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Inhalt

6 Unter den Kreidefelsen
26 Himmelblau und golddurchwirkt
32 Farbwechsel
47 Wie Zuckerwerk
56 Ein schöner Faltenwurf


Unter dem Kreidefelsen




Der Wind hat etwas nach gelassen und die Wellen aufgepeitscht zurück gelassen. Mit brachialischer Gewalt schleudern sie ihre schaumbekränzten Wassermassen ins Geröll.





Die Gischt sieht aus wie fester Zuckerguss. Es singt zwischen den bunten Steinen ein klirrendes, knisterndes Lied mit Tönen, wie aus Glas, die davon rollen und ihr Echo hinter sich herschleppen, wenn bereits die nächste Welle die Steine gegeneinander wirbelt. An den sandigen Stellen des Strandes schlagen sich Wellen wie zarte Stoffe übereinander, und die Steine strahlen wie Diamanten. Muschelgespinste finden sich am Rande des Gerölls.





Möwen im Sturzflug nutzen die Gunst der Stunde, die ihnen reiche Beute beschert. Das Meer ist heute ein großzügiger Gastgeber. Die Schreie der Vögel mischen sich mit dem Lied der Steine und dem Wind, der über die Klippen fegt und die Baumzweige in Schwingung versetzt.
Welche Kraft Wasser und Wind besitzen, wenn sie stürmisch gesonnen sind, zeigt sich an den riesigen umgekippten Baumstämmen, die mit ihren Wurzeln in den Himmel ragen und sich im Strand abstützen, als wollten sie die Klippen halten.



Ich komme mir klein vor neben diesen mächtigen Kalkfelsen mit ihren Rissen, den Ausbuchtungen und den steinzeitlichen Farbsegmenten, die rostrot und lehmgelb horizontale Streifen im Kalk hinterließen - ich denke an die Steinzeithöhlen mit ihren wunderbaren Malereien und ihre Farben aus Eisen, Lehm und Kohle - auch ein wenig ängstlich: was wenn die Kreide ins Rutschen gerät gerade in diesem Moment?



Mein Blick fällt auf einen halb abgestürzten Garten:



Um die Wurzeln der Pflanzen schlingen sich Algen und inmitten des Gewirrs hängen kleinere und größere Steine, wie die Hühnergötter, die manche Inselbewohner an langen Fäden wie einen Vorhang vor ihre Häuser hängen- auch Blüten, die den Sturz überlebten und unverdrossen weiter wachsen.





Ich wende meine Schritte und eile dem bunten Treiben im Hafen entgegen.

















Himmelblau und golddurchwirkt


Wen sahest du hinter den Wolken, während die Bäume dir ein Lied sangen?

Es war der Wind. Er trug die Form eines pausbäckigen Engels, der auf der Stirn die tiefen Furchen der unablässig Denkenden trug. Du spürtest nur seinen unendlich sanften Flügelschlag, als warte er ab. Nichts brauste, denn der Tag war himmelblau und golddurchwirkt, und im Wasser spielten die Möwen. Die Wellen mit ihren Meerschaumspitzen wogten neugierig in den Sand.



Fast konnte man meinen, dass sie sich im Takt mit dem Lied der Bäume bewegten - wie die weißen Wolken, die dem Horizont zu strebten, sich zu Rauch verflüchtigten und in den Himmeln verloren.




Farbwechsel





Es waren viele Stufen - breit, verziert, flach - gewendelt hinauf in den Turm, ein Schneckenhausturm, von unten hinauf geschaut, eine Spirale ins Unendliche. Zwischendurch Flure mit runden Nischen an den Ecken. Es war zauberhaft, denn hinter den hohen Fenstern wirbelten Schneeflocken. Wo ich stand, fühlte ich mich fern von allem und erhaben über alltägliches Gedankengut.





Auch ein wenig einsam, nicht jetzt im Augenblick, den ich nicht teilen wollte, sondern in der Vorstellung, wie es sei, hier zu leben.
Eben noch war der Himmel blau gewesen und eine kühle Sonne warf ihr Licht auf das rosa Schloss mit den vier Ecktürmen - ließ es erstrahlen.





Jenseits des Platzes wurde der Wald weiß wie die Buschwindröschen, die sich heute hier und da aus der Erde heraus getraut hatten. Hohe Baumstämme verschwammen im Nebel, wirkten wie schmale tragende Säulen des Himmels, denn die Zweige sah man nicht. Unterwegs im Schloss fand ich Bilder von Künstlern der Romantik, las Texte und Biographisches.





