine ehrliche Antwort.«

»Worauf?« Ihre Augen weiteten sich überrascht und sie grinste. »Jetzt habe ich doch tatsächlich den Faden verloren! Wo ist denn die Souffleuse, wenn man mal eine braucht?«

Mit ihrem demonstrativen Blick unter den Schminktisch brachte sie ihn zum Lachen.

»Du bist wirklich unterhaltsam. Ich wollte wissen, ob dir dein Job so egal ist, dass du dafür nicht mal ein paar Stunden mit mir verbringen kannst?«

»Ich treffe mich nur mit Männern, die mir gefallen«, wich sie aus. »Das sagte ich doch bereits Ihrem Butler.«

»Vorsicht!«, entgegnete er schmunzelnd. »Sowohl Antonio als auch mein Butler selbst wären ein Leben lang beleidigt.«

Irritiert riss sie die Brauen hoch. »Sie haben wirklich einen Butler?«

Er nickte.

»Ja, Merill wurde jahrelang in England ausgebildet und ist extrem stolz darauf. Der bringt sogar mir noch Benehmen bei!«

Sie schnaubte belustigt. »Wohl eher mit mäßigem Erfolg.« Ihre Schlagfertigkeit brachte ihn einen Moment lang aus dem Konzept, doch sie fuhr unbeeindruckt fort. »Den würde ich tatsächlich gern mal sehen!«

»Kein Problem. Du begleitest mich einfach zu mir nach Hause und morgen zum Frühstück stelle ich ihn dir dann vor!«

Sie sah ihn schräg von der Seite an und schien sichtlich mit sich zu ringen. Dennoch verbuchte er es schon mal als Erfolg, dass sie beim Thema Frühstück nicht gleich an die Decke gegangen war.

»Also gehst du mit mir aus?«

»Jetzt noch?« Skeptisch zog sie eine Augenbraue in die Höhe.

»Natürlich jetzt!«

»Das wird mir zu spät.« Emma winkte ab und stand auf. »Wir sollten das lieber bleiben lassen. Ich möchte mich jetzt gerne anziehen, also bitte …«

Er fiel aus allen Wolken.

»Äh, bitte was?«

»Sie sollen jetzt gehen. Ich möchte mich endlich anziehen, außerdem denke ich, sind Sie bei mir mit Ihren Avancen an der falschen Adresse! Schließlich bin ich brünett und deutlich über achtzehn.«

Der Schlag saß! Es war nicht, was sie sagte, damit hatte sie unbenommen recht. Nein, es war vielmehr, wie sie es sagte. Emmas mitleidiger Tonfall brachte etwas in ihm zum Einsturz. Eine Welle der Scham und der so erfolgreich verdrängte Ekel überschwemmten sein Bewusstsein. Er brauchte einen Augenblick, um sich zu sammeln und die negativen Gefühle wieder zurückzudrängen.

Sein Gewissen gab ihr recht. Er sollte sie in Ruhe lassen und lieber wieder in bekannten Gefilden jagen. Doch er konnte diesen Gedanken nicht zulassen. Ihre charmante Natürlichkeit, die immer mal wieder hindurchgeblitzt war, hatte etwas tief in ihm berührt. Absurderweise verspürte er den brennenden Wunsch, der Mann zu sein, der ihr gefiel – wenigstens für diese eine Nacht.

»Wie wäre es, wenn du dich jetzt erst einmal anziehst, während ich draußen warte. Und dann gehen wir etwas trinken und reden einfach. Ist es denn so schwer zu verstehen, dass ich eine meiner neuen Mitarbeiterinnen näher kennenlernen möchte?«

Sie zuckte gleichgültig die Schultern. »Was soll’s, Sie sind der Boss.«

Warum gab sie auf einmal so schnell nach?

»Keine Ahnung, was für ein Problem du hast, aber ich heiße Davide. Bitte hör mit diesem nervigen Sie auf.«

 

 

Emma

 

Sie betrachtete sein markantes Äußeres mit den kantigen Zügen. Kaum zu glauben, wie voll sein Haar noch war. Emma musste zugeben, dass der neue CEO ihr imponierte. Irgendwie hatte sie ihn sich immer anders vorgestellt, um einiges arroganter und schon gar nicht so attraktiv. Dennoch, sollte sie ihre Prinzipien so einfach über Bord werfen?

