Cover

Leseprobe

 

Das Buch

 


Eine Erbschaft voller Tücken in einem Land voller Wunder

 


Sarina ist wild entschlossen, ihren Chef Peter, mit dem sie seit einer Weile schon heimlich liiert ist, auch offiziell für sich zu gewinnen. Aber dafür braucht sie dringend Geld. Das Schicksal scheint es gut mit ihr zu meinen, denn plötzlich flattert der jungen Übersetzerin eine Erbschaft in den Schoß: ein Haus in Italien. Überstürzt reist sie ab – in ihr neues Haus an der Adria!


Vor Ort angekommen muss sie jedoch feststellen, dass sie mit dem Anwesen auch einen Mann geerbt hat. Dario! Der attraktive Schriftsteller weigert sich, das Feld zu räumen, und schnell fliegen zwischen den beiden die Fetzen. Sarina braucht das Geld, der Mann muss raus, das Haus verkauft werden.


Doch ihre Rechnung geht nicht auf, denn der charismatische Typ mit den intensiv grünen Augen lässt unerwartet ihre Knie weich werden. Und es liegt nicht an der Hitze Italiens, dass sie sich fragt, wie viel ihr noch an dem Lebenstraum liegt, den sie zusammen mit allem anderen in Deutschland zurückgelassen hat.

 


Superzicke trifft Seelenversteher – Turbulente und sexy Komödie um eine italienische Liebe mit viel Romance und Happy End.

 

 

Kapitel 1

 

Obwohl ich spät in dem kleinen Lokal ankomme, in das Peter mich bestellt hat, ist er selbst noch nicht da. Also setze ich mich an unseren Lieblingstisch in der lauschigen Nische, in der man sich so schön ungestört fühlen kann, und warte. Ich bin ein bisschen nervös – es gibt wohl endlich Neuigkeiten. Seit er mich heute Nachmittag ganz überraschend hierher eingeladen hat, habe ich so eine gewisse Hoffnung …

Da ich ungern Löcher in die Luft starre, während ich allein sitze und warte, hole ich meinen Reader aus der Tasche und fange an, zu lesen. Gestern Abend habe ich mir dieses Buch geladen, weil ich Lust hatte, mal wieder einen Roman auf Italienisch zu lesen. Eigentlich mehr aus Versehen wegen der guten Rezensionen, denn dass es eher ein Liebesroman als ein Thriller ist, hatte ich erst später bemerkt. Aber das Buch liest sich gut und ist spannend.

 

›Elenas Mann betrog sie seit Jahren, doch sie tat so, als würde sie das nicht bemerken, weil sie ihn liebte. Für seine politischen Aktivitäten hielt sie ihm in jeder Hinsicht den Rücken frei, er konnte tun und lassen, was immer er wollte, und war sich ihrer unreflektierten Loyalität dennoch zu jeder Zeit uneingeschränkt sicher. Und er war ebenso sicher, dass nichts jemals etwas daran ändern würde.

Dennoch passierte an jenem Freitagmorgen etwas, das ihre Welt auf den Kopf stellen und ihn das Leben kosten sollte.

Zuvor allerdings …‹

 

Kopfschüttelnd nehme ich zur Kenntnis, was manche Frauen alles mitmachen, doch dann unterbricht Peters Ankunft meine Lektüre.

Er beugt sich zu mir und küsst mich überraschend innig auf den Mund. »Entschuldige, dass ich dich habe warten lassen«, sagt er mit seinem charmantesten Lächeln.

»Macht doch nichts. Ich war in guter Gesellschaft.« Ich deute auf den Reader, den ich jetzt in meiner Handtasche verstaue.

»Prosecco wie immer?«, fragt er und nickt, ohne meine Zustimmung abzuwarten, dem Keller zu, der hinter ihm auftaucht.

Er kennt mich eben und weiß, was ich mag. Dann erst setzt er sich, und ich sehe ihn erwartungsvoll an. Er erwidert meinen Blick mit verschmitzter Miene und leuchtenden Augen.

»Ich habe eine ganz besondere Überraschung für dich.«

Mein Herz setzt einen Moment aus, dann galoppiert es los.

Endlich!

Nach drei langen Jahren wird er nun sein Versprechen einlösen. Ich kann es kaum fassen und muss mich beherrschen, nicht laut aufzulachen vor Glück und Anspannung.

Fasziniert und atemlos sehe ich ihm zu, wie er in die Innentasche seines leichten Sakkos greift und einen flachen Umschlag herausholt.

Was …

»Hier!«, sagt er und schiebt mir das Kuvert über den Tisch hinweg zu.

Hat er etwa bereits die Scheidungspapiere unterschrieben und zeigt mir jetzt eine Kopie davon? Dann hat er heimlich, ohne mir etwas davon zu sagen, weit mehr getan, als ich mir erhofft hatte. Er wollte doch nur mit ihr reden.

Ich greife nach dem Umschlag und öffne ihn. Zwei lange, schmale Streifen bunt bedruckter Hochglanzkarton sind darin. Scheidungsunterlagen sehen anders aus, wird mir schlagartig klar.

»Was … was ist das?« Ratlos schaue ich wieder hoch zu ihm. Noch wehre ich mich dagegen, meine Enttäuschung zu zeigen, die sich langsam von hinten anschleicht und mich anzufallen droht.

»Stell dir vor: Ich habe die wahrscheinlich letzten Karten ergattert, die für das Mega-Event morgen Abend noch zu bekommen waren«, strahlt er mich an.

Ich begreife nicht. »Morgen Abend?«

»Ja natürlich! Sting im Schlosspark. Da wolltest du doch unbedingt hin, oder nicht?« Seine Miene wirkt mit einem Mal ein kleines bisschen gequält. Er weiß genau, warum mir gerade das glückliche Lächeln aus dem Gesicht gefallen ist.

»Ja, wollte ich«, sage ich tonlos. Was ja auch stimmt. Zumindest war das mein großer Wunsch vor einem Jahr. Inzwischen haben sich meine Prioritäten etwas verschoben. »Du hast also wieder nicht mit ihr gesprochen, stimmt’s?«

Meine Finger werden plötzlich kalt. Er hatte mir sein Wort gegeben.

Mal wieder.

Und ich hatte ihm geglaubt.

Mal wieder.

»Es … hat nicht gepasst.« Er meidet meinen Blick und schiebt die Eintrittskarten leicht nervös auf dem Tisch hin und her.

»Nicht … gepasst«, wiederhole ich dümmlich. »Aber du hast mir doch versprochen … dieses Mal wolltest du …«

»Es ging einfach nicht, okay?«, unterbricht er mich ein wenig unwirsch.

Na gut. Sehr unwirsch.

Ich weiß, dass ich ihn nerve, und greife zu dem Glas Prosecco, das der Kellner in der Zwischenzeit – ich hatte es gar nicht bemerkt – serviert hat. Obwohl ich versuche, meine Ungeduld nicht zu zeigen, steigt langsam Ärger in mir auf.

»Es ging also nicht. Und warum diesmal wieder nicht?«

»Jetzt sei nicht so«, höre ich Peter sagen und spüre ganz genau, dass er mir mit diesem Satz auf eine hinterhältige Weise den Schwarzen Peter – welch ein Wortspiel! – zuschieben will.

»Wie bin ich denn?«, frage ich daher heftiger, als ich es eigentlich vorhatte.

