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Kennenlernen





Bento kam wie ein Unwetter in mein Leben. Bei uns in der Nähe war ein Reiterhof und jeden Sonntag nach der Messe musste ich mit dem Lebensgefährten meiner Mutter da hin weil er dort Karten spielte und ich musste auf ihn warten bis wir dann nach Hause fuhren.
So auch an einem Sonntag im März kurz nach meinem Geburtstag. Der Wirt hatte am Tag zu vor ein neues Pferd gekauft, was er aber nicht wusste, der Hengst war unberechenbar. So kam ich an dem besagten Sonntag in den Stall und erlebte wie der Hengst durchdrehte und auf den Wirt los ging. Ich versteckte mich in einer leeren Box und wartete bis wieder Ruhe im Stall war. Vorsichtig näherte ich mich der Box des Hengstes, leise sprach ich auf ihn ein, ich wollte ihn ja nicht erschrecken. Der Hengst schnaubte leise, als würde er mir antworten. So verbrachte ich die Zeit bis ich gerufen wurde.
Am nächsten Tag nach der Schule habe ich schnell gegessen, Hausaufgaben gemacht und bin dann los zum Reiterhof. Wieder habe ich mich vor die Box gehockt und leise auf den Hengst eingeredet. Irgendwann kam der Wirt, er hieß Otto, in den Stall. Er fragte mich was ich da machen würde, ich meinte nur ich unterhalte mich mit ihm, worauf ich zu hören bekam das Viech ist unberechenbar. Ich wollte und konnte das nicht glauben. Otto stellte den Futtereimer für die Pferde bereit, auch den für den Hengst. Während Otto sich um die Stuten kümmerte habe ich mir den Eimer des Hengstes genommen und ihm genau erklärt was ich mache. Langsam machte ich die Box auf, mein Herz schlug bis zum Hals. Misstrauisch beobachtete der Hengst jede meiner Bewegungen. Vorsichtig fülle ich das Futter in die Kippe, gehe raus und hole noch Heu und packe es in die Raufe. Ich spüre bei allem was ich mache den Blick des Hengstes. Als ich die Box hinter mir schließe habe ich das Gefühl das mir eine Tonne Steine vom Herzen fallen. Langsam gehe ich aus dem Stall, vor der Tür versagen mir die Knie und Otto stürzt auf mich zu. Er schreit:" Bist du wahnsinnig geworden? Wie kannst du es wagen zu Bento in die Box zu gehen? Hat er dir was getan?" Erschöpft schüttele ich den Kopf und meine nur:" Er war ganz ruhig." Von dem Tag an war es meine Pflicht Bento zu füttern.
Seit 14 Tagen füttere ich Bento nun jeden Tag, morgens vor der Schule und abends. Ich habe Mitleid mit ihm er sieht schlimm aus, niemand traut sich ihn zu striegeln. Heute wage ich es. Ich sterbe fast vor Angst aber ich lasse mir nichts anmerken. Ganz langsam und vorsichtig nähere ich mich Bento, ich lege die Hand mit dem Gummistriegel auf seinen Rücken, ganz sanft streichele ich ihn damit. Er schaut mich mit glühenden Augen an und steigt hoch. Er führt sich auf wie ein Irrer, vor Panik schreie ich ihn an: "ist du wahnsinnig? Was habe ich dir getan? Habe ich nicht alles versucht um es dir angenehm zu machen?" Ich weiß nicht was ich noch alles schreie. Wie vom Donner gerührt bleibt Bento stehen, wütend stampfe ich aus der Box knalle die Tür hinter mir zu und verlasse den Stall. Während ich den Hof überquere höre ich auf einmal Hufgetrappele hinter mir. Ich bleibe stehen. Da stößt mir eine Pferdeschnauze an die Schulter. Ich drehe mich um, Bento steht hinter mir. Verflixt ich habe die Box offen gelassen. Ich packe Bento an der Mähne und führe ihn zurück in die Box. Von diesem Moment an konnte ich mit ihm machen was ich wollte.
Otto war geschockt was ich mit Bento machen konnte. Er meinte dann zu mir:" Ab jetzt ist Bento dein Pferd!" Und so begann eigentlich unsere Geschichte eigentlich erst richtig.