Sie seufzte leise und zuckte mit den Schultern. »Ich habe kein Problem. Nur bin ich heute wahrscheinlich keine besonders amüsante Gesellschaft.«

»Nur heute?«

Sie nahm ihm seinen leicht spöttischen Tonfall nicht übel, sondern schnaubte belustigt. »Heute ganz besonders! Ich bin zwar immer ein Eigenbrötler, aber heute …«

Er griff nach ihrer Hand und sie war über sich selbst erstaunt, dass sie es widerstandslos zuließ.

»Das Warum geht mich zwar nichts an, aber vielleicht magst du trotzdem darüber reden?«

Seine Stimme klang merkwürdig sanft. Schließlich hob sie den Blick und sah forschend in seine durchdringend blauen Augen.

»Ich weiß nicht recht.«

Sein Lächeln war wirklich atemberaubend. Kein Wunder, dass ihm die Frauen zu Füßen lagen.

»Na los, gib dir einen Ruck. Eine improvisierte Garderobe ist nun wirklich keine gute Umgebung, um sich besser kennenzulernen!«

»Das stimmt allerdings. Trotzdem, Sie sind mein Chef und da sollte eine gewisse professionelle Distanz gewahrt bleiben, oder nicht?«

»Soll ich dich vorher entlassen? Also gut, du bist hiermit gefeuert! Morgen reden wir dann über deine neuen Konditionen, aber jetzt im Moment bist du arbeitslos!«

Emma konnte sich das Lachen nicht verkneifen. Anscheinend hatte er Humor, das hätte sie nicht erwartet. Auch ihm schien ihre Reaktion zu gefallen.

»Na schön!«, seufzte sie ergeben, »aber jetzt raus hier! Ich will mich endlich anziehen!«

Frech zwinkernd und mit einem breiten Grinsen auf den Lippen zog er die Tür hinter sich zu.

Wie hatte sie sich nur dazu überreden lassen können? Normalerweise war sie ihren Prinzipien treu, doch irgendwas hatte dieser Mann mit dem samtig-rauen Timbre in der tiefen Stimme an sich, das sie komplett durcheinanderbrachte. Sie würde aufpassen müssen, denn er hatte garantiert so einige Tricks auf Lager, und sie wollte auf keinen Fall etwas Unüberlegtes tun.

Als sie kurze Zeit später umgezogen zum ihm auf den Flur trat, sah er sie entgeistert an.

»Stimmt etwas nicht?« Verständnislos begegnete sie seinem Blick und schaut an sich abwärts.

Gandolfo hatte zwischenzeitlich seine Smoking-Jacke übergezogen und neben ihm wirkte sie in ihrem Oversize T-Shirt, den Jeans und der Lederjacke von undefinierbarer Farbe tatsächlich deutlich underdressed.

»Ich hatte erwartet, dass unsere Outfits ein wenig … besser miteinander harmonieren würden! In der Garderobe hingen doch ein paar tolle Teile.«

»Das schon, aber keines davon gehört mir!« Ihre Stimme klang vorwurfsvoll, das hörte sie selbst, kaum, dass sie die Worte ausgesprochen hatte, doch er ging gar nicht groß darauf ein, sondern schob sie stattdessen zurück in die Garderobe. Dort begann er, die Modelle durchzusehen, die sie an diesem Abend vorgeführt hatte.

Was hatte er vor?

Demonstrativ verschränkte Emma die Arme und sah ihn fragend an, wurde aber ignoriert. Doch dann hatte er wohl endlich das gefunden, wonach er gesucht hatte: ein schlichtes schwarzes Kleid aus fließendem Stoff, seitlich reizvoll hoch geschlitzt und mit tiefem Dekolleté.

