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Kapitel 1


Vor sechs Monaten

„Lucrecia, du wirst diese Reise nicht unternehmen. Das verbiete ich dir.“ erklärte Valerie ihrer Tochter, die gerade dabei war, ihre Kleider in ihre Koffer zu packen. „Und warum verbietest du mir die Reise? Ich möchte doch nur herausfinden, was mit Dan passiert ist.“ erwiderte Lucy. „Natürlich möchte ich wissen, was mit meinem kleinen Jungen passiert ist. Aber ich habe etwas dagegen, dass meine kleine süße Tochter sich auf der anderen Seite der Welt in Gefahr begibt, nur weil sie zu stur ist, um die Gefahren dabei zu sehen. Lucy war gerade dabei ihr Badezeug aus ihrem großen Badezimmer zu holen, das an ihr Zimmer grenzt, als sie plötzlich stehen blieb und sich zu ihrer Mutter umdrehte. „Wie war das gerade?“ wollte Lucy wissen. Valerie trat einen Schritt zurück, da sie mit einer Heftigkeit in der Stimme gefragt hatte, die sie nur dann hatte wenn ein Streit bevorstand. Valerie versuchte noch das Schlimmste zu verhindern, indem sie sagte: „Ich möchte nicht, dass du in Gefahr gerätst, wenn du nach deinem Bruder suchst. Ich möchte nicht meine Tochter verlieren, nur weil sie glaubt, dass die mehr Informationen bekommt als ein guter Privatdetektiv. Dein Bruder wird sich nicht melden, weil er seine Gründe dafür haben wird. Und außerdem bist du verlobt und dein Verlobter ist von dieser Reise nicht sehr angetan.“ Als sie in Lucys Gesicht sah, merkte sie, dass sie zu weit gegangen war, denn Lucys türkisgrünen Augen fingen an Funken zu versprühen. Mit gepresster Stimme meinte Lucy: „Du denkst also, dass ich die ganze Arbeit einem wildfremden Menschen überlassen und zu Hause Däumchen drehen soll? Und die Annahme ich sein mit Dominik verlobt, ist sehr weit hergeholt denn du weißt genau, dass das nicht stimmt. Und außerdem hätte Dan mir mitgeteilt, wenn er längere Zeit keine Möglichkeit hätte zu schreiben. Das hat er aber nicht getan. Da muss etwas passiert sein. Und keiner wird mich aufhalten können. Als Valerie das hörte, seufzte sie resigniert und gab sich scheinbar geschlagen, denn ihre Trumpfkarte hielt sie noch in den Händen: „Ok, wie du willst. Aber du solltest noch ein paar wärmere Kleider und deinen warmen Wintermantel einpacken, denn in Salicien ist es selbst im Frühling noch eisig kalt.“ Lucy packte noch einige warme Kleider ein, denn eine Diskussion mit ihrer Mutter war im Moment das Letzte was sie brauchen konnte. Denn Zeit war etwas was sie in diesem Moment nicht hatte, denn sie ahnte, dass ihrem Bruder etwas zugestoßen war, womit keiner rechnen würde. Darüber dachte sie nach, als ihre Mutter sie aus ihre Gedanken riss, indem sie fragte: „Hast du dort schon eine Unterkunft oder kommst du bei Freunden deines Bruders unter?“ „Nein, ich habe mich entschlossen, dass es besser ist, wenn Dans Freunde nicht wissen, dass ich nach ihm Suche. Ich komme in einer kleinen Pension in der Nähe des Ortes unter, in dem Dan seine letzten Untersuchungen durchgeführt hatte.“ erklärte Lucy ihrer Mutter. „Und woher weißt du, wo er war als er verschwand?“ hakte Valerie nach. „Aus seinen Briefen.“ Und auf den fragenden Blick ihrer Mutter hin ergänzte sie: „Er schreibt mir immer wo er gerade ist, wie lange er an dem Ort bleibt und wohin ihn seine Nachforschungen führen werden.“ „Weiß dein Vater eigentlich von deiner Reise?“ spielte Valerie ihren letzten Trumpf aus, denn sie wusste, dass Lucy nie etwas ohne die Erlaubnis ihres Vaters tat und sich nie gegen den Willen ihres Vaters stellen würde. „Ja, Daddy weiß davon. Als ich zu ihm gegangen bin und gesagt habe, dass ich vermute, dass Dan etwas zugestoßen sei, meinte er, dass er möchte, dass jemand danach sieht und als ich meinte, dass ich nachforschen würde, war er unter zwei Bedingungen damit einverstanden.“ stellte Lucy fest. „Und welche Bedingungen wären das?“ fragte Valerie mit bangem Herzen, denn sie wusste, dass Ludwig seiner Tochter nur schwer einen Wunsch abschlagen konnte und war zugleich auch neugierig wie die Bedingungen lauteten. „Daddy möchte, dass niemand von der Reise erfährt und dass jemand, den er bestimmt, mich begleiten wird.“ erklärte sie ihrer Mutter. „Und was sollen wir sagen, wenn dich jemand besuchen möchte? Wir können ja kaum behaupten du seist krank, denn wir wissen ja nicht wie lange diese Reise dauern wird.“ stellte Valerie fest. „Musst du auch nicht, denn Daddy und ich haben uns darauf geeinigt zu sagen, dass ich bei Tante Vane bin. Und du weißt wie Tante Vane ist, wenn ich bei ihr bin, lässt sie keinen anderen Menschen an mich ran.“ klärte Lucy die Situation. „Ach ja, deine Tante Vane, diese verschrobene alte Schachtel.“ murmelte Valerie in ihren nicht vorhandenen Bart. „So, ich hab alles.“ stellte Lucy zufrieden fest. Sie nahm ihren Koffer und trug ihn, zum Entsetzen ihrer Mutter, selbst die Treppe zur Eingangshalle hinunter. Ihre Mutter war der Ansicht, dass in einem reichen Hause nicht umsonst Diener angestellt waren und krümmte deshalb auch keinen Finger. Unten angekommen, stellte sie ihren Koffer an die Seite und ging zum Arbeitszimmer ihres Vaters, denn sie würde heute, am Tag ihrer Abreise, ihren Begleiter vorgestellt bekommen. Vorm Arbeitszimmer angelangt, klopfte sie an und als ihr Vater „Herein“ rief, trat sie ein. Nach dem sie eingetreten war, registrierte sie die Gestalt, die am Schreibtisch ihres Vaters stand und ihr den Rücken zudrehte. „Ah, Lucy, du kommst gerade richtig. Wir haben eben noch über dich gesprochen.“ begrüßte Ludwig seine Tochter. „Darf ich dir deinen Begleiter vorstellen? Du dürftest dich noch an ihn erinnern, es ist ein sehr guter Freund von deinem Bruder Dan. Er ging früher bei uns ein und aus. Und ich glaube er war öfter bei uns als zuhause. Also Lucy, Das ist Damian Raven, Lord of Hellway. Damian, das ist mein kleiner Engel, Lucy Kane, Comtesse of Heaven`s Gate.“

Damian drehte sich nicht um, als es an der Tür klopfte und Ludwig den Störer hereinbat. Erst als Ludwig die Person mit Lucy ansprach, drehte er sich um und was er sah verschlug ihm die Sprache. Lucy hatte sich sehr verändert, seit er sie zum letzten Mal gesehen hatte. Das war vor knapp zehn Jahren gewesen. Damals war sie ein kleines mageres Mädchen gewesen, dessen rote Haare in einem geflochtenen Zopf steckten und das immer ihm und ihrem Bruder hinterher lief. Sie vergötterte ihren Bruder und er vergötterte seine kleine Schwester, auch wenn er ihr das nicht immer zeigte. Jedoch hatten Damian und Lucy ein kleines gemeinsames Geheimnis. Denn was Dan nicht wusste war, dass er, Damian, Lucy einmal dabei erwischte, wie sie auf einem Baum saß und ein Vogelnest beobachtete, um zu sehen, ob die Vogeleltern wieder zurückkamen. Nach einer Weile nahm sie die Eier an sich und kletterte damit vorsichtig den Bum runter. Auf dem Boden erschrak sie, als sie ihn entdeckte und bat ihn Dan nichts davon zu erzählen. Er versprach es ihr und ein paar Wochen später sah man sie nur noch in Begleitung eines jungen Falken. In einem unbeobachteten Moment nahm Damian Lucy beiseite und fragte sie, was aus den anderen Eiern geworden war. Sie erwiderte, dass sie die ersten Stunden nicht überlebt hätten.
Zurück in der Wirklichkeit hörte er Lucy fragen: „Oh hallo Hunter, wie geht’s dir?“ Er fand jedoch seine Stimme nicht wieder, denn er hatte sich noch nicht ganz von ihrem entzückenden Anblick erholt. Ihre Haare waren jetzt noch länger als damals, nur hatte es einen volleren Rotton angenommen und sie trug es noch genauso wie damals als geflochtenen Zopf. Das, was er unter dem Kleid von ihrem Körper sah, waren ihre vollen runden Brüste, ihre schlanke Taille, an die sich das Kleid schmiegte und ihre vollkommen geschwungenen Hüften. Sie war knapp einen Kopf kleiner als er, er war 1,90m groß. Als er ihr nicht antwortete, legte sie noch nach: „Na, Hunter, hast du deine Stimme verloren oder bist du nur überrascht mich zu sehen?“ Als er seine Stimme wieder gefunden hatte, neckte er sie: „Hallo, Kleine. Nein, meine Stimme habe ich nicht verloren, ich war nur überrascht dich nach so langer Zeit wieder zu sehen. Es ist lange her.“ Und mit einem Seitenblick auf ihren Vater ergänzte er: „Wie geht es denn deinem Falken?“ „Mein Falke starb letztes Jahr bei einem Unfall.“ erklärte sie mit traurigem Blick. Damian sah betroffen drein und entschuldigte sich: „Oh, das tut mir leid. Ich wollte keine alte Wunde öffnen.“ „Ist schon ok. Ich bin darüber hinweg, wobei ich immer noch bezweifle, dass es ein Unfall war, wie Dominik behauptet hat. Er konnte meinen Falken noch nie leiden.“ wehrte Lucy ab. „Ich unterbreche eure kleine Unterhaltung nur ungern, aber ihr könnt ja später weiterreden.“ Lucy sah bei den letzten Worten aufmerksam ihren Vater an. An Damian gewandt meinte er: „Damian, ich glaube wir sollten Lucy den Grund deiner Anwesenheit bei uns aufklären.“ Damian drehte sich zu ihm hin und erwiderte: „Stimmt, du hast Recht. Wer sagt es ihr? Du oder ich?“ „Das mach am besten ich. Denn wer ihren Zorn weckt, hat eine schwere Zeit vor sich und ich kann damit im Moment besser umgehen als du.“ antwortete Ludwig. Lucy, die bei diesen, zwischen den Männern gewechselten, Sätzen misstrauisch geworden war, hakte nun, mit blitzenden Augen, nach: „Was wollt ihr mir denn sagen?“ Ludwig stieß einen leisen Seufzer aus und stellte sich der unumgänglichen Situation und begann: „Es geht um deine Reise. Ich habe mich mit Damian darüber unterhalten und…“ „Hast du deine Meinung etwa geändert?“ wollte Lucy mit gezwungen ruhiger Stimme wissen. „Nein habe ich nicht. Aber ich möchte, dass du auf dieser Reise sehr vorsichtig bist. Es könnte möglich sein, dass jemand versuchen wird, dich zu entführen. Deswegen habe ich Damian gefragt, ob er dich begleitet. Er ist der Einzige, außer deinem Bruder, dem ich absolut vertraue.“ „Wer sollte denn versuchen mich zu entführen und vor allem warum?“ versuchte Lucy eine Antwort von ihrem Vater zu bekommen. „Ich erkläre es dir, wenn du wohlbehalten wieder zurück bist.“ kam die knappe Antwort von Ludwig. Nun wandte sich Lucy Damian zu und fragte: „Habe ich alle Freiheiten, die ich für meine Recherchen brauche?“ „Nur wenn wir alles vorher gemeinsam besprechen, denn ich werde dir bei deinen Recherchen helfen. Vielleicht finden wir zusammen mehr heraus, als nur einer alleine.“ versprach Damian Lucy seine Hilfe. „Ok, dann habe ich keine Einwände. Und bei Besuch für mich verbleiben wir dabei, dass ich bei Tante Vane Bin.“ stimmte Lucy dem Vorschlag zu. Zu Damian gewandt sagte sie: „Ich warte draußen auf dich. Ich muss noch meine restlichen Sachen packen.“ Sie ging um den Schreibtisch herum, gab ihrem Vater einen Kuss auf die Wange und ging. Als sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, sah Damian Ludwig an und meinte: „Die Nachricht, dass ich ihr Begleiter bin, hat sie recht gelassen aufgenommen. Ich hatte eher einen Aufstand erwartet.“

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Texte: Bild von Google Text von Jule
Tag der Veröffentlichung: 14.01.2011

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