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SEPTEMBER







Herbsthimmel




so blau und weit und gläsern
plötzlich fliegen sie auf
Stare in Scharen
über die ungemähten Wiesen
hinter dem abgeernteten Stoppelfeld

inmitten einer diffusen Wolke
aus Schwirren und Flügelrauschen
klingt das Echo des Sommers
das Herz nimmt Abschied
leise


wendezeiten




die Äpfel fallen schon
zu früh, noch längst nicht reif
vom Wind verweht sind alle Dinge
und Blätter, die du schriebst
wo sind sie jetzt?
verblasst an Sonnentagen!
die Zeit, sie rennt
und nimmt dich mit
so bleibt vom Sommer nur ein Duft
nach Äpfeln und nach Rosen
wenn Tage kürzer werden
und du an mir vorüber gingst




und wieder...



und wieder steigen nebel
über aschehalden
die mit trauerrändern
glut bedecken
die noch innen schwelt

wieder steigen nebel
über blättergrün
dass wie alte liebesschwüre
zu staub verweht
in ersten kühlen stürmen

wieder steigen nebel
über stadtruinen
die unter lautem klagen
tief getroffen
wieder erde werden

wieder steigen nebel
über herzenswünsche
die gepackt in wattekissen
für sich allein
vom frühling träumen

wieder steigen nebel
über neonrot
das im schrillen werben
schmerzenden sirenen gleicht
die endlich leiser flüstern

und wieder steigen nebel
über herbstzeitlose
die unter hohen bäumen
verlässlich boten bleiben
in atemloser zeit




wenn der wind erzählt




und meine hand warm in der deinen liegt
öffnen sich zeitfenster ins blau
ich werde zum kind – vertrauensvoll
kummer versinkt im see
staunend lausche ich raunenden stimmen
spüre geborgenheit
halt mich einfach fest
damit der wind mich nicht mitnimmt
aufbrausend
und ich verwehe
wie ein trockenes blatt


wandlungen




über verlassene gräber
streut der wind
blütenmeere
fern von der stadt
am see
schwanengesang
November

zwischen flirrenden gräsern
im licht


wie ein blatt




ich bin federleicht
nur noch flausige daunen
flusen mein angesicht

unter durchsichtiger haut
zerbrechliche strukturen

in sterbenden tagen
liegt verwandlung
und melancholische poesie



der wind, der wind, das herbstliche kind




herbstkind du sprichst mit den staren
bist wild und scheu wie ein fuchs.
vogelscheuchen kleidest du in lumpen vom letzten sommer ein
im langen braunhaar hagebutten und wilder wein
so schwebst du auf nebelbänken über raschelndes laub
zwei saatkrähen sitzen auf deinen schultern
was sie wohl erzählen mit ihrem krah-krah
du lauscht, lächelst, fängst blätter auf mit offenen armen
sammelst in große manteltaschen
das gelb und grün; das rot und braun
zu eingetrockneten kastanien und eicheln
jeder fallende blattstern entlockt ein ah und ein oh
hurtig hebst du den rock und bückst dich
als gelte es einen schatz zu bewahren
klare graue augen glänzen
sprechen vom ersten frost und vom vereisten see



OKTOBER







ein baum verliert laub
haltlos schweben die blätter
gelöst
herz um herz


Ich zieh heut rote Kleider an
und Stiefelchen mit Fell bestückt
auf meinem Kopf der Hut
trägt eine rote Feder
fesch wippt sie mit
bei jedem Schritt
und grüßt den Fuchs
der sich im Stoppelfeld versteckt

Der Sturm hat mir ein Lied gesungen
und draußen zwischen rotem Laub
verliert der Ahorn sein Gewand
Ich tanz mit dir
und mit dem Wind
der meine langen Haare zaust
durch Nebel hin zum Sonnenlicht

Der Tag wird uns zum Fest
wenn zwischen Tee und Kandis
Kerzen brennen bunt
und letzte Rosen duften
der Herbst
lässt Zeit zum Atemholen
und für die Liebe
Raum und Zeit


am aachener weiher




graue wolken fallen tief
versinken still im weiher

schwanenstart zum flug
jogger spiegeln sich rot - kurz
noch sind bäume grün

inmitten der sonntagsruhe
drängeln sich karpfen im nass






wie gelb dein blatt mir lacht
im fahlen grün des späten tages
du leuchtest herbst ins nebelgrau
dein herber duft
mischt sich mit hagebuttensüß
in meinem kopf
zu herbstvergnügten mußestunden





wenn alles verschwimmt
und licht dem körper schmeichelt
verliert zeit gewicht

der späte morgen legt gold
in die herbstbunten tage


*********


oktobersonne
spielt mit dem apfelbaumlaub
die amsel wippt - schau




längst vorbei




die zeit der rosen.
nur dornen blieben
neben hagebutten
und erinnerung
an lichtes grün
und zarten duft