»Das hier – und keine Widerrede, sonst musst du nicht nur heute, sondern auch noch morgen und übermorgen mit mir Essen gehen.«

»Es gehört mir aber nicht! Außerdem ist es schon spät und ich hab keine Lust, mich jetzt noch einmal umzuziehen.«

Warum sollte sie sich ihm anpassen? Schließlich könnte er auch sein Outfit dem ihren angleichen. Außerdem wollte er doch nur etwas mit ihr trinken gehen.

Sie war genervt und würde das zur Not auch mit ihm ausdiskutieren.

Davide fixierte sie wortlos. Wahrscheinlich suchte er gerade nach einem Weg, sie von dem Kleid zu überzeugen, doch sie hielt seinem Blick stoisch stand. Natürlich war er gewohnt, immer seinen Willen zu bekommen, aber bei ihr würde er sich eher die Zähne ausbeißen.

Trotzdem musste sie sich eingestehen, dass sie ihn gar nicht so unattraktiv fand. Sie hatte sich den Großen Gandolfo immer anders vorgestellt: älter, hässlicher und weniger charmant. Vielleicht hätte sie sich tatsächlich mal eines der vielen Fotos in den Klatschspalten genauer anschauen sollen, anstatt nur die Schlagzeilen zu überfliegen. Doch wer hätte erwartet, dass der Sugar-Daddy mit Hang zu blutjungen Mädchen ein attraktiver, hünenhaft durchtrainierter Mann mittleren Alters war, dessen Blick einem durch und durch ging? Fasziniert betrachte sie die winzigen Lachfältchen um seine Augen. Konnte jemand mit so einem umwerfenden Lächeln und einer derart entwaffnend ehrlichen Art wirklich so schlecht sein wie sein Ruf?

Kaum merklich schüttelte sie ihren Kopf. Was war nur los mit ihr? Sein Verhalten war abstoßend, das ließ sich nicht schönreden. Nicht ohne Grund hatte sie sich so vehement gegen ein Date mit ihm gewehrt. Sie musste aufpassen, dass er sie nicht doch noch um den Finger wickelte. Schließlich hatte sie ihre Prinzipien und die würde auch er nicht einfach so über den Haufen werfen!

»Ach, cara«, meinte er nun geduldig und riss sie damit aus ihren Gedanken. »Muss es denn wirklich unbedingt so anstrengend sein? Darf dir meine Firma für diesen einen Abend bitte ein Kleid leihen?«

Der sanfte Klang seiner Stimme ließ schließlich ihren Widerstand in sich zusammenbrechen. Wäre er sauer oder wütend geworden, hätte sie kein Problem damit gehabt, ihn eiskalt stehen zu lassen und allein nach Hause zu gehen. Doch so gab sie nach und griff seufzend nach dem Kleiderbügel.

Sie wollte gerade den Mund aufmachen und ihn nach draußen bitten, da war er auch schon an der Tür, zog sie hinter sich ins Schloss und ließ sie allein.

Huch? So viel Sensibilität hätte sie ihm nicht zugetraut. Das gefiel ihr.

 

 

Davide

 

Wie ein Schuljunge vor der Tür, sinnierte er kopfschüttelnd.

Was hatte er sich dabei nur gedacht? Eigentlich war sein Plan gewesen, sein Leben zu ändern und das mit den Frauengeschichten künftig zu lassen, und nun stand er hier und konnte gar nicht erwarten, dass sie endlich wieder herauskam. So würde es nie etwas werden mit seinem Leben als moralisch gefestigter, seriöser Endvierziger.

Natürlich hatte er den festen Vorsatz, noch in dieser Nacht mit ihr zu schlafen, doch er gestand sich ein, dass er diesen Verlauf der Dinge inzwischen für eher unwahrscheinlich hielt. Und zu seiner großen Verwunderung war er nicht einmal verärgert darüber, obwohl ihm solche trüben Aussichten in der Regel stets die Laune verdorben hatten. Vielleicht war sie es ja tatsächlich wert, ein bisschen Zeit und Mühe in sie zu investieren.

Emma war besonders und definitiv anders als all die Frauen, die er bis jetzt getroffen hatte. Nicht nur unglaublich schön, sondern auch schlagfertig, intelligent und überaus charismatisch.