Auf dem Heimweg wieder aufklarender Himmel in blauer Streifenpracht mit weißen Wolkenschiffen, die dem Horizont entgegen strebten und sich während ihrer Reise auflösten, dazu das Gold der sinkenden Sonne, die sich in den trockenen Gräsern fing und im Wasser spiegelte.



Alleenbäume schnitten Gesichter, schienen miteinander zu sprechen, sich im Tanz zu berühren, sich mit unzähligen filigranen Ausstülpungen ineinander zu verflechten.
Ich wünsche mir einen Aquarellkasten herbei, der all diese Blaus; die Jade-und Grautöne; das Silber und dieses besonders matte warme Gold enthält.



Ich will eine geometrische Landschaft aus Blau und Grün malen, in die tropfenförmige Goldpunkte fallen. Den Rand will ich mit Winterbaumspitze einfassen.
Eine ganze Symphonie aus Klängen steckt in dieser Farbkomposition.





Und dann - viel viel später - werde ich den Bäumen die Worte entlocken. Noch säuselt es nur, aber ich werde meine Ohren spitzen.





Wie Zuckerwerk


Was tut ein weißes Reh in einem braunen Rudel, mitten im Schnee in dem Schlosspark einer weißen Stadt, deren Schloss nicht mehr steht, die leer wirkt und unbewohnt? Wie ein Museum, dass man betreten kann und dessen Schönheit einem fast den Atem verschlägt? Diese Harmonie der Architektur - fast - ein Hauch zu schön! Selbst die riesige astronomische Uhr im Garten des Uhrenmuseums steht still. Ihre Figuren mit den Engelflügeln hinter gläsernen Wänden erstarrten in der Bewegung. Nur die alten Bäume in ihrer Vielfalt scheinen ungebrochen zu leben.





Was tut eine Nebelkrähe zwischen den Möwen an einem Sandstrand, an dem bilderbuchblaue Wellen mit lichtweißen Schaumkronen den Sand überspülen und abgerissene Muschelstränge - ein Meer aus perlweiß - zurück lassen, während am babyblauen Himmel weiße Schäfchenwolken ihre Segel blähen und an der Strandpromenade weiße Häuser mit hölzernem Zuckerwerk an Balkonen, Fenstern und Giebeln von oben zuschauen, als sei das Meer der Lieblingsspielplatz, auf dem sich das Leben im Kleinen lebt, und scheinbar heiter darüber wachen, dass der Kreislauf von Leben und Vergehen nicht unterbrochen wird.





Zwillinge in bunten Plastiklatzhosen und gelben Gummistiefeln, die gerade eine Sandburg gebaut und mit Vater Kanäle angelegt haben, wehren sich mit Händen und Füßen, weil es nach Hause geht, während ein fröhlicher Wolfspitz mit intelligenten Augen - am liebsten hätte ich ihn geklaut - aufgeweckt zum Frauchen rennt, und sich anleinen lässt.
Ein Junge bekommt nasse Füße, doch er merkt es nicht.





Fast wäre am Abend die Sonne als roter Ball im Meer versunken, aber ein paar Wolken verzerrten die perfekte Sicht.
Und die Nebelkrähe verriet sich nur durch ihr KrahKrah. Die Möwen allerdings ignorieren sie. Sie suchen weiter nach bewohnten Muscheln und der Rabenvogel kopierte ihr Verhalten exakt.














Ein schöner Faltenwurf


Vor mir auf der Verkaufstheke liegen Stoffbahnen. Sie changieren in allen Farben des Meeres und schimmern wie chinesische Seide. Ich möchte das Tuch mit meinen Händen berühren und mein Gesicht darin verbergen, seine Glätte auf meiner Haut spüren. Ein Duft hängt darin, der mich an wohltuende Pflanzen erinnert, die bizarr im Wind schaukeln. Ich schließe die Augen und drapiere das Tuch in Gedanken um eine weibliche Figur. Wie der Stoff fällt und sein Faltenwurf sich bauscht, sehe mich schließlich selbst in diesem Gewand um mich herum drehen. Wie ein Karussell schwingt das ungemein leichte Gebilde, gibt jeder Bewegung einen zusätzlichen Kick. Ein Kleid zum Verlieben, gemacht für warme Sommernächte unter südlichen Himmeln. Ich werde Silber und Perlmutt dazu kombinieren und die langen dunklen Haare offen und ungebändigt tragen.
Ich höre Musik, die zum Tanzen einlädt und sehe kleine bunte Lichter unter dem Abendhimmel in den Bäumen leuchten.




Impressum

Texte: Texte: Angelika Rörig Fotos: Angelika Röhrig und JanWal Hintergrund: Blau von mondstein (www.pixelio.de)
Tag der Veröffentlichung: 01.03.2009

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