Entführt
Endlich, ein Haus auf dem Land. Es war zwar nun doch die Toskana in Italien geworden, aber immerhin hatte das Land stolze 30 Tausend Quadratmeter. Alex und Liam hatten die letzten 3 Jahre hart daraufhin gearbeitet. Ihr Internetstore lief von Anfang an fantastisch.
Ihr Italienisch war zwar noch immer sehr schlecht, aber das würde sich bei den 5 Stunden Unterricht die Woche bald ändern. Erst letztes Wochenende hatte sich Liam zum ersten Mal auf ein Snowboard getraut und war ein paar niedrige Berge heruntergefahren. Schnell hatten sie auch Freunde gefunden. Allerdings nur männliche, was Alex zwar ein wenig schade fand, aber eigentlich war es ihr nur recht. Zu oft hatte sie in der Vergangenheit immer wieder Stress mit alten Freundinnen gehabt. Jungs waren einfach unkomplizierter.
Im Juli Snowboarden. Einfach Wahnsinn, während daheim die Sonne prasselte, war es hier ziemlich kalt und es lag genug Schnee.
Alex’ Geburtstag im August rückte auch näher und Liam wusste ja, was sich sein junges Temperamentbündel wünschte. Auch hatte er inzwischen Vorbereitungen diesbezüglich getroffen. War in der Bürokratie Italiens nicht immer ganz einfach. Seine Freunde beim Snowboarden waren Deutsche mit sehr guten italienischen Sprachkenntnissen und eigentlich kannte er sie auch schon seit 2 Jahren. Nur wusste Alex nichts davon und das war auch gut so. Die Überraschung sollte perfekt sein.
Da das Haus komplett eingerichtet war, mussten nur noch die Möbel kommen und da klingelte es auch schon. Alex lief freudestrahlend zur Eingangstür, um die neuen Möbel in Empfang zu nehmen. Natürlich ließen sie alles gleich auspacken und an den richtige Stellen aufbauen. Währenddessen verließ Liam kurz das Haus, um einige Telefonate durchzuführen. Nachdem die Leute wieder abgefahren waren, nahm Alex sich kurz Zeit, um ein paar Runden im neuen Pool zu schwimmen, um anschließend mit dem Einräumen der Bücher und Klamotten zu beginnen. Viel war es ja noch nicht, da sie fast alles in Deutschland zuvor verkauft oder weggegeben hatten. Von Anbeginn des Umzuges bis zum 15. August hatten sie Urlaub geplant. In Deutschland gab es ein Callcenter für Kundenfragen und eine Vertriebsabteilung, die sich um den Rest kümmerte, während sie ihre freien Tagen genossen.
In der dritten Juliwoche steckten sie gemeinsam das Grundstück ab, sodass Jesse, ihre Huskyhündin, frei herumtollen konnte. Sie wollten sich zudem später noch Pferde und weitere Hunde zulegen. Alex wünschte sich auch Farbmäuse.
Die Grenzen für Ställe, Weinberg und Plantagen wurden festgelegt und sie erkundigten sich, woher sie Futtermittel bekamen. Auch die Olivenpresse wurde am 2. August angeliefert. Endlich war der 2. Abends gekommen. Alex freute sich schon auf ihren letzten Twenty, ihren 29. Geburtstag. Sie hatte vor, Liam zuvor zu kommen, Frühstück zu machen und ihn dann zu erschrecken. Nach einem letzten Drink am Pool, kuschelten sich beide in das große metallene Bett. Alex schlief sofort ein.
