My Daily Ayurveda
Wie du trotz Beruf die indische Heilkunde in deinen Alltag integrierst.
© Yasmin Kumar
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Vorwort
Wie jeden Tag wachst du auch an diesem Morgen völlig gerädert auf. Wenn du daran denkst, was heute alles auf deiner To-do-Liste steht, möchtest du am liebsten gar nicht aufstehen. Nachdem du dich noch einige Male hin- und hergeworfen hast, den Wecker mehrere Male auf Snooze geschaltet hast, springst du völlig erledigt aus dem Bett. Die Dusche mag auch kein warmes Wasser spenden, deine Familie wünscht Aufmerksamkeit und du bist so spät dran, dass es für deinen geliebten Morgenkaffee zeitlich nicht mehr reicht. Auf der Arbeit geht es weiter. Du bist müde und hungrig – immerhin fiel das Frühstück aus – und du hast keinerlei Energie. Das Abarbeiten deiner heutigen Aufgaben zieht sich in die Länge, denn du kannst dich einfach nicht ausreichend konzentrieren und der Feierabend scheint immer weiter in die Ferne zu rücken. Was gibt es demotivierenderes? Endlich zu Hause angekommen, sind die Kinder an der Reihe und Hausaufgaben müssen gemacht werden. Du nimmst deine letzten Energiereserven zusammen, um ihnen nach bestem Wissen behilflich zu sein.
Während du ein schnelles Abendessen kochst, wird getobt und gespielt. Sind die Kinder im Bett, ertappst du dich dabei, wie du zum Kühlschrank gehst und dir noch einen süßen Mitternachtssnack schnappst. Den brauchst du jetzt für deine Nerven, redest du dir ein. Du gehst viel zu spät ins Bett, dein Schlaf ist deutlich zu kurz und am nächsten Tag erwartet dich genau das Gleiche. Das klingt eher nach deinem Alltag? Dann ist es an der Zeit, etwas daran zu ändern.
Findest du dich in diesem Alltag wieder? Dann erscheint dir ein Morgen, der sich wie ein entspannter Sonntag anfühlt, vermutlich wie ein Ding der Unmöglichkeit. Doch dem ist nicht so. Mit ein paar kleinen Veränderungen kannst du bereits Großes bewirken und deinen Alltag neu gestalten. Ayurveda lässt sich auch in das Leben eines Berufstätigen integrieren. Alles, was du dafür benötigst, ist der Mut zur Veränderung und die nötige Disziplin, die neuen Gewohnheiten beizubehalten. Du musst dir stets vor Augen führen, wie dein Alltag aussehen könnte, denn allein das ist schon Motivation genug, oder? Alles, was du dafür wissen musst, erfährst du in diesem Ratgeber. Du erhältst nicht nur einen Überblick über die Grundlagen der ayurvedischen Lehren, sondern erfährst auch, wie sich all das zu dem Konzept entwickelt hat, das wir heute kennen. Mit unseren Tipps und Tricks schaffst auch du es, diese Lehren in deinen Alltag zu integrieren, auf die Signale deines Körpers zu hören und fit, gesund und ausgeglichen durch das Leben zu gehen, egal vor welche Herausforderungen es dich stellt.
Inhalt
Ayurveda im Überblick
Dein Leitfaden für ein langes und gesundes Leben
Höre auf deine innere Stimme
Die Lehre der Elemente
Das Verständnis von Krankheiten – Agni und Ama
Der Weg zurück zum umfassenden Wohlsein
Die Grundlagen der ayurvedischen Heilung
Grundlegende Fakten zusammengefasst
Eine Reise durch die Geschichte der ayurvedischen Lehren
Die ersten schriftlichen Quellen der Menschheit
Diversitäten innerhalb der indischen Medizin
Der erste große Durchbruch und das Aufkommen neuer Methoden
Einflüsse anderer Kulturen erhalten Einzug in ayurvedisches Gedankengut
Westliche Schulmedizin vs. indische Philosophie
Eine nie endende Reise
Die Kraft der Elemente – deine persönliche Dosha-Konstellation
Welcher Dosha-Typ bist du?