»Na ja … so zickig. Komm jetzt, es ist doch nur ein paar Tage verschoben. Wenn ich die Verträge mit unserem neuen Großkunden in der Tasche habe, dann rede ich mit ihr, okay?«

In mir machen sich Kälte und Frustration breit. »Wenn … wenn … wenn …! Hätte ich für jedes Wenn von dir einen Euro bekommen, wäre ich jetzt Krösus!«

»Herrgott noch mal, Sarina! Was soll das jetzt?«

Ja, genau – was soll das jetzt?

Ausgerechnet jetzt?

Was ist gerade jetzt anders als in den letzten drei Jahren? So lange sind wir nämlich schon zusammen. Und genauso lange warte ich darauf, dass mein verheirateter Liebhaber endlich mit seiner Frau redet und ihr sagt, dass es mich gibt und dass er die Scheidung will.

»Du hältst mich doch nur hin!«, werfe ich ihm vor. Ich bin emotional sehr aufgewühlt.

»Also weißt du …« Er nimmt die Speisekarte zur Hand und sieht hinein. »Lass uns lieber was essen. Das hier muss ich jetzt wirklich nicht haben. «

Ich auch nicht. Demonstrativ greife ich nach meiner Handtasche und nehme sie auf den Schoß, als könnte ich mich dahinter verstecken. Plötzlich empfinde ich die Intimität unserer heimlichen gemeinsamen Abendessen als verlogen.

Peter hat meine Geste registriert, sein Blick wandert zwischen meinen Augen und meiner Tasche, die ich mit beiden Händen festhalte, hin und her.

»Und was soll das jetzt?«

Ich trete die Flucht nach vorn an. »Wann wirst du endlich mit ihr reden?«

»Warum setzt du mich plötzlich so unter Druck?«, kontert er scharf.

»Plötzlich? Du redest seit Jahren davon, dass du dich scheiden lassen willst, aber du unternimmst einfach nichts. Du wolltest mit ihr reden – letztes Wochenende schon. Oder nicht? Ich habe tagelang gewartet, aber du hast keinen Mucks gemacht, also frage ich dich: Warum nicht?«

»Ich habe dir doch gerade erklärt, dass es einfach nicht gepasst hat.«

»Erklärt hast du mal gar nichts«, korrigiere ich ihn spitzfindig. »Du hast mich nur mit dieser Aussage abgespeist, mehr nicht. Erklärt wäre gewesen, wenn du mir gesagt hättest, was mal wieder nicht gepasst hat und warum. Idealerweise auch noch so, dass ich es verstehen und akzeptieren kann.«

»Ach verdammt, Sarina!« Er lässt die Speisekarte auf den Tisch zurückfallen und verscheucht den eben wieder aufgetauchten Kellner mit einer ungeduldigen Handbewegung. »Du weißt doch inzwischen, dass das alles nicht so einfach für mich ist, oder?«

»Das habe ich auch nie erwartet. Aber nach all dieser Zeit wenigstens einmal ein Zeichen deines guten Willens – ist das zu viel verlangt?«

»Guter Wille? Ich verbringe jede freie Minute, die ich erübrigen kann, mit dir. Was erwartest du denn noch?«

»Dass du dich endlich scheiden lässt, so wie du es mir von Anfang an versprochen hast. Das hast du doch, oder etwa nicht?«

Peter lässt sich zurücksinken und fährt sich mit einer Geste irgendwo zwischen genervt und ratlos durch die Haare. »Habe ich, ja. Aber du hast mir dein Wort gegeben, mich nicht zu drängen und den richtigen Moment abzuwarten …«

»… der jetzt nach drei Jahren immer noch nicht gekommen ist«, murre ich. Langsam mag ich das alles nicht mehr hören.

»Willst du daran jetzt mir die Schuld geben?«

Na, wem denn sonst? »Du willst also immer noch nicht mit deiner Frau reden«, hake ich frustriert nach.

»Du hast von Anfang an gewusst, worauf du dich einlässt«, argumentiert er mit dem Offensichtlichen.

Was soll ich darauf sagen – natürlich habe ich es gewusst. Selbst schuld, dass ich mich trotzdem auf ihn eingelassen habe.

»Also hör auf, mir solchen Druck zu machen«, setzt er nach.

Ein Gedanke drängt sich mir auf, mir wird heiß und kalt zugleich. »Sag mir eins, Peter – hattest du jemals wirklich vor, deine Frau zu verlassen?«

Ich suche seinen Blick, fixiere ihn. Er weicht mir tatsächlich nicht aus.

»Natürlich habe ich das vor! Aber eben nicht gerade jetzt. Die Firma ist in einer schwierigen Phase …«

»Das war sie immer …«

»… und ich kann mir im Moment keinen Ausfall leisten, das weißt du ganz genau. Und noch weniger kann ich mir leisten, Anita auszahlen zu müssen. Auch das weißt du.«

Ja, ich weiß das alles seit drei Jahren. Aber ich gewöhne mich nicht daran, stumpfe nicht ab. Ich empfinde es im Gegenteil als immer belastender. Warum der Druck gerade heute raus muss – keine Ahnung.

»Ja, ich weiß«, spreche ich es endlich aus. »Aber du erzählst mir jetzt seit drei Jahren dasselbe.«

»Und was stört dich daran ausgerechnet heute Abend so sehr? Du weißt, dass ich an einem großen Kunden dran bin. Wenn ich den erst mal vertraglich unter Dach und Fach habe, sind wir endlich aus dem Schneider und brauchen Anita nicht mehr.«

»Und wie lange wird das noch dauern?« Seit einem halben Jahr ist dieser neue Kunde der Silberstreif am Horizont, der ihm und damit uns immer wieder durch die Finger gleitet.

»Bald.« Peter hebt besänftigend die Hände.

»Wann bald?« Ja, ich weiß. Ich nerve. Aber irgendwie kann ich heute Abend nicht anders.

»Nur noch ein paar Wochen, okay?«

Ich lehne mich zurück und sehe ihn finster an. Dann stehe ich auf. »Okay.«

»Was … was machst du da?«

»Wonach sieht es denn aus?«

Er zieht fragend die Brauen hoch. »Sag jetzt nicht, du gehst!«

»Doch. Ich gehe, und zwar nach Hause.«

»Aber – wir wollten doch zusammen essen!«

»Wollten wir, ja. Ich aber jetzt nicht mehr. Mir ist der Hunger vergangen. Und weißt du was?« Ich gehe um den Tisch herum und bleibe vor ihm stehen. »Wir reden erst wieder, wenn du die Scheidung eingereicht hast.«

Noch ehe ich mich zum Gehen wende, sehe ich ihn aus dem Augenwinkel breit grinsen.

»Du weißt aber schon, dass wir uns im Büro sehen, Schatz? Da musst du ja wohl wieder mit mir reden.«

Ich richte mich auf und werfe ihm einen vernichtenden Blick zu. »Keine Angst, so unprofessionell bin ich nicht. Aber private Gespräche und alles andere kannst du dir abschminken.«

»Ach komm jetzt – sei nicht so! Zickig steht dir nicht, das weißt du doch!«

»Peter?«

»Ja?«

»Du kannst mich mal!«

Kapitel 2

 

Ich laufe durch die Nacht. Na ja, ich laufe nicht wirklich, aber ich gehe zackig vor mich hin.