Noch ganz in seine Schwärmereien versunken, öffnete sich plötzlich die Tür zur Garderobe und Emma trat heraus. Ihr Anblick verschlug ihm regelrecht den Atem. Das Kleid, das er ihr ausgesucht hatte – und er hatte absolut das Richtige für sie ausgesucht –, war wie für sie gemacht. Außerdem hatte sie auf die Schnelle noch ein wenig Make-up aufgelegt und sich lässig die Haare hochgesteckt.

Sie sah absolut umwerfend aus.

»Na also, geht doch!« Seine Stimme klang etwas belegt, als seine Augen an ihrer aufreizenden Silhouette auf- und abglitten. »So gefällt mir das schon besser!«

Anstatt zu antworten, warf sie ihm von der Seite einen Blick zu, den er nicht deuten konnte, der seinen Herzschlag aber aus dem Takt brachte. Er räusperte sich.

»Dann können wir ja endlich gehen! Komm, das Auto wartet schon!«

Schweigend folgte sie ihm. Allerdings mieden sie den Hauptausgang, vor dem sich noch etliche Gäste tummelten und einige Reporter mit ihren Kameras auf der Lauer lagen. Über das hintere Treppenhaus kamen sie auf eine wesentlich ruhigere Piazza, wo auch schon seine Limousine mit laufendem Motor wartete.

Emma atmete hörbar auf. »Zum Glück keine aufgemotzte Angeberkarre«, murmelte sie leise.

Davide konnte sich gut vorstellen, was ihr gerade durch den Kopf ging. In der Vergangenheit hatten es viele seiner Flitzer in die Klatschblätter geschafft, allerdings weniger ihrer Eleganz oder Extravaganz wegen, sondern schlicht, weil so manches Mädchen beim Ein- oder Aussteigen tief blicken ließ – ob gewollt oder ungewollt, konnte und wollte er nicht deuten. Diese Peinlichkeit blieb ihr heute Nacht erspart, auch wenn sie morgen vielleicht schon Stadtgespräch sein würde.

Der Chauffeur hielt ihnen die Tür auf und sie stiegen ein.

»Guten Abend, Ettore«, begrüßte er den Fahrer, nachdem dieser sich wieder hinters Steuer gesetzt hatte.

»Guten Abend, Signore, wie gewünscht habe ich alles auf der Mittelkonsole bereitgelegt!«

Kurz nachdem sie losgefahren waren, begann er, seine Smoking-Jacke auszuziehen, den Knoten seiner Fliege zu lösen und sich das Hemd aufzuknöpfen.

Als er merkte, dass sie scharf Luft holte, wandte er sich ihr mit einem entschuldigenden Grinsen zu.

»Keine Angst«, versicherte er ihr, »wenn ich dich verführen wollte, würde ich mir einen gemütlicheren Ort aussuchen. Ich mach’s mir nur ein bisschen bequemer.«

Er genoss ihre neugierigen Blicke auf seinem Oberkörper, als er sich ganz ungeniert das Hemd auszog. Sie sollte ruhig sehen, was er zu bieten hatte. Wie ein fast fünfzigjähriger Kerl sah er mit seinem durchtrainierten Körper jedenfalls nicht aus.

Amüsiert bemerkte er, wie sie hastig ihren Blick abwandte und aus dem Fenster sah, und schmunzelte in sich hinein. Diese schüchterne Seite hatte er ihr gar nicht zugetraut, hatte sie doch bisher eher mit Schlagfertigkeit und Angriffslust geglänzt. Er war neugierig herauszufinden, welche Facetten sie sonst noch verbarg. Dass er sie nicht kalt ließ, hatte ihre Reaktion deutlich bewiesen.

»Fertig«, verkündete er, nachdem er seinen Smoking gegen eine normale schwarze Stoffhose und ein hellblaues Hemd getauscht hatte. Emmas Körperhaltung entspannte sich augenblicklich und sie atmete tief ein.

»Und das war jetzt politisch korrekt oder wie?« Ihr Blick sprach Bände.

