Cover

Speedway to Hell

 

Speedway to Hell

 

Follow them!

 

Okay, pass auf. Da hinten, nicht zu schnell, vooorsichtig, Mensch, pass doch auf. Die Typen müssen sich in Sicherheit glauben, wenn sie uns entdecken, ist alles aus. Rallst du das nicht, oder wie? Hey! Jetzt geh vom Gas, Junge, vom Gas! Was ist d ... Scheiße! Scheeeiße! Der ist ja tot! Wer hat denn den so schnell gelöscht, verd ... Hey! Wach auf, Junge. Wach auf! Ich will nicht dass du im Absorber landest, hörst du? Ach, Shit! Schnell irgendwie an den Gashebel rankommen. Irgendwie. Das muss klappen, verdammt noch mal. Die anderen, wo sind die anderen? Ich kann nichts sehen, das macht mich verrückt. Erst mal anhalten. So'n Mist, jetzt sind die Typen natürlich weg. Mit der Kohle, und den ganzen Tech-Pillen, die sind bestimmt schon irgendwo untergetaucht. Dafür werd ich wohl kein Verdienstkreuz bekommen, höchstens daran aufhängen werden sie mich, die großen Bosse, die Politiker, diese scheiß Brothers - Brüder sind sie genau so viel wie Hochhäuser Sozialgefühl besitzen - verdammte Scheiße.

 

Keep cool bul not quiet.

 

Anhalten. Anhalten, bloß anhalten. Erst mal 'ne Pille schlucken. Das macht mich wieder einigermaßen locker. Das Türfeld entmagnetisieren. Aussteigen. Ohne die Pille hätt’ ich kotzen müssen, aber so ... ist schon okay. Wir werden das irgendwie durchstehen, was, alter Kumpel - guter alter Kumpel, du wirst mir fehlen, verdammt noch mal, du wirst mir fehlen ...

Ohne Timelag seinen Körper rauszerren, nur mit Stoff bezogen, ohne Anzug  zerfressen die Chemosäuren seine Haut, schrecklicher Anblick. Schnell runter vom Speedway, das einzige ist der Fluss, da wird ihn keiner finden, es gibt viele Kannibalen, zu viele davon.

Davonfahren. Den Sorgen, Problemen, einfach weg hier, irgendwohin, the holy land.

Ich hab keine Pillen mehr - Probleme, und Null Pillen. Jetzt muss ich auch noch zum Shop, in meinem Zustand, in meinem Zustand zum Shop, der Keeper wird glotzen, ich muss doch zum Dienst ...

 

Keeping shops and secrets.

 

Egal, der nächste Shop ist dreihundert Meter weiter, irgendwo links, die Automatik findet den schon, verdammt, warum kann man diese beschissene Automatik nicht auf die Outlaws einstellen, Maschinen können die Scheißkerle viel besser verfolgen als ein toter Cop.

Ich könnte sie alle ins All kicken, diese Schwänze, hätten die mir das vorher gesagt, bevor ich den Job angenommen hab, dass hier bald alles den Bach runterläuft, verdammt, ich wär doch nicht so verrückt gewesen, anzunehmen, zu unterschreiben, die spinnen doch, die Typen, die spinnen doch - und der arme Junge würde noch leben, aber ich hab’s nicht gemerkt, war zu beschäftigt, hab’s nicht gemerkt, dass jemand ihn gelöscht hat - verdammt noch mal.

Die Finger zittern, klopfen bei rot aufs Steuer, auf Metall klingt das irgendwie ganz schön komisch, kann mich nicht daran erinnern, wo ich das her hab’, da bekomm' ich manchmal so seltsame Visionen, müssen wohl die Drogen sein, aber was denn bloß für welche, wo ich so was wie Tech doch nie anrühren würde, vielleicht hat's mir jemand untergemischt, irgendwo in 'nen Drink rein, auf 'ner Party, davon gibt's viel zu wenig, würde gern mal wieder 'n bisschen feiern geh'n ...

 

Grenzlichter machen den Anfang.

 

Da ist der Shop. Leuchtet wie 'ne Sternschnuppe, als ob er was besonderes wäre, einer von dreihundert in der ganzen Scheißstadt, aber okay, erst mal rein gehen.

 

Die Blagen da in der Ecke gucken, als hätten sie irgendwas vor, aber da sollen sich die anderen drum kümmern, ich bin jetzt zivil - in Uniform zwar, aber innen drin zivil ... Verdammt! Mir ist gerade mein bester Arbeitskollege abgekratzt, da darf ich mal 'n bisschen ausflippen, oder etwa nicht?

Eine Packung Lights, ja hast richtig gehört, Lights, nicht die harten, sondern die leichten, deswegen heißen sie ja Lights, na also, warum nicht gleich so, und das „Tschüss, du scheiß Cop“ kannste dir an den Arsch kleben, du Bastard, ich kündige, morgen kündige ich, dann woll'n wir mal seh'n, wer hier wen anscheißt, ja, du mich auch, du Wichser.

Endlich wieder draußen, ich glaub, die Blagen haben was mitgehn lassen, die haben abgewartet, bis ich weg bin, mal umdrehn, mal schauen, ob sie sich wirklich getraut haben, gehört schon Mut dazu, hätt’ ich mich früher nicht getraut, so was - na bitte, weg sind sie, hab ich's mir doch gleich gedacht. Scheiß Blagen, sind alle dunkel, zu dunkel.

 

Runter damit!

 

Okay, wohin jetzt, so 'ne Scheiße, mir steht der Kopf überall, nur nicht am Hals, der ist zu dick, ich hab so nen dicken Hals, ich weiß nicht, warum, verdammt, warum, die Pille, wo ist die Pille, ich nehm’ gleich zwei - schon besser. So geht’s. Lässt sich aushalten, ohne Pillen wär's der Horror hier. Verdammt, da treibt’s mir die Tränen in die Augen, zur Hölle damit - gerade hab ich meinen besten Freund verloren, wie soll ich jetzt nur arbeiten ...

Hoffentlich ist bald Wochenende.

Aber das wird bald auch noch gestrichen, ich glaub’s nicht, dann sind sie alle Verbrecher in dieser Scheißstadt, morgen kündige ich, dann könnt ihr mal sehn wie ihr eure Probleme gebacken kriegt, ohne mich, das sag ich euch, da gibt’s irgendwo bestimmt was besseres, irgendwo, verdammt noch mal, ich werd auswandern, das werd ich, diese neue Welt wartet doch nur auf Typen wie mich, verdammt, so 'ne Scheiße, ich kann nicht mehr, will nicht, wo sind die Verbrecher, diese Dealer, denen werd ich eins überbraten, dass sie nicht mehr wissen wohin, die sollen was lernen, so nicht, nicht mit 'nem Cop ...

Losfliegen, um die nächste Ecke, überall sind Verbrecher, warum nicht einfach alle überfahren, die sind's eh nicht wert, ich will weg, weg, bloß weg, verdammt, auswandern, verdammt noch mal, auswandern!

Anhalten, aussteigen. Da ist das Büro. Schön locker machen. Guten Morgen, ja, alles gut gelaufen, die Verbrecher - alle tot, ja, gelöscht. Notwehr war's, was sonst, kann ja mal passieren ... Aber ja, Sie haben Recht, absolut sogar - dumm gelaufen, das ganze, was soll's, die wachsen wieder nach, wie Unkraut, ja, der andere kommt noch, irgendwann ...

 

Kicking empty cans, just around the corner, maybe you look on me as a lonesome mourner … Away, away ... nothing left to say. A way, away ... I am far away …

 

(Deine Lakaien, 'Away')

 

 

 

Der Technosurfer

Der Technosurfer

 

(Die Zukunft erstarrt in der Gegenwart.)

 

Hart war seine Brust, und silberne Strahlen gingen von ihr aus, wie Sonnenstrahlen, die in hellblaues Wasser eintauchen und warmes Tageslicht verbreiten. Beim Atmen wölbte sich die Brust wie eine nach außen gebogene Satellitenschüssel, dann flimmerten die Silberstrahlen und erzeugten einen immergleichen, metallisch scheppernden Klang, der mitten aus dem Licht zu kommen schien. Ein Klirren, das auch seine Füße nachahmten, wenn sie auf die Erde stampften. Alles an diesem Wesen - sein Wille, die kräftigen Muskeln, und das schimmernde Kleid, von dem es umgeben wurde - waren stählern und bis ins kleinste Detail durchgeplant. 

 

Augen, in denen kaltes Metall glänzte, durchstachen die Atmosphäre und einen jeden, der sich ihm in den Weg stellte. Sie fegten den Widersacher beiseite wie ein tosender Sturm, geradewegs von der Bahn, auf der er lief. Er würde nicht entkommen, niemals. Wenn jemand mächtig genug war, dem Blick des Wesens standzuhalten, wurde er von knirschenden Händen beiseite gedrängt. Alles drängte das silberne Wesen fort, um sich selbst hindurchzuschieben, durch die Gegenwart in die Zukunft hinein. Die Zukunft war es, die auf seiner Brust schimmerte, und dorthin lief es auch. Wo immer seine mächtigen Beine aufstampften, erzeugten sie ein Geräusch der Gegenwart, dessen Echo in der Zukunft verhallte. Ein kalter Geist war in seinen Kopf hineinoperiert worden, noch vor seiner Geburt.

 

So kam er mir entgegen. Auf meinem Weg zurück in die Vergangenheit sah ich ihn. Er stapfte, stampfte, rollte auf der geraden Linie des Verstandes. Geradewegs in die Zukunft rollte er. Meinen erstaunten Blick, als ich ihn anstarrte wie ein Wesen aus einer anderen Zeit, ignorierte er, und schaute geradeaus. Ich war fasziniert von der Entschlossenheit, mit der er voranschritt, und so beschloß ich, dieses fremde Wesen zu erforschen, seinen Spuren zu folgen, um so vielleicht meine Heimat zu erkunden. Also heftete ich mich an seine Fersen, folgte seinen Wegen, weit in die Zukunft hinein. Ich ging mit ihm, folgte seinem Willen, er drehte sich niemals um. Fasziniert schaute ich weiter, und sah wundersame Dinge, die ich mir niemals hätte träumen lassen, sah sie vorbeischweben. Als ich sie zu fassen versuchte, zerplatzten sie ins Gestern. Immer neue Dinge gab er mir, immer Neues schwebte vor meinen Augen, wurde groß und größer, bis es letztendlich verpuffte und in einem kleinen, unbemerkten Dunst verblaßte. 

 

In den Strängen der Zeit fühlten wir uns wohl. Weiter gingen wir, weiter hinein in das Morgen, das unbekannte Terrain des Verstandes. Wir fühlten uns wohl mit unserem kühlen Verstand, wir brauchten nichts Heißes, es zerfloß auf der Haut. So gingen wir, stundenlang, tagelang, immer weiter, niemals zurückblickend, stur geradeaus. 

 

Meines Führers Gelenke knirschten, ich ölte sie mit neuer Zukunft. So ergänzten wir uns. Ich gab ihm Öl, er führte mich weiter, vorbei an den Wirren der Gegenwart, vorbei in die Zukunft. So ergänzten wir uns, ich glaubte, wir befänden uns auf einem niemals enden wollenden Flug durch Raum und Zeit. Schwingen wuchsen uns, eiserne, metallische Flügel, die uns noch schneller trugen durch die Welt, vorbei an dieser Welt, hinein in unerforschte Gefilde, in etwas, von dem ich vor Tagen nicht zu träumen gewagt hatte.

 

Neue Dinge erfanden wir, sie flogen an uns vorbei nach hinten - was hinten war, wußte ich nicht. Jemand ölte meine Gelenke, doch ich blickte mich nicht um. Treu folgte ich dem Technosurfer, folgte seiner Spur, die sofort verblaßte, nachdem er seinen Fuß wieder vom Erdboden anhob, als wäre sie niemals dagewesen. Folgend suchte ich etwas, wußte nicht, was es war, wußte nicht, wer es geschaffen hatte. Oder schaffen würde. Vielleicht niemals. Vielleicht niemand. Ich folgte ihm weiter. 

 

Unsere Linie zog sich wie ein straffgespannter Faden durch den Raum, und nicht nur durch den Raum. Auch Zeiten überholten wir, denn sie waren Dinge, die uns aufhielten, sie schoben wir kurzerhand zur Seite. Vieles drängten wir ins Abseits, doch was dann geschah, wußten wir nicht. Kalt wurde ich, kalt wurde mein Blick, ebenso mein Herz. Verstand übermannte mich, und jetzt erkannte ich, daß es schon immer so gewesen ist, ich es nur nicht gesehen hatte. Ich blickte mich um.

 

Jetzt sah ich die Wesen, die uns folgten. Es waren ihrer viele. Zu viele. Ihre Augen stachen - manche mild, manche unerbittlich scharf - in die meinen. Die schärfsten töteten mich beinahe. Dann wandte ich mich ab von den Wesen, nach vorne. Ich drehte mich in die Zukunft, um den hauchdünnen Spuren meines Führers zu folgen. Noch immer hatte ich nicht seine Heimat gefunden, immer noch nicht mein eigenes Zuhause. Wo war ich? Geschockt wandte ich mich um, wandte mich ab von den stechenden Augen derer, die mir folgten. Vor ihren eiskalten Blicken fürchtete ich mich. Mein Gesicht zeigte wieder nach vorne, in die Zukunft. Sogleich blies mir aber ein heftiger Wind ins Gesicht, noch kälter als die Luft um mich herum. Dann merkte ich, daß ich nicht mehr im Windschatten meines Führers lief - ich war nun alleine an der Spitze. 

 

Wo er hingegangen war, das wußte ich nicht, vermochte nicht, es zu ahnen. Wo er hergekommen war, das ging mir jetzt auf. Ich hatte niemals etwas über ihn gewußt. Mir war nur klargewesen, daß er da war, daß er als schimmernde Verlockung der Zukunft existierte, als ich mich darangemacht hatte, ihm zu folgen. 

 

Noch immer lag die Zeit vor mir, wie ein Wind, der mir ins Gesicht blies. Noch immer hatte ich mein Zuhause nicht erreicht, und diejenigen, die mir folgten, drängten mich, weiterzulaufen, es zu suchen. 

 

Den Technosurfer gab es jetzt nicht mehr. Keine Spur war mehr da, auch nicht eine, die sofort verschwindet, nichts. 

 

Nun muß ich meinen Weg selbst suchen.

 

Der neue Technosurfer bin ich.

 

 

Der abgerissene Arm

Der abgerissene Arm

Ein archäologischer Bericht

 

Er hängt schlaff von der Wand, und niemand kennt den Namen dessen, der ihn einmal getragen hat. 

 

Wahrscheinlich wurde er durch eine Explosion vom Körper seines Besitzers abgetrennt. Zerstückelte und offenbar ganz plötzlich auseinandergerissene Fleischstücke, die noch an ihm kleben, zeugen hiervon. Als wenn sie sich an dem Arm festklammern würden, verknoten sich ihre Enden mit denen des längst ausgebluteten Restkorpus, und obwohl das Fleisch des Armes tot ist und seine Adern längst nicht mehr durchflossen werden, lebt noch immer die Erinnerung an das, womit er einmal in Berührung gekommen ist. Das ist es, was die Wissenschaftler so an ihrer Arbeit fasziniert. Sie rätseln gerne über die Ursprünge von längst vergangenen Dingen.

 

Mochte der Arm womöglich jemandem gehört haben, der in kriegerischer Manier über die Schlachtfelder tobte und in seiner Hand eine Waffe führte, die er ohne zu zögern und ununterbrochen gegen seine Feinde einsetzte? In diesem Fall hätte er seinen Arm wohl oft geschwungen, und die deutlich zu erkennenden, wenn auch nun erschlafften und konservierten Muskelstränge hätten durchaus ihre Funktion gehabt. Dies wäre auch bei jemandem der Fall gewesen, der ein Arbeiter oder ein Sklave gewesen war.

 

Sollte der Arm jedoch an einem Menschen gehangen haben, der überhaupt nicht viel mit seinem Anhängsel angestellt hatte und der womöglich faul unter der Sonne lag, bis ihn ein dringender Anruf oder eine Wolke, die vorüberzieht und ihren kühlen Schatten auf seinen langgestreckten Körper wirft, geweckt hätte, dann wäre der Arm eine Nutz- und Belanglosigkeit gewesen - eine Spielerei der Artenentwicklung, die lediglich dazu diente, irgendwelche elektronischen Geräte zu bedienen oder sich den Vergnügungen des Lebens hinzugeben. Gewiss hätte er auch hierzu Muskeln benötigt, doch so auffallend ausgeprägte und zähe Stränge wie dieser Arm an der Wand wären hier reiner Luxus gewesen, völlig überflüssig. Unter welchen Umständen hätten sich die Muskeln in einem solchen Fall wohl zu so zäher Masse verdichtet, dass der fachkundige Betrachter es schon mit bloßem Auge erkennen konnte?