Was soll das hier eigentlich werden?

Seit drei Jahren vertraue ich auf Versprechungen, die dann immer wieder verschoben werden. Ja, klar, aufgeschoben ist nicht aufgehoben, aber … aufgeschoben bis an mein seliges Ende hat dann doch auf gewisse Weise dieselbe Bedeutung.

Nicht, dass ich eine Frau wäre, deren biologische Uhr Alarm schlägt. Kinder und Familie stelle ich mir nicht so prickelnd vor. Aber was vor drei Jahren noch spannend und aufregend war, entwickelt sich langsam, aber sicher zum Lust- und Liebeskiller. Die Heimlichtuerei, das Versteckspiel – und die Tatsache, dass ich immer nur die zweite Geige spiele. Um ehrlich zu sein – früher war eine Frau in meiner Lage für mich entweder hoffnungslos naiv oder einfach nur ein rücksichtloses Miststück. Jetzt stecke ich selbst in so einer Situation und finde, dass ich weder das eine noch das andere bin. Ich habe mich einfach nur verliebt. Wie Peter vorhin sagte: Ich wusste, worauf ich mich einlasse.

Er gefiel mir bereits beim Vorstellungsgespräch, aber nie hätte ich mich dazu verstiegen, meinen verheirateten Chef anzubaggern. Die Initiative ging von ihm aus, und auch das erst nach zwei Jahren Zusammenarbeit.

Mir rinnt der Schweiß über die Stirn, ich bleibe stehen und orientiere mich. Rechter Hand liegt der Stadtpark, ich habe mich also ziemlich weit vom Restaurant und meinem Auto entfernt.

Von Peter auch.

Etwas langsamer gehe ich weiter auf den Park zu, das Kleid klebt unangenehm am Körper.

Die Sonne ist längst untergegangen und der rote Sommerabendhimmel strahlt geradezu spöttisch auf mich herab. Eigentlich will ich nur noch nach Hause. Trotzdem gehe ich weiter. Der gekieste Weg ist beleuchtet, die feuchten Rasenflächen daneben flirren noch in leichtem Rot, das sie vom Himmel reflektieren. Ich höre das leise Plätschern des Springbrunnens, der nicht mehr weit entfernt sein kann. Schließlich stehe ich vor dem altmodischen, runden Bassin.

Was soll ich jetzt machen?

Nach Hause fahren? Umkehren und mich entschuldigen?

Danach ist mir im Moment wirklich nicht, auch wenn ich meinen spontanen Aufbruch von vorhin nicht mehr so toll finde. Aber ich mag an diesem Punkt einfach nicht schon wieder klein beigeben.

Frustriert lasse ich mich auf eine der Parkbänke fallen, die um den Brunnen stehen, betrachte die fröhlich plätschernde Fontäne, die eigentlich so gar nicht zu meiner momentanen emotionalen Verfassung passt, und versuche, meine Situation nüchtern zu betrachten.

Dass Peter mir damals ganz unerwartet an der Bar in einem Messehotel sein Leid über die lieblose und kaputte Ehe klagte, in der er gefangen war, hatte mich zuerst unangenehm berührt. Dann aber siegten die Emotionen über meinen Verstand, und es schmeichelte mir, dass gerade ich es war, der er erst dieses Vertrauen und dann neu erwachte Gefühle schenkte.

Er – Peter, der Große.

Peter Weinmann, Inhaber und Manager der größten Dolmetscheragentur unserer Stadt. Übersetzungen und Simultanservices. Eine erlesene Handvoll fest angestellter Dolmetscher und ein ganzes Heer an freiberuflichen Dienstleistern unter seinen Fittichen. Ich war eine aus dem kleinen, elitären Kreis, die es geschafft hatte, eine Festanstellung bei ihm zu ergattern. Was war ich damals stolz! Peters Ruf eilte ihm voraus bis an die Uni, an der ich studierte. Und als zweisprachig aufgewachsenes Kind italienischer Pizzabäcker war eine Festanstellung bei ihm für mich ein Ritterschlag erster Güte.

Dann auch noch seine Aufmerksamkeit als Mann zu erregen.

Ich!

Verflixter Hang zur Romantik aber auch!

Dass der Traummann einige Jahre älter ist als ich, hat mich nie gestört. Seine Frau störte mich schon … aber an jenem Abend glaubte ich ihm aufs Wort, dass seine Ehe eine Farce war, die nur noch auf dem Papier bestand und die er möglichst bald beenden wollte. Leider gab es geschäftliche Gründe, warum eine Trennung immer wieder unmöglich war. Und es immer noch ist, wie man sieht.

Frau Weinmann hält – neben einem interessanten und einflussreichen Posten in der Chefetage eines großen Industrieunternehmens, das uns jede Menge Aufträge sichert – einen großen Anteil an Peters Firma. Scheidung bedeutet, dass sie ihren Anteil ausgezahlt haben will – was derzeit nicht möglich ist, aus verschiedenen Gründen. Also appelliert Peter seit Jahren an meine Geduld, denn verlassen will er sie auf jeden Fall.

Früher oder später.

Und es wird immer später …

Nun hatte er mir also wieder mal hoch und heilig versprochen, mit ihr zu reden. Er wollte endlich Nägel mit Köpfen machen … und dann speist er mich mit einer Konzertkarte ab.

Sting gegen mein privates Glück.

Ich spüre, wie ein schiefes Lächeln über mein Gesicht huscht.

Wäre es tatsächlich Sting persönlich gewesen, würde ich vielleicht mal drüber nachdenken.

Noch immer starre ich auf die beleuchtete Fontäne, als diese plötzlich in sich zusammenfällt. Die letzten Tropfen plätschern noch ins Becken, die letzten Ringe ziehen ihre Kreise auf dem Wasser, dann beruhigt sich die Oberfläche. Ich schaue auf die Uhr. Es ist halb zehn.

Zeit, die Wasserspiele abzuschalten. Zeit, nach Hause zu gehen. Dort angekommen, ist meine Laune am absoluten Nullpunkt. Ich werfe meine Handtasche in die sprichwörtliche Ecke, streife achtlos die Sandalen von den Füßen und das Kleid von meinem klebrigen Körper. Jetzt kann mir nur noch eine lauwarme Dusche wieder etwas auf die Beine helfen.

Eigentlich möchte ich schreien vor Frust, aber natürlich tue ich es nicht, sondern bleibe beherrscht, wie ich eben immer bin. Angetan mit einem leichten Pyjama räume ich anschließend die Unordnung auf, die ich hinterlassen habe, und krame in meiner Tasche nach dem Handy. Vielleicht hat Peter ja in der Zwischenzeit angerufen – reumütig, einsichtig und voll guten Willens, das Versäumte nachzuholen.

Als ich das Display aktivieren will, stelle ich nur noch den Scheintod meines nicht mehr smarten Phones fest – der Akku ist leer, und wer weiß, wie lange schon. Genervt schließe ich das Ladekabel an und trockne mir dann die Haare. In etwa zehn Minuten dürfte der Akku so weit sein, dass ich das Gerät wenigstens einschalten kann.

Eine Unmenge an verpassten Anrufen und Nachrichten blinkt mir entgegen und mein Herz macht einen unvernünftigen Satz. Peter! Er hält es ja doch nicht aus ohne mich!