»Wie kommst du darauf, dass es das sein sollte?« Seine Augen funkelten herausfordernd. »Es gibt erstaunlich viele Frauen, denen es tatsächlich gefällt, auch als solche wahrgenommen zu werden! Hoffentlich gehörst du auch dazu. Oder wirst du mich morgen wegen sexueller Belästigung anzeigen?«

Emma brach augenblicklich in schallendes Gelächter aus. »Nein, wirklich nicht!«, gluckste sie und lenkte das Thema in eine andere Richtung. »Wohin fahren wir eigentlich?«

»Erst mal lassen wir den Trubel hinter uns, dann sehen wir weiter.« Er blieb absichtlich vage. »Du hast doch hoffentlich Hunger?«

»Eine Kleinigkeit wird sicher noch Platz haben.«

An der Piazza Cavour ein paar Straßen weiter bat er Ettore, anzuhalten. Sie stiegen aus und während Emma das Kleid glattstrich und sich umsah, schickte den Fahrer samt Auto in den wohlverdienten Feierabend. Um den Rest würde er sich selbst kümmern.

»Die paar Meter hätten wir aber auch zu Fuß gehen können!«, meinte sie verdutzt.

»Und wo hätte ich mich umziehen sollen?« Er zwinkerte ihr spitzbübisch zu, was sie mit einem Lächeln quittierte.

Davide nahm sie an der Hand und führte sie zielstrebig an all den großen Modelabels und Juwelieren vorbei in eine schmale Seitenstraße. Wider Erwarten protestierte Emma nicht, sondern folgte ihm neugierig. Wenig später erreichten sie das Lokal, von dem Davide wusste, dass sie dort auch noch zu so später Stunde etwas zu essen bekommen würden, weil er den Wirt kannte. Zufrieden steuerte er einen kleinen Tisch in einer ruhigen Ecke an. Hier würden sie sich ungestört unterhalten können.

Nachdem er Emma den Stuhl zurechtgerückt hatte, nahm er ihr gegenüber selbst Platz. Emma schaute sich interessiert um. Das moderne Flair mit der großen Theke und den hell erleuchteten, spiegelnden Regalen, in denen jede Menge Flaschen in Reih und Glied standen, gefiel ihr offensichtlich ebenso gut wie ihm.

»Verrätst du mir, was du denkst?«

Irritiert hob sie die Augenbrauen. »Warum?«

»Weil du doch normalerweise immer sagst, was du denkst.«

Es war nur eine Vermutung, die aus seiner Beobachtung resultierte, doch anscheinend hatte er damit nicht unrecht, denn sie nickte zögerlich.

»Stimmt allerdings.«

»Warum fällt es dir bei mir so schwer?«

»Einem Davide Gandolfo sagt man nicht, was man denkt, dem sagt man höchstens, was er hören möchte!«

Ihre Antwort traf ihn. Natürlich wusste er, dass er diesen Eindruck nach außen verkörperte, doch es aus ihrem Mund zu hören, war irgendwie … hart.

»Siehst du? Genau das meine ich. Wenigstens du solltest das nicht tun, sondern ehrlich zu mir sein.«

»Wieso ausgerechnet ich? Es gibt so viele Menschen …«

Er griff nach ihrer Hand und legte sie sich an die Wange. Diese Geste hatte für sich selbst genommen noch nichts Intimes, doch Emmas Wangen röteten sich sichtlich und ihr Blick huschte unruhig zu seinem Mund.

»Wieso ausgerechnet du? Wenn nicht du, wer dann? Was hast du schon zu verlieren?« Auch wenn er innerlich bebte, versuchte er, seine Stimme ruhig klingen zu lassen. Natürlich wusste er sein Charisma einzusetzen und ein bisschen kam er sich wie ein Schuft dabei vor.

Aber nur ein bisschen.

»Das zählt nicht.« Ihre Stimme war nur noch ein Flüstern. »Eine Frau hat immer etwas zu verlieren.«

»Okay, aber wie wäre das: Du bist der erste Mensch seit

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 26.07.2022
ISBN: 978-3-7554-1791-0

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /