4. Juli 2005
Was ich beim Schreiben spannend finde, sind plötzliche aus der Situation entstehende Einschübe in die Vergangenheit, visionsartige Gedanken in die Zukunft und der kontinuierliche Wechsel zwischen verschiedenen Erlebnisebenen. Wenn sich dazu noch Traumverwobenes und eine ungewöhnliche Bildsprache gesellt - herrlich!
4. Juli 2005
Ohne die Ansprache der Sinne, bleibt für mich ein Text farblos und langweilig. Im konkreten Beschreiben und Ausmalen von Situationen vermitteln sich Gefühle am besten. Der Leser erhält Zugang, wird eingesponnen, manchmal auch verzaubert. Ein Eintauchen in eine ganz andere, aber von den Gefühlen her nicht fremde Welt, macht für mich den Reiz des Lesens aus. Ein atmosphärisch dichter Text erreicht seinen Leser. Da vermittelt sich Energie, ist ein Miterleben möglich. Möchte ich als Leser mitgerissen werden, dürfen die Sätze nicht zu abgehoben und verschachtelt sein, sollten aber auch Freiräume lassen für eigene Gedanken und Inspirationen. Ich möchte von einem Text nicht erdrückt und geknebelt werden. Zu weit gestrickte Maschen lassen mich durchs Netz fallen, das Aufnehmen der Maschen wird dann schwirig und die dadurch vergeudete zeit läßt den Faden verlieren. Die Handlungsstränge dürfen vielschichtig und bunt wie ein Flickenteppich sein und Überraschungen produzieren. Ein plötzlicher Schwenker und ungewöhnlicher Blickwinkel lassen das Lesen zu einem Abenteuer werden, dem ich gerne folge.
1. September 2005
Worte, wie Brücken
Immer wieder bauen wir ja Brücken von Mensch zu Mensch. Manche sind aus Glas - man sieht den Abgrund tief unten, und dennoch tragen sie. Manche sind aus Beton, aus Steinen und Mörtel; aus Holz und geflochtenen Seilen, es gibt Hängebrücken; sogar bebaute Brücken gibt es. Alle brauchen Pflege und immer wieder Instandsetzung. Sie haben einiges auszuhalten, müssen allerhand tragen, um nicht zu zerbrechen. Pflegen wir sie, die so unterschiedlichen Brücken von Mensch zu Mensch. Geniale Brückenbauer sind wir. Du und ich, wir wissen wie das Brückenbauen geht.
Wenn wir nicht immer wieder bereit sind, den Brückenschlag zu tun, bleiben wir einsam und allein, und keine Liebe blüht in Herz und Seele.
30.September 2005
Manchmal ist es ja witzig!
Da lese ich gerade bei Jo im Blog "Zerzaust am Fenster" und denke, ja Jo, ich stehe gerade auch recht zerzaust am Fenster.
Nun der graue Tag gestern fand noch ein angenehmes Ende. Ich sortierte und überarbeite Texte für die Anthologie meines Heimatforums, und fand so einige Schmuckstücke unter den gesammelten Tagebucheinträgen, die ich auch "Prosaische Fingerübungen" nenne. Denn Übungen und Versuche sind es, um Sprache und Ausdruck zu entwickeln.
Einmal im Schwung überarbeitete ich gleich noch zwei "Findevogel-Gedichte" und spürte, wie die mentale Kraft zurückkehrte.
Zufrieden ging ich endlich, fast schon zu spät, in mein Kuschelbett.
Kurz vor dem Einschlafen brach ich in Lachen aus und erschreckte meinen vertrauten Bettgefährten sehr, denn der schlief schon.
Irgend etwas hatte sich da zwischen Tag und Traum empor geschlängelt, perlend wie Sekt. Was es war, ich weiß es nicht mehr. Das Lachen hat es verschluckt und im Urgrund vergraben. Ich kicherte und giggelte noch eine ganze Weile, bevor der Schlaf endlich sein Traumtuch über mich ausbreitete. Was auch immer als Geheimnis unter dem Lachen vergraben wurde, die Wirkung war erfrischend, belebend und erleichternd.
Zerzaust Jo, bin ich, aber nicht gebrochen, dem Wind ausgesetzt, der kräftig weht, aber das Meer, die Unendlichkeit und etwas zutiefst mütterlich Nährendes finde ich auch. Und nicht zu vergessen, diese unermessliche Sehnsucht nach pulsierendem gefüllten Leben."Was treibt dich an Angie?
Möglicherweise ist die Motivation zu Schreiben sehr unterschiedlich.
15.1.2006
Warum schreibt Ihr?
Was die Blog-Gestalter verbindet ist die Tatsache, dass sie es verstehen, sich schreibend mitzuteilen.
Einige tun das zu bestimmten Themen, andere schreiben über ihren Alltag, Wieder andere schreiben Geschichten, Texte und Poesie.
Welche Motive treiben euch, warum schreibt ihr?
Für mich ist das Schreiben fast schon eine Sucht, aber auch ein Ventil, über das überschüssige Energie freigesetzt wird. Manchmal schreibe ich mir etwas von der Seele: alle Worte, die in mir festhängen, fließen aufs Papier, nehmen Gestalt an. Ich leere mich, bis ich wieder ruhig und gelassen bin. Zur Zeit finde ich das frei assoziierte Schreiben und Fabulieren ausgesprochen anziehend, dieses Schöpfen aus der Sprache - das Verfolgen plötzlicher Eingebungen - das Magische, das Fantastische. Warum sollte ein Text immer vernünftig und gradlinig sein? Unser Denken, Fühlen und Erleben ist es doch auch nicht.
Auch so können ausgesprochen dichte und interessante Texte entstehen. Seit knapp drei Jahren übe ich mich in der Kunst des Schreibens, bin noch lange kein Meister, aber das geschriebene Wort hat mein Leben auf den Kopf gestellt.
1. März 2006
Warum also schreibe ich?
Ich fabuliere und spinne gern!
Es macht mir Spass, mich von anderen Menschen inspirieren zu lassen!
Ich übe kreatives Schreiben!
Im Laufe des nächsten Jahres möchte ich eine Zusatzausbildung zur Märchenerzählerin beginnen - gerade dafür übe ich schon mal das freie und kreative Fabulieren.
Unverschämt und anmaßend möchte ich nicht sein, aber ich wäre durchaus BEGEISTERT, wenn mal irgendwann Texte von mir in Büchern veröffentlicht würden.
Erste Ansätze gibt es: bin in einigen Lyrik-Anthologiene veröffentlicht.
5. März 2006
Ins Blaue hinein gedacht....
Wenn wir einen Roman lesen, hat er in der Regel einen chronologischen Handlungsfaden; d.h. er beginnt z.B. am Morgen um 8 Uhr und endet am Folgetag um 22 Uhr. Wir beginnen mit dem Lesen auf der ersten Seite und enden auf der letzten Seite.
Unser Denken aber funktioniert eigentlich anders: gleichzeitig fühlen wir auf der einen Ebene, auf einer anderen denken wir, erinnern uns, schauen in die Zukunft, nehmen über die Sinne wahr. Tag-und Nachtträume mischen sich dazu. Zeitgleich geschehen viele verschiedene Dinge auf ganz unterschiedlichen Ebenen.
Versucht man den Augenblick festzuhalten, indem man alle diese gleichzeitigen Ebenen beschreibt, entsteht ein ungewöhnlicher Flickenteppich der momentanen Situation, der sich dem wirklichen Geschehen mehr nähert, als ein kausaler Handlungsfaden. Von einer konkreten Situation aus führen Handlungsfäden so in alle Zeitrichtungen und dringen durch unterschiedliche Schichten einer Hauptfigur.
Wäre doch mal interessant eine Handlung zu kreieren, in der man an beliebiger Stelle mit dem Lesen beginnen kann und in der man sich vorwärts und rückwärts bewegen kann, wie man gerade will.
Da öffnen sich andere Dimensionen!
17. Februar 2007
Plötzlich findet ihr alles, was ihr je geschrieben habt zum Kotzen. Am liebsten würdet ihr hingehen und alles in kleine Fetzen zerreißen oder von der Festplatte löschen, die HP ausradieren und alles an den Nagel hängen. Wer liest das überhaupt schon? Und überhaupt, wozu das ganze? Ihr seit mit nichts an euch zufrieden.
An Schreibideen mangelt es nicht - sie sind da -überschlagen sich fast - etwas nagt am Selbstbewusstsein und das schlichteste Gedicht, den simpelsten Text findet ihr immer noch besser als euren eigenen "Mist".
Da stehe ich fast. Mir fehlt der Austausch und die kritische Auseinandersetzung, das Feedback. Leider hat sich mein Literaturkreis zerschlagen. Es gibt ihn eigentlich nicht mehr. Ich bin noch nie ein Einzelkämpfer gewesen, der seinen Weg geht, ohne nach rechts und nach links zu schauen. Ich brauche Menschen um mich herum, die ermuntern oder auch mal Kritik anmelden, denn mich selbst kann ich überhaupt nicht beurteilen.
24. Februar 2007
Ping-Pong
Mir hilft beides beim Gedankensortieren, das Schreiben und das Gespräch/ der Austausch, aber mit unterschiedlicher Gewichtung:
Gedanken im Gespräch auszudrücken, ist wie Pingpong. Man bekommt den Ball sofort zurück geworfen. Und an der Art, wie ich ihn zurück bekomme, kann ich ablesen, ob ich einen Gedankenweg beschritten habe, der nachvollziehbar ist, der Anregung gibt oder nicht konkret genug ist; der angenommen wird oder auf Granit stößt. Das Pingpongspiel kann abgehackt oder flüssig sein. Es bleibt in der Bahn oder entgleist. Immer habe ich ein sofortiges Feedback, verbal und nonverbal.
Beim Schreiben geht es mir erst einmal um Ausdruck von etwas. Erst müssen die Sätze/Zeilen vor mir selbst bestehen können, mein eigenes Anliegen herausarbeiten, etwas für mich sichtbar machen. Ein äußeres Feedback in dieser Situation würde mich eher daran hindern, bei mir selbst und meinen Gedanken zu bleiben.
Und es gibt für mich das "VonDerSeeleSchreiben" dabei geht es in erster Linie darum, mich von etwas zu befreien, um es anschließend SchwarzAufWeiß und etwas distanzierter vor mir zu sehen.
20. Mai 2007
Ich nehme Inspiration aus allem, was mir begegnet - oft entsteht ein innerer Dialog selbst mit leblosen Dingen, - besonders die Natur mit ihren natürlichen Wachstumsperioden, die menschlichen Lebensphasen und das ewige Wechselspiel zwischen Gebären und Sterben regen bei mir kreative Gedanken an.
7. März 2007
Ich liebe das Wort "Gefährte/Gefährtin":
Für mich drückt es mehr aus, als eine gewöhnliche Freundschaft, ist ein "mehr" an Zusammenspiel, Gleichklang und Ergänzung. Fraglos ist dabei für mich immer eine geistig/ seelische Liebe im Spiel, zwei, die sich verlässliche und gleichberechtigte/ gleichwertige Begleiter sind.
Wo kommt das Wort her?
Hat es etwas mit Gefahr zu tun? Gemeinsam einer Gefahr trotzen?
Oder kommt es von dem Gefährt? Gefährt im Sinne von Gespann. Ich denke dabei z.B. an eine Kutsche, die von einem Pferdegespann gezogen wird.
Eigene Gedanken
Wenn man eine/n Gefährten/Gefährtin verliert, fühlt man sich verwaist. Verwaist ist man eine Waise. Herkömmlich haben Waisen keine Eltern mehr. Besonders Kinder, die noch abhängig sind von den Eltern, erleiden mit ihrem Verlust etwas sehr Einschneidendes.
Verliere ich einen Gefährten, geht mir eine Kraft verloren, die durch die sich ergänzende Dualität des „Gespanns“ potenziert wurde. Ich bleibe als ein verwaistes Etwas zurück, was einen Teil seiner Kraft einbüßen muss. Es dauert lange, bis ein Mensch sich von einem solchen Erlebnis erholt. Gefährten sind nicht beliebig zu ersetzen. Sie sind immer auch Seelenverwandte und auf besondere Weise miteinander verbunden.
31. Mai 2007
Über Lesen und Schreiben und die Inspiration
Wenn ich einen Text lese, konzentriere ich mich auf den Text. Eine Assoziation zum Autor kommt mir da erst einmal nicht in den Sinn. Das geschieht erst dann, wenn ich viele Texte einer einzigen Person gelesen habe oder wenn ich die Gedanken eines mir persönlich bekannten Menschen in seinen Texten wiedererkenne. Dann sind oft wiederkehrende Themen, Satzstellungen; bestimmte Gedankensysteme und ein individuelles Wörterschatz zu erkennen, auch Schlüsselmotive. Eben der ganz eigene Stil.
Selbst wenn ich komplexe Gedankennetze und ihre Verknüpfungen erkennen kann, sagt mir das ja nur, dass der Autor sich mit diesem Thema auseinandergesetzt hat. Ich weiß ja nicht, aus welcher Motivation heraus er das tat, was ihn in seinem persönlichen Leben bewegt. Und wie viel Raum das Thema in seinem Leben einnimmt, kann ich nur vermuten und als Hypothese verstärken, wenn dieser spezielle Themenkreis beispielsweise abgewandelt immer wieder auftaucht, dann könnte ich daraus schließen, dass es sich um ein Lebensthema handelt.
Folgendes darf man beim Lesen nicht vergessen; nicht alles, was ein Schriftsteller schreibt, lebt er auch: ich kann mich z.B. in eine Kindsmörderin hinein denken, ohne selbst ein Kind ermordet zu haben.
Das ist ja das Interessante - für mich - beim Schreiben: ich kann so stark in eine mir wenig vertraute Rolle hinein krabbeln, dass sie zum Leben erwacht und neben Muskeln und Fleisch auch eine in sich geschlossene authentische Persönlichkeit erhält (natürlich nur, wenn ich übe und mich ausdifferenziere).
Viel wichtiger, als das Wissen, die Erkenntnis und das Anwenden des Gelernten ist für mich das, was hinter den Dingen steht, das es Ergänzende. Ich möchte Vernetzungen, Verstrebungen, Verknüpfungen verstehen. Es gibt viele Wege, über die man zu Erkenntnissen kommen kann. Und was sind Erkenntnisse? Sind es nicht immer nur individuelle Wahrheiten oder für Wahrheiten gehaltene Scheinwirklichkeiten?
Im Dialog mit Dingen - auch den unsichtbaren - und Menschen finde ich Assoziation, Bereicherung und Inspiration.
14. Juli 2007
Sind Worte Gefäße?
was
wenn zwischen den Grenzen der Worte
nicht nur Bilder, Düfte, Farben ruhen
sondern dem Dazwischen Energie entströmt
und wie ein Gas sich ausbreitet
wenn gerade das Unsichtbare Fuß fasst
in den Gedanken dessen, der hört, liest und sieht
sich einhakt, hängenbleibt
sind dann Worte nur schützende Gefäße
für das Unaussprechliche, nie Gewagte, Geheime
das zu Findende, der Schlüssel
und Urnen
für begrabene Träume
oder Tabernakel
für das Allerheiligste in uns
12. August 2007
Was Texte tun dürfen
Brücken zu Texten müssen manchmal erst gebaut werden. Und Texte können Brücken für unser Leben sein. Sie verbinden INNEN und AUßEN zu einem einzigen Ganzen.
Was Halt ist und Ruhepol
Was Licht bringt im Dunkel
Was Träume ins Leben flüstern
und mit den Wellen durchs weite Meere schwimmt
Was Rot ins triste Grau zaubert
und den Wolken das Fliegen beibringt
Was dem Wind seine Lieder lehrt
und leise aus tiefen Quellen wispert
Was im Kuss ein DU mit einem anderen verbindet
und den wurzelnden Bäumen
Äste und Zweige; Knospen und Blüten schenkt
Was zwischen Zweigen ein Nest schafft zum Lieben
ist Geheimnis und Magie zwischen Werden und Vergehen
25.8.2007
Vom Blockiertsein!
Gerade neulich hatte ich eine völlig uninspirierte Woche. Es bekommt mir aber nicht, wenn ich nicht schreibe, denn inzwischen ist das Schreiben für mich wichtig, wie Essen und Trinken. Also schreibe ich grundsätzlich jeden Tag ein bisschen. Da bin ich sehr diszipliniert. Was in einer solchen Phase dabei rauskommt, ist oft eckig und kantig, aber ich selbst - für mich - muss da durch. Wenn ich einfach aufhöre zu schreiben, komme ich nicht mehr rein. Manchmal ist das richtig heftige Arbeit und ein innerer Kampf mit mir selbst.
Vielleicht lauscht du mal nach innen, wenn du dich blockiert fühlst, und hörst, was die innere Stimme erzählt. Was hast du erlebt, geträumt, erfahren in der letzten Tagen? Was hat dich besonders berührt? Stell dir vor du sitzt an einem Spinnrad - die gleichförmige Arbeit versetzt dich in eine Art Trance: lass deine Gedanken einen Faden spinnen, dem du folgst, egal wohin er dich führt. Nicht das Ergebnis ist wichtig in diesem Augenblick und schon gar nicht die Bewertung. Sich einlassen und wieder in Fluss kommen, ist das Zauberwort. Und stell auf jeden Fall den inneren Kritiker in die Besenkammer und schließ mit dem Zauberschlüssel ab. Soll er doch alleine schmoren oder sich wie Rumpelstilzchen in zwei Stücke zerreißen. Schließlich hat am Ende des Märchens die Müllerstochter gewonnen.
10. September 2007
Den Faden muss ich mal schnell nach oben holen und wieder aufwickeln, meine Fabulierlust ist aus ihrem 100-jährigen Dornröschenschlaf erwacht, und das obwohl heute kein Prinz vorbei gekommen ist, um mich wach zu küssen.
Oh Gott, den muss Frau erst einmal entwirren. Wie war das denn noch? Ganz langsam, nach und nach und ganz ohne Eile, werde ich ihn für euch entrollen.
Nein! Es waren zwei junge Ratten, die nach einer langen Reise endlich ein neues Zuhause gefunden haben. Sie sind noch sehr schüchtern, erzählte man mir, aber im Stroh rascheln sie schon. Und überhaupt, es ist Spätsommer. Am Wetter hat man es nicht feststellen können, aber der Buntspecht klopfte fast an mein Fenster. Er liebt meinen Apfelbaum, und wenn er kommt, ist September - immer!
19. Januar 2008
Apropos Proust!
Allein dieser Titel "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit" , den ich vor sehr langer Zeit zum ersten Mal hörte, verleiht meinen Gedanken immer neue Flügel.
Wie bekommt man sie eingefangen, die Zeit? Und wenn sie schon so schnell vorbei läuft, wo sind die Erinnerungszipfel, an die ich mich dran hängen kann, als sei ich ein Kletterkünstler am roten Seil, mit dem ich himmelan oder erdtief hinab - in die Geschichte - meine Geschichte - hinein zu klettern gedenke. Ich will die Verknüpfungen finden, dann fällt das Klettern leichter, denn der Fuß findet Halt. Und um dem Schwindel im Antlitz aller Ereignisse, der Gefühle, den Bildern und Tönen zu entgehen, braucht es diesen Halt. Denn einmal begonnen, gibt es für eine Weile kein Stoppen mehr. Von allen Seiten stürzen sie sich immer kleiner und minutiöser werdend auf mein Gehirn. Vergleichen kann man es mit Achterbahnfahren oder einem Feuerwerk, ständig wechselnde Lichtpunkte, oder noch besser dreidimensionale Kettenreaktionen.
Das gefällt mir auch am Fabulieren: ich beginne bei Punkt A und bin plötzlich bei M oder H - oder bei Omega - kreuz und quer geht das - erleichtert und beglückt, wenn ich am Ende bei Z oder wieder bei A lande und alles einen nachvollziehbaren Sinn ergibt.
Aber was ist schon der Sinn?
Der Sinn setzt sich zunächst aus möglicht genau und konkret herausgearbeiteten Momenten, Ereignissen, Begegnungen zusammen. Sinnlich genau beschrieben, vermittelt sich Sinn über das entstandene Gesamtgemälde aus Energie, Duft, Farbe und Tönen. Und da sind wir wieder bei Proust:
er beschreibt und erzählt akribisch genau. So als wolle er die Zeit zwischen die Zeilen pressen, auf das auch nichts verloren gehe, nicht mal der kleinste Krümel. Wahrscheinlich daher mein Eindruck, in einer Zeile stecke mindestens ein ganzes Buchkapitel.
Das Feuerwerk ist zuende, war auch Zeit, denn zuviel auf einmal ist nur noch Stress.
Ich werde gleich in den Garten gehen, bevor es dunkel wird - mein Freund - hinter die Garage in der kleinen unfriedeten Ecke, wo noch Platz ist für einen Baum. Ich werde meine Gummistiefel anziehen, das braunrotkarierte gefütterte Holzfällerhemd überstreifen, die Terassentür öffnen - es regnet und die Vögel sind still - und aus der Garage eine Schaufel holen. Vorbei am Kaninchenkäfig, in dem sich vier Pelznasen in der oberen Etage zusammen gekuschelt haben - sie sind satt, still und gemütlich, und es duftet nach Äpfeln und Heu - geht es in die geschützte Ecke. Dort grabe ich ein Loch und pflanze ein Mandelbäumchen hinein, bedecke den Ballen gut mit Erde und trete sie fest. Dann eile ich zur Wassertonne, und schöpfe mit der grünen Plastikgießkanne das aufgefangene Wasser. Nun wird der Ballen gründlich begossen und ich spüre, wie die Stille in mich einzieht und in meinen Gedanken sehe ich ihn schon blühen kurz bevor es Frühling wird.Auf der Haut spüre ich einen südlichen Wind. Noch bevor es ganz dunkel ist, habe ich den Kaninchen gute Nacht gesagt, die Garagentür geschlossen, mir Stiefel und Holfällerhemd ausgezogen und sitze bei euch im "Roten Salon" vor einer Tasse mit dampfenden Tee. Ich gebe etwas Kandis hinein, denn das klirrt so schön, doch statt den Madeleines beiße ich lieber in ein Käsebrot.
Ein wenig erschöpft möchte ich euch noch sagen, es ist warm hier und angenehm. Und bevor ich irgend wann einmal ein Buch veröffentliche, muss ich noch sehr sehr viel üben.
Und was mir noch einfällt, gerade zur Zeit renne ich der verlorenen Zeit meiner Mutter hinterher, d.h. ich ermuntere sie, bettele und bitte, dass sie doch endlich beginnen soll, alle Geschichten auf zu schreiben, die sie uns immer erzählt , und die wir uns nicht merken können, weil sie vom Hölzchen aufs Stöckchen kommt, ständig die Zeiten wechselt und immer neue Perönlichkeiten auf der Erzählbühne erscheinen lässt.
Es wird Zeit, denn sie ist schon achtzig.
27.April 2008
Wort-Oasen
Ich hänge für dich zwischen den Bäumen einen Teppich auf, jenen der alt ist, und den ich fand in der Rumpelkammer - fast vergessen unter Spinnweben - jenen, weißt du, der fliegt wenn man ihn nicht fesselt oder einschließt in dunklen Kammern.
Ich gieße Worte aller Art hinein. Zwischen Altmüll und Plunder glitzern versprochene und unausgesprochene Liebesworte - ganz frisch noch und blau getüncht, wie geklaut vom Seelentief.
Leg dich hinein, schließe die Augen und träume deinen schönsten Traum.
Zauberworte schlingen Girlanden und Lampions zwischen frischbegrünte Zweige. Eine weiße Schlange mit roten Punkten ringelt sich um den Stamm. Mit ihren gezischelten Worten schlängelt sie sich ganz heimlich ins Herz dir hinein.
Pass gut auf, sonst trifft dich ihr Liebesgift: sanft bezwingend, betörend und bittersüß, jeder Sünde wert.
Und wenn du dann mit der ewigen Eva in den Paradiesen lustwandelst, dann denk für einen Augenblick an mich und daran, wer ich bin.
31. Mai 2008
mich inspiriert besonders die verdichtet atmosphäre, wenn menschen losgelöst von ihrem alltag ein stück weit aus sich heraus treten, um völlig entspannt geschichten erzählen, mit wörtern und sätzen spielen, sich selbst nicht so ungemein wichtig nehmen und dabei die zeit vergessen.
6.Juni 2008
Heuschrecken in Scharen fressen nicht nur die Worthülsen ratzekahl.
Oh, da muss man was tun!
zu bauen neun Mauern
mit sieben Türmen
zu pflanzen drei Hecken
aus Schlehen
Weißdorn
und Rosen
nicht zu vergessen, ein Labyrinth
und in der Mitte die Höfe mit zierlichen Gärten
zwischen Feldern, Wiesen und Parklandschaften
Mammutbäumen und Kastanienalleen
bei den Fischen am Weiher ein Buddah
eine Laube zum Verweilen
für melancholische Poeten und feinsinnige Denker
und
zum Bewachen zwischen Mauern und Hecken
ein alphabetisch kreatives Heer:
Aquamarine am Apfelbaum
Bernstein beim Birnbaum
Cherubine cemballoalospielend
Düsentriebe direkt daneben
Engelsgleiche Erstlingswerke
Farbige Funkenflipper
Gigantomanische Großstadtschamanen
hurtig hastende Hängebauchschweine
igelspitze Intriganten
japanische Jetsetjäger
Klitzekleine Kummulationskanonen
lausbübische Lachlektüren
Mutzige Mausemandeln
niedliche Neumondelfen
ofengebräunte Ottomanen
prollige Promipiraten
quellende Quallengesichter
rasende Rolande
sichelförmige Salamander
transformierende Transaktionsanarchisten
unterschwellige Unkenrufe
vitale Vandalen
wiederkäuende Wanderratten
Xantippen
Ysop
zartfühlende Zentauren
Und über allem ein Netz vom Fischer Fritz
gerade geflickt und gestopft
9. Juni 2008
Vielleicht schreiben manche Menschen sich vom drängenden und einschnürenden sozialen Druck frei. Sie tauchen ab, kommen bei sich an und bringen schwarz auf weiß auf Papier was ihr Abtauchen nicht nur rechtfertigt, sondern auch legitimiert.
Möglicherweise setzen sie einen Kontrapunkt, fügen sich so auf ihre Weise und mit eigenem Blick in den sozialen Kreislauf ein und lockern so eingetretene und festgetrocknete Pfade, oder sie preschen mal gerade durchs Gebüsch.
Würde man diesen Faden weiter verfolgen, bliebe festzustellen, dass Schreiben sehr wohl - auch - ein wichtiger sozialer Akt sein kann.
Manchmal müssen Angelegenheiten überzeichnet werden - in der heutigen Zeit besonders - um den Kontrapunkt zu setzen. Immerhin eine provokante Äußerung ist zumindest geeignet, Anstoß zu erregen, die Gemüter in Wallung zu bringen und ins Diskutieren zu geraten.
12. Juni 2008
Noch mehr - goldene - Bälle
Es ist so leer hier. Wo seit ihr geblieben ihr Wortjongleure mit den goldenen Äpfel, die hin und her flitzen, wie Pingpongbälle. Ich warte auf euch, bin hier nicht allein auf weiter Front.
Seit ihr schon müde der Worte
ausgelaugt und leer geschrieben?
Wo bleibt das Glimmern heimlicher Kartoffelfeuer, wenn Funken stiebend die Nacht erhellen? Strohfeuer zu schnell schon ausgebrannt?
Oder habt ihr euch verkrochen im Wolkenkuckusheim,
alle Fenster dicht
und die Türe verschlossen.
Versteckt euch nicht ihr Poeten und Wortverzauberer!
Schaut her:
ich werfe sie euch zu
aus verschenkenden Händen
mit großen staunenden Augen
und einem Engelslächeln im Gesicht
“Goldene Äpfel
Yah Allah, meine Brüder, kommt und hört, wißt und seht, was unser ist und ich Euch gebe. Seht Ihr in meinen leeren Händen goldene Äpfel, seht Ihr sie? Achtet auf, ich werfe sie Euch zu: dir einen, dir dort ganz hinten einen, dir so verborgen im Winkel einen, und diesen noch und den letzten auch. Haltet sie, derweil ich Euch berichte von vielem, das geschah, vielleicht geschah, vielleicht gehört ward, vielleicht nur gesehen - wer kann es sagen? Wer weiß es, was wirklich ist, wer, was nur Gedankenschatten? Wenn wir es alles sahen und hörten, werft sie zurück, die goldenen Äpfel, die ich Euch gab aus leeren Händen, und aus Euren Seelenaugen werde ich sie sehen, meine goldenen Äpfel. Fangen und halten. Habt ihr vernommen, Freunde und Brüder?”
aus “An den Nachtfeuern der Karawan-Serail” nacherzählt von Elsa Sophia Kamphoevener
und weil wir schon beim Orient und den Karawanen sind:
“Mit einer Karawane zog ich von Sistan weit:
Ich trug, aus Herz gesponnen, aus Geist gewebtein Kleid;
Ein Kleid von feiner Seide, gewirkt aus dem Wort,
Ein Kleid gemustert zierlich, dem Sprache Muster leiht.
Ein jeder Zettelfaden vom Geist gezwirnt mit Schmerz
Ein jeder Einschlagfaden vom Herz getrennt im Leid.
Nicht ist das Kleid gewoben wie andere seiner Art;
Erkenn´es nicht, vergleichend mit anderen seiner Zeit!”
Farrukhi
aus “Nimm eine Rose und nenne sie Lieder - Poesie der islamischen Völker”
18.Juni 2008
Vom roten Faden
Na ja, es gibt die unterschiedlichsten Labyrinthe. Was da hilft, ist der lange rote Faden.
Das Weben und Spinnen sind ja uralte Techniken. Man kann sich dabei selbst vergessen und in eine andere Welt abtauchen. Auf diese Weise verbinden Spindel und Weberschiffchen die zwei Welten: dieseits und jenseits.
Auch mit Sprache kann man Fäden spinnen und Teppiche weben - übrigens auch mit Farben und Tönen - und die können sich sogar in fliegende Teppiche verwandeln, die dich - beispielsweise - gedankenschnell vom Okzident zum Orient tragen.
4.Juli 2008
Bei mir geht heute gar nichts - kann keinen einzigen Gedanken festhalten.
Ich denke an Teppiche und die Verknüpfungen; an Netze und Fische, die durch die Maschen fallen - vielleicht ein Loch? Nicht dicht genug verkettet. Immer diese Löcher im Teppich.
Manche hat die Zeit hinein gefressen, andere die Motten. Das Material war nicht fest genug.
Durch eins dieser Löcher sind gerade meine Gedanken gepurzelt, und nun segeln sie zum Grund des stillen Sees. Vom Himmel fallen vereinzelt Flocken und streifen spitz meine Nase. Ich lasse etwas Zucker in den Tee rieseln und rühre - es knirscht - und ich stelle mir vor, wie es wäre, wenn ich einen Riesen-Teelöffel hätte und den Grund des Sees damit auf wirbeln könnte, so lange, bis meine Gedanken wieder nach oben steigen würden - so lange bis der Sturm im Wasserglas meine ganze Konzentration schlucken würde.
Bleibt nur die eine Frage: was alles würde mit aufgewirbelt?
für Johanna
und manchmal
sind die fäden zu kurz
mühsam das viele knoten
vom farbigen garn
du verlierst dich im kleinen
und wenn es dann langt
geht alles zu schnell
es wächst über dich hinaus
kommst nicht mehr mit
und gehst dir verloren
und manchmal
ist alles gut wie es ist
hast den rhythmus gefunden
du schwingst und fließt
und bist einfach froh
5.Juli 2008
Von der Lust am Schreiben
Ist es nicht eine Lust - ein Vergnügen - oder ein Rausch, immer präziser, genauer, konkreter Dinge, Begebenheiten, Gefühle zu beschreiben, und dabei immer tiefer in die Worte und ihre Sprache hineinzutauchen - sie gefügig zu machen - und auch das noch auszudrücken, was gestern unaussprechlich schien? Und auch dort noch Worte zu finden, wo man weit hinein gehen muss in den Schmerz, die Trauer, die Angst, hineinzugleiten wie in einen dunklen Tunnel, und plötzlich zu sehen, dass da Licht ist und ein Bereich, in dem Schmerz, Trauer und Angst ihre Macht verlieren.