Ein Geräusch ließ sie mitten in der Nacht auffahren. Doch es war alles ruhig. Bevor sie wieder einschlief, ging sie noch mal ins Bad. Es war stockdunkel. Der Raum hatte kein Fenster. Da sie aber das Licht nicht einschalten wollte, tastete sie nach ihrem Batterielicht, welches normalerweise gleich neben der Tür auf dem kleinen Duschabsatz lag. Doch die Ablage war leer! Gut dann eben durch die Dunkelheit. Als sie fertig war, hatten sich ihren Augen ein bisschen an die Dunkelheit gewöhnt. Sie sah zumindest Umrisse und konnte sich an ihnen orientieren. Als sie gerade die Tür erreicht hatte, spürte sie einen Luftzug und dann etwas auf ihrem Mund. Eine Hand! Sie wurde panisch und strampelte sich frei. Schnell schloss sie die Badtür wieder hinter sich. Hatte sie sich das nur eingebildet. So schnell es möglich war, tappte sie zurück ins Schlafzimmer um Liam zu wecken und stolperte dabei über Jesses Sofa. Sie landete genau da, wo eigentlich Liam liegen sollte. Erschreckt stellte sie fest, dass weder ihr Mann noch Jesse da lag. Sie schien völlig allein! Shit! „Liam? Jesse? Wo seid ihr?“ Das Flüstern kam ihr verdammt laut vor. Sie bekam keine Antwort. Stattdessen spürte sie am Hals eine Hand. Sie wurde rückwärts an die Zimmerwand gedrängt. Doch dort stand noch jemand, der sie entgegennahm. Ihre Arme wurden ihr auf dem Rücken festgehalten und ein Arm schlang sich um ihren Hals. Schwitzend und zitternd schloss sie die Augen und erwartete einen Schlag in den Magen, wie sie es schon aus so vielen Filmen kannte, doch der blieb aus. Sie hörte sich selbst keuchen und ein Flüstern, das wie italienisch klang, doch so genau konnte sie es nicht deuten. Plötzlich spürte sie warmen Atem an ihrem rechten Ohr. „Willst du schlafen oder wach bleiben?“ Der Satz war in gebrochenem Deutsch mit fremdem Akzent. Alex war verwirrt. „Äh wach bleiben!“ Ein ihr bekanntes ratschendes Geräusch ertönte. Gleichzeitig löste sich der Arm um ihren Hals und sie versuchte ihre Arme los zu werden, doch die wurden sekundenschnell zusammengebunden. Im gleichen Atemzug wurde ihr Klebeband auf den Mund geklebt. Was ging hier bloß ab? Sollte das etwa ein Überfall werden? So bekannt waren sie doch noch nicht! Sie versuchte ruhig durch die Nase zu atmen. Etwas umfasste ihre Beine, sodass sie nach vorn fiel. Einer dieser Typen hatte sie über die Schulter geworfen. Nach ein paar Schritten wurde sie wieder abgeworfen und landete weich auf ihrem Bett. Dort schien schon jemand gewartet zu haben, der sie sofort in die Klemme nahm. Nun wurden auch noch ihre Beine gefesselt. Sollte das eine Entführung werden? Wo war bloß Liam? Irgendwen hätten sie doch erpressen müssen? Als sie endlich fertig waren, bekam sie ein Tuch vor die Nase gedrückt. Alex schüttelte verzweifelt den Kopf, hatte keine Möglichkeit dem zu entkommen. Sie schlief sofort ein.
Sie wurde kurzerhand wieder über eine Schulter geworfen und nach draußen gebracht. Dort wartete ein Transporter ohne Fenster. Alex wurde auf eine Matratze auf dem Fahrzeugboden gesetzt und an der Fahrzeugwand festgebunden. Zusätzlich verband man ihr noch die Augen. Die Fahrzeuge rollten los. Alex erwachte durch das Schaukeln und durch Kopfschmerzen, die nicht ohne waren. Sie konnte nichts sehen. Etwas war sehr eng um ihren Kopf gebunden und sie hatte noch immer das Panzertape auf dem Mund. Ihre Arme waren fast taub. Als man bemerkte, dass sie wach war, wurde sie zwar losgebunden, aber ihre Arme waren noch immer auf den Rücken gefesselt. Mehrfach schoben sich Hände unter ihre Arme und hoben sie hoch um sie dann wieder hinzusetzen. Sie lag jetzt mehr als dass sie saß und unter ihr war es warm und weich. Vermutlich lag sie auf jemandem. Arme schlangen sich um ihre Taille und zogen sie nach hinten. Ein Flüstern an ihrem Ohr: „Na Prinzesschen, wie gefällt dir das?