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EINsamer wANDERER stellt sich vor:

An dieser Stellt stellt sich EINsamer wANDERER euch noch einmal kurz vor:

 

Ich arbeite in erster Linie im phantastischen Bereich, Sci-Fi, Fantasy, Horror, Mystery und dergleichen. Das Subgenre variiert jedoch stark bei mir und kann alles möglich sein. Von Komödien, Satire, Tragödien bis hin zu Kindergeschichten.

 

Aber ich definiere mich eher als Trickser. Als solcher geht es mir in erster Linie darum meine Leser zu amüsieren, auszutricksen und über den Tisch zu ziehen, ähnlich wie ein Illusionist. Ich unterscheide Ideen deshalb in zwei Kategorien: Entweder eine Idee funktioniert oder sie funktioniert nicht. Unmöglich gibt es daher nicht. Dadurch ist es mir möglich Dinge zu realisieren die andere Autoren eher vermeiden würden. Beispielsweise könnte ich eine Mary Sue oder einen Deus Ex Machina in die Handlung einbauen, ohne dass der Leser es als störend erachten könnte. Solange es den Leuten richtig verkauft wird, funktioniert alles.

 

Da ich ständig auf der Suche nach neuen Dingen bin, die ich in die Geschichten mit einbauen kann und nach einem größeren Verständnis für das Geschichtenerzählen an sich strebe, beschäftige ich mich neben Literatur auch noch mit dem Theater, Film- und Fernsehen, Videospielen sowie Comics bzw. Mangas aus den verschiedensten Kulturen und Zeitepochen. Nebenbei gewinne ich auch noch Erkenntnisse durch die verschiedensten Experimente.

 

So viel zu mir und um allen einmal zu zeigen was bei meinen Figuren zum Einsatz kommt, werde ich hier einmal meine ganzen derzeitigen Werkzeuge aufzählen:
Schauspielkunst, Improvisation, Einwegskommunikationsmittel, verschiedene Zeit- und Erzählebenen, Schwächen, Unvollkommenheiten, Argumentation, Interpretation, das durch-brechen der vierten Wand, die Zwei Stuhl-Technik, der Seelenblick, das Pyramidensystem, ein wenig Psychologie/Soziologie/Neurologie/Mathematik und das Studium des menschlichen Wesens (wozu sowohl der Roboter, die Rassen- als auch Schöpfungslehre mit dazugehören).


Figurentechnisch gibt es bei mir auch alles vom Anti-Helden, Helden, Schurken bis hin zum Anti-Schurken.

Noch zwei kleine Infos am Rande: Weil ich viele unterschiedliche Projekte mit den unter-schiedlichsten Ansprüchen habe, besitze ich keine Standardvorgehensweise, denn ich muss mich ständig neuen Herausforderungen stellen und anpassen.

Das Interview

Du sagst, dass du Einwegskommunikationsmittel bei deinen Figuren einsetzt. Was kann man sich darunter vorstellen und kannst du uns vlt. ein Beispiel dafür geben?

 

Um das möglichst verständlich zu erklären, müssen wir uns mal kurz mit den Videospielen beschäftigen. Jedes Medium, welches Geschichten erzählt, hat seine Einzigartigkeiten, aber dadurch auch seine eigenen Schwächen und dadurch wiederum seine eigenen kreativen Lösungen, die wiederum in anderen Medien verwertet werden können. In Videospielen ist es in beiden Fällen die Interaktion, welche dem Konsumenten hier geboten wird. Aber natürlich willst du, dass der Spieler den Endgegner hasst. Er muss emotional an ihn gebunden werden, doch das geht bei diesem Medium nicht so einfach. Du kannst nicht den Boss die ganze Zeit nebenherlaufen lassen, weil der Spieler sich fragen wird, warum er ihn nicht angreifen kann und nicht jedes Spiel hat Zwischensequenzen (kurze Videos, die meist als Überleitung dienen). Es ist auch selten mehr als eine Figur zu spielen und die ist in vielen Fällen überhaupt nicht gesprächig. Und aufgrund dieser Probleme werden in diesem Medium Einwegskommunikationsmittel eingesetzt, um eine Figur darzustellen, ohne sie körperlich vorkommen zu lassen. Ein gutes Beispiel dafür ist die Bioshock-Reihe. In den ersten zwei Teilen bekommt der Spieler ein Funkgerät in die Hand gedrückt, welches nur empfangen kann, dann werden zwei Figuren eingeführt die den Spieler durch das Spiel leiten. Die eine unterstützt ihn und sagt was er zu tun hat, während die andere der Antagonist ist, der versucht dem Spieler zu besiegen. Desweiteren findet man im Spiel auch noch Tonbänder, um das Setting und die Handlung etwas mehr auszuschmücken. Auch sind Texte und Tagebücher in Spielen sehr beliebt. Deswegen nenne ich es auch Einwegskommunikationsmittel. Die Kommunikation geht nur in eine Richtung. Beispielsweise kann ein Brief mit mir reden, aber ich nicht mit einem Brief. Es ist eine Möglichkeit sich mit dem Spieler oder in unserem Fall dem Leser in Verbindung zu setzen, ohne dass die Figur in ihrer Darstellung beeinträchtigt wird, wie etwa durch eine Konfrontation seitens der Hauptfigur in einem Dialog. Dadurch wird ein sicherer Raum geschaffen, der nur dazu dient die Figur darzustellen und dem Leser näher zu bringen.

Beim Schreiben füge ich hiermit eine extra Ebene ein, die nur eine ganz bestimmte Figur darstellt und den Leser emotional bindet, meistens den Antagonisten. Entweder weil ich ihn mir bis zum Schluss aufheben möchte oder aber, weil er in den Monologen über Funk oder sonstigen Darstellungen zu kurz käme. Der Vorteil ist, dass diese Ebenen sehr minimalistisch sind. Ich brauche nur das nötigste zu verraten und kann dem Leser leichter Informationen (wie Aufenthaltsorte, wichtige Nebencharaktere, etc.) vorenthalten. Natürlich könnte ich auch eine ganz gewöhnliche Ebene nutzen, aber dort könnte ich unter Umständen zu viel verraten. Außerdem besitzt dieses Element einen unzuverlässigen Erzähler, durch welchen ich meine Leser täuschen könnte. Es hat somit auch immer einen gewissen Unsicherheitsfaktor.

Aber das wichtigste ist für mich, dass der Leser dadurch weder mehr noch weniger weiß als meine Hauptfigur, die sich genau wie er mit dieser Figur auseinandersetzt. Je mehr Ebenen ich nämlich in eine Handlung einfüge und je mehr Stränge es gibt, desto mehr sieht und hört der Leser. Er verfügt über mehr Blickwinkel und kann sich das was kommen mag eher zurechtreimen. Ihm wird ein großes Gesamtbild geboten. Ich aber will ihn eiskalt erwischen, ohne dass er etwas merkt. Da ist es am besten wenn er die Geschichte nur aus den Augen EINER Figur erlebt. Er sieht und erlebt dann nicht mehr und nicht weniger als sie. Somit ist er genauso blind wie sie. Und dabei sind Einwegskommunikationsmittel überaus nützlich, um eine Figur einzuführen und darzustellen, ohne dass der Leser meiner Hauptfigur irgendetwas voraus hätte.

 

Hier noch ein paar mögliche Medien, die als Einwegskommunikationsmittel gelten können: Fernseher/Videoaufzeichnungen, Lautsprecher, manche Gegensprechanlagen, Visionen und Telepathie.

 

Du beschäftigst dich mit sehr vielen Techniken und Methoden rund um die Charakterentwicklung. Welche würdest du als dein Spezialgebiet betrachten?

 

Ganz klar, die Improvisation. Sie hält alles lebendig und ist das Grundgerüst für viele meiner Techniken und Methoden. Ohne Impro läuft bei mir nichts und ich würde mich rasend schnell beim Schreiben langweilen. Es benötigt bei mir zwar immer noch eine Menge Feinschliff, aber mit der Zeit wird das schon.

 

Manchmal durchleben Figuren Dinge, welche du als Autor niemals erleben kannst oder willst. Wie schaffst du es trotzdem dich in deine Figur hineinzuversetzen und es glaubwürdig rüber zu bringen?