ich werde beginnen
die früchte zu lieben
und ernten





Blättertanz




verzückt mit blättern tanzen
wirbelnd
und rascheln unter den füßen
hagebutten im haar
geschenkte freude
herbstlich


in zweigen tropfen
tauperlen glitzergolden
sonnenpunkte hell

federleicht, bunt
ein blick zurück
am waldrand du

jenseits vom wasser
zwischen wolkengebirgen
ein fetzen seeblau


wenn regengrau
zur nacht sich dichtet
dann wachsen zwischen zeilen
die traumbegrünten wunderbäume
sie treiben äste - zweige
und in den blättern
klingt ein vers


Es naht der Abendhimmel still
Die Sonne winkt mit letzten Strahlen
Den roten, reifen Trauben zu

Die fast entlaubten Bäume schenken Gold
Es rascheln Blätter unter meinen Füßen
Und schmeicheln warm auf dunklen Pfaden

Ein reger Geist ist morgenwach
Und seine Augen glänzen voller Leben
Sind gütig, sanft und weise

Das Herz mag tags nicht trauern
Und meine Seele sehnt nach deiner sich
Ist ungenährt noch längst nicht satt

Es sollen Uhren langsam gehen
Um dich zu lieben, diese späte Blüte
Die unfassbar aus tiefen Quellen schöpft

Und wenn du gehst:
Dann trägt mein Herz dich tief
Es fliegt auf sanften Daunenschwingen
Und bettet dich in Rosengärten

Und wenn ich geh:
Dann folgt mein altersmüder Geist
Dem Sommerduft der Blütengärten
Du winkst und wartest schon am Tor



Gesammelte Federn




Lass die Worte auffliegen
wie hurtige Vögel
die zwitschernd und schilpend
den Schlehenbusch belagern
weil blaue Früchte locken
Ich fange sie auf
wie daunenleichte Federn
sammle sie ein
und winde mit meinen sie
zum archaischen Federschmuck
der in Büchern geschrieben
und als Geschenk dir überreicht
dich erfreuen soll


NOVEMBER







es knistert in meiner hand
gelb und rot zerbröselt
zwischen den fingern

eine trockene kastanie
die ich noch fand im moos
schmeichelt der hand


samhain




ich schau hinaus
in diese nacht
nur eine kerze leuchtet
hinterm fensterkreuz

es öffnet sich das tor
wer wird es betreten
und still durchschreiten
damit ein neuer kreis sich schließt
herb ist die luft
sie atmet abschied

ich ahne kühle hände
und spür den flügelschlag der zeit
die rinnt
und rinnt und rinnt...


fischgedanken




der mond trägt heut ein zärtliches gesicht
und seine sichel wiegt sich still
im blassen blau der cafe´stunde
novemberröte ziert die bäume
die kahl beschnitten
schwarze wurzelfinger
in den himmel strecken
es ist noch hell und laut
am fluss der stadt
indem ich lautlos schwimme


ein Novembertag




milde Wärme
begleitet
den blassblauen Tag

gedämpftes Licht
spielt mit herbstlichen Blättern
schmeichelt golden

im lauen Wind
gleiten Novembersterne
träumend leicht

dein Laub webt
einen Zauberteppich
knisternd und raschelnd

Novembertag
geborgen
hält Stille Einzug in mir


Herbstnuancen




zweiglein, zwieselchen
zwischen kletten verfilzt
zauselt der wind den moosgrünen filz
es zwitschern streunende vögel
mit zerrupften federn
plinkern mit schwarzen flinkaugen

schau, wie sie sich plustern!
und zanken um letzte hagebutten
husch husch - nichts wie weg
wenn saatkrähen nahen
im schwarzen frack
und diebische Elstern


regentrubel




in die pfütze fallen tropfen
es plitschen und kreisen
winzige regenzwerge
sie hüpfen und springen
fröhlich voll übermut
mitten hinein ins graue nass

achtung, rote schritte am rand
gummistiefelrot


November-Regenlied




durch Regenpfützen huschen Schatten
Baumspitzen tummeln sich auf dem Asphalt
kokett
bizarr und filigran
sie wiegen, winden schaukeln sich
im Grau der kühlen Winterfürsten
und später dann
tropft es noch immer
aus übervollen Himmelsschleusen:
da lichtern bunte Geister
drei Rot, ein Blau, zwei Grün, fünf Gelb
im Regentanz den Abend ein
noch toben die Geräuschkulissen
in Straßen
zwischen Häuserfronten
wo in den Fenstern schon die Lampen
entzündet warme Farben malen
und hinter den Gardinen
nur ab und zu
ein Schatten winkt


