Kätzliche Weihnachten
Die kleine braungstreifte Katze saß zitternd in der eisigen Kälte. Sie maunzte kläglich und hoffte, dass irgendjemand die große Holztür öffnen würde. Hinter deren Scheibe sah sie dann endlich ein braunhaariges Mädchen. Die Katze wusste, jetzt würde sie endlich dieser Kälte entfliehen können. Das Mädchen öffnete schwungvoll die Tür, hob sie hoch und nahm sie mit ins Haus.
Wie warm es hier war. Herrlich.
„Ich hab dich schon überall gesucht, Tiger.“ sagte das Mädchen, froh sie nun endlich gefunden zu haben.
Sie trug die Katze ins Wohnzimmer, wo seit heute der Weihnachtsbaum stand. Er war mit silbernen Kugeln und Lametta geschmückt und stand an einer Wand. Das Mädchen setzte sich ganz in der Nähe auf die blaugraue Couch und streichelte Tiger vergnügt. Die Katze ließ es sich gern gefallen und fing an genüsslich zu schnurren.
Ein Ruf der Mutter ließ das Mädchen schließlich aufhorchen und sie sprang vom Sofa. Türen knallten und Tiger war wieder allein. Das wäre an sich für sie nicht weiter schlimm gewesen. Es war kuschelig warm und sie konnte es sich auf einer weichen Decke gemütlich machen. Doch sie war nicht so allein, wie sie zunächst dachte. Eine ältere Katze, fast vollständig schwarz, mit nur einem kleinen weißen Fleck auf der Brust, näherte sich ihr. Das Fell der Katze sah etwas struppig aus. Ihr Gang war selbstsicher und ihr Blick hart. Keine andere Katze war so töricht ungefragt in ihrem Revier herumzustromern. Auch die Kater wurden allesamt verjagt, sobald sie sich zu weit näherten und ausgerechnet sie musste nun ein närrisches kleines Kätzchen in ihrer Nähe dulden. Die Menschen riefen sie Maxi oder Maxi die mürrische Mietz und wenn es nach ihr ginge würde sie hier am liebsten allein wohnen, wie die restlichen Jahre zuvor. Im Sommer war sie nur mal für ein paar Wochen auf Ausflug gegangen und als sie zurückkam war dieses kleine Kätzchen da. Ihr gefiel es überhaupt nicht, dass sie ihr Reich nun mit Tiger, die noch nicht einmal ein Jahr alt war, teilen sollte.
Grollend sah sie die junge Katze an, sprang auf das andere Ende der weichen Couch und kringelte sich dort zusammen. Tiger war erleichtert. Sie wollte keinen Streit. Mehrmals schon hatte sie sich bereits ein paar Krallenhiebe eingefangen. Deshalb stand sie auf, um sich anderswo nach einem gemütlichen Plätzchen umzusehen. Sie war gerade auf dem Weg in den Flur, da ertönte ein furchtbares lautes Geräusch, das brüllend anhob und einfach nicht aufhören wollte. Das Mädchen öffnete die Tür, bewaffnet mit einem Staubsauger um die letzten unansehnlichen Krümel und Nadeln vom hellblauen Teppich zu tilgen.
Tigers Fell sträubte sich und ein ängstliches Geräusch entwich ihrer Kehle. Ihr war dieses Ding nicht geheuer und was für einen Lärm es auch noch ausstieß. Sie floh auf den Sessel, der neben dem Weihnachtsbaum stand, aber der Staubsauger kam immer näher. Tiger musste verschwinden, aber wohin?
Sie sah zu dem Tannenbaum, nahm Maß und sprang. Sie segelte durch die Luft und wollte sich festkrallen, aber die Äste unter ihr gaben nach. Der Baum schaukelte bedenklich und krachte dann in einem einzigen Gewirr aus Christbaumkugeln, Nadeln und Fell auf den Boden.
Der Staubsauger verstummte.
Eine Tür flog auf und großes Geschrei erklang vom Flur her. Tiger bekam nur ein einziges Durcheinander mit. Maxi hob eines ihrer Augenlieder ein Stück an, um nachzusehen, was dieses tollpatschige Kätzchen nun wieder angestellt hatte. Plötzlich wurde der Baum hochgerissen und starke Hände packten Tiger um sie schnurstracks aus dem Zimmer und in den Flur zu tragen.
„Raus mit dir.“ erklang die strenge Stimme der Mutter.
Nun saß Tiger wieder in der Kälte. Alles Klagen und Betteln half nichts. Die Tür blieb geschlossen. Dabei war es drinnen so schön warm gewesen.
Die Zeit verging und als sie es nicht mehr aushielt sprang sie auf die Fensterbank um in das Innere des Wohnzimmers zu spähen. Die Menschen saßen an einem Tisch, auf dem ein wundervoller großer Karpfen auf einem weißen Teller lag. Es sah köstlich aus. Wehmütig betrachtete Tiger den Fisch und stellte sich vor wie es wäre ihn zu essen. Die kleine rosafarbene Zunge zuckte kurz aus ihrem Mäulchen.
Als das Weihnachtsmahl beendet war öffnete sich die Eingangstür wieder. Es war das Mädchen. Sie winkte sie strahlend zu sich heran.
Schnell wieder ins warme!
Das Mädchen führte sie zu ihrer Futterstelle. Zu Tigers Besorgnis war auch Maxi dort, aber sie schien viel zu sehr mit ihrem Futter beschäftigt, als auf sie zu achten. Sie nagte an Gräten und dem Fischkopf, den die Menschen übrig gelassen hatten. In Tigers Schälchen lagen ebenfalls einige Reste, darunter die Schwanzflosse und etwas Haut. Es schmeckte besser, als Tiger gedacht hatte. Als sie satt war lief sie erneut ins Wohnzimmer. Hier fühlte sie sich wohl. Es war behaglich warm, sanftes Licht strahlte von den Lichtern am Baum und aus einem Gerät drang leise, festliche Musik. Tiger erspähte Maxi, die auf einer weichen Decke lag. Sie schien ganz und gar nicht in Streitstimmung zu sein. Endlich Ruhe.
Tiger sah sich um. Die Menschen schienen nicht länger einen Groll gegen sie zu hegen. Die kleine Katze war froh, nicht mehr in der Kälte draußen stehen zu müssen. Sie setzte sich neben den Weihnachtsbaum zwischen die Geschenke, die dort verteilt lagen. Nun war sie mit sich und der Welt wieder zufrieden.
Texte: Finsterdrache
Bildmaterialien: Finsterdrache
Tag der Veröffentlichung: 16.11.2012
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