Beim Öffnen der Anruferliste sehe ich auf den ersten Blick, dass ich mich getäuscht habe, denn ausnahmslos alle Anrufe und SMS sind von meiner Mutter. Von Peter kein Wort. Kein Anruf, keine Nachricht.

Mein Magen zieht sich zusammen. Zum einen aus ernüchterter Frustration, zum anderen aus bangem Erschrecken.

Was will meine Mutter so geballt von mir? Wir haben doch erst vorgestern lang und ausgiebig geskypt – warum meldet sie sich heute schon wieder? Und in dieser Vehemenz? Mein Instinkt sagt mir, dass das nichts Gutes bedeuten kann.

Seit meine Eltern ihre Pizzeria aufgegeben, sich ihren – Mutters – Lebenstraum erfüllt haben und nach Florida gezogen sind, hören wir uns regelmäßig zweimal im Monat. Wegen der Zeitverschiebung müssen wir feste Termine haben, damit es auch klappt mit den Telefonaten.

Ich sehe, dass ihr erster Anruf von heute Nachmittag um vier ist. Da hatte ich gerade das Büro verlassen, um das Auto aus der Werkstatt zu holen. Offensichtlich hat das Telefon bereits da den Geist aufgegeben.

Mist.

Die Textnachrichten strotzen nur so vor Ungeduld. Ich soll mich unbedingt sofort dringend melden, sobald ich das hier lese und wieder erreichbar bin.

»Ciao, Mamma, was ist denn los?«

Statt einer Antwort heult sie ins Telefon. Mir bleibt fast das Herz stehen.

»Mamma, ist irgendwas mit Papà?«

Endlich beruhigt sie sich so weit, dass sie ein paar klare Sätze herausbringt. »Wo warst du die ganze Zeit? Ich versuche seit Stunden, dich zu erreichen!«

Also geht es meinem Vater gut. »Was ist passiert?«, hake ich geduldiger nach, als ich eigentlich bin. Nach diesem Abend hat mir so ein Telefonat gerade noch gefehlt!

»Meine Cousine Sonia hat heute Nachmittag bei mir angerufen – deine Großmutter ist gestorben.«

Ich sitze erst mal da wie erstarrt.

Nonna Sara, meine Großmutter … gestorben? Ich wollte sie doch diesen Herbst endlich mal wieder besuchen!

»Aber … wie … warum … was …«, stammle ich, ohne recht zu wissen, was ich ihr nun sagen soll.

»Herzinfarkt, sagt Sonia.« Mamma schnieft noch einmal kräftig auf, dann beruhigt sie sich wieder etwas. »Sie muss in der Nacht einfach eingeschlafen sein, und als sie nicht wie sonst zum Frühstück zu ihnen kam, hat Sonia nachgesehen und sie im Bett gefunden.«

»Oh Gott. Das tut mir aber wirklich leid.«

»Hast du denn in letzter Zeit noch mal mit ihr telefoniert?«, fragt mich Mamma und trifft damit einen wunden Punkt.

»Nein«, gestehe ich reumütig und mit wirklich schlechtem Gewissen. »Ich habe es immer wieder vor mir hergeschoben, wollte es morgen machen, immer wieder morgen, weißt du …?«

»Certamente. Sai, che ti conosco bene – ich kenne dich ja so gut, tesoro«, seufzt sie nachsichtig und fällt dabei automatisch in ihre Muttersprache zurück.

»Und jetzt ist es zu spät!« Gerade noch rechtzeitig bringe ich den kurzen Satz zu Ende, ehe auch mich die Emotionen ein wenig packen. Ich kann es nicht haben, wenn andere weinen – da bin ich sofort mit dabei. Und wenn ich bedenke, dass ich meine Nonna nun nie wieder anrufen kann …

Nicht, dass ich es besonders oft getan hätte in letzter Zeit. In den letzten Jahren. Trotzdem ist das jetzt ein beschissenes Gefühl. Irgendwie war sie ja doch immer da – im Hintergrund zwar, aber dennoch präsent.

Nun ist sie es nicht mehr. Einfach so.

An diesen Gedanken werde ich mich erst noch gewöhnen müssen. Jetzt treibt er mir erst mal die Tränen in die Augen.

»Du musst hinfahren, Sarina«, höre ich meine Mutter weiterreden. »Wir können nicht kommen und die Beerdigung ist schon morgen.«

Meine Trauer wird von Fassungslosigkeit abgelöst. »Morgen? Hättet ihr mir das nicht ein bisschen früher sagen können? Wann ist es denn passiert?«

»In der Nacht auf gestern, aber sie konnten uns auch erst einen Tag später erreichen, weil ich mit deinem Vater in der Notaufnahme der Orthopädie war …«

»Notaufnahme?« Das wird ja immer schöner!

»Nichts Schlimmes« beruhigt sie mich, »nur wieder sein Knöchel. Diesmal mussten sie ihn eingipsen. Er läuft eben zu viel über Stock und Stein. Und das in seinem Alter. Na, wie auch immer …« Sie schnieft noch einmal. »Ich musste dort das Handy ausschalten und da konnten sie mich heute erst informieren. Und deins war ja auch den ganzen Nachmittag aus.«

Na, das ist ja nett. Da sind wir technisch ausgerüstet bis an die Zähne und wenn es doch mal Ernst wird, klappt trotzdem nichts.

»Und ich soll jetzt …«, greife ich das Unfassbare wieder auf.

»Ich bitte dich! Du bist schließlich ihre einzige Enkelin! Jemand von uns muss sich doch um den Nachlass kümmern, und wir können jetzt mit dem eingegipsten Fuß deines Vaters unmöglich fliegen. Außerdem würden wir das sowieso nicht mehr schaffen …«

Ja, das ist allerdings wahr. Aber … »Und wie soll ich das schaffen?«, maule ich.

»Ach, tesoro – bitte! Tu mir den Gefallen, ja?« Ihre Stimme wird weich und geradezu flehend. Der vorwurfsvolle Ton von vorhin ist verschwunden.

»Aber – du bist doch ihre Erbin«, werfe ich hoffnungsvoll ein.

»Ich habe dir bereits alle nötigen Vollmachten ausgestellt und per Mail geschickt, damit du alles in die Wege leiten kannst.«

»Was meinst du mit alles?« Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste, und dieses Wörtchen macht mich plötzlich misstrauisch.

»Na, ihr Haus zu verkaufen zum Beispiel. Die ganzen Behördengänge. Gas, Strom, Wasser abmelden und so weiter.«

Ach du Schande! »Sonst noch was?« Es klingt schnippischer, als ich eigentlich wollte, aber mit einem Mal fühle ich mich ziemlich überfordert. Warum kann mein Leben nicht einfach so weiterlaufen wie bisher? Ruhig und in geordneten Bahnen.

Geordnet? Na ja …

Ich puste mir eine Strähne aus der Stirn. Eigentlich hätte ich nächste Woche einen Friseurtermin, schießt es mir durch den Kopf.

Hoffentlich bin ich rechtzeitig wieder zurück!

»Amore, ich habe mir gedacht, du kümmerst dich um alles und dafür darfst du das Geld, das du für das Haus bekommst, behalten. Ist das ein faires Angebot? Wir brauchen es schließlich nicht, weißt du?«

»Hm«, brumme ich, während mein Gehirn anfängt zu rattern.