 

Jeder hat mal den Spruch gehört, dass man alles sein kann, was man sein möchte. Vorläufig wird Kindern so etwas erzählt, aber das bedeutet im Umkehrschluss auch, dass der Mensch die Anlagen dafür haben muss alles sein zu können. In jedem von uns steckt ein Mörder, ein Mann, eine Frau, ein Kind, ein Nekrophiler, Psycho- und Soziopath, etc. etc. Du musst dieses Potenzial in dir lediglich finden und sie in der Geschichte ausleben. Den Rest übernimmt dann deine Fantasie.

Es gibt da beispielsweise ein Gruppenprojekt von mir mit einer Kollegin, welches in der Vampir-Hochphase entstanden ist und wo ich mich eher von den blutigeren Versionen angezogen fühlte, als von den kuscheligen. Jedenfalls ging es um einen Vampir der in der moderne erwachte und einen Rachefeldzug plante. Die Story ist nicht sonderlich gut konstruiert und der Charakter war mir ab dem zweiten Kapitel zu öde. Also habe ich ihn einfach mit einer Leiche schlafen lassen. Nekrophilie stand bei mir noch auf dem Zettel der Dinge die ich tun wollte, um zu provozieren. Dabei bin ich allerdings recht verkrampft rangegangen und wollte gewaltsam ein Gefühl von Geborgenheit zwischen dem Protagonisten und der Leiche erzeugen. Heute würde ich da ganz anders herangehen. Ich würde mir eine Leiche (vorzugsweise das für mich attraktivere Geschlecht) vorstellen und mich einfach mal fragen, was unter Umständen anziehend an ihr sein könnte. Ist es ihre Mimik? Diese Gelassenheit und Ruhe die sie ausstrahlt? Die Faszination für den Tod mit seiner Ruhe und Ewigkeit? Oder aber Kontrolle und Sicherheit, da Leichen nur wenig Handlungsspielraum haben. Sie lachen dich nicht aus, sie verurteilen dich nicht und du weißt bei ihnen woran du bist. Das alles hier nur mal so als grobes Beispiel, wie ich an so etwas rangehe.

Das einzige mögliche Hindernis für diese Unternehmen sind Hemmschwellen, die darf man natürlich nicht haben. Sie hindern einen daran voll in solchen Rollen aufzugehen, denn letztlich tun Figuren derart abstoßende Dinge ja nicht weil es ihnen NICHT gefällt oder Unbehagen bereitet, sondern weil sie es mögen und diese Ansicht muss der Autor bis zu einem gewissen Punkt nachvollziehen und auch ausleben können.

 

Wie versetzt du dich als Mann in einen weiblichen Charakter mit PMS? Nimmst du dafür Erfahrungsberichte zur Hilfe?

 

Nicht ganz. Bei einem derart speziellen Thema nutze ich in erster Linie ärztliches Fachwissen. Symptome, Ursachen, etc. Ich könnte mich nie derart in eine Frau hineinversetzen, als dass ich ihre biologischen Leiden verstehen könnte. Ebenso wenig können Frauen aber auch verstehen wie es ist stundenlang, ohne es zu merken, auf den eigenen Hoden zu sitzen und dann mit Schmerzen aufzustehen. Mal ganz davon abgesehen, dass ich nicht wüsste inwiefern diese, aus meinen Augen, eher banalen Dinge in einer Handlung relevant sein könnten.

 

Im Allgemeinen würde ich allerdings davon abraten sich zu sehr auf das Geschlecht zu konzentrieren, da dadurch meist eher Klischees bedient werden, als das es natürlich rüberkommt. Frauen teilen Männer gerne in sensible Typen und Machos ein, während es sich andersherum so verhält, dass es meist auf eine Kombi aus hübsch und dumm oder aber emotionales sowie intelligentes Mauerblümchen hinausläuft. Alles in allem würde ich mich mehr auf die Persönlichkeit der Figur konzentrieren als auf das Geschlecht. Am Ende sind wir ja alle sowieso Individuen.

Wer die Geschlechter aber mal besser verstehen möchte, dem würde ich dazu raten sich mit Naturvölkern zu beschäftigen, die gesellschaftlich auf den Jäger- und Sammler-Status sind. Denn trotz all unserer gesellschaftlichen Weiterentwicklung hat sich unsere Biologie kaum weiterentwickelt und deshalb sind Männer immer noch Jäger und Frauen immer noch Sammler. Es äußert sich heutzutage zwar anders, aber es steckt uns immer noch im Blut und wird auch so schnell nicht verschwinden.

 

Tust du dich schwer damit eine Figur sterben zu lassen?

 

Die Tod-Frage, was? An mir soll es nicht liegen.

 

Um meine Ansichten über dieses Thema zu verstehen, welches so oft besprochen wird unter Autoren, muss man zunächst einmal etwas über mich wissen: Ich bin ein sehr eigensinniger und freiheitsliebender Mensch. Ich ziehe meinen eigenen steinigen Weg jeglichen Komfort oder Bequemlichkeiten vor. Dieser Charakterzug bekommt jede Figur von mir geschenkt. Sie werden von mir zwar kreiert, doch nachdem das Gerüst fertig ist, dürfen sie tun und lassen was sie wollen, auch sich gegenseitig töten. Und natürlich dürfen sie dann auch bequem leben, wenn sie es denn wollen. Meiner Theorie nach ist diese Fähigkeit zur freien Entscheidung für die Figuren allerdings sehr abhängig von dem Eigensinn des Autors. Immerhin ist er die Quelle ihrer Existenz.

Die meisten Autoren lassen ihre Figuren nicht sterben, weil sie sie so sehr lieben. Aber ich lasse sie sich gegenseitig ermorden, weil ich sie noch mehr liebe als meine Kollegen. Zu lieben, bedeutet für mich loslassen zu können. Denn wenn ich ihnen diese Freiheit nehme, dann setze ich sie nur in einen goldenen Käfig und das ist etwas, dass mir selbst nie behagen würde. Somit lasse ich meine Figuren nie „sterben“, nein ich beeinflusse sie nie, egal was sie tun. Wenn eine Figur nicht aufpasst oder sich einfach nur zu dämlich anstellt, dann hat sie es nicht anders verdient. Du erntest was du säst. In der Regel aber arbeite ich alles so aus, dass die Chance des Todes zwar besteht, aber nicht zwangsläufig so kommen muss. Die Figuren entscheiden wie und ob sie vorgehen werden. Das ist mein größtes Geschenk an sie, mit allen Vorzügen und Nachteilen. Und ich werde sie daher nicht wie ein liebgewonnenes Spielzeug behandeln, dass möglichst unbeschädigt sein soll, sondern wie einen echten Menschen.

 

Und um mal ein, zwei Sachen klarzustellen. Es gibt deutlich schlimmeres, was man seinen Charakteren antun kann, als sie einfach nur sterben zu lassen. Ich habe ein kleines, gemeines Buch geschrieben namens „Endlose Pein“ und der Name ist Programm. Und ich sage von Anfang an, dass der Protagonist nicht sterben wird und die Welt ihn einfach nur ins Gesicht schreit, dass er krepieren soll. Aber dafür wird er physisch wie psychisch gefoltert und ich wette, er wünscht sich, dass ich ihn getötet hätte, ebenso wie manche Leser es bestimmt tun, denn DAS wäre in diesem Fall ein Happy End für ihn gewesen. Nicht immer ist der Tod böse oder das Ende der Geschichte, manche meiner Figuren sterben sogar mehrfach.

Abschließend möchte ich hier gerne noch mit einem Vorurteil aufräumen: Jede Figur kann jederzeit sterben. Es ist egal ob Statist, Nebenfigur oder Protagonist. Jeder ist ersetzbar. Wer es mir nicht glaubt kann sich gerne mal Hitchcocks Psycho ansehen. Die Protagonistin stirbt nach der ersten halben Stunde und wird einfach durch eine andere Figur ersetzt. Etwas das ich jeden Autoren mal empfehlen würde zu tun. Danach wird jeder Stammleser sich hüten zu denken, dass die Figur nicht sterben kann, nur weil es der Hauptcharakter ist.

 

Welche der von dir aufgeführten Werkzeuge nutzt du am häufigsten? Warum ist dies so?

 

Das dürfte die Zwei-Stuhl-Technik sein, eine Art Kennenlernen- und Improvisationsspiel. Das Grundgerüst sind zwei sich gegenübergestellte Stühle und unter Umständen etwas zum notieren. Das ganze sollte in einem für einen selbst intimen Bereich geschehen, wo man ungestört ist und der Raum sollte einen bekannt sein, um Ablenkungen gleichwelcher Art vorzubeugen. Der Autor setzt sich auf einen der Stühle und stellt sich auf der anderen Sitzgelegenheit seine Figur ganz genau vor (Mit Körperhaltung, Mimik, etc.) und beginnt ein Gespräch mit ihr. Dabei gibt es eine klare Rollenverteilung. Der Autor stellt die Fragen und die Figur antwortet. Der Autor gibt aber KEINE Antworten und die Figur KEINE Fragen. Hierbei sind allerdings zwei Dinge zu beachten. Es ist wichtig, dass der Autor in der Lage ist fest daran zu glauben, dass seine Charaktere echt sind. Letztlich will ich ja auch, dass die Leser es glauben können und jeder Glaube fängt zuerst bei einem selbst an, erst dadurch bekommt man echte Überzeugungskraft. Zweitens sollte auf die Wortwahl der Frage geachtet werden. Es ist immer ein Unterschied, ob du die Figur fragst: „Wieso bist du ein Schurke“ oder aber „Die Leute halten dich für einen Schurken, was sagst du selbst dazu?“ Bei der ersten Frage wird die Gesinnung in der Frage schon impliziert und der Charakter wird sich dem anpassen. Bei der zweiten Frage hingegen hat sie die Wahl wie sie dem entgegnet. Die Fragen und ihr Wortlaut haben großen Einfluss auf die Figur.

Das ist allerdings nur die Standardversion. Man kann sie natürlich auch modifizieren und den persönlichen Neigungen anpassen. Ich bevorzuge beispielsweise eine Version in der ich den Raum im welchen ich bin im Kopf nachstelle, da es dort weniger Störungen gibt, ganz zu schweigen davon, dass eine imaginäre Person in einem imaginären Raum weniger deplatziert ist.

Ich benutze diese Technik sehr häufig, da es in meinen Augen nichts Besseres gibt, um seine Figuren kennenzulernen. Es ist unterhaltsam und auch lebendiger, als beispielsweise das Anfertigen eines trockenen Profil-Steckbriefes. Außerdem bekomme ich dadurch ein besseres Gefühl für die Figuren und kann eine dementsprechende Bindung zu ihnen aufnehmen, als wenn sie ich sie nur als meine Marionetten sehe mit denen ich gerne spiele.

 

Wie sieht für dich ein gut entwickeltes und den Charakter vorantreibendes Motiv aus?

 

Das ist eine interessante Frage. Rein prinzipiell kann dem Leser jedes Motiv verkauft werden. Der Knackpunkt ist allerdings, dass die Wertschätzung des Motivs mit den Handlungen übereinstimmen muss. Ein Motiv ist nämlich immer mit etwas verbunden. Zum Beispiel Rache ist immer an etwas mit sentimentalem Wert verknüpft, welches nun fort ist. Bei Liebe, Idealen und allem anderen ist es genauso. Der Wert, den die Figuren diesen Dingen verleihen muss eine Handlung rechtfertigen. Auch darf die Aktion weder zu lasch, noch zu extrem ausfallen. Die Schwierigkeit hier liegt dabei den Leser diesen ganz individuellen und subjektiven Wert näher zu bringen und zu erläutern.

Ich mag es lieber so etwas in den Rückblenden oder der Handlung allgemein zu zeigen, da es ein intensiveres Erlebnis ist, als wenn ich dies nur in einem Dialog oder vom Erzähler kurz abfrühstücken lasse, weil dann ist es für den Leser zu distanziert. In Rückblenden erlebt er es hautnah.

Ein gutes Beispiel für diese Frage ist der Film „John Wick“ mit Keanu Reeves. Es ist ein Actionfilm wo das Motiv des Helden ist, Rache für seinen toten Hund und sein geklautes Auto zu nehmen. Das klingt auf den ersten Blick sehr trivial und überzogen dafür die gesamte Russenmafia zu liquidieren, aber der Film nimmt sich zu Anfang die Zeit uns zu erklären wieso dieser Hund so wichtig ist, das Auto ist dabei eher unwichtig, aber hat auch eine ganz andere Rolle, als das Haustier. Denn dieser Hund ist ihm von seiner toten Frau als Abschiedsgeschenk hinterlassen worden, die Frau für die er das Killerdasein aufgegeben hat. Und dann holt ihn seine Vergangenheit ein und nimmt ihm diesen Lichtblick in seinem tristen Leben. Wenn der Wert von diesem Hund einem gut und richtig erklärt wird, so dass man daran glauben kann, dass er eben dieses Blutbad rechtfertigt, ist es mehr als legitim.

 

Persönlich bevorzuge ich allerdings eher abstrakte Motive, die auch gerne mal um die Ecke denken. Wie etwa einen Killer, der Menschen für Geld tötet, damit ihre Seelen von ihrem Mörder berichten können und seine tote Liebste dadurch weiß, dass es ihm im Diesseits gut geht. Um nur mal ein kleines Beispiel zu nennen. Klingt auf den ersten Blick bescheuert, aber richtig verpackt, funktioniert es.

 

Was bei einer neuen Figur ist zuerst da?

 

Das ist ganz unterschiedlich. Wie gesagt, habe ich kein Standardverfahren beim Schreiben. Mal ist zuerst einfach nur ein Konzept für eine Figur da und der Rest kommt nach. Mal habe ich auch nur einfach einen Konflikt. Oder aber die Hauptfigur wird der Handlung wie ich sie im Kopf habe nachempfunden. Wenn dort viele Monster hausen brauche ich einen Charakter der sich damit auskennt sie zu beseitigen und so nimmt der Entstehungsprozess dann seinen Anfang.

 

Was unterscheidet deiner Meinung nach einen guten von einem interessanten Charakter? Schließt das eine nicht eigentlich das andere ein?

 

Eine gute Figur macht einen hervorragenden Job, so einfach ist das. Du kannst nicht behaupten, dass eine Figur schlecht ist, bloß weil sie zwei Sätze hat, um die Handlung voranzutreiben. Andererseits kann man letztlich auch eine Menge damit machen. Die wenigsten tun es, aber möglich ist es in jedem Falle. Die Figur kann diese zwei Sätze singen und tanzend aufsagen. Oder aber total überdramatisiert. Da gibt es viele interessante Möglichkeiten rauszuholen.

Ich würde andererseits Harry Potter nicht als interessante Figur bezeichnen, aus dem einfachen Grund weil er keine Persönlichkeit besitzt die interessant sein könnte. Seine Existenz geht nie über etwas Persönlicheres hinaus als „der Held zu sein“. Und das meiste davon ist nicht wirklich eine Charaktereigenschaft. Hat einen Fluch überlebt, trägt eine Narbe auf der Stirn und Brillenträger ist er auch noch, vielleicht erwähnt man an einer Stelle noch seine zerzausten Haare. Nichts davon trägt aber wirklich zu seinem Charakter bei und er bleibt letztlich ein gesichtsloser Niemand. Aber nichtsdestotrotz weiß er den Leser an die Geschichte zu binden, das beweisen mehrere Millionen Fans. Insofern macht er einen guten Job und ist auch eine gute Figur.