6. Juli 2008
Wir sprechen davon, sprachmächtig zu sein, die Sprache zu erobern, Sprache zu übernehmen oder auch, sich mit einer Sprache anzufreunden.
Der Sprache mächtig sein, heißt sie zu beherrschen und ihre Feinheiten benutzen zu können, um die eigene Ausdrucksfähigkeit zu verbessern.
Wir erobern Sprachräume, reden und schreiben zwischen den Zeilen, weil Sprache mehr ist, als das Wort.
Wir vernetzen und verketten Sprachteppiche nach unseren Vorstellungen.
Ja, die Wortbegeisterten sind mit den Worten der Sprache im Dialog. Sie schöpfen aus ihnen Energie und bereichern ihre Texte, Reden und Gespräche damit.
Viele Worte gleichen zugeschnürten Paketen, deren Inhalt freigesetzt wird, wenn wir sprechen und schreiben.
Vernetzt man bestimmte Worte miteinander, schaffen sich Stimmungen, die über die Worte hinaus wirken.
6. Juli 2008
Ist es nicht eine Lust - ein Vergnügen - oder ein Rausch, immer präziser, genauer, konkreter Dinge, Begebenheiten, Gefühle zu beschreiben, und dabei immer tiefer in die Worte und ihre Sprache hineinzutauchen - sie gefügig zu machen - und auch das noch auszudrücken, was gestern unaussprechlich schien? Und auch dort noch Worte zu finden, wo man weit hinein gehen muss in den Schmerz, die Trauer, die Angst, hineinzugleiten wie in einen dunklen Tunnel, und plötzlich zu sehen, dass da Licht ist und ein Bereich, in dem Schmerz, Trauer und Angst ihre Macht verlieren.
Wir sprechen davon, sprachmächtig zu sein, die Sprache zu erobern, Sprache zu übernehmen oder auch, sich mit einer Sprache anzufreunden.
Der Sprache mächtig sein, heißt sie zu beherrschen und ihre Feinheiten benutzen zu können, um die eigene Ausdrucksfähigkeit zu verbessern.
Wir erobern Sprachräume, reden und schreiben zwischen den Zeilen, weil Sprache mehr ist, als das Wort.
Wir vernetzen und verketten Sprachteppiche nach unseren Vorstellungen.
Ja, die Wortbegeisterten sind mit den Worten der Sprache im Dialog. Sie schöpfen aus ihnen Energie und bereichern ihre Texte, Reden und Gespräche damit.
Viele Worte gleichen zugeschnürten Paketen, deren Inhalt freigesetzt wird, wenn wir sprechen und schreiben.
Vernetzt man bestimmte Worte, schaffen sich Stimmungen, die über die Worte hinaus wirken.
8. Juli 2008
Ich weiß nicht, ist ein Autor nur gut, wenn er wenig Worte benutzt?
Das wäre ja, als würde man die Maler ihrer Farben berauben und sie anhalten nur noch minimalistisch zu zeichnen, um gut zu sein.
Ich bin für Vielfalt.
denn ich mag prachtvolle Gemälde ebensogern, wie minimalistisch angedeutetes oder abstraktes. Kommt darauf an, wie mich etwas anspricht.
In der Sprache kann man ebenso schwimmen, wie in den Farben und den unterschiedlichen Malstilen.
So wie ich opulente Romane manchmal gerne lese, gefällt mir aber auch das Haiku in seiner Schlichtheit.
Ich würde sagen, ein Autor ist brilant, wenn er es schafft, mit wenig Worten z.B. eine Stimmung zu beschreiben.
1. August 2008
Vielleicht habe ich auch begonnen zu schreiben, um nicht an all den Worten und Sätzen, die andere mir sagten, flüsterten, mir zu zischelten - immer mit diesem so sonderbar eindringlichen Blick in den Augen, der keinen Widerspruch duldete, die man mir einbleuen wollte - und die ich aufnahm, hörte und in mir versenkte - zu ersticken, und sie auszuspucken, ja ihnen vor die Füße zu kotzen - es hinaus zu würgen - bis jene zum Vorschein kommen, die meine sind und nach eigenem Ausdruck verlangen.
Es hat sich vieles angesammelt, aber der Überdruss lässt nach. Die Spannung weicht.
7. August 2008
„Der Künstler kämpft gegen die Stummheit und Unbeschreibbarkeit dieses Augenblicks. An dieser Grenze schafft er sein Werk.“
Dieser Satz gefällt mir besonders gut, denn darum geht es:
den Dingen Worte zu verleihen, die unbeschreibbar scheinen und die einerseits flüchtig scheinen, andererseits aber manchmal so wortlos nachwirken.
Kann man den Bruchteil einer Sekunde beschreiben? Ja man kann - wenn er Worte erhält - ihn vor dem Vergessen bewahren.
Schreiben ist zeitliche Kartographie. Ich beschreibe ein weißes Blatt mit zunehmender Dichte. Es ist meine eigene Landkarte, die ich präzise zu gestalten versuche.
Sie enthält nicht nur diesen einen Moment, sondern diesen einen Moment zwischen vielen anderen Augenblicken meiner Geschichte.
Alles was wir je wahrnehmen, fühlen und erleben ist in uns gespeichert. Das Erinnern ist mitunter schwer, also geht es auch um Spurensuche in uns hinein, bei den Wurzeln und der Geschichte, die weit über uns hinaus geht. Denn der Mensch ist nur das Glied einer langen Kette, die zusammenhängt und deren Dimensionen er niemals ganz erfassen wird.
Man könnte sagen, Schreiben ist Archäologie in eigener Sache und ein Puzzleteil individueller Geschichte das zu all den anderen Puzzleteilen individueller Geschichten anderer Menschen dazugehört. Alles zusammen ergibt ein großes Bild: das Bild einer Zeit, einer Kultur, einer Epoche.
10. August 2008
Was wären die Texte wert, wenn sie nicht aus Schichten bestehen würden: das Sicht und-Lesbare, das SchwarzaufWeiße und das was zwischen den Zeilen steht, zwischen den Worten mitschwingt und dem was noch geheim und nicht enträtselt ist.
Es macht ja die Kreativität erst vollständig, wenn sie alle Ebenen - das Sichtbare, das Unsichtbare und die Träume - miteinander in Kontakt bringt, und gerade auch dann, wenn dieser Prozess sich im Lesenden auf individuelle Weise wiederholt.