Vata
Pitta
Kapha
Leben nach deinem Dosha-Typ
Der ayurvedische Alltag
Ayurvedische Verhaltensregeln
Der optimale Tagesablauf
Weitere ayurvedische Praktiken
Wie wird richtig meditiert?
Ayurvedische Essensregeln
Welche Zutaten eignen sich für welchen Dosha-Typ?
Vata
Pitta
Kapha
Integration in Arbeits- und Familienalltag
Ewige Jugend dank Rasayana?
Was bedeutet Rasayana und was genau bewirkt es?
Die 4 Säulen
Reinigende Lebensmittel
Inhalt und Anwendung der Kräuter- und Mineralmischungen
Beispielhafte Yoga- und Meditationsübungen
Anleitung Ölmassage
Schlusswort
Ayurveda im Überblick
Was wissen wir hierzulande eigentlich über Ayurveda? Befragt man eine Person auf der Straße, würde diese vermutlich antworten: »Es hat irgendetwas mit Medizin zu tun, alternativer Medizin. Meditation, Yoga, eben alles, was entspannt, wird da gemacht.« Das ist gar nicht so weit gefehlt, aber auch nicht ganz richtig. Die aus Indien stammenden ayurvedischen Lehren sind nicht als medizinisches System zu verstehen, denn sie sind so viel mehr. Es handelt sich dabei um eine Lebensphilosophie, ein Konzept, das den Körper, den Geist und das Universum betrachtet.
Dein Leitfaden für ein langes und gesundes Leben
Nehmen wir den Begriff »Ayurveda« auseinander, erhalten wir die Worte »ayur« und »veda«. »Ayur« stammt von »ayus« und bedeutet »Lehre« oder »Wissen«. »Veda« wird mit »Leben« übersetzt. Das macht Ayurveda also zur Lehre des Lebens. Es handelt sich dabei weniger um ein Heilsystem, sondern vielmehr um eine Lebensweise. Sie fungiert als eine Art Leitfaden, dank dem ein jeder, der ihn verfolgt, die Möglichkeit hat, ein langes und gesundes Leben zu führen. Das Hauptaugenmerk liegt darauf, sowohl mit sich selbst als auch mit dem Universum in Einklang zu sein, bis das Leben ein friedliches Ende findet. Doch das ist nur möglich, wenn du dir deiner selbst stets bewusst bist. Das bedeutet, du solltest all deine Handlungen mit Bedacht und unter vollstem Bewusstsein ausführen.
Die westliche Medizin betrachtet den Körper als eine Art Maschinerie, deren Teile einzeln analysiert und behandelt werden können. Die ayurvedischen Lehren vermitteln einen ganz anderen Ansatz und betrachten den menschlichen Körper als Einheit, die im Ganzen betrachtet werden muss. Zudem spielt das kulturelle, soziale und auch spirituelle Umfeld eine wichtige Rolle. All das muss Teil der Behandlung sein, damit diese wirklich wirksam ist. Eine genaue Identifikation der Krankheit ist für das Heilen nicht notwendig. Es ist nicht wichtig, ihr einen Namen zu geben. Was zählt, ist, sie rechtzeitig zu erkennen und anschließend richtig und gesamtheitlich zu behandeln. Man verwendet also einen holistischen Ansatz.
Das ayurvedische Gedankengut ist fester Bestandteil der indischen Kultur und damit auch im Alltag der dort lebenden Menschen sehr präsent. Solltest du einmal die Möglichkeit haben, einen Blick in einen indischen Haushalt zu werfen, wirst du feststellen, dass beispielsweise gewisse Kräuter, Öle und Gewürze nicht fehlen dürfen. Möglicherweise gibt es sogar einen speziell für Meditationen vorbereiteten Platz. Einige Familien pflanzen auch selbst spezielle Heilkräuter an, die sie nicht nur für die Zubereitung von Speisen, sondern auch für die äußere Behandlung verschiedener Beschwerden nutzen. Nahezu jeder Haushalt verfügt über Kenntnisse der ayurvedischen Lehren und Praktiken. Sie werden von Generation zu Generation weitergegeben und jede Familie hat über die Zeit gewisse Methoden entwickelt, die so in den Quelltexten nicht zu finden sind.
Höre auf deine innere Stimme
Die ayurvedischen Lehren vermitteln, dass eine Sache oberste Priorität haben sollte: das Begehren, zu leben. Nach ayurvedischem Verständnis kann ein Mensch etwa 100 Jahre alt werden, wenn er das möchte und entsprechend auf seinen Körper und seinen Geist Acht gibt. Bist du stets darauf bedacht, einen gesunden Lebensstil zu verfolgen und in der Lage, die Signale, die dein Körper dir sendet, richtig zu deuten und dementsprechend zu handeln, kannst du deine Lebenskraft bewahren und genau das erreichen.
Nach dem 60. Lebensjahr gilt die Jugend als beendet. Dein Ziel sollte es also sein, dein Leben so auszurichten, dass auch der folgende Lebensabschnitt aktiv und gesund gestaltet werden kann. Vor allem die Spiritualität spielt dabei eine wichtige Rolle. Sie schenkt den Menschen einen inneren Lebenssinn, den es aufrecht zu erhalten gilt. Wird er geschwächt, kann das negative Auswirkungen auf die Lebensdauer haben. Schließlich gilt die Seele als Quelle des Lebens, weshalb du ihr besondere Aufmerksamkeit schenken solltest. Wer den Kontakt zu seinem Inneren nicht pflegt, verliert also nicht nur Lebensqualität, sondern auch –zeit. Psychische Leiden wirken sich schnell auf das physische Wohlbefinden aus, das lehrt nicht nur Ayurveda. Auch in der westlichen Schulmedizin wird man sich diesem Aspekt immer bewusster und die Wichtigkeit der mentalen Gesundheit spielt eine zunehmende Rolle.
Wenn du dich dafür entscheidest, dein Leben fortan nach den Regeln des Ayurveda auszurichten, musst du lernen, auf dein Inneres zu hören. Werde dir der Beschaffenheit deines Körpers bewusst und lasse dich von dessen Signalen leiten. Nur so bist du in der Lage, zu lernen, was genau dir sowohl physisch als auch psychisch guttut und wovon du lieber Abstand nehmen solltest. Unser Körper zeigt uns, was er benötigt, wenn es ihm nicht gut geht. Er kommuniziert mit uns, doch häufig überhören wir, was er uns mitteilt. Deshalb ist es umso wichtiger, sich Zeit zu nehmen und in sich selbst hineinzuhorchen.
Jeder Mensch ist individuell. Und genau so einzigartig wie deine Persönlichkeit ist, sind auch die Bedürfnisse deines Körpers. Deshalb ist Ayurveda kein einheitlicher Leitfaden, an dem sich jeder orientieren kann. Die Lehren geben Anweisungen für verschiedenste Typen. Im Vorfeld gilt es also erst einmal herauszufinden, welchem Typ du angehörst, um die Lehren im Anschluss richtig und auf dich als Individuum zugeschnitten anwenden zu können. Bei diesen Typen handelt es sich um die sogenannten Doshas, auch Funktionsprinzipien genannt, worauf wir im Folgenden noch im Detail eingehen werden.
Die Lehre der Elemente
Doch um zu verstehen, was es grundlegend mit den Doshas auf sich hat, begeben wir uns in die Welt der Elemente. Nach ayurvedischem Verständnis gibt es nicht nur vier, sondern fünf Elemente und zwar Feuer, Wasser, Luft, Erde und Äther. Sie bestimmen das Leben aller Wesen, die auf der Erde wandeln. Damit haben sie nicht nur Einfluss auf uns Menschen, sondern auch auf die Tiere, Pflanzen und sogar Gesteine. Die Elemente waren bereits vor der Entstehung des ersten Lebens auf der Erde, weshalb sie bestimmend und formend sind. Wir Menschen sind ein Abbild des Universums. Es bildet den Makrokosmos, während wir den Mikrokosmos darstellen.