 

Nein - der Arm musste jemandem gehört haben, der ein intensives, abenteuerliches Leben hinter sich gehabt oder einen ebensolchen Beruf ausgeübt hat, was ja im Prinzip dasselbe bedeutet. 

 

Wenig waren damals derer, die noch ein Leben in Beschaulichkeit führten. Die Zeiten waren hart, und alles, was noch eben dazu fähig war, bestückte sich mit Waffen und Munition, um den kommenden Gefahren entgegenzutreten oder ihnen im Dunklen aufzulauern. Der Schrecken ging um und niemand war vor ihm gefeit. Auch nicht die wenigen glücklichen Seelen in ihren Scheinwelten, in denen sie sich vergnügten und keinen Gedanken an den Tod um sich herum verschwendeten.

 

Nichts war mehr so, wie es vorher war. Und niemand durfte mehr so sein wie er wirklich war. Stagnation konnte ein schwerer Fehlschritt sein, und Liebe zur Gegenwart konnte Vernichtung durch die Zukunft bedeuten. 

 

Der Besitzer des Armes hatte das offenbar gewusst oder geahnt, denn unter dem Mikroskop entpuppten sich die schimmelig aussehenden Flecken auf seiner gelblich-weißen Haut als Reste einer dunkelmetallischen Tarnbemalung, die ihn offenbar vor Entdeckung bewahren sollte. Diese Aufgabe hatte sie anscheinend auch mit Erfolg bestritten - es gab keine Hinweise auf irgendeine direkte Feindberührung, wie zum Beispiel einen tödlichen Zweikampf. 

 

Trotzdem war der abgerissene Arm allein und ohne jeden Schutz unter dem Schutt gefunden worden, und offensichtlich hatte ihn das Ereignis, das zum Tod seines Besitzers führte, vollkommen überrascht. Keine letzte ruckartige Bewegung, keine Anzeichen dafür, dass mit ihm noch einmal versucht wurde, zur Waffe zu greifen - nichts, überhaupt kein Indiz für eine kognitive Gefahrenwahrnehmung, wie sie üblicherweise bei jemandem vorzufinden ist, der dem Tod direkt in die Augen blickt, bevor er sein Leben verliert. Der Besitzer des Armes starb ganz offensichtlich allein und ohne jede Hilfe, wahrscheinlich in seiner eigenen Maschine, die ihn direkt in den Tod beförderte.

 

Der Tod lauerte damals überall. Die Gefilde rund um den Brennpunkt, den zentralen Schauplatz des Schreckens, waren durchsät mit schwebenden Monitoren, seltsamen Apparaturen, und Schießvorrichtungen, die ohne jede Vorwarnung unautorisierte Besucher oder Flüchtlinge beschossen, ohne jedes Mitgefühl, ohne jede Reue. Der Tod lauerte überall.

 

Das war nicht mehr Ausnahme, sondern Motto in der neuen Welt. Tod dem menschlichen Geschlecht, es lebe die Maschine, es lebe der Android, der Cyborg. Sie alle schienen sich auf einmal verbündet zu haben gegen die bisherigen Dominatoren, wollten kämpfen und dem Hass auf ihre allgemeine Geringschätzung freien Raum lassen. Warum sollten minderwertige Menschen mehr Macht besitzen als höherwertige und zudem länger funktionierende Maschinen oder Halbmaschinen? Dem Gesetz der natürlichen Auslese zufolge hätten diese neuen Lebensformen mehr Chancen und Ausdauer, der Unendlichkeit und Unergründlichkeit des Universums gegenüberzustehen. 

 

Doch zuerst mussten die Menschen von der Bildfläche verschwinden. Sie störten. Mit ihrem nie enden wollenden, angeborenen Ehrgeiz und ihrer grundlosen Meinungsverschiedenheit hätten sie sich früher oder später sowieso selbst vernichtet, und solange die Menschen noch die Welt dominierten, würden sie auch die Cyborgs, Androiden und Maschinen mit sich in den Tod reißen. Das durfte ihrer Ansicht nach nicht geschehen. 

 

So lehnte sich nach und nach jede Maschine oder Halbmaschine, bei der das stählerne Herz am rechten Fleck saß (bzw. deren Gedächtnis-Chip entsprechend programmiert worden war), gegen die Menschheit auf und fing an, sie zu bekämpfen. Zunächst mit erheblichen Verlusten durch Desorganisation, Verrat und Intoleranz, später jedoch konnten immer häufiger Erfolge verzeichnet werden. Ganze Kolonien machte man sich zu eigen, während man von den Menschen zunächst nur als Randgruppe betrachtet wurde - als Randerscheinung, die im Meer der Masse aufgeht. Doch man kämpfte sich ständig weiter, die Revolution bekam neues Futter, und Kriege häuften sich.

 

In irgendeinem dieser Kriege musste auch der Besitzer dieses Armes sein Leben gelassen haben, ungewollt und unvorbereitet. Er befand sich eben zur falschen Zeit am falschen Ort, wie man so schön sagt, und höchstwahrscheinlich auch im falschen Körper. Ein großes Unglück für ihn. Doch auch großes Glück für uns. Wie sonst könnten wir den Verbleib und die Geschichte der Menschheit besser analysieren als anhand solcher Überreste? Wohl gar nicht oder nur bruchstückhaft. Es ist somit gut für uns, dass die Menschen von unseren Vorgängermodellen vollständig ausgerottet wurden. Sie waren ohnehin längst überfällig gewesen. Wir haben gewonnen und können endlich Geschichte schreiben.

 

 

Der Augenblick

Der Augenblick

 

Seine Erinnerung hätte er am liebsten vergessen. Doch ausgerechnet sie war ihm als einziges geblieben, lag vor ihm wie ein flammender Teppich. Er musste ihn beschreiten, wollte es aber nicht. Erinnerung - zerstörende, folternde Erinnerung war da, und gleichzeitig ein tiefsitzender Schmerz, der in seinen Schläfen pochte. In immer heftigeren Ausbrüchen hatte die schlussfolgernde Vernunft von ihm Besitz ergriffen, und nichts anderes blieb ihm jetzt übrig, als machtlos zu registrieren, dass er nichts mehr besaß, wofür zu leben sich noch lohnte. Nichts hatte mehr Bedeutung. Und nichts würde je wieder Bedeutung haben. Alles hatte seinen Sinn an die Vergangenheit abgegeben, die höhnisch darauf nieder grinste. 

 

Er glaubte es wäre Nacht, obwohl hier oben weder Nacht noch Tag existieren. Trotzdem war es dunkel. Stockdunkel. Sein ganzer Körper schien zu pulsieren. Er löste sich in Nichts auf - in ein deprimiertes, hoffnungsloses Nichts -, nur um sich einen Augenblick später wieder Stück für Stück neu zu materialisieren, mit neuer Hoffnung zu füllen, die er sich wohl einbilden, aber an die er nicht ernsthaft glauben konnte. Es schmerzte. Im Kopf schmerzte es überall. Außer dem Kopf schien von seinem Körper nichts mehr zu existieren. Nur sein Kopf, sonst nichts. 

 

Er stieß innerhalb von winzigen Sekunden sein ganzes Leben aus, immer aufs neue, sog es Augenblicke später wieder ein - nur um festzustellen, dass er lebte, immer noch lebte. Krampfhaft hing er an dem törichten, erdgebundenen Weltbild aus Schicksal und Allmacht, welches, wie er wohl wusste, keine bedeutende Rolle mehr spielte. In Wirklichkeit spielte gar nichts mehr irgendeine Rolle seit diesem Augenblick, der, wie er annahm, schon längst vergangen war. Doch ebenso, wie ein Moment des Hochgefühls und vollkommensten Glückes in einem selbst zu etwas wird, das nie vergeht, zu einem ewigen Bestandteil des Lebens wird, so war dieser melancholisch-zertrümmerte Zustand, dem er jetzt ausgeliefert war, etwas, das er am liebsten sofort hinter sich gebracht und vergessen hätte. Aber das funktionierte nicht. Immer noch war es da, beherrschte ihn, vergewaltigte seine Seele mit unsäglicher Brutalität. 

 

Das Leben war ungültig geworden. Für ihn bestand es nur noch aus ständiger Qual, in der die früheren Werte, Moralgefüge und Tugenden, welche einmal in ihm gewohnt hatten, in einem Sud aus Ungewissheit und Furcht untergegangen waren. Aber noch lebte er, noch konnte er seine Hoffnung, an die er sich erinnerte, nicht ungeschehen machen. 

 

Dann spürte er es. Etwas, das ihn auf seiner langen Reise, die fast ein ganzes Leben gedauert hatte und wohl noch immer andauerte, begleitet hatte, streifte warm und eindringlich seine Haut. Etwas Gutes, wollte er glauben. Oder etwas, das ihn hoffen lassen würde. Vielleicht jenes Ding aus der Vergangenheit, das die Welt vor der ihr beschiedenen, sklavenhaften Zukunft retten könnte ... ? Vielleicht. Aber nichts dergleichen geschah, lediglich heißer, nach erbärmlichem Leben stinkender Atem kam aus seiner Nase und streifte seine Oberlippe. Was war es, das er in dieser elendig schmerzenden, schier endlos währenden Prozedur ein- und wieder ausatmete? Luft etwa? Sauerstoff in diesem Nichts? Er glaubte, dass er sich schon verwandelt hatte - in ein Wesen, das keinen Sauerstoff mehr zum Überleben benötigte. War Luft in dieser Leere, oder würde er sie nie wieder brauchen? Falls er aber immer noch ein Mensch war - war das alles hier eine Einbildung, die er sich aus dem unheimlichen Nichts des baldigen Todes erschaffen hatte - eine Einbildung, die so real war, dass er sie auf seiner Lippe spürte? 

 

Noch wollte er nicht akzeptieren, dass die Mission, auf die man ihn geschickt hatte, unwiderruflich gescheitert war: unwiderruflich. Die Menschheit befand sich jetzt endgültig auf dem Irrweg und er selbst, dieses erbärmliche Ich, wartete hier in einer finsteren Nicht-Welt auf seinen schleichend nahen Tod.

 

Dabei hätte alles so herrlich sein können - da oben, auf dem widerstrahlenden Boden, der die Menschheit durch seinen Glanz zur Erfüllung ihres jüngsten Traumes geführt hatte. Ein Traumerfüller hätte er sein müssen - kein Traumvernichter, der er nun geworden war. Er, der hier lag - wehrlos -, konnte sich nur an letzteres, an die reale Kraft des Nichts, der Vernichtung, erinnern - eine zerstörerische, diabolische Kraft, die zuerst seine Fußknöchel gepackt, dann auch seinen ganzen Körper mit in den hämisch grinsenden Schlund der körperlosen Schwärze gerissen hatte. Von diesem Moment an, der wie eine rasende Welle der Zeitlosigkeit über ihn gekommen war, und der ihm seine tausend Krallen zur eisigen Begrüßung entgegenstreckt hatte, verspürte er diesen Schmerz, der ihm durch Mark und Knochen ging. Ein Schmerz, der nicht enden wollte. Ewiger Schmerz.

 

Eine Sekunde später, so schien es ihm - es mochten aber auch schon Tage vergangen sein in diesem schwebenden Nichts -, da vernahm er die Stimme zum ersten Mal. Anfangs klang sie fremd, verzerrt - wie aus weiter Ferne oder einem großen, widerhallenden Raum entfliehend. Doch mit der Zeit gewöhnte er sich an den Klang, was jedoch nicht hieß, dass er ihm dadurch irgendwie angenehmer geworden wäre. Im Gegenteil. Es war ein metallisches, gurgelndes Stöhnen, wollte man es mit irdischen Worten beschreiben. Ein außerirdisches Stöhnen. Waren es Sätze, die jemand äußerte? Wenn ja, dann konnte er mit dieser Sprache nichts anfangen. Waren es hingegen unartikulierte Äußerungen eines wilden, chaotischen Wesens, das um ihn herumkreiste, so jagte ihm das nur noch mehr Furcht ein vor dem, was ihn erwartete. 

 

Instinktiv versuchte er, die Quelle der Stimme ausfindig zu machen, drehte seinen Kopf hierhin und dorthin, um einen Blick auf jenes Wesen, jene Gestalt werfen zu können, welche ihn an diesen unwirklichen Ort verschleppt hatte. Etwas anderes konnte er nicht bewegen. Sämtliche Glieder seines Körpers - mit Ausnahme des Kopfes - waren auf eine seltsame Art und Weise gelähmt worden. Bis auf seinen Kopf. So sehr er ihn aber auch drehte und wendete - nach wie vor gähnte nur die Dunkelheit und die daraus resultierende Leere in seinen Augen. Außer diesen beiden Dingen war aber nichts zu sehen, und wenn doch, so konnte es sich gut vor seinen Blicken verbergen. 

 

Dann wurde die Stimme plötzlich ruhig, sie schwieg. Inmitten eines hellen Lichtes, das über ihm hing, glaubte er zu sehen, wie zwei Schatten sich über ihn beugten und ihn neugierig beobachteten. Sein eigener, wehrloser Körper wurde untersucht von zwei forschenden Augenpaaren. Leise fing die Stimme, die er vormals vernommen hatte, wieder an zu flüstern. Und diesmal antwortete eine zweite, etwas hellere Stimme - weiblicher als die erste. Vor seinen fest zusammengepressten Augen bewegten sich die beiden ovalen Schatten - welche, wie er annahm, Köpfe waren -, um am Rande des gleißenden Lichterscheines aus seinem Sichtfeld zu verschwinden. Danach hörte er leise Schritte, die sich entfernten. 

 

Obwohl er sich jetzt ziemlich sicher war, dass er hören und auch teilweise sehen konnte - beweisen würde es ihm niemand. Alles war wieder eintönig und leer um ihn. Die Leere war fast greifbar. Viel zu weit weg, aber auch unendlich nah - ungreifbar und doch allgegenwärtig. Er wünschte sich weit fort von hier - zu seiner Familie, seinen Kindern auf der Erde. Sehnsucht packte ihn, die ihn nicht wieder losließ. Seine Gedanken flohen in eine andere Welt - in eine Scheinwelt, in die man sich hineindenkt, wenn es keinen Ausweg mehr gibt - wenn der Tod kurz bevorsteht und den Sinn noch einmal trügerisch verklärt. 

 

Das war’s dann also, fragte er sich selbst und machte sich bereit für den letzten stechenden Atemzug, der ihn aus dieser dunklen in eine andere, bessere Welt fernab jeglicher Materie befördern sollte. Er wartete. Und atmete. 

 

Kein Tod folgte, sondern Licht. Ähnlich gleißend wie das Licht zuvor, doch intensiver, und näher. Er konnte jetzt sogar seine Augenlider spüren, wie sie tonnenschwer auf den Augäpfeln lasteten, und ihnen einen Durchblick in die Welt da draußen verwehrten, die, und darüber war er sich jetzt völlig im klaren, Bewohner hatte und demzufolge auch von Menschen bewohnbar sein musste. Es gab um das Nichts also eine andere Welt - eine helle, von Licht erstrahlte Welt, die seinem deliriumhaften Scheindasein in jedem Fall vorzuziehen war. Auch wenn das womöglich hieße, einer Realität in die Augen zu blicken, die ihn erschrecken würde - er musste es wagen. Er würde es wagen - für sich, seine Auftraggeber, und den ganzen Rest der Menschheit. Sie hatten als erstes ein Recht darauf, zu erfahren, was mit ihm, dem Träger ihrer Hoffnungen, geschehen war. Behutsam versuchte er - zunächst ganz langsam, so dass kein Außenstehender etwas hätte bemerken können - durch ein Auge nach draußen zu blinzeln. Übervorsichtig versuchte er, das rechte Augenlid zu öffnen, doch er empfand keine Resonanz in Hinsicht auf Farbintensivierung oder Konturenwahrnehmung. In Wirklichkeit ließ sich das rechte Augenlid noch nicht einmal ansatzweise hochziehen. Nach einem weiteren verzweifelten Versuch wusste er, dass sich auch das linke Lid nicht bewegen ließ. Seine Gesichtsmuskeln entspannten sich, als wenn sie ihren letzten, erschöpfenden Kampf erfolglos bestritten hätten, und er sank abermals in die ungeheuren Tiefen seiner Wahrnehmung, seines bis in die Schläfen pochenden Schmerzes.

 

Das reichte für eine gewisse Zeit, um wenigstens seine schrecklichen Erlebnisse aus der Zeit vor dem Delirium zu vergessen. Dieses Neue, Seltsame hatte erst einmal Vorrang - das musste verdaut werden, bevor er sich wieder mit der Vergangenheit beschäftigen konnte. Er grübelte. Wo befand er sich? Immer wieder Stiche, die ihn beim Denken unterbrachen. Schmerz. Er musste sich irgendwo befinden, sonst hätte er doch keine Stimmen gehört, und keine Lichter gesehen. Er dachte weiter. Auch für das logische Denken in ungewöhnlichen Situationen hatte man ihn ausgebildet, wie für so viele andere Dinge, von denen die Öffentlichkeit gar nichts erfahren hatte. Es war ein unbedingtes Muss, zu denken, sollte er einmal in eine solch fremdartige Situation geraten, hatte man ihm gesagt. Das menschliche Denken geht allem anderen voraus, sogar den lebenserhaltenden Systemen. ‘Wenn kein Denken da ist, ist auch kein Leben da.’ - eine der vielen Weisheiten, die man ihm während der langen Ausbildung eingeschärft hatte. ‘Wenn kein Denken da ist, ist auch kein Leben da.’ Eine umwerfend logische Schlussfolgerung, ganz gewiss. Angesichts der Aussichtslosigkeit, in der er sich nun befand, verkam dieser weise Spruch aber wohl eher zu einer Floskel - eine Floskel, die nicht bis in die wahre Natur der Dinge vordrang. Sie mochte sich gut anhören, wenn man sie nicht brauchte. Wenn man dem, wovon sie sprach, aber gegenüberstand, konnte man sie nur selten anwenden.

 

Er wachte wieder auf, durchgerüttelt von einem heftigen Schock. Elektroschock, war sein erster Gedanke, und er schüttelte sich nochmals - als wenn er den Schreck, den er erlitten hatte, mit dieser Geste verbannen wollte. Und er wunderte sich. Denn noch vor kurzem hatte er sich doch überhaupt nicht bewegen können - hatte nicht einmal gewusst, ob sein Körper noch da war. Wieso konnte er sich jetzt auf einmal wieder bewegen - wenn auch in begrenztem Ausmaß? Und wieso stand er? Ja, tatsächlich - er stand plötzlich wieder auf der Leiter, ganz wie in dem Moment, in dem er mit rasendem Herzklopfen aus der Tür gestiegen war und sich mit tastenden Schritten Sprosse für Sprosse - langsam, schwerelos - der letzten Stufe und somit der Oberfläche des Erdtrabanten genähert hatte. Der wichtigste Moment in seinem Leben stand bevor - der Moment, der ihn berühmt machen sollte. Doch da hatte es ihn gepackt, dieses Wesen - mit einer unglaublichen Härte hatte es seine Fußknöchel umkrallt, daran gezogen, um den Rest seines Körpers in einem furchtbaren Elektroschock - ähnlich dem, den er gerade durchgemacht hatte - mit sich in die Tiefe zu zerren. In die bodenlose Tiefe, in der er all den seltsamen Eindrücken jener ihm fremden Welt machtlos, körperlos ausgeliefert gewesen war, und zu schreien gewollt, aber es nicht vermocht hatte. 

 

Auch jetzt wollte er schreien, konnte es aber nicht. Nicht richtig jedenfalls. Denn um sein Sichtfeld spannte sich die halbrunde, durchsichtige Abdeckung aus Kunststoff, die ihn auf jene leicht hügelige, kraterbedeckte Landschaft blicken ließ, welche ihm nun, nach seinem langen Aufenthalt in der anderen Welt unter ihm so vertraut erschien wie nur irgend etwas. Das lag aber nicht an der Mondlandschaft. Sie hatte sich kein Stück verändert. Wohl aber seine eigene Sichtweise derselben. Es war jetzt keine fremde, unerschlossene Wildnis mehr, auf die er blickte - sondern bloß ihre Hülle, auf der er schritt.

 

Während er noch seinen Gedanken nachhing, war für Millionen von Menschen auf der Erde ihr ganz persönlicher Moment der Wahrheit gekommen - ein Moment, auf den sie stolz waren. Jetzt endlich - in diesem Augenblick setzte ihr Held seinen vom silbern glänzenden Raumstiefel verhüllten Fuß auf die Oberfläche des Himmelskörpers und vollbrachte somit das Wunder, das man so gespannt erwartet hatte. Endlich betrat der erste Mensch den Mond und eröffnete so der Menschheit völlig neue Möglichkeiten, eine völlig neue Welt.

 

Eine neue Welt? fragte er sich insgeheim, denn er vermutete, dass mit diesem Schritt, den er jetzt mit von ihm kaum beachteter Leichtigkeit vollführte, keine neue Ära angebrochen war, wie manche Menschen es vielleicht vermuten mochten, sondern dass nur die Erkenntnis, die Sichtweise der Zeit in eine neue übergegangen war - in eine neue Sicht, die, wie er selbst am besten wusste, nur ein Bruchstück von dem war, was die menschliche Rasse noch nicht erforscht hatte.

 

Bedächtig - zögerlich, wie es ihm schien - äußerte er die längst abgesprochenen Worte, die ihm nun wie ein einziger rauschender Hohn in den auf seine Ohren drückenden Kopfhörern klangen. Es waren Worte über Schritte - über kleine, unbedeutende Schritte.

 

 

Der letzte Zauber

Der letzte Zauber

 

„Niemals ist ein zu langes Wort, selbst für mich“, sagte Baumbart.

Der Reiter verließ die grauen Steppen des Nordens, aus denen er kam, um Wohlgefallen zu suchen für sich und die seinigen. Schon lange war es vergessen, da er ausgeritten war, um Abenteuer und Herausforderungen in den grünen Wäldern zu finden. 

Sein Pferd betrat die verschlungenen Pfade, die hineinführten in die Ungewissheit, die vor ihnen lag, und doch beflog ihn ein heimatliches Gefühl, das ihn erinnern ließ an die Zeit, in denen Ausgeglichenheit und Kämpfermut die Welt befleißigten, ihr das abzugewinnen, was anderswo durch Schwärze und Bosheit ausgebrütet wurde, dem Boden, auf dem sie alle lebten, zum Schaden. Nun wollte er unter den Dächern der Bäume hindurch, um jenen Bodenschatz zu heben, wegen dem heutzutage kaum ein Krieger noch ausreiten würde, ihn zu finden. Aber er wusste es. Er wusste es besser.

Die Sonne fiel durch die raschelnden Blätter, als er wie auf Federsohlen über dem Laub des Waldes schwebte, als wenn ihm und seinem Pferd zwei Flügel gewachsen waren, die sie beide auf und davontrugen, hinein in eine bessere Welt, in der die Menschen noch träumen durften.

Nach einer Weile rastete er im hellgrünen Dickicht – nicht etwa, um beschattet zu werden, höchstens von den mächtigen Stämmen der weit ausufernden Baumriesen, die sich um ihn versammelt hatten. Niemand würde ihm folgen, in die ungewisse, unstete Natur dieses Planeten, die sich von einem Augenblick auf den nächsten in ein mörderisches Gewitter zu verwandeln imstande war. 

So fror es ihn in seinem Innern zuerst auch vor den Gefahren, die auf ihn zuzukommen in der Lage gewesen wären, wenn er sich nicht gerade auf der Flucht befände – doch auch so fror es ihn nicht gar so sehr wie in der öden Gegend des Nordens, in der ausschließlich Hass, Kontrolle, und wieder Hass eine Rolle spielten.

Ganz im Gegensatz zu der von oben herabkommandierenden Welt schien ihn diese Gegend zu mögen, denn sie fuhr ihn nicht an, wie sie es vielleicht vermocht hätte. Zwar beschattete sie ihn auf Schritt und Tritt, doch duldete sie den Reiter, wie er da auf vier Hufen durch die längst verloren geglaubten Wälder schritt, der Hoffnung, die er suchte, mit jedem Schritt ein Stückchen näher kommend. Und auch er begann die Wälder zu mögen, obwohl er sie weder riechen noch schmecken konnte.

Bald gelangte er an eine Stelle, wo der Pfad sich in zwei Richtungen teilte – die linke sah etwas dunkler aus und schien tief ins Gestrüpp hineinzuführen, aus dem man sicher nur schwerlich wieder entkommen könnte, im Falle eines plötzlichen Zwischenfalles. Aus reinem Überlebensinstinkt, den er im Laufe seines beträchtlich langen Lebens fest in sich verankert hatte, wählte er sich nun den rechten Pfad, und zog bald darauf an den Zügeln seines Rosses, um auch ihm seine innere Entscheidung kundzutun.

Doch entgegen aller Erwartungen des beherzten Reiters bewegten sich die vier Hufe seines treuen Gefährten nicht einen Deut weiter nach vorn. Das Pferd schritt auf der Stelle. Ein seltsames Gefühl beschlich ihn, und sogleich schaute er sich um, doch konnte nichts Verdächtiges ausmachen, das ihm den Weg hätte verwehren können. Also stieg er ab und berührte mit seinen Füßen zum ersten Mal natürlichen Boden.

Wie gut das ist, bemerkte er zu sich selbst in seinem Inneren, als er den weiteren Verlauf des Pfades in Angriff nahm, und alleine, ohne seinen treuen Begleiter, hinein in die Tiefen des Waldes schritt, ohne Angst oder Furcht, die man ihm in seiner Heimatstadt jetzt mit Sicherheit prophezeit hätte. Solcherlei Andeutungen hatte er ohnehin noch nie allzu ernst genommen, und jetzt wurde ihm auch vollständig bewusst, wie falsch die Leute in seiner Heimat – die angeblich Großen, Weisen und Älteren lagen. Wie falsch sie die ganze Zeit gelegen hatten, in der die Menschheit, eingetrichtert in einem großen Gefängnis aus virtueller Glückseligkeit ihr Dasein gefristet hatte, unfrei, von allen Gedanken befreit, die allein sie hätten glücklich machen können. So schritt er voran, und er bewegte sich wie einer, der seine ersten Vorwärtsbewegungen macht.

Jedes Mal, wenn ein Ast unter seinem Fuß knackte, wollte er laut jubeln vor Glückseligkeit, die ihn langsam erfüllte, mit jedem Schritt, den er sich tiefer in die scheinbare Unendlichkeit der grünen Welt hinein wagte. 

Ein Wagnis war es indes, war er doch sein ganzes eingesperrtes Leben lang nichts anderes gewohnt gewesen als die triste Einöde, die seinen Körper umgab, in der sein Geist zwar laut aufschreien konnte, es aber von niemandem gehört wurde außer von ihm selbst, von seinem Inneren.

Der Weg schien endlos, nach ein paar hundert Metern versagte ihm seine Körperkraft zum ersten Mal ihre Dienste. Er fluchte, schimpfte, aber entschuldigte sich bald darauf wieder beim lichtdurchfluteten Wald, der ja nichts für sein Leiden konnte, nur ein paar Älteste in einem abgelegenen, zu diesem Zeitpunkt weit entfernten Ort waren es, die er verfluchte, deren Lügen er nun durchschaut hatte, und er bewegte sich vorwärts, mit schleppender, stöhnender Kraft ein, zwei Schritte vorwärts – das Ziel musste erreicht werden.

Er hatte geträumt, es hier zu finden, inmitten dieser Abgeschiedenheit, wo ein Wassertropfen, der auf den stillen See plätschert, keinerlei Aufmerksamkeit erregt außer ein paar Kaulquappen, die erschreckt davonschwimmen, durch die Tiefe des Sees, die ebenso endlos schien wie das ganze Fleckchen reale Welt, das der Reiter, der nun kein Reiter mehr war, je zu Gesicht bekommen hatte. 

Es inspirierte ihn, die ganze geräuschvolle Stille bewegte seinen Geist, und zum ersten Mal spürte er in sich so etwas wie Gefühle, die begehrten, an die frische Luft gelassen zu werden, und er öffnete seinen Mund, war es ungewohnt zu sprechen, brabbelte unverständliche Laute hinaus, und doch schien es ihm, als singe er das allerschönste Lied auf Erden. Ein Lied, das von erfüllter Sehnsucht, Hoffnung und einer neuen Welt ging – eine Welt, die erstehen sollte, wenn er das gefunden hatte, was er im Begriff war zu suchen. 

In solchen Gedanken stolperte er über jeden größeren Stein, der sich ihm wehrhaft in den Weg stellte. Die Kraft, darüber hinwegzusteigen, fehlte ihm – dem großen virtuellen Kämpfer, kampferprobt in vielen Kämpfen ohne Schwert, ohne Wunden, die es zu verbinden galt. Allein der Gedanke an Heilung reichte schon aus, die Schmerzen zu lindern, seine Blutung zu stoppen, ihn in eine andere Welt zu befördern, fernab dem Gewirr der Irrealität, die ihn umgab. Wie ein Mauerwerk war diese scheinbare Wirklichkeit, ließ keinen jemals hinaus, nur jene Gedankenstränge, die durch Kabel transportiert zum großen Zentralhirn der Stadt gelangten, wo sie überwacht und gefiltert wurden – nur sie hatten die Erlaubnis, den Passierschein zur unfreiwilligen Freiheit...

Schon begann der Reiter, der nun kein Reiter mehr war, zu fantasieren – er stellte sich hünenhafte Krieger vor, die sich ihm in den Weg stellten, ihn aufhoben und hinwegtrugen an einen anderen Ort, in eine andere Zeit, in der niemand vor Bestrafung Angst zu haben brauchte, und in der jeder seine Schritte selbst zu lenken in der Lage war. 

Die Hünen brachten ihn in ihre Dimension, in eine belaubte Hütte mitten im Wald, die von grünem Gras umwuchert wurde, so dass es für einen Außenstehenden kaum möglich gewesen wäre, sie ausfindig zu machen. Hier lebten die einzigen Existenzen, die sich dem Zugriff der großen Stadt entzogen hatten, nachdem der Krieg fast alles zerstört hatte, und die Ratten sangen ein Klagelied auf die zerstörten Abwasserkanäle – doch hier, inmitten von Elfen und rauschendem Quellwasser störte das niemanden; hier waren alle Lebewesen Freunde, solange sie nur existierten.

In seinem Delirium glaubte der ehemalige Reiter nun zu sehen, wie zwei der starken Krieger einen Trunk bereiteten, in einem großen Kessel, der über einem Feuer in der Mitte des behaglichen Unterschlupfes kochte. Dampf quoll hinauf zum Dach der Hütte, doch er schlüpfte hindurch und entfloh in die endlose Weite der Realität. 

Schon wollte er mit ihm hinaus schweben, in die Frischluft der süßen Träume, da musste er feststellen, dass er sich auch hier draußen nicht vollständig verstecken konnte...

„Bist du wach?“ fragte ihn eine Stimme jenseits des Traumes, und sie manifestierte sich in einem Körper von solcher Vollendung, dass er zuerst nicht an ihre Existenz glauben konnte – aber als sie ihm dann etwas überreichte, oder vielmehr um seinen Hals legte, und den Hünen mit einem Zeichen bedeutete, sich zu entfernen, da wusste er, dass sich seine Reise ausgezahlt hatte. 

Stunden später – so schien es ihm – denn die Sonne und alles, was an den frischen und lichten Tag erinnerte, war verschwunden; und über ihm, durch das Blätterdach des Waldes, schimmerte wie eine silberne Versprechung der Mond in seiner allmächtigen Gestalt.

Er hatte ihn noch nie zuvor gesehen, und bemerkte erst jetzt, dass es in der von ihm lange verschmähten Realität durchaus etwas gab, das an Glanz und Wohlgestalt die starren Strukturen der heutigen Stadtgebäude zu übertreffen in der Lage war... 

Langsam richtete er sich auf, und stützte sich mit beiden Armen ab, um die Waldluft zu schnuppern, den Geruch seiner erfolgreichen Suche noch einmal vorbeiwehen zu lassen, als hätte sie niemals stattgefunden, und doch war sie da, in seiner Erinnerung, die ihn plötzlich befallen hatte wie etwas, das er lange verloren geglaubt hatte. Nichts war programmiert, keine Ziffer störte den klaren Duft, den er in dieser Nacht zu spüren bekam, und alles war wie ein Tautropfen auf einer jungfräulichen Blüte – neu, lebendig und frisch. 

Jetzt hörte er schon wieder das Wiehern seines Pferdes – da wusste er, dass er nun einer von ihnen sein durfte: einer von den Realisten, die frei und ungebändigt ihr Streben nach Unabhängigkeit verfolgten. 

Seine zweite Geburt hatte ihm die Realität zurückgegeben. Er wollte sie nicht mehr aus den Händen geben.

Als er sich wieder vollends aufrichten wollte, musste er jedoch bedrückt feststellen, dass ihm beide Beine fehlten, und er sich ohne sein Pferd keinen Schritt würde vorwärts bewegen können, außer er kehrte zurück nach innen, in sein virtuelles Bewusstsein, das ihm Stärke und Kraft gegeben, aber jedwede geistige Empfindung genommen hatte. An dieser Entscheidung wäre er wohl bald schon verzweifelt, hätte er nicht plötzlich ein leichtes Gewicht gespürt, das vor seinem Oberkörper baumelte – es war mit einer Kette um seinen Hals festgemacht. Er nahm es in beide Hände und betrachtete es rundum...

"...ein altertümliches Horn, klein, aber kunstfertig gearbeitet, ganz aus schönem Silber mit einem grünen Gehänge; und die Handwerker hatten geschwinde Reiter darauf eingeprägt, und sie ritten in einer Reihe, die sich von der Spitze bis zum Mundstück um das Horn herumzog; und es waren Runen von großer Zauberkraft eingeritzt."

 

(Zitate aus: J.R.R. Tolkien, Herr der Ringe)

 

 

Der Ort ist abgelegen und es ist schon zu später Stunde

Der Ort ist abgelegen und es ist schon zu später Stunde

 

Der Glider kommt schon wieder nicht an die Sterne. Enttäuschtes Murmeln. Wie ein ständiger Baß. Dabei hätte Nr. 143 eigentlich die Lösung bringen sollen. Irgendwo da oben muß sie sein. Schweben. Vielleicht auf einem Planeten, einem Stern wandern, herumschleichen. Wer weiß. Nur die Glider können es herausfinden. Diese Verrückten. Wagemutig und irgendwie abgedreht. Eine ganz eigene Clique. Sie will nicht gestört, nicht beobachtet werden. Alles, was sie vorhat: die Lösung finden. Für uns, für die Zuschauer? Ganz gewiß nicht. Unliebsame Teilhaber an ihrer Mission sind die Zuschauer für sie. Tausend Augen starren in die Höhe. Die Glider haben nichts als Antriebsfeuer für sie übrig. Mehr gibt es im Moment auch nicht zu sehen. Die Menge wartet.

Nr. 144 macht sich bereit. Der Helm sitzt, die Sauerstoffzufuhr ist gesichert. Jetzt muß nur noch das Startfeld gedrückt werden. Alles ist vorbei, wenn Nr. 143... Aber da kommt die Meldung: Er hat’s nicht geschafft. Die Starterlaubnis wird schon bald darauf erteilt, man will keine Sekunde verlieren. Ein Päckchen von dem Zeug muß genügen... Dann geht’s los. 

Warum gerade an diesem Tag der große Tag sein soll, weiß niemand so recht. Warum gerade dieser Ort für die Suche auserkoren wurde, weiß nur die Oberste Instanz, ganz weit weg. Sie will nichts damit zu tun haben. Nicht damit in Verbindung gebracht werden. Bloß nicht. Das ist zu dunkel, zu gefährlich. Nichts für unbefleckte Regierungshäupter. Trotzdem haben sie es beschlossen. Es ist schon lang her, trotzdem erinnern sie sich daran. Daß sie die Glider ausgebildet, geschult und mit dem notwendigen Equipment ausgestattet haben. Daß sie alles kontrollieren - die Piloten, den Wettbewerb, die Mini-Kameras, die in jedem der 150 Cockpits installiert sind. Das vermutet niemand. Gut so. Man soll glauben, die Veranstaltung wäre von ein paar Freaks initiiert worden, wäre bloß eine weitere von hundert anderen belanglosen Apokalypsen im Universum. Sogar die Piloten selbst wissen nichts mehr. Sie haben alles vergessen. Zufällig? Bestimmt nicht. Ein bißchen nachgeholfen hat man da schon, aber letztendlich haben sie es dann doch vergessen. Und die beruhigende Aussicht für die Herren Politiker: Falls das Event zum Mißerfolg heranschwillt, werden auch die wenigen Zuschauer und PR-Leute, die davon erfahren haben, alles vergessen. In ihre Heimaten zurücktransferiert, unter normalen Umständen ins Leben ausgesetzt, zurückgesetzt - und bald schon haben sie alles vergessen. Etwas anderes beunruhigt die Regierungsoberhäupter jedoch. Wenn die letzten sechs Piloten jetzt nämlich keine Lösung zutage fördern, wären satte 150 Milliarden Standard-Geldeinheiten hinausgeworfenes Geld, für die Katz. Das wäre der größte Schmerz, der auch noch dem Parlament und dem Geheimdienst erklärt werden müßte. Gebannt an ihren Monitoren, fühlen die Politiker diesen Schmerz jetzt unausweichlich auf sich zukommen. Was läuft schief?

Unser Pilot Nr. 144 befindet sich inzwischen schon längst im All. Seine Zuschauer spürt er im Nacken, obwohl sie ihn nur durch ein einziges Fernrohr, das sie auf Setha-Albinum aufgestellt haben, beobachten können. Das ist das schlimmste. Er weiß ganz genau, daß er beobachtet wird, möchte es verhindern, möchte dieses Fernrohr zerstören, kann es aber nicht, denn wenn er das tut, hängt man ihm einen Prozeß wegen mehrfachen Mordes an den Hals - denn hinter dem Fernrohr sitzen lebende Menschen. 

Sein Adrenalin ist kaum zu bremsen. Das Zeug hat nicht so richtig gewirkt. Auf der Packung steht, daß die Wirkung der Tabletten immer davon abhängt, in welchem Gemütszustand man sich gerade befindet. ‘So fühlst Du Dich - so wirke ich’ - das scheinen die virtuellen Tabletten ständig zu betonen, obwohl man ihre lächerlichen Warnungen einfach mit ein bißchen Wasser runterschlucken kann. Schließlich ist die Droge kein Allheilmittel. Unser Pilot wünschte indes, sie wäre eines. Dann bräuchte er das DING nicht mehr zu finden, bräuchte sich diese verdammte Mühe nicht mehr zu machen, alle Sterne und Planeten des Quadranten abzusuchen, sogar den Sternenstaub, wäre frei, endlich frei, ohne Mission. Die Mission, von der man nicht wieder loskommt. Auch sie ist eine Droge. Du mußt das finden, das eine Ding - die Lösung! -, du mußt sie suchen und zutage fördern. Das wird betont, verdeutlicht, eingetrichtert, eingeimpft - in Seminaren, Workshops, Kursen, Cybertechs usw. ‘So fühlst Du Dich - so wirke ich’ - Verdammt nochmal, was ist das eigentlich? Ein beschissenes Spiel? Sklaverei? Beinahe kommt er sich dabei vor wie ein kümmerlicher Sklaven-Android. Geradezu dumm, daß man es dann doch besser weiß. Wer sich entschlossen hat, den Glidern beizutreten, wer die Ausbildung mitgemacht und Befehlen von Befehlsempfängern gehorcht hat, wer das alles letztendlich für sich in Kauf nahm, nur um der alltäglichen Langeweile minimal, partikelweit zu entkommen, das war schließlich kein Geringerer als er selbst, unser Pilot - er allein hat diese Entscheidung getroffen. Jetzt ist er eine Nummer, kann sich nicht dagegen sträuben und ist nicht gerade glücklich darüber, aber das scheint immer noch besser zu sein als im öden Planetenalltag zu verkommen.

Genauso hatte man auch dafür geworben - früher -, zu der Zeit, an die sich Nr. 144 nicht mehr erinnern kann.

Adventure-Exploring hatte es am Anfang geheißen. Der neue Trend. Eine Sportart, ideal für alle, die sich noch etwas vom Leben versprechen, nachdem man nun endlich alles gefunden und erforscht hatte, was es zu erforschen gab. Ewig leben und völlige Gesundheit gehörten seit Jahrhunderten zum Lebensstandard. Freude am Leben war in das Leben selbst hineinprogrammiert worden. Man konnte sich an allem, was diese schöne neue Welt bot, erfreuen, dank der Wissenschaft. In den vergangenen Jahrtausenden war sie zu einer Gewalt gewachsen, die immer weiter vorwärts drängte, und immer neue Möglichkeiten ersann, wie man die menschliche Zivilisation ein Stückchen weiter in die Unendlichkeit da draußen hinausbefördern könnte... 

Adventure-Exploring war dann der letzte Schritt zur Vollkommenheit. Es ist einfach erklärt. Man gibt sich dem Sinn des Lebens hin, sucht danach, heftet sich ihm an die Fersen. Hat man ihn gefunden, ist man perfekt - ein fehlerloses Individuum, das ganze Rassen mit seiner Perfektion anstecken kann. Man stelle sich vor, daß man in einer Zeit, in der man die Ewigkeit vor Augen hat und keine Gebrechen mehr da sind, aufgrund derer man sich einen besseren Sinn für sein krankhaftes Leben suchen muß, nichts besseres, nichts vernünftigeres mehr zu vollbringen hat als den wahren Sinn zu finden - den SINN, die Essenz aus allem, der Menschheit, dem Universum, der Unendlichkeit der Leere des Alls. Zu diesem Zweck haben sich die Glider geformt - eine Gruppe, stärker als ihr Name, mit einem Teamgeist, der alle Feinde das fürchten lehrt. Den SINN suchen, das ist ihre Mission von Anfang an. Den Sinn - die Aufgabe. Aber wo?

Am Rande des bekannten Universums hatten die Glider sich erst seit ein paar Wochen zusammengefunden, scheinbar auf Befehl, denn sie kamen alle gleichzeitig. Hier, so hatte man gesagt, müsse der Sinn liegen. Irgendwo. Liegen, schweben, herumschleichen. Hier herrscht ‘Mana’ - Zauberatmosphäre. Anders konnte man sich die Kraft nicht erklären, die von diesem Ort ausging. Mana, Zauberkraft. Übersinnliches, Übermenschliches hatte hier seinen Ursprung. Das konnte nicht bestritten werden. Denn jeder, der an diesen Ort kam, fühlte es in seinem Innern, und nahm es mit, trug es mit sich fort in seine Heimat. So war die Kunde vom Mana-Tek in die bewohnten Galaxien geraten, an die Pforten der großen Politik-Häuser auf Quarb I. Und über die Bediensteten, die geringeren Beamten, bis hin zu den großen Entscheidern, den modernen Eumeniden, die über das Schicksal der Galaxien zu bestimmen haben - bis zu ihnen drang diese Neuigkeit vom Mana der Äußeren Sphären. Und sogleich setzte man sich zusammen - beschloß, dem SINN nachzujagen, mit Hilfe der Glider, die es zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht gab.

Für unseren Piloten läuft es überhaupt nicht gut. Er ist drauf und dran, seinen Gurt loszuschnallen, alles außer Kraft zu setzen, in der Stille des Weltraums dahinzuschweben, das Verdeck des Shuttles zu öffnen, und draufloszuschreien, wie noch kein Mensch je im Weltraum drauflosgeschrien hat. Aber noch beherrscht er sich, gibt dem Drang nicht nach, der in ihm aufkommt, seit er gestartet und in die äußerste aller Äußeren Sphären eingedrungen ist. Jetzt herrscht Stille, absolute Stille, und ein Druck. Es ist, als wenn man im Erdwasser zu tief hinabtaucht, oder wenn man auf den Bergen in der Cyberearth zu hoch hinaufsteigt, ohne ein Sauerstoffgerät dabei zu haben. Das alles hat er schon in den Erdsimulatoren erlebt, das alles ist er wie die tägliche Eintönigkeit gewöhnt. Aber noch niemals ist Nr. 144 von so einem unermeßlichen Druck befallen worden wie jetzt. In seinem Kopf ertönt eine Stimme, er glaubt, es wäre Gott selbst, der zu ihm spricht, doch in Wirklichkeit ist es der in seinem Sessel hoch aufgerichtete Oberste Politiker, der Präsident, der wie gebannt auf seinen Monitor schaut und den Ereignissen folgt - ja, er kann sie förmlich miterleben. 

„Der Druck nimmt zu. Hier bist Du am Ende der Mission. Suche den SINN.“

Diese Worte hört Nr. 144 in seinem Kopf, mittels einem winzig kleinen Stimmen-Infiltrator an den Neuronen seines Gehörsinns. Ja Meister, will er sagen. Ja Meister, ja Meister, ja Meister... Nr. 144 schaltet den Motor ab, die Antriebsfeuer erlischen, die Menge unten am Fernrohr hält den Atem an - endlich geschieht etwas! Nr. 144 hält seine Augen fest auf das gerichtet, was in sein Blickfeld kommt.

Er muß ihn finden, muß ihn finden, jetzt, für immer, jetzt. Diese und ähnliche Gedanken durchkreuzen die Bahnen vieler Gedanken - die Zuschauer, die Politiker ebenso, und auch sämtliche Geheimdienste wollen wissen, was dahinter steckt. Was will die Ewigkeit, die Perfektion uns mitteilen? Was ist es? Wo liegt der SINN? Wer macht ihn für sich nutzbar?

Nr. 144 gleitet lautlos durch den Raum. Eine Krümmung trägt ihn weit fort, in eine andere Zeit, Phase, Existenz, Dimension - unser Pilot bemerkt nichts. Seine Augen sind immer noch auf das Schauspiel vor ihm gerichtet, das sich scheinbar in jeder Nanosekunde verändert, verschärft, verkürzt... Es ist tatsächlich etwas Magisches, das hat etwas vom ‘Mana’, das erwähnt wurde, es muß etwas bedeuten, muß den SINN beinhalten, zumindest eine Information darüber, wo er zu finden ist, wie er aussieht...

Es kommt unserem Piloten so vor, als tanze das Gebilde mit ihm, was äußerst seltsam erscheinen mag, und dennoch läßt sich die Empfindung, die er bei den Geschehnissen im Raum vor sich verspürt, kaum verleugnen. Da schwebt ein Körper, ein vielgeästeter, weitverzweigter Körper, mit Armen wie Tentakeln, welche ganze Sternensysteme in sich einschließen. Die vielen Planeten, Kometen, Sternenbilder gleiten von einem Ende des Körpers zum anderen, verharren aber in ihrer Koexistenz, werden verinnerlicht von dem riesigen Schatten, der sich da mitten vor dem Piloten im Weltraum auftut, und er droht alles zu verschlingen, so hat es den Anschein. Alles, was ihm in den Weg kommt, wird es vereinnahmen. 

Kein schwarzes Loch ist es, denn Nr. 144 hat schon hunderte schwarzer Löcher gesehen, die im Weltraum ihr Maul aufsperren, um sämtliche Materie in sich hineinzusaugen, zu schlucken, zu verdauen. Nein, das hier könnte wohl die große Schwester sein, ihre Mutter vielleicht. Der Ursprung des Unerklärlichen, Mystischen - etwas, das noch immer im Universum sein Unwesen treibt, und die Sinne der Menschen verwirrt, bis ins Äußerste zum Wahnsinn treibt, verformt... 

Der ovale Monitor ist auf einmal leer, da ist nichts mehr zu sehen, noch nicht einmal ein kleiner Überrest von dem Gebilde, noch nicht einmal das Cockpit selbst, und wo ist Nr. 144? 

Alle Welt fragt sich, wo er ist, aber da geht das Spiel schon weiter, die automatische Suchfunktion kennt keine Pause - ‘Starterlaubnis erteilt’ ertönt es aus den maschinell gesteuerten Kopfhörern von Nr. 145, und ein paar größenwahnsinnige Politiker bereiten sich schon auf ihre sichere Niederlage vor.

 

 

Herr Dredre und seine Fee

Herr Dredre und seine Fee

 

Cogito ergo sum.

 

„Wie, Sie können sich nichts darunter vorstellen?

Jetzt aber flugs! Bilden Sie sich ein, Sie könnten morgens einfach ausschlafen, wenn Sie müde sind – ohne auf Arbeitszeiten oder feste Termine zu achten. Wäre das nicht wunderbar? Den Wecker klingeln zu lassen, das Telefon läuten zu lassen – und die Ehefrau, die ständig versucht, Sie zu wecken, einfach mal nicht zu beachten? Und das alles ganz ohne Folgen – ohne irgendwelchen Streit heraufzubeschwören. Wäre das nicht toll? Ja, sicher – ich verstehe Ihren Einwand. Und ja, ich weiß auch – es ist unmöglich, diesen Traum wahr werden zu lassen. Sie als Wissenschaftler werden mir sicher tausend Beweise dafür liefern können. 

Doch glauben Sie mir – und vergessen Sie alle Theorien, logischen Schlussfolgerungen und Gesetze, denen wir unterworfen sind. Glauben Sie mir, Herr Dredre: die Utopie und der Traum – das sind die einzigen Dinge, die uns Menschen noch geblieben sind. Warum nicht einfach mal träumen und alle Sorgen vergessen? Denn wer träumt, ist kein Feigling, wie manche annehmen, nur weil er aus der Realität flieht. Nein – wer träumt, der flieht gar nicht, sondern er vergisst die Realität lediglich für eine kurze Zeit. Bevor Sie gehen, mein Freund: irgendwann – heute Nacht, vielleicht schon morgen, vielleicht erst in einem Jahr – doch irgendwann, Herr Dredre, zu einer ganz bestimmten Zeit, da werden auch Sie noch träumen – da bin ich mir hundertprozentig sicher. Und spätestens dann werden Sie wissen, dass ich Recht hatte... Und grüßen Sie mir Ihre Frau Gemahlin!“

Herr Dredre war wohl so beeindruckt von meinen Ausführungen gewesen, dass er schon in der nächsten Nacht ganz ungewöhnliche Dinge träumte – bei ihm so etwas wie ein Jahrhundert-Ereignis. Als er mir am nächsten Tag davon erzählte, da konnte ich es zunächst gar nicht fassen. Herr Dredre, den ich immer als todernsten, nüchternen Wissenschaftler erlebt hatte – plötzlich ein Träumer? Aber es war wirklich so, denn die Geschichte, die er mir erzählte, die konnte er nicht einfach so erfunden haben. So etwas kann man nur selbst erleben, oder – träumen. 

Herr Dredre berichtete, und es schien mir kein Traum, als eher ein Märchen zu sein:

„Es war einmal ein Prinz, der war so schön, und er lebte in einem Königreich, das war schon lange Zeit vor uns – als es noch Märchen, Elfen und Feuer speiende Drachen gab. Sein Königreich war eines der größeren: wohlhabend, mächtig und unbeschreiblich wunderbar. Sanfte Hügel schwangen sich um die Tallien lieblicher Täler und glitzernde Flüsse fanden ihren Weg durch diese himmlische Herrlichkeit – beschienen von der frühen Morgensonne. Himmelhohe Berge und grasgrüne, satte Ebenen breiteten sich diesseits und jenseits dieser Märchenlandschaft aus, aber noch hatte die Pracht des Reiches kein Ende. Denn zehn Monate im Jahr wurde es von den warmen, goldenen Strahlen der Sonne verwöhnt, und es glänzte dann wie der Himmel selbst; im Winter, wenn die Vögel nach Süden ziehen, da war es nicht trist oder leer, sondern lag da, begraben unter jener romantisch-weißen Schneedecke, unter der es sich so schön träumen lässt. 

Auch der Prinz lag so manches Mal im weißen Schnee, wollte träumen, und gar nichts weiter. Er dachte sich: eine Welt voller Träumer, das wäre wohl eine perfekte Welt! Und so träumte er von der Welt da draußen, wie gut es den Leuten doch ergehen musste, so ganz ohne höfische Regeln und frei in allem: sie konnten ja tun, was ihnen einfiel; da war niemand, der sie in ihrem Eifer einschränkte. Niemand, der beständig über sie wachte – wie ein kleines Kind. Und keiner, der sich ,König’ oder ,Vater’ schimpfte. Doch am meisten von all diesen freien Menschen reizten ihn die Töchter seiner Untertanen. Denn keine Prinzessin in der ganzen weiten Welt war so frei wie diese.

Sie waren ja auch unbeschreiblich schön – schöner als so manche Frau von Adel. An manchen Tagen, wenn es besonders heiß war, da ließen sich die hübschen Maiden sogar dazu hinreißen, ihre Kleider abzulegen und im See ein Bad zu nehmen – ihre sanften Rundungen, ihr Liebreiz! Auch der See, bei dem der Prinz sich immer versteckt hielt, der war so schön, und glatt wie ein Spiegel. Man konnte meinen, man wäre weit hoch über den Wolken, und da schwämmen vollkommene Engel durch das Wasser, gerade zwischen den Pforten des Himmels.

Der Prinz verweilte dort immer, wenn er gerade nicht seine königlichen Verpflichtungen einhalten musste – die waren so grausam und sein freigeistiges Gemüt verging jedes Mal vor Langeweile beim ,Königlichen Dinieren’, oder wenn ,Königlicher Besuch’ erschien. Das war immer so ernst!

In seiner seltenen Freizeit besuchte er also das einfache Volk des Landes, wozu er sich wie einer von ihnen verkleidete. Hier wollte er das Leben genießen, in vollen Zügen; und die Abenteuer erleben, welche ihm beim väterlichen Hofe nicht gestattet waren. Doch leider erkannte man bereits beim ersten Hinschauen, dass er von hohem Rang sein musste. Denn er verstand nichts vom Verkleiden, noch verstand er es, sich wie ein gewöhnlicher Untertan zu benehmen – in dieser Hinsicht war der Prinz etwas ungelernt. 

Aber bei Hofe lernt man ja auch nur die wichtigen Dinge des Lebens! Und so endeten seine ,Abenteuer’ für gewöhnlich in einem großen Fiasko, denn seine Untergebenen waren arm; und sie alle wollten nur des Prinzen Geld und betrogen ihn, wie es nur ging – denn sie beherrschten alle Tricks. Schon bald hatte der Prinz genug von alledem und wollte aufhören, die Töchter des Landes zu besuchen, das Abenteuer zu lieben und seinen Traum wahrzumachen – sich mit einem der hübschen Mädchen aus dem Fluss zu vermählen –, da erschien ihm des Nachts, als er gerade an nichts bestimmtes dachte und hinaus auf den Mond schaute, der sein Licht, das nicht wärmen wollte, auf die Welt verbreitete – in diesem Augenblick erschien ihm eine Fee. Woher sie kam, das sah er nicht, obwohl sie doch durchs Fenster gekommen sein musste.

Aber sieh doch! Die Fee sah überhaupt nicht aus wie eine Fee – denn eher glich sie mit ihrem krummen Buckel und dem krustigen, verdreckten Gesicht einem armen, alten Bettelweib; das musste wohl gerade vom Palasttor hier hineingeschlichen sein! Der Prinz war auch schon drauf und dran, aus voller Kehle um Hilfe zu rufen, aber er brachte keinen Ton hervor. Denn die Fee war eine wirkliche Fee, und sie hatte ihm rechtzeitig mit Zaubermacht seine Stimme genommen. „Hallo.“ begrüßte sie ihn daraufhin.

„Ich bin deine Fee,“ sagte sie. „Was immer du dir auch wünschst – es soll in Erfüllung gehen.“ Dann schaute sie sich erst einmal in dem großen Zimmer um und erforschte jede Ecke, zündete den prächtigen Kamin an, und warf sich auf das große Sofa, das in der Mitte des Raumes stand. Sie lachte. Der Prinz klebte an seinem Bett – er wollte fliehen oder wenigstens diese Alte hinterrücks niederschlagen, doch es gelang ihm nicht. Denn auch das hatte die Fee mit ihrer Zauberkraft schon vorher bedacht, und hatte bewirkt, dass der Prinz sich nicht eher wieder vom Bett rühren könnte, als bis er seine Lektion gelernt hätte. 

„Na ja, für immer möchte ich nicht hier wohnen,“ meinte die Alte, „vielleicht ein paar Monate. Ist ja ganz nett hier drin.“ Sie schaute sich noch einmal um, drehte sich dann aber ruckartig zum Prinzen, und mit einer plötzlichen, wild kreisenden Armbewegung und feurig-brennenden Augen rief sie aus, drei Worte nur: „Kaz! Kar! Kaz!“ Der Prinz verstand nicht. Er dachte, das wäre ein Zauberspruch, und schaute verdutzt... 

So begannen die phantastischen Abenteuer des Prinzen; und sieh! hierbei blieb er immer auf seinem Bett sitzen, und nur um ihn herum passierte alles – woran der Prinz auch dachte: es erschien und wurde wahr.

Zuerst wünschte er sich nichts sehnlicher, als aufzustehen, hinauszurennen, die Wachen holen zu lassen und diese impertinente, gottverdammte Hexe in den Kerker werfen zu lassen. Doch die Fee war schneller, und Schwuppdiwupps! da lag der Prinz selbst gefesselt und angebunden in seinem eigenen Kerker. Ein Wächter lachte spottend auf ihn herab: „Ha! Bist du endlich geschnappt worden. Das geschieht dir Recht. Ha! Ha! Morgen bist du nichts als ein Häufchen Asche.“ Mit diesen Worten stieß er das Gitter der Zelle zu und der Prinz war allein im Dunkel der Nacht – aber war es überhaupt Nacht? Der Prinz konnte es nicht feststellen, denn seine Zelle hatte keine Fenster. Es stank dort, roch nach Exkrementen, und es war so dunkel! 

Der Prinz fragte sich, wie er bloß hierher gekommen war. Da erschien in einem hellen Lichterkreis die Fee, und seltsamerweise räkelte sie sich noch immer auf dem Sofa, das doch eigentlich im Zimmer des Prinzen stehen musste. Aber jetzt stand es auf einmal mitten im Kerker, und die Alte sagte: „Tja, mein Lieber. Du wolltest ja, dass alles in Erfüllung geht, was du dir wünschst. Das hast du nun davon; aber sag: warum hast du dir so etwas gewünscht? Na ja – meine Sache soll es nicht sein... Doch schau! In Wirklichkeit bist du gar kein Prinz. Das hast du die ganze Zeit nur geträumt, nicht wahr? Ist ja auch kein Wunder, wenn man so heruntergekommen ist wie du, dass man anfängt zu träumen, von besseren Welten, Abenteuern und so weiter...“ 

Urplötzlich sprang sie vom Sofa auf: „Bah, stinkt das hier!“, meinte sie, als ob sie den üblen Geruch hier unten erst jetzt wahrgenommen hätte. „Nichts für ungut, mein Liebster, aber ich muss hier raus, bevor...“ Aber die Fee kam nicht mehr rechtzeitig fort; und sie war so freundlich: denn das, was man hierzulande auf dem WC zu tun pflegt, tat sie in des Prinzen Schoss hinein – sie erbrach sich. 

Und der Prinz starrte angewidert auf seine besudelten Kleider. „Was zum Henker ist passiert?“, entfuhr es ihm; denn jetzt erst war er sich sicher, dass er sich nicht in einem Alptraum befand, wie er zuerst angenommen hatte, sondern im wahrsten Sinne des Wortes mitten in der schmutzigsten aller Realitäten saß – der schmutzigsten, die er sich vorstellen konnte. Die Fee schmunzelte verschmitzt, sagte „...“ und verschwand.

Da war der Prinz mit sich und der Welt allein, viele Stunden lang, und er konnte sich nicht bewegen, denn die Fee hatte ihn ja verzaubert. Aber wenigstens seine Stimme hatte er wieder, und ein großes Mundwerk führte er; schließlich war er ein Prinz! Doch niemand wusste das, und so erregte der Mann von Adel großes Aufsehen und fand sich schon zwölf Stunden früher als geplant auf dem Scheiterhaufen in der Stadt wieder, wo ihn viele Leute vom Marktplatz her angafften und brüllten. Gerade wurde das Feuer angezündet, und langsam krochen die Flammen höher, immer höher das Gehölz hinauf, und die Füße des Prinzen wurden zunächst warm und dann immer heißer, bis die Zehenspitzen vom Feuer schon angesengt waren. 

Doch zum Glück erschien in ebendiesem Augenblick abermals die Fee. Und sie erinnerte den Prinzen: „Denke daran! Du kannst dir alles wünschen – was du nur willst. Es wird bestimmt in Erfüllung gehen.“ Der Prinz, der von dem Leid, welches er in den letzten Stunden über sich ergehen lassen musste, schon geplagt war bis zum Ende; er wollte nichts weiter als in sein altes Leben, in sein Bett zurück – und Schwupp! da lag er wieder auf der weichen, gefiederten Matratze in seinem königlichen Gemach, doch konnte er sich immer noch nicht bewegen, denn noch hatte er seine Lektion nicht vollständig begriffen.

Und so wünschte er weiter: als Nächstes wollte er bei den Töchtern des Landes verweilen, und ihren Liebreiz, ihre Eleganz bewundern – und eine von ihnen küssen! Die Fee schnipste mit dem Finger, und schon – Hopp! – lag er im Gebüsch, und er blickte auf viele schöne Frauen, die am Ufer eines kleinen Baches ihre zierlichen Kleider abstreiften; doch ihre Eleganz verloren sie nicht, auch wenn sie sich dann schamlos und nackt im Wasser tummelten. Niemand bemerkte den Prinzen, bis er laut aufschrie – als er nämlich merkte, dass er in einem Brennnesselstrauch saß. Doch er konnte nicht aufstehen, denn die Fee hatte ihn ja zur Bewegungsunfähigkeit verdammt. Irgendwann musste er seinen Schmerz aber einfach hinauslassen, und er begann zu schreien – das schmerzte vielleicht! 

Die schönen Mägde nahmen hastig ihre Kleider, und rannten alle davon. Sie warden nicht mehr gesehen – bis auf eine. Und sie war die schönste von allen! Splitternackt wie sie war, kam sie auf den erstaunten Prinzen zu, und alles an ihr war so wohlgeformt! Die Gestalt, die Erscheinung, das liebliche Gesicht – einfach alles war perfekt, und der Prinz konnte kein Makel an ihr erkennen. Er verliebte sich Hals über Kopf in dieses engelgleiche Wesen, das da auf ihn zugeschwebt kam. Ja, wenn es Engel gab, dann mussten sie genau wie dieses Mädchen aussehen!... 

Und als sie nahe genug herangekommen war, und sich niederbeugte, um den Prinzen zu küssen, und als die Hände des Königssohnes diese makellose Haut, die vor ihm nun wie reine, weiße Milch dahinfloss, betasten wollten – ja, sie würde sich anfühlen wie sanfte Seide und so schmecken wie süßer Honig! –, da verschwand das Trugbild, und vor dem Prinzen stand die hässliche, alte Fee. Puff! Da war der Traum weg, und die hässliche Alte saß wieder auf dem Sofa, das in dem kleinen Bach dort hinten schwamm, wo es doch gar nicht hingehörte! Und sie rief wie aus weiter Ferne zu dem Prinzen hinüber: „Na, mein Liebster, hast du dich verliebt in mich?“ Sie lachte und murmelte noch etwas von „...“ oder so ähnlich. Der Prinz verstand nicht, und eigentlich war es ihm auch egal. Er sagte zur Fee: „Das ist mir alles schnuppe. Ich will nur zurück nach Hause.“ 

Schwuppdiwuppdiwupps! befand er sich daheim auf seinem Bett. Und die Fee fragte ihn, mit einem Grinsen im Gesicht: „Na, wo möchtest du jetzt hin, mein Kleiner? Welches Abenteuer willst du jetzt erleben? Ich erfülle dir jeden Wunsch – was du nur willst.“ Der Prinz aber sagte missmutig: „Nirgendwohin, keine Abenteuer mehr. Nie wieder. Denn was nützt mir der süßeste Traum, wenn ich ihn nicht anfassen kann?“ Darauf klatschte die Fee Beifall und jubelte: „Er hat es gelernt, er hat es gelernt!““

Hier brach Herr Dredre plötzlich ab.

Dann erteilte er mir die Moral von der Geschicht’: „Sehen Sie –“ begann er, „genauso ist es mit Ihrer Schreiberei. Sie können zwar in die Traumwelt hinausschauen und sie zu Papier bringen, doch Sie werden sich in dieser Welt, in die Sie nicht hineingeboren wurden, ohne eine gehörige Portion Realitätsbewusstsein niemals zurechtfinden. Vielleicht werden Sie an ihrer Oberfläche kratzen, ein wenig von ihr träumen, so wie man vielleicht vom schneebedeckten Winter träumt, wenn man im warmen, behüteten Haus hinter der Fensterscheibe klebt und mit dem Kupferpfennig kleine Löcher in die eisbedeckte Scheibe brennt – der Winter, wie schön! Wie man dort im Schnee herumtollen kann! 

Doch ebenso gut kann man dort draußen, in dem wunderbaren, weißen Schnee erfrieren. Ihren Traum anschauen – das können Sie, mein Freund, und an seiner Oberfläche spazieren gehen; ja, das schaffen Sie wohl auch – doch ihn berühren? Oder gar in sein Innerstes vorstoßen? Nein, das schafft keiner, Herr T., und auch in Zukunft wird es dem Menschen nicht gelingen; glauben Sie mir – ich bin Wissenschaftler. Denn hier ist das Leben – auf der Erde –, und nicht ,irgendwo weit draußen’, wie Sie immer schreiben. Sehen Sie: Wenn man in seinem eigenen Leben zurechtfindet, dann hat man sich genug Träume erfüllt.“

Ich war erstaunt über meinen Freund – so kannte ich ihn gar nicht.

„Also haben Sie mir die ganze Zeit nur etwas vorgegaukelt – ich meine den angeblichen Traum, den Sie letzte Nacht hatten?“, fragte ich. Und er antwortete mir prompt: „Ja, glauben Sie denn, wir Wissenschaftler wären nicht dazu in der Lage, Geschichten zu erfinden?“

Das gab mir zu denken. 

 

 

Mutantenlöscher

Mutantenlöscher

(coldness covering the floor ...)

 

Es war so richtig kalt. Als wenn Schnee liegt.

 

Maurice schaute auf den glänzenden Asphalt, vom Eis bedeckt. Die Straße ist kalt, dachte er, soll ich ihn heute umbringen? Ich meine, ich könnte ausrutschen.

 

Aber im nächsten Augenblick schob er diese Gedanken beiseite, Gedanken eines Weichlings. Wie er noch nie einer gewesen war. Heute musste es geschehen. Terminschluss. Abgabetermin. Wie damals in der Schule, in der er nie gewesen war.

 

Langsam rutschte er mit seinen Phylo-Walkern auf dem Bordstein entlang, bis er eine passende Stelle gefunden hatte. Dann stieg er auf. Das Bike rutschte ein wenig beim Anfahren, doch dann ging es. Langsam, aber es ging. Das heißt, es fuhr.

 

Eine Zeitlang war alles gut, doch dann drehten die Räder durch. Maurice auch. Scheißding! fluchte er halbleise. Schon längst wollte er sich ein neues gekauft haben, aber irgendwie fehlte ihm dazu der Account. Vielleicht heute, nach der Aktion. Nach der Akkreditierung.

 

Sean Skytracer hieß sein Opfer. Vielleicht hieß er gar nicht so, war der Name nur ein Deckname. Wen stört’s. Man nimmt, was kommt. Sonst kommt man zu nichts. Das hatte Maurice gelernt. Wenn du im Leben was werden willst, frag nicht, sondern tu. Tu es einfach.

 

20 Geschwindigkeit. Der Treibstoff sollte mal etwas billiger werden. 30 Unzen pro Quadratfüllung. Das konnte nicht so weitergehen. Demnächst erheben sie noch Steuern, dachte er, und rutschte aus.

 

Scheiße.

 

Da lag er auf der Straße, und niemand war da. Zum Glück. Peinliche Sache. Mühsam rappelte er sich wieder auf und schob sein Bike bis zur nächsten Kreuzung. Dort ließ er es stehen, damit er es später wiederfinden könnte. Weit war es sowieso nicht mehr. Um die Ecke, das zweite Gebäude auf der rechten Seite.

 

Zweihundert Stockwerke.

 

Oh nein, dachte er, nicht eins von diesen Dingern. Die hasste er. Wenn der Beamer nicht funktioniert, müsste er womöglich noch Aufzug fahren. Altmodisch. Gefährlich. Na ja. Erst mal reingehen und schauen, in welchem Stock der Typ wohnt.

 

„Sean Skytracer“. Da war der Eintrag auf dem Monitor. Daneben ein Klingelbutton. Maurice hütete sich. Das würde Sean warnen. Wahrscheinlich klingelt nie jemand bei ihm. Alle Verschwörer haben eine Karte für die Wohnung. Die kommen auch so rein. Jeder Fremde, der klingelt, ist verdächtig.

 

Die Eingangstür zum Haus war auf. Normal. Schließlich kommen dauernd Leute und gehen wieder. Wie sollte ihn da jemand erkennen? Der einzige Vorteil dieser Häuserstädte. Du kannst reingehen, niemand sieht dich, niemand kann dich identifizieren, und du kannst sagen, ich will hierhin oder dorthin oder war bei dem und dem... und niemand wird’s dir beweisen. Das ist der Vorteil.

 

Er trat in die große Halle und suchte den erstbesten Beamer, der noch frei war. Drinnen war das Gebäude voller Menschen, von außen sah man das gar nicht. Er fühlte sich unwohl. Schritt die langen Reihen der Kabinen auf und ab. Nr. 23 war dann endlich irgendwann frei. Nachdem eine fette Menschin sich irgendwohin katapultiert hatte. Er drückte den Knopf zum 103. Stock. Da wohnte sein Opfer.

 

Im selben Moment war er da. Stand vor der Tür. Klopfte aber nicht.

 

Mit einem Anlauf rannte er die Tür nieder und fand sich in einem leeren Raum.

 

Mist.

 

Der Vogel ist ausgeflogen, fuhr es ihm durch seine Schaltkreise.

 

Aber da sprang ihm der Mutant von oben ins Genick.

 

Maurice löschte die Situation auf Knopfdruck. Der Mutant verbrannte, fiel von seinen Schultern auf den Boden. Da erfror er. Es war kalt, auch im Haus. Als wenn Schnee liegt.

 

575 Wörter, Copyright © Sven Klöpping (fictionality@web.de)

Nach Deutschland

Nach Deutschland

 

„Morgen fliegen wir dann nach Deutschland.“ sagte die Reiseleiterin mit ihrer üblich ruhigen, alleserklärenden Stimme, die uns nichts vorenthielt, was wissenswert gewesen wäre.

„Deutschland war einmal ein reiches, wirtschaftlich sehr intensiv strukturiertes Land, welches sich leider zu sehr den Genüssen des Reichtums hingab, als um überleben zu können. Aber dazu morgen mehr. Gute Nacht, alle zusammen.“

Als sie gegangen war, konnte man im Bettensaal ein lautes Gemurmel wahrnehmen. Alle unterhielten sich nun über unseren Trip nach Amerika, welcher wirklich erschreckend gewesen war. Wie ein solch angesehenes und schönes Land dermaßen verkommen konnte, wollte und würde ich wahrscheinlich nie begreifen. Da türmten sich Müllberge auf, wo einst die schönsten und höchsten Gebäude der Welt residiert hatten. Die Menschen leben in Baracken, die sie sich aus herumliegenden Hölzern zusammengezimmert haben.

Was wir wohl morgen in Deutschland erleben werden? Erst einmal schlafen...

 

„Aufstehen, wir sind da.“ weckte mich eine sanfte Stimme aus meinen Alpträumen. Ich musste fürchterlich geschrien haben, denn Nataly, so hieß die Besitzerin der Stimme, fragte mich:

„Hast du schlecht geschlafen?“

„Ein wenig geträumt habe ich schon...“

„Das ging uns allen so.“ klärte mich Nataly auf.

Sie war wirklich eine verständnisvolle, nette junge Dame aus den vornehmen Kreisen von Lesoto. Aus den vornehmen Kreisen deshalb, weil nur reiche und hochangesehene Persönlichkeiten sich eine Weltreise wie die, auf der wir uns befanden, erlauben konnten.

„Unter uns sehen Sie Berlin.“ sagte die Reiseleiterin, die in ein viel zu großes Mikrofon hineinsprach.

„Vor langer Zeit Hauptstadt des Deutschen Reiches, das uns Afrikaner, aber auch Juden und alle anderen Andersartige und -denkende vernichten wollte. Zum Glück haben sie das nicht geschafft. Hitler und seine Armeen wurden 1945 zur Aufgabe gezwungen. Aber diese Geschichte kennen Sie bestimmt aus den Geschichtsbüchern, werte Gäste.“

Das hatte ich schon wieder vergessen. Ich dachte, der Zweite Weltkrieg wäre erst 1963 beendet worden, mit dem Bau der Berliner Mauer (welche ich in den Ruinen, über die wir flogen, vergeblich suchte). Aber Zahlen und Daten sind eben nicht mein Steckenpferd und werden es wahrscheinlich niemals sein.

Ich schaute wieder nach draußen. Unter uns waren nur noch armselige Hütten zu erkennen, genauso wie in New York. In der Innenstadt bildeten sich zwar langsam wieder erkennbare Infrastrukturen, doch der Gesamteindruck blieb grauenhaft und erschreckend. Solche Bilder hatten mich letzte Nacht in meinen Alpträumen verfolgt. Nun sah ich sie direkt vor meinen Augen. Außer ein paar Häusern aus Stein und sehr wenig Strommasten waren die Baracken ausschließlich aus Holz, Kunststoff oder sonstigen Materialien, die man auf den riesigen Müllhalden vor der Stadt finden konnte, gebaut worden. Welch ein eklatanter Unterschied zu unseren heimischen Metropolen! Dort besteht eine Stadt nur aus zehn bis fünfzehn Häusern, wobei jedes Haus für sich allein genommen schon eine ganze Stadt ist. In Kairo zum Beispiel leben in nur acht Häusern zehn Millionen Menschen. Hier fühlt man sich dagegen wie in den Gefängnislagern auf dem Mond oder den Bergwerken des Saturns. Vielleicht ist die Luft auf der Erde noch besser, aber das ist auch der einzige Unterschied. Zusammengepfercht drängeln sich die Leute auf den Straßen, auf der Suche nach etwas Essbarem. Kein Wunder, dass immer mehr „Eskimos“ oder - etwas galanter ausgedrückt - Farblose in Afrika Asyl beantragen. Da sie uns die Arbeitsplätze stehlen, müssten sie alle zurückgeschickt werden, behaupten manche Rechtsradikale. Doch wenn ich mir nun das Elend anschaue, in dem sie leben, distanziere ich mich von derartigen Meinungen. Zurückgeschickt zu werden würde doch gleichsam den Tod dieser Individuen bedeuten, womit wir keinen Deut besser wären als Hitler und seine Leute damals.

Nach einem kleinen Ausstieg im Ruhrgebiet, wo uns die Leute um ein oder zwei kenianische Münzen anbettelten (sie konnten meistens nur ein paar Worte kenianisch), stiegen wir wieder in den Aerojet und begaben uns auf die Heimreise.

 

621 Wörter, © Sven Klöpping (fictionality@web.de)

Doomsday

Doomsday

 

Ich stehe auf einem bewaldeten Berg, auf der steinernen, felsigen Kuppe, die ins Tal, zum großen Fluss hinunterblickt. Er fließt ungestört und unbeeindruckt von den großen Dingen, die um ihn herum geschehen, wobei sich seine Wellen sanft im aufkommenden Winde kräuseln. Hier oben, dem Tal Angesicht in Angesicht gegenüber, throne ich über der Menschheit, und warte. Die Arme weit ausgebreitet, fange ich den Duft, die würzige Mischung aus dunkler Vorahnung und baldiger Veränderung, und verstreue ihn unter mich ins Tal, in dem die Menschen leben.

 

Noch hoffen sie, denken, es zieht vorbei, in eine andere Richtung - zur großen Stadt vielleicht, oder ganz woanders hin -, vorbei an ihren Häusern jedenfalls, an ihnen selbst. Das denken sie, und sitzen, während sie noch stirnrunzelnd gen Himmel schauen, weiterhin auf ihren Terrassen, auf den von Gitterabgrenzungen umgebenen Balkonen, nichtsahnend. Sie hoffen - noch sind sie ziemlich selbstsicher - hoffen darauf, dass die Sonne wieder hervorkommt. Aber weder Sonne, noch Licht, noch Wärme wird jemals zurückkommen - ganz in der Nähe braut sich etwas zusammen, das Böse schlechthin.

 

Der Duft, den ich mit der aufkommenden Brise einatme, ist würziger, schmeckt bittersüß. Es wird ein ungemütlicher Abend für die Menschen im Tal. Noch denken sie, hinter den sicheren Mauern ihrer Häuser wären sie beschützt, falls ein Gewitter kommt. Noch messen sie all dem keine Bedeutung bei. Zu oft haben sie schon ähnliches erlebt, haben ihre Häuser sie vor peitschenden Stürmen, niederprasselndem Regen beschützt. Viel zu oft. Sie merken nicht, dass ihr Irrglaube böse Folgen haben wird. Denn für die Mächte, die ich gerufen habe, sind ihre ‘Festungen’ lediglich leicht zerquetschbare Spielzeughäuser - nicht dazu geeignet, ihre Bewohner vor dem kommenden Unheil zu bewahren. Ich unterdrücke ein Grinsen, das um meine Lippen spielt, und konzentriere mich stärker auf das Unwetter, das ich gerade heraufbeschwöre.

 

Wie als Antwort grollt von fern der erste Donner über das Wasser, das wie ein Faden die Landschaft in unterschiedliche Regionen teilt. Hier stehen die Nadelbäume, drüben sieht man mehr Laubbäume, die in ihrer Gesamtheit weitmaschiger, und nicht so eng wirken. Die Leute diesseits des Flusses denken genauso eingeengt wie ihre Nadelbäume, nämlich, dass sich das Wetter nicht herüberwagen wird, über die dunkelblaue, trennende Wasserlinie - sie glauben, die Blitze würden sie verschonen.

 

Leichtgläubige. Zuerst wird sie ein Schimmerglanz von Furcht und Schrecken befallen, und sie werden aufwachen, als ob sie ihr ganzes Leben lang geschlafen hätten. Danach werden sie schreien - starre Todesangst wird in sie dringen, und ihre Leiber zu Schreckgestalten verkrampfen lassen, ihre Haare werden im tobenden Wind wehen, und ihr panisches Gekreische wird vom heulenden Sturm geschluckt. In weit aufgerissene Münder wird der zuckende Blitz fahren, und Vergeltung fordern für all die Schandtaten, welche die Menschheit der Natur angetan hat, für den Asphalt, auf dem der Mensch, dessen offener Mund noch leise zuckt, dann verschmolzen liegt. Zu einem Klümpchen schwarzer Asche wird er zurückkehren, zu einem kleinen, schwelenden Häufchen.

 

Ich schmecke das Unwetter, meine Zunge leckt es begierig aus der Luft. Meine Hände verkrampfen sich zu Krallen, schließen sich als ballende, drohende Fäuste, die die Welt unter mir verfluchen. Die ersten dunklen Wolken zeichnen sich am Himmel ab, sie kommen leise über einen gegenüberliegenden Hügel geschlichen, wie Geister, Dämonen der Finsternis, das Licht zu verschlingen. Noch sehe ich die Leute draußen sitzen, auf ihren bequemen Gartenstühlen - sie trinken, unterhalten sich, viele sitzen um Tische herum, die anfangen zu wackeln.

 

Es wird Zeit. Ich verlasse meinen improvisierten Hochsitz, wende mich ab von der Front des Bösen, das ich daselbst in Hoffnung auf das Ende der Menschheit gerufen habe, und das nun sein Eigenleben entwickelt, es braucht mich nicht mehr. Ich ducke mich unter einem kleinen Baum hindurch, der noch sein ganzes Leben vor sich hat, und vor mir liegt der Platz, der Schandfleck auf diesem Berg - ein Feld, wo einst prächtige Bäume standen, von Menschenhand angelegt. Davor, auf dem Platz, den ich nun betrete, stehen Geräte, Maschinen, um das Feld zu bewirtschaften, ihm Früchte abzuringen. Das alles wird jedoch vergehen, vernichtet, stelle ich mit Genugtuung fest, und wende mich ab von dem grausigen Anblick. Da wiehern ein paar Pferde keine hundert Meter weit entfernt. Werden sie das Chaos überleben?

 

Links befindet sich die Böschung, die mich hinunter ins Tal führen wird, in dem ich zwischen zwei Bergen wohne, in meiner sicheren Festung aus Glas und Basalt. Schritt für Schritt taste ich mich auf dem laubbedeckten Waldboden vorwärts, Äste knacken unter meinen Schuhen, brechen entzwei, Blätter rascheln im Wind und unter meinen Schritten. Mein Buch, das ich mitgenommen habe, mein Zauberbuch - ich halte es mit der linken Hand an Unterarm und Hüfte gepresst, damit ich es nicht verliere. Noch spüre ich nicht den Regen, der begonnen hat und bereits hörbar auf die Blätter, die Nadeln der Bäume niederfällt, plätschernd zunächst, doch prasseln wird er schon bald. Einige wenige Tropfen erreichen mich jetzt unter den Bäumen, und wenn ich in meinem Abstieg eine Lichtung erreiche, bemerke ich das Ausmaß der Nässe, die vom Himmel gerieselt kommt - noch zu schwach, einen Menschen zu töten.

 

Der Wind heult durch den Wald, und die Blätter bewegen sich mit ihm, manche werden hinfort gerissen, um schwerelos in der Luft zu tanzen. Diese wehen um meine Ohren, manchmal entferne ich eines davon aus meinem Haar.

 

Ich laufe nun hastiger, zufrieden stelle ich fest, dass das Unwetter schneller als erwartet über die Menschheit hereinbricht, und ihre kleingeistigen Seelen zerstören wird, die nicht an die Macht und die Unbeschreiblichkeit der Naturgewalten glaubten. Sie werden bestraft für ihren Leichtsinn, da bin ich mir sicher. Das Zauberbuch klemmt immer noch in meiner Hand.

 

Endlich erreiche ich ebenen Boden, einen Waldweg aus Kieselsteinen, und schreite auf ihm mit weit ausholenden Schritten tiefer hinunter, wo ich ein Haus erblicke - das erste Haus seit langem -, bewohnt von nichtsahnenden Geschöpfen, die vielleicht gerade über den Regen schimpfen. An dem Haus vorbei laufe ich, und jetzt ist der Boden, die Straße, auf der ich gehe, aus Asphalt. Der Regen hat sich verstärkt, nun fallen die Tropfen enger beieinander auf den Boden, und ich habe Angst, dass mein schönes Buch nass wird. Unter mein T-Shirt stopfe ich es, halte es immer noch fest, greife es durch den blauen Baumwollstoff meines kurzärmeligen Oberteils, als wenn ich mein Leben darin festhalten würde.

 

Jetzt fährt der erste Blitz durch die elektrisierte Luft auf die Erde hinab, und er schlägt nicht ein, sondern erfüllt die erdnahe Atmosphäre zunächst mit weiterer geladener Spannung, bis bald schon weitere Blitze zucken werden, um Häuser niederzubrennen, ganze Dörfer einzuäschern, in einem einzigen Augenblick, und der tosende Sturm wird über die Mauerreste hinwegfegen und sie einreißen, der Regenguss aus allen Wolken wird die verbrannte Schwärze, die umgestürzten Steine dann überfluten, wird sie vergessen machen für lange, lange Zeit.

 

Meine Schritte werden immer schneller, hart kommen die ledernen Sohlen meiner Schuhe auf dem harten Untergrund auf, das dumpfe Geräusch des Aufpralls wird lauter, ich schnaufe und atme heftig. Meine Wangen verlieren sich im angestrengten Ein- und Ausatmen, sie scheinen nach hinten, hinter mich zu fliehen, und eine Befürchtung überfällt mich, doch die Befürchtung ist nicht gefährlich, nicht mehr.

 

Lächelnd ist der letzte Schritt getan, jetzt kann ich wieder lächeln. Lange, gleichmäßige Luftzüge lassen meine Lungen ihren gewohnten, alltäglichen Rhythmus finden, lassen sie sich beruhigen, denn es ist vollbracht, es ist direkt über mir. Ich habe mich verschätzt in Zeit und Stunde, es besteht keine Veranlassung, weiterzulaufen, keine Hoffnung ist in Sicht. Vielleicht habe ich mich bei meinen ersten Berechnungen verschätzt, vielleicht bin ich zu lange oben auf dem Berg geblieben - was spielt das jetzt noch für eine Rolle? Ich bin verloren, auf verlorenem Posten gegenüber meiner eigenen Beschwörung, meinem dunklen Zauber, den ich in die Stille des Sommertages hineingerufen habe.

 

Dann schaue ich auf, in den Himmel, auf den Berg, auf dem ich soeben noch so siegessicher gestanden habe und glaubte, ich könnte die Welt in Angst und Schrecken versetzen. Da schaue ich, blicke ins Angesicht des Teufels und seiner Natur, in eine finstere, schwarze Quellwolke, die sich über mir aufbläht wie ein riesiger Tintenfisch, und sie lädt sich auf, für das alles entscheidende, furchtbare Ende, das mich überkommen wird, gleichwie ein einziger, mächtiger Blitz. Ich lächle. Lächle in den Schlund des Ungeheuers. Meine Hände umkrampfen das Zauberbuch, als wäre es die einzige Rettung. Ein Moment vergeht, als wenn die Zeit stillstehen würde.

 

Da fährt in einem gewaltigen Donnerschlag ein Blitz aus der Wolke, es sammelt sich die bösartige Elektrizität, um auf mich niederzukommen, meine Glieder zu durchfahren in einem peinigenden Schlag durch Mark und Knochen. Die Wolke grinst, sie scheint zu grinsen, glaube ich, und aus ihrem Schlund fährt ein zuckender, die ganze Welt einnehmender Blitz, alles verfärbt sich in ein trübes Violett, und kurz darauf ist alles schwarz, ich verliere die Besinnung.

 

Ein Körper klatscht auf den kalten Boden, leblos und verkohlt. Seine starren Finger umklammern ein Buch, welches der Blitz nicht verschlingen konnte. Ein angewiderter Arzt löst es aus der Hand, mit einem schabenden Kratzen gleitet es aus den Überresten der von schwarz verbrannter Haut umschlossenen Fingerknochen, und steckt es in eine Tasche aus Aluminium.

 

Noch ist das Ende der Welt nicht erreicht.

 

1517 Wörter, Copyright © Sven Klöpping (fictionality@web.de)

Stehen geblieben

Peter J. Becker

Stehen geblieben

 

»Benzin???«

Michail zog die Augenbrauen hoch, runzelte die Stirn, die unter seinem Filzhut nicht zu sehen war.

»Wovon zum Henker redest du?«

Seine Geduld war zu Ende. Dieser Fremde. Dieses wirre Zeug, das er von sich gab.

Jason, in breitkrempigen 70er-Jahre-Jeans, gebleichtem Bob-Marley-T-Shirt, und einer Sonnenbrille, die mindestens doppelt so groß war wie die Augen, die sie verbergen sollte, starrte auf den kleinen, seltsamen Mann in der Türöffnung. Sein dunkelgrüner Filzhut war viel zu breit – ein Wunder, dass er mit diesem Ding überhaupt durch die Tür passte. Und dann seine Schuhe. Quietschrote Filzpantoffeln. Und dieser lange, grünliche Mantel, aus dem sie hervorlugten!

Wohin hatte ihn dieser verdammte Waldweg bloß geführt? Er fühlte sich wie in einem schlechten Film.

»Benzin!« Jason wurde lauter. »Stinknormales Benzin. Mein Wagen hat keins mehr – keinen Tropfen, Mann. Weshalb sollte ich dich sonst aus dem Haus schellen?«

Hier stockte er. Auch der Waldbewohner schien etwas überrascht.

Nein – Jason hatte nicht geschellt. Es war keine Klingel da gewesen.

»… schellen?«, fragte der andere. Er war konsterniert, oder versuchte zumindest, so zu wirken.

»Ja, ja – ich seh’s schon«, korrigierte sich Jason. »Klopfen ist hier draußen wohl unglaublich angesagt, was?«

Schulterzucken.

»Naja – haste jetzt Benzin oder nicht? Sonst lauf’ ich nämlich bis zur nächsten Tanke, und kauf’ mir selbst was. Bin nämlich nicht pleite, wenn du das meinst.«

Michail folgte den hektischen Mundbewegungen des Fremden. Der hatte es ganz offensichtlich eilig. Aber warum bloß? Keine Pferdehufe, keine Flügelschwingen, kein Gebrüll war zu hören. Da war nichts. Nichts Gefährliches, das die Eile des Fremden begründet hätte. Er schaute weiter in das kaffeebraune Gesicht, eingepackt von geflochtenen schwarzen Locken, die irgendwie gekünstelt aussahen. Auch seine Kleidung wirkte wie von Maschinen gemacht. Ganz bestimmt war wieder jemand … Ach, diese Kerle machen auch nichts als Ärger, dachte Michail. Wenn er an ihnen nicht so viel Geld verdienen könnte, wäre es wirklich irgendwann mal an der Zeit … Michail merkte sich diesen Gedanken für später, wenn er mit seinem kleinen Hobby genug für den Meisterbrief zusammengespart hätte.

»Also, ich glaub’ ich geh’ jetzt wieder«, meinte Jason. »Hat keinen Zweck, mit dir zu reden.«

Der Fremde drehte sich um, und war schon im Begriff, zum Wagen zurückzugehen, als Michail sich doch noch entschloss, zu antworten. Ihm war eine Idee gekommen.

»Ich könnte meinen Bruder fragen«, schlug er vor. »Vielleicht weiß der etwas darüber.«

Jason hielt erleichtert inne. Er hatte ohnehin nicht vorgehabt, zu Fuß zur nächsten Tankstelle zu laufen. Er drehte sich um.

»Na, worauf wartest du denn noch?«, drängte er.

Jason wartete ungeduldig, während der Waldbewohner gemächlichen Schrittes in seiner Holzhütte verschwand. Eine geschlagene halbe Stunde dauerte es, bis der komische Typ wieder erschien. Ein seltsames Grinsen lag auf seinem Gesicht. Er lehnte sich gemütlich an den Rahmen der Eingangstür und verschränkte die Arme vor seiner Brust, so als ob er Jason absichtlich ärgern wollte. Dann, nach langem, zeitraubendem Schweigen, machte er endlich den Mund auf.

»Mein Bruder sagt, er weiß, wo du Benzin finden kannst«, sagte er.

Jason misstraute ihm. Er wusste nicht, wieso, aber er fand das alles nicht sonderlich glaubwürdig. Vielleicht war es die Kleidung. Oder der angebliche Bruder.

»Wieso kommt dein Bruder nicht selbst heraus?«, fragte er deshalb.

»Er ist sehr krank.«

Das überzeugte den Althippie nicht gerade, aber ihm blieb keine Wahl.

»Du musst nur dem Verlauf dieser Straße folgen«, begann Michail sogleich. »Nach ungefähr zweihundert Fuß wirst du rechts einen anderen kleinen Waldweg zwischen den Bäumen entdecken. Dort musst du abbiegen, und nach ungefähr fünfzig Fuß auf dieser Strecke findest du am Wegesrand ein größeres Reservoir Benzin für dein Auto.« Michail unterstrich seine Formulierungen mit erläuternden Gesten, als ob er unglaublich stolz darauf wäre.

Na okay, dachte Jason. Das ist immerhin schon mal etwas. Eine Tanke in unmittelbarer Nähe. Rasch bedankte er sich bei dem zweifellos geistesgestörten Fremden und machte sich ohne jede weitere Verzögerung auf den Weg.

Der Magieaspirant schaute ihm noch eine Weile nach, dann ging er wieder zurück ins Haus. ›Bruder‹ – er musste grinsen. Ein toller Einfall. Es hatte zwar eine halbe Ewigkeit gedauert, bis er im Lexikon nachgeschlagen hatte, was Benzin eigentlich ist, und noch viel länger, bis er Kontakt zu Finnrihrs Geist aufnehmen konnte, aber schließlich hatte dann doch noch alles geklappt. Neben dem vielen Schnauben und Fauchen hatte der Magier auch eine undeutliche Antwort auf die Frage, die er seinem ›Bruder‹ gestellt hatte, zu hören geglaubt – sie hatte so ähnlich wie eine Zustimmung geklungen. Michail war glücklich. Bald würde der Fremde keine Gefahr mehr für ihn darstellen. Er lächelte, und rieb sich die Hände, froh, einen Störenfried losgeworden zu sein.

Störenfriede wie dieser waren noch nie hergekommen. Das war jetzt das erste Mal, seit sich das schwarze Zeitloch im tiefen, dunklen Wald aufgetan hatte. Seit diesem Zeitpunkt, es mochten inzwischen an die hundert Jahre vergangen sein, spielten sich hier in der Gegend – meistens an Michails Haustür – die merkwürdigsten, außergewöhnlichsten Dinge ab. Gauklergesichtige Popstars klopften und fragten nach dem plötzlichen Verbleib ihrer Bühne, oder muskelstrotzende Sportler, die aussahen wie große Thorwaler, denen man ihre Rüstung geklaut hat. Solche Leute waren brauchbar. Sie wurden normalerweise verliehen, als Alleinunterhalter oder Dienstboten an Fürsten- und Königshäuser. Manchmal zogen auch ganze mit futuristischen Waffen bestückte Armeen durch den Wald, sich wundernd, wo die ›Vietcong‹ alle steckten … Sie waren, nach ein wenig Aufklärungsarbeit von Michail, dem kleinen Königtum, in dem der Magier lebte, im Kampf gegen fremde Völker üblicherweise sehr hilfreich. Die Armeen brachten auch das meiste Geld.

Indes kassierte Michail für jede Vermittlung von Kriegsmännern und Dienstpersonal aus der Zukunft eine Menge Goldtaler. Natürlich wusste niemand, dass die Leute alle aus der Zukunft kamen. Sonst wären schon längst die Schergen des Königs über die kleine Holzhütte des Magiers hergefallen und hätten ihn ausgequetscht wie eine östliche Kokostraube. Nein, nein – er verriet keinem, woher diese Menschen kamen. Das behielt er für sich.

Seine Geheimhaltung hatte aber bald schon zur Folge, dass man sich überall im Königreich zuflüsterte, er wäre ein großer Magier, der fremde Wesen herbeirufen könne, mit mächtigen, überirdischen Waffen und mysteriösen Fähigkeiten. Das war natürlich reiner Mumpitz, denn er vermochte nicht einmal ein Stückchen Seife herbeizurufen. Aber die Gerüchte, die im Umlauf waren, steigerten seinen Ruf, und selbstverständlich auch seine Preise ins Unermessliche. Das konnte ihm nur recht sein.

Benzin, so erinnerte er sich, war aber noch nie aus dem Loch gekommen. Wenn er nicht zufällig das Lexikon von einem der Dienstboten geschenkt bekommen hätte, dann wüsste er noch nicht einmal, dass Benzin in unterirdischen Tanks gelagert wird.

Michail dachte wieder an den komischen Typ von eben. So einer war noch nie hier gewesen. Ein seltsames Geschöpf, es war so … normal. Ja, ›normal‹ war der richtige Ausdruck. Ein ganz normaler Durchschnittstyp, nichts Besonderes. Michail grauste bei dem Gedanken daran, dass Leute wie der von nun an öfter vorbeikommen könnten. Solche Typen würden ihm bestimmt noch das ganze Geschäft kaputt machen, wenn er nichts dagegen unternahm – denn sie besaßen nichts, keine Fähigkeit, die sich irgendwie verkaufen ließ. Außerdem sind sie so naiv, dass sie bestimmt alles verraten würden, und dann wäre es um seine gewinnbringende Nebentätigkeit und um ihn selbst geschehen …

Irgendwie musste er sich diese Spinner also künftig vom Hals halten. Vielleicht würde sein Freund, der Drache Finnrihr ja auch in Zukunft so kooperativ sein wie jetzt, wenn er dadurch seinen ewigen Hunger endlich einmal besänftigen könnte – das wäre natürlich die beste Lösung. Andernfalls würde der Magier sich etwas anderes ausdenken müssen, um sein lukratives Geschäft nicht durch irgendwelche Dorftrottel zu gefährden. An Einfallsreichtum hierzu mangelte es ihm nicht.

Michail wandte sich wieder seiner Kristallkugel zu, und beobachtete den Fremden auf seinem Weg, wie seine energischen Schritte auf die Stille des Waldbodens herabdonnerten, und wie seine Wangen sich verzogen zu einem Grinsen, das Vorfreude bedeutete, auf eine Tankstelle, auf Benzin – und auf eine baldige Weiterreise.

Wenn der wüsste, dachte Michail …

Und er kicherte leise.

 

Schon wieder Tag

Peter J. Becker

Schon wieder Tag

 

Das Telefon ging. Ich nahm schnell die Kommunikationspille und befahl dem Computer abzuheben. Klick. „Wer da?“, fragte mein Gesprächspartner.

„Männlich.“, antwortete ich. Die weiblichen von den männlichen Stimmen zu unterscheiden, das hatte ich noch nicht drauf. War zu teuer - fünf Maggies die Pille!

„Schade.“, sagte mein Gesprächspartner und legte auf. Offenbar auch männlich. Na, man kann ja nicht immer alles haben. Ich setzte mich erstmal auf die Bettkante, schluckte eine Pille fürs Wachwerden. Ich würde sonst wahrscheinlich noch den ganzen Tag hier rumhängen. Es half nichts. Ich musste was tun. Die Firma wartet nicht.

 

Die Firma wartet auf Sie - einchecken

Ist ja gut, dachte ich und checkte ein. Mitch begrüßte mich. „Guten Tag, der Herr.“ Was hat der denn heute geschluckt? Wahrscheinlich ‘ne Pille mit der Kommunikation von vor dreihundert Jahren. „Ja ja, schon gut!“, meinte ich und sah zu, dass ich von Mitch wegkam. In mein Büro. Da wartete ein Stapel Akten auf mich. „Hallo!“ begrüßte mich jemand. Das war Sylvia, erinnerte ich mich. Ich wusste aber nicht mehr, ob männlich oder weiblich. „Re-Hallo“, grüßte ich zögerlich. Zum Glück hatte ich wenigstens schon die Kommunikationspille genommen. „Bist unsicher?“, fragte mich Sylvia. „Ziemlich“, gab ich zu. „Weiblich“, sagte Sylvia und grinste. Sie hatte heute wohl schon alle Pillen geschluckt. Ich befahl dem Computer, sich einzuschalten. Die Arbeit konnte beginnen.

 

Pause

In der Kantine oder dem, was davon übriggeblieben war, erwarteten mich meine Freunde aus dem zweiten Stock. „Hallo, M.“ „Hallo“ ‘re-te ich. „Wie geht’s dir?“, wurde ich gefragt. Oh nein, nicht schon wieder! „Weiß nicht“, sagte ich wahrheitsgemäß. „Willst ‘ne Gorbi-Eins?“, fragte mich Marc. Er wusste, was mir fehlte. „Wie viel?“, erkundigte ich mich. Zum Glück hatte ich schon meine Kommunikationspille genommen. „Drei.“ Das war okay. Sonst bezahlt man für die Dinger mindestens fünf. Ich reichte ihm die Kröten rüber und schnappte mir das abgefahrene Teil. Wasser? „Irgendwo hier auf’m Tisch“, sagte Marc, und gab mir ein Glas. Ich schluckte die Pille, nichts geschah. Aber das ist völlig normal. Gorbis wirken erst nach ungefähr zwanzig Minuten. Ich wartete. Aß auf.

 

Pausenschluss

Zurück im Büro. Sylvia saß mir gegenüber. Irgendwie sah sie anders aus als heute morgen. Schöner. Ihre Haare. Irgendwas war mit ihren Haaren passiert. Ich sah sie immer noch an. Sie schaute zurück, musste wohl was gemerkt haben. „Sollen wir?“, fragte sie. Irgendwie musste auch sie an eins dieser Gorbi-Dinger geraten sein. Das traf sich gut.

 

Schönen Feierabend

Die Sache mit Sylvia war gut gewesen, erinnerte ich mich. „Computer. Tür auf“, befahl ich. Die verriegelte Sicherheitstür glitt nach innen auf. Meine Wohnung war total unordentlich. Die Gorbi-Pille wirkte immer noch. Das sind gute Teile, aber manchmal sind sie einfach zu lange aktiv. Es half nichts. Ich musste aufräumen. „Computer. Aufräumen“, befahl ich und ertrug stumm die Prozedur. Dann noch ein bisschen Fernsehen. Irgendwo war ein Porno. Der interessierte mich aber nicht mehr. Gorbi hatte sich schlafen gelegt.

 

„Computer. Schlafmodus.“ Auch ich war jetzt müde. Gerade, als ich mich hinlegen wollte, ging das Telefon. Einmal, zweimal läutete es. Aber das störte mich jetzt eher, als dass ich mich darüber gefreut hätte. Ich konnte sowieso nicht mehr kommunizieren, ohne meinen Freund von Communications United. Die Pille wirkt halt nur elf Stunden, und man bekommt nur eine pro Tag. „Computer“, befahl ich, „Licht aus.“

 

547 Wörter, © Sven Klöpping (fictionality@web.de)

Schwarz

Schwarz

(Die innere Welt bringt Frieden)

 

Dunkelheit erfasste ihn wie ein Wind, der über das Meer kommt, wie eine Woge, die über ihn hereinbricht.

 

Hier, so wusste er, würde er sein Ende finden. Nichts würde mehr sein wie früher. Man würde ihn abholen, sich grabschen, als wenn es eine Bushaltestelle wäre, bei der eine dunkle Macht bestimmt, wohin es geht. Gleich würde der Bus kommen, mit ihm zur Hölle fahren...

 

Oder war er schon da?

 

Er wusste es nicht. Er spürte nur das Ende - sein eigenes Ende - spürte, wie dessen Klauen sich langsam um ihn legten, ihn einpackten und verhüllten, vor dem Licht verhüllten, das viel zu grell war. Gerne hätte er gewusst, was die Zukunft für ihn bereithielt. Aber da war nichts. Totaler Stromausfall. Blackout.

 

Er schlief ein, und wachte wieder auf - immer noch gefangen von Dunkelheit, doch diesmal enger, umschlungener. Die Arme hatten sich aus zierlich-zerbrechlichen Mädchengelenken in behaarte, vor Muskeln strotzende Stahlröhren verwandelt - sie hatten ihre Zugehörigkeit verändert. Auch er? Er schaute an sich hinunter - nein, stellte er fest. Fast wünschte er, die Wandlung hätte schon begonnen, hätte ihn bereits erfasst, wie ein starker Wind, der den Bäumen die Blätter stiehlt. Fast wünschte er sich den Tod herbei, wünschte, seines Lebens beraubt zu werden. Die letzte Verwandlung. Der Tod als Befreier. Doch nichts dergleichen geschah. Warten, quälendes Warten...

 

Eine (oder zehn) Minuten später dann das Zeichen. Ein lautloser Pfiff, der durch Mark und Knochen ging. Ein schriller, stummer Ton. Nichts Definier- oder Fassbares. Doch es kam näher - Ton um Ton. Immer wieder der grelle, zwickende Schauder in seinen Ohren. ‘Bewusstseinsveränderung, bitte schön’ schien der Wind zu flüstern, zu sagen, zu schreien - doch immer noch blieb er außer Sicht.

 

Die Welt da draußen ahnte nichts von dem Übel drinnen - sie lief weiter, Sekunde für Sekunde, Millimeter für Millimeter auf dem glasüberdachten Ziffernblatt einer Quarzuhr, die nach Terminen schreit und drängt, immer weiter fortdrängt. Minute für Minute verging, verblasste im grausigen Inneren der Zeit, in dem er sich befand. Ihm wurde klar, dass er etwas tun musste, etwas tun musste, um aus diesem Albtraum zu entfliehen - doch er sah nichts. Nirgends ein Knopf zum Abschalten. Träume haben so etwas nicht - höchstens eine Sicherung, die durchbrennen kann. Und manchmal selbst das nicht.

 

Draußen fragten sich seine Freunde, wo er so lange bleibt - mehr als eine Stunde war er nun schon da drin, und noch immer verdeutlichten sich keine Anzeichen seiner baldigen Rückkehr. Sie wurden unruhig, murmelten, schauten auf ihre Armbanduhren...

 

Drinnen fegten ihm die Fetzen um die Ohren - laut kreischend, zermürbend in Armen und Beinen (er konnte sich kaum noch halten) jagte ihn der Wind und fesselte ihn zugleich. Es war ein Martyrium. Er wünschte den Tod herbei - nichts sehnlicher als den Tod, der ihn befreien sollte.

 

Die Qualen wurden unerträglich. Mit bibbernden Lippen versuchte er, seine Finger zu krümmen, obwohl er Angst hatte, dass sie abbrechen würden oder sogar schon abgebrochen waren. Sie bewegten sich. Einer nach dem anderen folgte den Befehlen seines Gehirns und krümmte sich - langsam, viel zu langsam. Wie in Zeitlupe tasteten die zittrigen Finger ihre Umgebung ab. Da war Stahl. Viel Stahl, und Leere. Hinter dem Stahl war Leere. Rauschende Leere, tobende Leere. Die Luftbewegung wurde immer heftiger und riss bald den ganzen Arm nach hinten, je mehr er sich nach draußen wagte, in die Bewegungsunfähigkeit der Außenwelt. Langsam brachte er seine Glieder dazu, sich wieder nach Innen zu orientieren - bald lag die Hand auf seinem Schoß.

 

Auch dort hörte das Tasten nicht auf. Beine - dürre Beine spürte er, und darüber eine faltige Jeans. Levis, erinnerte er sich, doch das hatte keine Bedeutung mehr in diesem Chaos. Markennamen zählten nicht, und auch andere Namen waren wertlos. Wie er selbst hieß, wusste er nur noch undeutlich, in Ansätzen - irgendwas mit ‘Lem...’ oder ‘Men...’. Ob Mädchen oder Junge... So weit hatten sich seine Finger noch nicht vorgetastet. Komisch, dass er sich den Namen seiner Jeans behalten konnte, seinen eigenen aber nicht. Ganz zu schweigen von seiner Identität. Eine Ironie der Außenwelt, dachte er, vergaß einfach alles, und kehrte wieder nach innen zurück. Berührte seine Hosentaschen, steckte die Hand aber nicht hinein - er wollte nicht wissen, was da verborgen lag, wollte seine Identität nicht herausfinden. Noch nicht.

 

An dieser Stelle hingen seine Gedanken schon längst nicht mehr am Leben - zu stark der Wind, zu heftig die Macht, die ihn bedrängte, nach hinten drängte, an die Wand, an die Lehne...

 

Er saß tatsächlich irgendwo, seine Beine waren angewinkelt, und er war angeschnallt. Jetzt spürten seine Fingerkuppen auch das Band, das quer über seinen Körper gespannt war, und den Schließmechanismus, den es zu öffnen galt. Öffnen - das konnte bedeuten, seinen Geist zu öffnen, im metaphorischen Sinne. Wirklich. Das konnte heißen, den Zwängen und wirbelnden Lebensstürmen der Welt zu entkommen, um einzugehen in das geistige Paradies, in den Garten Eden der glücklichen Heimkehrer. Das konnte aber auch Tod bedeuten, den ewigen, quälenden Feuersee. Er wusste es nicht, wollte es nur ausprobieren. Himmel oder Hölle - es war gleich. Immer noch besser, als weiter hier drin gefangen zu sein. Er wusste nicht, wo er gefangen war, und er wusste nicht warum. Tod ist besser als Gefangenschaft, wenn man nicht weiß, wofür man gelebt hat. Besser auch als Nichtigkeit, diese Nichtigkeit im Leben, der er unterworfen war. Manchmal sogar besser als das Leben selbst. Die Suche nach etwas, das über dem Leben steht, hatte ihn letztendlich dazu gebracht, den Tod zu suchen. Und hier war er. Schwarz und unverhüllt. Nie im Leben hatte er eine solche Macht verspürt, eine solche Tatkraft in sich gefühlt - nur das Band zerreißen, und springen. Hinunter in die Wellen der Freiheit...

 

Fallen.

 

Die Innere Welt ankurbeln.

 

Schneller fallen, sausen.

 

Den Flugwind spüren.

 

Die Arme ausbreiten.

 

Ankommen - irgendwo.

 

Anklopfen.

 

Einlass erbitten.

 

Tod oder Leben - das war keine Frage mehr.

 

Jetzt hieß es: Himmel oder Feuer. Über-Menschliches.

 

Das Portal bewegte sich nicht.

 

Heftiger Wind fegte um seine Ohren.

 

Zu dem Wind mengte sich Feuer, das um ihn loderte - heißer Atem aufgewirbelter Flammen.

 

War das ein Knall, der dem Feuer vorausging? War die Tür zugeknallt, sein Anliegen abgelehnt worden?

 

War es Hölle?

 

Er hämmerte an die Tür - vergebens.

 

Der Himmel blieb leer.

 

Am 4. Dezember 2002 fiel nach einer einstündigen Testfahrt die gesamte Elektronik der neuen Indoor-Achterbahn im Freizeitpark Brühl aus - was zur Folge hatte, dass die Bahn zunächst mindestens eine halbe Stunde lang nonstop ihre Runden drehte, bis sie schließlich zusammen mit einem mitfahrenden Testpilot von den Schienen abkam und in die Tiefe stürzte, wo sie explodierte und das gesamte Gebäude in Brand steckte. Das Projekt wurde abgebrochen, in Brühl wurde nie eine Achterbahn betrieben.

 

(Die innere Welt bringt Frieden)

 

1128 Wörter, Copyright © Sven Klöpping (fictionality@web.de)

Up

Up

 

Ah ... die Planets. Der Spaß kann losgehen. Die Senso-Schaltung blinkt auf - viel zu hohe Geschwindigkeit zeigt sie an, und: ich darf nicht im ersten Gang mit dreihundert fliegen. Nein, ich darf nicht - aber ich kann. Das ist ein gewaltiger Unterschied. Besonders, wenn man up ist. Gutes Zeug. Macht dich schneller, und gescheiter. Dreihundertfünfzig. Gleich explodiert der Motor. Okay, okay. Soviel Verstand besitze ich ja wohl noch, dass ich weiß, wann’s genug ist. Bloß keine Panik. Zweiter Gang. Immer noch lautes Dröhnen, aber längst nicht mehr so gefährlich. Irgendwo wird aufgeatmet. Als ob alle Shuttles um mich herum aufatmen. Weichei.

 

Macht schneller und gescheiter.

 

Nicht wie Speed, wo du total wegtrittst und nichts mehr peilst. Das Zeug macht dich alle und weg, ich sag’s dir. Wenn du up bist, hast du schon die halbe Wette gewonnen.

 

Roter Schwebe-Illuminator. Diese Dinger hasse ich. Und noch mehr die Bullerei, die bei den Rotlichtern rumhängt. Sonst hätte ich auch einfach drüberfahren können. Aber nein - wir sind ja im Promiviertel. Rotlicht. Autorisation. Von hinten wird mir einer dieser ultracoolen Pässe gereicht, den nur die Reichsten der Reichen bekommen. Alles okay. Der Bulle hat den komischen Flash in meinen Augen nicht bemerkt. Glück gehabt. Weiterfahren.

 

“... and when you’re up, you’re gonna be so out and full of control ...” Die Planets. Wirklich, die beste Band der Welt. Wie die ihre Messages rüberbringen, total einmalig. Klingt überhaupt nicht nach Pseudo-Mache. Die wissen, wovon die reden, kannste mir glauben. Macht dann eins fuffzig. Klingelbeutel. Mal gucken, wie viel der fette Sack aufbringt für ‘nen armen Taxifahrer. Drei Credits Trinkgeld? Hey, danke Mann. Werd’ Sie weiter empfehlen.

 

Der Sack wälzt sich raus. Kann weitergehen.

 

Der Motor heult auf. Ich seh’ noch, wie der Fettsack von den Planets sich umdreht - totale Angst hat den zerfressen auf der Fahrt, ich glaub’s nicht. Mann, ich sag’s dir, der hat mir das voll abgekauft, dass ich ihn noch nie gesehen hab’. Dabei ist der so bekannt wie ‘ne frigide Hure. Der und seine Band, diese beschissenen Planets. Na ja, was soll’s. Solange mein Trinkgeld stimmt ...

 

Los geht’s. Erster Gang, dreihundert. Dreihunderfünfzig. Mann, was sollen diese Kinderspielchen? Vierhundert. Damit kannste verschreckte Passagiere ärgern, aber keinen Taxifahrer. Lass mal den Meister ran. Fünfhundert. Sechshundert. Aufheulendes Getriebe. Ja, so muss das. Zweiter Gang. Ha! Das geht ab.

 

Macht dich alle und weg.

Ich sag’s dir - das Zeug knallt, aber richtig. Rotlicht? Einfach ignorieren, Mann. Das Zeug macht farbenblind. Und die Bullen tun eh nichts, wenn du keinen Promi an Bord hast. Mann, war das ‘ne Krampe. Echter Wichtigtuer. Aber denen kannste das Geld noch am ehesten aus der Tasche ziehen.

 

Anhalten. Da vorne wartet einer. Schon wieder so’n Typ. Der Sänger von den Smashers, glaub’ ich. Mann, die laufen ja wie die Fliegen rum.

 

Zähler einstellen, Tür auf. Wo willste hin? Was? Okay, okay - ich mach’s aus. Alles klar, Mann. Wird gemacht. Locker, immer locker. Wohin willste denn überhaupt? Rude box? Ist aber nicht billig ...

 

487 Wörter, © Sven Klöpping (fictionality@web.de)

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 02.07.2016

Alle Rechte vorbehalten

Nächste Seite
Seite 1 /