was am ende bleibt:
ein gelbes blatt in der hand
vom winde verweht

aber in kahlen zweigen
träumen schon blüten versteckt


*****


Nächte legen Schatten in den Tag
langsam breiten sie sich aus
nehmen Raum
ich werde Kerzen entzünden
und mit dir zu den Sternen schauen
mein Blick ist hell licht und klar
ein Versprechen darin
wie ein sonniger Wintertag
dem bald der Frühling folgt





es rinnt und fließt uns stets die zeit
wie wasser durch die finger
sie bleibt nicht stehn und nimmt uns mit
durch alle lebenszeiten


Lichter in der Nacht




es schweben Lichter
übers stille Wasser
und leiten Seelen sanft
in ferne Weiten
kein Sturm
wird Flammen löschen
nur der Wind
lässt Dochte zittern

und wär ich selbst
in dieser Nacht das Licht
für einen Augenblick
bewegter Stimmigkeit
würd ich mich gern
verzehren


DEZEMBER







Bizarr




es dunkelte die Winternacht den Mond so hell
auch webt sein Schein durch Wolkenwirren
Silberglanz in frisch gefallenen Schnee
Sterne groß vom Himmel fallen
ein mattes Leuchten spiegelt sich im Fluss
versunken
als sei die Nacht ein Traum
fern jeder Wirklichkeit
und Du und Ich
ein Staubkorn jenseits aller Zeit


Nichts bleibt, wie es war




Es bleibt nicht viel zu sagen in diesen Tagen
nur das Blatt
schon rot zwischen all dem vergilbten Grün
berührt mein Herz für einen Augenblick mit Wehmut
Jahre kommen, Jahre gehen
Und du, mein heimlicher Geliebter
Gefährte meiner Seele
zählst keine grauen Haare mehr
die vom Winter erzählen
und vom Vergehen
äußere Dinge entfernen sich
mit Lichtgeschwindigkeit
und in die Himmel wachsen innere Räume
Siehst du die Hagebutten noch
mit meinen Augen?


für marianne und ihr bilderblau




ein haus
gebaut aus abendhimmelblau
gedeckt mit spiegelschindeln
hoch oben in
verschneiten bergen

ein stummer fisch
im glitzereis
bewegt sich kaum
im fluss der zeit
und dunkle schatten
lauern
fledermäusen gleich
vom wind bewegt
ganz nah am stelzenhaus

und in der erde
unterm eis
ein erster grüner keim


wenn das jahr sich neigt



ein wort noch, mein freund
bevor du gehst und die zeit
dich verblassen lässt

etwas bleibt zurück in mir
ein hauch von melancholie





Der Tod trägt Rot




es liegen deine Lippen rot
so stumm in meinem Weizenfeld
das abgeerntet unter Schnee
dem Winter trotzen wollte
Krähen meißeln Spuren
in das unberührte Weiß
als sei´s ein Blatt Papier
und ihre Krallen Federn
die Zeichen malen
die ich nicht verstehe
wie war der Sommer grün
und bunt
in jener Zeit

wo gestern noch
der Wind die Ähren wellte
liegt heute Sterben
stumm
wie deine Lippen rot


Inhaltsverzeichnis

SEPTEMBER



5 Herbsthimmel
6 Wendezeiten
7 Und wieder…
10 wenn der wind erzählt
11 wandlungen
12 wie ein blatt
13 der wind, der wind, das himmlische kind

OKTOBER



15 in baum verliert laub
16 ich zieh heut rote kleider an
17 am aachener weiher
18 wie gelb mein blatt mir lacht
19 wenn alles verschwimmt
19 oktobersonne
20 längst vorbei
21 Blättertanz
22 In zweigen tropfen
23 Wenn regengrau
24 Es naht der Abendhimmel still
25 Gesammelte Federn

NOVEMBER



27 es knistert in meiner hand
28 samhain
29 Fischgedanken
30 Ein Novembertag
31 Herbstnuancen
32 regentrubel
33 November-Regenlied
34 was am ende bleibt
34 Nächte legen Schatten in den Tag
35 es rinnt und fließt
36 Lichter in der Nacht

DEZEMBER



39 Bizarr
40 Nichts bleibt, wie es war
41 für marianne und ihr bilderblau
42 wenn das jahr sich neigt
43 Der Tod trägt Rot


Impressum

Texte: Text: Angelika Röhrig Foto: JanWal Fotobearbeitung und Design: Angelika Röhrig
Tag der Veröffentlichung: 06.10.2008

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Dieses Buch widme ich den Menschen, die im Herbst geboren sind.

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