Eine kurze Selbstbeschreibung unserer Interview-Partnerin Annibunny:
Mit dem Schreiben habe ich vor etwa zwei Jahren angefangen – genau dann, als ich durch eine Freundin BookRix entdeckt habe, wofür ich wirklich dankbar bin.
Die Geschichten, welche ich schreibe, gehören meistens dem Genre der Dystopie an (und sind fast alle mit Liebe gespickt).
In diesem Genre zu schreiben reizt mich unglaublich, da sich mir „was-wäre-wenn?“- Fragen sehr häufig stellen und ich den Drang habe, diese Fragen in der Öffentlichkeit präsenter zu machen.
Generell steckt sehr viel von meinen eigenen Erfahrungen und Erlebnissen in den verschiedenen Charakteren als auch in den Handlungssträngen selbst.
Hier findet ihr zu ihrem Profil und ihren Büchern:
http://www.bookrix.de/-qh8f4d22fe37125/
Kannst du trotz der Erfahrungen und Erlebnissen, die du in deine Geschichten mit einwebst, dich von dir selber distanzieren um Blickwinkel einzunehmen die deiner eigenen Person völlig widersprechen jedoch im Einklang mit den Charakteren wäre?
Ich denke schon, ja. Besonders durch die Handlung, die sich im Laufe meiner Geschichten abspielt, erleben fast alle meiner Charaktere eine Entwicklung zum Negativen. Durch diese drastischen charakterlichen Veränderungen gibt es große Unterschiede zu den agierenden Personen am Anfang und am Ende der Handlung. Dadurch verursacht würden die Charaktere dann im späteren Verlauf der Handlung Dinge tun, die ich persönlich niemals machen würde, bzw., mit denen ich mich nicht identifizieren könnte.
Du schreibst über Dystopien, in welchen die Entwicklung der Menschheit eine negative Form annimmt, anders als die Utopie, und dadurch sind solche Machwerke meist düsterer Natur. Inwieweit also entwickelt sich das Ganze negativ, sprich wie extrem stellst du diese Entwicklung in der Regel dar und inwieweit wirkt sich dies auf deine Figuren aus?
Die Ursache für die negative Entwicklung einer Gesellschaft sind in meinen Geschichten grundsätzlich alltagsferne Umstände, die den Menschen ihren Wohlstand nehmen oder einen Teil ihres Wohlstands einschränken (Seuchen, Kriege, etc.). Die Bevölkerung wird also aus ihrer Komfortzone herausgerissen - sie bekommt das Leben durch wiederkehrende Schicksalsschläge immer wieder von seinen negativen Seiten zu spüren. Die Bürger der dystopischen Gesellschaft verrohen. Als Folge dessen zerbröckeln Normen und Werte, Menschenrechte werden missachtet usw. Die handelnde Bevölkerung hört auf ihre Vernunft zu nutzen und verfällt ihrem tierischen Wesen. Die Menschen erleben also immer wieder einen Kampf zwischen ihrer „vernunftsbegabten“ und ihrer „tierischen Seite“. Diese negative Entwicklung einer Bevölkerung so extrem wie möglich darstellen, finde ich deswegen sehr reizvoll, da sich die Frage stellt, wie stark sich eine Bevölkerung verändern kann/könnte. Auf meine Figuren wirkt sich diese Entwicklung so aus, dass diese anfangen das System der dystopischen Gesellschaft zu hinterfragen und dass sie letztendlich versuchen, eine Besserung in das System zu bringen.
Wie negativ sind deine eigenen Figuren und zu welcher Grausamkeit sind sie maximal fähig?
Da jeder Grausamkeit anders wahrnimmt und sich dementsprechend jeder etwas vollkommen Unterschiedliches darunter vorstellt, finde ich es sehr schwer, die Frage treffend zu beantworten. Durch die Handlung entwickeln sich (wie schon gesagt) fast ausnahmslos alle meiner Charaktere zum Negativen hin, ihre moralischen Vorstellungen und Werte verfallen. Deswegen wären sie durchaus in der Lage verschiedene Grausamkeiten anzuwenden, um ihre Ziele durchzusetzen. Morde sind also nicht ausgeschlossen.
Würden deine Figuren alles tun, um ihre Ziele zu erreichen und wenn, ja was wäre, der Preis dafür bei dir?