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Die erste Reitstunde


wird zur Überraschungsstunde

Bento satteln das ging ja noch aber jetzt sollte ich in den Sattel. Ich bin doch immer nur Ponys geritten und er hat ein Stockmaß von 1,53 m. Mir ist schlecht, aber da muss ich durch, komme was wolle.
Es fühlt sich einfach toll an, wir harmonieren sehr gut miteinander. Nie hätte ich gedacht das ein so großes Pferd sich so anmutig bewegen kann. Wir sind ein Team, wie gut wird sich noch zeigen. Erst mal nur auf dem Übungsplatz, damit ich beweisen kann wie gut ich ihn unter Kontrolle habe. Dirk, Ottos ältester Sohn, trainiert mit seiner Stute Sprünge. Bento beobachtet die beiden genau. Ich würde ja auch gerne mal versuchen ob Bento ein Springpferd ist, aber ich bin noch nie mit einem Pferd gesprungen auch mit den Ponys nicht. Erst mal schauen wie er auf meine Befehle reagiert. Leichter Schenkeldruck und er tarbt an, sanftes ziehen an den Zügeln und er reagiert sofort, ändert die Richtung oder wird langsamer. Ich lasse ihn in einen leichten Galopp fallen und fühle mich super. Immer mehr reizte mich der Wunsch einmal mit Bento zu springen.Ich wagte es einfach und ritt das erste Hindernis an. Dirk schrie auf: „Bist du bescheuert!" Hörte ich nur und schon setzte Bento zum Sprung an. Wir flogen regelrecht über das Hindernis, nur bei der Landung knallte ich etwas hart zurück in den Sattel. Bento peilte sofort das nächste Hindernis an, ohne mein Zutun. Der Sprung ging schon besser. So meisterten wir den ganzen Parcours.
Nur was dann kam war der Horror. Durch Dirks Schrei war Otto aus dem Stall gekommen. Als wir den letzten Spring absolviert hatten und ich Bento zum stehen bleiben gebracht hatte stürzte Otto auf uns los, er schrie wie irre, seine Stimme überschlug sich regelrecht. Bento erschreckte sich und ging durch.
Er nahm mit einem Satz den Zaun und wir waren auf freien Feld. Im Galopp ging es querfeldein, aber ich versuchte ihn nicht zu bremsen, sondern trieb ihn immer mehr an. Dann war das Feld zu Ende und es ging über einen Graben auf einen Acker. Woran ich nicht gedacht hatte und ich sah auch zu spät hoch. Der Wald kam immer näher! Im Jagdgalopp ging es über einen Trampelpfad in den Wald, Bäume rasten an mir vorbei. Ich bekam den ein oder anderen Ast ins Gesicht. Es ging in irrer Jagd über Gräben, Bäume und Gebüsch. Irgendwann beruhigte Bento sich und ich konnte ihn wieder zügeln. Langsam ritten wir zurück. Der ganze Reiterhof war in heller Aufregung. Was ich nicht mitbekommen hatte der Höllenritt hat 2 Stunden gedauert. Als ich auf den Hof ritt wurden alle stumm, man konnte eine Nadel fallen hören. Langsam glitt ich aus dem Sattel führte Bento in seine Box und fing an ihn mit Stroh abzureiben. Dann holte ich seine Decke und legte sie über ihn, gab ihm etwas Futter und Wasser, danach verließ ich seine Box, ging in den Gastraum und bestellte mir ein Cola, nachdem ich sie ausgetrunken hatte fehlt mir einige Zeit. Wie Otto mir später erzählte kam er gerade in den Gastraum als ich das Glas auf die Theke stellte und dann zusammenbrach. Er hatte mich in eines der Gästezimmer gebracht und einen Gast gerufen der Arzt war. Der hat mir ein Kreislaufmittel gespritzt und wohl gemeint den Rest macht die Natur. Auf jeden Fall als ich zu mir kam war Ottos Wut verraucht und ich musste ihm erzählen was passiert war. Dies tat ich auch und meinte zum Schluss nur: „ Es war die Hölle, aber fantastisch!“
Natürlich hatte das ganze bei mir zu Hause noch ein Nachspiel. Der Lebensgefährte meiner Mutter wollte mir verbieten je wieder einen Fuß auf den Reiterhof zusetzen, aber meine Mutter kämpfte dafür das ich weiter reiten gehen konnte. Am nächsten Sonntag sprach Otto mit ihm und machte ihm klar das Bento und ich ein Team wären das er für seinen Reiterhof brauchen würde. So war nie wieder die Rede davon das ich nicht mehr reiten gehen durfte. Nur konnte ich 2 Wochen nicht reiten weil mir mein ganzer Körper weh tat. Aber ich bin jeden Tag zu Bento und habe ihn an der Lounge bewegt. Ich vermute auch er hatte Muskelkater, denn die ersten Tage war er sehr steif in seinen Bewegungen.