“ Diesmal war es einwandfreies Deutsch. Kein Akzent. Alex versuchte trotz einschneidender Schmerzen sich gegen die Arme zu wehren und erntete dafür ein leises Gelächter. Offenbar waren mindestens 3 Leute an diesem Ort. Das vibrierende Gefühl unter ihr wurde langsamer. Wieder die flüsternde Stimme an ihrem Ohr: „Kleines, du wirst du jetzt noch mal schlafen!“ Eine Hand zog ihren Kopf ein wenig nach links. Sie versuchte zu verhindern, dass ihr Hals freilag, doch die Hand hielt sie zu fest. Ein Schauer lief Alex über den Rücken, als sie erst den warmen Atem und dann eine sehr seichte Berührung spürte. Ein kribbelndes Gefühl durchflutete sie, sodass sie das kurze Pieksen der Nadel kaum spürte, dann versank sie wieder in ihren Träumen. Sie wurde aus dem Transporter gehoben und einem Zweiten übergeben, der mit ihr in einen Helikopter einstieg, sie auf einem mittleren Sitz setzte, entfesselte und sie gleich anschnallte. Links und rechts neben ihr wurde ebenfalls Platz genommen. Der Heli fasste insgesamt 8 Personen inkl. Pilot und Copilot. Es vergingen ein paar Minuten, bis sie zu sich kam. Das Mittel war nur für ein paar Minuten Schlaf ausgelegt. Sie sollte schnell wieder aufwachen. Alex wunderte sich, dass sie sehen konnte und auch ihr Mund war frei. Rechts und links neben ihr saßen aber immer noch Maskierte. Sie wurde von links auf italienisch angesprochen, was sie aber nur zur Hälfte verstand. Die Stimme war männlich und ziemlich vergnügt und hatte wohl dieFrage gestellt, wie ihr Wohlbefinden war. Sie fragte in ihrer Muttersprache zurück. „Wo bin ich und was wollt ihr von mir? Was mache ich hier?“ Die Beiden zogen sich die Maskierung herunter: Alex starrte sie an: Es waren 2 der Snowboarder, die sie erst vor ein paar Tagen kennengelernt hatte. Die beiden jungen Männer amüsierten sich köstlich über ihr Gesicht. Alex fand das gar nicht witzig. Aufbrausend, wie es ihre Art war, gab sie schlagfertige Argumente zurück. Das artete kurzzeitig in eine kleine Kampelei aus, bei der sich die beiden Männer abschnallen mussten, um Alex in ihre Schranken zu weisen. Einem war es dann doch ein wenig zu viel und er hielt sich an den Tipp seines Auftragsgebers und zog eine Waffe um sie Alex vor die Nase zu halten. Alex gab sofort Ruhe. Der Hubschrauber setzte zur Landung an. Noch einmal versuchte Alex ihr Glück zu flüchten. Keiner hielt sie auf. Die Sonne ging langsam auf. Sie war nur ein Stück gerannt, um festzustellen, dass ihr keiner folgte. Die insgesamt 7 Männer waren ausgestiegen und standen grinsend vor dem Helikopter, die Masken in der Hand.
Alex tippte jemand auf die Schulter. Sie schrie auf und schnellte herum. Liam! Er stand genauso grinsend vor ihr, wie die Anderen. „Alles Gute zum Geburtstag mein kleiner Wildfang!“ Alex machte große Augen. Wie jetzt? Geburtstag? Achja richtig. Heute war ja der 3. August. Das hatte sie völlig vergessen. „Willst du dein Geburtstaggeschenk haben?“ Sie nickte nur, war noch völlig perplex. Liam sah seine Freunde an, die nun hinter Alex standen. „Wir dachten, das würde dir sicher gefallen!“ Einer der Jungs stellte ein kofferartiges Paket vor ihr auf den Boden. „Was ist denn das?“ „Packs aus! “ Schnell zerrupfte sie das Papier und es kam tatsächlich ein Koffer zum Vorschein. Silbern glänzend, wie ein Aktenkoffer, mit einem Sicherheitsschloss. Sie war jedoch auf 0000 eingestellt. Sie öffnete de Koffer. Ein schwarzes Repetiergewehr mit Zielfernrohr! Alex jubelte auf. Das langersehnte Stück ihrer Waffensammlung. Das hatte ihr noch gefehlt.
Tag der Veröffentlichung: 14.01.2011
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