Die fünf Elemente stehen in direktem Zusammenhang mit den fünf Sinnen des Menschen. Feuer ist verknüpft mit unserer Sehkraft, Wasser wirkt sich auf unsere Geschmackssinne aus und die Luft hat Einfluss auf unsere Fähigkeit, etwas zu fühlen. Für unseren Geruchssinn ist das Element Erde verantwortlich und Äther für unser Gehör. All die Elemente und Sinne werden wiederum den bereits erwähnten Doshas zugeordnet. Ayurveda lehrt, dass das eigene Wohlbefinden vom individuellen Zusammenspiel dieser Elemente bestimmt wird. Jeder Mensch trägt sie in sich, doch die Frage ist, welches davon dominiert? Das gilt es herauszufinden, denn so kannst du ermitteln, welchem Dosha-Typ du angehörst und an welchen ayurvedischen Empfehlungen du dich orientieren kannst. Warum das so wichtig ist? Weil die Doshas Auswirkungen auf dein gesamtes Leben haben, denn sie sind in jeder einzelnen deiner Zellen verankert.
Hast du dich schon einmal gefragt, warum du genauso aussiehst, warum du diese Persönlichkeit hast, warum du dich zu gewissen Dingen hingezogen fühlst, während andere eher eine Abneigung in dir hervorrufen oder woher deine Stärken und Schwächen stammen? Häufig werden diese Fragen wie folgt beantwortet: »Das liegt zum einen an der Genetik, zum anderen haben dich gewisse Erlebnisse und Erfahrungen geprägt und zu dem gemacht, was du heute bist.« Doch Ayurveda legt dir eine ganz andere Erklärung vor. Die fünf Elemente sind dafür verantwortlich. Deren individuelle Zusammensetzung innerhalb deines Körpers ist der Grund für deinen Körperbau, deine Vorlieben, deine Stärken und Schwächen und deine gesamte Persönlichkeit.
Die Elemente stehen in einem ganz bestimmten Verhältnis zueinander, so auch die Doshas. Dieses Verhältnis muss stets aufrechterhalten werden. Wie genau das funktioniert, legen die ayurvedischen Lehren dar. Wird dieses Verhältnis gestört und die Balance geht verloren, kommt es zu Ama und dein Körper erkrankt. Ama kann grob mit den Begriffen »Schlacke«, »Giftstoffe« oder »Stoffwechselendprodukte« umschrieben werden. Wörtlich übersetzt bedeutet Ama »unverdaut« bzw. »unreif«, woraus die genannten Umschreibungen resultieren. Sammelt sich Ama in erhöhtem Maße in deinem Körper an, kommt es zu Unwohlsein oder gar zum Ausbruch von Krankheiten. Schuld daran ist Agni, das Verdauungsfeuer.
Das Verständnis von Krankheiten – Agni und Ama
Agni wird als eine kosmische Kraft, die innerhalb des Köpers wirkt, definiert. Kurz gesagt bestimmt sie unser Wohlbefinden und spielt eine zentrale Rolle, wenn es darum geht, die Gesundheit aufrechtzuerhalten. Gerät dein individuelles Gleichgewicht der Elemente und damit der Doshas durcheinander, wird Agni negativ gestimmt und dein Gesundheitszustand verschlechtert sich. Daher ist es besonders wichtig, es zu pflegen und zu nähren.
Agni steuert unter anderem die Verdauung. Auch in der westlichen Medizin ist bekannt, wie wichtig eine gut funktionierende Verdauung für die Gesundheit ist. Sämtliche Nahrung, die du zu dir nimmst, muss vollständig zersetzt und verarbeitet oder abtransportiert werden. Ist das nicht der Fall, bleiben Schlacken in deinem Köper zurück und beeinträchtigen Agni. Sie lagern sich in deinen Zellen ab und Ama entsteht. Folglich wird dein Wohlsein deutlich beeinträchtigt, woraus weitere negative Folgen resultieren können. Deine Lebensenergie lässt nach, du verlierst an Stärke, mentaler Belastungsfähigkeit und deine Lebenszeit verkürzt sich, um nur ein paar Beispiele zu nennen.
Wer den Kontakt zu seinem Inneren gänzlich verloren hat und nicht darauf achtet, regelmäßig in sich selbst hineinzuhorchen, wird die Signale, die der eigene Körper sendet, erst viel zu spät wahrnehmen. Erlischt das Verdauungsfeuer, steht der Tod vor der Tür. Aus diesem Grund wird Agni auch häufig als Lebensfeuer bezeichnet.
Doch Agni ist nicht nur verantwortlich für das vollständige Verdauen deiner Nahrung. Im Alltag bist du einer Menge äußerer Einflüsse ausgesetzt, die dein Organismus in etwas Körpereigenes umwandeln muss. So ist eine weitere Aufgabe dieses Feuers beispielsweise Toxine hinaus zu transportieren, die sich aufgrund von Schadstoffen aus der Umwelt oder auch stressbedingt in deinem Körper angestaut haben. Auch die Psyche nimmt einen bedeutenden Einfluss. Du hattest einen Streit mit einem guten Freund, der dich nachhaltig belastet, ein Kunde auf der Arbeit hat dir deutlich zu schaffen gemacht oder du hast gar einen lieben Menschen verloren? All das legt sich genauso auf deinen Magen, wie schwer verdauliche Nahrung oder gar noch stärker. Ist Agni aufgrund von psychischer Belastung geschwächt, wird dein Körper auch leicht bekömmliche Nahrung nicht vollständig verdauen können. Es gilt also, das Problem an der Ursache zu bekämpfen.
Schenkst du deinem inneren Feuer stets die Aufmerksamkeit, die es benötigt, wirst du mit umfassendem Wohlsein beschenkt. Du fühlst dich fit, gesund und voller Energie. Dein Geist ist wach und auch dein Teint erscheint frisch und strahlend. Damit wirkt sich Agni auf deinen gesamten Körper aus.
Kommt es dennoch zur Entstehung von Ama, ist ein Blick in den Darm von Nöten, um die sich nun abspielenden Prozesse zu verstehen. Es finden unter anderem Gärungen statt, die beispielsweise zur Bildung von Alkoholen führen. Dein Darm bietet nun den perfekten Platz für Keime, um sich einzunisten und Viren, Bakterien und Pilze haben leichtes Spiel. Du fühlst dich kraftlos, hast keinen Appetit und es fällt dir am Morgen besonders schwer, aus dem Bett zu kommen? Das können erste Anzeichen für angestautes Ama sein. Jetzt gilt es, schnell zu reagieren, um weitere Folgen zu vermeiden. Diese wären beispielsweise Schwindel, Durchfall, deutlicher Gewichtsverlust oder –zunahme und ein geschwächtes Immunsystem. So können Krankheitserreger besonders leicht von deinem Körper zehren und sich immer weiter ausbreiten. Auch auf psychischer Ebene macht sich Ama bemerkbar. Du hast Probleme damit, dich zu konzentrieren und auch kreative Arbeiten gehen dir nicht mehr so leicht von der Hand.
Zusammenfassend ist Agni also die Grundlage deines Wohlbefindens. Wird es geschwächt, gerät dein individuelles Gleichgewicht der Doshas durcheinander und es kommt zur Bildung von Ama. Kurz gesagt riskierst du den Ausbruch von Krankheiten, wenn du dich nicht ausreichend um dein Agni kümmerst und es pflegst.
Der Weg zurück zum umfassenden Wohlsein
Wirst du von Unwohlsein geplagt, ist dein erster Gedanke vermutlich: »Ich muss zum Arzt!« Das ist grundsätzlich natürlich erst einmal richtig. Doch auch der Arzt kann laut ayurvedischen Ansichten keine vollständige Heilung herbeiführen. Was in seiner Macht steht, ist lediglich, deine Gesundheit wieder so weit aufzubauen, dass du selbst in der Lage bist, auf die vollständige Erfüllung deines Wohls hinzuarbeiten. Ayurveda sieht also keine umfassende medizinische Behandlung vor, die Krankheiten vollständig heilt, denn das ist laut der alten indischen Lehre schlichtweg nicht möglich. Nur du selbst kannst das erreichen.
Jeder Mensch ist demnach nicht nur seines eigenen Glückes, sondern auch seiner eigenen Gesundheit Schmied. Du selbst bist Herr deines Wohlbefindens und musst aktiv dafür sorgen, dieses aufrechtzuerhalten, um ein langes und gesundes Leben führen zu können. Allgemein gilt, dass keine Leistung, die ein Außenstehender für dein Wohl erbringen kann, so effektiv ist, wie das, was du selbst für dich tust. Ärztliche Behandlungen bringen nur temporäre Linderung, doch für eine vollständige Genesung und dauerhaftes Wohlergehen kannst nur du selbst sorgen. Das kannst du mithilfe ayurvedischer Methoden erreichen. Doch lass uns vorher erst einmal einen Blick darauf werfen, welche Erkrankungen es laut ayurvedischem Verständnis überhaupt gibt.
Sämtliche Krankheiten werden in drei Kategorien eingeteilt. Sie können angeboren sein, von externen Einflüssen hervorgerufen worden sein oder psychischer Natur sein. Angeborene Erkrankungen werden auf eine Unausgeglichenheit der Doshas zurückgeführt. Bei externen Krankheiten sind äußere Einflüsse Schuld an deinen Beschwerden. Dazu kommt es beispielsweise, wenn du dauerhaft stark verschmutzter Luft ausgesetzt bist oder sich Viren und Bakterien in deinem Organismus einnisten und dort ihr Unwesen treiben. Ist dein Unwohlsein psychischer Natur, sind emotionale Faktoren genauer zu betrachten, genauer gesagt die Erfüllung deiner inneren Bedürfnisse. Aber wie genau behandelt man Krankheiten laut den ayurvedischen Lehren denn nun?
Die Grundlagen der ayurvedischen Heilung
Eine Frage ist Ausgangspunkt der ayurvedischen Heilmethoden: Fehlt deinem Körper etwas oder hat er von etwas zu viel? Damit kommen wir zu den zwei Gruppen der Therapiemethoden – Ergänzung und Reduktion. Weist dein Organismus einen Mangel auf, wird ihm etwas zugeführt. Werden die Beschwerden aufgrund eines Überschusses ausgelöst, wird die entsprechende Substanz reduziert. Möglich ist auch eine Kombination aus beiden Methoden. In diesem Fall widmet man sich erst der Reduktion und im Anschluss der Ergänzung. Andernfalls würdest du der Ursache deiner Beschwerden nur weiteren Nährboden schenken und sie hätte leichtes Spiel, sich weiter in deinem Körper auszubreiten. Folglich würde sich deine Verfassung weiter verschlechtern.
Es sind also erst einmal Praktiken an der Reihe, die deinen Körper von schädlichen Giften und Schadstoffen befreien. Sie kommen beispielsweise zum Einsatz, wenn du an starkem Übergewicht leidest oder dir gar eine Vergiftung, möglicherweise aufgrund verdorbener Lebensmittel zugezogen hast. Mithilfe der dabei angewendeten Praktiken werden die Übeltäter nicht nur auf schnellstem Weg eliminiert. Du kannst sie auch präventiv anwenden, um beispielsweise Giftstoffe, die sich bereits in deinem Körper angesammelt haben, hinaus zu transportieren, noch bevor sie deine Gesundheit schädigen können.