Ganz unerwartet erscheint ein Lichtstreif am Horizont. Wenn ich das Haus gut verkaufen kann …

Meine Gedanken schlagen urplötzlich Purzelbäume. Im Geiste sehe ich mich als Peters neue Teilhaberin in der Firma, denn damit könnte ich vielleicht die Anteile seiner Frau ablösen und selbst einsteigen. Dann hätte dieses ganze Theater schlagartig ein Ende.

»Ja, wenn das so ist …«, höre ich mich schließlich murmeln.

»Also fährst du? Ich kann mich auf dich verlassen?«, hakt meine Mamma nach.

»Ja, kannst du«, seufze ich ergeben. Nicht, dass ich geldgierig wäre – aber Nonnas Haus würde nach Mammas Tod ohnehin ich erben. Hoffentlich erst in ungefähr hundertfünfzig Jahren oder so, aber vom Prinzip her, meine ich. Und ich würde es sowieso nie im Leben behalten wollen, das steht auch schon ewig fest.

»Dann solltest du jetzt unbedingt noch schnell Sonia anrufen und ihr Bescheid geben, beziehungsweise dir sagen lassen, wann und wo die Beisetzung stattfindet«, rät sie mir.

Den Gedanken hatte ich auch schon, trotzdem werfe ich einen zweifelnden Blick auf die Uhr. Halb elf. »Jetzt noch?«

»Die schlafen noch nicht«, beruhigt sie mich. »Ich habe Sonia versprochen, dass du dich meldest, sobald ich mit dir gesprochen habe. Und an einem Abend wie diesem …« Sie lässt den Satz unvollendet, doch ich verstehe sie auch so.

 

Einen Moment sitze ich noch da, das Telefon in der Hand.

Normalerweise würde eine Frau in diesem Fall ihren Freund anrufen und ihm Bescheid sagen. Sich bei ihm ausweinen und seelischen Beistand holen.

Normalerweise.

Aber bei Peter und mir gibt es diese Normalität nicht. Ich kann ihn um diese Zeit weder anrufen noch ihm eine SMS senden. Das haben wir vor langer Zeit vereinbart und daran halte ich mich strikt, denn sollten wir auffliegen, wäre das katastrophal. Ich muss also bis morgen früh warten, damit ich ihn, so wie jeder normale Angestellte auch, im Büro anrufen und informieren kann.

So eine Art von Beziehung wie die unsere hat unbestreitbar ihre Vorteile. Ich habe relativ viel Zeit für mich selbst und für meine großen und kleinen Eigenheiten, kann auch das eine oder andere Wochenende einfach nur so vor mich hin chillen und bin trotzdem keiner der bedauernswerten Singles jenseits der Dreißig.

Sie hat aber auch Nachteile.

Es ist meistens gerade dann keine Schulter zum Anlehnen und Ausweinen da, wenn ich mal wirklich eine gebrauchen könnte. Aber wir modernen Frauen sind ja emanzipiert und wollen so etwas ohnehin nicht. Immerhin brauche ich ihm keine Socken zu waschen und keine Hemden zu bügeln, dafür braucht er auch nicht für mich da zu sein, wenn ich meinen Moralischen habe. Ein fairer Tausch. Zumindest eine Zeit lang. Außer ich brauche irgendwann jemanden, der wirklich für mich da ist.

Wenn ich zum Beispiel über Nacht nach Italien zu einer Beerdigung fahren soll.

Ich gebe zu, ich hätte da schon gern jemanden dabeigehabt, den ich vorzeigen könnte. Und Peter ist durchaus vorzeigbar. Groß und schlank, das dunkle Haar grau meliert, jeder Zoll der erfolgreiche, siegessichere Mann von Welt. Das hat was, jedenfalls für mich. Also müsste es für meine einfach gestrickte, italienische Verwandtschaft ja auch was haben, oder? Aber ich bin taff und ich bin gut organisiert. Diese paar Tage und ihre Aufgaben können mich nicht schrecken!

Kapitel 3

 

Meine so ruhig geplante Fahrt erweist sich als desaströs. Nachdem mich ein Unfall und stehender Verkehr lange Stunden dieser Nacht gekostet haben, wird die Fahrt zu einem Wettlauf mit der Zeit. Um zwanzig nach acht verlasse ich bei Padua die Autobahn. Ich habe mich noch nicht richtig an die reduzierte Geschwindigkeit gewöhnt, als mein Handy klingelt. Das Bordcomputer-Display zeigt mir einen Namen, der mir sofort den Puls in die Höhe jagt.

Peter.

Mannaggia, er weiß ja immer noch nichts! Und das nach diesem desaströsen Abend gestern.

Ich lasse das Telefon ins Leere klingeln und halte nach einer Parkmöglichkeit Ausschau. Dieses Gespräch will ich nun wirklich nicht mitten im morgendlichen Verkehr führen! Auf dieser Staatsstraße geht es immer noch lebhaft zu, obwohl um diese Zeit doch wirklich alle schon an ihren Arbeitsplätzen sein sollten. Ich setze den Blinker, als ich eine geeignete Stelle am Seitenstreifen entdecke, und halte an.

Erst mal tief durchatmen.

Ich bin im Recht, daran muss ich mich erinnern, auch wenn ich mich merkwürdigerweise gar nicht danach fühle. Es ist trotzdem so. Dann aktiviere ich den Rückruf. Es klingelt genau zwei Mal.

»Wo bist du?«

Seine erste Frage ist natürlich logisch um kurz vor halb neun, denn normalerweise sitze ich um diese Uhrzeit längst an meinem Schreibtisch.

Ehe ich darüber nachdenke, wie das auf ihn wirken könnte, antworte ich wahrheitsgemäß und ebenso knapp. »In Italien.«

In der Leitung herrscht Stille.

»Dir übrigens auch einen guten Morgen!«, schiebe ich hinterher, dabei bin ich nicht mal sicher, ob ihn das überhaupt erreicht.

Ich höre, wie er sich räuspert. Dann: »Okay.« Er zieht das Wort in die Länge und am Ende nach oben, als handle es sich bei diesen vier Buchstaben um eine enorm wichtige Frage. Danach kommt erst mal nichts mehr.

»Okay? Wirklich? Ähm, weil ich nämlich …«

»Nein!«, donnert es da aus den Lautsprechern, dass das ganze Wageninnere dröhnt. »Das ist natürlich nicht okay! Bist du jetzt vollkommen durchgedreht? Nur, weil es gestern Abend nicht so gelaufen ist, wie du dir das vorgestellt hast, verschwindest du nach Italien? Was soll das? Du kannst doch nicht einfach abhauen und alles stehen und liegen lassen, nur weil es nicht nach deinem Kopf geht! Wie stellst du dir das vor?«

Na ja. Ich hätte wohl anders anfangen sollen. Aber nun ist es schon mal so, und seine Tirade macht mich mit einem Mal richtig wütend.

Zu meinem Glück muss er dann doch mal Luft holen, also komme auch ich noch mal zu Wort.

»Bist du jetzt fertig?«, erkundige ich mich genervt und außerdem noch ziemlich scharf.