Als Gegenbeispiel wie eine interessante Figur aussieht, die nicht gut ist, möchte ich mal „Yoka der Dämonenhexer “ heranziehen. Eine Arbeit die ich nicht so schnell vergessen werde. Ich hatte den Anfang geplant. Zuerst ist alles friedlich, dann kommt der Weltuntergang und der Held krachledert wie ein Meteorit mitten rein und rettet vollkommen verpeilt den Tag, ohne es selbst zu merken. Also ein stinknormaler Tag, für Autoren wie mich. Daraufhin gingen wir zusammen in seine Wohnung, um die Geschichte noch etwas weiter auszubauen. Er steht also vor der Tür und klingelt. Und ich frage mich, wieso er klingelt und schlussfolgere, dass dort drinnen jemand sein musste. Dann geschah etwas, dass mir vorher noch nie beim Schreiben passiert. Es ist mir leider nicht möglich, diese Szene wie es ihr gebührt wiederzugeben, ohne dabei den publizierten Text nach- bzw. abzuschreiben. Ich machte jedenfalls die Bekanntschaft mit dem Satyr Qwier und ab dort wurde die Geschichte merkwürdig. Ich fasse es mal kurz zusammen, er hat in die Badewanne gekackt, um dort Hanf anzupflanzen, weil er im Netz gelesen hatte, dass Satyrkot ein guter Dünger sei. Sein Plan lautete darauf sein eigenes kleines Drogenimperium aufzubauen, was ich allerdings bezweifle, da er sich selbst höchstwahrscheinlich sein bester Kunde sein würde. Jedenfalls schien er die Badewanne in nur einem Vormittag bis zum Rand vollbekommen zu haben, mit ein bisschen Hilfe von seinem Freund Marihuana-Hunger. Anschließend kommt ein Anruf für den Titelhelden der ihn dazu verleiten soll die Welt (erneut) zu retten, wie man es halt kennt, eine ganz alltägliche Sache. Jedenfalls kommt es zu einem Missverständnis und Qwier mischt sich in das Telefonat ein und erklärt dem Typen auf der anderen Leitung erst einmal, wieso eine Welt ohne Drogen mit einem Qwier Triglut darauf nicht möglich sei. Währenddessen versucht er seinen Kumpel daran zu erinnern, nicht aus dem Fenster zu springen, weil ihm die Ahnung beschleicht, dass Yoka es mal wieder verdattelt hat, das er nicht fliegen kann. Ende der Szene. Es war eine der skurrilsten Erfahrungen meiner Schreiblaufbahn. Und die Figur ist ohne Frage überaus schillernd, aber sie hat nicht den geringsten dramaturgischen Nutzen. Sie bringt die Handlung nicht weiter. Ihre einzige Existenzberechtigung ist, dass sie den Leser unterhält, aber das war es auch schon. Hätte ich sie weggelassen wäre die Szene kürzer gewesen, aber an der Gesamthandlung hätte sich nichts geändert. Zugegeben Qwier rettet seinen Mitbewohner vor dem tödlichen Gestank im Badezimmer, aber da er auch für selbigen verantwortlich ist, klärt sich die Angelegenheit von selbst, wenn er nicht da wäre. Sie ist somit eine schlechte Figur, aber nichtsdestotrotz würde ich sie nicht missen wollen. Außerdem zeigt es für mich persönlich, dass man Harry Potter mit seinen sieben Wälzern locker in einer einzigen Szene an die Wand spielen kann.

 

Was findest du bei der Entwicklung neuer Figuren am Schwersten?

 

Jede Figur hat bei mir ihre eigenen kleinen Eigenheiten. Ich würde nie etwas schreiben, wenn es keine Risiken oder Neuerungen für mich gäbe. Es gibt da wirklich nichts Pauschales. Ich hatte beispielsweise mal eine Figur die über keinerlei freien Willen verfügte und nur auf Befehl handeln konnte, da sie das Konzept mit der Entscheidungsfreiheit einfach nicht begreifen konnte, was für einen Menschen wie mich schwer nachzuvollziehen und somit gleichschwer darzustellen ist. Oder ich habe mal versucht mich in eine zickige, klischeebeladene Teeniehexe hineinzuversetzen. Einmal habe ich auch versucht gänzlich auf die Dialoge zu verzichten, was schwierig ist, wenn es um eine lebendige Darstellung geht. Das sind nur ein paar Beispiele die mir nicht so gut gelungen sind.

Was allerdings immer schwierig war und das wird vermutlich auch so bleiben, sind „Wunderland“-Figuren. Dabei handelt es sich um Figuren die schwer gestört sind und unter totalen Realitätsverlust leiden. Man muss sich einfach vorstellen, wie man versucht alles Alltägliche zu verdrehen und surreal zu gestalten. Immer wieder stellt sich dies als interessantes Unterfangen heraus, ganz gleich wie gut man ist. Es ist halt so, dass hierbei die Grenze nach oben hin offen ist.

 

Die größte Herausforderung für mich beim Schreiben bzw. dem Thema „Figuren“ ist die Balance und Chemie. Zum einen will man natürlich eine Handlung erzählen, andererseits sollen aber auch die Figuren nicht zu kurz kommen. Es ist beispielsweise sehr wichtig kleine und intime Momente zu kreieren, die den Leser stark berühren. Dabei müssen diese irgendwie alltäglich, als auch außergewöhnlich sein, um sich dem Leser einzuprägen. Aber sie dürfen auch nicht zu gewöhnlich sein, um nicht den Leser zu langweilen. Gekünstelt ist bei so etwas ein absolutes No-Go. Und natürlich muss der Leser all diese Momente erleben und darf sie nicht nacherzählt bekommen, weil es die Wirkung stark abschwächen würde. Meiner Ansicht nach schafft es eine Figur nur dann das Herz des Lesers ganz für sich einzunehmen, wenn sie ihn sowohl zum Lachen als auch zum Weinen bringt und das möglichst in dieser Reihenfolge (ist einfach effektiver). Wenn ich so etwas in Spielen (seltsamerweise sehe ich das häufig bei 8-Bit-Games, ohne Sprachausgabe) oder Anime-Serien sehe, wie dort eine Beziehung zwischen mir und diesen Figuren mitunter aufgebaut wird, bin ich immer wieder hin und weg.

Schon seit Jahren versuche ich diese Chemie, dieses Gefühl irgendwie zu knacken und eine grobe Formel dazu zu entwerfen, um eine maximale Bindung zwischen Figuren und Lesern zu kreieren. Leider mit nur mäßigem Erfolg, aber ich arbeite weiter daran und versuche mein Bestes. Sollte(!) ich diesen Durchbruch allerdings schaffen, stellt sich natürlich als nächstes die Frage, ob diese These allgemeingültig ist oder aber (was wahrscheinlicher wäre) nur bei Menschen funktioniert, die meine emotionalen Anlagen teilen. Aber dennoch dürften die daraus gewonnenen Erkenntnisse für viele Autoren bestimmt interessant werden. Vielleicht jage ich letztlich in dieser Angelegenheit auch nur einem Gespinst nach, wer weiß das schon?

 

Was fällt dir bei der Entwicklung deiner Figuren besonders leicht?

 

Jede Figur ist da anders. Und in Anbetracht, dass ich mich selbst auch verändere und weiterentwickle, kann ich nicht sagen, dass mir etwas besonders leicht fällt. Höchstens vielleicht Dialoge, da ich meistens meinen Charakteren ihren Text, wenn überhaupt, in kurzen Stichworten gebe und sie ihn dann einfach improvisieren lasse. Mitunter müssen sie diese Stichpunkte sogar noch weiterentwickeln und begründen können. Oder aber sie bekommen nur ein Motiv oder einen Standpunkt und müssen diesen dann eben in Worte fassen.

Bei manchen meiner Texte liest es sich daher, als wären die Dialoge von Tarantino geschrieben worden.

 

Weiß oder Schwarz oder doch lieber Grau? Wo siehst du deine Figuren eher angesiedelt?

 

Es gibt hier keinen klaren Sieger. Ich mache alles und habe keine Vorlieben bei dem Thema. Es kommt immer darauf an, was ich mit dieser Figur tun möchte und wie viel Spielraum ich besitze, um sie auszuschmücken. Ganz zu schweigen von der Eigendynamik, die sie entwickeln.

Beispielsweise bin ich gerade mal wieder in einer Phase, in der ich gerne auf das Schwarz-Weiß-Schema zurückgreife, es jedoch mehr durch den Kakao ziehe. Mit Schurken, die keine sein können oder aber eine ganz eigene Interpretation vom böse Sein haben, die eher ungewöhnlich wirkt. Dann wären da auch noch meine Helden zu erwähnen, die die Bösen nicht bestrafen dürfen, weil sie dann keine Helden mehr wären.

Aber meistens bin ich bei so etwas eher unterbewusst zugange und entscheide mich nur selten, bei besonderer Gelegenheit und dementsprechenden Ideen/Konzepten, bewusst für eine der drei Möglichkeiten. Meistens lasse ich die Figuren schalten und walten, wie sie wollen. Sollen sich die Leser doch über so etwas einen Kopf machen. Mir sind die menschlichen Züge bei den Figuren wichtiger, da diese am ehesten zu einer emotionalen Bindung führen ohne dabei die Figur gleich in eine bestimmte Kategorie zu stecken. Sympathie muss nicht zwangsläufig den Guten, Bösen oder Grauen allein gehören. Wenn man es richtig in Szene setzt, kann alles das Herz erwärmen.

Und seitdem ich vor etlichen Jahren mit einem Kollegen zusammengearbeitet habe, wodurch „Die Jagd nach Mjölnir“ entstand, habe ich es sowieso aufgegeben die Figuren in derartige Kategorien zu drängen. Damals begann ich mich verstärkt mit der Charakterentwicklung auseinanderzusetzen und im Zuge dessen wollte ich mal wieder einen ganz klassischen Schurken haben. Allerdings hat sich Loki dann mit jedem Kapitel immer weiter von dieser Kategorisierung entfernt und wurde immer mehr zum Anti-Helden. Seitdem möchte ich niemanden mehr „grundlos“ in eine Schublade stecken. Am Ende machen meine Figuren doch eh alle was sie wollen und meine Bemühungen sind dann vergebende Liebesmühe.

 

Oft heißt es, ein Autor, sollte seine Figur bis ins kleinste Detail kennen, also auch solche Dinge, welche gar nicht in die Story hinein finden. Wie siehst du das?

 

Jeder Autor ist ein Individuum und hat ganz eigene Vorstellungen, Bedürfnisse und Ziele.

Ich kann hier nur für mich selbst sprechen und sagen, dass so etwas bei mir nicht funktioniert. Ich habe es mal bei „Engeltod“ (mein erstes größeres Projekt) versucht die Story und die Figuren bis ins kleinste Detail zu planen. Damals dachte ich, es gehörte sich einfach so für einen Autoren. Mal ganz davon abgesehen, dass ich noch ein blutiger Anfänger war, langweilte ich mich zu Tode. Es gab einfach keine Überraschungen für mich. Seitdem habe ich mich in die Richtung entwickelt, dass die Figuren grob geplant werden, sie jedoch über einen freien Willen verfügen und mich somit überraschen können. Und wenn ich überrascht bin, ist es der Leser mit hoher Wahrscheinlichkeit auch. Der Spielraum ist dabei immer unterschiedlich und sehr stark abhängig von meiner eigenen Planung und der Figur selbst. Was es für meine Stammleser schwer macht zu erahnen, was letztlich passieren wird.

Ein einfaches Beispiel. Ich plane, dass Figur A Figur B tötet. Wie A das anstellt ist mir dabei völlig egal. Vielleicht habe ich auch einen Ausgang des Ganzen im Kopf oder nicht. Jedenfalls gehe ich zu der Figur und frage wie sie es anstellen möchte. Dabei kann sie B erschießen, erstechen, in die Luft jagen oder was auch immer machen. Mir ist ebenso egal ob es auch noch Statisten erwischt. Selbst die Art und Weise bleibt ihr dabei überlassen. Meinetwegen kann sie die Aktion in einer Musical-Nummer über die Bühne gehen lassen (warte schon seit Jahren auf so eine Figur). Wie gesagt, ich möchte meine Leser überraschen und letztlich möchte ich das auch für mich selbst.

Abgesehen davon wird diese „durchgeplante“ Figur höchstwahrscheinlich nie mehr sein als das was sie ist und daher so klein bleiben, wie ich sie mir in der Theorie ausgedacht habe. Vorausgesetzt natürlich sie entwickelt keinerlei Eigendynamik.

Aber hier spreche ich nur für mich und das kann jeder anders sehen.

 

Manchmal finde ich es sehr schwer Emotionen durch meine Charaktere zu erzeugen z.B. Angst. Hast du einen Tipp dafür?

 

Nicht wirklich. Du befindest dich da in einem großen Irrtum. Es ist nicht die Aufgabe der Charaktere den Leser in diesem Maße zu manipulieren. Das tust du durch ganz andere Dinge. Letztlich ist es das primärste aller Werkzeuge des Autoren, welches sich dafür verantwortlich zeichnet. Es sind die Worte durch die der Leser beeinflusst werden muss, beziehungsweise die Assoziation die er mit ihnen hat. Wir haben hier somit eine Schnittstelle verschiedener Faktoren, unter denen die Figuren die niedrigste Priorität genießen. Zunächst einmal kommt der Schreibstil, dann kommen die Atmosphäre sowie der Aufbau der Szene und dann erst können die Figuren dazu benutzt werden. Ihre Tätigkeit ist eher trivial bis unterstützend. Eine Figur soll den Leser an die Geschichte binden, mehr kann sie nicht tun, außer natürlich Sympathie und Antipathie beim Leser erregen. Es ist die Aufgabe des Autors dafür sorgen, dass der Leser fühlt was er zu empfinden hat. Somit sind wir bei diesem Thema auf einer ganz anderen Baustelle.

Nehmen wir doch mal die besagte Angst als Beispiel. Wir benutzen dabei Wörter die Unwohlsein erzeugen sollen, wie etwa „ekel“, „morbide“ und „grotesk“, um danach das Ganze dann zu steigern mit „schrecklich“ oder „bösartig“. Es muss auch auf die Satzlänge geachtet werden, um das Lesetempo besser bestimmen zu können. Mit Metaphern oder Floskeln veranschaulichen wir das Ganze und steigern den Effekt auch noch zusätzlich. Die Figur kann es letztlich nur bestätigen und es mit gewissen Handlungen noch mehr verdeutlichen und lebendiger gestalten. Mitunter kann sie die Wirkung auch noch ins Gegenteil verkehren, wenn sie die nötige Unterstützung seitens des Autoren bekommt. Doch letztlich muss es das Bild sein, welches der Leser in seinem Kopf hat, das die Gefühle auslöst. Die Figur alleine kann das nicht. Sie kann ein Teil dieser Darstellung sein, doch nie das Hauptwerkzeug. Das kann nur der Autor beziehungsweise der Erzähler.

 

Bist du bei einem Charakter auch schon einmal gar nicht weitergekommen? Und woran lag das?

 

Nein, es passiert eher, dass ich mit der Story nicht weiterkam. Das kam früher schon öfters vor, wie etwa bei „Die ewige Stille“ oder „Dark Universe“, die ich abgebrochen bzw. übereilt beendet habe, weil ich einfach nicht mehr weiter wusste. Aber dadurch konnte ich letztlich mein Improvisationstalent verbessern. Dann und wann habe ich zwar Probleme meine Figuren zu verstehen, doch dann fehlt mir meist eine Art Einstiegspunkt, um das zu ändern.

 

Bei Figuren ist es eher so, dass ich mir verschiedene Szenarien durch den Kopf gehen lasse und mir überlege welches ich am ehesten nehmen würde. Dann schätze ich grob für wie wahrscheinlich ich dieses Szenario vom jetzigen Standpunkt des Projektes aus halte. Wenn beispielsweise der Böse einfach so am Ende Selbstmord begeht, weil er seine Untaten einsieht und es bei der ersten Hälfte keinerlei Hinweise gibt, dass es eine derartige Wandlung gibt, dann muss ich mir einen Weg überlegen, wie ich es glaubwürdiger darstellen kann. Ich muss also als Lösung einen Prozess herbeiführen, doch darauf muss ich mir einen Weg einfallen lassen der es möglich macht.

Wenn ich allerdings nur schlechte Szenarien habe, überlege ich mir, wieso ich sie als unbefriedigend empfinde und bastle mir daraus eine Lösung, denn das Gegenteil von etwas Schlechtem ist meistens gut.

 

Hast du das Äußere deiner Figuren nur im Kopf oder hast du auch schon mal Zeichnungen, Bilder und so weiter für sie angefertigt?

 

Ursprünglich wollte ich immer Comiczeichner werden, aber leider bin ich in dieser Hinsicht gehandicapt. Daher sind derlei Sachen für mich nicht möglich. Ich muss sie im Kopf haben.

 

Wie definierst du den Anti-Schurken?

 

Es gibt zwei Arten des Anti-Schurken. Der eine wird in die Rolle eines Schurken gedrängt, wie etwa „Megamind“ aus dem Animationsfilm von DreamWorks. Er wird im Knast von Verbrechern großgezogen die ihm „zeigen was richtig und falsch“ ist. Der andere hingegen ist ein Schurke, der sich selbst eher als Held sieht, wie Handsame Jack aus „Borderlands 2“. Er ist ein Skrupeloser Firmenchef, der seinen Vorgänger stranguliert und somit seine Position eingenommen hat. Anschließend eröffnete er einen Krieg auf einen anderen Planeten um Rohstoffe zu erschließen sowie ihn zu „zivilisieren“ und erschießt Unschuldige, weil auf diesem Planeten viele Verbrecher wohnen und er es eher als Dienst an der Menschheit sieht, wenn dieser „Abschaum“ beseitigt wird. Ob das nun Kinder, Frauen oder Buchhalter sind, spielt dabei keine Rolle. Außerdem würde kein Schurke sich selbst so einleiten: „Hier spricht Handsome Jack, euer Held.“

Und das ist nicht meine ganz eigene Definition, sondern eine allgemeingültige Definition. Der Anti-Schurke ist daher in keinster Weise mit den Anti-Helden zu vergleichen, welcher sich durch seine Menschlichkeit definiert und daher eher in einer Grauzone angesiedelt ist. In diesem Fall ist das Wort SCHURKE wirklich hervorzuheben. Auch wenn er meist nicht so böse ist, wie ein reiner Bösewicht.