Von Buchcharakter zu Buchcharakter ist das natürlich unterschiedlich! Manche wären zu mehr Grausamkeit, andere zu weniger Grausamkeit fähig. Dementsprechend würden sie mehr oder weniger viel auf sich nehmen, um ihre Ziele umzusetzen und auch gegen Normen und Werte verstoßen. Das hat dann aber meistens seinen Preis. Als Beispiel könnte ich Dajana nehmen (die Protagonistin aus „Bernstein Rebellion“). Sie versucht mit allen Mitteln ihren Bruder zu retten, der, wie es sich herausstellt, in den Fängen der diktatorischen Regierung befindet. Um ihr Ziel durchzusetzen, geht sie wortwörtlich über Leichen. Jedoch gibt es am Ende der Handlung – wenn sie kurz davor ist, ihr Ziel erfolgreich durchzusetzen – einen Plottwist. Ihre Mühe scheint also umsonst. Würden meine Charaktere also so weit gehen, dass es zu einem moralischem Verfall ihrerseits kommt, dann würde ich sie dementsprechend auch ein wenig "bestrafen", haha.
Wenn deine Figuren ein Problem haben, das auf im Ansatz nicht lösbar erscheint, wie gehen sie dann damit um?
Das ist von Charakter zu Charakter natürlich sehr unterschiedlich. Einige meiner Charaktere würden sehr stur agieren und die Hilfe anderer ablehnen, um allein mit dem Problem zurechtzukommen, da sie die Sicherheit anderer Menschen nicht in Gefahr bringen wollen. Andere würden sich mit Freunden oder Gleichgesinnten zusammensetzen, um so die Probleme zu lösen. Wiederum andere Charaktere würden sich mit dem Problem „abfinden“ und würden wegen ihrer Machtlosigkeit nichts an der Situation ändern.
Wie benutzt du die Körpersprache deiner Figuren?
Ich versuche so häufig oder so gezielt wie möglich die Körpersprache meiner Figuren in bestimmten Situationen einzusetzen. Verschiedene Gesten, die meine Buchcharaktere dann (teilweise immer wieder) machen, deuten dann nicht nur auf seine Verfassung, sondern auch auf seinen Charakter hin. Bei einer Protagonistin beispielsweise, ist immer wieder dieselbe Körpersprache zu erkennen, die ihre Unsicherheit andeuten soll. Dadurch, dass sich im Laufe der Handlung ihre Körpersprache jedoch ändert, ist für den Leser allein an ihrer Körpersprache zu erkennen, dass sich ihr gesamter Charakter verändert hat. Die Körpersprache der agierenden Personen ist also nicht nur im Kontext einer einzelnen Szene wichtig, sondern hat für das gesamte Buch eine gewisse Bedeutung.
Was hältst du davon deinen Figuren pro Kapitel eine Seite für einen Monolog zu gönnen? Worüber würden sie auf dieser Seite reden?
In den Monologen würden sich die meisten Figuren wahrscheinlich größtenteils Gedanken über ihre Familie machen, da diese eine Art letzter Anker in dem dystopischen System darstellen.
Was für Weltansichten vertreten deine Charaktere und inwiefern beeinflusst das ihre persönliche Sicht auf die Dinge?
Das ist von Person zu Person unterschiedlich, vorwiegend haben die Charaktere ein humanistisches Weltbild, das dann meist nicht in die dystopische Welt passt. Dennoch sind sich die meisten Charaktere ihren eigenen Weltansichten nicht wirklich „bewusst“, sie merken eben nur, dass sie mit ihrer Meinung anders als die allgemeine Gesellschaft dastehen, und empfinden sich demnach als Außenseiter. Dennoch gibt es bei mir einige Charaktere, die von den (eher negativen) Weltansichten der dystopischen Gesellschaft geprägt sind. Die Protagonistin aus „Bernstein Rebellion“ ist eigentlich eine Person, die sich so gut wie möglich in die Gesellschaft einzufügen versucht, indem sie das Weltbild der Regierung annimmt. Darum finde ich, dass man diese Protagonistin als verblendet bezeichnen könnte, da ihre persönliche Sicht auf die geschehenden Dinge getrübt wird und sie Grausamkeiten und Verstöße gegen die Menschenrechte allein durch die Ideologie der Regierung rechtfertigt.
Würdest du in die Geschichte eingreifen, um deiner Lieblingsfigur das Leben zu retten? Und wenn ja, warum?
Das ist eine gute und sehr schwierig zu beantwortende Frage! Das würde sich auf jeden Fall von Charakter zu Charakter unterscheiden. Wenn ich länger darüber nachdenke, würde ich beispielsweise die Antagonisten, also die eigentlichen Gegenspieler meiner Hauptcharaktere sehr viel weniger lieb sterben lassen als meine Protagonisten. Warum das so ist, kann ich mir selbst nur schwer erklären, haha. Vielleicht liegt es daran, dass ich generell eher Sympathien für die Gegenspieler in einer Geschichte hege. Außerdem denke ich mir, dass der Tod der Protagonisten teilweise sein muss und, dass die Handlung an den Haaren herbeigezogen wirken würde, wenn deren Tod nicht eintreten würde. Allein deswegen würde ich persönlich dann nicht in die Handlung eingreifen, so lieb ich den Charakter auch gewonnen hätte.
Versuchst du mit deinen Figuren das Leben zu imitieren oder aber sind deine Figuren eine Verkörperung dessen, wie du das Leben gerne hättest? Und wie sieht diese Imitation des Lebens bei dir aus, bzw. wie würde das bessere Leben bei dir aussehen?
Meine Figuren verkörpern nicht das Leben, wie ich es gerne hätte, sie versuchen das Leben zu imitieren, wie es denn wäre, wenn sich eine dystopische Gesellschaft heranbilden würde. Wie das bessere Leben in meinen Augen aussehen würde, kann ich (obwohl ich es ja liebe, dystopische Geschichten zu schreiben) nur schwer sagen. Natürlich zählt für mich zum „besseren Leben“ eine Welt ohne Kriege, mit vollkommener Gleichberechtigung, eine Welt ohne Ausgrenzung, usw., dennoch bin ich mir bewusst, dass das wohl nie eintreten würde. Allein deswegen könnte ich nie eine utopische Geschichte schreiben.
Hast du sofort ein Bild eines Charakters (optisch mein ich) oder kommt das Bild immer nachher, wenn der Charakter steht oder während des Schreibprozesses? Wie kommt es, wenn überhaupt? Also, lässt du dich von irgendwelchen Leuten inspirieren oder denkst du dir: So, der Prota hat jetzt eine krumme Nase.
Das ist häufig sehr unterschiedlich. Bei gewissen Charakteren schwebt mir häufig sofort ein bestimmtes Gesicht vor Augen, da ich mit den Charakteren eine bestimmte Person verbinde. Das heißt, das Vorbild für das Aussehen dieser Charaktere sind dann oftmals verschiedene Schauspieler oder Personen des öffentlichen Lebens. Anders ist es, wenn ich gezielt das optische Bild eines Charakters entwickeln will. Ich versuche also, dass sich gewisse charakterliche Merkmale auch äußerlich in der Person wiederfinden. Die in der Frage angesprochene krumme Nase, besitzt beispielsweise eine meiner Protagonistinnen, die einen eher gebrochenen, schrägen Charakter aufgrund ihrer Vergangenheit hat. Durch diese Merkmale, die ich den Charakteren dann gebe, wird auch deren Gefühl Außenseiter zu sein verstärkt (da sie dann besondere Merkmale haben, die sie von den anderen Personen ihrer Umgebung unterscheiden (rote Haare, Sommersprossen und so weiter)). Jedoch geht es mir bei gewissen Charakteren auch sehr häufig so, dass ich nur ein schwammiges Bild des Aussehens habe! Zwar wüsste ich dann, dass dieser Charakter eine bestimmte Augen- Haar- und Hautfarbe sowie bestimmte äußerliche Merkmale hat, jedoch sehe ich diesen Charakter nicht haargenau vor Augen, sondern „erahne“ nur sein Aussehen.
Ich frag wegen den gelungenen Portraits, die so genau sind - kriegst du es wirklich hin, den Charakter so zu zeichnen, wie du es dir vorgestellt hast, oder kommt das einfach während des Zeichnen, so wie beim Schreiben, dass sich manche Dinge so und nicht so ergeben? Spielt das Aussehen überhaupt eine wichtige Rolle für dich, um den Charakter zu formen oder sind Aussehen und Charakter für dich nicht zwingen abhängig voneinander? (Also, ich zum Beispiel gebe schüchternen Menschen automatisch eine zerbrechlichere, dürre, kleine Figur - was ja nicht sein muss, oder? Aber naja. ^^)
Nein, natürlich bekomme ich es nicht hin, die Figuren exakt so zu zeichnen, wie ich sie mir vorstelle. Die Zeichnung erahnt dann meistens nur meine Idee vom Aussehen des Charakters. Ich finde das Aussehen des Charakters insofern wichtig, da es mir hilft, mir die Szenen, welche ich schreiben möchte, bildlicher vorzustellen. Allein deswegen versuche ich, die Charaktere zu zeichnen – einfach, um etwas „handfestes“ vor Augen zu haben, das mit damit das Schreiben indirekt erleichtert. Ja, Aussehen und Charakter hängen bei mir stark zusammen.
Wie bekommst du deine Ideen für deine Charaktere?
Das ist teilweise sehr unterschiedlich. Oftmals gehe ich von einer Handlung aus, die dann einen bestimmten Charakter erfordert und durch die schon feststehende Handlung entwickelt sich dann so langsam ein Charakter in meinem Kopf, der in den Plot passen könnte. Bestimmte Ideen für die Charaktereigenschaften oder Charaktere, welche ich entwickle, kommen aber auch genau dann, wenn ich mir die Frage stelle Über was für Menschen möchte ich lesen? In letzter Zeit habe ich häufig Bücher zu Gesicht bekommen (besonders hier auf BookRix), in denen die Protagonisten sehr von sich selbst überzeugt und selbstsicher sind. Daraufhin dachte ich mir – wie würde ein Buch aussehen, in dem ein Charakter genau diese Eigenschaften nicht besitzt? Da ich bisher kein Buch gelesen hatte, das einen schüchternen, zurückgezogenen Protagonisten hat, kam mir der Gedanke einen solchen in meine Handlung einzuflechten oder ihn sogar ins Zentrum der Handlung zu stellen.
Was schreibst du lieber - männliche oder weibliche Protagonisten?
Zu meiner Schande habe ich bisher kaum aus der Sicht von männlichen Protagonisten geschrieben, sondern fast ausschließlich weibliche Hauptcharaktere beschrieben. Die Frage zu beantworten ist für mich dementsprechend schwer. Ich kann also nur sagen, dass mir das Schreiben aus der Perspektive eines weiblichen Protagonisten leichter fällt.
Was begeistert dich an ScienceFiction / Dystopie so sehr?
Für mich sind die beiden Genre so reizvoll, da man auf Missstände aufmerksam machen, die in unserer jetzigen Gesellschaft existieren. Hinzukommt, dass man sich dann beim Schreiben einer Dystopie stets den Gedanken stellt: Was wäre wenn? Was wäre, wenn erneut Kriege in dem eigenen Umfeld herrschen würden? Was wäre, wenn die Menschenrechte einschneidend missachtet werden würden? Was wäre, wenn Seuchen oder nur schwer heilbare Krankheiten massenhaft ausbrechen würden? Und besonders: Wie würde die Gesellschaft auf solche Umstände reagieren? Ich denke genau diese „Was-wäre-wenn?“-Fragen stellt sich irgendwann mal jeder, bzw. jeder befasst sich damit an irgendeinem Punkt seines Lebens. In unserer heutigen Gesellschaft reicht die Wissenschaft so weit, dass es schon möglich ist Klone zu erstellen. „ScienceFiction“ wird also immer alltäglicher und reicht näher an uns heran, als wir es vermuten würden. Gerade deswegen finde ich diese Genre so interessant, weil sie so nah und fern zugleich scheinen und indirekt doch jeden ansprechen.
Wie gehst du damit um, wenn ein Charakter von dir stirbt - versuchst du ihn zu retten oder lässt du ihn sterben?
Ich lasse ihn sterben. Was sein muss muss sein, haha.
Wie sehen deine Enden aus - bemühst du dich um Happy Ends?
Wenn man die Enden meiner Bücher liest, dann bin ich mir sicher, dass sie von außen gesehen allesamt wie Bad Endings aussehen. Ziele der Protagonisten werden nicht erreicht, die Protagonisten oder wichtige Personen sterben und so weiter. Jedoch bemühe ich mich sehr darum, dass für die Charaktere meistens noch ein kleiner Funke Hoffnung existiert, welchen ich dann als eine Art Happy End bezeichnen würde. In meinen schlechten Enden steckt dann also für bestimmte Charaktere ein kleines Happy End.
Erstellst du Steckbriefe o.ä. für deine Charaktere? Oder hältst du Details anderweitig fest?
Ja, mache ich! In meinem Notizbuch oder auf meinem Computer erstelle ich vor der Handlung alle nötigen Steckbriefe und schreibe einige Details zu den Personen auf (in diesen Dokumenten speichere ich dann die äußerlichen und charakterlichen Merkmale, die Hintergrundgeschichte, das Alter und Beziehungen zu anderen Personen ab).
Was ist für dich an einem Charakter besonders wichtig?
Schwächen. Lieber lese ich über einen vollkommen labilen Charakter als über Mary Sues und über Charaktere, die kaum Tiefe besitzen (auch, wenn ich mir selbst damit schwer tue).
Welcher deiner Charaktere bereitete dir bei der Entwicklung bisher die größten Schwierigkeiten? Und welche waren das und warum?
Charaktere, deren Verhalten ich nur schlecht nachvollziehen kann, machen es mir häufig schwer. Insofern hat mir die Protagonistin aus „Bernstein Rebellion“ Schwierigkeiten gemacht, da sie eine sehr sture und verschlossene Person ist, die häufig kopflos handelt. Das Hineinversetzen in diese Figur fällt mir dementsprechend schwerer und stellt mich oft vor die Frage: Würde diese Person tatsächlich so handeln/reagieren? Dadurch verlangsamt sich der Schreibfluss häufig.
Gibt es Eigenschaften, die du immer wieder in deinen Figuren wiederfindest?
Ja. Da gibt es verschiedene Arten von Personen, die ich immer wieder unbewusst in meine Geschichten einbaue – beispielsweise die undurchsichtige Dame, die irgendwie böse und doch hilfreich ist, der verpeilte Kumpel, die verhätschelnde Großmutter usw. Das passiert mir teilweise sehr unbewusst.
Kannst du dich noch an deinen ersten eigenen Charakter erinnern? Wie war er so? Würdest du ihn heute wieder so konzipieren?
Oh ja, kann ich. Sie war ein leicht naives Mädchen, welche die Protagonistin einer Fantasygeschichte sein sollte. Ehrlich gesagt hatte sie keine Ecken und Kanten, da ich mir noch kaum Gedanken bezüglich der Charaktere gemacht und mich stattdessen nur auf die Handlung konzentriert habe. Um es auf den Punkt zu bringen: meine ersten paar Charaktere waren allesamt Mary Sues und hatten überhaupt keine Tiefe. Ob ich sie wieder so konzipieren würde? Nein, natürlich nicht, haha. Aufgrund dessen versuche ich meinen Charakteren so viele negative Eigenschaften wie möglich zu geben – einfach um sicher zu sein, dass sie nicht ins Klischee abdriften.
Inwiefern beschäftigst du dich mit dem Background von Nebenfiguren?
Wie ich schon vorhin bei einer Frage geantwortet habe, fertige ich Steckbriefe an und beschäftige mich vorwiegend mit deren Vergangenheit.
Achtest du auf bestimmte Details bei der Darstellung und Ausarbeitung deiner Figuren?
Gewisse Charaktere bekommen bei mir kleine Ticks oder Zwänge, die ihre Ursache in deren Vergangenheit finden.
Die Entwicklung im Großen und Ganzen betrachtet, wie gehst du an die Sache ran, wenn es darum geht, einen neuen Charakter zu erschaffen?
Wenn ich gezielt einen Charakter erschaffe, mache ich mir zu aller erst Gedanken, was die Aufgabe des Charakters in der Handlung ist. Dann überlege ich mir, wie seine Charaktereigenschaften sein könnten – damit verbunden entsteht dann ein grobes Bild, wie der Buchcharakter wohl sein mag. Anschließend beschäftige ich mich mit seinem Namen (häufig versuche ich, die Bedeutung des Namen mit dem Buchcharakter übereinstimmen zu lassen), mit seinem Aussehen usw. Manchmal geistern mir im Kopf jedoch verschiedene Charaktere herum, die nicht „geplant“ werden wollen, sondern schon so weit existieren, dass ich kaum überlegen muss, wie sie so ticken.
Welcher deiner Figuren würdest du selbst am gelungensten beschreiben?
Die meiner Meinung nach gelungenste Figur aus meinen Geschichten ist für mich persönlich die Antagonistin aus „Bernstein Rebellion“. Der Leser ist sich während der Handlung nicht im Klaren, ob sie die Ziele der Protagonistin tatsächlich unterstützt oder nicht. Und obwohl sie sich als Gegenspielerin herausstellt, bleibt sie doch mein Lieblingscharakter, einfach, da ihre Hintergrundgeschichte so verzwickt ist und ihre eigentlich grausamen Handlungen legitimiert. Durch ihre Vergangenheit und durch diese Zwiespältigkeit in ihrem Wesen ist sie mir sehr ans Herz gewachsen.
Wie lange arbeitest du an einer Figur?
Das ist sehr unterschiedlich! Meistens ist es so, dass ich mir ein grobes Gerüst für den Charakter aufstelle, damit ich weiß, wie er tickt, was seine Schwächen, was seine Stärken sind und berufe mich dann immer wieder auf die Steckbriefe. Ich würde sagen, dass sich die Charaktere dann in der Handlung frei entfalten, frei entwickeln. Manchmal fallen mir Szenen ein, die ich gerne noch einfügen würde, einfach um dann doch irgendwie noch eine Veränderung in dem Verhalten der Person aufzuzeigen. Ich denke, ich arbeite deswegen so lange an einer Figur bis das Buch letztendlich abgeschlossen ist, da mir immer wieder kleine Änderungen bezüglich der Figuren einfallen.
Ist es dir schon einmal passiert, dass du während einer deiner Geschichten festgestellt hast, dass einer der Hauptcharaktere nicht ausreichend genug ausgearbeitet ist und die Geschichte deshalb ins Stocken gerät?
Oh ja, vorwiegend bei den ersten Geschichten, die ich geschrieben habe. Da ich fast immer zuerst mit der Ausarbeitung des Plots anfange und dementsprechend die Charaktere ein wenig vernachlässige, ist es mir schon mehrmals passiert, dass der Plot von den Charakteren verschiedene Dinge verlangt, die die Charaktere aber gar nicht erfüllen würden. Dementsprechend musste der Charakter neu modelliert werden.
Gibt es einen Tipp, der dir zu deiner Anfangszeit oder auch zwischendurch weitergeholfen hat?
Den ultimativen Tipp kann ich leider nicht geben, da ich ihn selbst auch noch nicht zu hören bekommen habe, haha. Ich persönlich kann nur sagen, dass man sich niemals durch Schreibblockaden entmutigen lassen sollte und, dass man dem kritischen Selbst keine Beachtung schenken soll! Egal wie „schlecht“ man denkt zu schreiben – Hauptsache man schreibt!
Hast du für unsere Mitglieder nützliche Tipps zur Entwicklung oder Weiterentwicklung?
Schreiben, schreiben, schreiben! So schwer und anstrengend es klingt. Als ich meine erstes Buch vollends abgeschlossen hatte und danach mit einer neuen Geschichte zu schreiben angefangen habe, um für die Überarbeitung des ersten Buchs erst mal Abstand zu nehmen, habe ich das Gefühl gehabt, durch diese neue Geschichte meinen Schreibstil verbessert zu haben (ich habe mal gehört, der Schreibstil einer Person soll sich alle 100.000 Wörter verbessern – das kann ich in gewisser Maßen bestätigen). Als ich dann nämlich mit dem Überarbeiten meines ersten Buchs wieder angefangen habe, ist mir aufgefallen, wie sehr sich mein Schreibstil verändert hat. Deswegen würde ich jedem einfach weiterempfehlen so viel wie möglich zu schreiben und nicht zu viel über eigenen Sätzen nachzudenken, da das den Schreibfluss teilweise ganz schön ins Stocken bringen kann. |
An dieser Stelle möchte ich mich noch einmal herzlichst bei Annibunny für ihre Zeit und das Interview bedanken.
Weitere intersannte Interviews und viele weiter nützliche Tipps, sowie Hilfe rund um die Charakterentwicklung- bzw. weiterentwicklung etr. findet ihr in der Gruppe "Fictional characters":
http://www.bookrix.de/_group-de-fictional-characters/
Bildmaterialien: Askare
Tag der Veröffentlichung: 08.04.2015
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Unserer Interview-Partnerin Annibunny, sowie den Mitgliedern der Gruppe "Fictional characters".