»Sarina, verflucht noch mal, nicht in diesem Ton!«

»In welchem denn dann, wenn du mich nicht zu Wort kommen lässt!« Ich werde jetzt ebenfalls laut. »Verflucht? Ja, genau – verflucht! Meine Großmutter ist gestorben, in einer Stunde ist die Beerdigung, ich habe eine Scheißfahrt hinter mir und wenn man dich in deinem heiligen Zuhause jenseits der Geschäftszeiten anrufen dürfte, dann wüsstest du das schon seit gestern Abend. Da habe ich das nämlich selbst erst erfahren, okay?«

Plötzlich habe ich Tränen in den Augen und bedaure mich gewaltig. Ich räuspere mich laut und ausgiebig, damit ich nicht anfange zu heulen, dann geht es wieder. Einen Moment herrscht Funkstille.

»Shit! Das tut mir leid.« Jetzt ist er hörbar kleinlauter geworden, aber davon kann ich mir auch nichts mehr kaufen. »Sarina, wenn ich das gewusst hätte …«

Draußen brettert ein Laster vorbei und ich kann ein paar Sekunden lang nicht verstehen, was Peter am anderen Ende der Leitung sagt.

»Schon gut«, unterbreche ich ihn, als die Lärmquelle vorüber ist, weil es mich auch wirklich nicht interessiert. »Lassen wir das jetzt. Ich bin spät dran und muss weiter.«

»Gut – nein, eigentlich nicht gut, aber jetzt noch mal: Das tut mir wirklich leid! Wann kommst du wieder?«

»Ich hoffe bald.«

»Heute ist der vierte August.« Ich höre ihn mit der Maus klicken, dann tippt er etwas auf der Tastatur. »Nächsten Freitag haben wir den zwölften. Am sechzehnten ist der Termin mit Schröder.«

Ich lache genervt auf. Klar, ich weiß selbst, dass das wichtig ist! »Bis dahin bin ich längst wieder da!«

Jetzt scrollt er – mir ist nie vorher aufgefallen, dass das Rädchen an seiner Maus so laut ist! »Das hoffe ich doch! So ein ungünstiger Zeitpunkt – wirklich, gerade jetzt, im unpassendsten Moment!«

Sein Tonfall ärgert mich erneut. »Ja, schon klar. Weißt du, das hat meine Großmutter mit Absicht so gemacht, um dich zu ärgern.«

Jetzt merkt er offensichtlich, wie unsensibel er eigentlich ist. »Hey – aber so habe ich das doch gar nicht gemeint!«

»Dann vermittle mir bitte auch nicht das Gefühl, als würdest du mir die Schuld am schlechten Timing eines familiären Todesfalls geben.« Ich klinge so sauer, wie ich mich fühle, und habe im Moment wirklich keine Lust, meine Verstimmung zu verbergen, so wie ich es sonst immer tue.

»Ja, okay! Das kam jetzt vielleicht ungünstig rüber.«

»Tat es.« Ich beiße die Zähne aufeinander. Ein bisschen mehr Verständnis hatte ich, ehrlich gesagt, schon erwartet. Dann lenke ich meine Gedanken zurück zu sachlicheren Themen. Es bringt ja doch nichts, hier die Beleidigte zu spielen. »Ich habe nichts, was dringend bis zum zwölften raus müsste an einen Kunden, von daher … Aber ich muss wirklich weiter. Das hier bringt jetzt sowieso nichts. Ich bin, wo ich bin, und ich komme zurück, wenn ich hier alles erledigt habe, okay? Der Laden wird schon nicht untergehen ohne mich.«

»Nein, natürlich nicht. Aber ich werde dich vermissen – sehr sogar!«

Schweinehund! Den letzten Satz hat er mit einer so sanft schmelzenden Stimme gesagt, dass ich fast schon wieder versöhnt bin, obwohl er sich am Anfang wie ein echter Arsch benommen hat.

»Und das andere tut mir leid, okay? Also, dann fahr weiter, sei vorsichtig und melde dich, sobald du kannst, mein Schatz, hörst du?«

»Mache ich. Ciao.«

Ich beende das Telefonat und atme noch einmal tief durch. Dann starte ich den Wagen und fädle mich wieder in den laufenden Verkehr ein.

Vollkommen fertig mit den Nerven komme ich endlich an. Übermüdet, hungrig, durstig und zu spät auf der Beerdigung meiner eigenen Großmutter. Alles, was gestern war, ist vollkommen in den Hintergrund gerückt, als ich endlich auf dem Kirchplatz in dem winzigen Dorf ankomme.

Natürlich ist kein Parkplatz frei. War ja klar. Umziehen geht auch nicht mehr, es ist Viertel nach zehn, als ich endlich das Auto fast am anderen Ende der Dorfstraße abgestellt habe und durch die schon jetzt auf allem lastende, morgendliche Hitze zurück haste.

Mein Plan sieht vor, mich leise hinten in die Kirche zu schmuggeln und so zu tun, als sei ich von Anfang an da gewesen. Wenigstens habe ich keine klappernden Absätze an, mein Vorhaben sollte also aufgehen.

Vor dem Portal schnaufe ich noch einmal tief durch, dann öffne ich die schwere hölzerne Tür so weit, dass ich mich hindurchschieben kann. Als ich sicher bin, dass sie hinter mir angelehnt einen Spalt offenbleibt, lasse ich den Griff los. Ich will schon aufatmen – der unauffällige Einstieg ist mir geglückt – als der Türflügel eine letzte Bewegung gegen den Federmechanismus macht und mit einem unüberhörbaren Knall ins Schloss fällt.

Da stehe ich nun. Am Ende des Mittelgangs, mit Blick direkt auf den Sarg, der da vorn steht – und reihenweise Gesichter, die sich nach diesem Krach zu mir umdrehen. Bei einer Totenmesse in hellblauen Jeans, weißen Sneakers und einem ebenso weißen Shirt, das im Halbdunkel des Gotteshauses wahrscheinlich von selbst leuchtet.

Am liebsten würde ich jetzt im Boden versinken. Genau so wollte ich das hier nicht haben, aber ich werde leider nicht unsichtbar. Eine Bewegung in der ersten Reihe links zieht meine Aufmerksamkeit auf sich. Ich erkenne Sonia, die mich zu sich heranwinkt. Die Geste lässt keinen Widerspruch zu, wenn ich das Ganze hier nicht noch auffälliger gestalten will. Also falte ich die Hände, gehe mit gesenktem Kopf an all den vollbesetzten Reihen vorbei nach vorn und stelle mich neben sie in die vorderste Bank. Zugleich wundere ich mich über die alten Automatismen: Ich war seit einer Ewigkeit nicht mehr in der Kirche, aber mein Unterbewusstsein erinnert sich noch, wie ich mich bitteschön verhalten soll. Krass!

Der Pfarrer deutet an, dass wir uns setzen dürfen. Wenigstens er hat sich von meinem Störmanöver nicht ablenken lassen, sondern redet ungerührt weiter, während ich wortlos und verlegen ein paar Hände schüttle, die sich mir ebenso wortlos entgegenstrecken.

Dann richte ich meinen Blick etwas nach rechts. Der Sarg ist aus hellbraunem Holz und mit weißen Lilien und rosafarbenen Rosen aufwändig geschmückt. Saras Porträt in Lebensgröße steht vor dem Bukett und ich bilde mir ein, sie sieht mir direkt in die Augen, als wolle sie wissen, wo ich so lange war.