 

Gibt es Charakterzüge, die du immer wieder in deinen Figuren wiederfindest? Vlt. auch jene, welche du auch an dir findest?

 

Jede Figur hat etwas von mir. Immerhin steckt sie in mir und es ist auch meine ganz eigene Performance, die niemand so schnell nachmachen kann. Allerdings es gibt da wirklich etwas, dass sich wiederholt. Ich weiß nicht wieso, weshalb, warum aber es gibt einen sich wiederholenden Konflikt der sich durch meine Werke hindurch zieht zwischen Feuer und Dunkelheit. Meist übernimmt die Finsternis den bösen Part, während das Feuer als kleineres Übel darstellt wird. Was für eine persönliche Beziehung dahintersteckt, weiß ich allerdings selber nicht.

Ich versuche mich allgemein von solchen Sachen fernzuhalten, da sie mich zu berechenbar machen könnten, wenn ich diese Dinge zu oft wiederhole. Immerhin ist es mein Ziel den Leser zu überraschen und da muss man sich ständig was Neues einfallen lassen.

 

Welche deiner Figuren ist bisher die aufwendigste? Warum ist dies so?

 

Das kann ich nicht feststellen. Aufgrund der unterschiedlichen Ansprüche und auch des sich dadurch ändernden Könnens kann ich das nicht beurteilen. Vielleicht kann das ja jemand anderes für mich machen. ;P

Aber am anspruchsvollsten sind Handlungen in denen jede Figur seine eigene Matrix bekommt. Das ist letztlich nichts weiter als eine subtilere Fassung der „Wunderland“-Figuren. Dafür muss man letztlich nur eine simple Sache verstehen, nämlich, dass jeder Mensch in seiner ganz eigenen Welt lebt und es eigentlich gar nicht so etwas wie eine allgemeingültige Wirklichkeit gibt. Der Mensch nimmt seine Welt nämlich durch die fünf Sinne wahr und daraus entsteht letztlich seine Realität. Alles was wir letztlich über unsere Sinne aufnehmen bzw. nicht aufnehmen, wird dann nämlich vom Gehirn verarbeitet und währenddessen werden die Eindrücke interpretiert, mit Erfahrungen abgeglichen und assoziiert. Und das läuft bei jedem anders ab und deshalb sind wir Menschen auch alle so unterschiedlich.

Ein einfaches Beispiel, wenn ich in meiner Geschichte einen Baum einbaue, dann kann ihn jeder anders wahrnehmen. Für die einen ist er vielleicht groß, für den nächsten unheimlich und der letzte kann ihn gar nicht durch die Menschenmenge dort sehen, somit kennt er ihn nur vom Hörensagen. Und dieser Baum ist für diese Menschen nun Wirklichkeit, weil sie ihn sehen können. Was ist aber, wenn jemand den Baum anfassen will und merkt, dass dort gar nichts ist, aus welchen Gründen auch immer? Dann muss dieser Sinneseindruck bzw. dieser Teil seiner Wirklichkeit völlig neu bewerten werden und beim nächsten Mal wird der Typ den Baum ganz anders wahrnehmen. Der Rest hingegen wird immer noch „wissen“, dass dieses Stück Holz existiert.

Letztlich bedeutet es nämlich nichts anderes, als das ich die Welt in der die Figuren agieren immer wieder neu erfinden muss. Keine Figur darf in derselben Realität leben und doch müssen meistens dieselben Dinge vorkommen, bloß in anderer Weise. Ich muss nämlich die Umgebung, die Figuren und alles andere immer völlig neu interpretieren, nachdem bewertet wurde, was überhaupt wahrgenommen worden ist, es zusätzlich mit den Erfahrungen abgleichen und mitunter sogar den wortwörtlichen Blickwinkel mit einbeziehen, um nur mal die wichtigsten Beispiele hier zu nennen. Du glaubst gar nicht, was es mitunter für einen Unterschied machen kann, wo die Figur steht. Ist es erhöht oder niedrig? Links oder rechts? Weiter vor oder zurück? Stell dich einfach mal im Büro auf den Tisch und sieh dir den Raum an und plötzlich sieht alles ganz anders aus.

Das ist ziemlich anspruchsvoll, da man letztlich für jeden Charakter, aus dessen Sicht erzählt wird, eine neue Realität anlegen muss, dafür werden sie jedoch in der Regel deutlich vielschichtiger und komplexer als die durchschnittliche Literaturfigur, aber dafür muss auch das nötige an Energie dort reingesteckt werden können. Der einzige Nachteil ist, dass der Leser derartige Konzepte nicht kennt und daher verwirrt sein könnte, aber das ist dann eher eine Erziehungs- bzw. Gewohnheitssache, wie bei allen unkonventionellen Mitteln.

 

Haben deine Figuren eher einen dramatischen oder relativ unspektakulären Hintergrund?

 

Da gibt es solche und solche. Ich werde mal die paar Kapitel aus der „Arkham-Spirit-Show“ nehmen, in der die Figuren eingeführt werden. Machen wir es doch absteigend von dramatisch bis unspektakulär.

Da wäre einmal Jason, mit seiner Straßengang. Seine Eltern sind drogenabhängig und seine Gang ist von der Mafia ausgelöscht worden. Also macht er sich mit einer Eisenstange auf den Weg die Killer zu finden und überrascht sie in einem Restaurant und stirbt dabei auch. Eine sehr dramatische Szene. Er ist allerdings nur vorerst tot. Wie gesagt, ist das nur die Einleitung.

Dann hätten wir da Howard, dessen Traum es ist ein Superheld zu sein. Dafür nimmt er sogar obskure Rituale in Kauf. Etwas merkwürdig, aber nicht wirklich spektakulär.

Dann wäre da noch Seline. Ausreißerin, Straßenmädchen und Diebin. Das ist gar nicht spektakulär.

Schlussendlich hätten wir dann noch Cletus Wade. Ein geisteskranker Killer der keinen Background besitzt, zumindest bis jetzt. Ich weiß nur, dass er in die Geschlossene kam, weil er jemanden aus Jucks mit einem Löffel oder so umgebracht hat.

 

Orientierst du dich bei der Entwicklung auch schon mal an reale Personen, die du kennst?

 

Nein. Die einzige Quelle für meine Figuren bin ich selbst, da ich sie immerhin auch verkörpern muss. Mal ganz davon abgesehen, dass sich manche reale Personen bestimmt auf den Schlips getreten fühlen dürften, da sie immer versuchen eine fiktive Figur mit ihren eigenen Charakter in Einklang zu bringen. Es ist einfach nicht möglich einen lebenden echten Menschen in all seinen Facetten vollkommen einzufangen.

Aber ab und an arbeite ich schon an kleinen „Geschenken“ für bestimmte Leute und dort arbeite ich Figuren aus, die gewisse Ähnlichkeiten aufweisen oder ich benutze ein Akronym aus ihren Namen.

Abgesehen davon habe ich schon reale Personen mit eingebaut. Einmal gab es einen Kurzauftritt einer Kollegin in einer Story die ich ihr gewidmet habe. Und dann gab es da noch eine Art Tournier in welchem sich die Autoren möglichst authentisch in die Geschichten mit reinschreiben sollten. Da musste ich mich natürlich selbst reinschreiben. Meins ist das nicht so ganz, das kann ich auf jeden Fall sagen.

 

Nebenfiguren kommen und gehen. Oft erinnert sich ein Leser nicht einmal mehr besonders gut an sie, wenn sie nicht ein besonderes Merkmal aufweisen. Wie bestückst du deine Nebencharaktere, um sie lebendig und nicht als x-beliebige und austauschbare Figuren darzustellen (von denen die wirklich nur ein oder zwei Sätze etc. haben abgesehen)?

 

Meiner Meinung nach gibt es in so einer Situation meist zu viele Nebencharaktere und dazu auch noch welche die nichts Wirkliches zur Geschichte beitragen. Ich selbst bin dazu übergegangen, nur die nötigsten Figuren zu benutzen. Allerdings bin ich auch ein Minimalist beim Schreiben. Wenige Figuren halten es übersichtlicher und man kann auch mehr Zeit und Energie in die einzelnen stecken. Sofern ich mich ernsthaft mit einer Geschichte beschäftige, arbeite ich meine Nebenfiguren ebenso so aus, wie meine Hauptfigur. Dabei benutze ich dieselben Werkzeuge wie für den Protagonisten, wie beispielsweise besagte Zwei-Stuhl-Technik. Und auch bekommen die meisten ihren Background. Letztlich müssen wir uns auch mal darüber im Klaren sein, dass keine Persönlichkeit im Vakuum existieren kann und die Figuren sich gegenseitig beeinflussen als auch reflektieren. Beispielsweis durch Meinungsaustauch. Die Nebenfigur behauptet etwas und der Hauptcharakter kann dem Zustimmen oder aber verneinen und schon haben wir ihn etwas weiter ausgebaut und dargestellt. Nebenfiguren nehmen somit eine wichtige Rolle ein, um die „wichtigeren“ Charaktere zu ergänzen und ihnen mehr Facetten zu geben. Bei mir ist es so, dass ich es auch andersherum versuche. Es ist nämlich auch wichtig Nebenfiguren Raum zu geben und sie auch mal ins Zentrum des Geschehens zu rücken, damit man ihnen Gehör schenkt und sie zeigen können, was in ihnen steckt.

 

Wenn du auf deine bisherigen Figuren zurückschaust, was waren deiner Meinung nach deine gröbsten Fehler bei der Erarbeitung und würdest du heute noch einmal alles genau so machen?

 

Den letzten Teil würde ich gerne mit einer Gegenfrage antworten: Würde ich die heutigen Erfahrungen besitzen, wenn ich die Fehler von damals nicht begangen hätte? Keine Missgeschicke, keine Erfahrung, so einfach ist das.

Alles in allem habe ich dieselben Fehlerquellen gehabt, wie jeder andere zu seinen Anfängen auch. In „Engeltod“ habe ich den Charakteren zu wenig Raum zur Entfaltung gegeben und es zu Actionlastig gestaltet, während bei der „Devil-Saga“ alles verkrampft cool sein musste. Die Figuren waren nicht mehr als Marionetten für mich. Sie lebten nicht und ich ließ sie auch nicht. Aber zu meiner und aller anderen, die dieselben Fehler begangen haben, Ehrenrettung muss ich sagen, dass die Figuren auch nur ein einzelner Aspekt sind und das Schreiben auch noch viel mehr umfasst als nur diesen Teilbereich und das muss auch erlernt werden. Es hat Jahre gedauert, ehe ich mich verstärkt auf die Figuren konzentrieren konnte und gut genug in den anderen Feldern war, um mich um diese nicht mehr so verstärkt kümmern zu müssen. Anfangs sollte sich eh jeder erst einmal darauf fokussieren eine halbwegs vernünftige Geschichte zimmern zu können. Letztlich bin ich zufrieden damit wie es gelaufen ist. Schreiben ist eine komplizierte Angelegenheit und ich trage meine vergangenen Fehler mit Stolz zur Schau.

 

Schlechte Figuren gibt es wie Sand am Meer. Welche ist für dich die Schlechteste (Literatur, Film etc. eingeschlossen)?

 

Ich gebe zu, viele Trash-Filme gesehen zu haben, doch Figuren in Filmen funktionieren ganz anders und nehmen auch einen anderen Stellenwert ein, als in der Literatur. Bei Videospielen ist es dasselbe. Was besonders daran liegt, dass es über visuelle Reize läuft, während das Schreiben seine Faszination aus Assoziation schöpft. Deshalb würde ich mich gerne auf eine Figur aus einem Urban-Fantasy-Roman beziehen den ich hier auf Bookrix gesehen habe.

Ich glaube der Titel lautete „Die Wächterin des Feuers“. Die Handlung war eine Abfolge wenig zusammenhängender Episoden in der es um die titelgebende Wächterin geht, deren Name Lucy war. Sie war eine pummelige Teenagerin mit Akne und ohne Selbstvertrauen die durch Zufall von einem Werwolf getötet und anschließend als Wächterin des Feuers wiedergeboren wird. Diesmal allerdings in einem neuen Körper, der wunderschön ist. Sie wird von zwei anderen Wächtern aufgenommen, die für Erde und Wasser stehen und danach wird sie für ein Jahrhundert in ihrem Haus eingesperrt und ausgebildet. Nach Ablauf der Frist wird sie wieder auf die Gesellschaft (welche sich in der Zwischenzeit überhaupt nicht weiterentwickelt hat, obwohl ein ganzes Jahrhundert vorüber ist) losgelassen und arbeitet als Wächterin für das Gute. So viel zur Handlung.

Was diese Protagonistin mir so ins Gedächtnis gebrannt hat war, dass sie nicht nur eine reine Mary Sue ohne Persönlichkeit ist sondern auch noch der damit verbundene exzessive Gebrauch des Deus ex machina, der dafür sorgt, dass keine einzige Handlung von ihr eine negative Konsequenz nach sich zieht. Etwa gegen Ende beispielsweise gibt es eine kuriose Episode mit einer Parallelwelt, die sehr stark mittelalterlich angehaucht ist. Dort gibt sich eine arrogante Prinzessin als Feuerwächterin aus und Lucy wird beauftragt sie als verdeckte Bedienstete zu beschützen. Dabei wird sie allerdings ziemlich von ihrem Zögling schikaniert, worauf Lucy sie anschreit und meint, dass sie die wahre Feuerwächterin ist. Die negative Konsequenz war glaube ich eine Strafarbeit, nach der sich niemand, noch nicht einmal einer der Zeuginnen die anwesend waren, an diesen Vorfall großartig erinnerte. Kurz zusammengefasst, sie lässt sich selbst auffliegen, doch es passiert nichts, worauf man sich die Frage stellt wieso es keine Gerüchte oder ähnliches gibt geschweige denn, warum man das Versteckspiel spielt. Auch gab es in diesem Buch nur wenig Tote, da Lucy sie wiederbeleben konnte oder aber sie kamen von selbst zurück. Am Ende kam es auch so, dass einer der Typen lieber tot bleiben wollte, da im Jenseits auch seine Familie war. Letztlich gab es wenig, dass wirklich schlecht war und so wirkte die gesamte Handlung mehr als nur utopisch. Immer musste alles krampfhaft positiv ablaufen. Die schlechten Phasen, waren in nur wenigen Sätzen abgefrühstückt.

Wie bereits oben erwähnt sind Nebenfiguren auch sehr wichtig um den Protagonisten zum Glänzen zu bringen. Die zwei Typen die mit Lucy zusammenarbeiteten waren ebenfalls gesichtslos und hätten mitunter vielleicht sogar ganz aus der Handlung gestrichen werden können. Aber die Krönung waren letztlich die bösen Wächter, die ebenfalls die vier Elemente in ihrer negativen Form darstellten. Diese waren in der gesamten Handlung rigoros inkompetent. Ihr Ziel war es Lucys Macht an sich zu reißen, wieso weiß niemand und außer dass ihre Anführerin dasaß und die gesamte Zeit darüber sprach wie „dringend“ sie diese Macht brauchen, ohne ein wirkliches Ziel dabei zu haben, haben die eh nur wenig gemacht. Dabei ist die Aufgabe des Antagonisten in den meisten Fällen eigentlich recht simpel, nämlich, dass er den Protagonisten unter Druck setzt.

Aber nun kommt eigentlich das bizarrste was ich jemals beim Lesen eines Buches gesehen habe. Wie bereits gesagt war Lucy sowohl Mary Sue als auch Deus ex machina in einem. Dadurch kam es, dass sie wie ein dramaturgisches schwarzes Loch war, das alles einsog, was nicht perfekt oder unvollkommen war. Und was dann von den Figuren übrigblieb war immer „perfekt“. Beispielsweise hatte Lucy eine Schulfreundin die ein wirkliches Mauerblümchen war und über wenig Selbstvertrauen verfügte. Dabei soll sie angeblich sehr hübsch gewesen sein, bloß etwas unvorteilhaft wenn es um den Gebrauch von Make-Up und dem Kleidungsgeschmack ging. Also hübschte die Feuerwächterin sie auf und dann irgendwann wurde sie durch einen blöden Zufall von einem Vampir gebissen. Daraufhin wurde sie wie Lucy dereinst wunderschön und am Ende zeigte sie auch erste Anzeichen dafür ein starkes Selbstbewusstsein zu entwickeln. Ende der Episode.

Und all das sind auch nur die Gipfel der Absurditäten. Letztlich sollten sie aber einen recht guten Eindruck davon geben, was da schiefgelaufen ist.

 

Bezogen auf die obige Frage. Was würdest du bei genau dieser Figur anders machen?

 

Das wäre eigentlich mit ein paar simplen Handgriffen eine gute Protagonistin geworden. Zunächst einmal hätte ich den Deus ex machina von ihr getrennt und ihn mittels Personifizierung für den Leser erklärbar gemacht. Ein allmächtiges Götterwesen, das die Handlung beeinflusst, ist in diesem Genre überaus plausibel. Dann hätte ich mich an die Charaktersierung der beiden gemacht. Dem Gott hätte ich als launisches Arschloch dargestellt, das gegen Lucy antretet, welcher ich einen Charakter gegeben hätte der mehr beinhaltet als immer nur perfekt gestylt und gut zu sein. Es wäre schön zu sehen, wenn sie dann und wann auch mal ein paar extreme Stimmungen hätte mit dementsprechenden Aktionen. Somit hätten wir dann einen Wettkampf zwischen Deus ex machina und Mary Sue, allmächtiger Göttervater gegen Halbgott. Was ich mir doch letztlich ganz unterhaltsam vorstelle.

Die nächste Frage wäre, ob Lucy ihre Allmacht behalten oder aber lieber auf eine Halbe-Mary Sue herunter gebrochen werden sollte. Für diejenigen die nicht wissen was eine Halbe-Mary Sue ist: Diese Charaktere definieren sie sich über ihre Allmacht. Aber bei der halben hat sie nur eine einzige überaus ausgeprägte Stärke, aber da die Story einen Schwerpunkt hat, wo ihr die Stärke hilft und die Schwächen nur wenig bis gar nicht ausgespielt werden, wirken sie trotz deutlicher Schwächen immer noch übermächtig. Sollte ich mich für die Halbe-Mary Sue entscheiden, würde ich ihre Feuerkräfte allerdings noch weiter verstärken bis sie jeden Kampf ohne Anstrengung gewinnen könnte. Was bei ihr mehr Probleme auslösen würde. Entweder frustriert sie das ständige Siegen oder aber, da wir hier von Feuer sprechen, sie nutzt ihre Kräfte weniger da sie dadurch auch mehr Schaden anrichten könnten. So in etwa wie in den Animes „One Punch Man“ oder „Mob Psycho 100“. In jedem Falle sollte hier die Schwachstelle der Mary Sue genutzt werden. Denn im Gegensatz zum Deus ex machina kann sie aus dramaturgischen Gründen nur dann alle retten, wenn die Leute sich innerhalb ihres Aktionsradius befinden. Man stelle sich nur mal vor, dass eine Figur plötzlich auftaucht, einen fahren lässt und somit sämtliche Probleme auf der Welt löst, bloß aufgrund ihrer Existenz. Das würde kein Autor schreiben, weil es einfach viel zu kurz greifen würde.

Danach würde ich die Antagonisten besser ausarbeiten und dafür sorgen, dass sie Lucy stark unter Druck setzen können. Mit welchen Mitteln auch immer. Solange sie sich aus Lucys Aktionsradius raushalten, dürften sie eine reale Chance auf einen Sieg haben.

Gib schlussendlich noch eine Prise Humor und Ironie dazu und du hast eine unterhaltsame Handlung.

Das wäre meine Version im groben. Natürlich würde ich es noch weiter ausbessern, aber für den Anfang sollte es reichen. Wie gesagt, ein paar kleine Griffe und schon hat man etwas Brauchbares.

 

Als Autor liest man in der Regel auch von anderen Autoren Bücher, sprichst du deine „Kollegen/innen“ auf ihre Figuren an? Oder bist du gar selbst schon einmal auf eine deiner Figuren angesprochen worden?

 

Nein. In der Regel finde ich in Büchern nur selten Figuren die mir wirklich gefallen und wenn, dann ist der „Kollege“ schon seit mindestens hundert Jahren tot. Somit ist eine Kontaktaufnahme eher als „schwierig“ zu bezeichnen.

Ich selbst werde auch eher selten nach meinen Figuren gefragt. Meistens kriege ich nur das zu hören wie alle anderen auch: „Toll gemacht. Weiter so.“

Manches Mal kann ich allerdings nicht widerstehen meine Leser bei manchen Geschichten aus reiner Neugierde zu fragen, wie sie sie weiterschreiben würden. Die Ergebnisse sind für mich allerdings auch eher unbefriedigend. Meistens geht es darum dass alles auf ein Happy End getrimmt wird oder sie den offensichtlichsten Weg gehen würden, der überraschungsarm ist. So wollte eine Leserin beispielsweise, dass in der Dystopie „Ist das Liebe in der seelenlosen Leere seiner Augen?“ das Kind des Protagonisten in der Fortsetzung die zerstörte Welt wieder aufbaut. Oder aber das Yoka durch die Liebe seine Leidenschaft zu Marihuana aufgibt.

Das ist aber nicht so meins. Zwar stimme ich manchmal solchen Vorgehensweisen bei, aber meist ist es dann so ausgegoren, dass es noch genug Spielraum für Überraschungen gibt. Aber ich mag es makelbehaftet und gehe gerne gewitzt zu Werke. Und wenn eine Geschichte düster ist, warum sollte sie dann unbedingt ein Happy End haben müssen? Oder warum sollten meine Figuren sich den Normen unserer Gesellschaft angleichen? Häufig ist doch gerade das der Witz an der ganzen Sache und warum sollte ich diese Würze der Geschichte unbedingt entreißen wollen? Ist mir einfach alles zu hoch.

 

Wenn du dich in die Lage eines „Fans“ deiner Bücher versetzen könntest, welches Buch und dessen Figuren wären deine Favoriten? Und wieso wäre dies so?

 

Dafür brauche ich mich gar nicht in diese Lage hineindenken, denn ich bin mein eigener Fan und würde auch nie etwas schreiben, was mir nicht gefällt oder wo ich nie dafür einstehen könnte. Dementsprechend fällt mir die Wahl schwer.

Aber wenn ich drei wählen müsste dann wären es Cannibal aus „Ist das Liebe in der seelenlosen Leere seiner Augen?“, den ich wegen seiner Grausamkeit und Kaltblütigkeit liebe. Der Typ ist einfach nur noch abgefuckt und als monströs zu bezeichnen, was ihn in meinen Augen auch schon wieder menschlich macht.

Dann noch „Der Geschichtenleser“, einfach weil er so kindlich und kreativ ist. Die Arbeit bei solchen Werken ist für mich immer schwierig, da ich dafür die richtigen kreativen Energien benötige und diese nur schwer schöpfen kann, aber das Ergebnis ist es mir wert.

Und schlussendlich der nordische Gott Loki aus „Die Jagd nach Mjölnir“ der meine erste Figur war die eine wirkliche Eigendynamik entwickelt hat. Bis heute lässt mich das Finale nicht los, einfach weil Loki dort das Szenario gewählt hat, welches ich nie und nimmer von ihm erwartet hatte bei einem direkten Kampf gegen Thor. Ich dachte, er würde entweder verlieren oder gewinnen, aber er hat es sich anders überlegt als ich. Dafür hasse ich ihn auch noch heute ein wenig.

 

Hast du zum Abschluss noch ein paar Tipps und Tricks oder etwas anderes was du den Lesern zum Thema Charakterentwicklung gerne mitgeben möchtest?

 

Ich hätte noch eine Menge zu sagen, doch ich halte es für schlauer einfach folgendes zu erzählen: Man sollte nicht immer alles glauben, was man hört, liest oder gesagt bekommt. Lieber sollte man seine eigenen Erfahrungen machen. Egal ob diese gut oder schlecht sind.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 27.09.2016

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Der Gruppe fictional characters und dessen Mitgliedern.

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