Eine wichtige Entscheidung für Bento und mich


Nach dem Bento und ich wieder fit waren, fingen wir wieder an zu trainieren. Während einer Trainingsstunde in der Dirk mir Tipps gab wie ich die Sprünge besser aus sitze kam Otto zu uns und schaute zu. Irgendwann sagte er: „ Wenn ihr fertig seit kommst du in mein Büro!“
20 Minuten später war ich in seinem Büro. Otto sagte nur: „ Ihr trainiert ab sofort für Geländeritte.“ Entsetzt schaute ich ihn an: Ich und Geländeritte reiten? Otto spinnt doch!
Das musste ich erst mal verdauen. Ich bat ihn mir Zeit zu geben, ich müsse das noch mit meiner Mutter besprechen.
4 Tage später habe ich ihm dann zu gesagt.
Jetzt wurde das Training härter. Military hat andere Ansprüche wie Springturniere. Nach ca. einem halben Jahr meinte Otto dann: „So ihr seit so weit. Nächste Woche geht es zum ersten Geländerittturnier.“ Mir rutschte mein Herz in die Hose.
Freitag Abend ging es los. Ich verschlief die Fahrt im Auto. Als wir ankamen wollte einer der Pferdepfleger Bento aus dem Anhänger holen, das wäre fast schief gegangen in letzter Sekunde konnte ich ihn abhalten, denn Bento mochte noch immer keine Männer.
Das sollte sich 2 Stunden später als großes Problem raus stellen, denn ich musste mit Bento zum Tierarzt, ihn begutachten lassen ob er gesund ist und am Turnier teilnehmen darf.
Sobald der Tierarzt näher wie 2 Meter an Bento kommt geht er zurück egal was ich mache. Ich erkläre dem Tierarzt das Bento Männer hasst und ich nicht weiß was ich machen noch soll. Dann kommt ihm ein Gedanke, er gibt mir eine Jacke von sich und meint ich solle Bento daran riechen lassen während ich sie an habe damit sich mein Geruch mit seinem verbindet. 30 Minuten später kann er Bento untersuchen und wir dürfen am Turnier teilnehmen.
Wir gehen die Strecke ab, Otto, Bento und ich. Ich habe Angst, alles ist größer und beeindruckender wie das was ich kenne. Mir schießt immer wieder ein Gedanke durch den Kopf: „Ob wir das schaffen? Ich kann froh sein wenn wir mit heilen Knochen ankommen!“ Otto scheint meine Zweifel zu spüren und sagt: „ Verlass dich ganz auf deinen Teufel.“ „Mein Teufel“ ich musste innerlich lachen so nannte Otto Bento seit er beschlossen hatte das er „mein Pferd“ ist.
15:30 Uhr war unsere Startzeit. Als einige der Reiter uns sahen meinten sie nur: „Der Kindergarten hat heute zu.“ War ja klar das so was kam ich war mit 14 die jüngste Teilnehmerin. Dann fiel der Startschuss und alle Spöttereien und meine Angst waren vergessen. In wilder Jagd ging es querfeldein über Hindernisse durch Wassergräben, bergauf und bergab. Im Ziel angekommen sprang ich aus dem Sattel und führte Bento in seine Box um ihn abzureiben. Ich war so fertig das ich noch nicht mal meine Zeit und Fehler mitbekommen hatte. Ungefähr 10 Minuten später kam Otto in den Stall und teilte mir mit das wir uns für das Finale am nächsten Tag qualifiziert hatten.
Ich starrte ihn ungläubig an. Bento und ich waren unter den besten 10.
In der Nacht habe ich kaum geschlafen. Wir mussten um 11:15 Uhr starten, wieder ging es über fast die selbe Strecke. Diesmal ging es besser wie am Tag vorher. Wir belegten den 5. Platz. Ich war so stolz auf Bento.
So ging es jeden Monat auf 1 – 2 Turniere und wir waren immer unter den den besten 5. Die Spötter wurden schnell ruhig gestellt. Mein Leben bestand nur noch aus Schule und Bento, aber ich liebte es. Dann kam der Winter und es wurde ruhiger. Endlich keine Turniere an den Wochenenden und Bento und ich konnten ohne Zwang ausreiten. Ich liebte es mit ihm durch den Winterwald zu reiten, da vergaß ich alles, oft waren wir stundenlang unterwegs. Gut das Dirk und ich in einer Klasse waren und ich habe so manches mal bei ihm die Hausaufgaben abgeschrieben ( Mama verzeih mir).
Im April war das erste Turnier, wie freute ich mich darauf. Es ging nach Norddeutschland. Was war das ein großes Hallo. All die bekannten Gesichter die man von den unterschiedlichen Turnieren kannte. So wie das alte Jahr beendet worden war begann das neu. Jedes zweite Wochenende war ein Turnier, langsam wuchs ich immer mehr in die Turnierfamilie rein. Bei einem Turnier in Bayern, wo auch ein Pferdemarkt statt fand, sah ich zum ersten mal Diabolo, ein Shire Horse. Es war Liebe auf den ersten Blick. Ich ging zu ihm und redete auf ihn ein: was er doch für ein hübscher Kerl wäre, wie toll seine Mähne wäre und und und. Er schmuste regelrecht mit mir. In einiger Entfernung stand der Besitzer des Pferdes und starrte uns an. Otto ging zu ihm und unterhielt sich mit ihm, wobei der Mann keinen Blick von Diabolo und mir lies.
Dann musste ich Bento vorbereiten und an den Start. Bei dem Turnier wurde ich Dritte.
Am nächsten Wochenende fuhr Otto weg was wir von ihm nicht kannten. Als ich Sonntag Abend Bento sein Futter gab fuhr Otto auf den Hof, er stieg aus und rief nach mir.
Als ich bei ihm war sagte er: „Im Anhänger ist was für dich, als Dank für das was du aus Bento gemacht hast.“ Ich öffnete den Anhänger und erstarrte da stand Diabolo. Ich weiß gar nicht was ich zu Otto gesagt habe, ob ich überhaupt was gesagt habe.
Nun hatte ich 2 Pferde um die ich mich kümmerte. „ total unterschiedliche und sich im Grunde doch so ähnliche Pferde. Was ich nicht gewusst hatte: Diabolo hasste Menschen im allgemeinen so wie Bento Männer hasste. Naja Bento hatte ich durch den Trick den der Tierarzt mir gezeigt hat langsam an Männer gewöhnt, was mich nur nervte war das ich ständig in viel zu großen Jacken rumlief, vielleicht ging es ja auch bei Diabolo, denn wenn ich auf einem Turnier war musste sich jemand anderes um Diabolo kümmern denn mit nehmen ging ja schlecht.
So verging der Sommer und das letzte Turnier des Jahres stand vor der Tür.
Diese Turnier war unser größter Erfolg, wir belegten den ersten Platz!

