New Adult Romance
Susanne Sievert
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Inhaltsverzeichnis
Triggerwarnung:
Liebe Leserinnen und Leser,
Carolines Charme und Witz machen diesen Roman zu einem besonderen Lesevergnügen, dennoch möchten wir darauf hinweisen, dass Cook for my heart – Das Liebeschaos wird serviert Elemente enthält, die triggern können. Im Verlauf der Handlung geht es um Essstörung, Mobbing, Sportsucht und ein geringes Selbstwertgefühl.
Wir wünschen allen Leserinnen und Lesern ein angenehmes Leseerlebnis.
Eure Susanne und euer FeuerTanz-Verlag
Widmung
Für Martina
Herz an Herz. Ein Leben lang.
Für dich.
Vertraue dir selbst und sei dir sicher. Alles wird sich fügen.
Mein Trainingsplan (Caroline-Style)
Montag: Tabata (Alles oder nichts!)
Dienstag: High Intensive Intervall Training (HIIT)
Mittwoch: Krafttraining
Donnerstag: Yoga
Freitag: HIIT (Durchhalten!)
Samstag: Joggen
Sonntag: Tabata (Sweat, Baby, sweat!)
Ich hasse meinen Körper
Ich hasse meinen Körper. Ich hasse ihn so sehr. Obwohl ich mich wie eine Besessene abrackere, arbeitet er gegen mich und gelangt viel zu schnell an seine Grenzen! Ich will weiter trainieren, finde aber keine Kraft. Meine Muskeln versagen, ich schwitze und japse wie ein blutiger Anfänger. Mit den Fingern kneife ich mir ins Bauchfleisch. Viel Fett gibt es dort nicht, leider auch noch zu wenig Muskelmasse, und das nervt unfassbar! Mein Körper entwickelt sich, wie er es will, und nicht, wie ich es mir vorstelle. Meine Beine sind schön fest, da schwabbelt nichts, und ich bin nah dran an der beliebten Thigh Gap. So nennt man die Lücke zwischen den Oberschenkeln. Dank Instagram weiß ich so was. Aber was ist mit meinen Bauchmuskeln los? Wo bleiben die bitte? Ich trainiere hart, aber ausgerechnet am Bauch und an den Armen wachsen meine Muskeln am langsamsten. Als hätten sie sich abgesprochen. Geduld wurde mir zwar nicht mit in die Wiege gelegt, dafür Disziplin.
Die engen Sportklamotten kleben an mir, der Schweiß läuft mir den Rücken entlang, meine braunen Haare sind völlig durchnässt und meine Kopfhaut juckt. Gierig stürze ich mich auf das Wasser. Schnell alle Schadstoffe herausspülen. Raus damit, raus! Mein Herz rast noch immer und mit dem Wasser schlucke ich die Übelkeit runter. Ich höre bereits die Stimme meiner Mom im Kopf: »Na, hast du es wieder übertrieben?«
Vom Aufhören sagt sie aber nichts. Das kommt sowieso nicht infrage.
»Essen!« Mein Bruder steckt den Kopf ins Zimmer und verzieht angewidert das Gesicht. »Bäh, hier stinkt es wie Omas Schlüppis. Und Arschwasser hast du auch.«
Liebreizend wie immer. Mein jüngerer Bruder ist ganz schön frech, was die Sommersprossen auf seiner Nase und die blitzenden, hellblauen Augen unterstreichen. In seinem Blick lugt stets der Schalk hervor.
»Casper! Woher weißt du, wie Omas Schlüppis riechen?«, halte ich dagegen und werfe die leere Sportflasche – aus Plastik – nach ihm.
Er verschwindet mit gehässigem Lachen und poltert meckernd die Stufen hinunter, um sich bei unserer Mom zu beschweren. Kleiner zehnjähriger Scheißer.
Anstatt zum Abendessen zu erscheinen, springe ich unter die Dusche und gönne mir eine Ladung warmes Wasser, um den Schmerz in meinen Muskeln zu lindern. Meine Beine zittern und der Muskelkater in meinen Armen macht es mir echt schwer, die Haare zu waschen. Ich hasse meinen Körper, aber ich liebe die Qualen einer Kniebeuge und einer Plank. Ein Zeichen dafür, dass die HIIT-Workouts etwas bringen.
Eine halbe Stunde später sitze ich am Esstisch und ducke mich vor den begutachtenden Blicken meiner Familie. Sie ist nicht begeistert. Zum einen, weil alle mit dem Essen fertig sind, und zum anderen, weil kaum etwas auf meinem Teller liegt.
»Davon willst du satt werden?«, fragt Mom mit gerümpfter Nase.
Wer redet hier von satt werden? »Ich hatte schon einen Proteinshake, Mom. Lass mich in Ruhe, ja? Ich bekomme nicht mehr so viel runter«, antworte ich und zaubere mir ein Lächeln ins Gesicht, damit meine Worte nicht zu hart rüberkommen.
»Schatz, du bist im Wachstum. Dein Körper braucht eine vernünftige Mahlzeit. Du bist siebzehn. Siebzehn, Herrgott! Wie soll denn bei dir etwas wachsen, wenn du Spaghettisoße vom Teller schlürfst?«
Mit dem Zeigefinger deutet sie auf meine Brust, und Casper steigt natürlich sofort drauf ein. »Sie redet von deinen Titties, Caroline!«
Mein grimmiger Blick wechselt von ihm zu meiner Mom und hinüber zu Dad, der beschäftigt auf sein Smartphone glotzt. Er hält sich wie immer aus allem raus. Das ist schlau und das Beste, was er in der Situation machen kann.
»Also, an meiner Kochkunst liegt es nicht, oder Henry? Du hast dich noch nie beschwert.«
Eine Strähne ihres braunen Haares löst sich aus ihrem lockeren Dutt, den sie immer und zu jeder Zeit trägt. Die Haarfarbe und die grünen Augen habe ich von ihr geerbt, nicht aber ihr stocksteifes Hausfrauengetue.
Als Antwort gibt Dad ein nichtssagendes Grummeln von sich. Seine Reaktion auf alles und jeden. Er rutscht tiefer in den Stuhl, hält das Smartphone höher und ignoriert Moms Schnaufen.
»Darf ich aufstehen?«, frage ich. Der Appetit ist mir gründlich vergangen. »Ein Referat wartet auf mich.«
Ehrlich gesagt wartet gar nichts auf mich, aber Schule zieht immer und ist ein willkommenes Ablenkungsmanöver.
»In Ordnung«, sagt sie seufzend und schüttelt dabei den Kopf.
Ich zögere nicht lange – Chancen muss man schließlich nutzen – springe auf und laufe ins Zimmer. Endlich allein und, äh, Casper hat recht: Hier stinkt es nach gammeligen Oma-Baumwollunterhosen.
Ich öffne ein Fenster, schnappe mir ein Buch und setze mich auf die Fensterbank. Vor mir liegt unser Garten, mit einem Pool, einer Laube und Caspers zahlreichen Spielzeugautos.
Ja, Caroline und Casper. Meine Eltern sind kreative Namensgeber. Obwohl … Casper, das Schreckgespenst. Irgendwie passend. Bei dem Gedanken lächle ich, denn im Grunde mag ich meinen Bruder. Er bringt mich oft zum Lachen, gerade wenn mir zum Heulen ist.
Vor der Tür höre ich Schritte, gefolgt von einem leisen Klopfen und einem Räuspern. Ich reagiere nicht darauf und nach einer Weile verschwindet derjenige wieder.
Ja, ich weiß, das ist nicht die feine Art, aber heute möchte ich keine ernsten Gespräche mehr. Das ertrage ich nicht. Den Druck, immer und überall zu Grinsen, die Neugierde, das Glotzen auf meinen Teller und der ganze Stress, der damit verbunden ist, perfekt zu sein.
Trotzdem bin ich neugierig, hüpfe von der Fensterbank und schleiche zur Tür. Ich öffne sie einen Spalt und entdecke vor meiner Schwelle ein Tablett mit Obst und einem heißen Kakao. Neben dem Teller liegt eine Nachricht: Mitternachtssnack, Dad.
Ach, Dad. Ich ziehe das Tablett ins Zimmer und schließe leise die Tür.
Schwarzer Kaffee!
Am nächsten Morgen gehe ich vor der Schule an meinem Lieblingscafé Coffee, please! vorbei, um mir meine tägliche Portion Koffein abzuholen. Der Laden ist voll, die Schlange lang und das Gequatsche der Gäste fördert meinen ätzenden Kopfschmerz, der stetig gegen die Schädeldecke klopft.
In letzter Zeit bin ich schlecht drauf und die Zündschnur wird immer kürzer. Ob schwarzer Kaffee dagegen hilft? Das wird eher nicht der Fall sein, aber ich brauche etwas, um wach zu bleiben, denn es fällt mir schwer, morgens überhaupt aus dem Bett zu kommen. Warum gibt es auch so witzige Youtube-Videos?
»Was darf es für dich sein?«, ruft der Gott der Kaffeebohnen und kündigt an, dass ich endlich drankomme. Juhu!
»Kaffee, schwarz bitte«, bestelle ich und trommle mit den Fingerspitzen auf dem Tresen.
»Wir haben heute einen neuen Sirup reinbekommen. Kürbisgewürz. Mal probieren?«
Ich schüttle den Kopf. Ja, es ist zwar Herbst und passend, aber für mich zu zuckerig und klebrig. Die Kalorien erwähne ich erst gar nicht. »Nein danke, voll lieb und serviceorientiert von dir, aber mir ist nach schwarzem Kaffee.«
»Was hältst du von Sojamilch? Wir hätten auch Hafer- und Mandelmilch im Sortiment.«
Was ist denn mit dem Typ los? Drückt die Mütze zu doll auf sein Hirn?
Ich starre ihn an, als käme er von einem anderen Planeten. »Schwarzen Kaffee. Kaffee, schwarz! Ohne irgendetwas. Danke!«, wiederhole ich mit einem gefrorenen Grinsen.
»Schon mal unseren Eiskaffee getestet?«
Jetzt reicht’s. Meine Kopfhaut prickelt und meine Geduld ist definitiv ausgeschöpft.
»Schwarzer Kaffee! Verdammte Scheiße, was verstehst du daran nicht? Ich will keine Extras, kein Schnickschnack, man! Kapierst du das! Ja? Für Dumme noch mal langsam: Schwarzer K. A. F. F. E. E.!«
Mit den Fäusten donnere ich auf die Theke und spucke sogar beim Sprechen. Es kommt einfach so über mich. Ich kann gar nichts dagegen tun.
Ich atme ein und eine Millisekunde sehe ich mir selbst zu, wie mir mein Handeln entgleist. Die Erkenntnis, dass ich die Kontrolle über mein Tun verliere, ist schockierender als der fassungslose Ausdruck des Kassierers. Ich atme aus und alles bleibt so furchtbar, wie es sich anfühlt.
Das Stimmengewirr ist verstummt, als hätte jemand den Ton abgedreht. Einige starren in unsere Richtung, andere tuscheln – und mir schießt die Röte ins Gesicht. Mit zitternden Fingern krame ich das Geld aus meiner Tasche, reiße dem Kassierer den Becher aus den Händen und stürme nach draußen. Tja, das war es wohl mit meinem Lieblingscafé. Morgen hängt dort ein Bild von mir an der Tür. Betreten verboten. Leicht reizbar. Unter keinen Umständen ansprechen.
Mein Herz schlägt wie ein Presslufthammer in meiner Brust und Adrenalin pumpt schwer durch meine Venen – mein Sichtfeld verschiebt sich. In meinen Ohren fängt es an zu rauschen, und ich stütze mich an der Hauswand ab.
O nein, bitte nicht. Nicht jetzt.
Hin und wieder passiert es, dass mir schummerig vor Augen wird und in meinem Kopf ein Brummen einsetzt. Das ist in der Regel schnell vorbei, doch diesmal nicht.
Ich atme gepresst, versuche, das Zittern unter Kontrolle zu bringen, aber mein Körper hat mal wieder andere Pläne. Er übernimmt die Kontrolle im ungünstigsten Augenblick und ich kann nichts dagegen unternehmen.
Verdammter Mist!
Schade um den verschütteten Kaffee. Der arme Kerl, den ich dafür angebrüllt habe, denke ich, dann gehen meine Lichter aus.
Im Film wird das immer so gemacht
»Hey, aufwachen. Guten Morgen!«
Mein Gesicht brennt. Warum ziept meine Wange?
Bedächtig komme ich zu mir und das Erste, was ich wahrnehme, ist ein köstlicher, würziger Geruch. Das Wasser läuft mir im Mund zusammen. Ich blinzle und öffne die Augen, aber bevor ich mich aufsetze, wische ich mir den Speichel vom Kinn.
»Wo bin ich?«, murmle ich. »Ist das der Himmel? Gibt es im Himmel ein Buffet? Was wird gefeiert? Bin ich tot? O mein Gott, bin ich etwa auf meiner eigenen Beerdigung?«
Im Hintergrund höre ich jemanden erheitert brummen. Es klingt wie ein Lachen.
Mit einem Mal spüre ich etwas Nasses auf meiner Haut. Ich schaue seitlich auf. Neben mir steht ein Typ. Er lächelt und an seinen Mundwinkeln bilden sich Grübchen, die ich nur zu gerne berühren würde. Sein Gesicht ist nah vor meinem. So nah, dass sein Atem über meine Haut weht. Er duftet nach Kaffee und hat die wunderschönsten Augen, die ich je gesehen habe. Sie erinnern mich an dunkle Schokolade.
»Du bist in Ohnmacht gefallen«, erklärt er und deutet mit einem Daumen hinter sich. »Direkt vor unserem Restaurant. Ist das deine Masche, um ein gratis Frühstück abzugreifen?«
»Ist denn eins drin?«, frage ich. Nicht, weil ich Hunger habe, sondern vielmehr, weil er mich fesselt. Der Tag wird auf jeden Fall besser, wenn ich noch ein paar Minuten in seine Augen blicken darf. Und seine Stimme! So tief und melodisch. Jedes seiner Worte vibriert in meiner Brust.
»Sie ist zwar auf den Kopf gefallen, aber nicht auf den Mund«, ertönt es von jemand anderem.
Neben dem jungen Mann mit dem Lappen tritt ein zweiter hervor, der größer, kompakter, älter und behaarter ist. Das muss sein Vater sein, denn die Ähnlichkeit ist nicht von der Hand zu weisen. Gleiche Statur, gleiche Augenfarbe und die gleiche schwarze Lockenpracht. Der ältere Mann trägt eine weiße Kochjacke und eine grau-schwarze Schürze um die Hüften.
»Sie sieht aus, als hätte sie heute noch überhaupt nichts gegessen«, ertönt es definitiv von einer weiblichen Stimme.
Ich drehe meinen Kopf und entdecke eine zierliche Frau, die an einer Kaffeetasse nippt.
»Kleines«, sagt sie und schwenkt die Tasse in meine Richtung. »Ich mach dir eine ordentliche Portion Rührei.« Dabei nickt sie und ihre hellen blauen Augen strahlen.
»Und Speck«, fügt der attraktive Kerl hinzu. Wie alt mag er wohl sein? Vielleicht um die Zwanzig? »Den hast du nötig. Du bist ganz blass um die Nase. Hey erstmal, ich bin Mitchel.«
»Caroline«, antworte ich und berühre meine Wange.
»Sorry, ich habe dir einen leichten Klaps verpasst. Im Film wird das so immer gemacht.«
»Warum hast du es nicht erstmal mit dem Lappen versucht?«, will ich wissen und er lacht mich einfach aus. Frechheit!
»Dachte, das geht so schneller. Mein Fehler.«
Er zuckt mit den Schultern.
»War das eine Entschuldigung? Ganz schön lahm.«
Er hilft mir auf und führt mich an einen Tisch. Ich nehme mir ein paar Sekunden und lasse den Blick durch den Raum schweifen. Mir ist noch ein bisschen schwindelig, aber davon lasse ich mir nichts anmerken. Das ist Toms Diner. Ich erkenne es sofort an den roten Bänken, den blanken Metalltischen, den schwarz-weißen Fliesen und der Leuchtreklame in den Fenstern. An den Wänden hängen bekannte Bilder verschiedener Biermarken, der Route 66, aber auch berühmter Schauspieler. In der Ecke steht eine Jukebox und in der Luft hängt der Duft von Vanillemilchshake. Okay, das ist vermutlich nur eine Einbildung. Letztes Jahr haben wir Caspers Geburtstag hier gefeiert und ich erinnere mich noch sehr gut an die Milchshakes. Sie haben keinen fettfreien Shake im Angebot gehabt und der Blick meines Vaters ist unbezahlbar gewesen, als ich mir eine Coke Zero bestellt habe. Er hat mir daraufhin einen Vanilleshake hingestellt, den ich nur aus Anstand getrunken habe. Dafür hasse ich meinen Dad immer noch ein bisschen, obwohl es der beste Shake ever gewesen ist.
»Setz dich«, fordert mich Mitchels Mom auf – ich gehe davon aus, dass es sich um seine Mutter handelt. Sie sieht ganz anders aus als die beiden. Helle Haut, zarte Finger und ihr blondes Haar hat sie zu einem lockeren Dutt zusammengebunden. Aber irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass das offenbar ein Familienbetrieb ist.
Mit klackernden Absätzen verschwindet sie in der Küche.
Ich setze mich zusammen mit Mitchel und seinem Dad an den Tisch und tripple unsicher mit den Füßen auf dem Boden.
»Ist echt schön hier«, sage ich, weil keiner von beiden redet. Die Stille macht mich fertig und ich werde noch nervöser, als ich es ohnehin schon bin. »Danke, dass ich bei Ihnen essen darf. Und sorry für die Umstände. Ich falle sonst nie in Ohnmacht. Keine Ahnung, warum und …«
Prompt öffnet Mitchels Mom mit ihrem Hintern die Schwingtür und balanciert vier Teller auf einmal zu uns an den Tisch.
Gott sei Dank! Gerade zur rechten Zeit, sonst hätte ich noch mehr Blödsinn erzählt.
Wie bin ich nur in so eine Situation hineingeraten? Hätte mich schlimmer treffen können, aber für meine Verhältnisse ist das Ganze ziemlich abgefahren. Erst schreie ich einen Unschuldigen an und dann sitze ich mit Fremden an einem Tisch, um Rührei zu essen, das sich sofort auf meinen Hüften niederlassen wird. Auf der anderen Seite … so ist dann wenigstens mein Eiweißbedarf gedeckt. Trotzdem wird es meinen Essensplan durcheinanderbringen.
Ah, verzwickt!
Ein Entkommen ist aber ausgeschlossen. Es wäre unhöflich, es nicht zu probieren. Meine große Klappe hat mich hierhergebracht. Außerdem sieht es lecker aus und es riecht köstlich, sodass mein Magen zu knurren anfängt.
»Ich bin Amelia«, stellt sie sich vor und zeigt auf den Mann neben sich. »Und das ist mein Mann Tom. Meinen Sohn hast du ja bereits kennengelernt.«
Hab ich also doch richtig gelegen.
»Caroline«, antworte ich zum zweiten Mal. »Vielen Dank für das Frühstück. Ich möchte nicht unhöflich sein und habe Ihre Zeit genug in Anspruch genommen, aber …«
»Nicht so viel reden, sondern essen.« Mitchel schiebt den Teller näher an mich heran. »Kalt schmeckt es nicht.«
Okay. Ich ziehe es durch. Ich halte die Klappe, nehme die Gabel in die Hand und probiere das Rührei. Der Geschmack explodiert in meinem Mund und ich bemühe mich, nicht zu stöhnen. Das ist so gut! Fest und trotzdem fluffig, perfekt gesalzen mit einem Hauch schwarzem Pfeffer. Mom bereitet es ganz anders zu. Bei ihr schwimmt das glibberige Eiweiß auf dem Teller und sie gibt viel zu viel Pfeffer dazu. Da vergeht mir beim Anblick schon der Appetit.
»Und, Caroline?«, fragt Amelia. »Was ist eigentlich passiert? Sollen wir vielleicht deine Eltern anrufen? Junge Menschen fallen nicht einfach so in Ohnmacht.«
»Bitte nicht«, antworte ich mit vollem Mund und schlucke zu hastig das Essen runter. Mit der Faust schlage ich mir gegen die Brust, huste und höre erst damit auf, als Mitchel mir auf den Rücken klopft. »Ich meine … nicht nötig! Alles okay. Mir geht es super. Das war wohl ein Schwächeanfall. Hab ich sonst nie, ehrlich. Ist das erste Mal.«
In der Öffentlichkeit.
»Na gut, dann nicht.« Amelia sieht mich prüfend an, als würde sie mir kein Wort glauben. »Bist du auf dem Weg zur Schule?«
»Ja, genau. Ein weiteres Übel am heutigen Tag.« Ich schaufle mir eine große Portion in den Mund, um nicht reden zu müssen. Alles, was ich von mir gebe, ist so daneben!
Mitchel stößt ein leises »Ha« aus und ich werfe ihm einen verstohlenen Blick von der Seite zu. Mist, genau in diesen Moment schaut er zu mir rüber und zwinkert mir auch noch zu! Verlegen und mit geröteten Wangen checke ich die Uhrzeit. Ein paar Minuten bleiben mir noch, bis die Schulglocke läutet. Wenn ich jogge, schaffe ich es locker pünktlich zum Unterricht.
Wir unterhalten uns kurz über das Restaurant und die Schule. Die Zeit verfliegt, die Atmosphäre ist entspannt und ich überrasche mich selbst, als ich den Teller vor mir leer vorfinde. Wer hat das alles gegessen? Etwa ich? Es ist das erste Mal am Tag, dass ich mich entspannt zurücklehne und sich ein warmes Gefühl in meinem Magen ausbreitet.
»Nochmal vielen Dank«, sage ich und zücke die Brieftasche. Für sie bin ich eine Fremde und sie behandeln mich beinahe wie ein Familienmitglied. Zumindest geben sie mir das Gefühl. Was also sagt es über mich aus, wenn ich mich nicht erkenntlich zeige?
Ein Blick ins Portemonnaie und mir wird heiß und kalt zugleich. O no, ich bin pleite. Die letzten Dollarscheine habe ich für Klamotten, Sportlernahrung und schwarzen Kaffee ausgegeben, der in einer Pfütze vor der Restauranttür schwappt. Wenn sie kein imaginäres Geld annehmen, bin ich angeschmiert.
Doch so weit kommt es nicht. Amelia räumt den Tisch ab, Tom verabschiedet sich in die Küche und Mitchel legt seine Hand auf meine, um das Portemonnaie zu verdecken.
»Du bist eingeladen«, bestimmt er und seine Berührung löst einen kleinen Stromschlag aus. Wie der Funken einer Wunderkerze. Überrascht zucke ich zusammen und er deutet meine Geste völlig falsch. Er zieht seine Hand eine Spur zu schnell zurück. »Ich bring dich zur Tür. Nicht dass du zu spät zur Schule kommst.«
»Okay. Und vielen Dank nochmal.«
Ich folge ihm durch das Restaurant nach draußen. Was für ein verrückter Morgen!
»Also«, sagt er, »beim nächsten Mal brauchst du keine Show abziehen. Komm einfach rein, ja?«
»Hey«, beschwere ich mich. »Ohne Drama keine Show. Aber gut, okay. Vielen Dank.«
Ist das jetzt der Moment, in dem er mir seine Nummer gibt und mich anruft, um mich wieder einzuladen?
Nein, offenbar nicht. Er dreht sich um, schenkt mir ein letztes unverschämtes Grinsen und verschwindet aus meinem Sichtfeld.
Tja, das war es. Das Ende. Mein Herz flüstert mir dagegen etwas anderes zu. Aber wann habe ich zuletzt auf mein Herz gehört?
Ich bringe einen Toten
Mitchel.
Sein Name geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Wie ist es möglich, dass unsere Begegnung – so flüchtig sie auch gewesen ist – solch irritierende Gefühle in mir hervorruft? Ich schwanke zwischen Schmetterlingen im Bauch und einer harten Realitätsschelle, die mir sagt: »Nur in deinem Träumen. So etwas passiert wirklich nur in einem Film und du bist kein Star. Nicht einmal ein Sternchen.« Aber es gibt schlimmere Orte als Träume, an denen man sich befinden kann, oder?
Ich seufze leise beim Gedanken an seine Augen und die tiefen Grübchen, seine Stimme und …
»Caroline!«, ruft die Lehrerin von vorne.
Alle Schüler drehen sich nach mir um und glotzen mich an, als wäre ich ein Affe im Zoo. Ätzend.
»Würdest du bitte diese Aufgabe an der Tafel lösen?«
Links und rechts von mir fangen die Schüler an zu kichern. Ich atme tief durch, um mein rasendes Herz zu beruhigen. Warum kann ich nicht einfach unsichtbar sein? Ich schaue mich um und sehe nur hämische Gesichter. Tja, ihr seid bestimmt alle Mamas Lieblinge, denke ich zynisch. Sie genießen es bestimmt, hinter meinem Rücken über mich abzulästern. Das Getuschel nervt.
Mit einem gebrummten »Gerne« stehe ich auf, gehe an den Sitzreihen vorbei und fühle mich wie im Film The Green Mile. Augenblicklich ertönt Stephen Kings Stimme in meinem Kopf, als würde er mir aus seinem Buch vorlesen. »Ich bringe einen Toten. Ich bringe einen Toten!«, flüstere ich vor mich hin.
Ach, Stephen King, was wäre meine Welt ohne deine Bücher?
»Was hast du gesagt?« Meine Lehrerin, Mrs. Stephens, sieht mich über ihre Brillengläser hinweg an, reicht mir einen Stift und nickt auffordernd in Richtung Whiteboard. Das soll mich wohl aufmuntern, erinnert mich aber eher an eine Drohung.
»Auf die guten Noten«, antworte ich und proste ihr mit dem Marker zu, was mir erneutes Kichern und Gegacker meiner geliebten Mitschüler einbringt. Wie bei meinen Eltern kommt mein Sarkasmus bei Mrs. Stephens auch nicht so gut an. Es ist eben eine Sprache, die nicht alle verstehen.
Ich zupfe an meiner Bluse, zerre sie noch ein Stück herunter, weil ich mir einbilde, dass alle auf meinen Hintern starren. Ich habe so heftigen Muskelkater, dass ich kaum drauf sitzen kann. Keine Ahnung, was ich gestern anders an den Kniebeugen gemacht habe, aber Himmel! Der Schmerz ist ein gutes Zeichen für wachsende Muskeln.
Okay, jetzt geht es um Formeln und nicht um trainierte Muskelstränge. In Sekundenschnelle löse ich die Aufgabe. Ein Klacks für mich, denn wenn man keine Freunde hat, löst man abends gelegentlich Matheaufgaben. Näher betrachtet ist das traurig, ich weiß, Leute, ich weiß.
Freak!, ploppt es in meinen Gedanken auf, aber die Blicke meiner Mitschüler und der Lehrerin sind es allemal wert.
»Danke, Caroline.« Der Satz, der mich erlöst. Danke auch! Erleichtert gehe ich den Weg des Todes zurück und setze mich auf meinen Platz.
Das Glotzen hört auf und als die Schulglocke ertönt, strömen wir alle aus den Klassen in Richtung Kantine. Wie immer suche ich mir einen freien Platz und krame verschiedene Dosen aus meinem Rucksack. Hauptsache ich sitze alleine an einem Tisch. Perfekt. Dem Kantinenessen habe ich schon längst abgeschworen. Abgesehen von den Kalorien verliere ich den Durchblick, was alles in das Essen hineingemogelt wurde. Heute steht Hackbraten auf dem Plan. Ein Vorwand, um Reste an die Schüler zu verteilen?
Ob ich paranoid bin? Möglich ist es.
Die Tür schwingt auf und der nächste Schwall Schüler stürmt in die Kantine. Es wird laut und das Gegröle pocht unerträglich in meinen Ohren. Angeführt wird die Gruppe von den Footballspielern und das schrille Gelächter, das zu mir schwappt, erkenne ich sofort. Bethany. Sie ist die selbsternannte Cheerleader-Königin und was sie sagt, ist Gesetz. Was sie trägt, ist Trend. Und wessen Nase ihr nicht passt, hat ein Problem.
Lisa folgt ihr. Sofort beginnt mein Herz zu rasen und Schweißperlen bilden sich auf meiner Stirn. Unser Streit ist zwar Monate her, aber trotzdem ist das Gefühl der Hilflosigkeit und Enttäuschung tief in mir verwurzelt. Ich stelle meinen Rucksack auf den Tisch, um mich dahinter zu verstecken. Lisa Redwood. Schulsprecherin der Brady-Creek-Highschool und der Grund, warum ich eine Einzelgängerin bin. Sie ist mein persönlicher Alptraum. Sie hat mich gelehrt, Menschen zu misstrauen.
»Hey.«
Ich verdränge Lisa schnell aus meinen Gedanken und beschäftige mich mit den wirklich wichtigen Dingen des Lebens. Was esse ich zuerst? Gemüsereis mit ein paar Mandeln? Oder eher doch etwas aus der Rohkostbox?
»Hey, du!«
Die Begrüßung gilt sicher nicht mir, denn an der Schule gibt es niemanden, der gerne mit mir redet. Das liegt möglicherweise an meiner charmant blockierenden Art. Okay, okay. Ich hätte schon gerne eine Freundin. Jemanden, mit dem ich lachen, scherzen und über meine Probleme sprechen kann. Klar, wer ist denn gerne allein? Niemand. Aber nach meinen letzten Erfahrungen gehe ich kein Risiko mehr ein.
Ich ignoriere auch das dritte »Hey«, ziehe ein Buch aus dem Rucksack und fange an zu lesen, bis eine Hand über den Seiten auftaucht. Wo kommt die denn her? Und viel wichtiger: Wem gehört sie?
Mit einem Stück Karotte im Mundwinkel schaue ich auf. »Simon?« Was macht der beliebte Footballstar an meinem Tisch? »Hast du dich verlaufen? Die coolen Leute sitzen da drüben.« Ich zeige mit der Karotte in der Hand von mir weg.
Simon seufzt und sein Rucksack rutscht lässig von seiner Schulter, während er sich mir gegenübersetzt und seinen Teller vor sich auf den Tisch abstellt. Darauf liegt der besagte Hackbraten mit einer Portion Kartoffelpüree und so etwas, das Brokkoli sein könnte. Sollte der nicht grün statt grau sein? Bei dem Anblick zieht sich mein Magen zusammen und der Geruch von unzähligen Aromastoffen gibt mir den Rest.
»Macht es dir etwas aus, dich an einen der freien Tische zu setzen?«, frage ich geradeaus.
Die Mädchen an der Schule würden mich jetzt für verrückt erklären. Simon wegschicken? Dem auffallend attraktiven Sportler den Weg zeigen? Tja … Eine Sache unterscheidet mich grundlegend von den anderen. Sein Charme hat keine Wirkung auf mich.
»Bitte?«, füge ich noch hinzu, um nicht als unfreundliche Zicke bezeichnet zu werden. Ich habe auch meinen Stolz.
Simon reißt für eine Sekunde erstaunt die Augen auf und das Blau darin glänzt wie poliertes Buntglas.
Während der gesamten Schulzeit hat es bisher nur folgende Konversation zwischen uns gegeben, und zwar immer wiederkehrend, wie eine hängende Schallspielplatte:
»Aus dem Weg!«
»Hier ist Platz genug, Simon!«
Wenn es an der Schule Gruppierungen gibt, gehört Simon klar zu den Sportlern, was mich wiederum eigentlich begeistern müsste. Tut es aber nicht, denn er ist in meinen Augen ein arroganter Typ, der viel zu viel Raum für sich beansprucht und jetzt sitzt er auch noch an meinem Tisch.
Ich blicke mich um, wo der Rest seiner Truppe steckt. Mein Blick schweift von den Nerds zu den Cheerleadern weiter zum Schauspielclub und zurück zu Simon. Zu welcher Gruppe gehöre ich? Ah ja, zu den Einzelgängern.
»Warum sollte ich mich woanders hinsetzen?«, fragt er und spießt seinen Hackbraten auf.
Bevor er auch noch in meiner Anwesenheit mit dem Essen anfängt, sammle ich meine Sachen zusammen und stehe auf.
»Du hast recht«, antworte ich. »Ich setze mich einfach woanders hin. An der Schule herrscht schließlich freie Platzwahl.«
Blödmann!
Wütend feuere ich die Dosen in meinen Rucksack und frage mich, warum ich nachgebe. Er hat sich schließlich zu mir gesetzt.
»Warte kurz.« Seine Gabel fällt klappernd auf das Tablett. »Ist ja nicht so, dass ich freiwillig hier sitze.«
»Oh, wow, das wird ja immer besser«, antworte ich. »Und? Welcher Schurke hat dir die Pistole auf die Brust gesetzt? Du machst mich irre neugierig. Ach nee, doch nicht.«
Er schnalzt genervt mit der Zunge und es dämmert mir langsam, warum keiner mit mir reden will. Ich bin doch unerträglich zickig. Simon fixiert mich mit seinem Blick und Stück für Stück schrumpft meine Gehässigkeit in sich zusammen. Ich übertreibe. Mal wieder.
»Sorry, ich habe mich echt blöd ausgedrückt. Es war nicht böse gemeint, weißt du? Die Sache ist die, ich brauche dringend Mathenachhilfe«, sagt er.
Ich nicke, obwohl mir immer noch nicht klar ist, was er von mir will. »Und?«
»Na, du kannst rechnen.«
»So wie viele andere auch.« Meine Finger trommeln auf meinem Buch, das ich echt gerne weiterlesen würde. Die Stelle ist furchtbar spannend. Spannender als Gespräche über Mathe. »Das erklärt nicht, was du von mir willst. Soweit ich weiß, gibt es an der Schule extra Kurse für Mathelegastheniker. Melde dich einfach an und dein Problem wird von anderen gelöst.«
Nervös rutscht er mit dem Hintern über die Bank und schiebt den übelriechenden Teller von sich, ausgerechnet in meine Richtung. Er streicht sich eine blonde Strähne aus dem Gesicht und ich stelle fest, dass er wirklich schönes und glänzendes Haar hat. Simon erinnert mich ein bisschen an den Schauspieler Chris Hemsworth. Den kenne ich auch nur, weil Casper auf den ganzen Marvel-Kram steht. Gegen Mitchels Lockenpracht kommt er aber trotzdem nicht an. Bei dem Gedanken muss ich lächeln und das bezieht Simon auf sich.
»Mein Coach möchte nicht, dass ich das an die große Glocke hänge«, erklärt er.
»Dein Coach? Ernsthaft?«, entfährt es mir gut hörbar für andere. Vereinzelte drehen sich Schüler erschrocken zu uns um. Meine Eltern ermahnen mich wegen meiner lauten Stimme immer wieder, besonders wenn wir in der Öffentlichkeit sind, und auch Simon blickt sich beschämt nach allen Seiten um. »Das ist doch gelogen.«
Ich tippe darauf, dass es sich hier eher um sein Ego handelt als um die Interessen seines Football Coaches.
»Ja, okay, du hast recht«, gibt er zu. »Ich suche jemanden, der mir Einzelunterricht gibt. In Mathe bin ich eine Niete und ich will nicht in einer Gruppe lernen. Ich habe keinen Bock drauf. Ich brauche jemanden, der sich nur auf mich konzentriert.«
»O man«, erwidere ich und seufze. Was für ein eingebildeter Fatzke. »Das kaufe ich dir noch weniger ab. Warum ich? Warum soll ausgerechnet ich dir helfen? Und erzähl mir bloß keinen Mist, ich erkenne eine Lüge, wenn sie mir serviert wird. Darin hab ich genug Erfahrung gesammelt.«
Simon stützt sein Kinn auf beiden Händen ab und wir veranstalten für ein paar Sekunden einen Anstarrwettbewerb. Bis sein Blick nach links wandert und ich als Siegerin hervorgehe.
»Kennst du Kirk?«
»Kirk aus meinem Mathekurs?«, hake ich nach.
Simon nickt. Das Lustige an Kirk ist, dass man ihn zuerst hört, bevor man ihn sieht. Jeder seiner Schritte klingt so, als habe er Wasser in den Schuhen. Das Material erzeugt ein merkwürdiges Schmatzen und Quietschen.
»Mrs. Stephens hat dir heute wohl eine mächtig anspruchsvolle Aufgabe gestellt, die du mit Links gelöst hast.« Er setzt sich gerade hin und schnippt mit seinen Fingern. »Damit hast du ihn beeindruckt. Und mich auch. Ich will nur von den Besten lernen.«
»Toll«, antworte ich, und das mit einem langgezogenen O. »Komplimente ziehen bei mir nicht und die Antwort lautet Nein.«
Ich versuche, sein Fingerschnippen nachzumachen, allerdings ohne das Geräusch. Mann, den Effekt habe ich mir selbst verbockt.
»Hey, das war eine ziemlich überzeugende Erklärung! Du könntest es dir wenigstens überlegen«, beschwert er sich und rammt seine Gabel in den Hackbraten.
Dramatisch hebe ich die Hand. »Nein. Ich stehe nicht zur Verfügung. Mein Terminplaner ist so was von voll.«
»Aber …«
»Ich habe nein gesagt.«
Ob er – der gutaussehende Footballstar – jemals ein Nein von einem Mädchen bekommen hat? Wenn nicht, wird ihm das heute definitiv nicht schmecken, ha!
Ich setze mich an einen anderen Tisch, mit dem Rücken zu Simon, und knabbere an meiner Karotte. Das Thema hat sich erledigt. Für wie blöd hält er mich eigentlich? Da steckt doch bestimmt eine gemeine Absicht dahinter, und eines habe ich mir fest vorgenommen: Ich lasse mich nicht mehr verarschen!
Ganz schön behaart
Nach der Schule spaziere ich wie immer an Toms Diner vorbei. Seit dem Vorfall von heute Morgen fällt mir das Restaurant erst jetzt richtig auf. Von meinem zu Hause bis zur Schule sind es zu Fuß ungefähr dreißig Minuten. Das entspricht etwa hundertdreißig verbrannten Kalorien und das bedeutet einen Proteinriegel mehr, den ich essen darf.
Aber wer möchte so einen gummiartigen Riegel essen, wenn er einen Burger haben könnte? Oder einen richtig cremigen Milchshake mit Sahnehaube und Streuseln zubereitet von Mitchel? Ich schüttle den Kopf und wundere mich selbst darüber, dass der Typ es mir derart angetan hat. Dabei bin ich nicht einmal in der Lage zu beschreiben, was es genau ist.
Ich halte auf der gegenüberliegenden Straßenseite, starre auf das Diner und beobachte Mitchel durch die Fensterscheibe. Er trägt eine weiße Kochjacke mit hochgekrempelten Ärmeln und wischt gerade die Tische ab. Selbst aus der Entfernung erkenne ich die wohlgeformten Muskeln und Sehnen an seinen Armen. Genau wie sein Vater ist Mitchel mit dichtem, kräftigem Haar gesegnet. Wie gerne würde ich in seine volle Lockenpracht greifen, einfach, um zu fühlen, wie weich sein Haar und wie warm seine Kopfhaut ist. Sein Drei-Tage-Bart kratzt bestimmt und …
Oh, Mist!
Er schaut zu mir herüber.
Kann ich noch so tun, als würde ich ganz zufällig hier stehen? Mit Glück hat er mich doch nicht gesehen. Nein, er erkennt mich und winkt mir mit dem Lappen in der Hand zu. Mein Herz klopft wie verrückt, und ich unterdrücke den Impuls, mir meine Hände gegen die Brust zu pressen. Es schlägt so schnell! Das Blut rauscht in meinen Ohren und schießt mir ins Gesicht. Anstatt locker zurückzuwinken, reagiere ich völlig abwegig. Das ist mein Caroline-Instinkt. Ich drehe mich auf der Stelle um und renne in die falsche Richtung. Zurück zur Schule.
Sein Blick hat mich so durcheinandergebracht, dass ich wie eine Irre handle. Dank meines Aussetzers laufe ich dann auch noch einen Umweg nach Hause, der mich zusätzliche Kalorien kostet. Aber gut, darüber will ich mich nicht beschweren.
Zu Hause angekommen, steht meine Mutter in der Küche und schneidet Gemüse zurecht. An der Küchentheke sitzt Casper, der über seinen Hausaufgaben brütet.
»Hallo Schätzchen«, begrüßt sie mich. Mein Bruder hat nur ein genervtes Brummen für mich übrig. Die Aufgaben machen ihn vermutlich fertig und das erinnert mich plötzlich an Simon.
Ob ich …?
Nein, kommt nicht infrage. Vermutlich steckt hinter seiner Bitte ein Hinterhalt. Er hat mit seinen Kumpels bestimmt etwas Fieses gegen mich geplant. Warum sonst sollte ein cooler Junge mich fragen, wenn jeder andere ihm Hilfe anbieten würde, und zwar ganz und gar freiwillig, ohne Heimlichtuerei? Ich lasse sicher kein Remake von Eine wie keine zu.
»Hey, Mom«, antworte ich. »Und, Casper? Was liegt heute an?«
Ich beneide Casper nicht gerade darum, noch in der Middleschool zu stecken. Eine Schule voller pubertierender Kinder, die ihren Platz im Leben suchen? Okay, die Highschool ist die Hölle, machen wir uns nichts vor, aber dort haben wir die Pubertät fast hinter uns gebracht und können etwas klarer denken.
Na ja, die meiste Zeit zumindest.
Wenn kein Junge in der Nähe ist.
Man seine Periode nicht hat.
Den Zicken aus dem Weg geht.
Aufhört, sich mit anderen zu vergleichen.
Und seine Nase in ein gutes Buch steckt.
»Caroline?« Casper holt mich ins Hier und Jetzt zurück. »Schickst du deine Gedanken wieder einmal auf Weltreise? Ich habe gefragt, ob du mir helfen kannst. Mathe ist so ätzend. Wer kapiert das bitte? Nicht einmal Mom versteht das.«
»Wie du siehst, bin ich beschäftigt.« Verärgert wedelt sie mit dem Küchenmesser in der Luft. »Schließlich muss ich es hier allen recht machen.«
»Ist schon okay, Mom«, sage ich. Als sie sich wieder umdreht, grinsen Casper und ich uns an und kichern hinter vorgehaltener Hand. »Gehen wir in mein Zimmer, dann schaue ich, was ich für dich tun kann. Lange habe ich aber keine Zeit. Heute ist Donnerstag.«
»Jaja«, erwidern beide gleichzeitig und seufzen. »Du machst später Yoga. Dein Plan hängt am Kühlschrank und das nicht erst seit gestern.«
Ich nicke und mit einem kurzen Blick auf sein Heft habe ich das Problem erkannt. Ihm zu helfen, wird einfacher sein als Simon. Außerdem ist Casper mein Bruder. Wir streiten uns, schreien uns an, veralbern uns, aber wenn es darauf ankommt, bilden wir eine Mauer.
»Ach, und Caroline?«
Ich drehe mich zu meiner Mom um, die mit dem Messer nach oben zeigt.
»Du hast ein Paket bekommen. Es steht in deinem Zimmer. Hör mal, es ist eine tolle Sache, dass du dich fit halten möchtest und dir einen Plan erstellst, aber …«
»Mom!« Was jetzt folgt, habe ich bereits dutzende Male von ihr gehört.
»Lass mich ausreden«, sagt sie. »Der ganze Krempel wird von der Kreditkarte deines Vaters abgebucht und er wird bei der nächsten Abrechnung nicht begeistert sein.«
»Ich zahle es doch zurück«, antworte ich.
»Du meinst mit dem Taschengeld, was Dad dir jeden Monat zahlt?« Ihre Mundwinkel zucken und ich sehe ihr an, dass sie sich beherrschen muss, nicht laut zu lachen. »Das wird nicht reichen. Egal, was du da bestellt hast, es ist schwer und teuer. Ich habe es mir nicht nehmen lassen, einen Blick auf unser Konto zu werfen, und neben der Abbuchung steht eine gewaltige Standpauke drauf.«
Stöhnend blicke ich zur Decke und stimme meiner Mom zu. Bei der Bestellung habe ich übertrieben und den Ärger verdiene ich zu Recht. Gleichzeitig bin ich aufgeregt und nehme die Standpauke in Kauf.
»Verstanden, Mom«, sage ich, aber sie schüttelt den Kopf und widmet sich wieder dem Abendessen.
Casper und ich laufen in mein Zimmer, wo er sich auf den Boden neben meiner Sportmatte ausbreitet und mir etwas von Superman erzählt. Ich höre ihm nur mit halbem Ohr zu, denn das Aufreißen des Kartons übertönt seine Begeisterung für Superhelden.
»Was ist das denn?«, fragt er und schaut über meine Schulter.
Stolz hebe ich die Gewichte aus dem Karton, entferne die Folie und stelle meine neuen Sporthilfen auf den Boden ab. Sie sehen aus wie Bälle mit einem Griff am oberen Ende.
»Das sind Kettlebells.« Ich reihe die Gewichte auf. Angefangen mit zwei Kilo bis zu zwanzig Kilo. Insgesamt sind es fünf an der Zahl.
»Wie benutzt man die?«, will er wissen und hebt den Leichtesten aus der Reihe an. Sofort nehme ich ihm das Gewicht aus der Hand. Anfänger sollten auf jeden Fall vorsichtig sein und er ist ein schmächtiger Junge, der sich dabei schlimm verletzen könnte.
»Das muss ich noch genau nachlesen«, sage ich und halte ihm meine Uhr vor die Nase. »Zeig mir mal deine Aufgaben. In einer halben Stunde möchte ich mit Yoga anfangen, okay?«
»Du bist so dünn«, sagt er plötzlich. Mit dem Finger streicht er über meine hervorstehenden Schulterknochen und ich verstehe nicht, was er meint. »Warum trainierst du jeden Tag? Ist das nicht langweilig?«
»Nein«, antworte ich knapp. »Ist es langweilig, jeden Tag Comics zu lesen? Oder mit deinen ferngesteuerten Autos im Garten zu spielen?«
»Nö.« Casper lacht. »Das macht aber auch Spaß. Dein Sport sieht nicht gerade lustig aus. Jedes Mal, wenn du fertig bist, denke ich, ich muss den Krankenwagen rufen.«
»Sagt der, der keine Ahnung hat.« Spielerisch boxe ich ihm gegen die Schulter. »Apropos keine Ahnung. Her mit den Aufgaben.«
Er reicht sie mir, nicht ohne dabei dramatisch aufzustöhnen und nach einer Erklärung versteht er den Rechenweg schneller als vermutet.
Folter hat er echt gut drauf
Die Yogaübungen haben mich entspannt und nach der Dusche erscheine ich sogar pünktlich und gut gelaunt zum Abendessen.
Das wohlige Gefühl wird allerdings von der wabernden Kälte gedämpft, die am Esstisch herrscht. Mit einem Stirnrunzeln blicke ich in die Runde. Casper. Mom. Dad. Alle sitzen am Tisch, eingehüllt in Stille und in trauter Schweigsamkeit. Alles wie immer. Aber irgendetwas ist anders und als Casper mich unter dem Tisch leicht anstupst, fällt es mir wie Schuppen von den Augen.
Mein Dad stiert nicht auf sein Smartphone.
Er starrt mich an.
Ich bin geschockt und fasziniert zugleich, sein vollständiges Gesicht zu sehen, und erahne Übles, denn das hat etwas zu bedeuten. Seine volle Aufmerksamkeit muss man sich nämlich verdienen und damit meine ich nicht mit guten Noten.
Ich öffne den Mund, um etwas zu sagen, doch dann lasse ich es lieber bleiben. Mein Dad zieht derart scharf die Luft durch die Nase, dass er uns übrigen scheinbar keinen Raum zum Atmen lässt. Von seinem Kragen aus kriecht die Röte Stück für Stück nach oben und seine Stirn ist so kraus, dass man denken könnte, seine Augenbrauen wären zusammengewachsen. Holla, er ist wütend. Richtig wütend und das geschieht nicht so oft. Den meisten Ärger bekommt in der Regel Casper ab, weil er von einer verrückten Idee zur anderen springt. Mein Bruder ist sonderbar still und ich weiß warum.
Die Wut gilt mir.
Oh, Scheiße. Es ist an der Zeit, die Rechnung der Kettlebells zu begleichen.
»Deine Mom hat mir erzählt, dass du wieder etwas bestellt hast«, sagt er. Seine Ruhe passt nicht zu seinem roten Gesicht und das ist gruselig.
Ich blicke von Dad zu meiner Mom, die schuldbewusst im Eintopf rührt, als stünde dieser noch auf der Herdplatte.
»Das hat jetzt ein Ende, Caroline. Dieses Mal hast du es übertrieben. Was sind eigentlich Kettlebells?«
Casper hebt einen Finger, aber diesmal bin ich es, die ihm unter dem Tisch einen Tritt verpasst. Beleidigt zieht er seine Hand zurück. Er hat keinen blassen Schimmer, wovor ich ihn bewahre.
»Es tut mir leid, Dad«, sage ich und gehe gar nicht erst auf seine Frage ein. »Ich werde es zurückzahlen. Alles.«
Die Rechnung ist leider sehr lang.
»O ja und nicht nur das«, antwortet er, greift nach der Kelle und füllt sich auf. Das Essen riecht gut. Aber sind das Kartoffeln da im Eintopf? »Das Ganze hat ein Ende. Und zwar sofort.«
»Was meinst du?«, frage ich mit einem Klumpen im Magen. Das Gespräch schlägt eine Richtung ein, die mir nicht gefällt.
»Ganz einfach.«
Er nimmt einen Löffel in die Hand, pustet über das heiße Essen und deutet mit dem Kinn an, es ihm nachzumachen. Zaghaft hebe ich meinen Teller an und meine Mom geizt nicht mit dem Eintopf. Das ist viel zu viel, das schaffe ich nicht. Und ja, es sind Kartoffeln! Die kann ich nicht essen. Und was ist das? Ist das Fett am Fleisch?
Meinem Dad sind meine gekräuselten Lippen nicht entgangen und mit einem Knall schlägt er auf die Tischplatte. Casper japst vor Schreck und meine Mom zieht ihren Kopf ein. Den Kampf bestreite ich offenbar allein.
»Du wirst das alles aufessen«, befiehlt Dad und zeigt mit dem Finger drohend auf meinen Teller. »Bis auf die letzte Kartoffel. Es wird dir schmecken und danach bedankst du dich bei deiner Mutter, dass sie so gut gekocht hat.«
»Du kannst mich nicht zwingen«, antworte ich und schlucke schwer. Der Appetit ist mir vergangen. Aus Prinzip werde ich gar nichts essen.
»Und wie ich das kann«, behauptet er. Er rückt seine Brille zurecht und greift wieder nach dem Löffel.
Angepisst starre ich auf den dampfenden Teller. Warum ist es so schwer für Dad, drei Sätze mehr zu sagen und mich dann aus der Hölle zu entlassen, anstatt immer wieder diese unnötigen Essenspausen einzulegen? O ja, die Folter hat er echt gut drauf.
»Du wirst dir einen Job suchen«, sagt er schließlich. »Ich werde deinen Fitnesswahnsinn nicht länger unterstützen. Niemand in der Familie wird das! Dein Taschengeld wird gestrichen! Von uns gibt es keinen Cent mehr, den du für Proteinshakes und was weiß ich ausgeben kannst. Und jetzt iss deinen Eintopf.«
Er sieht in die Runde, als würde er alle damit meinen. Nach der Ansage starre ich weiterhin auf meinen Teller, zähle die Kartoffelstücke und höre neben meinem eigenen Ohrenrauschen das zarte Klingen der Löffel, die auf Keramik treffen. Ich starre und starre, halte die Tränen zurück und ignoriere das ansteigende Schnaufen meines Dads. Gleich wird die Bombe platzen. Man fühlt es einfach, wenn es richtig ernst wird.
»Caroline?«
»Ja, Dad?«
Meine Finger ballen sich unter dem Tisch zu Fäusten und verkrampfen sich so sehr wie mein Magen.
»Iss. Den. Eintopf.«
»Nein«, murmle ich und meine Mom fängt an zu schniefen.
Es tut mir leid, würde ich am liebsten sagen. Es tut mir leid, dass ihr jetzt alle davon betroffen sein werdet.
»Florence-Margaret?«
Wir heben beide unseren Kopf, obwohl nur meine Mom angesprochen wurde, und das beim vollen Namen.
»Ich möchte, dass du alle Proteinshakes, Riegel und diese komischen Pillen wegschließt.«
»Das sind meine Nahrungsergänzungsmittel!«, rufe ich alarmiert, und zwar eine Spur zu verzweifelt. Darauf hat Dad natürlich gewartet. »Die brauche ich.«
»Nahrungsergänzungsmittel!«, wiederholt er. »Hörst du dir selbst zu? Was für ein Schwachsinn. Morgen suchst du dir einen Job, damit du den ganzen Blödsinn vergisst, und du wirst alles essen, was deine Mutter kocht! Das wird nicht diskutiert.«
»Du kannst nicht über mich bestimmen, als wäre ich ein Hund!«
»Achte auf deine Tonlage, Missy!«, droht mein Vater, aber, ach Dad, darüber sind wir doch längst hinaus.
»Das ist meine Lebensweise«, schreie ich und schäme mich selbst ein bisschen dafür, aber Missy ist zu viel für mich. Ich hasse Streit, aber was ich noch mehr hasse, ist, wenn man mir nicht zuhört. »Du kannst mir nicht dein Leben aufdrücken, nur weil du denkst, es ist das Richtige für mich. Ich entscheide, was gut für mich ist. Nur ich! Es ist mein verdammter Körper.«
»Du bist siebzehn Jahre alt«, sagt er und ist wieder die Ruhe selbst. Wie ein Roboter, dessen Batterien sich dem Ende zuneigen. »Solange du nicht volljährig bist, entscheide ich für dich. Du hast doch keine Ahnung, was gut für dich ist! Sieh dich nur mal an! Solange deine Füße unter meinem Tisch …«
»Hör auf!«, schluchze ich. »Nein! Einfach nein! Lass mich in Ruhe. Ihr alle!« Damit springe ich vom Stuhl auf, der mit voller Wucht nach hinten kippt, und renne in mein Zimmer, bevor mein Vater mir folgen kann. Im Zimmer angekommen, knalle ich die Tür mit aller Kraft zu und schließe ab.
Ich bin so wütend, dass mir die Tränen in die Augen schießen, und so hilflos, dass ich eine tiefe Leere in mir spüre. Es ist ungerecht. Er ist ungerecht! Es ist doch mein Körper und nur ich kann wissen, was gut für mich ist, oder? Er ist doch derjenige, der keine Ahnung hat.
Ich gehe zu meinem Kleiderschrank und wühle durch meine Klamotten. Da! Es gibt bestimmt Menschen, die Schokolade verstecken. In meinem Schrank hingegen liegt ein kleiner Vorrat an Shakes und Riegeln, die ich nun rausnehme und in der Kommode unter meiner Unterwäsche verstecke. Da wird Mom hoffentlich nicht suchen.
Ich wische mir über die Augen, öffne ein Fenster und schnappe mir mein Handy. Zuerst schaue ich mir Fitnessvideos an, um mich abzulenken, aber dann findet mein Zeigefinger Instagram und ich scrolle mich durch verschiedene Seiten. Oben rechts blinkt etwas Rotes. Ich habe eine Nachricht bekommen. Ich seufze genervt. Das ist sicher wieder eine ominöse Sexgruppe, die zum Mitmachen animiert. Nein, danke.
Ich klicke auf die Eins und wundere mich über das Bild und den Namen. Es ist eine Nachricht von Simon. Das gibt es doch nicht.
Hey, was geht?, schreibt er.
Das ist ja wohl ein Witz, aber genaugenommen auch eine gute Ablenkung.
Was willst du?, tippe ich zurück.
Er ist online und prompt erhalte ich eine Antwort.
Du bist so charmant. – Simon
Und du doof. Also, was willst du? – Caroline
Mathenachhilfe. Bitte. Ich bin richtig schlecht und bettle dich förmlich an. – Simon
O ja, über Instagram. Das hat Klasse. – Caroline
In der Schule hast du mich abgeblockt. Das ist jetzt ziemlich unfair. – Simon
Weil meine Antwort auch im sogenannten Fake-Land Nein lautet. – Caroline
Wenn das hier das Fake-Land ist, ist es dann nicht ein Ja? Oder zumindest ein Nein mit einem Fragezeichen? – Simon
Das war nicht übel und ich grinse in mich hinein.
Ich habe keine Zeit für Nachhilfe. Ich muss mir einen Nebenjob suchen, um mein luxuriöses Leben zu finanzieren. Das ist die Wahrheit und nichts als die Wahrheit. – Caroline
Ich glaube, da könnte ich dir helfen. – Simon
Tatsache? Wie sieht die Hilfe aus? – Caroline
Ich kenne da jemanden, der könnte dir einen Job an der Kinokasse
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Texte: Susanne Sievert
Bildmaterialien: Shutterstock.com, Urheber © JeniFoto; Oksana Mizina; Mtsaride; BarthFotografie Billion Photos; tutti_frutti
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Lektorat: Rike Moor, www.lektorat-moor.de
Satz: Veronika Aretz
Tag der Veröffentlichung: 08.07.2023
ISBN: 978-3-7554-4648-4
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