Ich bin noch viel zu aufgedreht von den letzten Stunden, als dass ich mich jetzt wirklich besinnen und konzentrieren könnte. Um mich von Nonnas Augen abzulenken, linse ich nach links. Neben mir sitzt Sonia – die Ähnlichkeit mit meiner Mutter, ihrer Kusine, ist verblüffend. Ein bisschen pummeliger ist sie geworden, seit ich sie das letzte Mal gesehen habe, aber ich finde, es steht ihr. Daneben kommt Benedetta, ihre Tochter, meine Kusine – wievielten Grades? Ob sie sich immer noch Benny nennen lässt? Noch einen Platz weiter sitzt ein weiblicher Teenager, den ich als Benedettas Tochter Micaela einordne, dann kommt Sonias Mann Gianluca. Mehr sehe ich nicht, weil ich mich ja auch nicht nach vorne beugen und glotzen will. Schließlich dürfte ich jetzt genug im Mittelpunkt des Interesses stehen. Oder wenigstens sitzen. Ich kann sie alle richtig hören: Klar, die deutsche Zicke. Zu spät dran und nicht mal angemessen angezogen. Und überhaupt. Hätte sich auch mal um ihre Großmutter kümmern können! Jetzt, wo es was zu erben gibt, kommt sie daher.

Immerhin mischt sich jetzt die Stimme des Pfarrers in meine unerfreulichen Gedanken.

»… warmherzig, hilfsbereit und immer für andere da, so kannten und liebten wir Sara Ottoboni. Nie zögerte sie, nie sagte sie Nein, wenn jemand ihre Hilfe brauchte. Und als genau diesen großartigen und großzügigen Menschen …« Hier betont er jeweils die zweiten Worthälften ganz besonders. »… werden wir sie für immer in Erinnerung behalten. Nicht nur ihre nächsten Familienmitglieder und Verwandten werden sie vermissen, nein, auch ihre vielen, vielen Freunde und Bekannte, für die sie stets ein offenes Ohr und ein freundliches Wort hatte. – Liebe Familie, liebe Freunde, liebe Trauergemeinde, so lasset uns nun beten …«

Wir erheben uns. Immer wieder gleitet mein Blick zu dem Foto. Meine Wangen haben bei den Worten Familienmitglieder und vermissen zu glühen angefangen.

Vermisse ich sie?

Vermisst meine Mutter sie?

Natürlich haben wir versucht, sie zu uns zu holen, damals, als ihr Mann, mein Großvater, gestorben war. Wir haben lange auf sie eingeredet, sie von den Vorteilen zu überzeugen versucht, die sie hätte, wenn sie bei uns leben würde. Vergeblich. Also ließ Mamma sie irgendwann damit in Ruhe. Ich kenne es also nicht anders, als ohne sie zu leben. Nur selten mit ihr zu telefonieren und sie noch viel seltener zu sehen …

Sonia neben mir schluchzt erstickt auf und wischt sich mit einem Taschentuch über die Augen. Ich verkneife mir die spontane Reaktion, ihre Hand zu drücken. So viel Nähe existiert schließlich nicht zwischen uns. Eigentlich sind wir eher Fremde als nahe Verwandte, und ich könnte mir vorstellen, dass sie einen solch intimen Übergriff nicht schätzen würde.

Ich atme tief ein und räuspere mich.

»… so bitten wir dich, oh Herr …«

Neben mir entsteht Bewegung. Der Teenie klettert über die Kniebank hinweg in den Gang, geht nach vorn zur Kanzel und zieht sich das Mikro herunter. Micaela ist hübsch. Lange, glatte dunkle Haare, eine intellektuelle Brille, die sie immer wieder die Nase hochschiebt, als sie die Fürbitten vorliest. Sie ist vielleicht dreizehn Jahre alt und hat noch eine ganz helle Kinderstimme.

»Für unsere liebe Sara: Öffne ihr die Himmelspforte und lass sie hinein, damit sie dort weiterhin tun kann, was sie in ihrem Leben am liebsten getan hat.« Sie verhaspelt sich und schaut hilfesuchend zu uns herunter.

Ich werfe einen schnellen Blick an Sonia vorbei. Benedetta lächelt unter Tränen und nickt ihr aufmunternd zu.

»Ich vermisse dich, zia. Ich hab dich lieb!«, kommt noch von der Kanzel, ehe das Kind in Tränen ausbricht und fluchtartig seinen exponierten Platz verlässt. Sie stolpert mehr, als dass sie über unsere Füße hinwegsteigt – warum hat man sie nicht gleich am Gang sitzen lassen, frage ich mich da–, und setzt sich leise weinend wieder neben ihre Mutter, die sie sofort liebevoll in die Arme nimmt. Auch hinter mir und auf der anderen Seite des Ganges höre ich vereinzelte Schluchzer die lastende Stille durchbrechen, ehe der Pfarrer endlich zur Empore hoch nickt.

Die Orgel setzt ein.

Bachs Präludium.

Und eine glockenreine Stimme, die Gounods Ave Maria anstimmt.

Mist. Das war’s mit meiner Fassung.

Damit habe ich nicht gerechnet. Ich war mir so sicher, alles distanziert und ungerührt hinter mich zu bringen, dass ich wahrscheinlich nicht mal Tempos in meiner Handtasche habe. Trotzdem fange ich hektisch an, darin zu kramen, während ich so unauffällig wie möglich die Nase hochziehe. Ein Stupser lässt mich aufschauen. Mit einem Lächeln im tränenüberströmten Gesicht hält mir Sonia ein Päckchen Taschentücher hin und schiebt es mir nachdrücklich entgegen, als ich mir nur eins rausnehmen will.

»Danke«, murmle ich und schnäuze mich hastig.

Wenn andere in meiner Gegenwart weinen und dann auch noch die passende Musik dazu das ihre tut – meine Tränen laufen jetzt ebenfalls unaufhaltsam. Ein Arm legt sich um meine Schulter: Sonia hat nicht meine Bedenken, was das Trösten angeht. Sie drückt mich einfach kurz an sich, ehe sie sich selbst noch einmal kräftig die Nase putzt.

Irgendwann ist diese Messe dann vorbei und die Kirchenbänke hinter uns leeren sich. Wir stehen ebenfalls auf und stellen uns neben den Sarg.

»Was ist denn passiert?«, fragt mich Sonia schließlich leise. »Du wolltest doch schon früher da sein.«

»Tut mir leid, Unfall und Stau«, lasse ich sie halblaut wissen. »Ich habe drei Stunden verloren. Eigentlich wollte ich mich noch umziehen …«

»Na, wenigstens ist dir nichts passiert«, brummt Gianluca, der meine Antwort gehört hat. »Kommt jetzt, plaudern könnt ihr nachher.«

Die Trauergäste sind alle draußen und die Männer vom Beerdigungsinstitut machen sich bereit. Einer von ihnen nimmt Nonnas Porträt vom Sarg und drückt es mir ohne Umschweife in die Hand. Reflexartig presse ich es gegen meine Brust, die schon wieder eng wird.

Schließlich setzen sich die Männer mit dem Sarg in Bewegung und rollen ihn nach draußen, wo schon alle auf ihn – und damit auch auf uns – warten. Wir treten in die helle Sonne des späten Augustvormittags, und wieder wird mir der Kontrast meines weißen Shirts zu all dem Schwarz um mich herum bewusst.

»Ich hätte eine schwarze Jacke im Auto«, schlage ich Sonia vor. »Die könnte ich ja noch schnell holen, ehe wir zum Friedhof gehen.«

Benedetta hat mich ebenfalls gehört. »Lass es, du wirst auch so genug schwitzen«, rät sie mir schulterzuckend, und Sonia nickt.