Ein Ende mit Schrecken


Endlich kann ich mit Bento wieder frei reiten, kein Training bis im Januar. Jeden Tag waren wir mindestens 3 Stunden im Gelände. So auch an diesem verhängnisvollen Tag im Oktober. Es war ein goldener Oktober, die Sonne schien, es war warm und man konnte den Ausritt genießen.
Wir ritten parallel zur Hauptstraße, als eine Gruppe Motorradfahrer ankam. Sie ließen die Maschinen aufheulen und Bento scheute. Damit hatte ich nicht gerechnet. Er war sonst bei Geräuschen die Ruhe selber. Ich bekam ihn nicht gehalten, er schoss nach vorne und wurde immer schneller. Er lief gerade Wegs auf eine Kreuzung zu. Es kam wie es kommen musste. Er lief in ein Auto. Ich flog im hohen Bogen über das Auto und landete im Straßengraben. Als ich aus dem Graben geklettert war sah ich das Unglück. Bento hing halb auf dem Auto. Ich lief zu ihm und versuchte ihn zu beruhigen. Da die Unfallstelle nicht weit vom Reiterhof weg war, waren Otto und Dirk schnell zur Stelle. Sie versuchten mich von Bento weg zu holen, aber er brauchte mich doch.
Die Polizei, Rettungswagen und der Tierarzt kamen. Schnell stand die Diagnose fest. Bento hatte Trümmerbrüche in beiden Schienbeinen. Ich wusste sofort was das hieß. Der Tierarzt nahm das Bolzenschussgerät und wollte ihn erlösen. Das konnte und wollte ich nicht zulassen Bento sollte nicht noch mehr Angst bekommen. So nahm ich meinen Mut zusammen und sagte: „Erklären sie mir was ich machen muss und ich werde ihn erlösen.“ Der Tierarzt schüttelte nur den Kopf, aber Otto sah meine Augen und meinte nur: „Tun sie es, sonst kommt keiner an das Pferd ran. Sie lässt es nicht zu.“ Also erklärte er mir was zu tun ist und ich humpelte zu Bento. Nie im Leben werde ich seinen Blick vergessen. So voller Vertrauen das ich ihm helfen werde, das er endlich aufstehen kann. Ich kniete mich neben ihn und erlöste ihn. Das nächste an was ich mich erinnere ist das ich bei Diabolo in der Box bin mich an ihn klammere und weine.
Über fast 4 Jahren habe ich Pferde gepflegt aber ich habe mich nie wieder auf ein Pferd gesetzt. So manches schwierige Pferd ist durch meine Hände gegangen, weil es die Besitzer nicht an sich ließ, komischerweise waren es meistens Männer, die Probleme mit den Pferden hatten.
Dann sind wir weggezogen und ich habe die Arbeit mit Pferden aufgegeben.

Impressum

Texte: Linda Blue
Bildmaterialien: Google
Tag der Veröffentlichung: 14.06.2012

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