Im Rahmen der Reduktion musst du dich in Disziplin üben und von allem lossagen, was dir nicht guttut, egal, wie gern du es magst. Schlechte Lebensgewohnheiten wie das Essen ungesunder Speisen, das Trinken von Alkohol oder das lange Aufbleiben bis spät in die Nacht gehören der Vergangenheit an. Auch das Aufgeben materieller Güter, die keinerlei sinnvollen Zweck erfüllen und dir nicht einmal Freude bereiten, gehört dazu. Während der Reduktionstherapie denkst du über deine aktuelle Situation nach und reflektierst dein Leben. Bestenfalls gelangst du dadurch zu neuen Erkenntnissen, die dir den Weg zu einem langen und gesunden Leben weisen und dir den Sinn deiner individuellen Existenz aufzeigen.
Im Anschluss kommen ergänzende Methoden zum Einsatz, um Mängel auszugleichen. Das ist beispielsweise der Fall, wenn du dich körperlich oder auch mental zunehmend schwächer fühlst oder auch untergewichtig bist. Körper und Geist werden dabei gleichermaßen genährt. Dazu führst du unter anderem Entspannungsübungen durch oder meditierst. Das schenkt dir nicht nur neue mentale Kraft, sondern hilft dir auch dabei, zu erkennen, wie viel Freude dir das Leben bieten kann. Du tankst neuen Mut und Lebenskraft und gehst wieder voller Energie durch das Leben.
Um den Körper auf physischer Ebene zu nähren, ist eine Ernährungsumstellung maßgebend. Geht es um die Essgewohnheiten einer nach den ayurvedischen Lehren lebenden Person, denkst du vermutlich zuerst an eine asketische Lebensweise ganz im Zeichen Fasten und Verzicht auf alles, was du doch so gerne magst. Aber keine Sorge, du kannst aufatmen. Bei der ayurvedischen Ernährung geht es vor allem darum, die eigenen Essgewohnheiten an die körperliche Verfassung und an äußere Umstände anzupassen. Es spielt tatsächlich eine Rolle, was du in welchen Mengen isst, wann du es tust und auch auf welche Art und Weise, doch dazu an späterer Stelle mehr. Fakt ist allerdings, dass du dich nicht bis an dein Lebensende in völligem Verzicht üben musst. Du musst lediglich lernen, zu erkennen, was dir guttut und welche Signale deines Köpers wie zu deuten sind. Die ayurvedischen Lehren helfen dir dabei und fungieren als Leitfaden.
Grundlegende Fakten zusammengefasst
Im Grunde basiert Ayurveda auf einer ganzheitlichen Betrachtung des Körpers, der in enger Verbindung mit dem Universum steht. Das Universum samt seiner fünf Elemente bestimmt unser aller Leben bereits vor der Geburt. All diese Elemente sind in einer gewissen Zusammensetzung in unseren Zellen verankert und bestimmen unsere Doshas. Sie sind verantwortlich für unseren Charakter, unser Erscheinungsbild und unser gesamtes Dasein. Um ein gesundes und langes Leben führen zu können, müssen sie im Gleichgewicht gehalten werden. Dazu ist es wichtig, mit sich selbst und dem Universum in Einklang zu sein.
Eine bedeutende Rolle spielt das Verdauungsfeuer Agni. Wenn es erlischt, erlischt auch das Leben. Daher solltest du ihm besondere Aufmerksamkeit schenken und deine Lebensgewohnheiten entsprechend ausrichten. Dessen Aufgabe ist es, alles Körperfremde, dass du absichtlich oder auch unabsichtlich zu dir nimmst, in etwas Körpereigenes umzuwandeln. Es ist beispielsweise für die Verdauung deiner Nahrung und dem Abtransport von Giftstoffen verantwortlich. Kann Agni dieser Aufgabe nicht vollständig nachgehen, entsteht Ama.
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 23.02.2021
ISBN: 978-3-7487-7529-4
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