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Schritt für Schritt laufe ich, hinauf auf den Hügel, sehe die Landschaft langsam vorbei ziehen. Doch ich spüre nicht wie die Fußsohlen den Boden berühren, bemerke nicht wie Knie und Beine sich bewegen. Ich bin nicht völlig da, nicht präsent, bin abgelenkt, wie in einer anderen Welt, bei den Gedanken und diese sind zwischen Vergangenheit und Zukunft verstreut. Ich denke nach über das schreiben. Finde das es so normal ist wie das atmen, so natürlich wie die Bewegung der Sonne. Weiß nicht warum es mich immer wieder zu ihm zieht, warum es mir eine freudige Tätigkeit ist. Komme zur Erkenntnis, dass es nicht Ich bin der schreibt, wenn ich schreibe. Ich mag derjenige sein, der die Füllfeder bewegt, sodass Tinte auf weißes Papier aufgetragen wird. Und doch weiß ich auch, das nicht ich der Ursprung der Worte bin. Manchmal lese ich meine Texte und treffe auf etwas völlig Neues. Mitunter lerne ich sogar etwas von den Worten, die ich selbst geschrieben habe. Wie ist das möglich? Ich weiß es nicht. Und trotzdem trifft es zu. Bin ich nur ein Kanal? Ein Funkgerät, das ein Signal auffängt und es in wörtliche Rede übersetzt? Dann schweifen meine Gedanken ab. Und neue Gedanken tauchen auf, ganz plötzlich, wie Luftblasen an der Wasseroberfläche. Wenn sie groß sind, größer als die Normalen, dann lassen sie ganze Schiffe verschwinden. Und niemand weiß was geschah. Wer bin Ich, wo liegt die Grenze zwischen mir und dem Rest der Welt? Vielleicht sind gar alle Grenzen nur Schein, und existieren nicht wirklich. So wie die Ländergrenzen, die von uns geschaffen sind und dadurch real wurden, obwohl sie nur in den Köpfen und auf Papier existieren. Vielleicht auch noch in Computern, in Zahlencode übersetzt. Doch wer versucht jene Grenzen ohne Ausweis und ohne Erlaubnis zu übertreten, der verspürt an Leib und Seele wie real diese Grenzen wirklich sind.

Das Leben ist ein Mysterium und seine Essenz entzieht sich dem begrifflichen Denken. Wer es noch nicht erkennt, ist dazu verdammt noch weiter zu analysieren, noch tiefer zu graben, durstig sind jene Menschen, denn sie sind noch nicht bis zum Punkt vorgedrungen an dem sich die Gegensätze aufheben und nur noch das Eine ist. Doch jeder kommt eines Tages dorthin. Eigentlich ist jeder schon dort. Nur bewusst, ist es nicht allen.

Die Gedanken verschwinden erneut, wie der Nebel im Morgengrauen, und Neue tauchen auf. Bleibt mir eine Wahl? Habe ich die Möglichkeit mich zu entscheiden? Ist denn jede Entscheidung nicht längst von der Umwelt determiniert? Zumindest kann das Ich nicht unabhängig sein. Ohne die Umgebung hätte es keine Existenz, und ohne mich gäbe es auch keine Umgebung.

Doch genug der analytischen Worte. Ich habe mein Ziel erreicht. Und das ohne zu bemerken das ich auf den Weg war und gelaufen bin. Ganz plötzlich bin ich dort wohin ich wollte. Und die Gedanken beginnen sich langsam zu legen. Obwohl die Fragen offen bleiben. Doch gerade das Gegenteil der Antwort nährt das Feuer, das tief in der Brust brennt. Die Begierde nach Erkenntnis, nach Frieden, nur die Liebe brennt stärker. Die großen Fragen des Lebens, die unerklärlich und scheinbar unbeantwortbar sind, machen nicht gerade sie das Wunder des Lebens zu dem was es ist? Vielleicht ist auch die Liebe umso süßer, wenn sie unerfüllt bleibt, wenn die Hoffnung noch lodert und des Wunsches Erfüllung noch aussteht. Wenn das Begehren dein Herz schneller schlagen lässt, spürst du dann nicht umso mehr das du lebst, das du menschlich bist, mit Begierden und Gefühlen, Wünschen und Träumen. Manchmal scheint mir das Leiden das daraus resultiert nichts leidvolles zu sein. Dann erscheint mir jenes Leiden vielmehr als das Schöne selbst und als das Leben in seiner pursten Form. Am meisten von allem liebe ich noch immer die Liebe selbst. Auch wenn sie mich leiden lässt, an dunklen Tagen. Doch gerade das liebe ich an ihr.

Nun aber, sind die Gedanken wirklich zur Ruhe gekommen. Ich stehe oben auf dem Schlossberg. Es ist eine laue Sommernacht. Doch keine gewöhnliche. Die Frauen tragen ihre schönsten Sommer Kleider. Ich bemerke es erst jetzt. Eine kühle Brise weht und kühlt die Haut, so angenehm als würden Engel ihre Fächer schwingen. Ich höre das singen der feiernden Menschen, höre das tanzen, die Freude. Und daneben den Lärm der Straßenarbeiter, die nachts arbeiten wenn andere schlafen. Am morgen werden sie wieder verschwunden sein und die Menschen fahren auf neuen Straßen, ohne zu bemerken was sich verändert hat. Erst kürzlich habe ich mich bei einem Straßenkehrer bedankt, dafür das er die Stadt sauber hält. Spontan habe ich mich dem Unbekannten genähert. Und so gerührt habe ich ihn, durch eine lächerlich kleine Geste, dass er so gestrahlt hat, das auch ich strahlen musste. Und schliesslich haben wir dann beide fast die Beherrschung verloren. Hätten beinahe Tränen der Freude vergossen, ohne zu wissen warum. Und das selbe Gefühl habe ich jetzt. An jener Stelle an der sich ganz Graz überblicken lässt. Am Fuß der Burg, deren Mauern von grünen Kletterpflanzen bewachsen ist, stehe ich und blicke runter auf die Lichter von Graz. Und mein Blick reicht bis weit über die Grenzen der Stadt hinaus. Ich sehe die Weite und ein Gefühl wird wach. Ich staune. Wie schön ist es hier! Wie schön ist das Leben! Könnt ich doch nur jene Glückseligkeit in Worte fassen und auch anderen schicken, die sich gerade nach ihr sehnen!

Eines aber, dröhnt noch lauter als alle Geräusch die meine Ohren erreichen, obwohl es kein Laut ist. Die Stille, ich kann sie sehen wie das Licht der Laterne und spüren wie den Wind. Sie lässt mich durchatmen, tief, wie sich sonst nur auf den Bergen durchatmen lässt, wo die Luft noch rein und unberührt ist. Die Laterne leuchtet in einem warmen Rot, wie die Sonne am Abend, bevor sie sich hinter den Bergen versteckt. Sie lässt den Baum strahlen, der gleich vor mir steht. Er wächst direkt vor dem Abgrund und breitet seine Arme bis weit über die Grenze hinaus, so als ob es kein Fallen gäbe. Mutig und stolz sieht er aus und nur der volle Mond der hoch am Himmel steht, erscheint noch mächtiger als er. Es herrscht eine besondere Atmosphäre. Eine Wärme ist spürbar. Nicht auf der Haut, eher im Herzen. Die Wärme wirkt aufs Gemüt. Zwei Menschen sitzen auf der Mauer und trinken Wein. Schmiegen sich immer näher aneinander, umschlingen sich Momente später, oder waren es doch Minuten, gar Stunden? Sie berühren sich zärtlich, nur ganz leicht, wie ein Hauch. Flüchtig sind jene Momente und zart, schon die kleinste hektische Bewegung kann die Magie zerstören und alles platzt wie eine Seifenblase. Und dann ist es als wäre nichts gewesen. Jetzt aber platzt der Traum nicht, wie an anderen Tagen. Das Schicksal meint es gut. Die Vorsehung erfüllt sich. Und wenn ihre Lippen zueinander finden, sieht es aus als ob sie Eins werden, als ob sie immer schon zusammen gehört hätten. Es sieht aus als ob jener Moment schon von Anfang an vorbestimmt wäre. Als ob alles Geschehen nur abgelaufen wäre, damit sich jener Moment realisieren kann. Und ich bin hier. Bin Jetzt. Bin der stumme Zeuge.

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Tag der Veröffentlichung: 24.07.2011

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