Ganz banal, ich weiß, warum ich keine Heftchenromane lese: da weiß man schon auf der ersten Seite, wie die letzte klingen wird. Für mich ist das reine Zeitverschwendung. Das gleiche gilt auch für manche Erzeugnisse der trivialen Literatur.
11. August 2008
Sicherlich ist Sprache nur die Essenz von dem was wir ausmachen; die Spitze des Eisbergs, deren unterirdisches Ausmaß nicht auszuloten ist.
Folgt man diesem Bild konsequent, wird vieles verständlich.
14. August 2008
Ich denke darüber nach, ob ich eine Künstlerin bin. Oder werde ich es dadurch, dass ich mich selbst als Künstlerin bezeichne und mit entsprechendem Selbstverständnis auftrete?
Ich werde aber ganz klein, wenn ich mich selbst als Künstlerin bezeichne. Etwas in mir schreit dann ganz laut: "Du bist anmassend." Ganz schnell bin ich, wenn ich dieser Stimme folge, an einem Punkt, wo ich mir wertlos vorkomme.
Das aber hat Folgen in meinem Handeln:
wenn ich mich nicht traue, mir zuzugestehen, dass ich Künstlerin bin, welchen Wert gebe ich dann den Texten, die ich zu Papier bringe?
Wie kann ich mit diesem mangelndem Selbstbewusstsein glauben, meine Texte zu publizieren?
Wenn ich selbst nicht daran glaube, dass es Kunst ist, was ich schreibe, was ist es dann?
Wird man als Künstler geboren oder entwickelt sich künstlerisches Selbstverständnis und Selbstbewusstsein erst in einem langen Prozess?
In mir findet zur Zeit ein heftiger Kampf darüber statt, was ich denn nun eigentlich zu bieten habe, und was ich wert bin. Gerade heute sind die Stimmen wieder sehr laut.
Was ich spüre:
einen zunehmenden Widerwillen, mich dem Begriff "HobbyautorIn" unterzuordnen. Dieser Widerwille schlägt mir auf den Magen.
18. August 2008
Vielleicht bin ich auf dem Holzweg und muss schreibend ganz andere Wege beschreiten.
Ich habe noch viel zu lernen und keine Zeit zu verlieren.
20. August 2008
Die Zeit ist reif. Eine blaue Tür öffnet sich. Ich entlasse meine Worte in einen lichten Raum.
Das Schichten ist wichtig und das Fließen auch, wenn die Zeit reif ist.
23.August 2008
FAZIT
Da kann man mal sehen, was geschieht, wenn man sich einfach vom Schreibprozess leiten lässt:
über die Freude an Worten und dem Ausdruck von Fröhlichkeit entwickelt sich plötzlich eine kleine Geschichte. Und wieder habe ich - imaginierend und fantasierend - ein Stück des kleinen Mädchens wieder gefunden, das ich einmal war. Jetzt ist er festgehalten und kann nicht mehr entwischen.
Wenn man gräbt, wird man je den Grund erreichen? Ich glaube nicht, denn unsere individuelle Geschichte geht über unser begrenztes Leben hinaus. Unsere Wurzeln reichen weit in die Vergangenheit und die Urgeschichte der Menschen hinein. Und vor uns waren andere Lebewesen, und noch viel früher, bevor wir uns verdichteten und eine Gestalt annahmen, waren wir kleinste Energieteilchen. Wo sollen wir da je Grund finden bei den Grabungsarbeiten?
Aber Schicht um Schicht erzählt uns neues über uns und über das, wo wir her kommen.
Und schon - logischer Weise - sind wir wieder bei der liegenden Acht, die ein Zeichen für das Ewige und die Unendlichkeit ist.
1. September 2008
Vom Ein-und Auspacken
Wenn die ersten Worte sich zu Sätzen gefunden haben, um ein Texthaus zu bilden, dann gibt es viele Fenster und mindestens zwei Türen, aus deren Blickwinkel heraus man hineinschauen kann. Und manchmal kommt man aus einer anderen Richtung, findet einen völlig ungewohnten Ausblick auf der Rückseite, den man bisher nicht beachtet hat, und doch weiß man genau, ich kenne diesen Winkel, den habe ich doch neulich von oben aus dem Fenster des dritten Stocks heraus gesehen. Und es war nicht Sommer sondern Winter. Und plötzlich entsteht ein völlig neue Idee, die jemand Herrn Neugierig erzählt, der es Frau Sonnenschein berichtet, und die ist Erzieherin in einer Gruppe von fünfzehn Kindern in der Katholischen Kindertageseinrichtung St. Katherina. Denen erzählt sie von diesem wunderbaren Haus und macht gleich in der nächsten Woche einen Ausflug mit den Kindern zum von Fräulein Naseweiß erdachten Haus, und die Kinder schauen in alle Ritzen. Sie entdecken die ganz kleinen Dinge, an denen die Erwachsenen immer achtlos vorbei gegangen sind. Und sie sehen Wesen, die aus dem Zwergenland ausgewandert sind, um gerade unter dem Keller dieses Hauses nach verborgenen Schätzen zu graben. Und sie finden im Garten lange Regenwürmer, die bunte Brillen tragen und Schneckenhäuser, in denen kleine Elfchen wohnen. Und die Kinder sind begeistert und finden viele Märchenworte für all das, was sie gesehen und erlebt haben, und natürlich erzählen sie es den großen Menschen.
Und alle schauen sich an, wundern sich und erkennen das Haus nicht wieder, weil es nun gestrichen, tapeziert, neu eingerichtet und bewohnt ist.
Und da geht die kleine Nadine, gerade fünf Jahre alt zu ihrem Papa, der gerade nebenan Sonnenblumen auf den Gartenzaun malt und fragt: "Papa, können wir nicht auch ein Haus aus Geschichten bauen?"
und der wundert sich und holt am Abend seine Frau von der Arbeit im Krankenhaus ab, und fragt: "Sag mal, woher hat das Kind diese komischen Ideen?" Und Nadines Mama lächelt. Sie hakt sich bei ihrem Mann unter und sagt:
"Komm, wir bauen dieses Haus, und du wirst staunen, was dir alles einfallen wird, wenn du einmal angefangen hast, eine Geschichte zu entwickeln."
4. September 2008
Transfair
Vielleicht ist ja die Fülle in uns weitaus gigantischer, als das was wir im Alltag daraus machen! Spartanische Wege; eingeschränkte Möglichkeiten, Grenzen, Stoppschilder, rote Ampeln, Sackgassen. Und vielleicht ist ein Künstler derjenige, der sich dieser krassen Diskrepanz bewusst ist, und dennoch nach Wegen sucht, zu übersetzen oder zu überbrücken. Innere und äußere Wahrheit ist nicht unbedingt deckungsgleich.
13. September 2008
Zeitgeist
Manche Gedanken und Ideen liegen wie ein unsichtbarer Faden, der einen ab und zu streichelt, in der Luft. Wer ihn angelt, der hat den Zeitgeist eingefangen.
Manche Bücher werden bekannt, berühmt und in viele Sprachen übersetzt, weil es dem Autor/ der Autorin gelungen ist, den Zeitgeist sichtbar zu machen, das heißt, ihm Farbe, Form und Gestalt zu geben, denn das muss man ja auch noch tun: einfangen, in Worte kleiden, sichtbar machen.
Was aber ist der Zeitgeist?
Das vernetzte Unbewusste wohl, das sich aus den vielen gedachten und angedeuteten Gedanken, Gefühlen und Erfahrungen von unzähligen unterschiedlichen Menschen zusammensetzt.
15. September 2008
Ich bin innerlich davon überzeugt, dass moderne Menschen in der "zivilisierten Welt" selten völlig im Einklang mit dem Leben sind, eher ist es so, dass Leben geprägt ist von der Suche nach dem Einklang mit..... Schreibende, Autoren, Dichter nehmen, denke ich mir, vieles bewusster wahr, versuchen es in Worten auszudrücken, was für viele andere eher unbewusst abläuft.
Sind Schreibende also auch Brückenbauer zwischen unbewusst und bewusst?
Wenn man etwas in Worte kleidet, ihm einen Namen gibt, nimmt es Form, Farbe und Gestalt an, wird etwas, das man greifen kann, etwas mit dem man bewusst umgehen kann, etwas das man verändern kann.
17. September 2008
Ich schreibe, weil ich eine fast meditative Lust dabei verspüre
weil ich Freude daran habe, meine Sprache zu differenzieren
weil ich mich selbst über den Schreibprozess reflektierte
weil ich Räume in mir betrete und gestalte, deren Türen bisher verschlossen waren
und
weil es ein Weg ist, aus sich selbst heraus zu wachsen
und
eine Brücke zu bauen zwischen unbewusst und bewusst, denn was mir bewusst wird, kann ich nach außen durch die Worte sichtbar machen und manchmal für andere einen Aha-Effekt auslösen.
Nein, ich schreibe nicht in erster Linie für andere, sondern ersteinmal für mich und wenn, was ich schreibe, bei Lesenden etwas anstößt, dann ist das eine zusätzliche Bereicherung, ein Geschenk.
Vision wäre es, irgendwann in den nächsten Jahren wirklich ein Buch auf den Markt zu bringen - aber ohne mich selbst zu verbiegen
P.S.
Ich finde, eigene Texte sind wie leibliche Kinder. Wir bringen sie zur Welt, versuchen ihnen zu geben was sie brauchen und entlassen sie irgendwann in die Welt. Dort leben sie ihr eigenes Leben und bleiben uns dennoch verbunden.
29. September 2008
Selbstkritik ist bis zu einem bestimmten Grenze sinnvoll, darüber hinaus zerstört sie nicht nur das Kritische sondern auch alles Wertvolle und Positive. Man sollte besser keine Strohfeuer in sich selbst entzünden, denn die Funken können bei schlechten Witterungsbedingungen einen verhehrenden Flächenbrand auslösen. Bleibt zu hoffen, dass da jemand ist, der im richtigen Moment den Feuerlöscher zur Hand hat und löscht, damit nicht alle energetischen Zeilen den Flammen zum Opfer fallen.
Und überhaupt:
Alles, aber auch alles im Leben und um das Leben herum hat zumindest zwei Seiten.
30. September 2008
Autoren, Dichter, Literaten, Künstler im weitesten Sinne fahren selten auf ausgelutschten Wegen. Sie benutzen oft die unbekannten und gewagten Wege. Das ist schwieriger, als der Herde oder den eingefahrenen Mustern zu folgen, und man bekommt dafür selten Ruhm.
Und mit der Seele ist es ebenso: sie geht auf vielen Wegen und sucht das Licht, und sie windet sich auch aus Sackgassen heraus, wenn Geist und Körper ihr behilflich sind. Es ist nicht leicht, kostet Mühe. Ein sanftes Ende hat man sich dann verdient.
17, Januar 2009
Wenn ich träume oder schreibe und mich dabei intuitiv leiten lasse, verlasse ich dir reale sichtbare Welt. Es ist, als würde mich ein Seil hinablassen in etwas, was man von außen nicht sehen kann. Ich tauche ab, wie in eine Unterwasserwelt und sammle Blicke , Bilder, Einsichten aus einer unbekannten Welt, von der aus natürlich auch der Blick in die reale Welt ein anderer ist, als der, den ich einnehme, wenn ich die normal sicht-und fassbaren Strassen und Wege begehe. Da verschieben sich nicht nur die Dimensionen, sondern auch Verhältnisse.
Wenn ich Unsichtbares sichtbar mache, sei es nun mit Worten oder Bildern, dann reicher ich die Realität an.
5. Februar 2009
Sind "Dichter" und "Dichterinnen" und andere Künstler also so dünnhäutig, dass ihnen gar nichts anderes übrig bleibt, als mit all dem was in der Luft und zwischen den Menschen und Dingen schwingt, mitzuschwingen?
Dann ist es ja kein Wunder, dass sie sich oft nach Eden, auf die Rückseite des Mondes, auf eine einsame Insel mitten im Ozean oder in ein Schneckenhaus aus Perlmutt zurückzuziehen wünschen.
Nur wo es still ist, kann man sich für eine Weile entziehen.
26. Februar 2009
Ich glaube, ich schreibe manchmal aus einem inneren Bedürfnis nach Verbindung heraus, so als seien meine Texte Brücken, über die man sich vernetzen kann. Und so ist es ja auch oft, denn wer meine Texte liest oder gar kommentiert, nimmt ein Angebot an. Zwar schreibe ich selten autobiographisch, aber was ich erlebte und erlebe in meinem Leben, schwingt verändert und verdichtet in jeder Zeile mit. Das kann ich gar nicht verhindern.
Und schreibend schaffe ich so ein Gleichgewicht, das mir in meinem Leben gut bekommt.
Texte: Alle Texte sind Schreibeigentum von Angelika Röhrig
Cover: Nest WG von Margrit; www.pixelio.de
Tag der Veröffentlichung: 22.03.2009
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Allen Schreibfreunden und - gefährten gewidmet, die meinen Weg kreuzten, streiften und begleiten