»Das stimmt.«

»Außerdem ist Weiß in China die Farbe der Trauer«, wirft Micaela altklug ein.

»Das ist allerdings wahr«, bestätige ich. »Hallo, ich bin Sarina. Wir haben uns noch nicht gesehen …«

»Ich bin Miki«, sagt sie mit dünner Stimme.

Schließlich setzt sich der Trauerzug in Bewegung. Ich stopfe das große Porträt mehr schlecht als recht in meine Handtasche, damit ich es wenigstens nicht in der Hand halten muss. Den Sarg haben sie in den Leichenwagen verfrachtet, der nun im Schritttempo vor uns her quer durch das ganze Dorf in Richtung Friedhof fährt. An der einzigen größeren Kreuzung steht das Auto der Gemeindepolizei und sperrt sie für den Verkehr.

Tote haben Vorfahrt …

Dann stehen wir im großen Halbkreis um Nonnas Grabstätte herum und sehen zu, wie der Sarg hineingeschoben wird. Ich erinnere mich – in die Erde eingegraben werden hier nur wenige, die meisten werden überirdisch bestattet. Und wieder überläuft mich ein Schauder, als schließlich zwei Männer mit Ziegelsteinen, Kellen und Mörtel anrücken und die Öffnung der Grabstätte vor unseren Augen verschließen.

Irgendwie ist das gruselig.

So endgültig.

Wie es nun mal ist …

 

Ich schrecke aus dem Schlaf hoch. Einen Moment lang habe ich ein Orientierungsproblem, aber dann fällt es mir wieder ein.

Es ist später Nachmittag. Ich liege auf dem Sofa in Sonias Wohnzimmer, wohin sie mich nach der Beerdigung bugsiert hat, nachdem ich schließlich und endlich kurz nach Mittag beinahe umgekippt wäre.

Wieder etwas, das mir schon sehr lang nicht mehr passiert ist. Aber Schlafmangel, Dehydrierung und die ungewohnte Wärme haben eindeutig an meiner Substanz gezehrt, und nach einem knappen Liter Mineralwasser und einem Schokoriegel ging es mir dann schnell wieder besser. Müde und übernächtigt war ich allerdings immer noch, also hat sie mich kurzerhand zum Schlafen geschickt.

Ich war nicht böse darüber. Aber jetzt bin ich munter, also stehe ich auf, strecke mich und gehe hinaus in den sonnigen Spätnachmittag.

Die Familie sitzt auf der Terrasse und unterhält sich noch immer über die Beerdigung. Ich geselle mich dazu. Gianluca rückt mir einen Stuhl zurecht, Sonia schenkt mir ein Glas Eistee ein.

»Geht es dir besser?«, fragt sie.

Ich nicke. »Ja, danke. War ein bisschen anstrengend, weil ich die ganze Nacht durchfahren musste.«

»Wir machen nachher was zu essen, das wird dir auch guttun. Gerade haben wir darüber gesprochen, wie viele Leute doch auf der Beerdigung waren.«

»Ja, das ist mir auch aufgefallen.«

»Deine Großmutter war sehr beliebt. Alle mochten und respektierten sie.«

»Das dachte ich mir.« Warum frage ich mich eigentlich gerade, wie viele Menschen zu meiner Beerdigung kämen, wenn mir was passieren würde?

»Schade, dass Onkel Dario nicht da war«, wirft Miki ein. Sie spielt mit ihrem Smartphone und sieht zum ersten Mal hoch, seitdem ich ihr gegenüber sitze. Ihre Augen hinter der Brille sind noch ein wenig rot, aber ansonsten hat sie sich wieder gefangen.

»Onkel Dario?« Ich sehe fragend in die Runde. Von einem Onkel dieses Namens habe ich noch nie gehört. Ich dachte bisher immer, ich würde meine engere Verwandtschaft zumindest namentlich kennen.

»Na ja, er ist nicht wirklich mein Onkel«, erklärt Miki. »Ich nenne ihn halt so, weil er so nett ist. Und weil Zia Sara ihn so gernhatte, stimmt‘s, Mamma?«

»Stimmt, amore.« Benedetta nickt bekräftigend und wendet sich dann zu mir. »Deine Großmutter hat ihn sehr geschätzt.«

»Er war Saras bester Freund«, wirft Sonia ein. »Benny hat recht. Sie hat ihn sehr gemocht.«

»Aha.« Ein alter Freund also. Hätte mich auch gewundert, wenn da plötzlich ein weiterer Onkel aufgetaucht wäre.

Benny – Sonia nennt sie also tatsächlich noch immer so – mustert mich so neugierig wie ich sie.

Ja, und dann beginnt das Update, das aggiornamento, wie die Italiener es nennen. Wir bringen uns gegenseitig auf den neuesten Stand der Dinge. So erfahre ich zum Beispiel, dass Miki im September dreizehn wird und einer kurzen Affäre meiner Kusine Benedetta mit einem französischen Touristen entstammt. Insgeheim wundere ich mich über so Einiges, spreche es aber nicht aus. Allerdings scheinen mir meine Fragezeichen ins Gesicht geschrieben zu sein, denn Benny lacht.

»Auch in der italienischen Provinz muss man sich als alleinerziehende Mutter heutzutage nicht mehr zu Tode schämen«, lässt sie mich grinsend wissen, und ich fühle mich ertappt. »Die Zeiten ändern sich auch hier, nicht wahr, amore?«

»Was?« Miki sieht widerstrebend von ihrem Handy auf. Immerhin fühlt sie sich bei dem Kosewort sofort angesprochen.

»Nichts.« Benny lächelt nachsichtig. »Hast du eigentlich schon gepackt?«

»Mamma! Ich fahre doch erst am Montag!«

»Trotzdem – ich will, dass du dich dieses Mal selbst um deine Sachen kümmerst!«

»Mach ich schon noch.« Der Kopf senkt sich wieder auf das Gerät und die Finger huschen mit einem Höllentempo über das Display.

»Wo geht es denn hin?«, frage ich mehr aus Höflichkeit als aus echtem Interesse.

»Mit den Pfadfindern ins Ferienlager«, antwortet die Mutter statt der Tochter.

»Pfadfinder? Die gibt’s hier immer noch?«

»Und ob!«, bekräftigt Sonia. »Ich finde das in Ordnung – die Kinder sollen ruhig lernen, dass es außer ihnen auch noch was anderes gibt auf dieser Welt.«

»Außerdem bin ich froh, wenn sie ein paar Tage weg ist. Sonst langweilt sie sich noch zu Tode und lungert dauernd im Geschäft herum«, wirft Benny ein.

»Ich lungere nicht herum!«, protestiert Miki. »Ich unterhalte die Kundinnen.«

»Und bringst alle Farbtuben durcheinander«, murrt Sonia.

Geschäft? Farbtuben?

Ach ja, langsam dämmert mir die Erinnerung hoch. Hatten die beiden nicht einen Frisörsalon? Ich frage nach.

»Stimmt, haben wir. Vor drei Monaten sind wir aber umgezogen, der alte Salon war zu klein geworden. Wir sind jetzt in Porto Tolle, da ist auch noch Platz für

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 19.07.2022
ISBN: 978-3-7554-1751-4

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /